Klimafolgen und Klimaanpassungsoptionen in der Landwirtschaft in Deutschland - ein Überblick
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Einleitung ( Schwerpunkt »Welt im Fieber – Klima & Wandel« Klimafolgen und Klimaanpassungsoptionen in der Landwirtschaft in Deutschland – ein Überblick von Claudia Heidecke, Cathleen Frühauf, Sandra Krengel-Horney und Mareike Söder Der Klimawandel hat bereits in den letzten Jahren deutlich die Nahrungsmittelproduktion und die Ernährungssicherheit weltweit beeinträchtigt, insbesondere aufgrund von Erwärmung, sich ändernder Niederschlagsmuster und einer höheren Häufigkeit extremer Wetterereignisse.1 Damit steht die Landwirtschaft nicht nur vor der Herausforderung, einen Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasen zu leisten, sondern auch, sich an verändernde Klimabedingungen anzupassen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklungen von für die hiesige landwirtschaft- liche Produktion relevanten Wetterereignissen und klimatischen Bedingungen in Deutschland, ver- deutlicht die Wahrnehmung und die Bedeutung des Klimawandels für deutsche landwirtschaftliche Betriebe und fasst einige wichtige Anpassungsmöglichkeiten zusammen. Der globale Klimawandel ist auch in Europa spürbar Klimawandel und Landwirtschaft und wirkt sich – nicht erst in ferner Zukunft – bereits heute in vielerlei Hinsicht auf die landwirtschaftliche Das bisher wärmste in Deutschland beobachtete Jahr Produktion aus. In einigen Regionen der Welt, insbe- seit dem Beginn regelmäßiger Aufzeichnungen im Jahr sondere in niedrigen Breiten, sind landwirtschaftliche 1881 war mit einer Mitteltemperatur von 10,5 Grad Cel- Erträge mancher Kulturen bereits negativ beeinflusst sius das Jahr 2018. Insgesamt war jedes der letzten drei worden, während in Regionen höherer Breiten land- Jahrzehnte wärmer als jedes beliebige vorangegangene wirtschaftliche Erträge durch steigende Temperatu- Jahrzehnt seit Beginn der Messungen. Die Ergebnisse ren und höhere CO2-Konzentrationen zum Teil auch von Klimaprojektionen im Fünften Sachstandsbericht steigen können, wie auch die Europäische Umwelt- des Weltklimarats4 lassen einen weiteren Anstieg der agentur aufzeigen konnte.2 globalen Mitteltemperatur bis zum Ende des 21. Jahr- In Deutschland hat insbesondere das trockene und hunderts erwarten. Neun der zehn wärmsten Jahre in heiße Jahr 2018, welches das wärmste Jahr seit 1881 Deutschland wurden nach dem Jahr 2000 beobachtet. war, die Vulnerabilität der Landwirtschaft gegenüber Über die Jahre gesehen stiegen die Anzahl der heißen dem Klimawandel verdeutlicht. Daten aus der Ern- Tage und Tropennächte pro Jahr kontinuierlich an. testatistik zeigen, dass die Hektarerträge bei Getreide Zudem wird eine Umverteilung der Niederschläge (ohne Körnermais) 2018 um 16 Prozent unter dem innerhalb des Jahres beobachtet: zunehmend trocke- dreijährigen Mittel der Vorjahre lagen (mit erheb- ne Sommer mit zahlreichen konvektiven Ereignissen lichen regionalen Unterschieden) und dadurch ein und eine deutliche Zunahme der Niederschläge in den Schaden von rund 770 Millionen Euro entstanden ist.3 Wintermonaten.5 Dies sind nur einige Phänomene, Im Folgenden stellen wir die für die Landwirt- die darauf hindeuten, dass sich innerhalb des Klima- schaft in Deutschland relevanten Wetterereignisse systems Veränderungen abspielen, die Deutschland und klimatischen Bedingungen dar und zeigen ne- und die deutsche Landwirtschaft betreffen. ben den aktuellen und zu erwartenden Auswirkun- gen des globalen Klimawandels auf die Betriebe Op- Temperatur tionen auf, wie sich die Betriebe an die sich verän- Von 1881 bis 2019 ist das Jahresmittel der Lufttempera- dernden klimatischen Rahmenbedingungen besser tur für Deutschland um 1,6 Grad Celsius angestiegen.6 anpassen können. Basierend auf den vorliegenden Klimaprojektionen 13
Der kritische Agrarbericht 2021 ist zukünftig mit einer weiter ansteigenden mittleren Die Entwicklung für das Frühjahr sind noch unsicher, Lufttemperatur zu rechnen. Die vorliegenden Klima- da die Beobachtungen der letzten Jahre einen Rück- projektionen zeigen für das Weiter-wie-bisher-Szena- gang zeigen, während die Klimamodelle von einer rio (RCP8.5) einen Anstieg in Deutschland von plus leichten Zunahme ausgehen.8 Außerdem ist zukünftig 3,1 bis plus 4,7 Grad Celsius zum Vergleichszeitraum mit häufigeren und intensiveren Starkniederschlägen 1971 bis 2000 für die ferne Zukunft (2071 bis 2100). zu rechnen. Das Szenario einer konsequenten Umsetzung von weltweiten Klimaschutzmaßnahmen (RCP2.6) kann Kohlendioxid (CO2) den Anstieg auf plus 0,9 bis plus 1,6 Grad Celsius be- Der anthropogene Treibhauseffekt wird durch die grenzen. Besonders deutliche Zunahmen sind im Auf- Emission von Treibhausgasen in die Atmosphäre treten extrem hoher Temperaturen und Hitzewellen verursacht. Mit der zunehmenden Konzentration der zu erwarten, während Frostereignisse voraussichtlich Treibhausgase in der Atmosphäre verbleibt mehr Wär- seltener auftreten. In den meisten Regionen ist mit me und damit auch zusätzliche Energie in der Atmo- einem weiteren sichtbaren Anstieg von Sommerta- sphäre. Dieser Prozess erhöht den Energiegewinn der gen, heißen Tagen und Tropennächten zu rechnen. Erdoberfläche und führt zu deren weiterer Erwärmung. Dagegen wird die Anzahl an Frost- und Eistagen in Aktuell erreicht die atmosphärische Konzentration allen Regionen, wie bereits in den letzten Jahrzehnten, von CO2 beispielsweise den höchsten Wert in den weiter zurückgehen. letzten 800.000 Jahren und auch die anderen Treib hausgase erreichen Konzentrationen, wie sie in dieser Niederschlag Zeitspanne nicht beobachtet wurden.9 Die atmosphä- Der Niederschlag unterliegt sehr starken räumlichen rische Konzentration von CO2 lag nach Angaben der und zeitlichen Schwankungen. Deutschlandweit hat amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde die jährliche Niederschlagshöhe seit 1881 um 74 Milli- NOAA im September 2020 bei einem neuen Rekord- meter bzw. neun Prozent relativ zur Referenzperiode wert von 411,3 parts per million (ppm).10 Die Messun- 1961 bis 1990 zugenommen, wobei sich dieser Anstieg gen am Mauna Loa Observatorium auf Hawaii zeigen zum größten Teil durch die Zunahme der Winternie- über den Messzeitraum seit 1959 eine immer schnellere derschläge erklären lässt.7 Zukünftig nehmen die Nie- Zunahme der CO2-Konzentration, die aktuell bei etwas derschlagssummen im Mittel voraussichtlich leicht über 2,4 ppm pro Jahr (Mittelwert 2010 bis 2019) liegt. zu – insbesondere im Winter, während im Sommer Die steigende CO2-Konzentration beeinflusst das zukünftig auch Niederschlagsabnahmen möglich sind. Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen. Zu Abb. 1: Anzahl der Tage mit Bodenfeuchten unter 50 Prozent nutzbarer Feldkapazität im Zeitraum 1. März bis 30. Juni für Winterweizen* * Referenzperiode (1971 bis 2000) und Szenario RCP8.5 (2031 bis 2060 und 2071 bis 2100), Modell AMBAV, Böden BÜK1000.11 14
Einleitung nennen ist hier zum einen der CO2-Düngeeffekt, der derschläge ab, verschärft dies die Situation zusätzlich. unter optimalen Bedingungen zu einem stärkeren Die Wahrscheinlichkeit für Starkregen nimmt zu. Fällt Wachstum führen kann, und zum anderen die bes- dieser auf trockenen Boden, geht ein großer Teil durch sere Wasserausnutzungseffizienz. Durch die damit Oberflächenabfluss verloren und steht den Pflanzen verbundene geringere Abgabe von Wasser durch die damit nicht zur Verfügung und führt gleichzeitig auch Verdunstung führt dies aber gleichzeitig zu einer Zu- zu Bodenerosion. Modellierungen zur Abschätzung nahme der Blattoberflächentemperatur (fehlende Ver- der zu erwartenden Änderungen der Bodenfeuchte dunstungskühlung). wurden für das Szenario RCP8.5 durchgeführt. Abbil- dung 1 zeigt, wie häufig im Zeitraum März bis Juni in Extremwetter der Referenzperiode (1971 bis 2000) und in der nahen Die globale Erwärmung schreitet auch in Zukunft und fernen Zukunft (2031 bis 2060 bzw. 2071 bis 2100) weiter fort und damit ändern sich auch die klimatolo der Schwellenwert von 50 Prozent der nutzbaren Feld- gischen Gegebenheiten in Deutschland. Neben der kapazität (nFK) unterschritten wird. Veränderung der Mittelwerte ist dabei insbesondere auch mit dem vermehrten Auftreten von Extremwet- Auswirkung auf Erträge terereignissen und -lagen zu rechnen. Der Jahrhun- Die direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die dertsommer 2003 wird in Zukunft zu einem durch- Erträge in Deutschland sind nicht eindeutig vorherzu- schnittlichen Ereignis werden.12 Bei den Starknieder- sagen. Nach Simulationen und Auswertungen der Eu- schlägen nehmen besonders seltene Extremereignisse ropäischen Umweltagentur14 sind die Auswirkungen – relativ gesehen – stärker zu als weniger extreme für die zentralen und nördlichen europäischen Regi- Ereignisse. Es wird bereits in den Beobachtungen der onen weniger eindeutig und können sich von Region letzten Jahre sichtbar, dass sich ein immer größerer zu Region stark unterscheiden. Abbildung 2 zeigt die Anteil am Gesamtniederschlag auf wenige nieder- Ertragsentwicklung der wichtigsten Getreidesorten in schlagsreiche Tage konzentriert. den letzten 20 Jahren in Deutschland. Die trockenen Jahre 2003 und 2018 sind deutlich in verringerten Er- Auswirkungen auf die Landwirtschaft trägen zu sehen, jedoch unterschiedlich zwischen den Sorten (hier insbesondere zwischen Sommerungen Verschiebung von Vegetationsperioden und Wintersorten). Die Temperatur steuert viele Prozesse in den Pflanzen. Um spezifischer die Auswirkungen von klima- Durch den Klimawandel und die damit steigenden tischen Veränderungen auf Erträge der deutschen Temperaturen verschieben sich die Entwicklungs- Landwirtschaft abzuleiten, wurden für Winterweizen15 phasen der Pflanzen. Phänologische Beobachtungen und für Weizen, Gerste, Raps, Körnermais, Kartoffeln zeigen bereits jetzt einen früheren Vegetationsbeginn. und Zuckerrüben16 auf Basis historischer Ertragsent- Dies hat zur Folge, dass empfindliche Pflanzenpha- wicklungen die Wirkung von extremen Wetterereig- sen früher im Jahr auftreten und gleichzeitig, obwohl nissen auf Erträge regional und national geschätzt. die Winter milder werden, die Spätfrostgefährdung Hierfür wurde die regionale Extremwetterhäufigkeit zunehmen kann. Ein weiterer Effekt durch die stei- des Zeitraums 1961 bis 2015 zugrunde gelegt. Nach genden Temperaturen ist, dass die einzelnen Entwicklungspha- sen schneller durchlaufen werden. Abb. 2: Landwirtschaftliche Erträge einiger Getreidesorten zwischen Dies kann z. B. beim Getreide zu 2000 und 2019 in Dezitonnen je Hektar (dt/ha).17 einer Verkürzung der Kornfül- lungsphase führen und den Ertrag , beeinflussen.13 , , Auswirkung auf Bodenfeuchte , Der frühere Vegetationsbeginn , dt/ha und die höheren Temperaturen , , innerhalb der Vegetationsperio- , de erhöhen den Wasserverbrauch Getreide Winterweizen , der Pflanzen. Selbst wenn die Nie- Wintergerste Sommergerste , derschlagsmengen gleichbleiben, , führt die höhere Verdunstung zu einer Verringerung der Boden- feuchte. Nehmen die Sommernie- 15
Der kritische Agrarbericht 2021 denn nicht nur die Schadorganis- Abb. 3: Praktikerbefragung (n=143) zum Schadpotenzial men selbst sind betroffen, sondern aufgetretener Extremwetterereignisse und -lagen im Ackerbau * ebenfalls ihre als Nützlinge be- zeichneten Gegenspieler.23 Durch < = – – > = extreme Niederschlagsereignisse oder längere Trockenperioden können auch Bodenerosion, Nähr- stoffauswaschung sowie Verlust an Anzahl Nennungen biologischer Vielfalt – inklusiver Agrobiodiversität – zunehmen.24 Optionen für Klimaanpassungen Insgesamt kann sich die Land- l eit ge Hit ze en eg en os t f ro st os t / r m Ha nh re g t fr wirtschaft mit einer Vielzahl an rr h r f r f ros t Stu c ke Sta rk ue Sp ä Frü n t e l Da Tro kurz- bis langfristig umsetzbaren W i K ah Optionen an den Klimawandel an- * (Verbundprojekt EMRA, Befragungszeitraum 30. Januar bis 14. August 2018).18 passen, sowohl an durchschnittli- che Klimaveränderungen als auch den Ergebnissen des Thünen-Instituts19 führen Kahl- an extreme Wetterereignisse. Die Wirksamkeit und frostextremereignisse sowie Trockenheit und Dürre Umsetzbarkeit hängen dabei, wie bereits für die Be- zu den größten Ertragsverlusten von Winterweizen troffenheit aufgeführt, von vielen Faktoren ab. Die in den letzten Jahrzehnten. Die Situation bei Winter- Herausforderung in der Anpassung an sich verän- gerste stellt sich insgesamt ähnlich dar. In der Kartof- dernde klimatische Bedingungen liegt vor allem in der felproduktion verursachte extreme Sommertrocken- steigenden Variabilität der Bedingungen und damit heit die größten Ertragseinbußen für Betriebe ohne steigenden Unsicherheiten für die Landwirtschaft.25 Bewässerung, gefolgt von Spätfrösten und Staunässe. In Bezug auf Klimaanpassungsoptionen kann man Am Beispiel von Äpfeln konnte in einer anderen Stu- zwischen Ex-ante- und Ex-post-Anpassungsmaßnah- die 20 gezeigt werden, dass neben mengenmäßigen Er- men unterscheiden.26 Ex-ante-Maßnahmen dienen tragsverlusten, auch mit qualitativen Ertragsverlusten dazu, Auswirkungen des Klimawandels auf die land- durch extreme Temperaturen zu rechnen ist. wirtschaftliche Produktion und Erträge abzumildern Des Weiteren wurde in einem vom Bundesministe- oder zu vermeiden, z. B. durch die Verwendung von rium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ge- angepassten Sorten oder veränderte Produktions- förderten Verbundprojekt21 eine Onlinebefragung zur techniken. Auch Maßnahmen zur Risikostreuung, Betroffenheit durch Extremwetterlagen, von denen in etwa durch die Diversifizierung der Fruchtfolgen vielen Fällen ein besonders hohes Schadensrisiko aus- werden unter ex-ante-Maßnahmen subsumiert.27 geht, durchgeführt. Die deutschlandweite Auswertung Ex-post-Maßnahmen sollen bereits eingetretene Aus- ergab, dass von insgesamt neun abgefragten Extrem- wirkungen auffangen, etwa durch die Kompensation wetterereignissen und -lagen im Ackerbau, Trocken- von Ertragsausfällen. Darüber hinaus kann man die heit, Hitze und Starkregen in den letzten Jahren das Akteure und räumliche Ebene der Anpassungsopti- höchste Potenzial für Ertrags- und Qualitätsverluste onen unterscheiden, angefangen von betrieblichen hatten (Top 3). Abbildung 3 zeigt das von der jeweils Anpassungsmöglichkeiten, über marktbasierte oder betrachtenden Wetterlage abhängige, in den befragten finanzielle Anpassungsoptionen und regionale und Betrieben aufgetretene Schadpotenzial. überregionale Maßnahmen. – Im Folgenden werden einige betriebliche Anpassungsmöglichkeiten sowie Weitere Auswirkungen regionale und überregionale Maßnahmen vorgestellt. Neben den direkten Auswirkungen auf die Vegeta tionsperiode, die Bodenfeuchte und den Ertrag kön- Betriebliche Anpassung der Produktionssysteme nen auch weitere Folgen für die Landwirtschaft durch die klimatischen Veränderungen entstehen. Die Rele- Durch eine Anpassung von Produktionssystemen vanz bereits etablierter Krankheiten, Schädlinge und können landwirtschaftliche Betriebe potenziellen phy- Unkräuter sowie Schadnager kann sich verändern/ sischen Ertrags- und Qualitätsverlusten vorbeugen, verschieben und neue Arten können sich etablieren.22 aber auch den ökomischen Schaden durch z. B. Di- Eine Quantifizierung der Auswirkungen ist schwierig, versifizierung oder Versicherungen begrenzen. Dabei 16
Einleitung spielen bei der Wahl von Maßnahmen die Betriebs- nung des Europäischen Parlaments vom 7. April 2020 strukturen, die angebauten Kulturen, standortspezi- die Wasserwiederverwendung in der Landwirtschaft. fische Auswirkung des Klimawandels sowie weitere Zukünftig wird in Deutschland ein integriertes, nach- regionale Voraussetzungen eine Rolle.28 Darüber hi- haltiges und über die Sektoren abgestimmtes Wasser- naus kann der institutionelle Rahmen die betriebliche management notwendiger werden, um die verstärkte Anpassung fördern oder behindern. Wassernachfrage, sich abzeichnende Zielkonflikte Regionalspezifische Lösungen werden unter an- und schwankende Wasserangebote zu meistern. derem in Forschungsprojekten wie z. B. im Projekt der Bodenseestiftung AgriAdapt29 oder im Projekt Finanzielle und regionale/überregionale Maßnahmen EMRA30 erarbeitet, aber auch durch die Beratung der Prinzipiell gehört Risikomanagement zu den Kernauf- Länder untersucht und in die Praxis kommuniziert. gaben eines jeden Unternehmens. Je stärker der Staat In der Agenda Klimaanpassung des BMEL31 werden allerdings mit öffentlichen Finanzmitteln finanzielle die unterschiedlichen Ebenen, Maßnahmen und Mög- Schäden der Landwirte begleicht, desto mehr wird die lichkeiten der Bundesländer in Deutschland sichtbar, Umsetzung vorbeugender Anpassungsmaßnahmen Anpassungen der Landwirte zu unterstützen. gehemmt. Nach der OECD sollte sich die Rolle staat- lichen Handelns für eine wirksame Anpassungspoli- Anpassung durch Züchtungsfortschritt tik zur Stärkung der landwirtschaftlichen Resilienz im Zu den überbetrieblichen Ex-ante-Anpassungsmaß- Kontext multipler Risiken auf extreme, unregelmäßi- nahmen zählt auch die Pflanzenzucht und Züch- ge und katastrophale Ereignisse, welche signifikanten tungsforschung zur Bereitstellung leistungsfähiger Schaden für alle oder zumindest sehr viele Landwirte und resistenter Kulturpflanzenarten und -sorten. Der bedeuten und deren Regulierung außerhalb der Kapa- Bereich ist jedoch sehr komplex und kann hier nicht zitätsgrenzen der Landwirte und Märkte liegen, kon- detailliert vorgestellt und diskutiert werden. In der bis- zentrieren.36 Dabei sollte der Staat weiterhin Anreize herigen Forschung ist jedoch deutlich geworden, dass setzen, um normale Betriebsrisiken zu bewältigen und es erforderlich sein wird, die Physiologie der Ertrags- in das Risikomanagement zu investieren. bildung und -stabilität in ihrer gesamten Breite im Blick zu behalten.32 Dabei ist neben der Erforschung Fazit von Genvarianten auch in Zukunft die Bereitstellung von genetisch reichhaltigen Genpools entscheidend. Dieser Beitrag lieferte einen Überblick über die wich- tigsten Aspekte für den Bereich Klimafolgen und Wassermanagement Klimaanpassung in der Landwirtschaft, die jeweils Ein effizientes Wassermanagement in der Landwirt- separat ausführlicher diskutiert werden könnten. Es schaft ermöglicht nicht nur, Trockenheit, also zu we- wird deutlich, dass insbesondere extreme Wetterlagen nig Wasser, zu bewältigen, sondern auch zu viel Was- zunehmen werden. Diese können zum Teil erhebliche ser z. B. durch Starkniederschlagsereignisse. Effiziente negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Wassermanagementlösungen können zum einen auf landwirtschaftliche Erträge und Erntequalitäten ha- den landwirtschaftlichen Betrieben umgesetzt werden. ben. Die durchschnittliche Veränderung von Klima- Hier spielen beispielsweise effiziente und wasser- und verhältnissen kann sich hingegen positiv oder negativ energiesparende Bewässerungssysteme, ein effizientes auswirken, je nach Region, Frucht und Betriebsform. Management von Düngung und Bewässerung, pflan- Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die zenbauliche Anpassungen wie Zwischenfrüchte, Bo- Landwirtschaft werden zudem andere Regionen der denbearbeitungsmaßnahmen wie etwa eine geringe Erde deutlich stärker treffen als Deutschland. Trotz- Intensität der Bodenbearbeitung und eine Erhöhung dem gilt es, sich möglichst effektiv anzupassen und des Bedeckungsgrads des Bodens eine Rolle.33 Zum mögliche Chancen zu nutzen. Neben vielen betrieb- anderen ist Wassermanagement aber auch eine re- lichen Anpassungsoptionen im Produktionsprozess gionale und überregionale Aufgabe. Hierzu gehören können auch überregionale und staatliche Prozesse beispielsweise eine gezielte Grundwasseranreiche- zur Anpassung beitragen. Im Rahmen der interdis- rung für trockene Gebiete, die Regulierung des Was- ziplinären Kontaktstelle Agrarmeteorologie arbeiten serhaushaltes durch Änderungen der Stauregulierung das Thünen-Institut, das Julius Kühn-Institut und in entwässerten Gebieten zur Reduzierung des Was- der Deutsche Wetterdienst gemeinsam daran, den serbedarfs in Trockenperioden,34 Wasserregulierung Erkenntnisfortschritt aus unterschiedlichen Fachrich- durch Stauanlagen oder Wasserrückhalteoptionen zur tungen zu agrarmeteorologischen Zusammenhängen Bewässerung.35 Die Anpassung der rechtlichen Rah- zu verdichten, um eine optimale Grundlage für politi- menbedingungen trägt auch zum landwirtschaftlichen sches Handeln und eine breite Wissensbasis im Bereich Wassermanagement bei. So reguliert z. B. die Verord- der agrarmeteorologischen Forschung zu schaffen. 17
Der kritische Agrarbericht 2021 Anmerkungen 24 S. Schimmelpfennig et al.: Klimaanpassung in Land- und 1 International Panel on Climate Change (IPCC): Summary for Forstwirtschaft – Ergebnisse eines Workshops der Ressortfor- policymakers. In: Climate change and land: An IPCC special schungsinstitute FLI, JKI und Thünen-Institut. Thünen Working report on climate change, desertification, land degradation, Paper 86. Braunschweig 2018. sustainable land management, food security, and greenhouse 25 H. Webber et al.: No perfect storm for crop yield failure in Ger- gas fluxes in terrestrial ecosystems. Geneva 2019. many. In: Environmental Research Letters 15/10 (2020) 104012. 2 Ebd. sowie European Environment Agency (EEA): Climate change 26 OECD: Strengthening agricultural resilience in the face of multi- adaptation in the agriculture sector in Europe. EEA Report No ple risks. Paris 2020. DOI: 10.1787/2250453e-en. 04/2019. Luxembourg 2019. 27 Siehe z. B. AgriAdapt: Handbuch zur nachhaltigen Anpassung der 3 Deutscher Wetterdienst (DWD): Zeitreihen und Trends: Tempa- Europäischen Landwirtschaft an den Klimawandel. 2019 (https:// raturanomalie (www.dwd.de/DE/leistungen/zeitreihen/zeit- agriadapt.eu/descargas/MANUALagriadapt_ALE_BAJA.pdf). reihen.html). – Bundesministerium für Ernährung und Land- 28 Gömann (siehe Anm. 15). wirtschaft (BMEL): Trockenheit und Dürre 2018 – Bundesminis- 29 https://awa.agriadapt.eu/de. terium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Trockenheit 30 https://emra.julius-kuehn.de. und Dürre 2018 – Überblick über Maßnahmen (www.bmel.de/ 31 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): DE/themen/landwirtschaft/klimaschutz/extremwetterlagen- Agenda Anpassung von Land- und Forstwirtschaft sowie Fische- zustaendigkeiten). rei und Aquakultur an den Klimawandel. Stand 28. März 2019. 4 International Panel on Climate Change (IPCC): Klimaänderung 32 Siehe hierzu die Beiträge in Schimmelpfennig et al. (siehe Anm. 24). 2014: Synthesebericht. Beitrag der Arbeitsgruppen I, II und III 33 Ebd. zum Fünften Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Aus- 34 O. Dietrich, M. Fahle und J. Steidl: Anpassung des Wasser- schusses für Klimaänderungen (IPCC). Bonn 2016. managements in stauregulierten Niederungsgebieten an 5 S. Brienen et al.: Klimawandelbedingte Änderungen in Atmo- zunehmende Wetterextreme – Möglichkeiten und Grenzen sphäre und Hydrosphäre: Schlussbericht des Schwerpunkt- der Einflussnahme auf Wasserhaushaltsgrößen In: S. Kaden, themas Szenarienbildung (SP-101) im Themenfeld 1 des BMVI- O. Dietrich und S. Theobald (Hrsg.): Wassermanagement im Expertennetzwerks. 2020 DOI: 10.5675/ExpNBS2020.2020.02 Klimawandel – Möglichkeiten und Grenzen von Anpassungs- 6 Deutscher Wetterdienst (DWD): Nationaler Klimareport. 3. korri- maßnahmen. KLIMZUG Band 3. München 2014, S. 161-189. gierte Auflage. Potsdam 2020. 35 Gömann et al. (siehe Anm. 28). 7 Ebd. 36 OECD (siehe Anm. 26). 8 Deutscher Wetterdienst (DWD): Deutscher Klimaatlas. 2020 (www.deutscher-klimaatlas.de). 9 D. Lüthi et al.: High-resolution carbon dioxide concentration record 650,000-800,000 years before present. In: Nature 453/7193 (2008), pp. 379-382. DOI: 10.1038/nature06949. Zitiert bei Brienen et al. 2020 (siehe Anm. 5). Dr. Claudia Heidecke 10 National Oceanic & Atmospheric Administration (NOAA): Month- Wissenschaftlerin in der Stabsstelle Klima ly average Mauna Loa CO2. 2020 (www.esrl.noaa.gov/gmd/ des Thünen-Instituts. ccgg/trends/#global). 11 Quelle: Modellberechnungen des DWD (2020). claudia.heidecke@thuenen.de 12 Lüthi et al. (siehe Anm. 9). 13 H. Gömann et al.: Landwirtschaft. In: Klimawandel in Deutsch- land. Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven. Hrsg. von G. Brasseur, D. Jacob und S. Schuck-Zöller. Wiesbaden 2017, Dr. Cathleen Frühauf S. 184–191. Wissenschaftlerin am Zentrum für 14 European Environment Agency (siehe Anm. 2). A grarmeterologische Forschung 15 H. Gömann et al.: Agrarrelevante Extremwetterlagen und Mög- des Deutschen Wetterdienstes (DWD). lichkeiten von Risikomanagementsystemen: Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft cathleen.fruehauf@dwd.de (BMEL). Abschlussbericht: Stand 3. Juni 2015. Thünen Report 30. Braunschweig 2015. 16 C. Heidecke, F. Offermann und M. Hauschild: Abschätzung des Schadpotentials von Hochwasser- und Extremwetterereignis- Dr. Sandra Krengel-Horney sen für landwirtschaftliche Kulturen. Thünen Working Paper 76. Wissenschaftlerin am Institut für Strategien Braunschweig 2017. und Folgenabschätzung des Julius Kühn- 17 Quelle: Destatis 2000-2019: Wachstum und Ernte - Feldfrüchte - Instituts und betreut dort die Stabsstelle Fachserie 3 Reihe 3.2.1. Klimaanpassung. 18 S. Krengel-Horney, M. Möller und T. Ulbrich: Onlineumfrage im Projekt EMRA, eigene Auswertungen (2020). sandra.krengel-horney@julius-kuehn.de 19 Gömann (siehe Anm. 13) und Heidecke et al. (siehe Anm. 16). 20 T. Dalhaus et al.: The effects of extreme weather on apple quali- ty. In: Scientific Reports 10/1 (2020), pp. 1-7. 21 https://emra.julius-kuehn.de. 22 S. Krengel et al.: Veränderungen im Auftreten von Pflanzen- krankheiten, Schädlingen und deren natürlichen Gegenspie- Dr. Mareike Söder lern. In: J. L. Lozán et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Gesund- Wissenschaftlerin in der Stabsstelle Klima heitsrisiken. Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen. des Thünen-Instituts. 2. Auflage. Hamburg 2014 (www.warnsignale.uni-hamburg.de). 23 Gömann (siehe Anm. 13). mareike.soeder@thuenen.de 18
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