Deutscher Flachstahl hat Zukunft - proassort

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Deutscher Flachstahl hat Zukunft - proassort
Stahlrecycling

Deutscher Flachstahl
hat Zukunft
 Die deutsche Stahlindustrie muss
 sich dekarbonisieren – so will
 es die Politik. Das Konzept des
„grünen Wasserstoff“-Stahls indes
 lässt bei ganzheitlichem Blick in
 die Zusammenhänge Zweifel auf-
 kommen. Die Kombination aus
 Eisenschwamm und intelligenter
 Nutzung heimischer Sekundär-
 rohstoffe ist der entscheidende
 Beitrag zur Lösung.

                                     Foto: zephylwer0; pixabay.com
Deutscher Flachstahl hat Zukunft - proassort
D
         ie Feinblech und Grobblech erzeu-       zent namentlich in China aus Kohlever-       Pipelines auch
         genden Stahlhütten müssen den           gasung. Dabei fallen mit der Verbrennung     keine Lösung
         Kohlenstoff aus dem Schmelzpro-         der jeweiligen Primärenergierohstoffe ver-
zess verbannen. 2 Millionen Tonnen Wasser-       gleichbare Mengen an Kohlendioxid (CO2)      Eine Anlieferung im industriellen Maß-
stoff (H2) sollen ihren Bedarf an rund 10 Mil-   an. Weniger als 5 Prozent der H 2-Gesamt-    stab wäre nur per Pipeline möglich, aber
lionen Tonnen Steinkohleeinheiten ersetzen,      menge kommen aus Elektrolyseprozes-          H 2 ist für Stahl keine Option. Der durch
die heute etwa 35 Millionen Tonnen Eisen-        sen wie der Chlor-Alkali-Elektrolyse zur     das Metallgefüge diffundierende atomare
erzderivat im Hochofen zu rund 25 Milli-         Erzeugung von Chlor und Natronlauge          H 2 löst Gasverluste sowie schwerste Korro-
onen Tonnen Roheisen reduzieren und die          für die Chemiefaserherstellung. Die soge-    sionsschäden aus. Im Labor zeigen höher-
dazu erforderliche Schmelzenergie liefern.       nannte Wasserelektrolyse trägt dabei welt-   feste Stahlrohrlegierungen zwar ermuti-
    Ausgesuchte Eisenerzpellets werden in        weit nach Schätzungen 1–2 Prozent zur        gende Ergebnisse, aber ein H 2-Hochdruck-
Zukunft im elektrisch beheizten Schacht-         Versorgung bei. In Deutschland ist dies      leitungs-System über einige 100 Kilometer
ofen (Reaktor) allein mit H 2 als Redukti-       weniger als 1 Prozent oder 25.000 Tonnen.    aus Stahlrohren, Verdichtern, Flanschen
onsmittel zu 30 Millionen Tonnen Eisen-          Der Grund für den geringen Marktanteil       und umfänglicher Mess- und Regeltech-
schwamm (DRI) werden, der im Elektro-            der Wasserelektrolyse liegt in der Unwirt-   nik ist ein ganz anderer Maßstab. Hilfe
lichtbogenofen (EAF) anschließend mit            schaftlichkeit und letztlich der Umweltun-   könnte von kohlenstoffverstärkten Kunst-
rund 5 Millionen Tonnen Schrotteinsatz zu        verträglichkeit des Verfahrens.              stoffen (CFK) kommen, doch deren Recy-
etwa 30 Millionen Tonnen Rohstahl umzu-                                                       clingfähigkeit ist bis heute ein ungelöstes
schmelzen ist.                                   Klassische Logistik                          Problem.
    Das ist unwirtschaftlich. Gleichzeitig       fällt aus                                         Die betriebliche H2-Vorratsspeicherung
geht aber kein Weg am Elektroofen vor-                                                        vor den DRI-Reaktoren ist nach Stand der
bei. Andere Stahlunternehmen haben welt-         Eine Tonne H 2 hat bei 700 bar Druck ein     Technik gelöst. Man kann die größten lite-
weit gezeigt, wie man ihn erfolgreich gehen      Volumen von 25 m 3, bei minus 253 °C ver-    raturbekannten H 2-Kugelbehälterspeicher
kann. Grundsätzlich ist der DRI-Einsatz          flüssigt noch 14 m3 – also 14-mal mehr als   wie in Cape Kennedy einsetzen, die pro
nämlich zu minimieren. Das Einschmelzen          Wasser. Das Komprimieren auf 700 bar         Kugel rund 250 Tonnen flüssigen H2 fassen
einer Gattierung aus möglichst wenig DRI         benötigt 15 Prozent, das Verf lüssigen       und rund 2.500 Tonnen wiegen.
und möglichst viel „Schrott“ für Hochleis-       30 Prozent der gebundenen chemischen              In einer Veröffentlichung aus Sommer
tungsstahl muss technisch aber mit hoch-         Energie. H 2 hat einen großen Zündbe-        2019 zitiert der Wissenschaftliche Dienst
wertigem Sekundärstahl einhergehen.              reich und eine achtmal höhere Flammen-       des Deutschen Bundestages das Bundes-
                                                 geschwindigkeit als Methan. Wegen der        umweltamt wie folgt: „Welche Rolle Was-
Woher kommt                                      niedrigen Zündenergie reicht ein herun-      serstoff künftig im Gesamtsystem spielen
Wasserstoff?                                     terfallender Hammer zur Entzündung. Ein      soll, ist noch weitgehend unklar. Weder
                                                 Thermo-Lkw mit 70 Kubikmetern Tank-          ist geklärt, inwieweit eine erhöhte Beimi-
Weltweit werden 80 bis 100 Millionen Ton-        volumen würde pro Fracht 2,8 Tonnen res-     schung von Wasserstoff in die bestehenden
nen H 2 pro Jahr verbraucht. China ist mit       pektive 5 Tonnen vom Elektrolyseur in ein    Gasnetze angestrebt werden kann, noch, ob
mehr als 20 Millionen Tonnen der welt-           zukünftiges DRI-Werk bringen. Die benö-      und in welchem Umfang Wasserstoffnetze
größte Produzent. Der Aufbau einer dezen-        tigten H 2-Mengen per Rad, Schiene oder      durch Neuaufbau oder Umwidmung beste-
tralen H 2-Wirtschaft insbesondere für die       Schiff anzuliefern, wäre ein technisches     hender Netze benötigt werden. Da sowohl
Verkehrstechnik ist Gegenstand der chine-        und logistisches Meisterwerk.                eine erhöhte Beimischung als auch Neuauf-
sischen Wirtschaftsstrategie „China 2025“.
Deutschland verbraucht rund 2,5 Millio-
nen Tonnen.
    Einen grenzüberschreitenden Han-                                                    Grundlagen
del gibt es aus physikalischen Gründen                   Die dieser Arbeit zu Grunde liegenden Daten sind sorgfältig recherchiert
nicht. Nur rund 5 Prozent des H 2 wird                   und quergeprüft. Rechenoperationen und Aussagen daraus haben stets den
von wenigen marktbeherrschenden Unter-                   Charakter einer Abschätzung. Der Autor schreibt im Bemühen um ein unab-
nehmen national als Handelsware vertrie-                 hängiges Gesamtbild und um weiterführende Überlegungen. Der Wasser-
ben. H 2 wird knapp zur Hälfte aus Erdgas                stoff (H2)-Bedarf zur bislang großtechnisch unerprobten, allein H2-basier-
                                                         ten Reduktion von Eisenerz zu Eisenschwamm im Schachtofen ist mit Unsi-
(> 90 Prozent Methan, CH4) reformiert.
                                                         cherheit behaftet. Quellen sprechen von etwa 55 bis 80 kg H2/Tonne Eisen-
Weitere knapp 30 Prozent entstehen in
                                                         schwamm. Im Weiteren verwenden wir 65 kg.
der Petrochemie aus Erdöl, rund 20 Pro-

RECYCLING magazin 03 | 202045
Deutscher Flachstahl hat Zukunft - proassort
Stahlerzeugung

bau und Umwidmung von Netzen in subs-          & Storage (CCS) in der Erde verschwinden.     vom Grundsatz unmöglich, mit WEA die
tanziellem Umfang enorme Transformati-         In Deutschland dürfen das 4 Millionen         Häufigkeit des Angebots mit der Häufig-
onsbedarfe mit sich bringen, ziehen sie sich   Tonnen pro Jahr sein. Seit Inkrafttreten      keit des Bedarfs zur Deckung zu bringen.
potenziell über Jahrzehnte hin.“               des „Gesetz zur Demonstration der dauer-      Jeder Zubau von WEA erhöht die Gefahr
                                               haften Speicherung von Kohlendioxid“ im       der Netzinstabilität, das Zusammenspiel
Wirklich Wasser                                Jahr 2012 sind jedoch keine CCS-Speicher      von Wind und Sonne bringt statistisch kei-
im Elektrolyseur?                              oder Leitungen beantragt, genehmigt und       ne Glättung. Wegen dieses bekannten Leis-
                                               gebaut worden.                                tungsbilds muss für die Versorgung eines
Der Auf bau einer nationalen H 2 -Wirt-            Die Polymer Electrolyte Membrane          kontinuierlich betriebenen DRI-Werks eine
schaft aus Primärenergierohstoffen steht in    (PEM)-Wasserelektrolyse ist derzeit nur für   schnell zuschaltbare Grundlast in Höhe der
Deutschland mit zwei Prozent eigener Erd-      den Hausgebrauch geeignet. In die weni-       zu erwarteten Energieaufnahme installiert
öl- und sieben Prozent Erdgasversorgung        gen in Deutschland bisher gebauten Klein-     sein. Diese grundlastfähigen Kraftwerke
sowie auslaufender Kohleförderung nicht        anlagen wird neben klarem Wasser bis zu       wären im Sinne der Energiewende Gas-
auf der Agenda. Es bleibt die Spaltung         70 MWh Strom pro Tonne H2 eingesetzt.         kraftwerke. In den überwiegenden Null-
von H 2 aus Wasser mittels Strom. Der vor                                                    und Schwachwindzeiten wird dann aus
150 Jahren erfundene Hoffmann`sche Was- Grüne                                                Erdgas mit 200 kg CO2-Emission je MWh
serzersetzungsapparat wird heute Elektro- Stromversorgung                                    Strom gemacht.
lyseur genannt. Der erzeugte H 2 ist schon                                                       Aus dem Bereich der regenerativen Ide-
bei Verwendung von „grauem“, also aus Die 2018 mit rund 105 GW installierte                  en heißt es, für die Wasserelektrolyse brau-
konventionellem Strommix angebotenem, Nennleistung aus Wind (60 GW) und Solar                che man nur den „überschüssigen“ grünen
Strom etwa dreimal so teuer wie der aus (45 GW) kann bei 97 Prozent Verfügbar-               Strom, der ja ohnehin da sei und heute
der Erdgasreformierung. Das „Wasser“ ist keit 900 TWh Bruttostrom erzeugen. Das              exportiert werde. Das Stromnetz kann nur
ein bis 30-prozentiger Kalilauge-Elektrolyt ist das 1,4-Fache des deutschen Bruttobe-        den Strom aufnehmen, der zeitinkrementell
mit einer Betriebstemperatur um den Sie- darfs an Strom (649 TWh) im gleichen Jahr.          verbraucht wird. Vereinfacht ist der Zusam-
depunkt, und damit ein Gefahrstoff. Das Erzeugt wurden brutto 159 TWh grüner                 menhang wie folgt: Die noch sechs, bis zum
zur Kalilauge gelöste Kaliumhydroxid Strom mit 113 TWh aus Wind und 46 TWh                   Ende 2022 stillzulegenden, Kernkraftwerke
wird durch wässrige Elektrolyse von Kali- aus Sonne. Die Nutzung der installierten           übernehmen wertvolle Grundlast. Die Koh-
umchlorid gewonnen und dieses wiederum „erneuerbaren“ Kapazität liegt damit bei              lekraftwerke haben entgegen ihrem techni-
unter anderem durch aufwendige Trenn- 18 Prozent. Für die in Deutschland heute               schen Charakter die systemische Rolle von
verfahren aus Kalisalz.                     verbrauchten rund 2,5 Millionen Tonnen           Netz-Leistungsregelgliedern übernommen.
    Für die Herstellung einer Tonne H2 mit H 2 benötigt eine Wasserelektrolyse nach          Aufgrund hervorragender Ingenieurkunst
einem Heizwert von 33 MWh benötigt ein Stand der Technik rund 135 TWh oder ein               werden die Turbinen in kurzer Zeitspanne
alkalischer Elektrolyseur real rund 54 MWh Viertel des an unseren Steckdosen ankom-          in weitem Bereich auf- und abgefahren, und
Gleichstrom. Der Energieverlust der menden Stroms, oder die 1,2-fache Wind-                  der Dampf notfalls über Dach entsorgt. An
Umwandlung liegt bei nahe 40 Prozent. Set- energieerzeugung. Die zuwachsenden Gas-           sonnenreichen Windtagen gelingt dies aber
zen wir die Gestehungskosten für „erneuer- mengen für die H2-basierte Wirtschaft von         nicht in der erforderlichen Schnelligkeit.
baren“ Strom bei Eigenherstellung vorsich- morgen soll daher „grün“ aus „erneuerba-          Dazwischen agieren deshalb schnell schalt-
tig mit 80 Euro pro MWh an, betragen die rer“ Energie generiert werden.                      bare Gaskraftwerke mit heute kleiner als
Energiekosten für eine Tonne „grünen“ H2        Eine Wasserelektrolyse muss mit              30 GW installierter Kapazität. Da aber auch
4.300 Euro oder 280 Euro pro Tonne DRI.     Gleichstrom versorgt werden. Der zeit-           die WEA, deren Leistung in dritter Potenz
    Eine Handvoll alkalischer Elektrolyseu- lich in der Leistungsabgabe und in Fre-          von der Windgeschwindigkeit abhängt,
re zwischen 100 MW und 150 MW elektri- quenz, Amplitude und Phasenlage volati-               durch Herausnahme oder Rotorblattverstel-
scher Leistung in der Welt erzeugen etwa le Wechselstrom einer Windenergieanlage             lung nur zeitverzögert reagieren, „exportiert“
2 Tonnen H2 pro Stunde und 100 MW Leis- (WEA), in Fachkreisen auch Zappelstrom               Deutschland über den Jahresverlauf etwa
tung. Mehr als 90 Prozent der geringen genannt, ist für den Verwendungszweck                 80 TWh nicht verwertbaren Strom aus dem
H 2-Elektrolysemengen basieren auf alkali- auf die Netzparameter zu trimmen und              eigenen Netz in die Stromnetze der Nach-
scher Technik.                              auf Gleichstrom zu richten. Gleichrichter-       barn. Diese bekommen nicht nur Strom,
    Die Wissenschaft arbeitet unter ande- anlagen der hier diskutierten Leistung sind        sondern auch Geld dafür. Doch was unplan-
rem an „blauem“ H 2 durch Hochtempera- Fabriken für sich.                                    barer Strom plus tatsächlich verlorene etwa
tur-Dampfreformierung aus Erdgas. Das           Die sicher zur Verfügung stehende            5 TWh durch WEA-Abschaltungen nutzen
entstehende CO2 soll per Carbon Capture Leistung einer WEA liegt bei null. Es ist            können, haben wir besprochen. Im theore-

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tischen und für einen Ingenieur nicht vor-       stellung über die Finanzkraft. Es liegt in   etwa 4,5 Millionen Euro, alle zusammen
stellbaren Fall könnte die Hälfte des deut-      einer relativ schwach besiedelten Region,    11,7 Milliarden Euro.
schen H2-Chemieindustriebedarfs auf Was-         was wegen des Platzbedarfs von WEA von           Die Grundlastversorgung der Elektro-
serelektrolyse umgestellt werden.                Vorteil sein könnte.                         lyseure übernehmen 40 Gasturbinenkraft-
      Es darf aus dargelegten Fakten, in                                                      werksblöcke mit je 500 MW Leistung. In
Beobachtung des bisherigen Verlaufs der          Grüner Stahl aus                             dieser Leistungsklasse werden keine 20 in
Energiewende und in Erwartung politisch          grünem Strom                                 ganz Deutschland betrieben. Schätzen wir
getroffener Entscheidungen geschlossen                                                        den Investitionsaufwand für einen Block
werden, dass es in Deutschland eine wett-        Das Hüttenwerk mit rund 5 Millionen Ton-     zurückhaltend mit 300 Euro pro kW ab,
bewerbsfähige „grüne“ Wasserstoffin­             nen Rohstahlerzeugung setzt in Zukunft       beträgt er 150 Millionen Euro pro Block
fra­­struktur für erforderliche Mengen bei       in EAF 20 Prozent Sekundärrohstoff und       oder 6 Milliarden Euro für alle 40.
hoher Lieferverlässlichkeit durch Dritte für     rund 4,9 Millionen Tonnen DRI ein. Die           Bei 2 Tonnen H 2-Produktion pro Stun-
eine vollkontinuierlich arbeitende Stahl-        DRI-Produktion braucht 320.000 Tonnen        de in einem 100-MW-Elektrolyseur und
erzeugung auch im Jahr 2050 nicht geben          H 2 oder rund 40 Tonnen pro Betriebszeit-    vollkontinuierlichem Betrieb mit 97 Pro-
wird.                                            stunde.                                      zent Verfügbarkeit werden netto 19 Elek-
      So bleibt nur die Alternative der Eigen-       Den rund 17 TWh Netto-Strombe-           trolyseure dieser Leistungsklasse benötigt.
versorgung. Wie die aussieht, wollen wir         darf der Elektrolyseure decken 2.600 WEA     Davon gibt es derzeit in Deutschland kei-
am Beispiel eines niedersächsischen Stahl-       (3,5 MW-Klasse, 22 Prozent Nettonutzung,     nen, weltweit wenige (Stand 2012: vier). Bei
konzerns besprechen, dessen Flachstahl-          97 Prozent Verfügbarkeit) mit 200 Meter      wiederum zurückhaltender Annahme von
sparte aus globaler Sicht eher mittelstän-       Bauhöhe bis zur Flügelspitze und etwa        500 Euro Investitionsaufwand pro kW sind
disch geprägt ist. Das ist kein Urteil über      6,5 Millionen Tonnen Beton und Stahl         das 50 Millionen Euro pro Elektrolyseur
das Leistungsvermögen, gibt aber eine Vor-       in den Fundamenten. Eine Anlage kostet       oder eine knappe Milliarde für alle.

                                                                                                                                    Anzeige

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Deutscher Flachstahl hat Zukunft - proassort
Stahlerzeugung

     Aus der Abschreibung der 17 Milliarden    Fabrik mit weniger als einer Viertelmilliar-     erforderlicher Qualität des Warmbreitbands
Euro Investition in die H2-Erzeugungsstufe     de Euro und der Schmelzstrombedarf mit           liegt der DRI-Einsatz zwischen 25 Prozent
zuzüglich der betrieblichen Kosten für die     rund 2 TWh dürfen im Zusammenhang als            und 55 Prozent, im Mittel bei 42 Prozent.
Stromversorgung und die Elektrolyse ent-       eher bescheiden eingeschätzt werden.
steht der Abgabepreis für eine Tonne grünen                                                     Blick in die
H 2 aus Eigenerzeugung an das DRI-Werk.        Vorbild für                                      nahe Zukunft
Die Schätzung von 5.000 Euro scheint nicht     Flachstahlproduktion
unrealistisch. An der Tankstelle kostet heu-                                                    Die Herstellung von grünem H 2 und die
te eine „graue“ Tonne H2 9.500 Euro.           Die deutschen Flachstahlhersteller lebten        darauf basierende Stahlherstellung sind
     Der Ver rech nu ngsprei s f ü r den       seit den 1950er Jahren in einer Welt, die von    ohne massive Subventionen chancenlos.
H 2 -Gesamtverbrauch liegt damit in der        zwei Grundhaltungen geprägt ist: 1. Flach-       Ebenso chancenlos ist im heutigen politi-
Größenordnung von zwei Drittel der heuti-      stahl kann nicht aus einem EAF erzeugt           schen Klima die Hochofenroute. Allein das
gen operativen Kosten der Sparte Feinblech     werden. 2. Die Produktionsanlagen müssen         hier besprochene Hochofenwerk liefert so
des Konzerns.                                  so groß wie möglich sein.                        viel CO2 wie fünf Millionen Kleinwagen mit
     Um einen Tag H 2-Bedarf der Reakto-            Weltweite Entwicklungen der letzten         10.000 km Jahreslaufleistung.
ren flüssig zu speichern, werden fünf Cape-    dreißig Jahre mit sogenannten Mini Mills              EAF werden die Hochöfen und LD-
Kennedy-Kugeln aufgebaut. Der Investiti-       zur Steigerung der Schnelligkeit, Flexibilität   Konverter (BOF) ersetzen. Ob das „erneu-
onsaufwand kann vom Autor nicht abge-          und Energieeffizienz wurden bislang nicht        erbare“ Stromnetz rechnerisch achtzehn
schätzt werden, ist aber sicher nicht zu       aufgegriffen, dabei gibt es erfolgreiche Bei-    250-Tonnen-EAF zusätzlich zu den 17 exis-
vernachlässigen. Dazu kommen 10 MWh            spiele. Eines davon ist die Nucor Corpo-         tenten der 100-Tonnen-Klasse für Langstahl
Strombedarf pro Tonne zur Verflüssigung.       ration, das größte US-Stahlunternehmen           aushält, wird sich zeigen.
Für die 3 TWh Strombedarf baut man             mit integriertem Stahlschrottrecycling mit            Hat man das geklärt, verbleiben zwei
zusätzliche 450 WEA und einen Gaskraft-        mehr Absatz als bei den drei größten deut-       entscheidende Fragen: 1) Woher kommt das
werksblock.                                    schen Stahlschrotthändlern kumuliert. Im         benötigte HBI und 2) Wie kann mit hoch-
                                               Jahr 2018 wurden über 27 Millionen Ton-          wertigem Sekundärstahl der HBI-Zukauf
Investition in                                 nen Stahlprodukte versandt – das sind gut        möglichst gering gehalten werden? Anhalts-
grünen Eisenschwamm                            70 Prozent der korrespondierenden Stahl­         punkte zu 2) gibt es bei Arvedi mit 60 Pro-
                                               erzeugung in Deutschland. Im Durch-
Die elektrisch beheizten DRI-Reaktoren         schnitt der letzten fünf Jahre verdiente
werden bei etwa 800 °C betrieben. Die          Nucor eine Milliarde US-Dollar pro Jahr
80 kWh Strom pro Tonne DRI dafür las-          nach Steuern.
sen wir zur Vereinfachung unter den Tisch           Statt Hochöfen betreibt Nucor in
fallen. Nimmt man die von Voestalpine in       25 Werken EAF, die aus DRI und Schrott
Porto Christo, USA, nach neuester (Erd-        hochwertigen Stahl erzeugen. Im Jahr
gas-)Technik gebaute DRI-Fabrik für 2 Mil-     2018 erhielt man als erster EAF-Stahler-
lionen Jahrestonnen als Grundlage der          zeuger von General Motors den „Best Sup-
Leistungs- und Aufwandsabschätzung, so         plier Award“. Der Kohlenstofffußabdruck
werden zwei Reaktoren zu je 2 Millionen        des Unternehmens liegt bei unter 0,9 Ton-
Tonnen Kapazität und ein kleiner für rund      nen pro Tonne Absatz und damit sicher
1 Millionen Tonnen benötigt. Die Investi-      30 Prozent unten dem eines vergleichba-
tion ohne Erdgasspaltanlage dürfte in der      ren deutschen Stahlmixes. Der Schrottein-
Größenordnung von 2 Milliarden Euro lie-       satz („recycled content“) beträgt mehr als
gen. Spätestens an diesem Punkt kommen         70 Prozent verglichen mit den 45 Prozent in
Zweifel, ob in Deutschland grüner Eisen-       Deutschland. Nucor steht heute da, wo die
schwamm erzeugt werden wird.                   deutsche Stahlindustrie in 20 Jahren sein
    Die drei LD-Konverter besagten Hütten-     will. Rund 40 Prozent der Erzeugung sind
werks werden durch drei 250-Tonnen-EAF         Flachstahl und Grobblech. Warmbreitband
ersetzt. Man kennt den Schmelzstrombedarf      kommt aus fünf Mini Mills, die je zwischen
                                                                                                         Nicht nur die Automobil-
für eine Tonne Rohstahl aus je 50-prozen-      1,5 und 2 Millionen Tonnen produzieren.
                                                                                                         industrie ist künftig auf
tigem Schrott/DRI-Mix mit 400 kWh. Der         Vom Abguss bis zum Warmbreitband dau-
                                                                                                        „grünen“ Stahl angewiesen.
Investitionsaufwand für die schlüsselfertige   ert es wenige Minuten. Je nach Standort und

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zent HBI-Einsatz, Arcelor Mittal Hamburg                          Ziel muss jedenfalls sein, so wenig wie mög-         Bei konsequent zirkulärer Stahlwirt-
mit 50 Prozent und Nucor Warmband mit                             lich von HBI-Importen abhängig zu werden,        schaft kommen alle Flachstahlneuschrot-
40 Prozent.                                                       deren Weltmarktpreis derzeit um die 400 US-      te zukünftig an die Wiege, die neuen EAF,
                                                                  Dollar pro Tonne liegt. Die Preistendenz liegt   zurück („cradle2cradle“). Hier liegt ein
Beschaffung                                                       auf der Hand. Das geht nur in intensiver         Potential von 3 Millionen Tonnen erstklas-
von DRI/HBI                                                       Zusammenarbeit mit dem deutschen Stahl-          sigem Sekundärstahl. Dies hat aber erhebli-
                                                                  schrotthandel und den Großentfallstellen         che Auswirkung auf bisherige Lieferströme.
Weltweit werden rund 500 Millionen Ton-                           vornehmlich in der Automobilindustrie.           Dem Edelbau-Langstahlerzeuger fehlen sie
nen Pellets erzeugt. Rund 80 Millionen Ton-                                                                        ebenso wie dem Eisengießer. Beide Wirt-
nen davon sind aktuell Vormaterial für DRI.                       Konzentration auf                                schaftszweige stehen vor bedeutsamen, aber
Die „Premium“-Pellets haben einen Eisen-                          Sekundärrohstoff                                 lösbaren Problemen. Die Gießer werden
gehalt von > 67 Prozent und kommen aus                                                                             sich um Roheisenersatz kümmern müssen.
Eisenerzvorkommen, die sich durch gerin-                           Der deutsche Stahlschrotthandel hat in Nor-     Für Langstahl haben wir ein gutes Beispiel
ge metallische Begleitelemente auszeichnen.                        malzeiten (2018) Zugriff auf 31 Millionen       in Hamburg.
Davon gibt es auf der Welt die berühmte                            Tonnen Stahlschrott. Knapp 27 Millionen
Handvoll und alle wollen ihren Anteil.                             Tonnen stammen aus Entfall in Deutschland,      Das Zauberwort
    Sollte es bei 30 Millionen Tonnen Roh-                         gut 4 Millionen Tonnen werden importiert.       heißt zirkulär
stahl für Flachstahl bleiben, müssten im nun                       Für das 40-Prozent-Modell des „neuen“ EAF-
diskutierten Modell 40 Prozent HBI oder                            Rohstahls ergibt sich ein Schrottbedarf von     1,5 Millionen Tonnen Feinblechaltschrotte
12 Millionen Tonnen zugekauft werden. Ob                          18 Millionen Tonnen. Abzüglich von 2 Milli-      aus dem Schredder und mehrere Hundert-
es gelingt, aus sicheren Quellen zuzukau-                          onen Tonnen Eigenschrott verbleiben 16 Mil-     tausend Tonnen Weißblechschrott für den
fen, muss geprüft werden. Ob die deutschen                         lionen Tonnen Zukauf. Von den verfügbaren       Einsatz im neuen EAF vorzubereiten, ist eine
Stahlwerke nach ihrer Erfahrung mit Aus-                           31 Millionen Tonnen ziehen wir 11 Millionen     interessante und lösbare technische Aufga-
landsengagements die Kraft finden, nahe am                         Tonnen für EAF-Langstahl und 3,5 Millio-        be. Immerhin sind zum Marktpreis von DRI
hochwertigen Eisenerz oder nahe an preis-                          nen Tonnen für die Eisengießereien ab. Die      noch 200 Euro pro Tonne Luft für Umarbei-
wertem Erdgas entsprechende HBI-Kapazitä-                          Bilanz geht auf: Der Schrottbedarf ist rein     tungskosten. Damit kann man alles machen.
ten aufzubauen, bleibt eine spannende Frage.                       rechnerisch gedeckt. Heute liefert der Stahl-        Insgesamt kommen auf die Stahlwirt-
                                                                   schrotthandel 4 Millionen Tonnen an die         schaft in Deutschland große neue Aufga-
                                                                   LD-Stahlwerke. In Zukunft müssen das also       ben zu. Deren Lösung ist, wie ausgeführt,
                                                                   zusätzliche 12 Millionen Tonnen Schrott sein.   alternativlos. Vielleicht gibt es zukünftig
                                                                  Alle Kraft muss darauf konzentriert werden,      als Brückentechnologie Mischformen der
                                                                   den HBI-Anteil an der Gattierung so gering      Stahlherstellung für Flachstahl. Ein gemein-
                                                                   wie möglich zu halten.                          sam betriebenes, konventionell Erz-basiertes
                                                                       Mit „Schrott“ ist es wohl nicht getan.      Werk für Tiefziehstähle mit H 2-unterstütz-
                                                                   Um die Schmelzanalyse von Hochleistungs-        ter Hochofentechnik und bis zu 35 Pro-
                                                                   Feinblech und Grobblech aus deutscher Pro-      zent Schrotteinsatz (wie in Österreich) im
                                                                   venienz bei gleichzeitiger Forderung nach       BOF? Auf jeden Fall wird der EAF mit einer
                                                                   minimalem HBI-Einsatz im EAF einstellen         Gattierung aus HBI und hochwertigem
                                                                   zu können, muss der Sekundärstahl entspre-      Sekundärstahl die Feinblech-Commodi-
                                                                   chende Qualität aufweisen. Im Idealfall ist     ties schmelzen. Und das ist nun einmal der
                                                                   er schwarz, das heißt ohne metallische und      überwiegende Anteil.
                                                                   organische Beläge oder Anhänge, hat ein             Gelingt es in einer konzertierten Zu­­
                                                                   Schüttgewicht von 1,5 Tonnen pro Raum-          sammenarbeit zwischen Stahlerzeugung,
                                                                   meter und ist nach Legierungsgehalt sortiert.   Schrotthandel und Großentfallstellen die
                                                                   Die Aufbereitungstechniken hierfür sind da,     anstehenden Aufgaben zu lösen, ist der ent-
                                                                   in der Aluminiumerzeugung erfolgreich           scheidende Schritt zu einer modernen Stahl-
                                   Foto: Thomas B.; pixabay.com

                                                                   praktiziert und für Stahl weitgehend markt-     erzeugung getan. Sie wird sich in einem
                                                                   reif. Auch von den Schrotthändlern vor-         zukunftsfähigen Modell als integraler Teil
                                                                   konfektionierter Sekundärstahl als Massel       einer geschlossenen Stahl-Wertschöpfungs-
                                                                  – vergleichbar mit der Aluminiumindustrie        kette verstehen müssen.
                                                                  – oder als Granulat ist denkbar.                               Dr.-Ing. Hans-Bernd Pillkahn

RECYCLING magazin 03 | 202049
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