Female Founders Monitor 2019 - Deutscher Startup Monitor
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Female Herausgeber und Projektmanagement Bundesverband Deutsche Startups e.V. Founders Autoren Alexander Hirschfeld Janina Mütze Jannis Gilde Monitor Technische Umsetzung Dr. Julian Bühler Lektorat Kara Clauß Design Dina Wagasowa (www.wagasowa.de) ISBN 978-3-9819968-3-8 Partner und Förderer Google for Startups
Frauen, gründet! Herzlichen Dank an den Bundesverband Deut- anders als ihre männlichen Gründerpartner – sche Startups und Google for Startups für die Ini- auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im tiative zum Female Founders Monitor! Nur wenn Blick haben. Die von Ihnen gegründeten Startups wir wissen, wo wir in Deutschland im Hinblick gehen mit diesen Herausforderungen besser um auf die Gleichstellung der Frau stehen, können und sind damit auch ein Vorbild für eine flexible wir über erforderliche Maßnahmen sprechen. Arbeitsorganisationen – ein Thema, das in den nächsten Jahren noch wichtiger werden wird. Dieser aktuelle zweite Female Founders Moni- tor macht deutlich, dass Frauen unverändert Staat und etablierte Wirtschaft müssen Frauen drastisch unterrepräsentiert sind, wenn es um bei ihren Gründungen weiter und noch stärker die Gründung junger, innovativer Unternehmen unterstützen. Denn nach wie vor wird es Frauen geht. Mit 15,1 Prozent sind sie zwar etwas stärker deutlich schwerer gemacht, die nötige Finanzie- vertreten als im vergangenen Jahr – aber das ist rung zu erreichen. Das zeigt sich deutlich beim längst nicht genug! Die vorhandenen Maßnah- Zugang zu Venture Capital oder Business Angels. men, die dabei helfen sollen, Frauen beim Grün- Sei es die Wahrnehmung, dass die von Gründe- den zu unterstützen, sind also noch lange nicht rinnen vorgestellten Geschäftsmodelle weniger ausreichend. aussichtsreich erscheinen als die ihrer männli- chen Kollegen, oder sei es die Unterstellung, dass Wir brauchen mehr Gründerinnen! Denn sie ha- der Ausgleich zwischen Beruf und Familie im ben ein besonderes Gespür für Trends und aktuel- Zweifelsfall doch immer zugunsten der Familie le wirtschaftliche Entwicklungen, was sie zum ausfallen könnte. Diese und weitere Hindernisse Beispiel im Bereich des Online-Handels beweisen. müssen wir überwinden. Dann wird es Gründe- Außerdem zeichnen sie sich durch ein hohes Ver- rinnen deutlich leichter fallen, größer zu denken antwortungsbewusstsein aus und bringen digitale und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Innovationen zu gesellschaftlichen Problemen in Beziehung. Dies hängt sicher damit zusammen, dass Frauen, die gründen, weniger häufig aus technischen Studiengängen wie Informatik oder Maschinenbau kommen. Sie haben ihre Qualifi- Brigitte Zypries, kation in wirtschaftlichen, kulturellen und sozia- Bundesministerin für Wirtschaft len Fächern erlangt. Hinzu kommt, dass sie – und Energie a.D. 3
Inhalt 26 Arbeit und Leben Vorwort 3 Inhalt 4 4.1 Arbeitsorganisation 26 Ergebnisse auf einen Blick 6 4.2 Partnerschaft und Kinder 28 Zusammenfassung 7 4.3 Vereinbarkeit von Familie und Arbeit 28 8 Hintergrund 32 Unternehmen und Geschäftsfelder 1.1 Zielsetzung des Female Founders Monitors 8 5.1 Verteilung nach Geschlecht 32 1.2 Merkmale von Startup-Gründungen 9 5.2 Teamgröße und Mitarbeiterzahl 33 1.3 Vorgehen und Konzeption 11 5.3 Branche und Geschäftsmodell 35 12 Wichtige Trends 38 Finanzen, Markt und Wettbewerb 2.1 Allgemeines Gründungsgeschehen 12 6.1 Finanzierungsquellen und Kapitalaufnahme 38 2.2 Frauen in der Startup-Welt 13 6.2 Umsatz und Internationalisierung 40 2.3 Gründungsneigung 15 6.3 Marktdynamik und Geschäftsklima 41 18 Typisch Gründerin 44 Herausforderungen und Netzwerke 3.1 Alter, Bildung und Berufserfahrung 18 7.1 Aktuelle Herausforderungen 44 3.2 Seriengründung und Scheitern 20 7.2 Kooperationsbeziehungen 45 3.3 Gründungsmotive 22 7.3 Regionale Vernetzung 46 48 Literaturverzeichnis 4 5
Ergebnisse auf einen Blick Zusammenfassung Frauen sind in der Startup Welt nach wie • Eine weitere wichtige Einsicht be- Der Female Founders Monitor Sechs Kernergebnisse vor stark unterrepräsentiert – der Anteil steht darin, dass Gründerinnen (FFM) ist... der Gründerinnen liegt gegenwärtig bei wesentlich stärker familiär einge- etwa 15%. Auch wenn sich längerfristig bunden sind. Sie begegnen dieser die zentrale Studie zur Bedeutung von • Der Anteil von Frauen in der Star- ein leichter Anstieg verzeichnen lässt, Situation mit einer flexiblen Arbeits- Frauen für Startup-Gründungen in tup-Welt ist in den letzten Jahren deuten die letzten beiden Jahre eher organisation, artikulieren aber auch Deutschland und wird in diesem Jahr langsam aber kontinuierlich gestie- auf eine Stagnation hin. Daher stellen politische Forderung zur Verbesse- zum zweiten Mal veröffentlicht. Sie gen, liegt mit 15,1% jedoch noch auf sich folgende Fragen: Warum kommen rung der Vereinbarkeit von Familie repräsentiert 3.747 Personen, darunter einem sehr niedrigen Niveau. wir beim Thema Startup-Gründerinnen und Beruf. Denn die doppelte Ver- 566 Gründerinnen (15,1%) und 3.181 nicht entscheidend voran? Was genau antwortung macht sich klar in der Gründer (84,9%). Die Gründerinnen und • Neben der starken Bedeutung öko- sind die Schwierigkeiten? Welche spezi- verfügbaren Arbeitszeit bemerkbar: Gründer verteilen sich auf insgesamt nomischer Motive sind es vor allem fischen Potenziale existieren? Sie liegt bei Gründerinnen mit Kind 1.547 Startups: 152 der untersuchten soziale Themen, die Frauen antrei- zwischen Montag und Freitag gut 9 Gründungsteams sind weiblich, 1.082 ben, ein Startup zu gründen. Der FFM verweist auf drei Bereiche in Stunden unter dem Wert für Väter, männlich und 303 sind Mixed-Teams, denen sich Herausforderungen und die ein Startup aufbauen. mit Mitgliedern beider Geschlechter.1 • Die Vereinbarkeit von Familie und Möglichkeiten identifizieren lassen: Beruf spielt für Startup-Gründerin- • Der dritte zentrale Punkt bezieht nen eine große Rolle und hat deut- • Gründerinnen und Gründer haben sich auf die Größe, Ausrichtung und lichen Einfluss auf ihre Arbeitsorga- spezifische biografische Hintergrün- Finanzierung der Unternehmen: Drei Ziele nisation. de und verfolgen unterschiedliche Frauen gründen wesentlich häufiger Interessen mit ihren Startups: Neben allein und führen im Mittel kleinere Der FFM möchte die Startup-Forschung • Frauen haben seltener einen techni- ökonomischen Motiven sind Frauen Startups. Dabei sind sie stärker an voranbringen, indem die Bedeutung von schen Studienhintergrund und sind stärker durch gesellschaftliche und einer stabilen Entwicklung orien- Gründerinnen und ihre Herausforderun- auch daher in digitalen Branchen soziale Themen motiviert. Gründe- tiert, während bezüglich zukünftiger gen in den Mittelpunkt gerückt werden. unterrepräsentiert. rinnen bilden damit eine wichtige Marktchancen und Wachstumsambi- Säule modernen Unternehmertums, tionen eher Zurückhaltung herrscht. Auf diese Weise werden die spezifischen • Für frauengeführte Startups steht indem sie an der Schnittstelle von Das äußert sich insgesamt in einer Motive von Gründerinnen und ihr be- die Stabilität des Unternehmens im Wirtschaft und Gesellschaft neue Ge- wesentlich geringeren Kapitalaus- sonderer Beitrag im Startup-Ökosystem Vordergrund, beim Thema Wachs- schäftsfelder etablieren. Gleichzeitig stattung der Gründerinnen. Gleich- sichtbar gemacht. tum herrscht dagegen noch Zurück- sind Gründerinnen in technikinten- zeitig scheint sich hier etwas zu haltung. siven Bereichen noch weniger stark bewegen: So ist der Anteil geplanter Dabei geht es nicht zuletzt darum, neue vertreten, was eng mit dem geringen Kapitalaufnahmen bei frauengeführ- Impulse für die Stärkung von Frauen in • Die externe Finanzierung und die Anteil von Frauen mit MINT-Hinter- ten Startups im Vergleich zum letzten Wirtschaft und Politik zu setzen. Vernetzung zur etablierten Wirt- grund zusammenhängt. Jahr von 30% auf 41% deutlich an- schaft stellen Gründerinnen-Teams gestiegen. noch vor Herausforderungen. 1 In 10 Fällen waren die Geschlechtsangaben unvollständig, sodass keine Aussage zur Teamstruktur getrof- fen werden konnte. 6 7
Abbildung 1: Startup-Definition Hintergrund Startups sind jünger als 10 Jahre, haben ein signifikantes Mitarbei- und sind mit ihrer Technologie ter- und/oder Umsatzwachstum und/oder ihrem Geschäftsmodell (oder streben an) (hoch)innovativ. 1.1 Zielsetzung des Female Founders Monitors 1.2 Merkmale von Startup-Gründungen Trotz ihrer hohen Qualifikation und Und wie die Untersuchung zeigt, ist auch Von Startups wird häufig gesprochen, Der FFM orientiert sich an diesem Start- unternehmerischen Ambitionen sind die Startup-Welt noch eine Männerdomä- wenn es um junge und innovative Unter- up-Verständnis. Er basiert auf den im Frauen an der Spitze der Wirtschaft nach ne – der Anteil an Startup-Gründerinnen nehmensgründungen geht, die ganze Rahmen des Deutschen Startup Monitors wie vor stark unterrepräsentiert. Laut liegt trotz kontinuierlichem Anstieg erst Branchen verändern oder vollkommen (DSM) erhobenen Daten und greift auch einer aktuellen Studie der Personalbe- bei 15,1%. Es gibt also einiges zu tun und neue Geschäftsmodelle aufbauen. Offen auf dessen Definition zurück: Startups... ratung Heidrick & Struggles (2018) sind genau aus diesem Grund verfolgt die Stu- bleibt dabei aber meist, was sich hinter 95% der CEOs in den weltweit größten die das Ziel, mehr über Gründerinnen, diesem Begriff konkret verbirgt. Denn • sind jünger als 10 Jahre, Unternehmen Männer. Im weiter ge- ihre Motive sowie Herausforderungen nicht jede Gründung ist zugleich auch fassten Top-Management zeigt sich ein zu erfahren. Denn nur so lässt sich das ein Startup, vielmehr sind Startups unter • sind mit ihrer Technologie und/oder ähnliches Bild, wobei Deutschland unter Thema öffentlich voranbringen und kön- den Gründungen eine kleine besondere ihrem Geschäftsmodell innovativ den untersuchten Ländern durchge- nen die richtigen wirtschaftlichen und Teilgruppe, die von den klassischen Exis- und hend das Schlusslicht bildet (AllBright politischen Impulse gesetzt werden. tenzgründungen abgrenzbar ist. 2018). Die Ursachen dafür sind natürlich • haben bzw. planen ein signifikantes vielschichtig, aber fest steht, dass Frau- Das Startup-Ökosystem bietet insgesamt Unter einer Gründung lässt sich als brei- Mitarbeiter- und/oder Umsatzwachs- en auf dem Weg nach oben eine ganze die Chance, durch neue Geschäftsmodel- teste Definition jede Art der selbststän- tum. Reihe von Hindernissen überwinden le gegebene Strukturen aufzubrechen digen Tätigkeit verstehen. Fasst man den müssen. Das ist nicht nur ungerecht, und Gründerinnen noch weiter ins Zent- Begriff enger, dann konzentriert man Um in der Studie als Startup berücksich- sondern etwas, das man sich als Volks- rum der Wirtschaft zu rücken. Eine stei- sich auf junge Unternehmen. Startups tigt zu werden, muss ein Unternehmen wirtschaft schlicht nicht leisten kann. gende Bedeutung von Frauen in der hingegen sind Jungunternehmen mit die erste sowie mindestens eine der Startup-Branche würde dabei vor allem einem besonders hohen Innovations- beiden anderen Voraussetzungen erfül- Der FFM setzt an diesem Punkt an: Es auch der Innovationskraft im gesamten grad und einem skalierbaren Geschäfts- len. Auf diese Weise kann sichergestellt geht um die Bedeutung von Gründerin- Land zugutekommen. Denn innovative modell (Kollmann 2016). Somit fallen werden, dass die im FFM untersuchten nen im Startup-Bereich, in dem erfolg- Wachstumsunternehmen brauchen die weder die Backstube um die Ecke noch Startups von“Existenzgründungen”, reiche Macherinnen innovative Produkte besten Talente, um sich im internatio- die freiberufliche Grafikerin unter die “Betriebsgründungen”sowie den“Ein- und Geschäftsideen entwickeln und so nalen Wettbewerb durchzusetzen und Definition. Eine digitale Plattform, deren zel- und Kleinunternehmen”abgrenzbar zukunftsfähige Unternehmen aufbauen. langfristig zu zentralen Playern der Algorithmus Grafikerinnen und Grafiker sind. digitalen Wirtschaft heranzureifen. mit Kundinnen und Kunden zusammen- bringt, ist dagegen eindeutig ein innova- tives Wachstumsunternehmen – also ein Startup. 8 9
1.3 Vorgehen und Konzeption Mit dem FFM 2018 wurde erstmalig die benen Daten des DSM 2018. Der DSM deutsche Startup-Landschaft in ihrer ist die umfassendste Studie zum Star- Breite hinsichtlich geschlechtsspezi- tup-Ökosystem in Deutschland und wird fischer Gemeinsamkeiten und Unter- vom Startup-Verband jährlich durchge- „ schiede untersucht. Der FFM 2019 greift führt. Durch seinen spezifischen Fokus auf das bewährte Design dieser Studie auf Startups sowie ihre Gründerinnen zurück. Gleichzeitig wird der Blick auf und Gründer grenzt sich der DSM von die Gründerinnen und Gründer durch anderen Studien wie dem KfW-Grün- die Berücksichtigung neuer Themenfel- dungsmonitor (Metzger 2018a) oder der, zum Beispiel der Familiensituation dem Global Entrepreneurship Monitor und Work-Life-Balance, erweitert. (Bosma & Kelley 2019) ab. Das For- schungsdesign des DSM bietet nicht nur Zur Analyse der geschlechtsspezifischen die Chance, eine Momentaufnahme der Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutschen Startup-Landschaft zu erhal- Die Startup-Gemeinschaft muss vielfältiger wird zwischen zwei Analyseebenen ten, sondern durch seinen jährlichen unterschieden: Die Studie vergleicht Befragungsrhythmus auch wichtige werden. Es gibt nach wie vor zu wenige Gründe- sowohl die individuellen Eigenschaften Trends und Entwicklungen kenntlich zu rinnen in Deutschland. Mit dem Female Founders und Werte von Gründerinnen und Grün- machen. dern als auch die Unternehmensebene Monitor fragen wir kritisch, wo die Herausforde- anhand der Gründungsteams – also rein Die hohe Qualität des Datensatzes kann rungen liegen und welchen Beitrag Unternehmen weibliche und rein männliche Teams. durch eine Verbreitung der Befragung So beschäftigen sich die Kapitel zwei bis über ausgewählte Multiplikatoren an wie Google leisten können.“ vier mit der individuellen Lebenswelt, C-Level-Führungskräfte sowie Grün- – Mayra Frank, Google for Startups also zum Beispiel dem Bildungshinter- derinnen und Gründer als auch eine grund, den Gründungsmotiven oder umfassende Datenbereinigung anhand auch dem Familienleben der Gründerin- scharfer Kriterien sichergestellt werden. nen und Gründer. Die Kapitel fünf bis Nähere Informationen zum methodi- sieben rücken die Merkmale der Unter- schen Vorgehen bei der Datenerfassung nehmen wie die Branche und Finanzsi- können dem DSM entnommen werden tuation sowie deren aktuelle Herausfor- (Kollmann et al. 2018a). Insgesamt be- derungen in den Fokus. Hierbei werden inhaltet der DSM 2018 Angaben von die Startups anhand der Zusammenset- 135 C-Level-Verantwortlichen und 1.415 zung ihrer Gründungsteams geclustert. Gründerinnen und Gründern zu ihren Grundlage der Studie sind die erho- 1.550 Startups.2 2 In vier Fällen haben die Gründerinnen und Gründer keine Angaben zu ihrem Geschlecht gemacht, somit liegen Angaben von 269 Gründerinnen und 1.142 Gründern vor. Bei weiteren neun Fällen waren die Geschlechtsangaben zum Gründungsteam unvollständig, sodass für 1.537 Startups die geschlechts- spezifische Zusammensetzung der Gründungsteams ermittelt werden konnte. 10 11
Abbildung 2: Gründungsquote in Deutschland laut KfW (2000-2017) Wichtige Trends 2,4 2,9 2,8 2,8 2,6 2,5 Gründungsquote Nebenerwerb Vollerwerb Quelle: Metzger (2018a)3 2,1 1,7 1,8 1,8 1,8 1,7 1,6 1,7 1,5 1,6 1,5 1,5 1,5 2.1 Allgemeines Gründungsgeschehen 1,3 1,3 1,3 1,3 1,3 1,2 1,2 1,2 1,2 1,2 1,1 1,1 1,1 1,1 Es kann also zwischen dem Gründungs- Betrachtet man nun den Anteil der 1,1 0,9 0,9 0,9 0,9 0,9 1,0 0,9 geschehen im Allgemeinen und Startup- Frauen, fällt auf, dass sich dieser auf 0,8 0,8 0,8 0,8 Gründungen im Besonderen unterschie- einem relativ hohen Niveau bewegt und 0,7 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 den werden. Wirft man einen Blick auf sich in den letzten beiden Jahrzehnten 0,5 0,5 die Bedeutung der Frauen in beiden Be- nur unwesentlich verändert hat: Ab reichen, fällt auf, dass sie beim generel- Beginn der 2000er-Jahre steigt die Kurve len Gründungsgeschehen vergleichswei- leicht an und im Jahr 2013 erreicht der se gut vertreten, im Startup-Feld dagegen Frauenanteil einen bisherigen Höchst- 2000 2005 2010 2015 stark unterrepräsentiert sind. Es lohnt wert von 43%. Danach stagniert er je- daher, diesen Unterschied etwas genauer doch und ist in den letzten Jahren sogar zu betrachten, um ein Verständnis dafür wieder leicht gesunken – aktuell liegt zu bekommen, wo die Hindernisse zu der Anteil bei 37% (Metzger 2018a). 2.2 Frauen in der Startup-Welt verorten und welche Potenziale noch zu Auch wenn die 40%-Marke noch ein heben sind. gutes Stück von einer paritätischen Ver- Blickt man auf das Gründungsgeschehen Immer mehr gut ausgebildete Menschen teilung entfernt ist, lässt sich sagen, dass in Deutschland, erkennt man einen stark verzichten also auf eine sichere Anstel- Ein guter Indikator für das Gründungs- Frauen sehr stark an der Gründungs- rückläufigen Trend, der nach einem lung und wagen das Risiko einer Grün- geschehen ist der KfW-Gründungsmo- aktivität in Deutschland beteiligt sind. Hoch zu Beginn der 2000er-Jahre einsetzt. dung, um ihre innovativen Ideen zu ver- nitor, der jährlich den Anteil der Grün- Vor dem Hintergrund des generellen Während die Jahre nach der Jahrtausend- wirklichen. Eine aktuelle Untersuchung, dungen an der Bevölkerung im Alter von Rückgangs der Gründungen könnte eine wende von einer hohen Arbeitslosen- die explizit die besondere Gruppe der 18 bis 64 Jahren misst (Metzger 2018a). stärkere Aktivität der Frauen diese Ent- quote und damit verbundenen staatlich Startups in den Blick nimmt, bestätigt Dabei zeigt sich, dass die Gründungs- wicklung zukünftig leicht abfedern. geförderten Modellen für berufliche den positiven Trend (Metzger 2018c). quote in Deutschland nach einem Hoch Selbstständigkeit geprägt waren, hat der Und auch das Finanzierungsvolumen er- Mitte der 2000er-Jahre deutlich zurück- nachfolgende positive Trend auf dem reichte 2018 mit ca. 4,6 Milliarden Euro gegangen ist (siehe Abbildung 2). Nach Arbeitsmarkt auf einen Rückgang des einen neuen Rekordwert (EY 2019). Wäh- einer zwischenzeitlichen Stabilisierung Gründungsgeschehens hingewirkt. rend sich die Anzahl der Gründungen in auf einem Niveau von etwa 1,5% ist die Es zeigt sich, dass sogenannte Notgrün- Deutschland also in den letzten Jahren Quote in den letzten Jahren noch weiter dungen damit rückläufig sind. Die Ver- stark verringert hat, ist in Sachen Quali- gesunken und liegt gegenwärtig bei 1,1%. dopplung des Anteils der Chancengrün- tät eine deutlich positive Entwicklung dungen seit 2008 deutet darauf hin, dass erkennbar – vor allem die Startup-Bran- insbesondere Startups an Relevanz ge- che wächst. winnen (siehe Abbildung 3). 3 In dieser und allen folgenden Abbildungen kann es zu Rundungsdifferenzen kommen. 12 13
Und wie steht es nun um Frauen in der Im Vergleich zum Gründungsgeschehen Abbildung 4: Anteil der Startup-Gründerinnen und Startup-Welt? Im Unterschied zu den scheint es in der Startup-Branche also -Gründer nach Geschlecht Existenzgründungen sind sie im Star- besondere Hindernisse für Frauen zu tup-Bereich stark unterrepräsentiert: Ihr geben. Anhaltspunkte für deren Gründe Anteil liegt gegenwärtig bei nur 15,1% liefert diese Studie in den nachfolgenden (siehe Abbildung 4). Mit Blick auf andere Kapiteln. Hervorzuheben ist dabei zwar 15,1% 84,9% Länder wird eine ähnliche Lücke sicht- der insgesamt positive Trend der letzten bar.4 So liegt der Anteil der Startup-Grün- fünf Jahre, in denen sich der Anteil von derinnen in internationalen Hotspots Frauen langsam, aber kontinuierlich wie dem Silicon Valley (16%), London erhöht hat. Doch der nur marginale An- (15%) oder Singapur (12%) auf einem mit stieg der letzten beiden Jahre ist Hinweis Deutschland vergleichbaren Niveau. In darauf, dass die positive Entwicklung Städten wie Paris (10%) und Tel Aviv (8%) kein Selbstläufer ist, sondern der Frau- ist die Diskrepanz sogar noch deutlich enanteil bei Startup-Gründungen zu- größer (Startup Genome 2017). künftig auch stagnieren oder sich sogar negativ entwickeln könnte. 2.3 Gründungsneigung Eine gängige These für den geringen An- Befragung zur Gründungsneigung, die teil an Startup-Gründerinnen ist die feh- der Startup-Verband in Zusammenarbeit lende Bereitschaft von Frauen, berufli- mit dem Meinungsforschungsinstitut che Risiken einzugehen. Bereits ein Blick Civey kontinuierlich durchführt. Dem- Abbildung 3: Arten von Existenzgründungen Chancengründung Notgründung auf das allgemeine Gründungsgeschehen nach können sich 39% der Männer und macht deutlich, dass diese Interpretation knapp 32% der Frauen in Deutschland viel zu kurz greift. Der hohe Anteil von vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu Quelle: Metzger (2018a) Frauen im Bereich der Existenzgründun- gründen (siehe Abbildung 5). Genau wie gen – der sich in den letzten Jahren bei im Fall der Gründungsquote verweisen etwa 40% eingependelt hat (siehe Kapitel diese Zahlen auf das enorme Potenzial 59,8% 2.1) – zeigt stattdessen, wie viele Frau- an mutigen und unternehmerischen 53,3% en den Schritt in die Selbstständigkeit Frauen, das bisher noch zu wenig ausge- wagen. In die gleiche Richtung gehen schöpft wird. 46,6% 48,2% 49,4% 46,1% die Ergebnisse einer repräsentativen 36,1% 39,1% 35,0% 37,8% 29,9% 34,7% 34,0% 34,5% 30,4% 29,9% 31,5% 27,2% 24,7% 23,1% Abbildung 5: Gründungsneigung nach Geschlecht Frauen Männer Quelle: Gründungsspiegel (2018) Positiv 31,6% 2008 2010 2012 2014 2016 39,0% 7,3% Unterschieden 8,1% 61,1% Negativ 52,9% 4 Es gibt international nur wenige valide Daten zu Startups sowie ihren Gründerinnen und Gründern, die einen umfassenden Blick auf nationale Ökosysteme erlauben. 14 15
Innovationsgrün- Wunsch, die eigenen beruflichen Qualifi- kationen adäquat anzuwenden und eine derinnen müssen größere Zeitsouveränität. Um die strukturellen Benachteiligungen für Gründerinnen auszugleichen, gibt es größere Hürden in Deutschland Unterstützungsangebote, die von Bundesland zu Bundesland stark variieren. Hilfe bieten Internetportale wie www.existenzgruenderinnen.de oder nehmen die bundesweite gründerinnenagentur (bga), die Orientierungs- und Beratungs- angebote, Netzwerke, Co-Working-Spa- ces für Frauen oder Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentren in ganz die Förderung weiblicher Innovations- gründungen. In Kooperation mit der Ein Beitrag der Bundesweite Gründerinnenagentur von Cornelia Klaus und Carl-von-Ossietzky-Universität Olden- Dr. Katja von der Bey burg wurden Gründerinnen innovativer Unternehmen befragt und Handlungs- Nur 15,1% Frauen im Startup-Bereich? Dieser Faktor führt unter anderem zu empfehlungen erarbeitet, die das Ent- Was läuft da schief und wie kann man einem deutlich erschwerten Zugang zu und Bestehen dieser Startups effektiv mehr Frauen zur Unternehmensgrün- Finanzierungsinstrumenten für Frauen. vorantreiben können. dung ermuntern? Die vergleichsweise Studien konnten nachweisen, dass Inves- geringe Frauenquote wird spätestens toren die Glaubwürdigkeit, Vertrauens- Auch die vom Wirtschaftsministerium seit dem Erscheinen des ersten Female würdigkeit, Erfahrung und das Wissen Baden-Württemberg initiierte Landes- Founders Monitor im vergangenen Jahr der Gründerinnen allein deshalb infrage kampagne Start-up BW setzt neue Akzen- diskutiert und problematisiert. Man stellten, weil es Frauen sind. Eine erfolg- te. Ein zentraler Handlungsansatz dabei möchte meinen, dass die Türen für weib- reiche Gründung wird mit einer aggressi- ist ‚Start-up BW Women‘. liche Gründer längst weit offenstehen ven Vorgehensweise, einer Fokussierung und übersieht dabei leicht, welche hem- auf schnelles Wachstum und weniger auf Die bundesweite gründerinnenagentur menden strukturellen Rahmenbedingun- nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg des (bga) führt als deutschlandweites Infor- gen dazu führen, dass der Talentpool in Unternehmens assoziiert. Nur eine Neu- Deutschland listen und Fakten- und mations- und Servicezentrum für Grün- Deutschland immer noch nicht in vollem justierung der Bewertungssysteme weg Branchenblätter, Blogs, regionale Grün- derinnen, Unternehmerinnen und Be- Umfang ausgeschöpft werden kann. vom Narrativ des männlich konnotieren derinnenveranstaltungen oder Frauen- triebsnachfolgerinnen unter ihrem Dach Zu nennen sind hier z.B. Sozialversiche- Unternehmertypus kann zu einer ange- wirtschaftstage vorstellen. 500 Beratungseinrichtungen, 1.300 Ex- rungs- und Steuergesetzgebung in messenen Berücksichtigung von Frauen pertinnen/Experten und 350 Netzwerke Deutschland, die immer noch auf den führen, was wirtschaftlich – auch das ist Dennoch: In Anbetracht der geringen zusammen. Sie bietet branchenübergrei- männlichen Familienernährer zuge- erwiesen – von Vorteil ist. Gründungsquote von Frauen im Star- fend Angebote zu Information, Beratung, schnitten sind und zu sogenannten tup-Bereich und der Vielfalt der mögli- Weiterbildung und Vernetzung über „Lock-in“ Effekten und Fehlanreizen für Vor diesem Hintergrund kann man chen zugrundeliegenden Faktoren ergibt alle Phasen von Gründung, Festigung, Frauen führen, eigene Geschäftsideen in sagen: Großartig, trotz der zusätzlichen sich ein unbedingter Bedarf, diese Ziel- Startups, Wachstum und Nachfolge. Die die Tat umzusetzen. Hemmnisse, die Frauen als Unterneh- gruppe individuell zu fokussieren und zu bga wurde mehrfach gewürdigt und gilt mensgründerinnen überwinden müs- fördern. als Vorzeigemodell und Thinktank zu Traditionelle Rollenbilder sind auch die sen, steigt das Gründungsinteresse von Female Entrepreneurship in Europa. Ursache für den vielfach beschriebenen Frauen kontinuierlich! Und damit steigt Niedersachsen geht mit gutem Beispiel www.gruenderinnenagentur.de „Confidence-gap“, der das durchweg ge- auch der Anteil der so wichtigen Rollen- voran: Gründerinnen-Consult, ein Pro- ringere Vertrauen in wirtschaftliche und vorbilder für weitere Gründerinnen. Die jekt der hannoverimpuls GmbH, zielt mit innovative Fähigkeiten sowie die Füh- Motive der Gründerinnen sind neben dem vom Land Niedersachsen geför- rungskompetenz von Frauen beschreibt. guten Geschäftsideen übrigens auch der derten Projekt #femalestartupsnds auf 16 17
Typisch Abbildung 6: Studienabschlüsse der Gründerinnen und Gründer Gründerin BWL, VWL o.ä Gründerinnen Gründer 41,7% 41,3% Informatik, Computer 5,6% Science oder Mathematik 18,9% 9,3% Ingeneurwissenschaften 3.1 Alter, Bildung und Berufserfahrung 19,2% In der Öffentlichkeit ist häufig von Neben der verbreiteten Berufserfahrung 8,3% Naturwissenschaften 6,8% Gründerinnen und Gründern zu lesen, zeichnet sich das Startup-Ökosystem die schon während oder kurz nach ihrem durch eine sehr hohe Quote bei den Geistes-, Kultur- oder 14,8% Studium ein Unternehmen aufbauen. Hochschulabschlüssen aus: Vor ihrer Sozialwissenschaften 6,1% Dieses Bild zeichnet einen zwar wichti- Gründung hat die überwiegende Mehr- Jura oder 1,9% gen, aber nicht vollständigen Ausschnitt zahl der Frauen (80,3%) und Männer Rechtswissenschaften 1,7% deutscher Gründungsrealität nach. Die (82,1%) ein Studium absolviert. Dabei Grafikdesign oder ein anderer 11,1% befragten Gründerinnen und Gründer zeigt sich noch einmal deutlich der künstlerischer Bereich 1,6% sind überwiegend in ihren 30ern und Unterschied zum allgemeineren Feld unterscheiden sich bezüglich ihres Alters der Existenzgründung: Nur etwas mehr 0,9% Medizin 0,5% nur geringfügig: Während die befragten als jede/r vierte Gründerin und Gründer Frauen im Durchschnitt 35 Jahre alt sind, (27%) hat hier einen Abschluss einer Anderer Bereich 6,5% sind die Männer mit durchschnittlich Universität, Fachhochschule oder Be- 3,8% 35,3 Jahren etwas älter. Die Gründung rufsakademie (Metzger 2018b). in jungen Jahren ist aber trotzdem weit verbreitet: Drei von zehn Gründerinnen Während also ein Studium für die Besonders deutlich ist diese Tendenz in liegt bei fast der Hälfte, während sie in und Gründern (29,2%) sind jünger als 30 meisten Gründerinnen und Gründer der den Ingenieurwissenschaften und der den Ingenieurwissenschaften (23,1%) Jahre, während weniger als jeder bzw. übliche Qualifikationsweg ist, gibt es – Informatik, wohingegen der Anteil der sowie im Studienfach Informatik (21,1%) jede Zehnte (9,4%) 50 Jahre oder älter ist. immer noch – erhebliche Unterschie- Gründerinnen mit Abschluss in den Na- immer noch deutlich in der Minderheit de beim Studienhintergrund zwischen turwissenschaften sogar etwas höher als sind (Bundesamt für Statistik 2019). Im Vor dem Hintergrund dieser Alters- Männern und Frauen. Es zeigt sich, dass bei den Gründern liegt. Hinblick auf das Innovationspotenzial struktur ist es nicht verwunderlich, dass Gründerinnen häufiger kreative Fächer von Gründungen im MINT-Bereich – die Mehrzahl vor der Gründung Berufs- wählen oder ein Studium in den Geistes- Die Differenz beruht unter anderem auf insbesondere im Feld der Informatik erfahrung sammelt. Dabei scheint es und Sozialwissenschaften absolvieren. der generellen Unterrepräsentation von – gilt es daher, Frauen stärker für die Frauen insgesamt wichtiger, im Vorfeld Ähnlich ist das Verhältnis zwischen den Frauen im MINT-Studium: Während im MINT-Fächer zu begeistern. Hier sollten Expertise in der Arbeitswelt zu erlangen: Geschlechtern dagegen in den Wirt- Wintersemester 2017/2018 48,5% der entsprechende Initiativen wie der Natio- Denn während 13,8% der Gründer vor schaftswissenschaften. Hingegen liegt Studierenden Frauen waren, ist der An- nale Pakt für Frauen in MINT-Berufen der Gründung noch keine anderweitige der Anteil der MINT-Absolventinnen teil der Frauen in MINT-Studiengängen aber auch Projekte wie der Chemistry Berufserfahrung gesammelt haben, sind unter den Gründerinnen bei nur 23,1% mit 30,4% immer noch relativ niedrig. Girls‘ Day weiter gestärkt werden. Auch es bei den Gründerinnen nur 8,3%. Mit und damit sogar geringfügig unter dem Wirft man einen genaueren Blick auf die Unternehmen wie Google führen mit durchschnittlich 8,9 Jahren haben Grün- letztjährigen Wert von 25%, während einzelnen Fächer, dann zeigt sich auch niedrigschwelligen Angeboten wie dem derinnen auch insgesamt ein Jahr mehr fast die Hälfte der Gründer (44,9%) ein hier ein ähnliches Bild wie in der vor- Made with Code Programm, junge Frau- Berufserfahrung als Gründer (7,9 Jahre). Studium im MINT-Bereich abgeschlos- liegenden Studie: Der Anteil von Frauen en an das Thema Coding heran. sen hat. in den Naturwissenschaften (47,9%) 18 19
3.2 Seriengründung und Scheitern Abbildung 8: Seriengründungen Eine Fehlerkultur ist in Deutschland der würde nach einem Scheitern wieder Gründerinnen Gründer nach wie vor wenig verbreitet und auch ein Startup aufbauen wollen. Positiv ist, im Startup-Bereich hält sich die negativ dass dies nun mit 52,1% auch mehr als Ja, 1 weitere 16,8% konnotierte Vorstellung des Versagens die Hälfte der Gründerinnen angibt – Gründung 29,6% hartnäckig. In den letzten Jahren hat im Vorjahr lag der Wert noch bei 48,8%. Ja, 2 weitere 6,7% sich das, sicherlich auch durch den Auffällig ist aber, dass der Anteil nach Gründungen 14,3% Einfluss der amerikanischen Gründer- wie vor deutlich unter dem der Gründer szene, verändert. Inzwischen versuchen (59,8%) liegt. Unsere Studie deutet in Ja, 3 weitere 1,5% Gründungen 4,3% viele Menschen aus ihrem Scheitern zu diesem Zusammenhang auf eine Reihe lernen, die Verbreitung sogenannter möglicher ursächlicher Faktoren hin: Ja, mehr als 3 0,7% FuckUp Nights zeugt ebenfalls von die- So sind Gründerinnen im Bereich Fami- weitere Gründungn 5,1% sem Wandlungsprozess. lie stärker gefordert (siehe Kapitel 4) und 74,3% haben bisher noch weniger Zugang zu Nein 46,6% Auch unsere Zahlen belegen: Mehr als externen Finanzierungsquellen (siehe die Hälfte der Gründerinnen und Grün- Kapitel 6). Abbildung 7: Was tun nach dem Scheitern? Neben dem Umgang mit dem Scheitern mindestens ein Unternehmen vor ihrem ist das Phänomen der Seriengründung aktuellen ins Leben gerufen – bei den ein wichtiger Indikator für die generelle Gründerinnen liegt dieser Anteil da- Gründerinnen Gründungskultur: Unter den Top 100 gegen bei etwa einem Viertel. Hier lässt Gründer Entrepreneuren in Deutschland haben sich vermuten, dass Gründer wegen des 43% neben ihrer erfolgreichsten Grün- besseren Kapitalzugangs (siehe Kapitel 52,1% Ich würde wieder ein Startup gründen 59,8% dung weitere Unternehmensgründungen 6) und der stärkeren Nutzung von Netz- Ich würde als Angestellte/r im 14,2% vollzogen (Kawohl et al. 2018).5 Viele werken (siehe Kapitel 5.2 & 7) häufiger in Startup-Ökostystem arbeiten 10,9% Gründerinnen und Gründer lernen aus Serie gründen. Ziel muss es sein, Frauen, Ich würde als Angestellte/r außerhalb 14,2% ihren Erfahrungen und können nach die den Mut aufbringen, das erste Mal des Startup-Ökosystems arbeiten 13,8% der ersten Gründung häufig auf bessere ein Startup zu gründen, durch die richti- Kontakte und Netzwerke zurückgreifen. gen wirtschaftlichen und politischen Im- Doch auch hier zeigen sich Unterschie- pulse langfristig im Startup-Ökosystem Ich würde als Freelancer/-in arbeiten 16,0% 10,0% de zwischen den Geschlechtern: Mehr zu halten. Ich würde mich als Business 3,0 als die Hälfte der Gründer haben schon Angel/Investor/-in engagieren 4,1% Ich würde nicht mehr arbeiten 0,6% 1,4% „Bei Blockchain kannst du Mathematik dafür einsetzen, Koordinierungs- probleme zwischen Menschen zu beheben. Das fand ich von Anfang an sehr spannend.“ – Jutta Steiner, Parity 5 In dieser Studie wurden die 100 Gründerinnen und Gründer der Startups identifiziert, die den höchsten Gesamtbetrag an Finanzierung bei Investoren akquirieren konnten. 20 21
3.3 Gründungsmotive Abbildung 10: Hohe Priorität unternehmerischer Zieldimensionen Ein wichtiges Ziel der Untersuchung ist für mehr als jeden zweiten Gründer und es, besser zu verstehen, warum Gründe- jede zweite Gründerin auch die Anerken- Gründerinnen Gründer rinnen die Entscheidung treffen, viel Zeit nung, zum Beispiel im persönlichen Um- in den Aufbau eines Unternehmens zu feld, von zentraler Bedeutung. Während Green 32,9% investieren. Grob kann man hinsichtlich hier kaum geschlechtsspezifische Diffe- Economy 33,1% des persönlichen Antriebs zwischen in- renzen sichtbar sind, zeigen sich bei den Social 49,6% trinsischen sowie extrinsischen Motiven anderen Motiven interessante Unter- Entrepreneurship 36,4% differenzieren. Dabei ist klar, dass eine schiede: Jeder zweite Gründer gibt an, Ökonomische 58,4% konkrete Gründung immer das Ergebnis dass Wohlstand für ihn ein Gründungs- Ziele 74,9% einer Kombination unterschiedlicher motiv ist, während dieser Wert bei den Motive ist. Gründerinnen um gut 15 Prozentpunkte niedriger liegt. Hingegen geben fast dop- Für die große Mehrzahl der Gründerin- pelt so viele Frauen wie Männer an, dass nen und Gründer spielen intrinsische ihre Gründung aus einer Notwendigkeit Motive wie die potenzielle Unabhän- wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit heraus gigkeit sowie die Herausforderung als erfolgte. solche eine wichtige Rolle. Daneben ist Neben den Motiven wurden Gründerin- Unternehmen zu verfolgen: Drei von vier nen sowie Gründer auch zu den Zielen Gründern und auf der anderen Sei- ihrer Geschäftsmodelle befragt. Dabei te nur knapp drei von fünf Gründerin- überschneiden sich die Zieldimensionen nen geben diese Zieldimension für ihr und schließen sich nicht gegenseitig aus Startup an. Dagegen ordnet sich jede – insgesamt deuten sie aber dennoch auf zweite Gründerin dem Bereich Social generelle Prioritäten aus Sicht der Grün- Entrepreneurship zu, während dies nur derinnen und Gründer hin. Die Zahlen 36,4% der Gründer tun. Dies verweist zeigen hier vor allem, dass geschlechts- auf Unterschiede bezüglich der Motiva- Abbildung 9: Gründungsmotive Gründerinnen spezifische Differenzen bezüglich der tionsstruktur: Gründerinnen orientieren Gründer Bedeutung ökonomischer und sozialer sich wesentlich häufiger an gesellschaft- Ziele bestehen. lichen Problemstellungen – neben dem ökonomischen Erfolg ist für sie daher Notwendigkeit (bspw. 15,7% 8,3% Besonders auffällig ist hierbei, wie viel der soziale Impact ihres Startups von be- Arbeitslosigkeit) 88,0% häufiger Gründer als Gründerinnen sonderer Bedeutung. angeben, ökonomische Ziele mit ihren Unabhängigkeit 86,4% 36,8% Wohlstand 52,0% 93,7% Herausforderung 94,8% 52,4% Anerkennung 53,3% 22 23
Jutta Steiner, Gründerin und CEO bei Parity FFM-Team: Wie unsere Studie zeigt, gibt Frauen für MINT-Fächer entschieden? es vergleichsweise wenig Gründerinnen mit MINT-Hintergrund. Du bist eine von Jutta: Im Studium war es die Minder- ihnen – kannst du uns kurz etwas zu heit, aber das schwankte damals stark, deinem Hintergrund erzählen? je nachdem, ob man gerade auf Lehr- amt oder nur Diplom studieren konnte. Jutta: Ich komme aus dem Bereich der Also vielleicht waren es so 20%, die mit mathematischen Physik. Das bedeutete mir angefangen haben. einerseits viel Theoretisches, abstrakt Mathematisches, aber immer mit einem FFM-Team: Hat es dich abgeschreckt konkreten physikalischen oder techni- oder gestört, dass es einen so geringen schen Bezug. Mathematik anzuwenden Frauenanteil im Studium gab? hat mich schon immer interessiert und findet sich auch bei dem, was ich jetzt Jutta: Nein. Was ich aber im ersten mache, wieder. Das Spannende ist, dass Jahr gemerkt habe, war, dass einige empfunden habe war, dass es damals und das Internet funktionieren. Ohne an der Uni Mathematik zumeist nur Jungs, mit denen ich angefangen habe, schon eine Mathematik-Professorin an dieses Grundverständnis tut man sich auf naturwissenschaftliche Probleme in ihrer Schulzeit scheinbar sehr viel meiner Uni gab. Es macht schon einen schwer. Insgesamt ist aber immer noch angewandt wurde. Aber bei Blockchain mehr Förderung erfahren hatten und Unterschied, eine weibliche Identifi- das Entscheidendste, dass man etwas kannst du Mathematik dafür einsetzen, entsprechend zu Beginn des Studiums kationsfigur zu haben – und wenn nur wirklich lernen wollen muss und sich Koordinierungsprobleme zwischen wesentlich weiter waren. Damit hatten unterbewusst. traut, ins kalte Wasser zu springen und Menschen zu beheben. Das fand ich von sie einen krassen Vorsprung, was mich neue Dinge auszuprobieren. Zusätzlich Anfang an sehr spannend. Diese völlig nicht direkt abgeschreckt, aber schon FFM-Team: Du hast eine Blockchain- nutzte ich Online-Kurse, beispielsweise andere Art von Anwendungsbereichen irritiert hat – bis ich das hinterfragt Firma gegründet, ohne einen expliziten zu Web-Development, die ich immer hat mich sofort fasziniert – also nicht habe. Inzwischen gibt es an manchen Coding-/Informatik-Hintergrund. Ist dir gut und hilfreich fand. Ansonsten habe nur Statistik und reine Analytik, son- Unis Einführungskurse, die es ein- das jemals ein Hindernis gewesen? ich einfach viel dazu gelesen. Es gibt dern ein konstruktiver Ansatz. facher machen sollen, einen solchen mittlerweile unglaublich viele Quellen Vorsprung einzuholen. Insbesondere im Jutta: Ich hatte schon an der Uni und gute Vorträge im Internet (reddit, FFM-Team: Wie viele Frauen haben mit Bereich Informatik/Computer Science programmiert, wenn auch ein wenig YouTube, Medium, Twitter), die oftmals dir angefangen zu studieren? Und haben hat sich das als erfolgreiches Angebot anders. Insofern habe ich schon ein gerade in solchen neuen Bereichen kos- sich aus deinem Freundeskreis viele herausgestellt. Was ich aber als positiv Verständnis davon, wie Informatik tenlos zugänglich sind. 24 25
Arbeit und Leben 4.1 Arbeitsorganisation Die vermutete Doppelbelastung für Während Mütter werktags durch die Gründerinnen bestätigt sich, wenn man Übernahme von familiären Aufgaben Gründen ist eine enorm zeitintensive Tä- ten Gründerinnen zwischen Montag und die durchschnittliche Arbeitszeit der weniger lang arbeiten können oder wol- tigkeit: So arbeiten die meisten Gründe- Freitag weniger. Auffällig ist, dass mehr Befragten mit und ohne Kinder betrach- len, sind Mütter und kinderlose Gründe- rinnen und Gründer nicht nur werktags, als ein Viertel der Gründerinnen (27,9%) tet: Gründerinnen ohne Kind arbeiten rinnen am Wochenende gleichermaßen sondern auch am Wochenende – und weniger als 40 Stunden in der Woche werktags im Durchschnitt fast 6 Stunden lang beschäftigt. Hier scheinen Väter zwar Frauen (87,5%) ebenso wie Männer arbeitet, während dies nur 10% der mehr als Mütter. Bei den Gründern hin- eine etwas stärkere Rolle in der Familie (89,8%). Männer tun. Diese Zahlen sind ein erster gegen unterscheidet sich die Arbeitsbe- zu übernehmen: So arbeiten Gründer Hinweis auf eine mögliche Doppelbelas- lastung an diesen Tagen zwischen Vätern mit Kind (7,0 Stunden) weniger am Sams- Während die Differenz bei der Arbeits- tung von Gründerinnen, die neben der und kinderlosen Männern nicht. tag und Sonntag als kinderlose Gründer zeit zwischen Männern und Frauen am Arbeit mit höheren Erwartungen im Pri- (8,5 Stunden). Wochenende nur minimal ist, zeigt sich vaten konfrontiert sind und sich dement- werktags eine starke Diskrepanz: Durch- sprechend anders organisieren müssen. schnittlich knapp sechs Stunden arbei- Abbildung 12: Durchschnittliche Arbeitszeit an Werktagen in Stunden Gründerinnen Gründer Abbildung 11: Durchschnittliche Arbeitszeit in Stunden Gründerinnen Gründer 40,2 49,5 46,3 49,7 43,9 49,8 8,3 7,9 Mit Kindern Ohne Kinder Mehr als die Hälfte der Frauen und Män- Ähnlich wie die Ergebnisse zur Arbeits- Woche Wochenende ner verbringen noch mehr als die Hälfte zeit deuten auch diese Zahlen darauf ihrer Arbeitszeit klassisch im Büro hin, dass Frauen ihre Arbeit stärker mit (siehe Abbildung 13). Gleichzeitig fällt familiären Anforderungen abstimmen auf, dass Gründerinnen einen höheren müssen und daher flexiblere Modelle Anteil ihrer Arbeitszeit zu Hause (32,3%) wählen. Darüber hinaus ist denkbar, „Frauen mit Kind sind wahnsinnig effizient, denn sie takten ihren Tag und unterwegs (17,4%) erbringen. Dabei dass Frauen je nach Unternehmens- konsequent durch und wissen zu jeder Zeit, wo ihre Prioritäten liegen. Et- ist auch der Anteil der Frauen, die ganz phase aufgrund geringerer finanzieller auf das Büro verzichten (17,2%), höher Möglichkeiten seltener in ein eigenes was Abstand und ein frischer Blick auf die Dinge sind ein absoluter Mehr- als bei den Männern (8,4%). Büro investieren (siehe Kapitel 6). wert für ein Startup.“ – Verena Pausder, Fox & Sheep 26 27
Abbildung 13: Verteilung der Arbeitszeit nach Orten Dabei fällt auf, dass Gründerinnen häufi- pretation auf, dass Gründerinnen sich im ger zufrieden mit der Vereinbarkeit zwi- Privat- und Familienleben stärker ein- Gründerinnen Gründer schen Familie sowie Privatleben und der bringen. Sie sind daher wahrscheinlich Arbeit sind als Gründer. Vor dem Hinter- insgesamt zufriedener, was die Verein- 50,4% grund der stärker flexibel organisierten barkeit betrifft. Männer hingegen sind Büro 59,4% Arbeit der befragten Frauen und mit hier weniger engagiert und nehmen dies Blick auf die durchschnittlich geringere vermutlich auch häufig als problema- 32,3% Zu Hause 25,2% Arbeitszeit drängt sich dabei die Inter- tisch wahr. Unterwegs 17,4% 15,4% Zufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Familie und 62,7 55,8 Arbeit % 4.2 Partnerschaft und Kinder Das Arbeitsleben von Gründerinnen und Bezüglich des Anteils derjenigen mit % Gründern ist anspruchsvoll und zeit- Kindern zeigen sich ebenso kaum ge- intensiv – eine Herausforderung für Part- schlechtsspezifische Unterschiede – nerschaft und Familienleben. Dennoch der Wert liegt für Gründerinnen bei zeigt sich, dass eine Mehrzahl der be- 39,5% und für Gründer bei 40,3%. Auch fragten Frauen und Männer in festen Be- hier spielt das Alter eine große Rolle: In eine ähnliche Richtung deuten die grund der vorherigen Einsichten bestä- ziehungen leben. Unter den mindestens Unter den Gründerinnen und Gründern Ergebnisse hinsichtlich der politischen tigt sich damit die Vermutung, dass die 35 Jahre alten Gründerinnen (85,2%) und über 35 Jahren liegt der Anteil mit min- Positionierung zu diesem Thema: So befragten Frauen häufiger zusätzliche Gründern (89%) liegt der Anteil noch destens einem Kind bei über 70%. erwarten insbesondere Frauen von Anforderungen in den Bereichen des Fa- etwas höher. der Bundesregierung zusätzliche Maß- milien- und Privatlebens zu bewältigen nahmen wie ein besseres Angebot zur haben. Gerade Mütter, die dieser Heraus- Kinderbetreuung. Wie die Zahlen zeigen, forderung täglich begegnen, wissen um sind auch Väter stärker als kinderlose die Defizite vorhandener Angebote, orga- Gründer für dieses Problem sensibili- nisieren sich selbst und wünschen sich 78,7 81,1 Feste Partnerschaft siert. Doch insgesamt wird deutlich, dass dabei mehr Unterstützung von Seiten der % das Thema Gründerinnen mit Abstand Politik. am meisten bewegt. Vor dem Hinter- % Abbildung 14: Mehr politische Unterstützung zur Vereinbarkeit von Familie und Arbeit Gründerinnen Gründer 4.3 Vereinbarkeit von Familie und Arbeit Wie herausgearbeitet wurde, ist die Ver- Daher lohnt sich ein Blick auf die Ein- einbarkeit von Familie und Arbeit ein stellung der Gründerinnen und Gründer 36,6% 20,3% 56,0% 26,9% zentraler Faktor, wenn es um Unterschie- zu diesem Thema. de zwischen den Geschlechtern geht. Ohne Kind Mit Kind 28 29
© Robert Rieger zur Seite und entscheiden sich dann End nicht so effizient wie sonst. Frau- entweder für die Familie oder die Unter- en mit Kind sind wahnsinnig effizient, nehmensgründung. Beides miteinander denn sie takten ihren Tag konsequent zu verbinden ist eher die Ausnahme als durch und wissen zu jeder Zeit, wo ihre die Regel. Mir ist wichtig zu vermitteln, Prioritäten liegen. Ich glaube also nicht, dass man sich im eigenen Unternehmen dass das ein Wettbewerbsnachteil ist. Im besser selbst organisieren und die rich- Gegenteil: Etwas Abstand und ein fri- tigen Rahmenbedingungen und nötige scher Blick auf die Dinge ist ein absolu- Flexibilität schaffen kann. ter Mehrwert für ein Startup. Was meinen Mann angeht: Nein, der wird dazu nicht befragt. Er ist der größe- FFM-Team: Glaubst du, dass sich auch re Feminist von uns beiden und trotz- auf der strukturellen, politischen Seite dem gibt es über ihn sogar ganzseitige etwas ändern muss? Portraits, in denen unsere Kinder gar kein Thema sind. Es ist schade, dass er Verena: Hier muss sich definitiv etwas nicht stärker als Role Model für ande- ändern und ich habe zwei konkrete re Gründer fungieren kann und damit Wünsche. Erstens an die Politik: Es wäre zeigt: auch als Mann ist es möglich, zu wichtig, Elterngeld nicht nur zu bekom- gründen und sich gleichzeitig um seine men, wenn man sich entscheidet, zu Familie zu kümmern. Hause zu bleiben. Stattdessen sollte man es auch für eine gewisse Zeit dafür nut- Verena Pausder, FFM-Team: Glaubst du, dass dein Mann eine Ausnahme darstellt? Verena: Nein, das wird immer norma- zen können, die Betreuung des Kindes zu Hause zu organisieren, während man wieder arbeiten geht. Das führt nämlich dazu, dass Frauen früher zurück in ihren Gründerin und CEO ler. Und Frauen können vom Spagat zwischen Familie und Beruf nur befreit werden, wenn es mehr Vorbild-Väter gibt und das thematisiert wird – jeder Mann, Job können und gleichzeitig ihr Kind im ersten Jahr zu Hause betreuen lassen können. Die zweite Sache richtet sich an die Unternehmen: Wenn eine Frau in bei Fox & Sheep der mehr macht, entlastet eine Frau. FFM-Team: Aus der Studie geht hervor, dass Mütter knapp sechs Stunden weni- unserem Unternehmen aus der Eltern- zeit nach unter einem Jahr zurückkehrt, zahlen wir ein Jahr lang bedingungs- los ihr Vollzeitgehalt – auch wenn sie ger arbeiten als Gründerinnen ohne Kin- während dieses Jahres weniger arbei- der. Denkst du, von Müttern gegründete tet. Davon erhoffe ich mir, dass Frauen FFM-Team: Verena, du wirst oft als Pa- Verena: Mich nervt die Frage gar nicht. Startups leiden darunter? früher zurückkommen und sich mehr als radebeispiel einer erfolgreichen Gründe- Ich finde es sehr wichtig, darüber zu Teilzeit zutrauen. Denn sie haben erlebt, rin, Mutter und Frau eines ebenso erfolg- sprechen! Sonst wird es schwer, jungen Verena: Nein. Diese Woche sind meine wie es ist, weiterhin das volle Gehalt zu reichen Gründer-Ehemanns aufgeführt. Frauen zu vermitteln, dass Gründerszene Kinder beispielsweise nicht zu Hause, bekommen und zu wissen, dass das Kind Wie siehst du dich selbst in dieser Rolle? und Familie zusammen funktionieren. was dazu führt, dass ich jeden Tag bis auch ohne sie gut betreut ist. Nervt dich die Frage nach Vereinbarkeit Aus meiner Sicht herrscht hier eine 22 Uhr gearbeitet habe und nicht wie von Familie und Beruf? Wird deinem enorme Vorsichtshaltung: Frauen sam- normalerweise bis 18 Uhr. Aber habe ich Mann diese Frage auch gestellt? meln zuerst Berufserfahrung, legen Geld mehr geschafft? Nein. Ich war mit Open 30 31
Unternehmen & Auch innerhalb der Mixed-Teams stellen Männer die Mehrheit und Frauen sind die Mixed-Teams aber ein entscheiden- der Faktor für die Stärkung von Frauen Geschäftsfelder mit einem Anteil von 37% unterreprä- im Startup-Ökosystem. Sie stellen mit sentiert. Das liegt vor allem daran, dass Abstand den größten Anteil an Startup- gerade in größeren Gründungsteams Gründerinnen – gerade hier schaffen es typischerweise mehr Männer und nur Frauen also, in das noch stark männlich eine Frau zu finden sind. Insgesamt sind geprägte Feld vorzudringen. 5.1 Verteilung nach Geschlecht Geschlechterverteilung in den Mixed-Teams 37,0 63,0 Nach dem Blick auf die biographischen Rein männliche Gründerteams sind in % Hintergründe, Werte und das Leben von der deutschen Startup-Landschaft deut- Gründerinnen- und Gründern werden lich in der Mehrheit: Dagegen wird nur im Folgenden die Startups in den Mit- telpunkt gerückt: Um auch hier eine etwa jedes zehnte Startup von einem rein weiblichen Team gegründet. Zwar ist der % Differenzierung nach dem Geschlecht Anteil der Teams mit mindestens einer vorzunehmen, werden die Startups an- Frau gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Pro- hand ihrer Gründerteams klassifiziert zentpunkte auf nun 29,6% leicht ange- und gegenübergestellt. Dabei konzent- steigen. Dennoch deutet der hohe Anteil riert sich die Analyse auf den Vergleich der rein männlichen Teams nach wie vor von Startups mit rein männlichen und auf Zugangsbarrieren für Gründerinnen rein weiblichen Gründerteams, um ge- hin. 5.2 Teamgröße und Mitarbeiterzahl schlechtsspezifische Unterschiede besonders klar sichtbar zu machen. Startups, die von reinen Frauen-Teams Während die rein männlichen Gründer- gegründet wurden, bleiben bzw. sind teams durchschnittlich aus 2,4 Personen häufig kleiner als die Gründungen von bestehen, sind die weiblichen Teams mit Männern. Dies betrifft sowohl die Größe einem Durchschnitt von 1,4 Personen des Gründungsteams als auch die Anzahl deutlich kleiner. Abbildung 15: Verteilung der Gründungsteams der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Frauen-Teams 9,9% Mixed-Teams Abbildung 16: Größe der Gründungsteams 19,7% Frauen-Teams Männer-Teams 67,8% 1 Männer-Teams 23,7% 70,4% 22,4% 2 36,0% mehr 9,9% als 3 40,3% 32 33
Zentraler Grund für die vergleichsweise (teure) Einstellung von Mitarbeiterinnen Abbildung 18: Branchen der Startups (Auswahl) kleinen Gründungsteams frauengeführ- und Mitarbeitern erfüllt werden können. ter Startups ist der hohe Anteil an Solo- Die geringere Größe der Startups von Frauen-Teams Männer-Teams gründungen: Mehr als zwei Drittel der ausschließlich Gründerinnen macht sich Informations- und Kom- 8,3% Unternehmen wurden von einer Frau auch bei den eingestellten Mitarbeite- munikationstechnologie 35,8% allein aufgebaut. Besonders selten sind rinnen und Mitarbeitern bemerkbar: Medizin und 15,0% zudem große Gründerinnenteams (9,9%), Nur 16,8% beschäftigen mehr als fünf Gesundheitswesen 6,9% die aus drei oder mehr Personen beste- Personen. Männer-Teams dagegen bauen hen, während 40,3% aller Männer-Teams häufiger große Teams auf. So liegt hier 12,0% Textilbranche diese Konstellation aufweisen. Die Moti- der Anteil der Startups mit mindestens 1,6% ve hinsichtlich der Größe der Gründer- fünf Angestellten bei 37%. Dabei bleiben Ernährung und 11,3% teams mögen vielfältig sein: So bedarf es gerade Sologründerinnen häufig allein: Nahrungsmittel 3,7% im größeren Team wahrscheinlich mehr Knapp die Hälfte von ihnen beschäftigt 9,8% Kompromisse, die als Abhängigkeiten keine Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Konsumgüter 3,9% empfunden werden können. Gleichzei- ter, während mehr als zwei Drittel der tig schafft ein großes Gründungsteam Startups von Frauen-Teams mit mehr als Human 8,3% Resources 3,3% allerdings Wachstumsimpulse, da unter- einer Gründerin schon Mitarbeiterinnen schiedliche Kompetenzen zusammen- und Mitarbeiter eingestellt haben. Medien und 7,5% gebracht und mehr Aufgaben ohne die Kreativwirtschaft 3,4% 6,8% Bildung 2,8% Abbildung 17: Anzahl der Mitarbeiter in den Startups 5.3 Branche und Geschäftsmodell Um ein Verständnis für die Ursachen schafts-, Geistes- und Naturwissenschaf- Frauen-Teams Männer-Teams der Diskrepanz bei der Teamgröße und ten sowie kreative Fächer deutlich wider Mitarbeiterzahl zu erhalten, lohnt ein (siehe Kapitel 3.1). 7,3% Blick auf die Branchen, in denen sich Männer- und Frauen-Teams üblicherwei- Im für das Startup-Ökosystem wichtigen Mehr als 10 20,1% se bewegen.6 Besonders auffällig ist die IT-Bereich sind Frauen-Teams also noch Tatsache, dass Frauen in der mit Abstand wenig vertreten. Dies zeigt auch die 9,5% 6-10 wichtigsten Startup-Branche, der Infor- Verteilung der Geschäftsmodelle: Wie 16,9% 40,1% mations- und Kommunikationstechnik, Abbildung 19 verdeutlicht, verdienen relativ schwach vertreten sind: Nur 8,3% die Männer-Teams zum Großteil ihr Geld 1-5 41,8% 43,1% der untersuchten Gründerinnen-Teams mit Softwareentwicklung (16%) bzw. ordnen sich diesem Bereich zu – bei den -anwendung (25,7%) und sind außer- 0 21,2% Männer-Teams sind es 35,8%. Dagegen dem stark im Feld der Technologieent- sind Frauen-Teams häufiger in Branchen wicklung sowie bei anderen digitalen zu finden, die sich grob unter den Fel- Dienstleistungen aktiv. Mit Blick auf dern Lifestyle – also vor allem Konsum- innovative digitale Geschäftsmodelle güter, Mode sowie der Kreativwirtschaft sind Frauen-Teams dagegen besonders –, Gesundheit und Bildung subsumieren stark im Online-Verkauf (14,5%) und bei lassen. In diesen Schwerpunkten spie- den Online-Handelsplattformen (9,2%) geln sich die Bildungsabschlüsse der vertreten. Gründerinnen und ihr Fokus auf Wirt- 6 In der aktuellen Befragung wurden dazu eine Vielzahl unterschiedlicher Kategorien genutzt, von denen mit Blick auf das Interesse an geschlechtsspezifischen Besonderheiten nur einige herausgegriffen werden. 34 35
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