DER STROMPREIS IN ZEITEN VON COVID-19 - EWI
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DER STROMPREIS IN ZEITEN VON COVID-19 Wie COVID-19 Brennstoffpreise, Stromnachfrage und somit die Großhandelsstrom- preise unter Druck setzt. Eine Analyse mit dem EWI Merit-Order Tool. Dr. Simon Schulte | Fabian Arnold | Konstantin Gruber Im Auftrag der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e. V. Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI) gGmbH | Update 29.01.2021
Zusammenfassung Die Großhandelsstrompreise lagen im Jahr 2020 mit einem Durchschnittpreis von 30,47 EUR/MWh im Schnitt mehr als 7 EUR/MWh unter den Preisen des Vorjahres. Im Zuge der vorliegenden Analyse wurde untersucht, welche Entwicklungen insbesondere in Bezug auf die Covid-19-Pandemie zu diesem signifikanten Rückgang der Preise beigetragen haben. Zentrale Einflussgrößen der Strompreisbildung sind Brennstoff- und Emissionszertifikatspreise (die die Grenzkosten konventioneller Kraftwerke determinieren), die Stromnachfrage sowie die Einspeisung aus erneuerbaren Energien Anlagen. Die Einflussgrößen wurden im Rahmen dieser Analyse genauer untersucht, mit den folgenden Ergebnissen: Der weltweite Nachfragerückgang aufgrund der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung dämpfte die Brennstoffpreise. Insbesondere die Gaspreise gaben 2020 weiter stark nach. Emissionszertifikat- preise brachen während des Lockdowns im April stark ein, blieben Die niedrigeren Grenzkosten der im Jahresmittel jedoch stabil. Insbesondere Gaskraftwerke konventionellen Kraftwerke, der Rückgang profitierten von sinkenden Grenzkosten. der Stromnachfrage und der Anstieg der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien: Die Stromnachfrage in Deutschland war als Folge der Lockdown- Die Kombination dieser Entwicklungen ist Maßnahmen deutlich niedriger als im mehrjährigen Durchschnitt die Grundlage für den Rückgang der der vergangenen Jahre. Strompreise im Jahr 2020, insbesondere in der ersten Hälfte des Jahres. 2020 wurden ca. 9 TWh mehr Strom aus erneuerbaren Energien eingespeist als in 2019. Erneuerbare Stromerzeugung erreichte damit einen neuen Höchststand. © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 2
Die Entwicklung der Großhandelsstrompreise 2020 Niedrige Strompreise während des deutschen Lockdowns im April Wöchentlicher Mittelwert des deutschen Großhandelsstrompreises 80 EUR/MWh ▪ 2020 lag der durchschnittliche 70 Großhandelsstrompreis mit 60 30,47 EUR/MWh ca. 7,20 EUR/MWh unter dem Vorjahresdurchschnitt. 50 ▪ Der durchschnittliche Preis im April war 40 mit nur 17,10 EUR/MWh weniger als halb 30 so hoch wie im Vorjahr (37 EUR/MWh). 20 ▪ Ab Juli erholte sich der Strompreis und 10 blieb in der zweiten Jahreshälfte auf Deutscher Lockdown dem Niveau des Vorjahres. 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Spanne der Preise 2015 - 2019 Durchschnitt 2020 Durchschnitt 2019 Quelle: SMARD Strommarktdaten © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 3
Die Einflussgrößen auf die Preisbildung am Strommarkt Welche Entwicklungen beeinflussten den Preis in 2020? Exkurs: Preisbildung an der Strombörse Die folgenden Einflussgrößen beeinflussen die 150 Stromangebot (Grenzkostenkurve) Strompreisbildung und werden im Folgenden 125 Stromnachfrage näher untersucht: [EUR/MWh] Kosten 100 75 1. Brennstoff- und Emissionszertifikatspreise 50 Preis 25 2. Grenzkosten und die Merit-Order der 0 konventionellen Kraftwerke 0 20 40Last [GW] 60 80 100 3. Entwicklung der Stromnachfrage ▪ In der Day-Ahead-Auktion wird Strom für jede Stunde des Folgetages gehandelt. 4. Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ▪ Kraftwerke bieten ihre Erzeugungsleistung zum Preis ihrer Grenzkosten an. Dabei haben EE-Anlagen Grenzkosten nahe oder unter null. 5. Die Interaktion der beschriebenen ▪ Der Großhandelsstrompreis ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Angebotskurve (Merit-Order) der Kraftwerke und der Nachfragekurve. Einflussgrößen bei der Preisbildung ▪ Diese vereinfachte Beschreibung abstrahiert von den weiteren Stufen des Strommarktes wie Termin- und Intraday-Handel, sowie dem Einfluss von grenzüberschreitendem Handel auf die Preisbildung. © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 4
1. Brennstoff- und Emissionszertifikatspreise Covid-19 verstärkt den Rückgang der Brennstoffpreise Brennstoff- und Zertifikatspreise in 2019 und 2020 35 Einbruch aufgrund des Rückgangs der bzw. EUR/t CO2 Wirtschaftsaktivität in Folge des Lockdowns EUR/MWh 30 in Europa, anschließende Erholung 25 20 Global steigendes Angebot setzt Erdgaspreise bereits 2019 unter Druck Die Pandemie reduziert 15 zusätzlich die Nachfrage und verstärkt Rückgang 10 der Gaspreise in 2020 5 Historisch niedrige Kohlepreise im Mai durch steigendes Angebot und niedrige Nachfrage 0 Januar 19 April 19 Juli 19 Oktober 19 Januar 20 April 20 Juli 20 Oktober 20 Erdgas (TTF) Kohle (ARA) European Emission Allowances Quellen: Sandbag Carbon Price Viewer, EEX Transparency Platform, marketwatch.com © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 5
2. Grenzkosten der konventionellen Kraftwerke Grenzkosten sinken in 2020, Gaskraftwerke profitieren Grenzkosten konventioneller Kraftwerke ▪ Die Entwicklung der Brennstoffpreise und 80 der CO2-Zertifikatspreise spiegelt sich in EUR/MWh 2019 2020 70 den Grenzkosten der konventionellen Kraftwerke im Zeitverlauf wieder. 60 ▪ Bereits 2019 ist die Wettbewerbsfähigkeit 50 von Gas- und Dampfkombikraftwerken 40 (GuD) im Vergleich zu Kohlekraftwerken gestiegen.2 30 20 ▪ Die Grenzkosten von Gas- und Dampfkombikraftwerken (GuD) fallen 2020 10 zeitweise unter die von 0 Braunkohlekraftwerken. Jan 19 Apr 19 Jul 19 Okt 19 Jan 20 Apr 20 Jul 20 Okt 20 Steinkohle Braunkohle GuD Angenommene elektrische Wirkungsgrade: Steinkohle: 35-46%, Braunkohle: 34-43%, GuD: 40-61% 2Die Veränderung der Grenzkosten konventioneller Kraftwerke im Jahr 2019 wurde detailliert untersucht in: Schulte S., Arnold F., Schlund D., Kohle vs. Gas – Veränderungen der Merit-Order 2018 und 2019, Energiewirtschaftliche Tagesfragen, Vol. 70 (3), 2020, pp.62-63. © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 6
2. Die Merit-Order der konventionellen Kraftwerke [EUR/MWhel] Grenzkosten Die mittlere Merit-Order des Jahres 2020 flacht weiter ab Durchschnittliche 100 Merit-Order 2019 Durchschnittliche Merit-Order 2020 [EUR/MWhel] Grenzkosten [EUR/MWhel] Grenzkosten 125 125 100 100 Ø-Day-Ahead-Preis 2019 Ø-Day-Ahead-Preis 2020 75 50 75 37,67 EUR/MWh 30,47 EUR/MWh 50 50 25 25 0 0 0 10 000 20 000 30 000 10 40000 20 000 000 50 000 60 000 30 000 40 000 10 000 50 000 20 000 3060000 000 40 000 50 000 60 000 Kumulierte Leistung [MW] Kumulierte Leistung [MW] Abfall Kernenergie Braunkohle Steinkohle GuD Gasturbine Öl Sonstige Die durchschnittliche Merit-Order der konventionellen Kraftwerke 2020 ist flacher als 2019. Grund dafür sind die niedrigeren Grenzkosten der Kraftwerke aufgrund gesunkener Brennstoff- und Zertifikatspreise. GuD-Kraftwerke profitieren von niedrigen Gaspreisen und rücken in der durchschnittlichen Merit-Order teilweise vor Braunkohlekraftwerke. Quelle: EWI Merit-Order Tool 2021 © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 7
3. Entwicklung der Stromnachfrage Deutlicher Einbruch der Stromnachfrage – nicht nur während des Lockdowns Wöchentliche Stromnachfrage in Deutschland 11,0 TWh ▪ Die Stromnachfrage war 2020 rund 3,2% 10,5 (15,6 TWh) niedriger als im Vorjahr. 10,0 ▪ Dabei blieb die Stromnachfrage auch 9,5 über den Lockdown im Frühjahr hinaus 9,0 niedrig. 8,5 ▪ Erst im August erholt sich die 8,0 Stromnachfrage auf Vorjahresniveau. Achse verkürzt 7,5 Deutscher ▪ Die Nachfrage von Industrie und Lockdown 7,0 Gewerbe ist dabei am stärksten Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez betroffen. Spanne der Nachfrage 2015 - 2019 Nachfrage 2020 Nachfrage 2019 Quelle: SMARD Strommarktdaten © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 8
4. Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien Erneuerbare Stromerzeugung erreicht 2020 einen neuen Höchstwert Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien Residuale Stromnachfrage 350 350 TWh TWh 300 300 250 250 200 200 150 150 100 100 50 50 0 0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Strom aus erneuerbarer Energieerzeugung Residualnachfrage 2020 nahm die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien Die Residualnachfrage (Stromnachfrage abzüglich um ca. 9,2 TWh zu. Die Erzeugung erreicht damit einen erneuerbarer Erzeugung) ging 2020 aufgrund des neuen Höchststand mit mehr als 233 TWh. Nachfragerückgangs deutlich zurück. Quelle: SMARD Strommarktdaten © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 9
5. Die Interaktion der Einflussgrößen bei der Preisbildung Flache Merit-Order und geringe Nachfrage senken Strompreise deutlich Merit-Order und Residualnachfrage (normalisiert), 2019 und 2020 [EUR/MWhel] Grenzkosten ▪ Die Verteilung der Residualnachfrage (hier 125 als Normalverteilung dargestellt) ist gegenüber 2019 auf der x-Achse des Diagramms Richtung Nullpunkt verschoben. 100 ▪ Die Verschiebung der Residualnachfrage- 75 Ø-Merit-Order 2019 verteilung in Kombination mit den gesunkenen Grenzkosten der Kraftwerke 50 senkt den Strompreis. ▪ Die Verschiebung der Residualnachfrage- 25 verteilung macht sich auch in der Anzahl der Stunden mit negativen Preisen bemerkbar: 0 Die Anzahl der Stunden mit negativen 10 000 10 000 20 000 20 000 30 000 30 000 40 000 40 000 50 000 50 000 60 000 60 000 Preisen in 2020 war mit knapp 300 Stunden Kumulierte Leistung [MW] mehr als 40% höher als in 2019. Residualnachfrage in 2020 Residualnachfrage in 2019 Quellen: SMARD Strommarktdaten, EWI Merit-Order Tool 2021 © EWI 2020 29.01.2021 Der Strompreis in Zeiten von COVID-19 10
KONTAKT Dr. Simon Schulte Simon.schulte@ewi.uni-koeln.de +49 (0)221 277 29 229 Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI) gGmbH
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