Der Globus - die Globusse, die Globen oder die Globi?
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Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher: Der Globus – die Globusse, die Globen oder die Globi? – Das Rechtschreibwörterbuch als Auskunftsquelle bei Grammatikfragen 1. Thema Das Rechtschreibwörterbuch ist im deutschen Sprachraum der am weitesten verbreitete Wörterbuchtypus – und zwar mit großem Abstand. Obgleich es sich dabei, nach der gängigen Wörterbuchtypologie, eigentlich um ein einsprachiges, gegenwartsbezogenes Spezialwörterbuch zur rechtschreiblichen Kodifizierung der Standardsprache handelt, wird es bekanntlich nicht nur in orthographischen Zweifelsfällen konsultiert. Der Benutzer sucht und findet vielmehr bei den meisten Stichwörtern über die korrekte Schreibweise hinaus Antwort auf Fragen zur Worttrennung, Aussprache, Grammatik, Herkunft, Bedeutung, zum Stil und zum kontext-bezogenen Gebrauch eines Stichwortes. Das gilt natürlich gerade für den Rechtschreibduden, dem schon seit Jahrzehnten der Stellenwert eines Volkswörterbuchs beigemessen wird; er macht aus der Sicht zahlloser Benutzer ein Gesamtwörterbuch entbehrlich, das den Wort-schatz unserer Gegenwartssprache unter verschiedensten, überwiegend semantischen Aspek-ten dokumentiert, und manchen ersetzt er sogar das Lexikon, dessen Domäne ja nicht die sprachbezogene, sondern die sachbezogene Information ist. Längst gibt es zudem eine Reihe von Rechtschreibwörterbüchern, die gezielt auf die Bedürf- nisse von Lernenden zugeschnitten sind und die sich im Hinblick auf Gliederung, Stichwort- auswahl und -anordnung sowie Informationsdarbietung durch eine schülergerechte Aufberei- tung auszeichnen. Zu diesen Werken gehört der Schülerduden - Rechtschreibung und Wort- kunde, der zurzeit in seiner 5. Auflage aus dem Jahr 1997 im Schulunterricht eingesetzt wird und auf den sich das folgende Unterrichtsmodell bezieht.
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher 2. Intentionen Im vorliegenden Beitrag geht es darum, Anregungen zur praktischen Arbeit mit einem für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I konzipierten Rechtschreibwörterbuch zu geben. Im Zentrum soll der Umgang mit den grammatischen Angaben im alphabetisch aufgebauten Stichwörterverzeichnis stehen, die in vielen der etwa 20.000 Artikel Auskunft zu unterschiedlichsten Fragen und Zweifelsfällen geben können. Vorgeschlagen wird eine Reihe von Nachschlageaufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad und Anspruchsniveau. Diese Arbeitsaufträge können – je nach verfügbarem Zeitbudget bzw. Kenntnisstand und Interesse der konkreten Lerngruppe – als “Fundgrube” sowohl zur Einführung in die Benutzung eines Orthographiewörterbuchs als auch für den fortgeschrittenen Umgang mit diesem Wörterbuchtypus genutzt werden. Im Vordergrund soll also nicht die Vermittlung von Detailwissen zur Grammatik der deutschen Gegenwartssprache oder zur Praxis des Wörterbuchschreibens stehen; es geht vielmehr um die Herausbildung und Förderung einer besonderen Methodenkompetenz: Die Schülerinnen und Schüler sollen Routine und Sicherheit im Umgang mit einem Rechtschreibwörterbuch entwickeln, um auch in grammatischen Zweifelsfällen verschiedenster Art möglichst schnell an die gesuchten Informationen zu kommen. Deshalb sind die Rechercheaufgaben grundsätzlich so gewählt, dass sie ohne Hinzuziehung des Wörterbuchs – oder den weitaus aufwendigeren Weg über ein Grammatikkompendium – kaum sicher zu bewältigen sind. 3. Realisierung Eingangs der Sequenz sollten die Schülerinnen und Schüler sowohl mit der Anordnung der Stichwörter als auch mit dem Aufbau der Wörterbucheinträge und ihren typischen Struktur- elementen vertraut gemacht werden. Welche sprachbezogenen Auskünfte einem Recht- schreibwörterbuch entnommen werden können, lässt sich – unterstützt durch Overheadfolien – zeitökonomisch in Form eines Lehrervortrags vermitteln. Es bietet sich aber auch an, dies entweder im gelenkten Unterrichtsgespräch oder in Einzel- beziehungsweise Partnerarbeit von den Lernenden selbst herausarbeiten zu lassen (vgl. Abbildungen). Die grammatischen Angaben finden sich im Rechtschreibwörterbuch in aller Regel in unmit- telbarer Nachbarschaft zum halbfett gedruckten Stichwort, gegebenenfalls im Anschluss an Aussprachehilfen. Sie bestehen im Rechtschreib-Schülerduden bei Substantiven aus der Angabe des bestimmten Artikels, der zum besseren Einprägen von Wortbildern am Nestanfang ausgerückt ist, und bestimmter Deklinationsformen (= Genitiv Singular und Nominativ Plural); Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 2/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher bei Verben aus der Angabe der Stammformen (in der Regel der 2. und 3. Person Singular Präsens, der 3. Person Singular Präteritum und Perfekt sowie des Imperativs); liegt ein echtes reflexives Verb vor, ist dies am Beginn eines Wortnests durch das ausgerückte Reflexivpronomen angezeigt; bei Adjektiven aus der Angabe der unregelmäßig gebildeten Vergleichsformen. Weitere grammatische Informationen gehen natürlich aus den in vielen Stichwortartikeln enthaltenen Beispielen zum situationsbezogenen und syntaktisch korrekten Wortgebrauch hervor – das sind etwa solche zur Rektion der Präpositionen (wegen der hohen Preise, trotz des Regens). Die Reihe der Nachschlageaufgaben könnte beginnen mit Fragen nach dem grammatischen Geschlecht bzw. dem Artikel bestimmter Substantive, denn diese werfen auch für den besonders sprachkompetenten Sprecher/Schreiber häufig Zweifel auf. Da es sich bei den Substantiven um die Wortart mit dem größten Anteil am Gesamtwortschatz handelt (er liegt bei rund 50 Prozent), wirkt ein solcher Auftrag nicht konstruiert; er entspricht vielmehr einer realen Nachschlagesituation. Die Aufstellung der nachzuschlagenden Substantive (vgl. Material 1) enthält sowohl Wörter mit eindeutigem Genusgebrauch (zum Beispiel Abscheu, Versäumnis) als auch solche mit schwankender Artikelverwendung (etwa Countdown oder Poster). Hinzu kommen Homo- nyme bzw. polyseme Wörter1, in denen der Genuswechsel jeweils Unterschiede in der Wort- bedeutung anzeigt: der oder das Band, die oder das Steuer. Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass alternativ verwendbare Artikel im entsprechenden Stichworteintrag explizit als solche ausgewiesen werden (der und das Countdown, der oder das Bonbon) und dass die Kennzeichnung auch vor einer Nebenform steht, die in der alltäglichen Sprachpraxis seltener gebraucht wird (der, auch das Gully). Ein weiteres wichtiges Lernziel lässt sich aus dem im Deutschen besonders produktiven Wortbildungsmuster der Komposition herleiten. Da sich der Wortschatz einer Sprache zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd erfassen lässt, können vor allem die leicht ad hoc zu bildenden und deshalb besonders zahlreichen Determinativkomposita (Zusammensetzungen aus Bestimmungswort und Grundwort) nur in vergleichsweise geringer Zahl in einem Wörterbuch verzeichnet sein.2 Ist ein Wort dieses Bildungstyps nicht lemmatisiert, ist der Benutzer aufgefordert, die Zusammensetzung in ihre Bestandteile zu zerlegen und unter dem Grundwort nachzuschlagen, um auf diesem Wege etwa das grammatische Geschlecht des Kompositums eindeutig bestimmen zu können. Innerhalb des Materialkästchens ist dies zum Beispiel bei “das Feuchtbiotop” oder “der Monatsverdienst” der Fall. Analog ist zu Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 3/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher verfahren, wenn ein Substantiv, das mit verschiedenen Artikeln gebraucht wird, in einer Zusammensetzung die Position des Bestimmungswortes einnimmt; das grammatische Geschlecht richtet sich auch in diesen Fällen nur nach dem Grundwort, was in aller Regel eine eindeutige Artikelzuweisung bedeutet (das Currypulver, der Gullydeckel). Material 1 Finde mithilfe deines Rechtschreibwörterbuchs heraus, welches grammatische Geschlecht bzw. welchen bestimmten Artikel die folgenden Substantive haben: Abscheu, Band, Bauer, Bereich, Bonbon, Feuchtbiotop, Couch, Countdown, Curry, Currypulver, Erbe, Ersatzteil, Filter, Gong, Gulasch, Gully, Gullydeckel, Gummi, Joghurt, Keks, Kompromiss, Laptop, Laster, Monatsverdienst, Poster, Radiergummi, Schild, Steuer, Tachometer, Versäumnis, Virus Überlege dir, was du tun kannst, wenn ein Substantiv im Stichwortteil nicht verzeichnet ist. Auch die Situation, eine richtige Genitiv- oder Pluralform bilden zu müssen, zwingt (längst nicht nur) Schüler regelmäßig zur Konsultation eines (Rechtschreib)wörterbuchs. In der dafür vorgesehenen Wörterliste (vgl. Material 2) sind Substantive der verschiedenen Deklinations- klassen und -typen berücksichtigt. Durch die vollständige Angabe der Genitiv-Singular-Form geben viele Stichworteinträge Auskunft darüber, ob bei Substantiven, die der starken oder gemischten Deklinationsklasse angehören, die Voll- oder Kurzform steht oder ob eine Vokalaussparung möglich ist: des Überflusses, des Autors, des Bau[e]s. Auch Flexionsformen von Substantiven, deren Zuge- hörigkeit zu einem bestimmten Deklinationstypus schwankt, sind angegeben: des Nachbarn und des Nachbars; des Bauern, selten: des Bauers. Bei der Bestimmung dieser Formen gilt wiederum, dass die Angaben zu Komposita, die nicht eigens als Stichwörter verzeichnet sind, eruiert werden können, indem das Grundwort gesucht wird (etwa bei Geldautomat). Die zum Recherchieren schwieriger Pluralformen aufgeführten Substantive decken unter- schiedliche Typen der Pluralbildung ab, darunter so genannte Null-Plurale (die Segel) und solche mit unterschiedlichen Endungen (-e, -[e]n, -er, -s), Mehrzahlformen mit Umlaut des Stammvokals (die Geschmäcke) oder des Ableitungssuffixes (die Reichtümer); vertreten sind auch Wörter, die entweder nur im Singular (so genannte Singulariatantum) oder ausschließ- lich in der Pluralform (Pluraliatantum) gebraucht werden (z. B. Durst/Eltern). Auch bei der Pluralbildung gibt es eine Reihe von Schwankungsfällen und Doppelformen. Bei den Varianten ohne Bedeutungsdifferenzierung gilt meistens nur eine – nämlich die nicht besonders gekennzeichnete – Form als die standardsprachliche: die Bogen, die Dinge, die Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 4/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher Krane, die Lager. Mit expliziten Markierungen versehen sind hingegen Plurale, die zum Bei- spiel umgangs- oder fachsprachlich gebraucht werden oder nur regional verbreitet sind: land- schaftlich auch: die Bögen; umgangssprachlich: die Dinger; in der Kaufmannsprache auch: die Läger. Pluralvarianten, mit denen Wortbedeutungen unterschieden werden, haben zum Teil eine Genusdifferenzierung im Singular (der Band – die Bände, das Band – die Bande/die Bänder), zum Teil nicht (die Bank – die Bänke/Banken). Auch hier gilt, dass bei nicht eigens lemmatisierten Zusammensetzungen die Angaben beim Grundwort heranzuziehen und – bei Homonymen – Bedeutungsunterschiede zu beachten sind (so heißt es nicht Machtwörter, sondern Machtworte). Material 2 Bestimme den Genitiv Singular der folgenden Substantive: Autor, Bär, Bau, Bauer, Deutsch, Egoismus, Elefant, Familienname, Frieden, Geheimnis, Geldautomat, Mai, Mensch, Nachbar, Oberst, Opa, Polizist, Rechtsstaat, Spatz, Status, Tag, Überfluss Bilde die korrekte Pluralform der folgenden Wörter: Alpen, Atlas, Ananas, Aquarium, Auspuff, Badesaison, Balkon, Band, Bank, Bogen, Böse-wicht, Butter, Computer, Couch, Denkmal, Ding, Durst, Eltern, Examen, Fensterladen, Föhn, Geburtstagsparty, Geld, General, Geschmack, Globus, Grill, Haupt, Interesse, Kerl, Kernobst, Kiefer, Kindheit, Komma, Konsul, Konto, Kragen, Kran, Lager, Land, Machtwort, Masern, Museum, Niederlande, Osterferien, Pantoffel, Park, Pfund, Pizza, Porträt, Poster, Praxis, Reichtum, Saal, Sammelband, Schluck, Service, Spagat, Stahl, Start, Status, Steuer, Tank- wart, Taugenichts, Tausch, Tunnel, TV-Quiz, Wohnblock, Zahlwort, Zeitungskiosk, Zirkus Interessante Rechercheaufträge ergeben sich natürlich auch bei den Verben. So kann bei den intransitiven Verben der Bewegung die Frage der richtigen Perfektform – Bildung mit haben oder sein – leicht Unsicherheit auslösen. Bei liegen, sitzen und stehen hängt sie von der Zugehörigkeit des Sprechenden/Schreibenden zu einem bestimmten Sprachgebiet ab. Während nördlich der Mainlinie das mit “haben” gebildete Perfekt als standardsprachlich gilt (Ich habe in der letzten Reihe gesessen), überwiegt in Süddeutschland, Österreich und in der Schweiz die sprachgeschichtlich ältere Umschreibung mit “sein” (Wir sind auf der Bank gesessen). Bei nicht zielenden Bewegungsverben zeigen unterschiedliche Perfektbildungen Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 5/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher verschiedene Perspektiven an: Beim haben-Perfekt steht die Dauer, der unvollendete Verlauf eines Vor-gangs im Mittelpunkt (Sie hat zwei Stunden gepaddelt), wohingegen beim sein-Perfekt der Aspekt der räumlichen Veränderung dominiert (Sie ist an das Ufer gepaddelt). Im Fall bummeln werden durch die beiden Hilfsverben nicht nur Bedeutungen subtil differenziert, sondern nachgerade Verwechslungen vermieden: Er hat gebummelt (= Er hat nichts getan, er hat getrödelt); er ist durch die Straßen gebummelt (= geschlendert, ziellos spazieren gegangen). Material 3 Finde durch Nachschlagen heraus, ob und warum die Perfektform der folgenden Verben jeweils mit dem Hilfsverb “haben” oder mit dem Hilfsverb “sein” gebildet wird: bummeln, einleuchten, fahren, flattern, knittern, laufen, liegen, paddeln, reiten, schwimmen, segeln, sitzen, stehen, trödeln Beim Gebrauch der Verben entstehen die größten Schwierigkeiten durch ihre Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Konjugationsklassen. Die meisten Verben werden regelmäßig (in der älteren, auf Jakob Grimm zurückgehenden Terminologie: “schwach”) konjugiert, die unregel- mäßig (“stark”) gebeugten stellen demgegenüber nur eine kleine Minderheit dar, wenngleich sie im sprachlichen Alltag sehr häufig verwendet werden. Die Sensibilisierung der Lernenden für diese Thematik kann erfolgen, indem man sie eine Reihe von Verben zunächst spontan einer “Schwierigkeitsklasse” zuordnen lässt: Bei welchen würde es wohl aus dem Stegreif gelingen, die richtigen Perfekt- und Präteritumformen zu bilden; in welchen Fällen bestehen zumindest Unsicherheiten, sodass eine “Rückversiche-rung” im Wörterbuch zur Fehlervermeidung hilfreich wäre, und welche Verben erzwingen geradezu die Nachschlagehandlung? Erst in einem zweiten Arbeitsschritt wäre dann die Überprüfung dieser Selbsteinschätzung unter Benutzung des Rechtschreibwörterbuches zu leisten (siehe Material 4). Keine Unsicherheiten dürften bei Verben entstehen, die Schüler eindeutig entweder der re- gelmäßigen (lernen) oder der unregelmäßigen (denken) Konjugationsklasse zuordnen kön- nen. Zu Schwierigkeiten kommt es besonders dann, wenn es sich um seltener gebrauchte Verben handelt, die (noch) nicht zum aktiven oder passiven Wortschatz der Schülerinnen und Schüler gehören (klimmen, triefen), und solche, in denen die Beugung schwankt. Eine Reihe von Verben kann sowohl regelmäßig als auch unregelmäßig konjugiert werden. Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 6/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher Zu diesen alternativen Flexionsformen kommt es im Normalfall, wenn eine neuere, regel- mäßige Form mit einer älteren, unregelmäßigen konkurriert: backen - der Bäcker backte, älter: buk. Zum Teil stehen die Formen dann gleichrangig nebeneinander und sind entspre- chend markiert (versenden: sie versendete und sie versandte, sie hat die Post versendet und versandt), zum Teil ist eine Form – meistens, aber nicht immer die jüngere – gebrauchs- häufiger (triefen: Seine Haare trieften, selten: troffen; seine Haare haben vor Nässe getrieft, selten: getroffen; absenden: Sie sandte ab, seltener sendete ab). Beim Verb hängen sind standardsprachlich die unregelmäßigen Vergangenheitsformen auf den intransitiven Gebrauch festgelegt, mit dem eine Lage angegeben wird, nach der mit “wo?” gefragt werden kann: Das Bild hing hier/hat hier gehangen. Die regelmäßige Beugung hingegen ist der transitiven Ver-wendung vorbehalten, die eine Richtung kennzeichnet, die mit “wohin?” zu erfragen ist: Sie hängte das Bild an die Wand/hat das Bild an die Wand gehängt. Nicht selten gehen mit unterschiedlichen Konjugationsformen auch verschiedene Wortbedeu-tungen einher: Das regelmäßig gebeugte bewegen hat die Bedeutung “eine Orts- oder Lage-veränderung vornehmen oder bewirken” (Sie hat den Stuhl bewegt), das unregelmäßig gebeugte wird im Sinn von “jemanden zu etwas veranlassen” (sie hat ihn bewogen, dies zu tun) gebraucht. Bei gären hängt die regelmäßige oder unregelmäßige Bildung der Vergangen-heitsformen davon ab, ob das Verb wörtlich (Der Wein gor/hat gegoren) oder metaphorisch gebraucht wird (In ihm gärte es seit langem/hat es seit langem gegärt). Mitunter differenzieren auch Homophone (= gleich klingende Verben mit unterschiedlichen Schreibweisen) Bedeutungen. So bildet das Verb mahlen in der Bedeutung “zerkleinern, fein zerreiben” sein zweites Partizip unregelmäßig (Sie hat den Kaffee gemahlen), während “ma- len” im Sinne von “mit Pinsel und Farbe herstellen” ein regelmäßiges Partizip Perfekt hat (Sie hat ein Bild gemalt). Material 4 Wie lauten die korrekten Vergangenheitsformen (Perfekt und Präteritum) zu den folgenden Verben? absenden, atmen, backen, bewegen, biegen, denken, empfehlen, erschrecken, fahren, frieren, fechten, gären, gebären, glimmen, hängen, hauen, klimmen, kommen, kneifen, lernen, lügen, mahlen, malen, raten, rennen, saugen, schaffen, schenken, schinden, schleifen, schwimmen, schwören, senden, singen, spinnen, stehlen, tragen, triefen, verderben, versenden, waschen, weben, wenden, werfen, wiegen, winken, wohnen Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 7/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher Auch bei der Wahl der richtigen Imperativform treten bisweilen Unsicherheiten auf, die sich mit den Schülern anhand fehleranfälliger Beispiele (vgl. Mat. 5) herausarbeiten und themati- sieren lassen. Bei den meisten Verben wird – nicht nur im gesprochenen, sondern auch im geschriebenen Deutsch – zunehmend die Form ohne Endungs-e bevorzugt und ohne Apo- stroph geschrieben; die Beispiele in den Stichwortartikeln des Rechtschreib-Schülerdudens kennzeichnen das Endungs-e entsprechend häufig als fakultativ (Sag[e] etwas!/Schlag[e] ihn nicht!) oder verzeichnen nur noch die endungslose Form (Steig auf die Leiter!/Komm!). Bei den Verben, die im Infinitiv auf -ern oder -eln auslauten, kann zwar im Imperativ das e des Wortstammes wegfallen, nicht jedoch das Endungs-e (Trau[e]re nicht länger!/Hand[e]le vorsichtig!). Obligatorisch ist das Schluss-e weiterhin bei Verben mit einem Stamm auf d oder t (Finde die Lösung!/Beachte die Hinweise!). In den Materialien 5 sind sowohl regel- mäßige als auch unregelmäßige Formen der Imperativbildung berücksichtigt. Bei unregel- mäßigen (ablautenden) Verben, in denen in bestimmten Personalformen der Stammvokal wechselt, wird im Gegenwartsdeutsch kein -e mehr angehängt (messen – Miss!/werfen – Wirf!). Material 5 Welche Imperativform (Befehlsform) ist in den folgenden Sätzen standardsprachlich korrekt? • Achte/Acht darauf! • Erschrecke/Erschrick sie nicht so! • Flüstere/Flüster/Flüstre nicht während der Filmvorführung! • Gebe/Geb/Gib mir sofort mein Geld zurück! • Gefährde/Gefährd ihn nicht! • Laufe/Lauf nicht so schnell! • Lese/Les/Lies dir das Kapitel durch! • Rufe/Ruf doch mal an! • Sammele/Sammel/Sammle nachher die Hefte ein! • Schweige/Schweig jetzt endlich! Bei den Adjektiven – nach den Substantiven und Verben die Inhaltswortart mit dem größten Anteil am Wortschatz – stehen natürlich vor allem die Fragen der richtigen Steigerungsform im Mittelpunkt des Nachschlagbedarfs. Ein Problem für Wörterbuchbenutzer stellt aber in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Notierungspraxis dar: Bei Adjektiveinträgen werden nämlich die Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 8/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher Vergleichsformen im Normalfall nur dann explizit gezeigt, wenn sie unregelmäßig gebildet werden, also vom Muster “Anhängen der Endung -er bzw. -st an den Adjektivstamm” abweichen. Unregelmäßige Komparativ- bzw. Superlativformen sind zum Beispiel solche mit umlautenden Stammvokalen (nah – näher), Konsonantenwechsel (hoch – höher), Vokalausfall (dunkel – dunkler), Vokalergänzung (breit – am breitesten) oder anderen Wortstämmen (gut, besser, am besten). Nun lässt sich aber daraus, dass im Stichwortartikel keine Steigerungsformen angegeben sind, nicht der simple Umkehrschluss ziehen, dass die regelmäßige Steigerung möglich und korrekt ist (wie bei tief – tiefer – am tiefsten). Vielmehr gilt eine Reihe sehr gebräuchlicher Adjektive als nicht steigerungsfähig, sodass bei den entsprechenden Stichwörtern ebenfalls keine Kom-parationsformen angegeben sind (vgl. Material 6). Hier gilt es demnach, die Schülerinnen und Schüler dafür zu sensibilisieren, bei fehlenden Steigerungsformen zu prüfen, ob die Bedeu-tung des fraglichen Adjektivs sinnvolle Gradabstufungen und Vergleiche überhaupt erlaubt. Dies kann durch die Herausarbeitung der folgenden, im Allgemeinen als nicht steigerungs-fähig geltenden Adjektivgruppen geschehen: • “absolute” Adjektive, deren Bedeutung keine graduellen Unterscheidungen mehr zulässt; dazu zählen auch Komposita mit bedeutungsverstärkendem ersten Bestandteil: blind, mündlich, nackt, riesengroß, tot, urkomisch, viereckig • Adjektive, die bereits einen geringsten oder höchsten Grad bezeichnen: absolut, minimal, total • Adjektive, die das mit dem Stammwort Bezeichnete verneinen: unbequem, unsympathisch, unübersichtlich • Adjektive, die das Fehlen des mit dem Stammwort Bezeichneten ausdrücken: kinderlos, bargeldlos, obdachlos • unbestimmte Zahladjektive (außer viel und wenig): einzig, gesamt, halb • nicht deklinierbare Farbadjektive: beige, rosa, lila Adjektive aus fast allen dieser Gruppen werden gelegentlich – auch in der Standardsprache – dennoch gesteigert; entweder zur Relativierung einer Aussage, zur Ausdrucksverstärkung oder in übertragener Bedeutung zur Kennzeichnung einer Eigenschaft: Der Saal ist heute (noch) leerer als gestern/Sie erfüllte ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit (eine in zahlreichen qualifizierten Arbeitszeugnissen zu findende Beurteilungsfloskel)/Sie war das lebendigste (= lebhafteste) von allen Kindern. (Unregelmäßige) Vergleichsformen bilden im Übrigen auch einige wenige Adverbien (etwa gern[e] oder oft), obwohl diese ja grundsätzlich zu den nicht flektierbaren, somit auch nicht Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 9/10
Unterrichtsmodell zum Praxis-Deutsch-Themenheft Wörterbücher komparierbaren Wortarten zählen. Material 6 Lassen sich zu den folgenden Adjektiven Steigerungsformen bilden? absolut, äußere, bald, bargeldlos, beige, blau, blind, breit, dunkel, einzig, erstklassig, extrem, fromm, ganz, genau, gern(e), gesund, glatt, gut, hoch, karg, kinderlos, krank, lila, minimal, nah, nass, neu, obdachlos, oft, privat, riesengroß, rosa, rot, schmal, steinreich, teuer, tot, total, unsympathisch, unübersichtlich, viereckig, voll Welche Schlussfolgerungen kannst du ziehen, wenn sich im Stichworteintrag keine Angaben zur Steigerung finden? Ralf Osterwinter - Der Autor ist ausgebildeter Lehrer und gehört der Dudenredaktion in Mannheim an - 14.09.2000 1 Die schwierige und in der Linguistik umstrittene Grenzziehung muss in diesem unterrichtlichen Zusammen- hang vernachlässigt werden. 2 Dies gilt für Rechtschreibwörterbücher mit ihrem Stichwortbestand zwischen etwa 20 000 (Schülerduden – Rechtschreibung und Wortkunde) und 120 000 (Rechtschreibduden) im Besonderen, da die meisten Komposita in orthographischer Hinsicht unproblematisch sind und ihre Schreibung unschwer über das Nachschlagen der einzelnen Bestandteile ermittelt werden kann. Dudenverlag 2001, Alle Rechte vorbehalten 10/10
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