WOHNANGEBOT UND -EIGENTUM ZWISCHEN REGULIERUNG UND KLIMASCHUTZ - ARGUMENTE ZU MARKTWIRTSCHAFT UND POLITIK

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WOHNANGEBOT UND -EIGENTUM ZWISCHEN REGULIERUNG UND KLIMASCHUTZ - ARGUMENTE ZU MARKTWIRTSCHAFT UND POLITIK
Wohnangebot
 2                      und -eigentum Zwischen
   Das Mandat der Preisstabilität

Regulierung und Klimaschutz

Argumente
zu Marktwirtschaft
und Politik

Nr. 157 | September 2021

Barbara Bültmann-Hinz
Wohnangebot und -eigentum zwischen
Regulierung und Klimaschutz
Barbara Bültmann-Hinz
Argumente zu Marktwirtschaft und Politik Nr. 157

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 03

1   Einleitung 04
2   Aktuelle Preisentwicklung und relevante Faktoren 04
3   Mietpreis und ökologische Nachhaltigkeit 10
4   Wohneigentum und Wohnungsbau 12
5   Der Mietendeckel und der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 15
6   Erfahrungen mit dem Mietendeckel 16
7   Eingriff in das Eigentum 20
         7.1 Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes 20
         7.2 Die (materielle) Verfassungsmäßigkeit einer (neuen) Mietpreisdeckelung 21
         7.3 Enteignung 22
         7.4 Die Programme der Parteien 23
8   Lösungsansätze 24
         8.1 Wohnraum schaffen – mehr bauen 24
         8.2 Kooperation statt Konfrontation und Hände weg vom Eigentum 24
         8.3 Wohngeld stärken 25
         8.4 Attraktivität des Umlands und der Mittelstädte erhöhen 25
         8.5 Ausgleich beim Klimaschutz schaffen 25
         8.6 Wohneigentum fördern 26
9   Fazit 26

Literaturverzeichnis 27

Executive Summary 28

© 2021

Stiftung Marktwirtschaft (Hrsg.)
Charlottenstraße 60
10117 Berlin
Telefon: +49 (0)30 206057-0
Telefax: +49 (0)30 206057-57
www.stiftung-marktwirtschaft.de

ISSN: 1612 – 7072                                                           Die Publikation ist auch über den QR-Code
Titelbild: © PeskyMonkey – istockphoto.com                                  kostenlos abrufbar.
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                                                  Vorwort

Vorwort

Der Volksmund formulierte einst: „Ein eigner Herd ist Goldes        und bildet die Voraussetzung für die freiheitliche Rechts- und
wert“. Diese simple Weisheit ist im Mieterland Deutschland          Wirtschaftsordnung unseres Landes.
lange Zeit in Vergessenheit geraten. Mieten war attraktiv und            Statt über Eingriffe, Enteignung und die Pflicht zu Solar-
der Mieter dank Kündigungsschutz sowie komfortablem                 zellen auf dem Dach zu debattieren sowie Unsummen für den
Mietrecht gut geschützt. Doch mit dem verstärkten Zuzug in          Ankauf von Immobilien im Interesse einiger weniger auszuge-
die Ballungsräume hat sich die Lage geändert: In den Groß-          ben, sollte man sich besser auf die Schaffung von Wohnei-
städten und erst recht in den begehrten Lagen ist der Leer-         gentum für die breite Masse der Bevölkerung konzentrieren.
stand gering und die Nachfrage hoch. Es rächt sich die wenig        Damit auch dieser das unentziehbare Recht an der eigenen
vorausschauende Wohnungspolitik der 2000er Jahre, in de-            Wohnung zusteht – nicht nur als Zuhause, sondern auch als
nen viel zu wenig gebaut und investiert wurde.                      Mittel für Vermögensaufbau und eigenverantwortliche Vorsor-
     Die Immobilien- und Mietpreise steigen wenig überra-           ge für das Alter und somit ganz im Sinne von: „Ein eigner
schend und das niedrige Zinsniveau tut sein Übriges dazu.           Herd ist Goldes wert“!
In den beliebten Lagen der Kernstädte und immer häufiger in
deren Umland ist die Nachfrage nach Wohnraum oft größer             Wir danken der informedia-Stiftung für die Förderung dieser
als das Angebot. Die Preise steigen, nicht zuletzt auch auf-        Publikation.
grund immer neuer Anforderungen des Baurechts und des
Klimaschutzes. Als vermeintlicher Ausweg werden oft mehr
Regulierung und weitreichende Eingriffe in das Eigentum bis
hin zur Enteignung propagiert.
     Doch dabei sollte man zweierlei bedenken: Erstens wer-
den in den begehrten Lagen nicht alle wohnen können, die
dort gerne wohnen würden. Zweitens ist die Wertung des
Grundgesetzes eindeutig: Das Privateigentum ist garantiert
und dieser Schutz des Eigentums darf nicht bis zur Unkennt-
lichkeit ausgehöhlt werden. Diese Wertung haben die Väter           Prof. Dr. Michael Eilfort         Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen
des Grundgesetzes mit Bedacht vorgenommen. Der Schutz               Vorstand                          Vorstand
des Eigentums vor Eingriffen des Staates ist ein hohes Gut          der Stiftung Marktwirtschaft      der Stiftung Marktwirtschaft

                                                                3
Einleitung                                                                      Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

1            Einleitung

2019 waren der Wohnraum(mangel) und die Preisentwick-                            und (zusätzlichen) Eingriffen in die Preisbildung neu entfacht
lung von Immobilien, insbesondere in den Ballungsgebieten                        und wurde auch in den Wahlprogrammen der Parteien für
Deutschlands, noch unter den beherrschenden Themen. 2020                         den Bundestagswahlkampf 2021 aufgegriffen. Der Volks-
wurden diese Themen angesichts der Corona-Pandemie zwar                          entscheid über die Enteignung großer Wohnungsbaugesell-
nicht vollständig, aber doch vorübergehend verdrängt – ob-                       schaften in Berlin befeuerte die Diskussion zusätzlich.
wohl die eigene Wohnung für viele plötzlich mehr als zuvor                            Doch wer (weitere) Eingriffe in die Preisbildung fordert,
im Mittelpunkt ihres Alltags stand. Die Wohnung wurde zum                        verkennt die effiziente Wirkung freier Preise. Sie sig­nalisieren
zentralen Lebensort mit völlig neuen Nutzungsarten als Ar-                       Knappheiten und setzen dadurch Anreize, diese zu besei-
beitsort, Klassenzimmer oder Sportstudio. Damit gingen neue                      tigen. Wo Wohnraum knapp ist, wird Wohnraum teuer. Die
Anforderungen z.B. an die Wohnungsgröße einher, während                          steigende Nachfrage führt zu steigenden Preisen und dar-
andere Parameter, wie die Nähe zur Arbeit oder die Attraktivi-                   auffolgend zu einem größeren Angebot oder die Nutzung
tät des städtischen Umfelds, angesichts der Schließung von                       der vorhandenen Wohnfläche verdichtet sich. Diese Studie
Gastronomie, Kulturbetrieben und Geschäften, tendenziell an                      untersucht, wie heterogen die Preisentwicklung auf dem
Bedeutung verloren. Im Zuge der Corona-Pandemie haben                            Wohnungsmarkt ist und beleuchtet die Faktoren, die sich
sich auf dem Wohnungsmarkt mehr Perspektiven abseits der                         auf die Preisbildung auswirken. Zudem werden Zulässigkeit
Großstädte ergeben, die so entlastet werden könnten.                             und Sinnhaftigkeit von (weiteren) Eingriffen in die Preisbildung
     Beeinflusst wurde die Entwicklung auf dem Wohnungs-                         bzw. das Eigentumsrecht bis hin zur Enteignung untersucht
markt auch durch den im Mai 2021 veröffentlichten Beschluss                      und abschließend eigene Lösungsansätze unterbreitet, die
des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel,                         zur Entspannung auf dem Wohnimmobilienmarkt beitragen
der diesen als verfassungswidrig und damit nichtig erklärt                       könnten. Die Studie schließt an die Publikation „Wohnen – Irr-
hat.1 Dadurch ist die Frage nach Mietpreisbegrenzungen                           wege, Holzwege, Auswege“2 aus dem Jahr 2019 an.

2            Aktuelle Preisentwicklung und relevante Faktoren

Es lohnt sich, die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt                      der ersten Dekade des neuen Jahrtausends noch stagnierten
genauer zu analysieren. Neben regionalen Unterschieden                           bzw. sogar rückläufig waren.
muss dabei zwischen Kaufpreisen sowie Mietpreisen und bei                              Die in Abbildung 1 dargestellten Durchschnittswerte bil-
Letzteren zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten unter-                        den die Realität jedoch nur unvollständig ab, da die Miet- und
schieden werden.                                                                 Hauspreise regional und strukturell sehr unterschiedlich aus-
     Abbildung 1 zeigt auf, dass die Mietpreisentwicklung                        fallen. Ein Vergleich der Entwicklung der Neuvertragsmieten
weitgehend parallel zur allgemeinen Preisentwicklung erfolgt,                    zu den Bestandsmietverträgen (vgl. Abbildung 2) zeigt, dass
während die Nominallöhne in den vergangenen Jahren im                            sich die Bestandsmieten moderat entwickelt haben, während
Schnitt etwas stärker gestiegen sind – mit Ausnahme des                          die Neuvertragsmieten stark gestiegen sind. Damit kann der
Jahres 2020 aufgrund der Corona-Pandemie. Die Haus-                              erste Schluss gezogen werden, dass Neumieter und Woh-
bzw. Kaufpreise3 haben sich jedoch in den letzten 10 Jahren                      nungssuchende von Mietsteigerungen in der Gesamtheit
deutlich stärker entwickelt als die Mietpreise, nachdem sie in                   deutlich stärker betroffen sind als Bestandsmieter, deren

1     BVerfG (2021).
2    Bültmann-Hinz (2019).
3     Der Hauspreisindex erfasst Preisveränderungen bei allen von privaten Haushalten erworbenen Wohnimmobilien (Wohnungen, Einfamilienhäuser, Reihenhäuser
      usw.), sowohl bei Neubauten als auch im Bestand, unabhängig von Endverwendung und Vorbesitzern.

                                                                            4
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                        Aktuelle Preisentwicklung und relevante Faktoren

150
                                                                                                                            Abbildung 1:
140                Verbraucherpreisindex
                                                                                                                            Entwicklung von Miet-
                                                                                                                            und Hauspreisen im
                   Mietpreisindex
130                                                                                                                         Vergleich zur allgemeinen
                   Hauspreisindex                                                                                           Preisentwicklung
120                Nominallohnentwicklung                                                                                   2000–2020 in Deutsch-
110                                                                                                                         land
                                                                                                                            (2015 = 100)
100
                                                                                                                            Quelle: Statistisches Bundesamt.
 90

 80

 70

 60
      2000       2002      2004            2006     2008   2010       2012         2014      2016     2018     2020

Mieten sich in der Gesamtheit moderat entwickeln. Ein Ef-                          nicht mehr passenden Wohnungen (zu groß/zu klein/zu weit
fekt dieses Unterschieds ist eine fehlende Mobilität auf dem                       weg vom Arbeitsplatz), um sich die günstige Bestandsmiete
Wohnungsmarkt: Menschen bleiben zu lange in eigentlich                             zu sichern.

160
                                                                                                                            Abbildung 2:
150                Neuvermietung 7 A-Städte
                                                                                                                            Stärkeres Ansteigen
                                                                                                                            der Neuvertrags­mieten
                   Neuvermietung 127 Städte
140                                                                                                                         im Vergleich zu den
                   Neuvermietung insgesamt                                                                                  Bestands­mieten in
130                Bestandsverträge (Verbraucherpreisindex)                                                                 Deutschland
120                                                                                                                         (2010 = 100)
                                                                                                                            Quelle: Deutsche Bundesbank
110                                                                                                                         2021.

100

 90

 80
       2004         2006            2008          2010     2012         2014          2016          2018      2020

     Auch regional unterscheiden sich die Mietpreise stark.                        Angebotsmieten der Inserate basiert. Viele und gerade auch
Während die Neuvermietungspreise in München im Schnitt                             eher günstige Wohnungen werden nicht inseriert, sondern
bei 18,48 Euro/qm liegen,4 sind die Preise in Frankfurt, Stutt-                    von den Eigentümern, insbesondere Wohnungsbaugesell-
gart oder Berlin, den drei nächstteueren Städten, bereits                          schaften, direkt vergeben, so dass die tatsächlichen Werte
deutlich geringer (vgl. Abbildung 3). Aber auch diese Preise                       deutlich darunter liegen dürften.
sind nur bedingt aussagekräftig, da die Auswertung auf den

4     Alle Angaben beziehen sich auf Angebotsmieten für Wohnungen, die jeweils in den letzten 10 Jahren errichtet wurden (Neubau) und eine Größe von 60–80 qm
      aufweisen mit gehobener Ausstattung.

                                                                               5
Aktuelle Preisentwicklung und relevante Faktoren                                  Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

           München                                                                                             18,48         Abbildung 3:
  Frankfurt am Main                                                                                 15,75                    Städte mit den höchsten
                                                                                                                             Angebotsmieten* für
           Stuttgart                                                                            14,74
                                                                                                                             Wohnungen in Deutsch-
              Berlin                                                                     13,68                               land im 1. Quartal 2021
          Hamburg                                                                       13,5                                 (in Euro/qm)
Freiburg im Breisgau                                                                    13,46                                Quelle: empirica.
         Düsseldorf                                                                    13,2
              Mainz                                                                   13,03                               * Alle Angaben beziehen sich auf
                                                                                                                          Angebotsmieten für Wohnungen,
         Darmstadt                                                                     13,01
                                                                                                                          die jeweils in den letzten 10 Jahren
         Wiesbaden                                                                    12,95                               errichtet wurden (Neubau) und eine
                                                                                                                          Größe von 60–80 qm aufweisen mit
                                                                                                                          gehobener Ausstattung.

      Im europäischen Vergleich (vgl. Abbildung 4) ist in                          den Stadtgebieten selbst. Im Landkreis Dahme-Spreewald
Deutschland ein gewisser Aufholeffekt zu beobachten. War                           im Umfeld Berlins stiegen beispielsweise die Mieten im Ver-
das Mietniveau in der teuersten deutschen Stadt München                            gleich 1. Halbjahr 2019 zu 1. Halbjahr 2020 um 17 Prozent.9
im internationalen Vergleich 2018 noch moderat,5 so haben                          Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Hauspreisen. Während
die deutschen Städte insgesamt zugelegt. Allerdings sind                           die durchschnittlichen Angebotspreise für Häuser etwa in
die Mieten in Berlin im Vergleich zu anderen europäischen                          Düsseldorf um 7,7 Prozent gestiegen sind, erhöhten sich die
Hauptstädten wie Paris, London, Kopenhagen, Madrid oder                            Preise in allen Umlandkreisen deutlich stärker: im Rhein-Kreis
Amsterdam immer noch vergleichsweise günstig.                                      Neuss etwa um 13,7 Prozent, in Mettmann um 12,5 Pro-
      Es gibt erste Anzeichen, dass sich die Mietpreisentwick-                     zent.10 Angesichts der Pandemie und der damit verbundenen
lung in Deutschland in jüngster Zeit abschwächt. In einer                          abnehmenden Attraktivität städtischer Lagen sowie der zu-
Auswertung der Mietspiegel von 351 deutschen Städten über                          nehmenden Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, dürfte
20.000 Einwohner wurde festgestellt, dass die Mietpreise das                       sich diese Entwicklung noch verstärken. Wer nicht jeden Tag
dritte Jahr in Folge weniger stark gestiegen sind als zuvor:                       ins Büro gehen muss, sondern auch aus dem Homeoffice
2020 stiegen deutschlandweit die ortsüblichen Vergleichs-                          arbeiten kann, für den kommen auch Lagen außerhalb der
mieten um 1,6 Prozent an nach 1,8 Prozent 2019 und 2,2                             Großstädte in Frage, wo die Preise günstiger sind. Zwar stei-
Prozent 2018.6 Der Mietpreiszuwachs in den acht größten                            gen auch in diesen Gegenden die Preise, das Mietniveau liegt
deutschen Städten7 lag nach einer anderen Erhebung zwar                            in der Regel aber immer noch deutlich unterhalb der Innen-
mit 3,5 Prozent oberhalb des gesamtdeutschen Durch-                                stadtlagen. Auch sonstige Anforderungen an die Wohnung
schnitts, aber deutlich unter dem mittleren Preisanstieg in                        können außerhalb der Großstädte oft besser abgedeckt wer-
den eher ländlich geprägten Landkreisen (+ 4,7 Prozent). Die                       den, wie etwa ein eigener Garten oder mehr Platz für Home-
Analyse führt dies vor allem auf den Preisanstieg im Umland                        office und Homeschooling.
der acht größten deutschen Städte zurück.8                                               Bei der Betrachtung, wie sich der Anteil der Wohnkosten
      Diese Verlagerung in die sog. „Speckgürtel“ war bereits                      (d.h. Miete oder Kosten für selbstgenutztes Eigenheim) am
vor Corona zu beobachten und führt dazu, dass im Umland                            verfügbaren Haushaltseinkommen in den letzten Jahren entwi-
der Ballungsgebiete die Mieten derzeit stärker steigen als in                      ckelt hat, fällt zweierlei auf: Erstens gibt es signifikante Unter-

5    Vgl. Bültmann-Hinz (2019).
6     Vgl. F+B (2021).
7    Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart.
8     Vgl. Grimm/Heidrich (2021).
9     Vgl. Berliner Mieterverein basierend auf Daten von Immowelt: https://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm1020/steigende-mieten-preisrallye-im-
      berliner-umland-102010a.htm
10   Vgl. Der Spiegel: „Immobilien: Wo das Haus im Grünen jetzt billiger wird“ vom 23.07.2021.

                                                                              6
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                         Aktuelle Preisentwicklung und relevante Faktoren

                             0             5           10             15               20            25                 30      Abbildung 4:
               Paris    FR                                                                                             28,6     Mieten im europäischen
London (Innenstadt)     UK                                                                                     26,07            Vergleich 2020
                Oslo    NO                                                                                 24,72                (in Euro/qm)
      Kopenhagen        DK                                                                 19,92
                                                                                                                                Quelle: Deloitte Property Index
       Amsterdam        NL                                                               19,2                                   2021.
London (Aussenbz.)      UK                                                             18,54
         München        DE                                                      16,8
         Barcelona      ES                                                      16,7
               Lyon     FR                                                    16
             Madrid     ES                                                    15,97
         Warschau       PL                                                 15,13
         Den Haag       NL                                                14,59
             Brüssel    BE                                             13,93
           Marseille    FR                                             13,9
          Frankfurt     DE                                            13,3
              Dublin    IR                                           13,18
               Rom      IT                                          13,09
            Mailand     IT                                         12,47
                Prag    CZ                                      11,46
         Hamburg        DE                                     11,2
           Lissabon     PT                                    11
              Berlin    DE                                  10,1
       Birmingham       UK                                 9,89
          Budapest      HU                                9,76
             Krakau     PL                               9,31
               Wien     AT                             8,65
               Porto    PT                         8
                Turin   IT                      6,83

schiede zwischen den Haushaltstypen. Insbesondere bei Al-                         Bevölkerung.11 Zweitens ist der Anteil der Wohnkosten am ver-
leinerziehenden ist der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren                      fügbaren Haushaltseinkommen im Durchschnitt bei allen dar-
Haushaltseinkommen deutlich höher als im Durchschnitt der                         gestellten Haushaltstypen seit 2009 deutlich gesunken.

40                                                                                                                              Abbildung 5:
                                                                                                                                Anteil der Wohnkosten*
                                                                                                                                am verfügbaren
30                                                                                                                              Haushalts­einkommen
                                                                                                                                nach ausgewählten
                                                                                                                                Haushaltstypen in
20                                                                                                                              Deutschland 2009–2019
                                                                                                                                (in Prozent)
                                                                                                                                Quelle: Statistisches Bundesamt.
10
        2009       2010          2011   2012    2013        2014      2015     2016         2017    2018         2019         * Einschließlich Wasser- und Ab-
                                                                                                                              wasser-, Energie- und Heizkosten,
                        Bevölkerung insgesamt      Alleinerziehende          zwei Erwachsene ohne Kinder                      Ausgaben für die Instandhaltung
                                                                                                                              der Wohnung bzw. des Hauses,
                                                                                                                              Hypotheken­zinsen (bei Eigentü-
                                                                                                                              mern), Versicherungs­beiträgen (bei
                                                                                                                              Eigentümern; bei Mietern, falls diese
                                                                                                                              die Kosten tragen) sowie sonstiger
                                                                                                                              Wohnkosten.
11   Familien mit Kindern liegen in der Belastung sogar noch unter den Haushalten mit zwei Erwachsenen ohne Kinder.

                                                                              7
Aktuelle Preisentwicklung und relevante Faktoren                                                                                                                                      Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

          Betrachtet man die Mietbelastungsquoten12 (nur Mie-                                                                                                                                       deutlich unterhalb des Durchschnitts und der Belastung in
     terhaushalte) im Vergleich der Bundesländer zueinander, so                                                                                                                                     den Stadtstaaten. Dies könnte als ein Beleg für die anteilig
     zeigen sich klare Unterschiede (vgl. Abbildung 6). In den ost-                                                                                                                                 höhere Belastung von Mietern im städtischen Raum heran-
     deutschen Bundesländern liegt die Mietbelastungsquote z.B.                                                                                                                                     gezogen werden.

      35%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Abbildung 6:
                                                            Durchschnitt Deutschland
      30%                                                                                                                                                                                                                                                                                                Mietbelastungsquote von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Hauptmieterhaushalten
      25%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         2018 (in Prozent)
      20%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Quelle: Statistisches Bundesamt.
      15%

      10%
                                                            Baden-Württ.

                                                                                                                                       Mecklenburg-V.

                                                                                                                                                                        Nordrhein-W.

                                                                                                                                                                                                                                                   Schleswig-Holst.
                                              Deutschland

                                                                           Bayern

                                                                                    Berlin

                                                                                             Brandenburg

                                                                                                           Bremen

                                                                                                                    Hamburg

                                                                                                                              Hessen

                                                                                                                                                        Niedersachsen

                                                                                                                                                                                           Rheinland-Pfalz

                                                                                                                                                                                                             Saarland

                                                                                                                                                                                                                        Sachsen

                                                                                                                                                                                                                                  Sachsen-Anhalt

                                                                                                                                                                                                                                                                      Thüringen

           Die Entwicklung der Haushaltsgrößen beeinflusst eben-                                                                                                                                    tig abgenommen. Nicht überraschend nimmt zugleich die
     falls die Situation auf dem Wohnungsmarkt und damit die                                                                                                                                        Wohnfläche pro Kopf zu (vgl. Abbildung 7). Damit vergrößert
     Preise. Über die Jahre hinweg hat die Haushaltsgröße, d.h.                                                                                                                                     sich der Wohnflächenbedarf insgesamt und der Druck auf die
     die Anzahl der in einem Haushalt lebenden Personen, ste-                                                                                                                                       Wohnungsmärkte. Freie Preise können einen gewissen Aus-

                                        2,3                                                                                                                                                                                                                    50                                        Abbildung 7:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Entwicklung von Pro-
                                       2,25                                                                                                                                                                                                                    45                                        Kopf-Wohnfläche und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Haushaltsgröße in
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Deutschland
Haushaltsgröße (Personenzahl) (blau)

                                        2,2                                                                                                                                                                                                                    40
                                                                                                                                                                                                                                                                          Wohnfläche/Kopf in qm (grau)

                                                                                                                                                                                                                                                                                                         1991–2019
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Quelle: Statistisches Bundesamt
                                       2,15                                                                                                                                                                                                                    35                                        2018 und 2019, eigene Berech­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         nungen.

                                        2,1                                                                                                                                                                                                                    30

                                       2,05                                                                                                                                                                                                                    25

                                         2                                                                                                                                                                                                                     20

                                       1,95                                                                                                                                                                                                                    15
                                                 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019

     12   Die Mietbelastungsquote eines Haushalts bezeichnet den Anteil am Haushaltsnettoeinkommen, der für die Bruttokaltmiete (d.h. Miete einschließlich aller Betriebs-
          kosten mit Ausnahme von Heizung und Warmwasser) aufgebracht werden muss.

                                                                                                                                                                                       8
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                              Aktuelle Preisentwicklung und relevante Faktoren

gleich herbeiführen. Wo Wohnungen teuer sind, führt dies in                            ebenfalls stetig angestiegen (vgl. Abbildung 8) um immerhin
der Regel zu einer gewissen Verdichtung der Nutzung, die                               mehr als 20 Prozent in gut vier Jahren. Ein kurzer Einbruch
Wohnfläche pro Kopf nimmt ab. Wenn Preise jedoch wegen                                 war der Corona-Krise geschuldet, doch dieser wurde durch
staatlicher Eingriffe wie dem Mietendeckel nicht frei reagie-                          die Entwicklung seit dem 4. Quartal 2020 bereits mehr als
ren können oder der Wohnungsmarkt größtenteils aus rela-                               kompensiert. Die seit Jahresbeginn 2021 zu beobachtende
tiv fixen Bestandsverträgen besteht, findet eine Verdichtung                           Preissteigerung bei Baumaterialien schlägt sich mittlerweile
des Wohnraums nicht statt. Da auch große Wohnungen er-                                 zusätzlich in den Baupreisen nieder. Stiegen die Preise im
schwinglich bleiben, wird die vorhandene Wohnfläche weni-                              Bauhauptgewerbe im Januar 2021 noch um 1,9 Prozent, so
ger effizient genutzt.                                                                 lag die Preisentwicklung im Juni des gleichen Jahres bei 6,1
       Ein weiterer Faktor, der die Wohnkosten beeinflusst,                            Prozent.13
sind die Baukosten. Diese sind in den vergangenen Jahren

125
                                                                                                                               Abbildung 8:
                     Wohngebäude
                                                                                                                               Baupreisindizes Neubau
120
                                                                                                                               (konventionelle Bauart)
                     Bürogebäude
                                                                                                                               von Wohn- und Nicht-
                     Gewerbliche Betriebsgebäude                                                                               wohngebäuden einschl.
115                                                                                                                            USt in Deutschland
                                                                                                                               (2015 = 100)
                                                                                                                               Quelle: Statistisches Bundesamt.
110

105

100
        I    II   III   IV    I    II      III   IV   I   II     III   IV   I   II      III   IV   I   II    III   IV    I
              2016                      2017                   2018                  2019               2020            2021

    Alles in allem stellen sich das Preisbild und die preisbil-                        • Die Mietsteigerungen haben sich im Vergleich des Miet-
denden Faktoren heterogen dar:                                                           spiegelindexes verlangsamt.
                                                                                       • In vielen Städten gab und gibt es Ausweichreaktionen in
• Die Hauspreise steigen in der Summe deutlich stärker als                               die Peripherie. In den Speckgürteln einiger Großstädte stei-
  die Mieten.                                                                            gen die Mieten stärker an als im jeweiligen Zentrum (teilwei-
• Die Mieten insgesamt entwickeln sich entsprechend der                                  se auch verstärkt durch Corona).
  Preis- und Lohnentwicklung.                                                          • Der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltsein-
• Die Neuvertragsmieten steigen in ihrer Gesamtheit deutlich                             kommen ist – entgegen der öffentlichen Wahrnehmung –
  rascher an als die Bestandsmieten.                                                     seit 2009 in der Tendenz bei allen Haushaltstypen gesunken.

13   Vgl. Bauindustrie, Bau-Telegramm Konjunktur, Ausgabe 8, August 2021, Berlin.

                                                                                 9
Mietpreis und ökologische Nachhaltigkeit                                    Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

3          Mietpreis und ökologische Nachhaltigkeit

Ein Faktor, der zusätzlich auf die Preise wirkt, sind die zuneh-              Energiebereich aufgefangen werden können, die Wohnung
menden Anforderungen an energetisch nachhaltiges Bauen                        nicht mehr leisten zu können. Dieses als Mieter-Vermieter-
bzw. Sanieren. Klimaschutz ist eine der großen Herausfor-                     Dilemma bezeichnete Problem der Kostenverteilung bedarf
derungen dieses Jahrhunderts. Der Weg zur Einhaltung der                      einer Lösung, um eine höhere Akzeptanz für energetische
Klimaschutzziele ist jedoch steinig. Rund 30 Prozent der                      Sanierungen bei den Beteiligten und eine deutlich höhere
CO2-Emissionen sind in Deutschland auf den Gebäudesektor                      Sanierungsquote zu erreichen. Dabei muss die ebenfalls be-
zurückzuführen.14 Das Ziel, spätestens zum Jahr 2050 (oder                    rechtigte Forderung nach bezahlbarem Wohnraum vor allem
schon 2045) einen annähernd klimaneutralen Gebäudebe-                         in den Ballungsgebieten im Auge behalten werden.
stand vorzuweisen, liegt derzeit noch in weiter Ferne. Da die                      Um mehr Anreize für Investitionen zu setzten, hat der
Neubauquote mit 0,7 Prozent vergleichsweise gering ist,15                     Gesetzgeber die Modernisierungsumlage geschaffen. Die-
kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn der Gebäudebe-                     se seit 2001 in § 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
stand modernisiert wird. Das größte Einsparpotenzial liegt                    verankerte Regelung19 erlaubt dem Vermieter eine gewisse
dabei bei älteren Gebäuden, insbesondere solchen, die vor                     Umlage von Modernisierungskosten (nicht nur energetischer
dem Inkrafttreten der Ersten Wärmeschutzverordnung 1977                       Natur) auf die Miete. Dadurch kann die Miete stark steigen.
errichtet wurden.16 Dies ist allerdings mit erheblichen Investi-              Aus diesem Grund wurde der Regelungsgehalt der Moderni-
tionen und damit Kosten verbunden, die nicht immer durch                      sierungsumlage mehrfach angepasst und 2019 u.a. die Um-
entsprechende Energieeinsparungen ausgeglichen werden.17                      lage von 11 auf 8 Prozent der Investitionskosten begrenzt.
     Die Einführung eines CO2-Preises verteuert die Ener-                     Die Regelung lautet nun wie folgt:
giekosten. Diese kann der Bewohner einer Wohnung über
seinen Energieverbrauch steuern, wenn auch in begrenztem
Umfang. Verteuern sich die Energiekosten, wird das Wohnen
in nicht energetisch sanierten Wohnungen vergleichsweise                          Die Modernisierungsumlage
teurer und damit unattraktiver und bewirkt einen gewissen,                        gemäß § 559 BGB:
Anreiz, energetisch zu sanieren.
     Die Verteilung der durch die energetische Sanierung ent-                     • Der Vermieter kann nach Durchführung bestimmter
stehenden Kosten ist vor allem im vermieteten Bereich pro-                          Modernisierungsmaßnahmen die (Jahres-)Miete
blematisch. Dieser steht im Mieterland Deutschland für einen                        um 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten
großen Teil des Wohnungsbestands (vgl. Abbildung 9). Ver-                           Kosten erhöhen.
mieter haben in der Grundkonstellation des deutschen Miet-                        • Nicht zu berücksichtigen sind Kosten, die für den
rechts kaum Anreize, solche Sanierungen durchzuführen, da                           Erhaltungsaufwand erforderlich gewesen wären.
sie die Investitionskosten dafür tragen müssen, die Nutzen in
                                                                                  • Die Mieterhöhung ist auf 3 Euro/qm begrenzt bzw.
Form niedrigerer Verbrauchskosten jedoch den Mietern zu-
                                                                                    bei Mieten von unter 7 Euro/qm auf 2 Euro/qm.
gutekommen.18 Vermieter profitieren in der Regel nur indirekt
durch Steigerungen des Gebäudewerts von den Maßnahmen                             • Ausnahmen von der Umlagefähigkeit gelten in
zur Einsparung von Energieverbrauch – wenn überhaupt. Da-                           Härte­fällen.
rüber hinaus tragen sie das Investitionsrisiko.
     Bei den Mietern sind energetische Gebäudesanierungen
ebenfalls unbeliebt. Zum einen ist dies der Fall wegen der Be-
einträchtigungen während der Sanierungsmaßnahmen. Zum                              Diese Begrenzung der Umlagefähigkeit kommt den In-
anderen fürchten gerade in angespannten Wohnungsmärk-                         teressen der Mieter entgegen, die nachvollziehbarer Weise
ten viele Mieter sich davor nach einer Sanierung aufgrund hö-                 mit starken Mieterhöhungen schnell überfordert sind. Mit der
herer Mietpreise, die nicht zwingend durch Einsparungen im                    Begrenzung der Kostenumlage sinkt jedoch der Anreiz zur

14   Carstensen et al. (2021) S. 121.
15   Fertigstellungen von 306.376 Neubauten im Verhältnis zum Gesamtbestand von 42,8 Mio. Wohnungen (Statistisches Bundesamt (2021)).
16   Vgl. Henger/Voigtländer (2012).
17   Vgl. Henger/Krotova (2020).
18   Vgl. Geuder (2015).
19   Die Vorgängernorm war bis 2001 im Miethöhegesetz geregelt.

                                                                         10
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                 Mietpreis und ökologische Nachhaltigkeit

Modernisierung des Gebäudebestands für den Vermieter auf-              einer anderen Form, eine Möglichkeit sein, die Anreize und
grund der vielfach mangelhaften Rentabilität der Investition.20        Akzeptanz für eine energetische Sanierung zu erhöhen und so
Dieses Dilemma ist schwer aufzulösen. Im Hinblick auf die              die Energiewende voranzutreiben. Für die Ausgestaltung der
Verteilung der Modernisierungskosten werden verschiedene               Förderung und deren Finanzierung liegen verschiedene Vor-
Alternativen diskutiert:                                               schläge auf dem Tisch. Ein Vorschlag beinhaltet die Nutzung
                                                                       der Mittel des Energie- und Klimafonds (EKF), um Mieter und
1. Eine vollständige Überwälzung auf den Vermieter.                    Selbstnutzer bei den Kosten der energetischen Sanierung
2. Eine Überwälzung auf den Mieter soll nur erfolgen, soweit           in der Form zu entlasten, dass die Modernisierungsumlage
   dieser von der energetischen Sanierung profitiert.                  im ersten Jahr voll und in den Folgejahren in abnehmendem
3. Eine vollständige Überwälzung auf den Mieter.                       Maß vom EKF übernommen wird. Für Selbstnutzer soll eine
4. Staatliche Förderungen zum Ausgleich der Interessen.                vergleichbare Förderung gelten. Durch die Einbeziehung des
                                                                       Verkehrs- und Gebäudesektors in den Emissionshandel ste-
      Eine vollständige Überwälzung auf den Vermieter, um die          hen dem EKF ab dem Jahr 2021 zusätzliche Finanzmittel zur
Mieten nicht zu erhöhen, ist nicht sachgerecht, da er von den          Verfügung, die auf diese Weise an Unternehmen und Bevöl-
Einsparungen beim Energieverbrauch nicht profitiert, die en-           kerung zurückgeführt werden könnten.21 Eine bessere Alter-
ergetische Sanierung mit viel Aufwand verbunden ist und Li-            native wäre die Einbeziehung des Gebäudesektors in das
quidität erfordert. Energetische Sanierungen würden mangels            EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS).
Anreize und Rentabilität ausbleiben, die Sanierungsquote
würde nicht erreicht. Eine Begrenzung der Umlegung auf den             Vorzugswürdig: Die Einbeziehung in das EU-ETS
Mieter in Höhe seines Einsparpotentials würde dazu führen,
dass ein Großteil der Kosten beim Vermieter verbleibt und              Durch eine Ausweitung eines (einheitlichen) Emissionshan-
hätte ähnliche Folgen. Eine vollständige Umlage auf die Miete          dels auf weitere Sektoren würden Emissionseinsparungen
erscheint ebenfalls nicht zielführend, da der Mieter in diesem         unabhängig von Sektor oder Mitgliedstaat dort innerhalb des
Fall eine Modernisierung zu verhindern versuchen wird oder             EU-ETS geschehen, wo sie am günstigsten sind.22 Selbst
– falls das nicht gelingt – die Mieten beträchtlich verteuert          wenn einzelne Sektoren aufgrund höherer Kosten zunächst
werden. Letzteres könnte insbesondere in angespannten                  weniger oder gar nicht zur CO2-Reduktion beitrügen, wäre
Wohnungsmärkten viele Mieter finanziell überfordern.                   dies nicht relevant, da die Emissionen insgesamt gedeckelt
      Staatliche Förderungen sind grundsätzlich nicht erstre-          würden. Damit würde CO2 dort eingespart, wo die Einspa-
benswert, da sie zu hohen Kosten, Mitnahmeeffekten, der                rung volkswirtschaftlich am effizientesten zu realisieren wäre.
Bedienung von Lobbyinteressen und Verwerfungen führen                  Das Ziel eines annähernd klimaneutralen Gebäudebestandes
können. Im Rahmen von öffentlichen Gütern kann eine staat-             würde so im Zeitrahmen ggf. nicht erfüllt, das Klimaschutzziel
liche Förderung jedoch angezeigt sein, auch wenn dies eine             insgesamt wäre dennoch erreicht.
mangelhafte Lösung wäre. Da der Vorteil einer Erreichung                     Dieser Vorschlag steht allerdings im Gegensatz zum
der Klimaschutzziele im Gebäudesektor der gesamten Ge-                 deutschen Klimaschutzgesetz, welches verbindliche Sek-
sellschaft zugutekommt, sollte die Gesellschaft auch einen             torziele vorsieht und gerade keinen übergreifenden Ansatz
Teil der Kosten tragen.                                                verfolgt. Dabei ist ein sektorspezifischer Emissionshandel na-
      Um das Mieter-Vermieter-Dilemma zielführend zu lösen,            türlich immer noch besser, als kein Emissionshandel.
könnte daher eine staatliche Förderung, ob steuerlich oder in

20   Vgl. Voigtländer (2018).
21   Vgl. Henger/Krotova (2020).
22   Vgl. hier und im Folgenden SVR (2019).

                                                                  11
Wohneigentum und Wohnungsbau                                                                                                                                                                     Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

4                   Wohneigentum und Wohnungsbau

Nach wie vor ist in Deutschland der Anteil der Bevölkerung,                                                                                                                                           als benötigt. Lediglich in Hamburg und Frankfurt übersteigt
die im Eigentum wohnt, auffallend gering.23 Im europäischen                                                                                                                                           die Anzahl der im Jahr 2020 fertiggestellten Wohnungen den
Vergleich wohnen lediglich in der Schweiz mehr Menschen                                                                                                                                               jährlichen Bedarf (Abbildung 10). Dies berücksichtigt jedoch
zur Miete als in Deutschland (vgl. Abbildung 9). Und noch im-                                                                                                                                         nicht den Aufholbedarf der Vorjahre.
mer wird in Deutschlands Ballungsgebieten weniger gebaut

    Abbildung 9:
    Mieter- und Eigentümerquote im internationalen Vergleich 2018 oder letztes verfügbares Jahr (in Prozent)
    Quelle: OECD.

100%

 90%

 80%

 70%

 60%

 50%

 40%

 30%

 20%

 10%

    0%
         Rumänien
                    Kroatien
                               Bulgarien
                                           Littauen
                                                      Slowakei
                                                                 Ungarn
                                                                          Lettland
                                                                                     Polen
                                                                                             Slowenien
                                                                                                         Estland
                                                                                                                   Italien
                                                                                                                             Griechenland
                                                                                                                                            Tschechien
                                                                                                                                                         Mexiko
                                                                                                                                                                  Malta
                                                                                                                                                                          Spanien
                                                                                                                                                                                    Chile
                                                                                                                                                                                            Zypern
                                                                                                                                                                                                     Irland
                                                                                                                                                                                                              Korea
                                                                                                                                                                                                                      Portugal
                                                                                                                                                                                                                                 Frankreich
                                                                                                                                                                                                                                              Belgien
                                                                                                                                                                                                                                                        Verein. Königreich
                                                                                                                                                                                                                                                                             Luxemburg
                                                                                                                                                                                                                                                                                         Finnland
                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Australien
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Kanada
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Österreich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Deutschland
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Norwegen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Vereinigte Staaten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Island
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Dänemark
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Schweden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Niederlande
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Schweiz

                                                                                                 Sonstiges                                               Miete                          Eigentum (belastet)                                                 Eigentum (unbelastet)

23   Vgl. hier und im Folgenden Bültmann-Hinz (2019).

                                                                                                                                                                                            12
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                                                                                                                                                Wohneigentum und Wohnungsbau

25.000                                                                                                                                                                                                                            Abbildung 10:
                                                                                                                                                                                                                                  Wohnungsbedarf und
                                                                                                                                                                           jährlicher Bedarf                                      -angebot in den A-Städten
20.000                                                                                                                                                                     Baugenehmigungen                                       2020
                                                                                                                                                                           Baufertigstellungen
                                                                                                                                                                                                                                  (Wohnungen in Wohn-
15.000                                                                                                                                                                                                                            und Nichtwohngebäuden,
                                                                                                                                                                                                                                  inkl. Maßnahmen an
                                                                                                                                                                                                                                  bestehenden Gebäuden)
10.000                                                                                                                                                                                                                            Quellen: Statistische Landes­
                                                                                                                                                                                                                                  ämter.

    5.000

       0
                         Berlin                   Hamburg            Düsseldorf                          Köln                       Stuttgart               Frankfurt a. M.                     München

     Im europäischen Vergleich (vgl. Abbildung 11) liegt                                                                                        preises können hierfür anfallen. Zum anderen können diese in
Deutschland mit der Anzahl fertiggestellter Wohnungen pro                                                                                       der Regel nicht fremdfinanziert werden, so dass die Hürde für
1.000 Einwohner im Jahr 2020 lediglich im Mittelfeld und                                                                                        den Erwerb von Wohnungseigentum gerade für junge Leu-
dies, obwohl Deutschland in den letzten Jahren einen mas-                                                                                       te, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, hoch ist. Die
siven Bevölkerungszuzug zu verzeichnen hatte.                                                                                                   niedrigen Zinsen – der Wohnungskauf wäre daher eigentlich
     Die Erklärungsversuche hierfür sind vielfältig. Zum einen                                                                                  attraktiv – sind für Eigennutzer in Deutschland im Unterschied
sind die Erwerbsnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Makler,                                                                                         zu vielen anderen Ländern steuerlich nicht abzugsfähig. Zu-
Notar etc.) in Deutschland hoch – bis zu 15 Prozent des Kauf-                                                                                   dem ist Mieten hierzulande angesichts des gut ausgebauten

6
                                                                                                                                                                                                                                  Abbildung 11:
5                                                                                                                                                                                                                                 Intensität des Wohnungs-
4                                                                                                                                                                                                                                 baus – Anzahl der fertig-
                                                                                                                                                                                                                                  gestellten Wohnungen
3
                                                                                                                                                                                                                                  pro 1.000 Einwohner
2                                                                                                                                                                                                                                 2020
1                                                                                                                                                                                                                                 Quelle: Deloitte Property Index
0                                                                                                                                                                                                                                 2021.
                                                                                                                                                                                                           Bosnien u. Herz.
        Polen

                Frankreich

                             Belgien

                                       Norwegen

                                                   Israel

                                                            Irland

                                                                     Niederlande

                                                                                   Dänemark

                                                                                              Slowakei

                                                                                                         Deutschland

                                                                                                                       Tschechien

                                                                                                                                    Ungarn

                                                                                                                                              Bulgarien

                                                                                                                                                          Großbritannien

                                                                                                                                                                           Portugal

                                                                                                                                                                                      Spanien

                                                                                                                                                                                                Lettland

                                                                                                                                         13
Wohneigentum und Wohnungsbau                                                 Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

Mieterschutzes vielfach vermeintlich attraktiver.                             mögensungleichheit in Deutschland resultiert unter anderem
     Die geringe Neubauquote ist nicht nur mit Blick auf                      auch aus der ungleichen Verteilung des Immobilienvermö-
fehlenden Wohnraum, sondern auch verteilungspolitisch                         gens, dessen Wert in den letzten Jahren teils rasante Zu-
problematisch, da insbesondere Wohneigentum zum Ver-                          wächse erlebt hat. Darüber hinaus schützt Wohnungseigen-
mögensaufbau beitragen kann. Die vielfach beklagte Ver-                       tum vor Mieterhöhungen und Inflation.

40.000
                                                                                                                       Abbildung 12:
35.000                                                                                                                 Anzahl Baugenehmi-
                                                                                                                       gungen in Deutschland
30.000                                                                                                                 für Wohngebäude
                                                                                                                       2001–2020
25.000
                                                                                                                       Quelle: Statistisches Bundesamt.
20.000

15.000

10.000

 5.000

     0
          2001      2003      2005      2007      2009      2011      2013       2015      2017      2019

         Anzahl Wohnungen gesamt (neu und Bestand)
         Anzahl neu zu errichtende Wohnungen
         Anzahl Baumaßnahmen an Wohnungen im Bestand

      Die Politik tut sich mit der Förderung von Wohneigentum                 landmodernisierungsgesetz in das Gesetz aufgenommen
schwer. Staatliche Förderungen wie die Wohnungsbauprä-                        wurde, weitere Hürden für den Erwerb von Wohneigentum
mie, das Baukindergeld oder der Wohn-Riester sind zum Teil                    errichtet.24 Gemäß der Neuregelung bedarf in Gebieten mit
ineffizient und leiden an Akzeptanzproblemen. So muss man                     angespannten Wohnungsmärkten bei Bestandswohngebäu-
beispielsweise beim Baukindergeld von einem eher durch-                       den die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum
wachsenen Erfolg sprechen. Die Gelder wurden zwar abge-                       oder Teileigentum einer Genehmigung. Ausnahmen gibt es
rufen, allerdings muss von beträchtlichen Mitnahmeeffekten                    z.B. für Wohngebäude mit nicht mehr als fünf Wohnungen,25
ausgegangen werden. Darüber hinaus führt das Baukinder-                       wenn die Wohnungen eines Gebäudes zu mindestens zwei
geld zu dem unerwünschten Nebeneffekt, dass Wohnraum                          Dritteln an Mieter verkauft werden oder unter bestimmten
dort entsteht, wo er billig ist, aber nicht unbedingt dort, wo                Umständen in Erbfällen.
er dringend gebraucht wird. In Gebieten, in denen Wohnen                           So ergibt sich im Handeln der Politik in Bezug auf die
und Bauen teuer ist, so dass sich viele Menschen einen un-                    Förderung von Wohneigentum eine gewisse Schizophrenie:
geförderten Neubau nicht leisten können, greift die Förderung                 Einerseits wird eine ungleiche Vermögensverteilung beklagt,
regelmäßig nicht, da sie teurere Bauvorhaben bewusst nicht                    andererseits ist der Erwerb von Wohneigentum – zumindest in
erfasst.                                                                      angespannten Wohnungsmärkten – scheinbar unerwünscht,
      Zum Teil wird der Erwerb von Wohneigentum sogar ak-                     um Wohnungen nicht dauerhaft dem Mietmarkt zu entziehen.
tiv verhindert. In Städten mit umkämpftem Wohnungsmarkt                       Eine verfehlte Förderungspolitik und stark steigende Grund-
werden durch den neuen § 250 BauGB, der durch das Bau-                        erwerbsteuersätze sind Ausdruck dieser Politik.

24   Das Gesetz zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) zur Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) wurde am 22.6.2021 im Bundesgesetz-
     blatt veröffentlicht und ist am 23.6.2021 in Kraft getreten.
25   In einer Rechtsverordnung könnte auch eine abweichende Regelung für Immobilien mit zwischen drei und 15 Wohnungen getroffen werden.

                                                                         14
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                   Der Mietendeckel und der Beschluss des BVerfG

5         Der Mietendeckel und der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Der Berliner Wohnungsmarkt steht seit längerem im Fokus.                          Reallohnentwicklung bis 2019) errechnet wurde. Für ein-
Die Gründe für die angespannte Wohnungssituation sind hier                        fache (-28 Cent), mittlere (-9 Cent) und gute Lagen (+74
vielschichtig. Zum einen ist die Einwohnerzahl durch Zuzug                        Cent) wurden Zu- und Abschläge berücksichtigt.
stark gestiegen, von 3,326 Millionen Einwohnern im Jahr                       •   Neben der Lage berücksichtigte die Mietobergrenze die
2011 auf 3,664 Millionen Einwohner im Jahr 2020.26                                erstmalige Bezugsfertigkeit und die Ausstattung der Woh-
     Zum anderen hat die Bautätigkeit mit der Bevölkerungs-                       nung mit Sammelheizung und/oder Bad. Sie lag (ohne Zu-
zahl nicht Schritt gehalten.27 Zu dieser Gemengelage aus feh-                     und Abschläge) zwischen 3,92 Euro/qm und 9,80 Euro/
lendem Angebot bei einer wachsenden Bevölkerung kommen                            qm. Wohnungen in Gebäuden mit nicht mehr als zwei
noch mangelnde Kapazitäten bei der seit Jahren zwangsge-                          Wohnungen unterlagen einem Zuschlag von 10 Prozent.
schrumpften Verwaltung, was die Bautätigkeit be- oder ver-                    •   Für Wohnraum mit moderner Ausstattung erhöhte sich die
hindert. Zusammen mit der gestiegenen Anziehungskraft des                         Mietobergrenze um 1 Euro/qm.28
Standorts Berlin auf Investoren führt dies zu stark steigenden                •   Für Modernisierungsmaßnahmen bestand eine Anzeige-
Preisen. Darüber hinaus waren die Mieten in Berlin im Vergleich                   pflicht und eine sehr begrenzte Umlagemöglichkeit in Höhe
zu anderen großen deutschen und europäischen Städten ex-                          von 1 Euro/qm.
trem niedrig, so dass ein Nachholeffekt wenig überrascht.                     •   Verstöße gegen die Anforderungen des Berliner Mietenge-
     Der Berliner Senat hat sich 2019 zur Entschärfung der                        setzes wurden als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld
Wohnungsmarktsituation zu einem massiven Eingriff in die                          von bis zu 500.000 Euro geahndet.
Preisfindung entschlossen und mit dem Gesetz zur Mieten-
begrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Mietendeckel“)                             Das Gesetz war von vornherein massiver Kritik ausge-
die Mietenhöhe noch weitreichender als durch die im BGB                       setzt.29 Nach weitverbreiteter Ansicht fehlte es dem Land
geregelte Mietpreisbremse reguliert. Der Vorstoß hat für viel                 Berlin bereits an der formalen Gesetzgebungskompetenz.30
Aufsehen und Kritik gesorgt. Der Mietendeckel trat am 23.                     Darüber hinaus stellt der Mietendeckel einen erheblichen
Februar 2020 als Berliner Landesgesetz in Kraft und wurde                     Eingriff in das Eigentumsrecht dar, dessen Rechtfertigung
mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gut                      höchst zweifelhaft ist (vgl. nachfolgend Kapitel 6). Es er-
ein Jahr später als verfassungswidrig erklärt. Der Mietende-                  schien fraglich, ob der geplante Mietendeckel in seiner Breite
ckel war wie folgt ausgestaltet:                                              überhaupt erforderlich und geeignet war, zum angegebenen
                                                                              Ziel der Entspannung der Situation am Wohnungsmarkt bei-
• Die Mieten sollten in einer ersten Phase für die nächsten                   zutragen. Vielmehr stand zu befürchten, dass die künstliche
  fünf Jahre eingefroren werden (Mietenstopp).                                Deckelung der Mieten im Vergleich zum Umland den Druck
• Ab 2022 hätte die Möglichkeit einer Anpassung von 1,3                       auf die – dann günstigeren – Innenstädte eher noch erhöht,
  Prozent pro Jahr bestanden, sofern die Miete unterhalb                      Investitionen und Modernisierungen ausbleiben, die Qualität
  der Mietobergrenze gelegen hätte. Abgestellt wurde auf                      des Wohnungsbestands und die Bereitschaft zu mehr Neu-
  die Miethöhe zum 18. Juni 2019.                                             bauten gleichermaßen abnehmen. Zudem stand der Mieten-
• Ab 23. November 2020 trat die zweite Phase des Mieten-                      deckel auch im Widerspruch zum Klimaschutz (vgl. Kapitel 3),
  deckels in Kraft. Der Vermieter musste die Herabsetzung                     da der Mietendeckel nicht nur keine Anreize für energetische
  einer „überhöhten Miete“, d.h. eine Miete, die 20 Prozent                   Gebäudesanierung beinhaltete, sondern diese aufgrund der
  über der Mietobergrenze lag, veranlassen.                                   sehr begrenzten Umlagefähigkeit massiv verringerte. Es war
• Ausnahmen galten u.a. für Wohnungsneubau (erstmalig                         absehbar, dass vom Mietendeckel die Falschen profitieren
  bezugsfertig ab 1. Januar 2014), öffentlich geförderten                     würden, nämlich insbesondere gutsituierte Mieter in teuren,
  Wohnungsbau oder wirtschaftliche Härtefälle.                                sanierten Altbauwohnungen. Benachteiligt würden diejenigen
• Grundlage für die Mietobergrenze war die Miettabelle der                    Mieter, die sich auf dem Wohnungsmarkt ohnehin schwer-
  Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die                       tun wie Personen mit ungeregeltem Einkommen, Familien mit
  auf Basis des Mietspiegels 2013 (fortgeschrieben um die                     vielen Kindern etc.

26 Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2021.
27 So entstanden 2011 beispielsweise nur ca. 3.000 neue Wohnungen in Berlin im Vergleich zu rund 16.000 neuen Wohnungen 2019 (Quelle: Statistisches
   Bundesamt).
28 Eine moderne Ausstattung lag vor, wenn der Wohnraum wenigstens drei der folgenden fünf Merkmale aufweist: (1) schwellenlos von der Wohnung und vom
   Hauseingang erreichbarer Personenaufzug, (2) Einbauküche, (3) hochwertige Sanitärausstattung, (4) hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl
   der Wohnräume und/oder (5) Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m2 a).
29 Vgl. Bültmann-Hinz (2019).
30 Vgl. Papier (2019), Liesenfeld et al. (2019).

                                                                         15
Erfahrungen mit dem Mietendeckel                                                                                                                      Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

         Das BVerfG hat mit Beschluss vom 25. März 2021 den                                                                                                             Bereits 2020 wurde die Initiative zu einem „Mieten-
    Mietendeckel aufgrund der fehlenden Gesetzgebungskom-                                                                                                         stopp“ in Bayern vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof
    petenz als mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb für                                                                                                    gestoppt, da es dem Landesgesetzgeber an der Gesetz-
    nichtig erklärt.31 Wenig überraschend gelangte das BVerfG zu                                                                                                  gebungskompetenz für eine derartige Regelung fehle.32 Die
    der Erkenntnis:                                                                                                                                               Initiatoren haben Verfassungsbeschwerde beim BVerfG in
                                                                                                                                                                  Karlsruhe eingereicht.
    • Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum,                                                                                                           Bedauerlich ist allerdings, dass das BVerfG, das über
      der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden                                                                                                           eine abstrakte Normenkontrolle von 284 Abgeordneten der
      kann (ungebundener Wohnraum), fallen in die konkurrie-                                                                                                      Fraktionen der FDP und der CDU/CSU zu entscheiden hat-
      rende Gesetzgebungszuständigkeit.                                                                                                                           te, lediglich die formelle Rechtmäßigkeit des Gesetzes geprüft
    • Die Länder seien nur zur Gesetzgebung befugt, solange                                                                                                       und keine inhaltliche Würdigung hinsichtlich der Zulässigkeit
      und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompe-                                                                                                          der Grundrechtseingriffe vorgenommen hat und vermutlich in
      tenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht habe (Art.                                                                                                      absehbarer Zeit auch nicht vornehmen wird.33 Das gilt umso
      70, Art. 72 Abs. 1 GG).                                                                                                                                     mehr, als im Bundestagswahlkampf 2021 die Rufe nach einem
    • Da der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§                                                                                                       bundesweiten Mietendeckel laut wurden. Der Bund hätte zwar
      556 bis 561 BGB abschließend geregelt habe, sei auf-                                                                                                        zweifelsohne die Gesetzgebungskompetenz für eine derartige
      grund der Sperrwirkung des Bundesrechts für die Gesetz-                                                                                                     Regelung. Ob eine solche Regelung allerdings sinnvoll oder
      gebungsbefugnis der Länder kein Raum. Da das Gesetz                                                                                                         überhaupt inhaltlich verfassungsgemäß wäre, steht jedoch auf
      zum Mietendeckel im Kern ebenfalls die Miethöhe für un-                                                                                                     einem anderen Blatt (vgl. Kapitel 7). Umso wichtiger ist es,
      gebundenen Wohnraum regelt, sei es insgesamt nichtig.                                                                                                       sich die Auswirkungen des – wenn auch kurzlebigen – Berliner
                                                                                                                                                                  Mietendeckels etwas genauer anzuschauen.

    6                             Erfahrungen mit dem Mietendeckel

    Der in den vergangenen 10 Jahren erfolgte starke Anstieg der                                                                                                  als Regulierungsinstrument funktioniert. Allerdings überrascht
    Mietpreise in Berlin ist aktuell gebremst. Befürworter des Mie-                                                                                               es wenig, dass ein zwangsweiser Mietenstopp auch zu einer
    tendeckels sehen sich gestärkt in der Annahme, dass dieser                                                                                                    Mietpreisstagnation führt. Die Entwicklung der Angebotsmie-

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                                                                                                                                                                                                                                Abbildung 13:
                                                                                                                                                                                                                                Mietpreisentwicklung
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                                                                                                                                                                                                                                in Berlin
Mietpreis in Euro pro qm

                                                                                                                                                                                                                                Q1 2012 bis Q1 2021
                            9
                                                                                                                                                                                                                                Quelle: empirica regio 2021.
                            8

                            7

                            6
                                Q1 2012

                                          Q3 2012

                                                    Q1 2013

                                                              Q3 2013

                                                                        Q1 2014

                                                                                  Q3 2014

                                                                                            Q1 2015

                                                                                                      Q3 2015

                                                                                                                Q1 2016

                                                                                                                          Q3 2016

                                                                                                                                    Q1 2017

                                                                                                                                              Q3 2017

                                                                                                                                                        Q1 2018

                                                                                                                                                                    Q3 2018

                                                                                                                                                                              Q1 2019

                                                                                                                                                                                        Q3 2019

                                                                                                                                                                                                  Q1 2020

                                                                                                                                                                                                            Q3 2020

                                                                                                                                                                                                                      Q1 2021

    31 Vgl. BVerfG (2021).
    32 Vgl. Bayerischer Verfassungsgerichtshof (2021).
    33 Die zu dem Zeitpunkt der Entscheidung noch anhängigen Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG per Beschluss vom 19. Mai 2021 nicht zur Entscheidung
       angenommen, da das Rechtschutzbedürfnis wegen der Nichtigkeit des Gesetzes entfallen war, vgl. BVerfG Beschluss vom 19. Mai 2021 - 1 BvR 487/20.

                                                                                                                                                        16
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                        Erfahrungen mit dem Mietendeckel

ten in Berlin zeigt (vgl. Abbildung 13), dass bereits im 3. Quar-        wirkungen. Zum ersten hat sich das – auf dem frei verfügbaren
tal 2018 der Anstieg gebremst wurde und das Mietniveau im                Markt vorhandene – Angebot an Mietwohnungen drastisch
Prinzip stagnierte. Mithin trat diese Entwicklung bereits unab-          reduziert. Eine Aufstellung der Zahl neu erfasster Online-An-
hängig vom Mietendeckel ein, der erst Mitte 2019 angekün-                gebote im Zeitraum zwischen 2015 und 2020 zeigt, dass die
digt wurde und am 23. Februar 2020 in Kraft trat.                        Wohnungsinserate in Berlin von knapp 12.000 im Jahr 2019
     Jedoch hatte der Mietendeckel andere gravierende Aus-               auf unter 6.000 Anfang 2020 gefallen sind (vgl. Abbildung 14).

14.000
                                                                                                            Abbildung 14:
                                                                                                            Entwicklung der Zahl neu
12.000
                                                                                                            erfasster Online-Angebote
                                                                                                            für Mietwohnungen,
                                                                                                            2015–2. Quartal 2020
10.000                                                                                                      Quelle: empirica-Preisdatenbank
                                                                                                            (Basis: empirica-systeme).

 8.000
                                                                                                                  Berlin
                                                                                                                 Hamburg
 6.000
                                                                                                                 München
                                                                                                                 Düsseldorf
 4.000                                                                                                           Köln
                                                                                                                 Frankfurt

 2.000                                                                                                           Stuttgart

     0
                2015              2016         2017             2018                2019       2020

     Diese Halbierung des Angebots hat verschiedene Ur-                        Mit Einsetzen der zweiten Phase des Mietendeckels
sachen, die aber alle auf den Mietendeckel zurückzuführen                im November 2020 mussten die Mieten abgesenkt werden.
sind. In den meisten Fällen dürften Vermieter erst einmal                Profitiert haben davon allerdings vor allem (Bestands-)Mieter
abgewartet haben, wie sich die rechtliche Lage weiterentwi-              teurer, sanierter Altbauwohnungen in guter Lage und weniger
ckelt und leerstehende Wohnungen zunächst nicht weiterver-               die Mieter in weniger ansprechenden Bauten und Lagen und
mietet haben. Zudem wurden verstärkt vormals vermietete                  erst recht nicht Wohnungssuchende. Die Absenkungspoten-
Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und so                       tiale verteilen sich sehr unterschiedlich auf den Wohnungs-
langfristig dem Mietmarkt entzogen. Auch nutzten Vermieter               bestand je nach Baualters- und Ausstattungsklasse.35 Die
vermehrt private Kontakte, um Wohnungen zu vermieten und                 165.000 gut ausgestatteten Altbauwohnungen mit Baujahr bis
weniger Online-Annoncen.34 Der Effekt ist für Wohnungssu-                1918 weisen das zahlenmäßig höchste Einsparungspotential
chende dramatisch, da das Angebot radikal verringert wur-                auf. 84 Prozent des geschätzten Absenkungspotentials, d.h.
de. Übrig blieben vor allem teure Neubauwohnungen, die                   rund 193 Millionen Euro/Jahr, entfällt auf diese Wohnungen,
vom Mietendeckel ausgenommen waren, für Mieter mit be-                   die ca. ein Drittel der betroffenen Wohnungen ausmachen.
grenzten Finanzmitteln jedoch keine Alternative darstellten.             Das Segment der Baujahre 1965 bis 1990, welches beson-

34 Vgl. Sagner/Voigtländer (2021).
35 Vgl. hier und im Folgenden F+B (2021a).

                                                                    17
Erfahrungen mit dem Mietendeckel                                      Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz

ders viele Plattenbau- und Großsiedlungen beinhaltet, kommt               dass die Mieteinnahmen unverändert blieben, 15 Prozent
auf ein Absenkungspotential von nur rund 21 Millionen Euro/               verzeichneten einen Anstieg.
Jahr, obwohl es über ein Viertel des betroffenen Wohnungs-                      Die Verteilung der Miethöhe in Berlin (vgl. Abbildung 15)
bestandes ausmacht (27,1 Prozent).                                        zeigt auf, dass zumindest bei den befragten privaten Vermie-
     Stark beeinträchtigt wurde die Situation der privaten Ver-           tern ein Großteil der Mieten (Bestands- und Neuvertragsmie-
mieter in Berlin. Gemäß einer Studie von Sagner/Voigtländer36             ten) im moderaten Segment zwischen 6 und 8 Euro liegt und
hatten diese erhebliche Mietminderungen zu tragen. 15 Pro-                damit weit unter den Angebotsmieten, wie sie den einschlä-
zent der Vermieter hatten Einbußen von mehr als 20 Prozent                gigen Portalen zu entnehmen sind. Der Anteil der „günstigen“
zu beklagen. 14 Prozent verzeichneten einen Rückgang zwi-                 Mieten hat im Jahresvergleich deutlich zugenommen. Die
schen 10 und 20 Prozent und 15 Prozent einen Rückgang                     durchschnittliche Nettokaltmiete der befragten Vermieter re-
von unter 10 Prozent. 42 Prozent der Befragten gaben an,                  duzierte sich um sechs Prozent von 7,43 Euro auf 6,96 Euro.37

                       0         5            10           15   20            25          30          35     Abbildung 15:
  12 Euro und mehr                                                                                           Verteilung der Miethöhe in
                                                                                        März 2021            Berlin – Anteile der Netto-
10 bis unter 12 Euro
                                                                                        Januar 2020
                                                                                                             kaltmieten nach Euro/qm
                                                                                                             (in Prozent)
 9 bis unter 10 Euro
                                                                                                             Quelle: IW Köln.
  8 bis unter 9 Euro

  7 bis unter 8 Euro

  6 bis unter 7 Euro

  5 bis unter 6 Euro

       Unter 5 Euro

     Der Rückgang in den Mieten hatte für die befragten Ver-              Qualität des Wohnungsbestandes.
mieter, die die Wohnungen über Kredite finanziert hatten, zum                  Weitere Untersuchungen38 kommen ebenfalls zu dem
Teil erhebliche Auswirkungen. Immerhin 4 Prozent der Ver-                 Ergebnis, dass der Mietendeckel die Investitionstätigkeit er-
mieter hatten Kreditausfälle zu verzeichnen, da sie die Kre-              heblich beeinträchtigt. Bereits die laufende Instandhaltung,
ditraten aufgrund der Einnahmeausfälle nicht mehr bedienen                die gemäß den rechtlichen Bestimmungen nicht zu Mieterhö-
konnten. 15 Prozent beklagten starke anderweitige finanzielle             hungen führen darf, wird zum Problem, wenn die Miete per
Einschränkungen, um die Kreditraten bedienen zu können                    Gesetz erheblich abgesenkt wird. Erst recht unrentabel wird
und 17 Prozent leichte Einschränkungen.                                   die ohnehin nur schleppend vorankommende energetische
     Erhebliche Auswirkungen hat der Mietendeckel laut der                Gebäudesanierung, wenn die Modernisierungsumlage von 8
befragten Vermieter auf das Investitionsverhalten. Die Mehr-              Prozent der Investitionskosten pro Jahr um zwei Drittel bzw.
heit der befragten Vermieter gibt an, dass sie Investitionen              die Hälfte auf 1 Euro pro qm gedeckelt wird.
deutlich zögerlicher gegenüberstünden als dies vor dem Mie-                    Der Neubaubestand war zwar formal nicht reguliert,
tendeckel der Fall gewesen sei. Dies betrifft insbesondere                dennoch leidet das Investitionsklima in Berlin insgesamt.
größere Investitionen wie etwa energetische Sanierungen.                  Investoren sind verunsichert, befürchten zukünftig weitere
Dies ist fatal für die Erreichung der Klimaschutzziele im Ge-             Regulierungen. Mit 20.459 Wohnungen lag die Zahl der ge-
bäudesektor (vgl. Kapitel 3) und verschlechtert langfristig die           nehmigten Wohnungen im Jahr 2020 9,2 Prozent unter dem

36 Vgl. hier und im Folgenden Sagner/Voigtländer (2021).
37 Vgl. Sagner/Voigtländer (2021).
38 Vgl. F+B (2021a) und Sagner/Voigtländer (2019).

                                                                     18
Wohnangebot und -eigentum zwischen Regulierung und Klimaschutz                                                        Erfahrungen mit dem Mietendeckel

80                                                                                                                         Abbildung 16:
                                                                                                                           Auswirkungen des
                                                                                       Allgemeine Investitionen 1)         Berliner Mietendeckels
60                                                                                     Kleine Investitionen 2)             auf die Investitions­
                                                                                       Große Investitionen 3)              entscheidungen der
                                                                                                                           Vermieter (in Prozent)
40
                                                                                                                           Quelle: IW Köln.

20                                                                                                                       1) Investitionstätigkeit insgesamt
                                                                                                                         2) Kleinere Investitionen wie Maler-
                                                                                                                            arbeiten und andere Renovie-
                                                                                                                            rungsarbeiten
 0                                                                                                                       3) Größere Investitionen:
         stark gemindert       etwas gemindert        kein Einfluss       etwas begünstigt         stark begünstigt         umfassende Modernisierungen
                                                                                                                            (energetische Sanierung, Hebung
                                                                                                                            des Wohnstandards)

Jahr 2019 und sank das vierte Jahr in Folge.39 Sofern Neu-                      • Die Auswirkung auf die Preisentwicklung war spürbar, al-
bauprojekte noch realisiert werden, dürften sie ohnehin dem                       lerdings hatte sich die Preisentwicklung in Berlin bereits vor
eher höherpreisigen Segment zuzuordnen sein, so dass auch                         dem Mietendeckel abgeflacht.
das Ziel, günstigen Wohnraum zu schaffen, verfehlt wird.                        • Der Mietendeckel hatte einen negativen Effekt auf die
Wird aber weniger investiert, entstehen weniger Wohnungen,                        Inves­titionen in Bestand und Neubau.
wodurch sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter ver-                         • Investoren haben sich (vorübergehend?) vom Standort
schärft.                                                                          Berlin abgekehrt mit möglicherweise langfristigen nega-
      Die Rechtsunsicherheit, die die (absehbare) Verfassungs-                    tiven Folgen für den Berliner Wohnungsmarkt.
widrigkeit des Mietendeckels verursacht hat, belastet Mieter,                   • Das frei verfügbare Angebot ist signifikant gesunken. Aus-
Vermieter und den Investitionsstandort Berlin massiv. Hun-                        weicheffekte wie Verkäufe von zuvor vermieteten Woh-
derttausende Mieter sehen sich nun mit Mietnachzahlungen                          nungen als Eigentumswohnungen, Leerstand oder private
konfrontiert, die nicht wenige in Existenznot bringen, da sie                     Vermittlung sind zu beobachten. Wohnungssuchenden
keine Rücklagen gebildet haben oder bilden konnten. Unklar                        wird die Wohnungssuche deutlich erschwert.
ist, wie z.B. mit Zinsen auf Nachforderungen oder mit ver-                      • Profitiert haben – vorübergehend – eher die Bewohner der
hängten Bußgeldern umzugehen, wie der neue Mietspiegel                            teuren Wohnungen als die Mieter im unteren Segment.
aufzustellen und wie es um Mietnachforderungen bei Neu-                         • Private Vermieter hatten erhebliche Einnahmeminderungen
verträgen bestellt ist. Bei Letzteren ist insbesondere fraglich,                  zu erleiden, die teilweise zu Schwierigkeiten bei der Kredit-
ob die sog. Schattenmiete40 wirksam vereinbart wurde. Dies                        finanzierung bis hin zu Kreditausfällen führten. So geraten
führt bei Bevölkerung und Investoren gleichermaßen zu Ver-                        Existenzen in Gefahr.
unsicherung und schadet dem Ansehen der Politik und dem                         • Die Rückabwicklung des Mietendeckels ist höchst pro-
Investitionsstandort Berlin schwer. Die Berliner Regierung und                    blematisch und viele Mieter sind mit Mietnachforderungen
das Parlament hat in verantwortungsloser Weise 1,5 Millio-                        überfordert, da sie auf die Rechtmäßigkeit der Regelung
nen Mieter in Berlin für schädliche Symbolpolitik mit fatalen                     vertrauten.
Nebenwirkungen als Versuchskaninchen benutzt, ohne dass
dabei mit Hinblick auf tatsächliche Knappheit von Wohnraum                          Überdies stellt der Mietendeckel einen starken Eingriff in
in irgendeiner Weise eine Verbesserung bewirkt wurde.                           das Eigentumsrecht dar (siehe nachfolgend Kapitel 7).
      Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen:

39 Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2021).
40 In den meisten neu abgeschlossenen Mietverträgen wurden zwei Mietpreise angegeben: Der Mietpreis, der laut Vertrag zu bezahlen ist (sog. BGB-Miete
   oder Schattenmiete), und die nach Mietendeckel zulässigerweise zu erhebende Miete, mit dem Hinweis, dass bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit des
   Mietendeckels, die BGB-Miete zu zahlen sei.

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