SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar

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SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
SONDERNUMMER   DEZEMBER 2017

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SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
1970         1970
Nr.XII       Nr.XII
S. 33        S. 18

                              Im Auftrag der Stiftung Saarlän­discher
                              Kulturbesitz herausgegeben
                              von Roger Münch, Matthias Winzen
                              und Burkhard Detzler anläss-
                              ­lich der Ausstellung Schacht und
                               Heim. Eine Zeitschrift für den saar­
                               ländischen Bergmann, die vom
                               8. Dezember 2017 bis 30. Juni 2018
                               im Deutschen Zeitungsmuseum
                               in Wadgassen zu sehen ist.

                                                                                                           Das Projektteam der Ausstellung, einer KOOPERATION des Deutschen Zeitungsmuseums und der Hoch-
                                                                                                           schule der Bildenden Künste Saar: (vordere Reihe, v. l. n. r.) Nikolaj Woroschilow, Anna Makarova, Felix
                                                                                                           Wilcken, Laura Lücke, Sarah Philippi, Matthias Winzen, Veronika Müller, Roman Conrad; (hintere Reihe,
 1969                  1963   Erscheinungsjahr                                                             v. l. n. r.) Janina Heese, Jana Lepple, Janosch Obenauer, Werner Werle, Burkhard Detzler, Roger Münch,
                                                                                                           Christian Göbel, Paul Schwarz, Sascha Boßlet; alle Projektbeteiligten siehe Seite 46.
Nr.XI                 Nr.XI   Ausgabe
S. 31                 S. 31   Seite

                                                             Inhalt
                                                                                                   Seite
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                              Witze.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2      Im Sommer 1955 veröffentlichten die Saarbergwerke das erste Heft ihrer neuen
                              Editorial .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3       Werkzeitung unter dem Titel Schacht und Heim. Ab 1971 wurde sie unter dem
                              Schacht und Heim – Die Ausstellung                                           Titel Saarberg, Werkzeitschrift des Saarberg-Konzerns bis 2012 weitergeführt.
                                  Ein ­Interview mit Roger Münch.  .  .  .  .  4                           Heute halten Sie mit diesem Exemplar die einmalige Sondernummer in Händen,
                              „Glückauf“ trifft „Gott grüß die Kunst“ —                                    die in Gestaltung und Inhalt an diese erste Ausgabe erinnern soll.
                                  Lektüre für den saarländischen                                              Bereits bei den Vorgesprächen zur Konzeption der gleichnamigen Ausstellung,
                                  Bergmann .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  8            die vom 8. Dezember 2017 bis 30. Juni 2018 im Deutschen Zeitungsmuseum in
                              Ein Rückblick auf Schacht und Heim                                           Wadgassen zu sehen ist, wurde die Idee geboren, keinen klassischen Ausstellungs-
                                  im Saarland.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16          katalog zu veröffentlichen. Stattdessen waren wir uns einig, die begleitende Pub-
                              Witze.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20     likation in Form einer Zeitschrift produzieren zu lassen und den Besuchern, quasi
                              Arbeitsgerät unter Tage —                                                    als Eintrittskarte, zu überreichen.
                                  Schmuck über Tage
                                  Fotostrecke.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 21          Mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren ist gewährleistet, dass sich möglichst
                              Und dann gab es eben die Gutzja, es sollte                                   viele Leserinnen und Leser über diese spannende Zeit der Industrie- und Technik-
                                  ja nicht geraucht werden, nicht wahr?                                    geschichte, aber auch der Sozial- und Kulturgeschichte unseres Bundeslandes
                                  Ein Interview mit Hildegard Hoffmann. 34                                 ­informieren können. Die Besucher der Ausstellung haben darüber hinaus die Mög-
                              Mächtige Maschinen und die                                                    lichkeit, sich in einer als Arbeiterkneipe gestalteten Lese-Ecke mit den Original-
                                  Menschen dahinter                                                        ausgaben von Schacht und Heim zu beschäftigen.
                                  Ein Interview mit Gregor Zewe.  .  .  .  .  37
 1963         1965            Man hat keine Ellenbogen benutzt um                                          Für die großzügige Unterstützung unserer Ausstellung möchten wir uns sehr herz-
Nr.XI        Nr.XII
S. 31        S. 26
                                  vorwärts zu kommen, sondern die Füße                                     lich bei allen Sponsoren bedanken. Für die vielfältige Hilfe in Form von Rat und
                                  Ein Interview mit Gerhard Thurn.  .  .  .  40                            Tat, Leihgaben und Schenkungen danken wir allen Institutionen und Partnern. Be-
                              Mit allen Wettern gewaschen                                                  sonderer Dank gebührt der RAG-Stiftung.
                                  Ein Bericht über Joseph König .  .  .  .  .  . 42                           Eine große Freude für alle Teilnehmer des HBKsaar-Teams und des DZM-Teams
                              Einen Stollen in der Garage                                                  war es, über viele Monate hinweg professionell und kreativ zusammenzuarbeiten.
                                  Ein Bericht über Manfred Berwanger.  .  44                               Die Anstrengungen haben sich gelohnt!
                              Impressum.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 46
                              Horoskop.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  47          Auf den folgenden Seiten verweben wir Damals und Heute, indem wir Beiträge
                                                                                                           und Fragmente aus alten Originalausgaben der Schacht und Heim in grüner Farbe
                                                                                                           nachdrucken. In einem kleinen Stempel gleich daneben finden Sie Erscheinungs-
                                                                                                           jahr, Nummer und Seitenzahl der Originalausgabe. Für diese sinnfällige Gestal-
                                                                                                           tungsidee danken wir den Grafikern MM, M in Saarbrücken.
                              Das Titelbild stammt von ­Wolfgang Haut und
                              ist entnommen aus Schacht und Heim, Jahrgang                                 Wir wünschen Ihnen einen anregenden Rundgang durch die Ausstellung und eine
                              1959, Ausgabe 3, Seite 4. Die Rückseite zeigt das                            informative Lektüre unserer Schacht und Heim-Sonderausgabe. Glück auf!
                              Bild Hohlstraße Neunkirchen des saarländischen
                              Industriemalers Walter B
                                                     ­ ernstein (1901–1981).                               Die Ausstellungsmacher
         2                                                                                                                                                                                                       3
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
2017

     SCHACHT UND HEIM
     DIE AUSSTELLUNG
Immer wieder befasst sich DR. ROGER MÜNCH (58) als Direktor des Deutschen Zeitungsmuseums in Wadgassen
mit neuen und alten Zeitungen und Zeitschriften. Aktuell ist dies Schacht und Heim, eine saarländische Grubenzeitschrift,
die zwischen 1955 und 1971 erschienen ist. In einer Kooperation des Deutschen Zeitungsmuseums mit der Hochschu-
le der Bildenden Künste Saar wurde eine Ausstellung gestaltet, die dieser Zeitschrift würdig ist. Über deren Entste-
hung und Besonderheiten erzählte er uns in einem Interview.

                                                                    Seit der Eröffnung des Deutschen Zeitungsmuseums im
                                                                  Jahre 2004 haben wir unser Sammlungskonzept um einen
                                                                  Saarland-Schwerpunkt erweitert. Im Laufe der Jahre konn-              1964
                                                                  ten wir dadurch eine repräsentative Auswahl von Periodika
                                                                                                                                       Nr. II
                                                                                                                                       S. 23
                                                                  aufbauen. Immer wieder, vor allem nach dem Ende des Stein-
                                                                  kohlebergbaus im Saarland, erhielten wir auch Zeitungen zu
                                                                  bergmännischen Themen. Im Zuge dieser Sammeltätigkeit
                                                                  kamen auch dreidimensionale Exponate wie Grubenlampen,
                                                                  Helme, Werkzeuge und Bekleidungsstücke ins Museum.
                                                                  Endgültig ausschlaggebend war jedoch die Schenkung der
                                                                  kompletten Jahrgänge der Zeitschrift Schacht und Heim,
                                                                  Werkzeitung der Saarbergwerke, die ab den 1970er Jahren
                                                                  unter dem Titel Saarberg, Werkzeitschrift des Saarberg-­
                                                                  Konzerns, weitergeführt wurde. Fein säuberlich gebunden,
                                                                  ohne große Gebrauchsspuren und Fehlseiten und mit Gold-
                                                                  prägung auf den Einbänden stand sie eines Tages in unserer
                                                                  Bibliothek. Bereits beim ersten Durchblättern war mir klar,
                                                                  die nächste Ausstellung heißt Schacht und Heim.
                                                                    Wer hat das Konzept entwickelt?
                                                                  Schon bei den ersten Ideenskizzen zur Ausstellung war es
                                                                  unser Wunsch, bei der Konzeption junge Menschen zu inte-
                                                                  grieren. Da wir hier im Saarland mit der Hochschule der Bil-
                                                                  denden Künste Saar (HBKsaar) eine hervorragende Platt-
                                                                  form haben, um gemeinsam mit Studierenden Projekte zu
                                                                  realisieren, konnten wir rasch eine Arbeitsgruppe bilden und
                                                                  ein Pflichtenheft erstellen.
                                                                    Wer gehörte zur Arbeitsgruppe und was versteht man
                                                                  unter einem Pflichtenheft?
                                                                  Die Arbeitsgruppe bestand anfangs aus ca. 20 Personen. Die
                                                                  beiden Professoren Matthias Winzen (Masterstudiengang
                                                                  Kuratieren /Ausstellungswesen) und Burkhard Detzler (Lehr-
                                                                  gebiet Computergenerierte Gestaltung/Kommunikation im
                                                                  Raum), bildeten zusammen mit ihren Studis das HBKsaar-­
                                                                  Team. Von musealer Seite verstärkten weitere sechs Personen
                                                                  als DZM-Team die Arbeitsgruppe.
                                                                     Nach dem ersten Brainstorming im Juni 2016 erhielt ich
                                                                  die Aufgabe, ein Pflichtenheft zu erstellen. Ein Pflichtenheft
                                                                  kann man mit einer Art Wunschzettel vergleichen. Und wie
                                                                  an Weihnachten werden leider nicht immer alle Wünsche er-
                                                                  füllt. Konkret ging es bei unserem Pflichtenheft um die in-
                                                                  haltliche Ausrichtung, die räumliche Verortung und die ge-
                                                                  stalterische Umsetzung der Ausstellung. Wo können wir
Wie kam es dazu, diese Ausstellung im Deutschen Zei-              unsere Inhalte mit welchen ausstellungstechnischen Mitteln
tungsmuseum zu realisieren?                                       umsetzen? Sollen klassische Vitrinen und eine rahmenorien-
Am Anfang stand eine Schenkung. Eine Museumsbesucherin            tierte Präsentation zum Einsatz kommen, welche Anforde-
brachte uns eine Kiste mit alten Zeitungen und Zeitschriften.     rungen werden an das typographische Erscheinungsbild ge-
Sie wollte sicher sein, dass diese Sammlung aus dem Nach-         stellt, dürfen szenographische Inszenierungen aufgebaut
lass ihres verstorbenen Mannes in gute Hände kommt. Bei           werden und können audio- und audiovisuelle Stationen die
der Durchsicht der Kiste realisierten wir, dass es sich vor al-   Inhalte multimedial vermitteln? Parallel zur Konzeptent-
lem um Publikationen zum Thema ‚Bergbau im Saarland‘              wicklung auf Grundlage des Pflichtenheftes mussten erste
handelte.                                                         Angebote eingeholt und jeweils in den Finanzierungsplan
4                                                                                                                                  5
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
1959       eingearbeitet werden etc. etc. Die gesamten Planungen sind        Warum?
Nr. I       so komplex, dass wir bei großen Ausstellungen mit einem         Da muss ich etwas weiter ausholen. Als Museumsmann muss
S. 10       Vorlauf von 12 bis 15 Monaten rechnen. Und am Ende steht        ich leider viele unserer Exponate in Vitrinen präsentieren, da
            man in der Ausstellung, freut sich über das Ergebnis und        es sich meist um wertvolle Originale handelt. Das bedeutet
            hofft, dass die Besucher unser „Baby“ genau so lieben wer-      aber, dass der Besucher nur die jeweils aufgeschlagene Seite
            den wie wir als „Eltern“.                                       sehen kann. Das finde ich schade! Bei dieser Ausstellung ha-
              Was erwartet die Besucher und wie ist die Ausstellung         ben wir jedoch den Vorteil, dass wir über Zeitungsdubletten
            aufgebaut?                                                      verfügen, die wir auslegen können. Und zwar in unserer
            Der Besucher wird unsere Räume nicht wiedererkennen! Wir        (Lese-)Kneipe, denn das Thema Bier und Bergbau sollte nicht
            haben die beiden Etagen mit rund 450 qm Ausstellungsfläche      zu kurz kommen. Bei unseren Recherchen sind wir auf einen
            mächtig verändert.                                              Ausspruch gestoßen: „Eher soll die Welt verderben als vor
               Die Ausstellung ist so aufgebaut, dass der Besucher in der   Durst ein Bergmann sterben“. So ist es auf einem Kronkor-
            ersten Etage mit einem Gang durch einen Schacht beginnt         ken nachzulesen, der in einer typischen Bergmannskneipe im
            und danach in einer zeittypisch eingerichteten Wohnküche        Ruhrpott hing. Dieser Spruch dürfte wohl auch für die saar-
            steht. Von dort aus führt der Rundgang durch eine Fotoga-       ländischen Bergleute gelten, denn durch den hohen Flüssig-
            lerie zu den Medienstationen, in denen Interviews mit Zeit-     keitsverlust unter Tage mussten die Arbeiter nach der Schicht
            zeugen angehört werden können. Die sich anschließende           viel trinken. Neben Mineralwasser und Limonadengetränken
            Präsentation „Lektüre für den Bergmann“ zeigt die wichtigs-     spielte selbstverständlich das Bier eine große Rolle. Wie gut
            ten Zeitschriften, Zeitungen und Kalender, die als Grundlage    das flüssige Gold das schwarze Gold die Kehle runterspülen
            für die inhaltliche Ausstellungskonzeption dienten. In einer    konnte, war bekannt und es half auch, die verlorenen Nähr-
            fotografischen Gegenüberstellung von Exponaten aus dem          und Mineralstoffe wieder aufzufüllen.
            Bergbau, die heutzutage zweckentfremdet im öffentlichen           Unsere Kneipe am Ende des Rundgangs lädt daher ein zum
            Raum zu finden sind, endet dieser Rundgang.                     Ausruhen, zum Plaudern und zum Schmökern in alten Aus-
               Die zweite Etage ist schwerpunktmäßig als Aktionsfläche      gaben der Bergmannszeitschrift Schacht und Heim. Man kann
            konzipiert worden. Eine multimediale Seilfahrt mit dem För-     aber auch eine Runde „flippern“ und alte Schlager aus der
            derkorb in den Schacht kann ebenso unternommen werden           originalen Wurlitzer-Musikbox mitträllern.
            wie das Eintauchen in eine Virtual Reality Umgebung mittels       Gibt es in Ihrer Kneipe auch Bier zu trinken?
            spezieller Brillen. Um den Teamgeist zu testen steht ein        Nein, leider nicht, da wir im Museum keine Gaststättenkon-
            Escape-­Room-­Spiel zur Verfügung. Die Teilnehmer müssen        zession haben. Schade, aber nicht zu ändern. Ein kleiner
            einen vorgetäuschten Schacht-Unfall gemeinsam meistern,         Trost: Wir haben spezielle Schacht-und-Heim-Bieretiketten
            um sich zu retten.                                              gestalten lassen, die als limitierte Sammler-Edition im Muse-
               Zum Erholen lädt unsere Bergmannskneipe ein, in der man      umsshop käuflich zu erwerben sind. Kostenlos hingegen
            sich zum Plaudern und Schmökern treffen kann. Als Anden-        können in der Ausstellung eigene Bierdeckel gedruckt wer-
            ken können auch Bierdeckel gedruckt oder Schnappschüsse         den. Es geht ganz einfach, die Anleitung findet man in unse-
            aus unserer Fotobox mitgenommen werden.                         rer Bierdeckel-Presse, die sich direkt neben der Kneipe be-
              Was ist Ihr Lieblingsexponat?                                 findet. Sie können verschiedene Motive auswählen, einfärben,
            Das ist eine schwierige Frage, da so viele interessante Expo-   abdrucken und mit nach Hause nehmen.
            nate und Installationen in der Ausstellung zu sehen sind.         Ihr Schlusssatz lautet?
            Aber ein szenographisches Element am Ende des Rundgangs         Wir, das Schacht-und-Heim-Team, wünschen den Besuchern
            ist tatsächlich eine meiner Lieblingsecken. Es handelt sich     viel Freude, Spaß und Erkenntnisgewinn in unserer Ausstel-
            hierbei um die Rekonstruktion einer Kneipe.                     lung. Glück auf!

                                                                                                                                              1956
                                                                                                                                             Nr. II
                                                                                                                                             S. 19

        6                                                                                                                               7
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
2017

                                    „Glückauf“
                                                                                                        bekannt, daher wird sie auch in Zukunft unter einem neuen
                                                                                                        Arbeitgeber die Pflicht erfüllen, wie sie es bisher gewohnt
                                                                                                        war, zu Ehre des deutschen Namens […] Möge ein neuer
                                                                                                       ‚Bergmannsfreund‘ die Tradition des Blattes weiterführen.“³
                                                                                                          In der Völkerbundzeit von 1920 bis 1935 waren die Stein-
                                                                                                        kohlegruben des Saargebietes französisches Eigentum und
                                                              trifft                                    standen unter der Verwaltung der Administration des Mines

                                    „Gott grüß
                                                                                                        domaniales françaises de la Sarre. In dieser Zeit erschien kei-
                                                                                                        ne Werkzeitschrift.
                                                                                                          Eine weitere Lektüre, nicht nur für die Bergleute, erschien
                                                                                                        ab 1910 in Wiebelskirchen unter dem Titel Nach der Schicht –
                                                                                                        Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung für das Volk.
                                                                                                        Nach Unterlagen des Landesarchivs Saarbrücken soll das

                                     die Kunst“*
                                                                                                        Blatt bereits im 19. Jahrhundert bestanden haben, die ersten
                                                                                                        erhaltenen Ausgaben stammen aus dem 6. Jahrgang 1910 und
                                                                                                        beginnen mit dem Novemberheft. Rechnet man die Jahrgän-
                                                                                                        ge zurück, müsste die erste Nummer jedoch erst im Jahre
                                                                                                        1905 erschienen sein. In späteren Ausgaben ist dann auch der
                                                                                                        Vermerk zu finden „Gegründet im Jahre 1905 und herausge-
                                                                                                        geben von Migr. [Monsignore] Dechant Joh. Schütz und wei-
                                            Lektüre für                                                 tergeführt von Gerhard Schütz.“
                                        den saarländischen                                             Ab dem Jahrgang 1919 änderte sich der Untertitel in Illus­
                                            Bergmann                                                   trierte Wochenschrift zur Belehrung und Unterhaltung für
                                                                                                       das Volk. Noch kurz vor der Machtübernahme durch die
                                                                                                       Nationalsozialisten wurde der Titel 1932 wiederum gering-
                                    „Glückauf dem altehrwürdigen Bergmannsstande! Glückauf             fügig geändert und lautete nun Illustrierte Zeitschrift zur Un-
                                     den deutschen Berggenossen all! Glückauf aber ganz beson-         terhaltung und Belehrung für das Volk. An der inhaltlichen
                                     ders dem Saarbrücker Kohlenbergmanne!“                            Ausrichtung hatte sich jedoch im Laufe der Jahrzehnte nichts
                                       Mit diesen Worten begrüßte Der Bergmannsfreund in sei-          wesentliches geändert, das Blatt blieb eine katholische Fami-
                                     ner Gründungsausgabe am 1. Juli 1870 seine ersten Leser.          lienzeitschrift. Während des Dritten Reichs und vor allem
                                     Doch bereits nach drei Nummern musste das Wochenblatt             seit Beginn des Zweiten Weltkrieges stellte sich das Blatt in
                                     sein Erscheinen einstellen. Mit dem Ausbruch des Deutsch-­        den Dienst der Nazi-Propaganda. Um das Jahr 1940 erschien
                                     Französischen Krieges war Saarbrücken zum Kriegsgebiet            zusätzlich eine vierseitige Beilage, die aus druckhistorischer
                                     geworden. Über ein Jahr später konnte ein neuer Anlauf ge-        Sicht zu erwähnen ist, da sie im Rotationstiefdruck herge-
                                     nommen werden. Ab dem 7. Juli 1871 erschien das Wochen-           stellt wurde. Dadurch konnten vor allem Fotos in einer recht
                                     blatt zur Unterhaltung und Belehrung für Berg­leute, so der       guten Qualität reproduziert werden. Die letzten erhaltenen
                                     Untertitel des Blattes, wieder regelmäßig.¹                       Ausgaben der Zeitschrift Nach der Schicht im Landesarchiv
                                       Das Preußische Handelsministerium, zuständig für die            Saarbrücken datieren auf den Jahrgang 1956.
                                     saarländischen Staatsgruben, hatte die Genehmigung für eine
                                     vierseitige Zeitschrift, die wöchentlich erscheinen sollte, er-   Eine weitere christlich geprägte Publikation, die von 1920 bis
                                     teilt. Als Drucker und Verleger firmierten die „Gebrüder          1935 erschien, nannte sich Der Saar-Bergknappe – Organ
                                     Hofer in Saarbrücken (Expedition der Saarbrücker Zei-             des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter für das Saar­
                                     tung)“. Daher war es nicht verwunderlich, dass bereits am         wirtschaftsgebiet. Im Zeitungskopf der jeden Samstag er-
                                     21. Juni 1870 eine erste öffentliche Bekanntgabe in Form ei-      scheinenden Ausgabe findet sich die zentrale Botschaft der
                                     ner Pränumeration in der Saarbrücker Zeitung Nr. 141 er-          Publikation: „Für wirtschaftliche und geistige Hebung des
                                     schienen war. Die Zustellung konnte entweder durch die            Bergarbeiterstandes“. Schriftleiter bis 1933 war der Politiker,
                                     Post erfolgen oder der Bergmannsfreund sollte durch „be-          Gewerkschafter und Publizist Peter Kiefer.
                                     sondere zuverlässige Personen im Laufe des Freitagsnach-            Von 1949 bis 1960 nahm man in Saarbrücken einen neuen
                                     mittag den Abonnenten in’s Haus getragen“ werden.                 Anlauf und ließ die Zeitschrift Der Saarbergknappe – Organ
                                                                                                       der Gewerkschaft Christlicher Saarbergleute erscheinen, die
                                    Etwas kleiner als unser heutiges DIN A4-Format konnte das          ihren Namen nochmals ab 1960 leicht änderte. Endgültig
                                    Blatt, je nach Zustellungsart, zu 3 resp. 4 Silbergroschen pro     stellte Der Bergknappe – Zeitung christlicher Bergarbeiter
                                    Quartal bezogen werden. Zu dieser Zeit betrug das durch-           Deutschlands sein Erscheinen im Jahre 1966 ein.
                                    schnittliche Jahresgehalt eines saarländischen Bergmannes
                                    950 Mark. Für 4 Silbergroschen konnte etwa ein halbes Dut-         Drei weitere Publikationen, die sich in den 1930er Jahren de-
                                    zend Eier oder ein Liter Bier gekauft werden.²                     zidiert an Bergleute richteten, sind noch in wenigen Exemp-
                                                                                                       laren im Landesarchiv Saarbrücken und im Stadtarchiv Saar-
                                    Das Ende des Ersten Weltkrieges markierte auch eine Zäsur          brücken zu finden. Es handelt sich um einige Hefte der in
                                    in der Geschichte des saarländischen Bergbaus. Nach der            Saarbrücken erschienenen Zeitschrift Der deutsche Kumpel
                                    Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages trat Preu-         aus dem Jahre 1934 sowie das im gleichen Jahr nachzuwei-
                                    ßen seine Rechte an den Saargruben an Frankreich ab.               sende Publikationsorgan des Einheitsverbandes der Bergar-
                                      Mit der Ausgabe 28 vom 4. Juli 1919 stellte Der Berg-            beiter des Saargebietes mit dem Haupttitel Der Grubenar-
Holzschnitt auf dem                 mannsfreund sein Erscheinen ein und verabschiedete sich            beiter. Ebenfalls in Saarbrücken erschien von 1933 bis 1935
Deckblatt des Jahres­registers
der Zeitschrift Nach der Schicht,   von seinen Lesern: „Der Bergmann, und insbesondere unse-           Die Saar-Bergarbeiter-Zeitung – Organ des Verbandes deut-
Jahrgang 32/1936                    re schwarze Schar an der schönen Saar ist als pflichtgetreu        scher Bergbauindustriearbeiter für das Saargebiet.
8                                                                                                                                                                    9
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
Gegenüber diesen wenigen erhaltenen
                                                                                                                                         Ausgaben findet man in den Archiven
                                                                                                                                         und Bibliotheken ein großes Konvo-
                                                                                                                                         lut der Zeitschrift Der Saarbergmann.
                                                                                                                                         Nach der Rückgliederung des Saarge-
                                                                                                                                         biets zum Deutschen Reich erschien
                                                                                                                                         sie ab dem 1. März 1935 als Werkzei-
                                                                                                                                         tung der Saargrubenverwaltung. Diese
                                                                                                                                         neue Zeitschrift wurde bei der Gebrü-
                                                                                                                                         der Hofer AG in Saarbrücken gedruckt,
                                                                                                                                         jeden zweiten Samstag kostenlos an
                                                                                                                                         alle Werksangehörige verteilt und er-
                                                                                                                                         schien in drei unterschiedlichen Regio­
                                                                                                                                         nal-Ausgaben: Ausgabe Mitte für die
                                                                                                                                         Bereiche Dudweiler, Sulzbach, Göttel-
                                                                                                                                         born, Ausgabe Ost für Reden, Heinitz,
                                                                                                                                         Neunkirchen, Frankenholz und Aus-
                                                                                                                                         gabe West für Ensdorf, Luisenthal, Fürs­
                                                                                                                                         tenhausen sowie für die Berg­haupt­
                                                                                                                                         verwaltung und die Saarknappschaft.

                                                                                                                                         Ab dem vierten Jahrgang 1938 änderte
                                                                                                                                         sich das typographische Erscheinungs-
                                                                                                                                         bild. Mit einer neu gestalteten Titelsei-
                                                                                                                                         te und mit einem dreispaltigen Text
                                                                                                                                         wollte Der Saarbergmann moderner
                                                                                                                                         und lesefreundlicher wirken. Inhalt-
                                                                                                                                         lich begann, wie bei fast allen Drucker-
                                                                                                                                         erzeugnissen der NS-Zeit, die Mobil-              1955
Der Bergmannsfreund. Zeitung zur Unterhaltung und Belehrung                                      Nach der Schicht, Ausgabe 52/1936       machung und Propaganda.                          Nr. I
für Berg­leute, Ausgabe vom 3. Januar 1879                                                                                                                                                S.  3
                                                                                                                                         Nach dem Ende des Zweiten Weltkrie-
                                                                                                                                         ges änderten sich wieder die Besitzver-
                                                                                                                                         hältnisse bei den Saargruben. Nach der
                                                                                                                                         amerikanischen Militärverwaltung
Der Saar-Bergknappe – Organ des Gewerkvereins christlicher         Der Saarbergmann, Werkzeitung der Saargrubenverwaltung, Gruppe Ost,
Bergarbeiter für das Saarwirtschaftsgebiet, Ausgabe 1. März 1935                                          Ausgabe 20. Januar 1937        wurde ab dem 10. Juli 1945 die Saar-
                                                                                                                                         gruben-AG unter Sequester gestellt.
                                                                                                                                         Ab 1. Januar 1948 erhielt die „Régie des
                                                                                                                                         Mines de la Sarre“ sämtliche Abbau-
                                                                                                                                         rechte für die saarländischen Gruben
                                                                                                                                         und sechs Jahre später wurde das Un-
                                                                                                                                         ternehmen Saarbergwerke gegründet.
                                                                                                                                         Bereits seit dem 15. Januar 1947 hatte
                                                                                                                                         man mit der Herausgabe einer Lehr-
                                                                                                                                         lings-/Werkzeitung namens Der junge
                                                                                                                                         Bergmann der Saargruben begonnen,
                                                                                                                                         um die Tradition einer regelmäßig er-
                                                                                                                                         scheinenden Publikation fortzu­setzen.

                                                                                                                                         Neben den Zeitungen und Zeitschrif-
                                                                                                                                         ten erschienen seit 1873 die Saarbrü-
                                                                                                                                         cker Bergmannskalender.⁴ Von der ers-
                                                                                                                                         ten Ausgabe ist leider kein Exemplar
                                                                                                                                         erhalten geblieben, aber anlässlich des
                                                                                                                                         100. Jubiläums hatte man einen Arti-
                                                                                                                                         kel aus dem Kalender des Jahres 1932
                                                                                                                                         reproduziert. Die Bedeutung des Ka-
                                                                                                                                         lenders fasste Traudl Brenner in der
                                                                                                                                         letzten Ausgabe im Jahre 2012 folgen-
                                                                                                                                         dermaßen zusammen:
                                                                                                                                           „Von 1873 an […] konnte man sich da-
                                                                                                                                         rauf verlassen: Ende Dezember war er
                                                                                                                                         da und half beim Einstieg in das kom-
                                                                                                                                         mende Jahr. Er informierte über Neue-
                                                                                                                                         rungen im Bergbau – an der Saar und
                                                                                                                                         anderswo. Über Personalien. Führte ein
                                                                                                                                         in regionale und weltweite Geschich-
                                                                                                                                         te, vermittelte Kunstverständnis, gab
10                                                                                                                                                                                   11
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
Hundert Jahre. 1873–1973.                                                                                    Hundert Jahre. 1873–1973.   Schacht und Heim. Werkzeitung der Saarbergwerke,   Letzte Ausgabe der Beilage Der junge Bergmann der Saargruben,
         Saarbrücker Bergmannskalender,                                                                         Saarbrücker Bergmannskalender,    Erste Ausgabe vom 1. Juli 1955                                                      Ausgabe Dezember 1955
         Titelblatt                                                                                                                Innenseite
                                                                                                                                                  Saarberg, Werkzeitschrift des Saarberg-Konzerns,       Bergmannskalender (vormals Saarbrücker Bergmannskalender),
         Ratschläge zu Hausbau, Tierhaltung,         l­egen, eine auch nach außen hin sicht-   vielfältig: Bergmannsleben und Berg-               Ausgabe 1/2 1971                                                                          Letzte Ausgabe 2012
         Kindererziehung. Er hielt auch – zumin-      bare Gemeinschaft zu bilden, den Ent-    mannsfeierabend, Gesundheitspflege,
         dest in den ersten Jahrzehnten, vor der      schluß gefaßt haben, eine Betriebs­      Sport, Bergmännische Kultur, Kunst
         Zeit der heute üblichen Illustrierten und   zeitschrift zu gründen. Was für diese     für den Bergbau, Heimat an der Saar,
         Ratgeber – Tipps parat für die Hausfrau.    Betriebe zutrifft, gilt um so mehr für    Gedichte und Erzählungen, Sprüche für
         Die kleinen grauen Zellen wurden mit        das bedeutendste Unternehmen im           den Bergmann, Bergmännischer Hu-
         Hilfe von Rätseln – ganz schön schwe-        Saarland, das mehr als 60 000 Bergleu-   mor, Rätsel, Schach, Preisausschreiben
         ren oft – auf Zack gebracht. Und zur         ten, Angestellten und Ingenieuren Ar-    sowie Die Bergmannsfrau.
         Unterhaltung gab’s Geschichten, Schnur-      beit und Brot gibt.“⁶
         ren, auch ganze Seiten mit Witzen.“⁵                                                  Die Leser der neuen Zeitschrift beteilig-
                                                     Inhaltlich umfasste Schacht und Heim      ten sich gleich zu Erscheinungsbeginn
         Doch zurück zu den Zeitungen und            ein sehr weites Spektrum. Die Themen      sehr intensiv und lieferten eigene Texte,
          Zeitschriften. Ab 1955 erschien Schacht    zu den Bereichen ‚Arbeit‘ waren in fol-   Fotos und Anregungen. Nach einigen
         und Heim, die Werkzeitung der Saar-         gende Rubriken zusammengefasst:           Monaten fasste die Redaktion nochmals
          bergwerke, die ab 1971 unter dem Titel     Saargruben, sonstige Betriebe der Saar-   die wichtigsten Ziele der Zeitschrift zu-
         Saarberg, Werkzeitschrift des Saarberg-­    bergwerke, Wirtschaftsleben, Bergbau-     sammen:
         Konzerns, bis 2012 weitergeführt wurde.     technik, Werkzeitung intern, Unfall-       „Wenn die Werkzeitung jedoch Be-
         Im Geleitwort der ersten Ausgabe wur-       verhütung und Rettungswesen, Natur        rechtigung haben soll, darf sie weder ein
          de die Zielsetzung der neuen Zeitschrift   und Technik, Bergbauliche Nachrich-       Werbeorgan der Betriebsleitung noch
         von Pierre Couture, dem Generaldirek-       ten, Verwaltungsfragen und Verbesse-      ein ‚Beschwerde-Sammelbuch‘ von un-
          tor der Saarbergwerke, klar formuliert:    rungsvorschläge, Der junge Bergmann,      ten sein. […] Die Werkzeitung ist keine
           „Ohne auf die der Vergangenheit           Ehre dem Bergmann sowie die sozialen      Fachzeitschrift oder eine der vielen Il-
         ­angehörenden Werkzeitungen zurück-         Einrichtungen der Saarbergwerke.          lustrierten, auch kein billiges Roman-
          kommen zu wollen, steht es fest, daß         Die Rubriken für den Bereich ‚Frei-     heft oder Verbandsblatt für Kleintier-
         viele Unternehmen, die Wert darauf          zeit und Familie‘ waren ebenfalls sehr    züchter oder Kleingärtner. Sie ersetzt

 1956
Nr. II
S. 19

         12                                                                                                                                                                                                                                                    13
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
keine Gewerkschafts- oder Tageszei-        Werner Medrow im Editorial der Januar-­      * Eine Grußformel der Buchdrucker, Schrift­               1956
        tung. Eine der ersten Aufgaben müßte       Ausgabe:                                       setzer und anderer „Jünger der Schwarzen               Nr.VIII
                                                                                                  Kunst“.
        es sein, den Belegschaftsmitgliedern         „Liebe Leser! Diese Ausgabe unserer                                                                 S. 25
                                                                                                1 Zur Geschichte des Bergmannsfreundes vgl.
        eine ausreichende, verständliche Ori-      Werkzeitschrift trägt einen anderen Na-        Ludwig Bruch: Vor 100 Jahren gegründet:
        entierung über den Betrieb zu geben.       men: SAARBERG. Der neue Titel ist             „Der Bergmannsfreund“. Ein Zeitungskapitel
                                                                                                  aus der Geschichte des preußischen Saar­
        Die Werkzeitung soll alle ansprechen       eine Kurzform von Saarbergwerke, Saar-         bergbaus, in: Saarbrücker Bergmannskalen-
        und wird die Möglichkeit bieten, uns       bergbau und Saarberg-­Konzern. […] Un-         der 1970, S. 68–83. Joachim Heinz: Älteste
        Schaffende zu Wort kommen zu lassen.       sere Werkzeitschrift ist ein Informations-     deutsche Werkzeitschrift feiert 125-jähriges
                                                                                                  Jubiläum. Streifzüge durch eine wechselvolle
        Sie stellt den Kontakt zwischen Betrieb    organ für alle Gesellschaften, die zu uns      Geschichte der Werkzeitschrift, in: Berg-
        und Belegschaft her.“⁷                     gehören. Die Belegschaftsziffer des ge-        mannskalender 1996, S. 37–55.
                                                   samten Konzerns liegt nach den neuesten      2 Vgl. Werner Kern: Zur Geschichte der Fried-
                                                                                                  richsthaler Glashütten, in: Friedrichsthal
         Mit der Einführung von Schacht und        Stand bei mehr als 32000 Beschäftigten.        Bildstock Maybach. Bilder und Dokumente
         Heim begannen auch Überlegungen,          Davon gehören fast 21000 zu den Gru-           zur Geschichte der Stadt, Heimat- und
         die bereits seit 1947 erschienene Zeit-   benbetrieben unter und über Tage, rund         Verkehrs­v erein Friedrichsthal-Bildstock
                                                                                                  1975. S. 70f.
         schrift Der junge Bergmann der Saar-      2700 zu den Veredlungsbetrieben und          3 Zitiert nach Joachim Heinz: Älteste deutsche
         gruben in die neue Werkzeitschrift zu     3300 zu anderen Betrieben. Etwa 5000           Werkzeitschrift feiert 125-jähriges Jubiläum.
         integrieren. Folgerichtig verabschiede-   Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in       Streifzüge durch eine wechselvolle Geschich-
         te sich die Redaktion im Januarheft       den Tochtergesellschaften der Saarberg-­       te der Werkzeitschrift, in: Bergmannskalen-
                                                                                                  der 1996, S. 42.
         1956 von dieser Publikation. Neben        Gruppe bzw. des Saarberg-­Konzerns tä-       4 Zur Geschichte der Bergmannskalender vgl.
         dem Abdruck der letzten Ausgabe des       tig. […] Wie Sie wissen, haben die Saar-       N. N.: Seit 1873 – Kalender mit Tradition, in:
        ‚Jungen Bergmanns‘ kündigten die Re-       bergwerke in der letzten Zeit mehrere          Bergmannskalender 1973, S. 39–45. Joachim
                                                                                                  Heinz: 125 Jahre Saarbrücker Bergmannska-
         dakteure an, dass „einige Seiten der      Unternehmen erworben, die nicht mit            lender. Zeitzeuge der wechselvollen Ge-
         Werkzeitung […] immer so gestaltet        dem Berg­bau verwandt sind, aber – so          schichte des Saarbergbaus und seiner Region,
         sein [sollen], daß sie den jungen Berg-   glauben wir – eines Tages mit zu den ge-       in: Bergmannskalender 1998, S. 5–22. Delf
                                                                                                  Slotta: 130 Jahre Bergmannskalender. Seit
         mann besonders ansprechen oder gar        winnbringenden Bereichen gehören wer-          1873 Zeitzeuge und Botschafter des saarlän-
         aus seinem eigenen Erleben berichten.“⁸   den. Die Erschließung neuer Aktivitäten        dischen und deutschen Bergbaus, in: Berg-
                                                   war auch ein Anlaß, unseren Werkzeit-          mannskalender 2003, S. 18–42. Delf Slotta:
                                                                                                  135 Jahre Bergmannskalender. Seit 1873 Zeit-
        Dieses Versprechen wurde auch mit          schriften-Titel zu modernisieren.“⁹            zeuge und Botschafter des saarländischen und
        dem Abdruck einer typographisch ge-                                                       deutschen Berg­baus, in: Bergmannskalender
        stalteten Jugendseite eingelöst. In den    Mit dem Ende des Steinkohlebergbaus            2008, S. 24–39. Traudl Brenner: Bergmanns-
                                                                                                  kalender im Wandel der Zeit. Eine der ältes-
        darauffolgenden Jahrgängen ver-            im Saarland im Jahre 2012 stellte auch         ten Firmenpublikationen der Welt erscheint
        schmolzen diese jugendorientierten         die Werkzeitschrift ihr Erscheinen ein.        zum letzten Mal, in: Bergmannskalender
        Inhalte jedoch mit neuen Rubriken          Umso mehr freuen wir uns, dass wir an-         2012, S. 7–72.
                                                                                                5 Brenner, a. a. O., S. 7.
        und mit weiteren aktuellen Themen          lässlich der Ausstellung Schacht und         6 Pierre Couture: Geleitwort des Generaldirek-
        entwickelte sich Schacht und Heim im       Heim. Eine Zeitschrift für den saarlän-        tors, in: Schacht und Heim, 1. Jg, Heft 1, Juli
        Laufe der Jahre ständig weiter. Die        dischen Bergmann, die vom 8. Dezem-            1955, S. 3.
        nächste große Veränderung fand im                                                       7 H. Stillemunkes: Stimme zu unserer Werkzei-
                                                   ber 2017 bis 30. Juni 2018 im Deutschen
                                                                                                  tung, in: Schacht und Heim, 2. Jg, Heft 1, Ja-
        Jahre 1971 mit einem gestalterischen       Zeitungsmuseum in Wadgassen zu se-             nuar 1956, S. 16.
        und inhaltlichen Relaunch statt.           hen ist, die vorliegende Sondernummer        8 Ein Baustein mehr!, in: Schacht und Heim,
                                                   herausgeben dürfen.                            2. Jg, Heft 1, Januar 1956, S. 17.
                                                                                                9 Werner Medrow: Liebe Leser!, in: Saarberg,
        Zur damit einhergehenden Namens­                                                          Werkzeitschrift des Saarberg-Konzerns, Aus-
        änderung äußerte sich der Redakteur                            Text: Roger Münch          gabe 1/2 1971. S. 2.

 1961
Nr.V
S. 14

        14                                                                                                                                          15
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
2017                                                                 das soziale Leben im Saarland über Tage nachhaltig positiv      Die riesigen Abraumhalden mitten in der ansonsten sanft
                                                                                                                                 prägte, nach dem Ende des Saarbergbaus nutzen?                  hügeligen Saarlandschaft erschienen so lange als hinnehmbar

   EIN RÜCKBLICK AUF
                                                                                                                                    Die Vielschichtigkeit der persönlichen Erinnerungen wur-     oder gar positiv, wie jeder mit ihnen allgemeine Betriebsam-
                                                                                                                                 de in den Gesprächen mit manchen der „Ehemaligen“ davon         keit und Aufschwung verbinden konnte. Während des Nie-
                                                                                                                                 ergänzt, wie sie den größeren Zusammenhang sahen, das           dergangs des saarländischen Bergbaus verwandelten sie sich
                                                                                                                                 heißt die Sorte Widersprüche, die jede großindustrielle Nut-    mehr und mehr in düster aufragende, unübersehbare Mene-

SCHACHT UND HEIM IM
                                                                                                                                 zung einer ganzen Landschaft aufwirft. Wirtschaftlich und       tekel, die zu begrünen man sich beeilte oder mit Kunstpro-
                                                                                                                                 gesellschaftlich diente die saarländische Kohle dem Aufbau      jekten zu verschönern suchte.
                                                                                                                                 von Wohlstand und friedlichem Miteinander. Technisch war
                                                                                                                                 der Kohleabbau dagegen tatsächlich ein großflächiger Abbau      EINE GROSSARTIGE ZEITSCHRIFT

SAARLAND E­ rkenntnisse
                                                                                                                                 von landschaftlicher und unterirdischer Natur. Das weitver-     Schacht und Heim ist gewissermaßen das glanzvolle Zen­tral­
            Fragen und                                                                                                           zweigte, in Teilen heute nicht mehr bekannte Netzwerk der
                                                                                                                                 Schächte, Streben und Abraumhallen unterhöhlt das Saar-
                                                                                                                                                                                                 organ der Hochphase des saarländischen Bergbaus in den
                                                                                                                                                                                                 1950er und 1960er Jahren. Hier wurde auf ebenso anspruchs-
                                                                                                                                 land und erzwingt bis heute die Leerstandbewirtschaftung        volle wie leicht zugängliche Weise eine ganze Welt entfaltet.
                                                                                                                                 durch Abpumpen des eindringenden Wassers. Im Falle der          Arbeit erschien hier als nicht nur zweckhaft, gar als entfrem-
                                                                                                                                 Flutung drohen polychlorierte Byphenyle aus den Hydrau-
                                                                       einer
                                                                                                                                                                                                 det und funktional, sondern auch als Lebenssinn stiftend, als
Wer das Saarland verstehen möchte, muss die Ge-                                                                                  likölen der unter Tage zurückgelassenen Maschinen das           etwas, an dessen konkreter Ausgestaltung und Verbesserung
schichte des saarländischen Bergbaus verstehen. Da-                                                                              Grundwasser großflächig zu vergiften. Nach vielen einzel-       sich jeder beteiligen konnte und mit dem er sich identifizie-
bei hilft weniger die Technikgeschichte der Kohleförde-
rung. Diese ist vielfach kompetent dokumentiert¹ und im          ­Arbeitsgruppe                                                  nen Bergschäden an Häusern kam es 2008 durch einen groß-
                                                                                                                                 flächigen Grubeneinsturz zu einem starken Gebirgsschlag
                                                                                                                                                                                                 ren konnte. Regelmäßig wurden die von den Grubenleitun-
                                                                                                                                                                                                   gen angenommenen „Verbesserungsvorschläge“ der Ange-
Wesentlichen auserzählt. Offener ist die Geschichte der
kulturellen Bedeutung des Bergbaus geblieben. Die kul-
turelle Geschichte des Saarbergbaus handelt davon,
                                                                  der H
                                                                      ­ BKsaar                                                   mit einer Stärke von 4,5 auf der Richterskala. Das eigene Zu-
                                                                                                                                 hause, das zu bauen der Bergbau vielen ermöglicht hatte,
                                                                                                                                 wurde für einige von den Folgen eben jenes Bergbaus beschä-
                                                                                                                                                                                                                           stellten mit Namen und ausgezahlter
                                                                                                                                                                                                                                          Prämie veröffentlicht.

wie die Bergleute persönlich und seelisch mit der har-                                                                           digt oder zerstört. Auch solche großen, gesamtge-
                                                                                                                                                                                                                                                                    1959
ten Arbeit in Schacht und Strebe umgegangen sind. Wie            INTERESSANTE WIDERSPRÜCHE                                       sellschaftlichen Widersprüche bestimmen mit,                                                                                      Nr. V
formte der Bergbau das Leben der Menschen – bei der              Als die studentische Arbeitsgruppe der HBKsaar im Früh-         als was der Bergbau im kulturellen Gedächt-                                                                                       S. 18
Arbeit unter Tage, im Alltag zuhause? Welche soziale             jahr 2016 die Aufgabe übernahm, eine Ausstellung über die       nis des Saarlandes erscheint.
Kompetenz jedes einzelnen Bergmanns war notwendig,               Bergmannszeitschrift Schacht und Heim (erschienen 1955 bis
damit alle Bergleute am Ende einer Schicht wieder heil           1970) im Deutschen Zeitungsmuseum in Wadgassen zu ent-
über Tage ankamen? Wie wurden die Bergmannsfami-                 wickeln, entschieden sich die Studierenden recht bald, den
lien auch am helllichten Tag vom Geschehen unter Tage            interessanten Widersprüchen zu folgen und so zur kulturel-
geprägt? Wie blicken die ehemaligen Grubenbeschäf-               len Geschichte des Saarbergbaus zu recherchieren. Das lag
tigten heute nach dem langen Ende des Bergbaus auf               auch deshalb nahe, weil viele das Bergbauthema aus intensi-
diese Ära?                                                       ven Familienerzählungen kannten und von Kindesbeinen an
                                                                 erfahren hatten, dass die kohlegeschwärzte Untertagewelt
TECHNIK UND KULTUR                                               weder nach Ende einer Schicht noch nach dem wirtschafts-
Das ist der Unterschied zwischen der technischen und der         politischen Ende des saarländischen Bergbaus aus den Ge-
kulturellen Geschichte des Bergbaus im Saarland: Mit den         sprächen am Küchentisch verschwand. Einige Studierende
Grubenschließungen seit den 1960er Jahren und dem zweiten        stammen aus saarländischen Bergmannsfamilien, andere in
großen Reduzierungsschub in den 1980er Jahren bis zum            der Arbeitsgruppe aus osteuropäischen Bergbauregionen mit
endgültigen Abbaustopp 2012 wurde die technische Ent-            entsprechenden Erlebnisberichten von Onkel oder Großva-
wicklungsgeschichte des Bergbaus im Saarland im Wesentli-        ter. Technisch und wirtschaftlich hatte sich das Thema Berg­
chen nach und nach beendet. Die kulturelle Bedeutungsge-         bau im Saarland nach dem Verkauf des defizitären Saarland-
schichte jedoch geht weiter und ist aktuell bis heute.           bergbaus an die Ruhrkohle AG 1997 für eine symbolische
   Denn die Kulturgeschichte handelt vom Deuten, Erinnern        Mark dem Prinzip nach erledigt. Aber als Resonanzraum des
und Bewältigen, von dem, was psychisch „verarbeiten“ ge-         sozialen Lebens wirkt die kulturelle Prägung in der Kohle-
nannt wird. Stärker als die Technik, die vom effizienten Agie-   region fort. Die Studierenden wählten für die kulturge-
ren in der Gegenwart und von ihrer Orientierung auf Zukunft      schichtliche Recherche zwei hauptsächliche Forschungsfel-
bestimmt ist, hat die alltagsweltlich gelebte Kultur mit dem     der: die Programmatik und Gestaltung der Zeitschrift
Reagieren, dem Nachdenken, dem nachträglichen Verstehen          Schacht und Heim sowie die Leitfadeninterviews mit Zeit-
zu tun. Um es in einer personalisierenden Metapher zuzuspit-     zeugen im Sinne der oral history-Forschung.
zen: Die ewig jugendliche Technikkompetenz reißt hoff-             In den Erzählungen der befragten Zeitzeugen sind es oft
nungsfroh und risikobereit große Projekte auf und ist sich       die Gegensätze und thematischen Spannungen, die die Spur
stets sicher, mögliche Folgeprobleme ebenso hoffnungsfroh        des Unerledigten, also des bis heute Aktuellen, markieren. In
in der Zukunft mit dann noch mehr Technikkompetenz lösen         den Erinnerungen der ehemaligen Bergleute erscheint die da-
zu können. Die erwachsene Kultur dagegen nimmt langsamer,        malige Arbeitswelt von Kollegialität und sozialem Zusam-
reifer und nachdenklicher wahr, wie die Vergangenheit mit        menhalt geprägt, aber zugleich als physisch sehr hart, ge-
ungelösten, weiter wirkenden Fragen die Gegenwart beein-         sundheitlich belastend und gefährlich. Warum nimmt ein
flusst und welchen Umgang oder welche Lösung die aus der         Bergmann grobes Werkzeug und schweres Gerät aus einer
Vergangenheit offen gebliebenen Probleme heute finden kön-       solchen Arbeitswelt mit nach Hause und macht es in seinem
nen. Beide Haltungen – kenntnisreiche Technikbegeisterung        Wohnzimmer oder Garten zu Schmuck und schöner Erinne-
und rückblickende Nachdenklichkeit bis hin zur Melancho-         rung (vgl. S. 21ff)? Wie passt die Treue zum langjährigen,
lie – prägen oft die Aussagen von ein und derselben Person,      durchaus fürsorglichen Arbeitgeber dazu, dass das stille Mit-
mitunter sogar innerhalb eines Satzes. So hat es die kuratori-   nehmen von Arbeitsgeräten durch den einen oder anderen
sche Arbeitsgruppe der der Hochschule der Bildenden Küns-        Arbeitnehmer eigentumsrechtlich nie ganz korrekt gewesen
te Saar (HBKsaar) in den letzten eineinhalb Jahren bei ihren     sein kann? Wozu kann der außerordentliche kollegiale Zu-
Interviews und vorbereitenden Gesprächen zu dem Ausstel-         sammenhalt der Bergleute, der unter Tage schlichtweg über-
lungsprojekt Schacht und Heim vielfach erlebt.²                  lebensnotwendig war und der bis in die 1980er Jahre auch
16                                                                                                                                                                                                                                                          17
SONDERNUMMER DEZEMBER 2017 - HBKsaar
1968      Außerdem wurden Arbeit und Leistung nicht isoliert thema-                                                                           begehbares Computerspiel. Eine aufwendige 360°-Simulation                                                                                          1962
IV/ V      tisiert, sondern ausführlich in Beziehung gesetzt zu Themen                                                                         macht in einem hierfür entwickelten „Förderkorb“ die Ein-                                                                                         Nr.XI
S.  5      wie Angeln in der Freizeit, Urlaub, Familie, Kindererziehung,                                                                       fahrt in die Grube nacherlebbar. Schließlich und nicht zuletzt                                                                                    S.  5
           Kunst, Historisches, Fotowettbewerbe, Witzseite und Schach­                                                                         ist das Layout der vorliegenden Publikation als Hommage
           ecke. In einer Zeit, als Fernseher kaum verbreitet und sehr                                                                         an die Glanzzeiten von Schacht und Heim zu verstehen.
           wenige Programme zu empfangen waren, wirkten viele Bei-                                                                                Ausstellung und Publikation sprechen mit ihrer Bandbrei-
           träge wie Anleitungen zum guten Leben mit einer als sinnvoll                                                                        te von interaktiven Erlebniselementen bis zu historisch ge-
           empfunden Arbeit und vielen darüber hinausgehenden Inte-                                                                            wordenen Originalobjekten alle Publikumsaltersgruppen an
           ressen. Heute liest sich manches wie ein Bericht aus einer                                                                          und möchten so eine Bergbauvergangenheit heute zugäng-
           vergan­genen Welt von Zusammenhalt und Kollegialität, als                                                                           lich machen, die früher einmal direkt oder indirekt den Alltag
           noch niemand den Angestelltentypus des neoliberal isolierten                                                                        fast aller saarländischen Bevölkerungsgruppen betraf.
           Selbst­optimierers vorhersehen konnte. Der Beitrag „Die Ka-
           meraden stellten ihm den Rohbau hin“ etwa berichtet mit                                                                              DER GRÖSSERE ZUSAMMENHANG
           Baustellenfoto und Namen von einem Bergmann, der nach                                                                                Die kuratorische Arbeitsgruppe begann die eigenartige Mi-
           einem schweren Unfall an seinem Hausbau zu scheitern                                                                                 schung aus Stolz und Melancholie in den Interviews mit den
           droht und dem die Kollegen seiner „Partie“ der Grube Ens-                                                                           „Ehemaligen“ besser zu verstehen, als einige der Befragten
           dorf in monatelanger Freizeitarbeit tatkräftig über diese Kri-                                                                       wirtschaftspolitische Hintergründe erklärten. In den 1950er
           se hinweghelfen: „ein leuchtendes Beispiel“.                                                                                         und 1960er Jahren hatte der saarländische Bergbau noch frag-
              Hier wie auch in den vielen Berichten über Ausbildung und      sozialpartnerschaftlichen Wohlfahrtsstaats mit seinem ganz-        los der politisch gewollten Energiebevorratung gedient.
           Lehrlinge ist mitunter ein erzieherischer Unterton zu bemer-      heitlichen Menschenbild. „Der Mensch ist das wertvollste           Staatliches Handeln, gleichgültig ob unter deutscher oder
           ken. Nüchtern betrachtet war die Werkzeitung auch stets Me-       Gut“ ist eine typische Überschrift, im zugehörigen Beitrag         französischer Regierungsmacht, hatte sich seit dem 19. Jahr-
           dium von Mitteilungen der Arbeitgeber an ihre Angestellten.       durchaus ernsthaft begründet. Angesprochen wurde nicht al-         hundert für seine Friedens- und Kriegsindustrie stets auf die
           Der bevormundende Ton von Sicherheitshinweisen wie bei-           lein der Bergbaubeschäftigte unter Tage, sondern der Mensch,       eigene Kohle gestützt. Die hohen Förderkosten pro Tonne
           spielweise „Rauchverbot unter und über Tage“ direkt als           auch über Tage. Auf fast ikonische Weise vermochten manche         waren dem Staat als Aktienbesitzer der Saarbergwerke (ab
           Aufmacher wird allerdings auf der gegenüberliegenden Seite        Ausgaben der Zeitschrift dies in ihrem hauptsächlich schwarz-­     1957 Saarland und Bundesrepublik) weniger wichtig als die
           sofort ausgeglichen durch Fotografien aus dem Wettbewerb:         weißen Layout auszudrücken: Berg­leute in der dunklen Gru-         strategische Verfügung über die Kohle als heimische Energie-
          „Der Saarbergmann und seine eigene Welt“, den die Zeitschrift      be und in der hellen Winterfreizeit beim Skifahren.                quelle. Ab den 1980er Jahren aber sollten die saarländischen
           für die Freizeitfotografen unter den Bergleuten organisierte.        Schon der Titel der Werkzeitung der Saarbergwerke AG            Gruben wirtschaftlich konkurrenzfähig agieren und mög-
           Mit Schacht und Heim sollten die lesenden Arbeiter durchaus       spielte journalistisch mit der Spanne zwischen Schacht und         lichst wenig von staatlicher Subvention gestützt werden. Im
           angeleitet werden – zu Leistung und Ordnung am Arbeits-           Heim und behandelte alle Themen: Arbeit und Privatleben,           kalten Licht internationaler Kostenvergleiche erschien der
           platz, aber auch dazu, sich für die Welt außerhalb der Grube      Kollegen und Familie, instrumentelle Zweckhaftigkeit und           Saarbergbau defizitär, und das Ansehen des Bergmannsberu-
           zu interessieren und sich zu bilden. Charakteristisch blieb die   musische Freizeit, Akkordarbeit und Sport, Technik und Kul-        fes schlug um in etwas Nostalgisches, nicht mehr Zeitgemä-
           redaktionelle Balance von Bevormundung und Fürsorge. Das          tur, Leistungsbilanz und Weihnachtsgedicht, prämierte inner-       ßes. Im Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg hatten
           dahinter stehende, zeittypisch paternalistische Modell des gu-    betriebliche Verbesserungsvorschläge und Tipps fürs private        Wirtschaftspolitiker und Arbeitgeber – im Saarland nicht zu-
           ten Chefs mag heute spontan befremden, vermochte aller-           Sparen. Statistiken zum Saarbergbau oder zur Wirtschaftsent-       letzt durch die Zeitschrift Schacht und Heim – dem einzelnen
           dings nach dem Zweiten Weltkrieg und den französisch-­            wicklung in Deutschland wurden wenige Seiten später er-            Grubenmitarbeiter Wertschätzung und Respekt für seine
           deutschen Wechsel- und Mischverwaltungen im Saarland              gänzt durch „Naturgedichte des Bergmannsdichters“.                 persönlich schwere, gesamtwirtschaftlich zentrale Arbeits-
           sehr großen Gruppen von spezialisierten Arbeitern³ berufli-          Die studentische Kuratorengruppe präsentiert in der Aus-        leistung vermittelt. Plötzlich war alles anders. Das ließ sich
           che Orientierung und einen respektablen Platz in der Wie-         stellung und in der vorliegenden Publikation die Erinnerun-        finanztechnisch völlig logisch, aber lebens- und mentalitäts-
           deraufbaugesellschaft zu bieten. Die staatlichen Aktienbesit-     gen der Zeitzeugen in Gesprächsform als Video bzw. als In-         geschichtlich von den Bergleuten überhaupt nicht nachvoll-
           zer der Saarbergwerke vermittelten in ihrer Werkzeitung           terview (vgl. S. 34ff). Beim Eintritt in die Ausstellung           ziehen. Einerseits war es offensichtlich sinnlos, die heimische
           Schacht und Heim durchaus Prinzipien der kapitalistischen         durchwandert der Ausstellungsbesucher zuerst eine nach­            Industrie und Wirtschaft mit einem Rohstoff absichern zu
           Leistungsgesellschaft, aber ebenso sehr das Leitbild des          gebaute, stockfinstere Strebe, eine Passage zurück in eine         wollen, den zu gewinnen unwirtschaftlich geworden war.
                                                                                                    ­vergangene Zeit. Direkt am Streben-        Andererseits gab es weiterhin das komplexe Gebilde eines be-
 1962                                                                                                ausgang lässt – als damaliger Lebens-      sonderen sozialen Zusammenhalts, die spezielle Arbeitskul-
Nr.VIII                                                                                              mittelpunkt der saarländischen Berg-       tur der Bergleute, ohne die der gefährliche und mühsame Ab-       Aufgabe, eine Museumsausstellung zu einer grafisch und in-
S.  3                                                                                                mannsfamilie – eine „Küch“ mit             bau unvorstellbar riesiger Tonnagemengen von Kohle aus            haltlich anspruchsvoll gemachten Fachzeitschrift der 1960er
                                                                                                     angeschlossener Kleintierhaltung den       dem Dunkel des Unterirdischen nie möglich gewesen wäre.           Jahre zu entwickeln. Nun hofft sie, mit der Präsentation im
                                                                                                    Alltag der 1950er Jahre über Tage le-       Das komplexe Gebilde der bergmännischen Arbeitskultur lag         Deutschen Zeitungsmuseum ein wenig dazu beizutragen,
                                                                                                     bendig werden. Eine Brücke über die        nun am Boden wie ein verlassener Bienenstock mit seinen           dass das Saarland seine eigene, oft sprachlose Mentalitätsge-
                                                                                                     Zeiten schlägt der Damals-­     Heute-­    wunderbaren Strukturen, eine Art soziale Plastik, bestau-         schichte besser versteht.
                                                                                                    Vergleich in der Ausstellung und in         nenswert schön, intakt, aber ohne weitere Aufgaben. Die
                                                                                                     der Publikation (vgl. S. 21ff). Ausge-     Trauer über das Ende des Bergbaus im Saarland ist heute so                                                      Text: Matthias Winzen
                                                                                                     hend von schwarz-­weißen Aufnah-           unsichtbar und doch so groß wie das riesige Loch, das all die
                                                                                                     men von Arbeitsgerät unter Tage in         Schächte, Stollen, Streben und Alten Männer unter der Ober-       1 Zu erwähnen sind die zahlreichen Publikationen von Delf Slotta (Überblick
                                                                                                     Schacht und Heim recherchierte die         fläche des Saarlandes zusammengenommen ergeben. Einige              über seine jahrzehntelange pulizistische Tätigkeit zum Thema:
                                                                                                                                                                                                                    http://www.delfslotta.de/index.php/publikationen/gesamtverzeichnis)
                                                                                                    Gruppe die heutige Verwendung der          „Ehemalige“ erzählten der Arbeitsgruppe von ihrer Enttäu-            und von Gregor Zewe (u. a. Der Kohlebergbau im Saarland in historischen
                                                                                                    Loren, Abbauhämmer, Abteufkübel,            schung, ja kalten Wut über – gut gemeinte – offizielle Bewäl-       Ansichten. Dillingen 2011). Beiden Herren sei für die Unterstützung der
                                                                                                    Förderkörbe und Grubenloks als              tigungsveranstaltungen wie etwa die „Beerdigungsfeier“ zum          Vorbereitung von Ausstellung und Begleitpublikation herzlich gedankt.
                                                                                                                                                                                                                  2 Zur studentischen Arbeitsgruppe gehören: Kim Beck, Roman Conrad, Sven
                                                                                                     Schmuck oder Denkmal in saarländi-         endgültigen Ende des saarländischen Bergbaus in Ensdorf im          Ehses, Benedikt Gillenberg, Jana Lepple, Hanna Lutz, Laura Lücke, Veronika
                                                                                                     schen Vorgärten oder auf Verkehrs­         Juli 2012. Die ambivalenten Gefühle beziehen sich dabei we-         Müller, Sarah Philippi, Michael Ruffing, Leon Sauerwald, Michael Schmitz,
                                                                                                     inseln. Der anspruchsvollen Fotore-        niger auf die übermächtig erscheinenden wirtschaftspoliti-          Corinna Schneider, Ralph Schneider, Julia Schulz, Marco Siweris, Artjom
                                                                                                                                                                                                                    Steiz, Stefan Törmer, Felix Wilcken. Die Arbeitsgruppe entstand zunächst
                                                                                                     daktion von Schacht und Heim ist           schen Argumente für das Bergbauende. Viel irritierender sei,        in den Masterstudiengängen „Ausstellungswesen/Kuartieren“ und „Muse-
                                                                                                     in der Ausstellung eine klassische Fo-     dass der legendäre soziale Zusammenhalt der Bergleute zwar          umspädagogik“ unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Winzen. Bald er-
                                                                                                     togaleriesituation gewidmet. Auf spie-     immer feierlich gelobt werde, aber im heutigen Saarland kei-        weiterte sich das Team um Studierende des Studiengangs „Media, Art and
                                                                                                     lerische Weise können die Ausstel-         ne Anknüpfpunkte und keinen konkreten Sinn mehr habe.               Design“ unter der Leitung von Prof. Burkhard Detzler.
                                                                                                                                                                                                                  3 Ende der 1950er Jahre waren über 60.000 Beschäftigte im Bergbau tätig;
                                                                                                     lungsbesucher den „Escape Room“               Die kuratorische Arbeitsgruppe der Studierenden über-            rund 57% aller saarländischen Arbeitsplätze gehörten zur Kohle- oder, da-
                                                                                                     erkunden, eine Art realdimensionales,      nahm frohgemut und unvoreingenommen Anfang 2016 die                 mit verknüpft, zur Stahlindustrie.

          18                                                                                                                                                                                                                                                                              19
1966                                                                     2017

               Arbeitsgerät
Nr.VIII
S. 31

               unter
               Tage —
                    Schmuck
                        über
                        Tage
               Während der Recherche zur Ausstellung Schacht und Heim.           Bergbaugegenstände kann man 2017 in zahlreichen saar-
               Eine Zeitschrift für den saarländischen Bergmann im Deut-       ländischen Dörfern bewundern. Subtil schmücken sie Orts-
               schen Zeitungsmuseum in Wadgassen, stellte sich uns die         kerne und manchmal sogar Vorgärten. Doch auch das ein
               zentrale Frage: Wie können wir eine Verbindung zwischen         oder andere Restaurant oder gar mancher Supermarkt be-
               Vergangenheit und Gegenwart knüpfen?                            dient sich ihrer. Vom Förderwagen, der Lok, der S­ chrämwalze
                 Die Antwort lag direkt vor unserer Nase. Die Zeitschrift      bis hin zum Kreislaufgerät kann man hier so einiges vorfin-
               Schacht und Heim lebte von ihren wunderbaren Fotografien.       den, das einst die Arbeit unter Tage in den saarländischen
               Kaum ein Artikel kam ohne sie aus. Erst recht nicht das Co-     Gruben gewährleistete. Einen kleinen Überblick möchten
               ver. Die dort gezeigten Objekte kamen uns wohl ­vertraut vor.   wir Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten.

                                                                                            Fotos: Stefan Törmer, Text: Corinna Schneider

                                                                                                                                                1965
                                                                                                                                               Nr.VIII
                                                                                                                                               S. 31

          20                                                                                                                            21
1959                  2017
Gesteinsstrecken­      Förderwagen im
vortrieb mit           E­ rlebnisbergwerk
­Förderwagen          ­Velsen

1960                  2017
Müde von der Arbeit    Kaffeebleche im
mit Kaffeeblech       ­Garagenstollen von
                       Manfred Berwanger
                       in Nalbach-Körprich

22                                           23
1960                    2017
Seilscheibe am          Seilscheiben in
Schacht Frieda,         Saarbrücken-­
Grube Maybach           Jägersfreude

1960                    2017
Wetterlampen —          Wetterlampen im
­Sinnbild der Gruben­   ­Garagenstollen von
 sicherheit              Manfred Berwanger
                         in Nalbach-Körprich

24                                             25
1961                      2017
Berglehrlinge in der      Bewetterungslutte im
Lehrstätte Camphausen     Garagenstollen von
bei der Reparatur einer   Manfred Berwanger in
Kunststoff-Lutte          Nalbach-Körprich

1963                      2017
 Förderwagen in der       Förderwagen in
Grube Warndt beim         F­ ischbach-Camphausen
­Laden

26                                                 27
1963                  2017
Während der          „Glück Auf, Frisch Auf“,
Halbschicht im        Supermarkt Rewe in
Streb I 24 West       Heusweiler
der Grube Warndt

                     2017
1963                 Schrämwalze vor dem
Muss immer im Auge   alten Casino der
behalten werden:     Grube Camphausen
der Kohlenstoß

28                                              29
1966                       2017
Seilscheibe auf              Seilscheiben in
einem Förderturm           F­ ischbach-Camphausen

1969                       2017
 Besuch bei der            Regenerations­
 Bergbau-Forschung         geräte im Erlebnis­
 in E­ ssen-Kray: in der   bergwerk Velsen
 Hauptstelle für das
­Grubenrettungswesen

30                                                  31
1970                      2017
Die Ausbildung            Wassertrogsperre im
zum Knappen sieht         Garagenstollen von
auch Unterweisungen       Manfred Berwanger
in grubensicherheit­      in Nalbach-Körprich
lichen Arbeiten vor,
hier Füllen von Wasser­
trogsperren im Lehr­
stollen Camphausen

1970                      2017
Bergmänner der            Kreislaufgerät über
Hauptr­ettungsstelle      einer Gemüsebar,
der Saarbergwerke         ­Supermarkt Rewe in
bei einer Schulung        Heusweiler
und Übung mit Kreis­
laufgeräten Träger
BG 160A

32                                              33
2017                                                                              1955
                                                                                                                                                        I

                                                   UND DANN
                                                                                                                                                    Nr.
         HILDEGARD HOFFMANN war 40                                                                                                                  S. 16
         Jahre lang bei den Saarbergwer-
         ken als Redakteurin beschäftigt. Als
         eine von zwei Mitarbeiter/innen der
         Werksredaktion prägte ihre Arbeit

                                                   GAB ES EBEN
         maßgeblich die Zeitschrift Schacht
         und Heim. Ihre Neugier und Offenheit
         inmitten einer männerdominierten
         Branche verhalfen ihr zu einer denk-
         würdigen und bewundernswerten

                                                       DIE
         Karriere. Ihren Charme und Witz hat
         sie bis heute behalten, wovon wir
         uns bei einer Tasse Tee selbst über-
 1957    zeugen durften.
Nr. II
S. 21
         Frau Hoffmann, wie sind Sie zu Ih-

                                                     GUTZJA,
         rem Job in der Redaktion der Schacht
         und Heim gekommen?
         Nun, ich war ein richtiges Kriegskind.
         1939 brach der Krieg aus. Ich war hier
         auf der Handelsschule, als wir evaku-

                                                   es sollte ja nicht
         iert wurden. In Thüringen gab es weit
         und breit keine Handelsschule. Dort
         sollte meine Mutter eine Lehrstelle für
         mich suchen. Mein Vater war Polizei-

                                                   geraucht werden,
         beamter, er musste hier in Saarbrücken
         bleiben. Als wir dann aus der Evaku-
         ierung nach Hause kamen, konnte ich
         die Handelsschule hier nicht weiter-

                                                     nicht wahr?
         machen und da kannte mein Paddi/­
         Patenonkel jemanden bei den Saarberg-
         werken, bei der Bergwerksdirektion.
         Da sagte mein Vater: „Dann gehste ma
         vorerst dorthin und wenn die Handels-
         schule wieder aufmacht, dann machste      Problem. Sie haben ja schon Produkti-     war eben DAS Informationsorgan der
         da weiter.“ Darauf ich: „Papa, ich will   onen auf den Tisch gelegt.“, und daraus   Belegschaft über die Ereignisse im Un-
         bei den Saargruben bleiben.“ –„War-       sind 40 Jahre Saarbergwerke geworden.     ternehmen.
         um?“– „Sacht jeder Sie zu mir.“             Wie hoch war denn die Auflage             Wer hat sich um die Gestaltung
           Dort habe ich dann für die Werk-        der Werkzeitschrift zu Ihrer Zeit?        der Zeitschrift gekümmert?
         zeitschrift geschrieben. Aus dem Be-      Sie ging schon mal an 65.000 Beleg-       Den Satz hat die Saarbrücker Zeitung
         reich der Jugend. Schließlich wurde       schaftsmitglieder. Diese mussten die      übernommen. Wir haben die Manu-
         ich mit einem Stückchen Betriebs­         ersten Ausgaben der Werkzeitschrift       skripte gemacht und genau am Rand
         kenntnis in die Redaktion abgeworben.     aber nicht kaufen, sondern konnten sie    markiert, wie es gesetzt werden soll.
         Da meinte Uli Wagner: „Das ist kein       einfach beziehen. Die Werkzeitschrift     Das ging in die Setzerei und dann

 1965                                                                                                                                  1965
Nr.VII                                                                                                                                Nr.VII
S. 14                                                                                                                                 S. 15

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