Determinanten von beruflicher Selbständigkeit in der Schweiz

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Christoph Hess

              If you can dream it, you can do it?
  Determinanten von beruflicher Selbständigkeit in der Schweiz

                           Z usammenfassu ng

Vor dem Hintergrund der beträchtlichen Differenz zwischen der
gewünschten und der tatsächlichen Selbständigenquote befasst sich dieser
Beitrag mit den Determinanten von beruflicher Selbständigkeit in der
Schweiz. Mit einem multivariaten Längsschnittmodell und Daten aus dem
Schweizer Haushalt-Panel (SHP) werden Eintritte in berufliche Selbstän-
digkeit analysiert, bei denen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ver-
lassen wird. Den Analysen liegen ein Modell und Hypothesen zugrunde,
die unter anderem mit dem Embeddedness-Konzept von Granovetter
(1985) argumentieren und Eintritte in berufliche Selbständigkeit mit den
familiären sozialen Netzwerken erklären. Deskriptive Befunde zeigen, dass
Teilzeitselbständigkeit von der Mehrheit der Frauen, aber nur von einer
kleinen Zahl der in berufliche Selbständigkeit eintretenden Männer ausge-
übt wird. Demgegenüber verfügen Männer beim Eintritt in berufliche Selb-
ständigkeit deutlich häufiger über Angestellte als Frauen. Mit den Ergeb-
nissen des multivariaten Längsschnittmodells kann nachgewiesen werden,
dass in Paarbeziehungen lebende Angestellte häufiger in berufliche Selb-
ständigkeit eintreten als alleinstehende Angestellte. Über sämtliche Wirt-
schaftssektoren hinweg treten Kinder von selbständigen Vätern nicht häu-
figer in berufliche Selbständigkeit ein als Kinder von angestellten Vätern
und Selbständige weisen seltener einen Migrationshintergrund auf als
Angestellte. Insgesamt deuten die empirischen Befunde darauf hin, dass in
der Schweiz mit Bögenhold (1985) gesprochen Eintritte in berufliche Selb-
ständigkeit eher Projekten der Selbstverwirklichung als Notlösungen ent-
sprechen: Die betreffenden Erwerbstätigen sind durch Paarbeziehungen
abgesichert, verfügen über ausreichendes Humankapital, sind bei guter
Gesundheit, verlassen zumeist Normalarbeitsverhältnisse und können es
sich oftmals leisten weitere Angestellte zu beschäftigen.

                             1. E inleitu ng

Über Selbständige zu forschen bedeutet, dass man sich mit einer gesell-
schaftlichen Minderheit beschäftigt. In der Schweiz beträgt die Selbstän-
digenquote zurzeit 11.5 Prozent, im weltweiten Durchschnitt sind 16.1 Pro-
zent der Erwerbstätigen selbständig und nicht in einem abhängigen

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Beschäftigungsverhältnis angestellt (OECD 2009: 145). Gleichzeitig erfreut
sich berufliche Selbständigkeit grosser Beliebtheit: In einer Umfrage des
International Social Survey Programme (ISSP) vor die Wahl gestellt, äus-
serten in der Schweiz 64.5 Prozent der Befragten den Wunsch ein abhän-
giges Beschäftigungsverhältnis aufgeben zu können und stattdessen beruf-
licher Selbständigkeit nachzugehen (Blanchflower/Oswald/Stutzer 2001:
683). Konkret wurde ihnen folgende Frage gestellt: „Suppose you were
working and could choose between different kinds of jobs, which would
you prefer: Being and employee or being self-employed?“ Wie Abbildung 1
zeigt, beträgt für die Schweiz die Differenz zwischen der gewünschten und
der tatsächlichen Selbständigenquote über 50 Prozent. Auch in anderen
Ländern ist der Unterschied beträchtlich. Offensichtlich ist für Erwach-
sene mit einem Fragezeichen zu versehen, was nach Walt Disney für des-
sen Kinderfilme noch selbstverständlich war: „If you can dream it, you
can do it.“

Die Beobachtung, dass der Wunsch nach beruflicher Selbständigkeit weit
verbreitet, aber dessen Realisierung mit Schwierigkeiten verbunden ist,
macht nicht erst seit Kurzem Erklärungsbedarf deutlich. In „Wirtschaft
und Gesellschaft“ notierte Max Weber bereits zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts: „Der Übergang zum selbständigen Kleinbürger wurde früher von
jedem Arbeiter als Ziel angestrebt. Aber die Möglichkeit der Realisierung
ist immer geringer“ (Weber 1922: 179).
     Um mehr über die Determinanten von beruflicher Selbständigkeit in
der Schweiz und die Realisierung dieses Wunsches im Schweizer Arbeits-
markt zu erfahren werden in diesem Beitrag Eintritte in berufliche Selb-
ständigkeit analysiert. In theoretischer Hinsicht werden die familiären
sozialen Netzwerke in den Fokus gerückt (vgl. Abschnitt 2). Die Argu-
mentation geht davon aus, dass berufliche Selbständigkeit stärker mit der

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Familie verknüpft ist als abhängige Beschäftigung. Da es sich bei Eintrit-
ten in berufliche Selbständigkeit um einen dynamischen Forschungsge-
genstand handelt, wird ein Längsschnittanalysen durchgeführt, die sich
auf die Jahre 1999 bis 2007 bezieht und Daten aus dem Schweizer Haus-
halt-Panel (SHP) verwendet (vgl. Abschnitt 3). Die Datenanalyse
beschränkt sich auf Eintritte in berufliche Selbständigkeit, bei denen ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis verlassen wird (vgl. Abschnitt 4).
Anders ausgedrückt werden nur Angestellte analysiert, die in berufliche
Selbständigkeit eintreten. Jene Selbständigen, die unmittelbar vor dem
Eintritt in berufliche Selbständigkeit eine Berufslehre absolvierten,
arbeitslos waren oder bereits das Rentenalter erreicht haben, werden
nicht berücksichtigt. Ihre Erwerbsentscheidungen erfolgen unter Bedin-
gungen, die sich von denjenigen eines abhängigen Beschäftigungsverhält-
nisses zu stark unterscheiden. Der Beitrag wird mit einem Fazit und
Gedanken über die Chancen und Risiken von beruflicher Selbständigkeit
abgeschlossen (vgl. Abschnitt 5).

                     2. Theoretische G ru ndlagen

Worin unterscheiden sich berufliche Selbständigkeit und abhängige
Beschäftigung hauptsächlich voneinander? Im Unterschied zu Angestell-
ten sind Selbständige nicht weisungsgebunden und sie erhalten ein soge-
nanntes Residualeinkommen (Pfeiffer 1994: 13ff). Mit anderen Worten
können sie ihre Arbeitszeiten flexibel bestimmen und ihren Arbeitsort
frei wählen. Anstelle eines vertraglich festgeschriebenen, regelmässig aus-
bezahlten Einkommens erhalten sie ein Residualeinkommen, dessen
Höhe und Auszahlungszeitpunkte schwanken können. Es gibt vier For-
men von beruflicher Selbständigkeit: Neben mitarbeitenden Besitzern von
Betrieben und Unternehmen mit oder ohne Angestellte gibt es Mitglieder
von Produktionsgemeinschaften sowie Selbständige, die unbezahlt in
Familienbetrieben mitarbeiten (ILO 1990: 3, OECD 2005: 104). In Anleh-
nung an diese Definition bezeichnet das schweizerische Bundesamt für
Statistik (BFS) Erwerbstätige dann als Selbständige, wenn diese auf
eigene Rechnung am Arbeitsmarkt partizipieren oder als Angestellte von
Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung
(GmbH) einen wesentlichen Teil des Kapitals dieser Betriebe und Unter-
nehmen besitzen (BFS 2006: 3). Der vorliegende Beitrag folgt diesem
Abgrenzungskriterium und betrachtet unbezahlte Mitarbeit in Familien-
betrieben im Unterschied zur ILO und zur OECD nicht als berufliche
Selbständigkeit. Auch die Gruppe der sogenannten Scheinselbständigen
bleibt unberücksichtigt, da diese im verwendeten Datensatz nicht genü-
gend erfasst werden.

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                                2.1. Modell

Diesem Beitrag liegen ein Modell und Hypothesen zugrunde, die Eintritte
in berufliche Selbständigkeit mit den familiären sozialen Netzwerken erklä-
ren. Im Zentrum von Abbildung 2 steht das erwerbstätige Individuum, das
Entscheidungen über seine Erwerbsform trifft und dabei in abhängiger
Beschäftigung verbleiben oder in berufliche Selbständigkeit eintreten kann.
Eintritte in berufliche Selbständigkeit bedingen Mobilität aus dem Seg-
ment der Angestellten in dasjenige der Selbständigen, was vor dem Hinter-
grund von Arbeitsmarktsegmentationstheorien mit Mobilitätsbarrieren
und Risiken verbunden ist: Selbständige müssen sich auf ein auch nach
unten flexibles Residualeinkommen einstellen, sie müssen mit mehr Ent-
scheidungsbefugnissen umgehen als in abhängiger Beschäftigung und die
schweizerische Gesetzgebung sieht für sie keine Arbeitslosenversicherung
vor (vgl. Sengenberger 1975, BFS 2006). Gleichzeitig existieren im Arbeits-
markt Pushfaktoren und Pullfaktoren, welche die Mobilität zwischen
abhängiger Beschäftigung und beruflicher Selbständigkeit stimulieren (vgl.
Bögenhold 1985). Gemäss dem Embeddedness-Konzept von Granovetter
(1985), wonach ökonomisches Handeln unter dem Einfluss von nicht-öko-
nomischen Institutionen und Zielsetzungen steht, erfolgen Eintritte in
berufliche Selbständigkeit derweil nicht unbesehen des Haushalts, in dem
man lebt, sowie des Elternhauses, in dem man Kindheit und Jugend ver-
bracht hat. In Paarbeziehungen und Eltern-Kind-Beziehungen gibt es
Opportunitätsstrukturen für Ressourcentransfers in Form von sozialem,
kulturellem und ökonomischem Kapital, die den Umgang mit den ange-
sprochenen Mobilitätsbarrieren erleichtern. Den gegenteiligen Effekt
haben Bedürfnisstrukturen in den familiären sozialen Netzwerken.

                             2.2. Hypothesen

Ausgehend von theoretischen Überlegungen über die Wechselwirkungen
der Mobilitätsbarrieren, Pushfaktoren und Pullfaktoren im Arbeitsmarkt
mit den Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen in den familiären sozi-
alen Netzwerken können vier Hypothesen formuliert werden. Deren Postu-
late sind im Modell bereits mit schwarzen Pfeilen und entsprechenden Vor-
zeichen festgehalten.
    Aus einer Paarbeziehung im Haushalt resultieren Opportunitätsstruk-
turen für Ressourcen in Form von emotionaler und praktischer Unterstüt-
zung (vgl. Abraham 2006). Für viele Selbständige ist es unentbehrlich, auf
unbezahlt mitarbeitende Familienmitglieder zählen zu können, wodurch
sich zum einen Kosten reduzieren lassen, zum anderen sinken die Shirking-
Risiken, womit Schwankungen in der Arbeitsleistung gemeint sind (Borjas
1986: 489). Daneben erleichtert ein zusätzliches Einkommen im Haushalt

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If you can dream it, you can do it?

die Deckung des Kapitalbedarfs beim Start in die berufliche Selbständig-
keit sowie den Umgang mit einem Residualeinkommen danach. Diesen
Zusammenhang gilt es für Männer möglicherweise zu relativieren, da diese
mitunter eher von Partnerinnen profitieren, die nicht erwerbstätig sind,
sondern für unbezahlte Mitarbeit zur Verfügung stehen (vgl. Döbler 2000).
Vor diesem Hintergrund vermutet Hypothese 1: In Paarbeziehungen
lebende Angestellte treten häufiger in berufliche Selbständigkeit ein als allein-
stehende Angestellte.
   Während aus Paarbeziehungen nützliche Opportunitätsstrukturen für
emotionale und praktische Unterstützung resultieren, führen Eltern-Kind-
Beziehungen im Haushalt einschränkende Bedürfnisstrukturen herbei. So
kann ein Residualeinkommen insbesondere für Familien existenzielle
Risiken mit sich bringen. Ebenso wenig lässt sich das Familienleben mit
Überstunden als häufiger Folge von beruflicher Selbständigkeit vereinba-
ren. Dem Postulat von Hypothese 2 widersprechende theoretische Überle-
gungen vermuten indessen, dass Kinder zumindest bei Frauen einen posi-

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tiven Effekt entfalten können, falls diese eine hinsichtlich der Arbeitszeit
und des Arbeitsortes flexible Erwerbsform suchen, die sich mit der Kin-
derbetreuung vereinbaren lässt (vgl. Carr 1996, Boden 1999, Budig 2006).
Hypothese 2 postuliert: In Haushalten mit Kindern lebende Angestellte tre-
ten weniger häufig in berufliche Selbständigkeit ein als kinderlose Ange-
stellte.
    Lebenslange Solidarität zwischen den Generationen führt zu sozial-
struktureller Fortschreibung und Vergrösserung von sozialer Ungleich-
heit (Szydlik 2004: 8). Vor diesem Hintergrund kann vermutet werden,
dass sich Unterschiede in Entscheidungen über die Erwerbsform mit
Generationenbeziehungen und intergenerationellen Transfers erklären
lassen. In Elternhäusern mit selbständigen Eltern bestehen Opportuni-
tätsstrukturen für die Weitergabe von Familienbetrieben und damit
Pushfaktoren für den Eintritt in berufliche Selbständigkeit: Der Kapital-
bedarf beim Start ist geringer, weil weniger Kosten für Infrastruktur
anfallen, und auch Kundenbeziehungen sind bereits vorhanden (vgl.
Laferrère/McEntee 1996, Dunn/Holtz-Eakin 2000). Ausserdem werden
Kinder in solchen Haushalten mit Normen sozialisiert, die berufliche
Selbständigkeit als Erwerbsform legitimieren und eine optimistische Hal-
tung gegenüber den eigenen Erfolgschancen einnehmen (vgl. Lentz/
Laband 1983). Deshalb postuliert Hypothese 3: Kinder von selbständigen
Eltern treten häufiger in berufliche Selbständigkeit ein als Kinder von ange-
stellten Eltern.
    Hout und Rosen (2000) erklären tiefere Selbständigenquoten unter
Migrantinnen und Migranten damit, dass bereits deren Eltern weniger
häufig selbständig gewesen sind. Diese theoretischen Überlegungen decken
sich mit dem in Hypothese 3 vermuteten Generationeneffekt. Ebenfalls
negative Effekte können aus Diskriminierungen auf Güter- und Kapital-
märkten resultieren: Konsumentinnen und Kreditgeber wenden sich ab
und man bekundet Mühe, auf diesem Wege den Kapitalbedarf beim Start
in berufliche Selbständigkeit zu decken (vgl. Borjas/Bronars 1989). Deshalb
vermutet Hypothese 4: Angestellte mit Migrationshintergrund treten weniger
häufig in berufliche Selbständigkeit ein als Angestellte ohne Migrationshinter-
grund. Entgegen dem Postulat dieser Hypothese ist es auch denkbar, dass
Erwerbstätige mit Migrationshintergrund häufiger in berufliche Selbstän-
digkeit eintreten, da sie aus Marktnischen ihre sozialen Milieus bedienen
können und dadurch Pullfaktoren entstehen (vgl. Aldrich/Waldinger 1990,
Waldinger 1994).

          3. Daten , O perationalisieru ngen      u nd   M ethoden

Bevor die Hypothesen dieses Beitrags in einem multivariaten Längs-
schnittmodell auf ihre empirische Gültigkeit überprüft werden können,

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bedarf es in diesem Abschnitt einiger Ausführungen über die verwende-
ten Daten und Methoden. Sämtliche Angaben über die Operationalisie-
rungen der benötigten Variablen können dem Anhang entnommen wer-
den.

                   3.1. Schweizer Haushalt-Panel (SHP)

Die Daten aus dem Schweizer Haushalt-Panel (SHP) eignen sich für die
Analysen dieses Beitrags einerseits deshalb, weil es sich um Paneldaten
handelt, mit denen Längsschnittanalysen durchgeführt werden können.
Zudem enthalten die Daten genügend umfassende Informationen über
die Erwerbsform, den Haushalt und die Familienangehörigen der
Befragten. Die SHP-Daten basieren auf dem Projekt „Leben in der
Schweiz“, das die Schweizer Stiftung für die Forschung in den Sozialwis-
senschaften (FORS) an der Universität Lausanne verantwortet und durch
den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert wird. Aus den jähr-
lich durchgeführten Erhebungen stehen gegenwärtig neun Datensätze für
die Jahre 1999 bis 2007 zur Verfügung, deren Grundgesamtheit die Haus-
halte der ständigen Wohnbevölkerung in der Schweiz bilden. Davon aus-
gehend gelangt man über nach Grossregionen geschichtete Zufallsstich-
proben zu jenen über 7’000 befragten Haushalten, zu denen mittels
computerassistierter Telefoninterviews (CATI) sowohl Informationen zur
Situation der Haushalte, als auch Individualdaten über die Haushaltsmit-
glieder erhoben werden.

                  3.2. Grundlagen der Längsschnittanalyse

Für das multivariate Längsschnittmodell, mit dem die Hypothesen dieses
Beitrags auf ihre empirische Gültigkeit überprüft werden, eignen sich als
statistische Analyseverfahren die Ereignisdatenanalyse und die logistische
Regression. Im Zuge der Operationalisierungen wurden in der abhängigen
Variable „Erwerbsentscheidung“ der Wert 1 für das Ereignis „Eintritt in
berufliche Selbständigkeit“ und der Wert 0 für das Ereignis „Verbleib in
abhängiger Beschäftigung“ codiert. Es wurden nur Personen berücksichtigt,
die in Welle 1 des Jahres 1999 einer abhängigen Beschäftigung nachgegan-
gen sind. Bei der Datenorganisation wurde die Richtung des Datensatzes
vom breiten ins lange Format geändert und unterschieden, ob die Variablen
aus der jeweils aktuellen Welle oder aus der Vorwelle berücksichtigt werden
(Kohler/Kreuter 2008: 245ff). Da „Eintritt in berufliche Selbständigkeit“ als
einmaliges Ereignis untersucht wird kann eine logistische Regression durch-
geführt werden. Dabei werden die beiden Wahrscheinlichkeiten der unter-
suchten Ereignisse in ein Verhältnis gesetzt und logarithmiert (Allison 1984:

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17ff, Yamaguchi 1991: 18ff). Mit dem Maximum-Likelihood-Verfahren wer-
den anschliessend Regressionskoeffizienten ermittelt, die den Einfluss der
familiären sozialen Netzwerke und weiterer unabhängiger Variablen auf
Eintritte in berufliche Selbständigkeit anzeigen.

              4. Datenanalyse    u nd empirische   B efu nde

Die nach Abschluss der Operationalisierungen vorliegende und für die
Datenanalyse verwendete Stichprobe setzt sich aus 760 Eintritten in berufli-
che Selbständigkeit und 8027 Verbleiben in abhängiger Beschäftigung
zusammen. Es werden nur Individuen im Alter zwischen 20 und 65 Jahren
untersucht, die in Welle 1 des Jahres 1999 einer abhängigen Beschäftigung
nachgegangen sind. Jene Selbständigen, die unmittelbar vor dem Eintritt in
berufliche Selbständigkeit eine Berufslehre absolvierten, arbeitslos waren
oder bereits das Rentenalter erreicht haben, werden nicht berücksichtigt.
Ihre Erwerbsentscheidungen erfolgen unter Bedingungen, die sich von denje-
nigen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu stark unterscheiden.

                       4.1. Deskriptive Auszählungen

Wird berufliche Selbständigkeit im Anschluss an die 760 in der Stichprobe
enthaltenen Eintritte als Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung ausgeübt?
Und wird der Eintritt mit oder ohne Angestellte vollzogen? Abbildung 3
beantwortet diese Fragen mit nach Geschlechtern getrennten deskriptiven
Auszählungen der betreffenden Variablen.
   Die Befunde zeigen, dass Teilzeitselbständigkeit von der Mehrheit der
Frauen, aber nur von einer kleinen Zahl der in berufliche Selbständigkeit

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eintretenden Männer ausgeübt wird. Berufliche Selbständigkeit, insbeson-
dere als Teilzeitbeschäftigung, scheint Frauen jene Flexibilität zu verschaf-
fen, welche die Verknüpfung einer Erwerbstätigkeit mit der Hausarbeit und
der Kinderbetreuung ermöglicht. Ferner weisen die Zahlen darauf hin,
dass Männer beim Eintritt in berufliche Selbständigkeit deutlich häufiger
über Angestellte verfügen als Frauen. Dieser Befund lässt sich möglicher-
weise darauf zurückführen, dass Männer mit anderen Zielsetzungen und
Ressourcen in berufliche Selbständigkeit eintreten als Frauen.

                   4.2. Multivariates Längsschnittmodell

Um die Hypothesen dieses Beitrags auf ihre empirische Gültigkeit zu über-
prüfen wurde ein multivariates Längsschnittmodell gerechnet, dessen Ergeb-
nisse in Tabelle 1 zu finden sind. Weil auf Effekte individueller Merkmale
und struktureller Gegebenheiten im Arbeitsmarkt kontrolliert werden soll,

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enthält das Modell nicht nur Variablen zu jenen Zusammenhängen, zu denen
Hypothesen formuliert wurden. Obschon eine Längsschnittanalyse durchge-
führt wird enthält das Modell keine Variablen, welche Zeit-Effekte erfassen,
da diesbezüglich keine Hypothesen formuliert wurden. Die Regressionskoef-
fizienten sind nicht standardisiert und es handelt sich um Odds-Ratios, die
bei einem Wert über 1 einen positiven Effekt und bei einem Wert unter 1
einen negativen Effekt auf die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis „Eintritt
in berufliche Selbständigkeit“ anzeigen (Lottes/DeMaris/Adler 1996: 286).
Die Bruttoeffekte messen den Effekt einzelner unabhängiger Variablen
unbesehen des Einflusses der restlichen unabhängigen Variablen. ABB LOG.
    Mit Blick auf die Fragestellung dieser Untersuchung können jene unab-
hängigen Variablen als Determinanten von beruflicher Selbständigkeit
bezeichnet werden, deren Einflüsse auf die Wahrscheinlichkeit des Ereig-
nisses „Eintritt in berufliche Selbständigkeit“ statistisch signifikant und
entsprechend gekennzeichnet sind. Der Geschlechtseffekt kann auf das
unterschiedliche Erwerbsverhalten von Frauen und Männern zurückge-
führt werden: Insbesondere wegen der Mutterschaft sind Erwerbsunterbrü-
che bei Frauen häufiger, wodurch ihnen beispielsweise Gelegenheiten ent-
gehen um Berufserfahrung zu sammeln oder Ersparnisse zu bilden, was
Eintritte in berufliche Selbständigkeit beides erleichtern würde. Der signifi-
kante Bruttoeffekt für die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen verschwin-
det, sobald im Modell berücksichtigt wird, ob der Vater beruflicher Selb-
ständigkeit nachgegangen ist: Offensichtlich ist von der Möglichkeit der
Weitergabe eines Familienbetriebs keine Altersgruppe besonders häufig
begünstigt. Nicht überraschend und selbsterklärend ist der positive Zusam-
menhang zwischen dem Gesundheitszustand eines Individuums und der
Wahrscheinlichkeit eines Eintritts in berufliche Selbständigkeit. Hinsicht-
lich der Einflüsse des Humankapitals erweist sich praxisorientiertes Wissen
beispielsweise aus Berufslehren als bedeutend hilfreicher verglichen mit
Qualifikationen, die man über einen Hochschulabschluss erwirbt. Dieses
Resultat korrespondiert mit dem Befund, dass Erwerbstätige aus dem
Sekundärsektor häufiger in berufliche Selbständigkeit eintreten als
Erwerbstätige aus dem Tertiärsektor. Die Arbeitsmarkt-Variablen zeigen
unter anderem, dass Angestellte aus der Privatwirtschaft häufiger in beruf-
liche Selbständigkeit eintreten als Staatsangestellte. Letztere sind beispiels-
weise nicht mit dem Aufbau von Kundenbeziehungen vertraut, es fehlen
ihnen deshalb Erfahrungen, die den Umgang mit den Mobilitätsbarrieren
zwischen abhängiger Beschäftigung und beruflicher Selbständigkeit
erleichtern können. Ausserdem zeigen die Ergebnisse des multivariaten
Längsschnittmodells, dass in der Schweiz Eintritte in berufliche Selbstän-
digkeit zumeist aus Normalarbeitsverhältnissen erfolgen.
    Nicht zuletzt erweisen sich wie erwartet die familiären sozialen Netz-
werke als empirisch bedeutsam. Paarbeziehungen erleichtern den Eintritt
in berufliche Selbständigkeit nicht nur falls die Partnerin oder der Partner

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dem Haushalt ein zusätzliches Einkommen ermöglicht. In beiden Konstel-
lationen sind Opportunitätsstrukturen für Ressourcentransfers vorhanden,
die den Umgang mit den Mobilitätsbarrieren zwischen abhängiger
Beschäftigung und beruflicher Selbständigkeit erleichtern. Der positive
Bruttoeffekt durch selbständige Väter verschwindet, sobald auf die Wirt-
schaftssektoren kontrolliert wird: Mit anderen Worten hat die Möglichkeit
einen Familienbetrieb weitergeben zu können vielleicht im Primärsektor,
nicht aber in den anderen beiden Sektoren einen signifikanten Einfluss auf
die Wahrscheinlichkeit eines Eintritts in berufliche Selbständigkeit. Wie in
einer weiteren Hypothese vermutet treten Angestellte mit Migrationshin-
tergrund weniger häufig in berufliche Selbständigkeit ein als Angestellte
mit Schweizer Eltern. Bedürfnisstrukturen durch Kinder im Haushalt
haben keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit
eines Eintritts in berufliche Selbständigkeit.

                        5. Fa zit   u nd   P erspektiven

Diesem Beitrag, der sich mit den Determinanten von beruflicher Selbstän-
digkeit in der Schweiz befasst hat, wurden ein Modell und Hypothesen
zugrunde gelegt, die unter anderem mit dem Embeddedness-Konzept von
Granovetter (1985) argumentieren und Eintritte in berufliche Selbständig-
keit mit den familiären sozialen Netzwerken erklären. Die Ergebnisse eines
multivariaten Längsschnittmodells haben gezeigt, dass in Paarbeziehungen
lebende Angestellte häufiger in berufliche Selbständigkeit eintreten als
alleinstehende Angestellte. Über sämtliche Wirtschaftssektoren hinweg
treten Kinder von selbständigen Vätern nicht häufiger in berufliche Selb-
ständigkeit ein als Kinder von angestellten Vätern und Selbständige weisen
seltener einen Migrationshintergrund auf als Angestellte. Insgesamt deuten
die empirischen Befunde darauf hin, dass in der Schweiz mit Bögenhold
(1985) gesprochen Eintritte in berufliche Selbständigkeit eher Projekten der
Selbstverwirklichung als Notlösungen entsprechen: Die betreffenden
Erwerbstätigen sind durch Paarbeziehungen abgesichert, verfügen über
ausreichendes Humankapital, sind bei guter Gesundheit, verlassen zumeist
Normalarbeitsverhältnisse und können es sich oftmals leisten weitere
Angestellte zu beschäftigen.
    Es ist nicht selbstverständlich, dass berufliche Selbständigkeit als erstre-
benswert erachtet wird. Zwar zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass
Selbständige oftmals zufriedener sind als Angestellte weil sie höhere Einkom-
men erzielen können oder über mehr Selbstverwirklichungsmöglichkeiten ver-
fügen (vgl. Hundley 2001, Benz/Frey 2008). Andere Forschungsergebnisse wei-
sen aber auch auf niedrige Einkommen und prekäre Umstände hin, unter
denen ein Teil der Selbständigen lebt und arbeitet (vgl. Hamilton 2000, Betzelt
2007). Die Gleichzeitigkeit von Chancen und Risiken verleiht beruflicher Selb-

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ständigkeit eine soziologische, ökonomische und politikwissenschaftliche
Relevanz. Für die Schweizer Volkswirtschaft gelten von Selbständigen gegrün-
dete oder geführte kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU) als Rückgrat
des Arbeitsmarktes: 95 Prozent der Unternehmen haben hierzulande weniger
als 20 Angestellte, diese Kleinbetriebe generieren gleichzeitig einen Beschäfti-
gungsanteil von 40 Prozent (Jäger et al. 2008: 12). Weitet man die Kategorie
aus, so entfallen in der Schweiz fast 70 Prozent der Beschäftigung auf KMU
mit 250 oder weniger Angestellten. Zum Vergleich: Nur in Griechenland
haben mehr als 95 Prozent der Unternehmen weniger als 20 Angestellte. Und
in den USA, Deutschland und Frankreich liegt der Beschäftigungsanteil der
Kleinbetriebe mit weniger als 20 Angestellten bei unter 20 Prozent (OECD
2009: 69). Auch für das Wachstum der Beschäftigung spielen KMU eine wich-
tige Rolle, denn die Gründung von Grossunternehmen mit vielen Angestellten
ist selten. Viel eher kommt es vor, dass zunächst auf sich allein gestellte Selb-
ständige mit der Zeit in der Lage sind Angestellte zu beschäftigen und Arbeits-
plätze zu schaffen. Abgesehen vom Arbeitsmarkt erfüllen Selbständige auch
auf den Gütermärkten für Waren und Dienstleistungen wichtige Funktionen.
Sie agieren flexibel und risikobereit, wodurch berufliche Selbständigkeit Inno-
vationen vorantreibt und das Wirtschaftswachstum anregt (Acs/Audretsch
1990: 4). Die Politik hat es nicht versäumt, angesichts der Chancen von beruf-
licher Selbständigkeit für die Beschäftigungszahlen, die Innovationsneigung
und die Wachstumsperspektiven von Volkswirtschaften eine „Enterprise Cul-
ture“ (Margaret Thatcher) und eine „neue Kultur der Selbständigkeit“ (Hel-
mut Kohl) zu propagieren (Lagemann/Welter 1999: 111). Mittlerweile versucht
man in vielen Ländern die Selbständigenquoten zu erhöhen, indem rechtliche
und administrative Hürden für Neugründungen abgebaut oder die Wege der
Kapitalbeschaffung vereinfacht werden. Aus einer soziologischen Perspektive
stellt sich hierbei die Frage, auf welche Weise und ob überhaupt Einfluss
genommen werden kann auf die Effekte der familiären sozialen Netzwerke
und die intergenerationelle Fortschreibung von sozialer Ungleichheit. Für die
Politikwissenschaft von Interesse ist die Herausforderung, dass sich politische
Massnahmen nicht auf die Ausgestaltung von Rahmenbedinungen beschrän-
ken dürfen, innerhalb derer durch höhere Selbständigenquoten und mehr
Unternehmertum wirtschaftliche und gesellschaftliche Chancen realisiert wer-
den können. Die Nutzung dieser Chancen bedarf zugleich eines wohlfahrts-
staatlichen Regimes, das sich auf die wachsende Zahl flexibilisierter und ent-
standardisierter Erwerbsformen einstellt, die berufliche Selbständigkeit mit
sich bringt. Denn letzten Endes haben Selbständige nicht nur die Freiheit und
das Privileg, einen Wunsch vieler Menschen realisieren zu können, sondern
auch die Bürde einer wohlfahrtsstaatlichen Risikogruppe anzugehören. In der
Schweiz sind Selbständige nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert, 20 Prozent
haben keine Krankentaggeldversicherung und jede und jeder vierte Selbstän-
dige kann sich keine Pensionskasse (2. Säule) oder private Altersvorsorge
(3. Säule) leisten (BFS 2006: 19ff).

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            A nhang

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Christoph Hess

                                   L iteratur

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Christoph Hess

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