Diagnose und Therapie der sogenannten Lewy-Körperchen-Demenz - www.kup.at
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Diagnose und Therapie der Homepage: sogenannten Lewy-Körperchen-Demenz www.kup.at/ Fischer P, Krenn Y JNeurolNeurochirPsychiatr Journal für Neurologie Online-Datenbank mit Autoren- Neurochirurgie und Psychiatrie und Stichwortsuche 2006; 7 (1), 32-42 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
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Diagnose und Therapie der sogenannten Lewy-Körperchen-Demenz * Y. Krenn, P. Fischer Die Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) ist nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste Demenzform alter Menschen. Ihre Eigenständigkeit als Krankheitsentität ist wegen der Überlappungen mit der Alzheimer-Demenz einerseits und dem Morbus Parkinson (mit und ohne Demenz) andererseits umstritten. Patienten mit Lewy-Körperchen-Pathologie zeigen klinische Besonderheiten (kognitive Fluktuationen, Halluzinationen, REM-sleep behavior disorder, vegetative Symptome, neuroleptische Sensitivität, schnellere Demenzprogression) und werden anders therapiert als Patienten mit Alzheimer- Demenz oder Morbus Parkinson ohne Demenz. Die rechtzeitige Diagnose einer DLB ist daher für den Patienten und seine Angehörigen von großer Bedeutung. Um die Sensitivität der Diagnose DLB zu erhöhen, wurden die klinischen Kriterien im Jahr 2005 überarbeitet und erweitert. Sowohl mittels psychometrischer Untersuchungen als auch aus MRI, HMPAO-SPECT, FDG-PET und [I-123]-MIBG-Myokardszintigraphie kann früh im Verlauf eine DLB vermutet werden. Patienten mit DLB zeigen neuropsychologisch Schwankungen der Aufmerksamkeit sowie Störungen der räumlichen Wahrnehmung und des räumlichen Handelns. Im kranialen MRI zeigen sie weniger mediotemporale Atrophie und relativ mehr Atrophie im Putamenbereich im Vergleich zu Patienten mit Alzheimer-Demenz. In der Durchblutungsmessung mittels SPECT oder PET zeigt sich bei Patienten mit DLB im Vergleich zur Alzheimer-Demenz insbesondere eine okzipitale Hypoperfusion. Mittels der [I-123]-MIBG-Szintigraphie kann bei DLB bereits früh im Verlauf eine sympathische Denervation des Myokards nachgewiesen werden. Die sensitivste Methode zur frühen Diagnose einer DLB stellt die Darstellung der dopaminergen Degeneration im β-CIT-SPECT (oder FP-CIT-SPECT bzw. PET) dar, die diese Krankheit jedoch nicht vom Morbus Parkinson abgrenzt. Mittels Polysomnographie kann eine DLB sogar schon vor Ausbruch der Demenz vermutet werden, wobei durch Nach- weis der REM-assoziierten Verhaltensauffälligkeiten andere Erkrankungen mit Synukleinopathie (Morbus Parkinson, Multi-System-Atrophie) nicht ausgeschlossen werden können. Schlüsselwörter: Demenz, Lewy-Körperchen, Diagnose, Neuropsychologie, Bildgebung Dementia with Lewy Bodies (DLB). Dementia with Lewy Bodies (DLB) is the second commonest cause of dementia in the elderly. Overlaps with Alzheimer’s and Parkinson’s disease make the pathological entity of DLB subject of debates. Patients with Lewy pathology show specific symptoms (fluctuating cognition, hallucinations, REM-sleep behavior disorder, autonomic failure, neuroleptic sensitivity) and need different treatment than patients with Alzheimer’s or Parkinson’s disease. Therefore, diagnosis of DLB is essential for patients and their relatives. Neuropsychological assessment as well as MRI, HMPAO-SPECT, FDG-PET and [I-123] MIBG myocardial scintigraphy are useful in the recogni- tion of DLB. Patients with DLB are substantially impaired in their attention, visuo-spatial functions and visuo-constructional abilities. MRI shows less medial temporal lobe atrophy and relatively more atrophy in putamen in subjects with DLB compared to AD. On SPECT and PET patients with DLB can be distinguished by perfusion deficits and hypometabolism in occipital regions. Early cardiac sympathetic denervation can be assessed by myocardial imaging with [I-123] MIBG scintigraphy. Though, detecting dopaminergic degeneration on β-CIT-SPECT (or FP-CIT-SPECT) remains the most sensitive method in early diagnosis of DLB. Also polysomnography can be expected to provide an early diagnostic means in DLB although other synucleinopathies (Parkinson’s disease, multiple system atrophy) can not be excluded. J Neurol Neurochir Psychiatr 2006; 7 (1): 32–42. Key words: dementia, Lewy bodies, diagnosis, neuropsychology, imaging Historischer Rückblick Kosaka et al. (1984) [4] formulierten nach Forschungen am Neurologischen Institut der Universität Wien dann erst- Friedrich Lewy (Berlin, Philadelphia; 1885–1950) betrach- mals den Begriff der „Diffusen Lewy-Körperchen-Erkran- tete die von ihm 1912 erstmals beschriebenen eosinophi- kung“. Weitere Beschreibungen kamen von Lennox et al. len Körperchen im Soma von großen cholinergen Nerven- (1989) [5], Perry et al. (1990) [6] oder Dickson et al. (1991) zellen der Substantia innominata und des dorsalen Vagus- [7]. Hansen et al. (1990) [8] benannte diese – wegen der kerns als histologisches Merkmal der Paralysis agitans meist ebenfalls nachweisbaren Pathologie vom Alzheimer- (Morbus Parkinson) [1]. Erst ab den 1960er Jahren be- Typ – als „Lewy-Körperchen-Variante der Alzheimer-Er- schrieben verschiedene Pathologen (u. a. Okasaki et al., krankung“. Heute wird nach 4 internationalen Treffen mit 1961; Kosaka et al., 1978) Patienten mit Demenz, in deren Konsensuscharakter von der Lewy-Körperchen-Demenz Kortex Lewy-Körperchen zu finden waren [2, 3]. Bis zur („Dementia with Lewy Bodies“) gesprochen [9–12], die in Entwicklung immunzytochemischer Methoden zur Dar- Folge wie im Englischen als DLB abgekürzt wird. Diese stellung der Lewy-Körperchen galten diese Fälle jedoch als Arbeit versucht, den Konsensus der seit 1999 publizierten Rarität. Die Darstellung der Lewy-Körperchen entwickelte Arbeiten zur Diagnose der DLB zusammenzufassen und sich von der klassischen HE-Färbung über die Anti-Ubi- erläutert so die 2005 neu erstellten Kriterien [12]. quitin-Methode zum sensitivsten Verfahren mit α-Synu- klein-Antikörpern. Daß manche Lewy-Körperchen und insbesondere auch viele Lewy-Neuriten nur durch die zu- Die neuropathologische Diagnose der letzt genannte, nicht jedoch durch die Darstellung von Demenz mit Lewy-Körperchen Ubiquitin erfaßt werden, bestätigte, daß sich die Lewy- Körperchen aus Ablagerungen abnorm gefalteten α-Synu- Neuropathologisch konnten bis zum Jahr 2005 annähernd kleins (welches wahrscheinlich eine Rolle bei der Produk- 20 % aller Demenzen als DLB identifiziert werden, weil tion präsynaptischer Vesikel spielt) entwickeln und erst eine beliebige Zahl an nachgewiesenen Lewy-Körperchen nachfolgend mit Ubiquitin aggregieren. diese Diagnose möglich machte [9]. Seit dem 4. interna- tionalen DLB-Konsortium existiert eine semiquantitative Einteilung in 4 Schweregrade, die sich an einer definierten * Diese Arbeit ging aus der Wahlfacharbeit (Wahlfach Gerontopsychia- trie) von Frau Dr. Yvonne Krenn im WS 2004/05 hervor. Anzahl von Lewy-Körperchen, dargestellt durch α-Synukle- in-Antikörper, orientiert [12]. Neuropathologisch können Aus der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, Medizinische andere Erkrankungen, die Parkinson-Symptome hervorru- Universität Wien Korrespondenzadresse: ao. Univ.-Prof. DDr. Peter Fischer, Klinische fen können, wie zum Beispiel die progressive supranukle- Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, AKH Wien, A-1090 Wien, äre Blickparese, die Multi-System-Atrophien oder die kor- Währinger Gürtel 18–20; E-Mail: peter.fischer@meduniwien.ac.at tikobasale Degeneration, ausgeschlossen werden. Eine 32 J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2006 For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
neuropathologisch nachgewiesene Alzheimersche Gewe- Körperchen, die ohne erkennbare Alzheimer- oder vasku- bepathologie jeglicher Schwere ist kein Ausschließungs- läre Pathologie zu einer Demenz führen, berechtigen nach grund für die Diagnose DLB. wie vor zu einer Publikation als Einzelfall [19]. Dies wird in den jüngst erschienenen Kriterien insofern berücksich- Folgende Subtypen der DLB werden nach dem Vorkom- tigt, als bei der neuropathologischen Beurteilung eine ge- men der Lewy-Körperchen in verschiedenen Gehirnregio- wisse Wahrscheinlichkeit verlangt wird, mit der eine be- nen beschrieben [12], wobei dem Hirnstammtyp klinisch stimmte Neuropathologie das klinische Erscheinungsbild der idiopathische Morbus Parkinson entsprechen dürfte, einer DLB bedingen kann. Diese Wahrscheinlichkeit ist wie er ohne Alzheimer-Läsionen und ohne klinische Zei- um so höher, je schwerer der Grad der Lewy-Körperchen- chen von Demenz beschrieben ist. Tabelle 1 zeigt die be- Pathologie ist und um so niedriger, je mehr Alzheimer-Pa- schriebenen Subtypen der Lewy-Körperchen-Pathologie, thologie im Einzelfall vorliegt [12]. Klinisch und neuro- wobei bei DLB in der Regel auch limbische und eventuell pathologisch ist auch die Unterscheidung zwischen DLB auch neokortikale Lewy-Körperchen gefunden werden. und MP mit Demenz (MP+D) problematisch. Heute wird bereits von einem „Spektrum der Lewy-Körperchen-Krank- Auch nach diesen neuropathologischen Kriterien ist die heiten“ gesprochen, wobei ein Hirnstammtyp entspre- DLB nach der Alzheimer-Demenz (AD) die zweithäufigste chend dem klassischen idiopathischen MP an dem einen Ursache für Demenz älterer Menschen, häufiger als die Ende und ein kortikaler Typ entsprechend der diffusen Gruppe der vaskulären Demenzen (VD). Allerdings über- Lewy-Körperchen-Krankheit, die Kosaka et al. [4] 1984 schneidet sich die Pathologie der DLB weitgehend mit je- beschrieben haben, am anderen Ende des Spektrums steht. ner der AD und jener des Morbus Parkinson (MP). Die Tat- Da allerdings die Lewy-Körperchen-Pathologie zu klini- sache, daß in über 90 % der Fälle von DLB auch beglei- schen Besonderheiten und etwas anderen medikamentö- tend Alzheimer-Pathologie vorliegt [13] und bei bis zu sen therapeutischen Algorithmen führt, als sie bei reiner 50 % der Patienten mit AD auch zumindest vereinzelt AD gelten, ist die Identifikation der klinischen Entität DLB Lewy-Körperchen gefunden werden [14, 15], legt die Fra- bedeutsam, sei sie nun eine Sonderform der AD oder des ge nach der eigenen Entität der DLB nahe [16–20]. Lewy- MP, eine Kombination dieser beiden Erkrankungen oder eine eigenständige degenerative Demenz. Tabelle 1: Beschriebene Subtypen der Lewy-Körperchen-Pathologie (mod. nach [12]) Die aktuellen klinischen Kriterien der Neokortikal Hirn- Transento- Demenz mit Lewy-Körperchen Subtyp stamm rhinal Cingulum Temporal Frontal Parietal Die heute weltweit verwendeten Kriterien zur Diagnose Hirnstamm + ± ± – – – einer DLB gehen auf die Forschergruppe um McKeith in Limbisch + + + + ± – Newcastle upon Tyne zurück [9–12]. Diese Kriterien sind Neokortikal + + + + + + in ihrer Version von 2005 in Tabelle 2 dargestellt. Tabelle 2: Die klinischen Kriterien der DLB modifiziert nach McKeith et Als frühe kognitive Symptome werden Beeinträchtigungen al. 2005 [12]. Mögliche DLB bei Demenz und einem suggestiven Merk- der Aufmerksamkeit, das dysexekutive Syndrom und Stö- mal; wahrscheinliche DLB bei Demenz, einem Kernmerkmal und einem rungen des räumlichen Denkens angeführt. Eine bleibende suggestiven Merkmal Gedächtnisstörung ist zu Beginn einer DLB nicht obligat, Demenz Progrediente kognitive Verschlechte- jedoch bei Fortschreiten der Erkrankung immer zu beob- (Notwendig für die Diagnose rung von ausreichender Schwere, um achten. Fluktuationen werden als Schwankungen der Auf- einer möglichen oder wahr- soziale und berufliche Funktionen zu merksamkeit, wie sie auch bei der akuten Verwirrtheit (Sy- scheinlichen DLB) beeinträchtigen. Eine persistierende nonym: Delir) auftreten, beschrieben. Visuelle Halluzina- Gedächtnisstörung kann auch erst mit tionen treten oft schon im frühen Krankheitsverlauf auf dem Fortschreiten der Erkrankung eintreten. Auffällig ist die Beeinträchti- und sind detailreich und wirklichkeitsnahe. Die Parkin- gung der Aufmerksamkeit, der Exeku- son-Symptomatik bei DLB unterscheidet sich vom Schwe- tivfunktionen und des räumlichen regrad her nicht von jener bei MP, jedoch liegt meist eine Denkens. axiale Betonung mit Haltungsinstabilität, Gangschwierig- Kernmerkmale Fluktuationen; wiederkehrende visuelle keiten und mimischer Hypokinesie vor, während Ruhe- Halluzinationen; spontane Parkinson- Symptomatik tremor eher selten ist. Unter „REM sleep behavior disor- der“ versteht man eine Schlafstörung mit Fehlen der moto- Suggestive Merkmale „REM sleep behavior disorder“; neuro- leptische Sensitivität; SPECT (PET): rischen Entspannung während des REM-Schlafes, sodaß Verminderung der Dopamin-Wieder- die Träume des REM-Schlafes von Bewegungen begleitet aufnahme in den Basalganglien sind. Supportive Merkmale Wiederkehrende Stürze (Synkopen); transienter Bewußtseinsverlust; schwe- Die neuen Kriterien [12] unterteilen die unterstützenden re autonome Funktionsstörungen, z. B. klinischen Merkmale in suggestive und supportive Merk- orthostatische Hypotension, Blasen- funktionsstörungen; Halluzinationen in male. Für suggestive Merkmale ist ein signifikant höheres anderen Sinnesmodalitäten; systemati- Vorkommen bei DLB als bei anderen Demenzformen sierter Wahn; Depression; CCT/MRI: nachgewiesen, supportive Merkmale haben geringere relative Verschonung von Strukturen Spezifität, kommen jedoch sehr häufig und oft auch schon des medialen Temporallappens; SPECT/PET-Perfusion: generalisierte früh im Verlauf einer DLB vor. Signalminderung mit okzipitaler Hypo- perfusion; MIBG-Szintigraphie: ver- Auch wurden 2005 neue diagnostische Möglichkeiten in minderte Traceraufnahme; EEG: lang- die Richtlinien zur Diagnose einer DLB miteinbezogen, same Wellen mit temporalen transien- um die Sensitivität der klinischen Kriterien zu erhöhen, ten steilen Elementen welche geringer ist als ihre Spezifität. J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2006 33
Zur Differentialdiagnose der Tabelle 4: Gesicherte spezifische neuropsychologische Defizite bei DLB Demenz mit Lewy-Körperchen • Aufmerksamkeitsstörungen (einfache und geteilte; besonders visuell) • Störungen des räumlichen Denkens Als wichtigste Differentialdiagnose der DLB [11, 21] gilt • Störungen des räumlichen Handelns die vaskuläre Demenz (VD). Die Diagnose einer DLB ist daher nach einem Schlaganfall nicht möglich (Tab. 3). • Gedächtnisstörungen: später als bei AD ohne Lewy-Körperchen Auch alle anderen somatischen Erkrankungen, welche die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, machen die Mini Mental State Examination (MMS) Diagnose einer DLB unwahrscheinlich. Aufgrund der fluk- Die MMS beinhaltet Aufgaben, in denen psychometrische tuierenden kognitiven Leistungsfähigkeit wird oft anstelle Unterschiede zwischen Alzheimer-Demenz (AD) und DLB einer DLB eine VD diagnostiziert. Wichtig ist einerseits, erfaßt werden können [25, 26]. So wird mit der Rechen- die Fluktuationen der kognitiven Leistungen zu erkennen, aufgabe (5maliges Subtrahieren der Zahl 7 beginnend bei andererseits aber auch, diese dann diagnostisch nicht nur 100) oder durch das Rückwärts-Buchstabieren eines Wor- in Richtung einer VD, sondern auch in Richtung einer DLB tes mit 5 Buchstaben (Woche, Julia …) die Aufmerksam- einzuordnen, insbesondere wenn die bildgebenden Ver- keit erfaßt (max. 5 Punkte). Mittels Fähigkeit zur Wieder- fahren keine oder nur geringe vaskuläre Läsionen aufdek- gabe dreier zuvor genannter Dinge nach Distraktor wird ken. Vor 1996 galten Fluktuationen als mögliches Sym- das Gedächtnis geprüft (max. 3 Punkte), die Kopie zweier ptom der VD und grenzten diese klinisch von der AD ab sich überschneidender Fünfecke spiegelt die Konstruk- [22–24]. tionsfähigkeit wider (max. 1 Punkt). Ala et al. [25] testeten 17 DLB- und 27 AD-Patienten mittels MMS, wobei alle Demenz kombiniert mit extrapyramidal-motorischer Sym- Patienten mindestens 13 Punkte erreichen mußten, um in ptomatik wie Rigor oder Akinesie können sowohl bei der die Studie aufgenommen zu werden. Sowohl hinsichtlich Creutzfeld-Jakob-Erkrankung als auch bei der fortgeschrit- der Aufmerksamkeit als auch in der Konstruktionsfähigkeit tenen AD und anderen degenerativen Erkrankungen vor- erreichten die AD-Patienten wesentlich höhere Punkte- kommen. Jegliche akute Verwirrtheit (synonym: Delir) un- zahlen als die DLB-Patienten, wobei letztere der AD- terschiedlicher Genese führt zu fluktuierenden kognitiven Gruppe bezüglich Gedächtnis leicht überlegen waren. Störungen, oft kompliziert durch Halluzinationen, und kann so zur Diagnose einer DLB verführen. Dies beson- Um die Möglichkeit zur Differenzierung zwischen den ders, wenn die Symptomatik, wie z. B. beim substanzindu- beiden Gruppen zu verbessern, wurde mit den Subscores zierten Delir, länger andauert. Vor allem anticholinerge folgende Berechnung angestellt: „Aufmerksamkeit“ – 5/3 × oder monaminerge Medikationen müssen im diagnosti- „Gedächtnis“ + 5 × „Konstruktion“. Eine mittels dieser For- schen Prozeß einer DLB hinterfragt werden. Auch die mel erhobene Punktezahl von weniger als 5 wies, was die überaus häufigen psychiatrischen Störungen mit Wahn Assoziation mit einer DLB betrifft, eine Sensibilität von und/oder Halluzinationen, wie z. B. die wahnhafte De- 82 % sowie eine Spezifität von 81 % auf. pression mit Halluzinationen, können als DLB fehldiagno- stiziert werden. Bei diesen Patienten sind medikamentös Die Fähigkeit zur räumlichen Konstruktion, dem MMS ent- bedingt orthostatische Kollapse möglich und wegen der sprechend getestet, wurde von Cormack et al. [27] für 100 notwendigen Neuroleptikamedikation können extrapyra- DLB-, 50 AD-, 81 MP-Patienten und 36 Patienten mit midal-motorische Nebenwirkungen beobachtet werden. MP+D erhoben. Dabei wurden die Zeichnungen anhand Auch können als Nebenwirkung der Therapie mit z. B. einer 6-Punkte-Skala beurteilt (6 = perfekt). DLB-Patienten anticholinergen Psychopharmaka optische Halluzinatio- schnitten schlechter als alle anderen Gruppen ab (mittlere nen auftreten und die Diagnose einer DLB fälschlich nahe- Punktezahl = 2,84), signifikant waren die Unterschiede legen. jedoch nur bezogen auf die AD- (3,87 Punkte) und MP- Gruppe (5,20 Punkte), wobei letztere keine wirkliche Ver- schlechterung erkennen ließ. Patienten mit MP+Demenz Zur Diagnostik der Demenz (3,08 Punkte) ließen sich nicht von DLB-Patienten abgren- mit Lewy-Körperchen zen. Auch diese Arbeit zeigte, daß Leistungseinbußen in den räumlich-konstruktiven Fähigkeit bei DLB dissoziiert Psychometrische Untersuchungen von der globalen kognitiven Verschlechterung früh im Ver- Untersuchungen der letzten 5 Jahre belegten die neuro- lauf auftreten. psychologischen Besonderheiten von Patienten mit DLB im Vergleich zu Patienten mit MP ohne Demenz oder Pati- CAMCOG enten mit VD oder AD (Tab. 4), wobei leicht bis mittelgra- Neben der MMS stellt das umfangreichere CAMCOG dig demente Patienten getestet wurden. (Cambridge Assessment for Cognitive Disorders in the Elderly) ein neuropsychologisches Testverfahren zur Beur- teilung von kognitiven Leistungseinbußen alter Menschen Tabelle 3: Wichtige Differentialdiagnosen zur Lewy-Körperchen-Demenz dar. Schriftlich werden Orientierung, Sprachverständnis, (DLB) sprachliche Ausdrucksfähigkeit, visuospatiale Fähigkeiten, Kurzzeitgedächtnis, visuelles Gedächtnis, Langzeitge- • Vaskuläre Demenz (VD) (auch im Beginn) dächtnis, Aufmerksamkeit, Agnosie/Perzeption, abstraktes • Alzheimer-Demenz (AD) (fortgeschritten) Denken und Sprachfluß geprüft, wobei eine maximale • Delir unterschiedlicher Genese Punktezahl von 107 erzielt werden kann. Ballard et al. • Behandelte psychiatrische Störungen [28] untersuchten 228 Demenzpatienten (DLB: 54, AD: • Progressive supranukleäre Blickparese 102, VD: 72) mit vergleichbaren CAMCOG-Summen- • Multi-System-Atrophie scores anhand ihrer CAMCOG-Subtestergebnisse und • Kortikobasale Degeneration stellten für Patienten mit DLB eine signifikante Verschlech- • Creutzfeldt-Jakob-Krankheit terung des räumlichen Denkens fest. Andererseits waren die DLB-Patienten bei Prüfung ihres Kurzzeitgedächtnisses 34 J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2006
signifikant besser als Patienten mit AD oder VD. Zur weite- DLB deutlich schlechter gelang als die korrekte Zuord- ren Differenzierung wurden das Verhältnis zwischen den nung Tier-Vegetation im rein verbalen Modus. Patienten Leistungen im Kurzzeitgedächtnis und denen für räumli- mit reiner AD wiesen keinen solchen Unterschied bezüg- ches Denken errechnet und auch optimale Cut-off-Werte lich der beiden Darbietungsmodi auf. Somit bestätigte zur Diskriminierung zwischen den einzelnen Gruppen auch diese Untersuchung die selektiv stärkere Verschlech- ermittelt. Diese Werte zeigten eine Sensitivität von nur terung der visuell-räumlichen Wahrnehmung als Symptom 33 %, jedoch eine Spezifität von 98 %. Wenn also deutliche von Patienten mit DLB. Störungen des räumlichen Denkens vorliegen, ist eine DLB sehr wahrscheinlich, liegt dieses neuropsychologische Ein weiterer neuropsychologischer Unterschied zwischen Muster jedoch nicht vor, ist eine DLB trotzdem möglich. DLB und AD ergab sich beim Vergleich von „Category Fluency“ (in einer Minute müssen möglichst viele Beispie- Mosimann et al. [29] verglichen Patienten mit MP+D und le für eine Kategorie genannt werden) und „Letter Fluency“ DLB im CAMCOG und fanden keine Unterschiede im Lei- (in einer Minute müssen möglichst viele mit F, A oder S stungsprofil, bestätigten jedoch insgesamt die Subtester- beginnende Wörter genannt werden). Während DLB-Pati- gebnisse der Untersuchung von Ballard et al. [28]. enten in beiden Aufgaben gleichermaßen schlecht ab- schnitten, war die „Letter Fluency“ der AD-Patienten signi- Andere psychometrische Untersuchungen fikant besser als deren „Category Fluency“. Die Verschlechterung des räumlichen Denkens bei DLB wurde auch in einer kleineren Studie von Calderon et al. Eine im Vergleich zu AD schlechtere verbale Flüssigkeit bestätigt [30]. Die Autoren untersuchten 9 AD- und 10 bei DLB, getestet anhand des „Controlled Oral Word DLB-Patienten sowie 17 Kontrollpersonen anhand einer Association Test“ [Benton und Hamsher, 1989], konnten Testbatterie, die Gedächtnis (verbales Kurzzeitgedächtnis, auch Gilman et al. [32] feststellen. Letztere bestätigten episodisches und semantisches Gedächtnis), räumliche auch die schwerwiegendere Neugedächtnisstörung von Wahrnehmung und räumliches Denken, Aufmerksamkeit AD-Patienten anhand des „Hopkins Verbal Learning Test – und Exekutivfunktionen erfaßte. Wenn es darum ging, ab- Revised“ [Benedict et al., 1998]. Die Unterschiede zwi- strahierte bzw. fragmentierte Buchstaben, Silhouetten oder schen AD- und DLB-Patienten bezüglich des räumlichen Würfel in einem dreidimensionalen Gebilde zu erkennen Denkens fielen im „Visual Form Discrimination Test“ [Ben- (alle Tests waren dem Visual Object and Space-Test ent- ton et al., 1994] nicht signifikant aus. nommen), schnitten die DLB-Patienten deutlich schlechter ab als jene mit AD. Mosimann et al. [29] testeten das visuelle Unterschei- dungsvermögen sowie die Objekt-, Form-, Raum- und Ähnliche Leistungsunterschiede zeigten sich bezüglich der Bewegungswahrnehmung bei AD, DLB, MP+D, MP und Aufmerksamkeit. Sowohl Konzentration als auch selektive normalen Kontrollpersonen. Dabei zeigten Patienten mit Aufmerksamkeit waren bei DLB-Patienten schlechter als DLB und MP+D ähnliche Leistungseinbußen in allen Auf- bei Kontrollen. Nur in ihrer selektiven akustischen Auf- gaben, wodurch sie sich deutlich von Patienten mit AD, merksamkeit lag die DLB-Gruppe im Niveau der AD- MP und normalen Kontrollen unterschieden. Gruppe, welche in akustisch getesteter Konzentration, selektiver visueller Aufmerksamkeit, Stroop-Test (Benen- Cormack et al. [33] gingen von zwei unterschiedlichen nen von Farben, in denen Farbworte gedruckt sind, wobei Schritten bei der Analyse eines visuellen Szenarios aus. diese Farbworte nie in der Farbe gedruckt sind, die dem Der erste Schritt, die visuelle Extraktion eines bestimmten Farbwort entspricht) und geteilter Aufmerksamkeit (Dual- Objektes, erfolgt automatisch und ohne besondere Auf- Performance-Test) den Patienten mit DLB überlegen war. merksamkeitsleistung. Dieser Prozeß wird auch als „Pop- out“ bezeichnet. Der zweite Schritt ist die Integration des Das episodische Gedächtnis wurde anhand der Fähigkeit Objektes in seine bildliche Umgebung, wobei verschie- zur Wiedergabe des Inhaltes zweier kurzer, 25 Elemente denste Bildpunkte nacheinander visuell abgetastet werden enthaltender Textpassagen beurteilt. Während Kontroll- müssen. Hierbei handelt es sich um den sogenannten personen 78 % des Gehörten wiedergeben konnten, waren „Top-down“-Prozeß, welcher nun nicht mehr automa- es bei DLB nur 28 % und bei der AD-Gruppe gar nur 4 %. tisch, sondern aufmerksamkeitsabhängig ist. Für jeden der Patienten mit AD waren somit durch ihre frühere und beiden Analyseschritte steht eine geeignete Testmethode schwerere Neugedächtnisstörung von Patienten mit DLB zur Verfügung. Bei der „parallelen Suche“, die den ersten abgrenzbar. Schritt des „Pop-out“ erfaßt, wird der Testperson das Ziel- objekt (roter Punkt) inmitten homogener Nebenobjekte Lambdon et al. beschrieben eine vergleichbare Beein- (grüne Punkte) präsentiert. Aufgabe ist es, innerhalb immer trächtigung von Patienten mit DLB und AD in Tests des kürzer werdender Zeitspannen, in denen das Bild darge- semantischen Gedächtnisses [31]. Basierend auf 64 Abbil- boten wird (200 ms, 400 ms, 800 ms) festzustellen, ob das dungen, deren Themen in 6 verschiedene Kategorien fie- Zielobjekt anwesend war oder nicht. Dabei ändern sich len (Haushaltsgeräte, Werkzeug, Fortbewegungsmittel, nicht nur die Zeitspannen, sondern auch die Anzahl der Tiere, Vögel, Früchte) mußten Bilder benannt, richtig aus- Umgebungsobjekte (grüne Kreise) in den verschiedenen gesucht, in Kategorien eingeteilt, sowie vom Patienten Durchgängen. Der zweite Schritt der visuellen Analyse, selbst Beispiele für die 6 verschiedenen Bereiche geliefert der „Serial Search“, wurde danach gemessen, wobei so- werden. Differenzierbar wurden die beiden Demenz- wohl homogene als auch inhomogene Objekte (grüne gruppen erst im „Kamel und Kaktus“-Test. Dabei mußte Punkte und rote Quadrate) das Zielobjekt umgeben. beispielsweise passend zu einem Kamel aus drei mögli- chen Vegetationen (Kaktus, Baum, Rose) die richtige aus- Die Fehlerquoten der DLB-Patienten waren sowohl bei gewählt werden, wobei die Themen entweder als ge- paralleler Suche als auch bei serieller Suche höher als die schriebene Wörter oder als Bilder angeboten wurden. Hier der AD- und MP-Patienten, außerdem zeigten sie ein an- ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen AD und deres Fehlermuster. Die Verschlechterung der visuellen DLB, wenn es um die Zuordnung von Bildern ging, die bei Suchleistung von DLB-Patienten gegenüber den anderen J. NEUROL. NEUROCHIR. 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Gruppen wurde vor allem in der parallelen Suche, also im sen. Keiner der 12 AD-Patienten erreichte die für die Be- „Pop-out“-Prozeß sehr deutlich. Läsionen im okzipito- stätigung von Fluktuationen nötige Punktezahl. Die gute temporalen Kortex verschlechtern das „Pop-out“, während Abgrenzung der beiden Gruppen wird auf die Abhän- sich Läsionen im okzipito-parietalen Kortex auf das „Top- gigkeit der Bewertung von bestimmten Schilderungen der down“ der visuellen Wahrnehmung auswirken. Die unter- Betreuer zurückgeführt. Aus diesem Grund lassen sich an- schiedlichen Ergebnisse könnten somit auf einen okzipito- hand der „One Day Fluctuation Assessment Scale“, die temporal betonten Funktionsausfall bei DLB mit relativer sich auf den Tag vor der Befragung bezieht, weniger gute Aussparung des Lobus parietalis im Vergleich zu AD zu- Unterschiede feststellen. Hier werden, mit Ausnahme rückgeführt werden. einer Frage, nur einfache Antworten mit „Ja“ oder „Nein“ verlangt. Qualitative Analysen von Berichten betreuender Angesichts der deutlichen Differenzierbarkeit des Fehler- Personen ergaben unterschiedliche Charakteristika für musters der DLB-Patienten beim visuellen Erkennen von Fluktuationen bei DLB und AD. Während DLB-Patienten Objekten könnte in Zukunft die Messung des visuellen vorwiegend eine spontane, das heißt situationsunabhän- „Pop-out“-Prozesses eine diagnostische Möglichkeit zur gige Verschlechterung ihrer kognitiven Funktionen und Erkennung einer DLB darstellen. Wachheit von kurzer Dauer aufweisen, zeigen AD-Patien- ten situationsabhängige und eher länger persistierende Fluktuationen Schwankungen, die oft als „gute“ bzw. „schlechte Tage“ Unter Fluktuationen versteht man Schwankungen der Auf- beschrieben werden. merksamkeit und Wachheit, wobei sich Episoden guter kognitiver Funktion, Orientiertheit und Vigilanz mit Episo- Ferman et al. [34] isolierten aus dem „Mayo Fluctuation den erhöhter kognitiver Einschränkung, Verwirrtheit, Questionnaire“ vier Charakteristika von Fluktuationen, in Lethargie und Somnolenz bis hin zum Stupor innerhalb denen sich DLB- und AD-Patienten besonders von einan- von Minuten, Stunden oder Tagen abwechseln [12, 34]. der unterschieden. Dazu gehören Schläfrigkeit und Lethar- Fluktuationen kommen bei 50–75 % der Patienten mit gie tagsüber, mehr als zwei Stunden Tagschlaf, Perioden, DLB jeden Stadiums vor [11] und können als spezifisches in denen die Patienten lange vor sich hin starren und Epi- Merkmal zur Abgrenzung einer DLB gegenüber einer AD soden mit unorganisierter Sprache. Liegen drei oder vier nützlich sein. Das setzt allerdings standardisierte Metho- dieser Symptome vor, handelt es sich in 83 % der Fälle um den zur Erfassung von Fluktuationen voraus, um falsche eine DLB. Interpretationen aus Berichten von betreuenden Personen zu vermeiden. Der Unterschied zwischen Fluktuationen Jede der angeführten Methoden dient der besseren Defini- bei DLB und denen anderer Demenzen ist sowohl quanti- tion von Fluktuationen, deren richtige Erfassung ein wich- tativer als auch qualitativer Natur und kann durch neuro- tiger Schritt bei der Diagnose einer DLB ist. physiologische Testbatterien und standardisierte Inter- views erfaßt werden. MRI Patienten mit DLB zeigen im kranialen MRI weniger me- Ballard et al. [35] untersuchten Patienten mit DLB, AD, diotemporale Atrophie als AD-Patienten [39–41], wohin- MP+D und MP mittels der „Cognitive Drug Research Com- puterised Batterie“ (CODGRAS-D), wobei „Single Reac- Tabelle 5: „Clinician Assessment of Fluctuation“ (mod. nach Walker et tion Time“, „Choice Reaction Time“, „Cognitive Reaction al. 2000 [37]) Time“ und „Digit Vigilance“ ermittelt wurden. Die Stan- „Fluktuierende Verwirrtheit“ oder „vermindertes Bewußtsein“ werden dardabweichungen der gemessenen Zeiten von mehreren durch eine positive Antwort auf eine oder beide der folgenden Fragen Durchgängen ergab den Fluktuationsgrad von Aufmerk- erfaßt: samkeit und kognitiver Funktion. DLB und MP+D zeigten (a) Zeigt der/die PatientIn eine spontane Verminderung seiner/ihrer ein sehr ähnliches Profil mit deutlich größerem Fluktua- Wachheit oder Konzentration, sieht er/sie zum Beispiel manchmal tionsgrad im Vergleich zu AD, MP und normalen Kontrol- schläfrig aus und starrt vor sich hin, so als ob er/sie nicht wüßte, was um ihn/sie herum vorgeht? len. In einer anderen Untersuchung mit derselben Metho- – Klare Beispiele sind Voraussetzung für eine positive Antwort. de, jedoch nur an DLB- und AD-Patienten geringerer – Sind solche Episoden innerhalb des letzten Monats aufgetreten? Schwere durchgeführt [36], wird vor allem auf die Spezifi- 0 = Nein 1 = Ja tät der kognitiven Reaktionszeit hingewiesen, da sie die (b) Schwankt der Grad der Verwirrtheit in letzter Zeit stark von Tag zu einzige Reaktionszeit darstellt, die nur bei DLB verlängert Tag oder von Woche zu Woche? Hat die Verwirrtheit beispielswei- ist, sich bei AD jedoch nicht signifikant von normalen se abgenommen und sich dann wieder verschlimmert, liegt also ein Auf und Ab dieser Symptomatik vor? Kontrollen unterscheidet. – Nur wenn klare Beispiele, die sich auf mindestens zwei unter- schiedliche Begebenheiten im letzten Monat beziehen, angege- Zur quantitativen und qualitativen Abgrenzung von Fluk- ben werden können, kann von Fluktuationen gesprochen werden. tuationen bei DLB auch schwer dementer Patienten dient 0 = Nein 1 = Ja die „Clinician Assessment of Fluctuation Scale“[37]. Fluk- Ist die obige Beurteilung fluktuierender Verwirrtheit positiv ausgefallen, tuationen werden hier durch positive Antworten betreuen- so sollte sich eine Beurteilung des Schweregrades der Fluktuationen der Personen auf Fragen nach den zwei wesentlichen Cha- anschließen: rakteristika von Fluktuationen und Angaben über Häufig- – Häufigkeit der fluktuierenden – Dauer der fluktuierenden keit und Dauer bestätigt. Die Antworten müssen dabei Verwirrtheit Verwirrtheit auch konkrete Beispiele für die erfragte Symptomatik ent- 1 = einmal pro Monat 0 = Sekunden 2 = monatlich–wöchentlich 1 = ≤ 5 Minuten halten, um positiv gewertet zu werden. Die Angaben be- 3 = wöchentlich–täglich 3 = ≥ 1 Stunde ziehen sich auf das Monat vor der Befragung. Die deutsche 4 = ≥ täglich 4 = ≥ 1 Tag Übersetzung der Skala ist in Tabelle 5 wiedergegeben. Gesamtbeurteilung des Schweregrades (= Häufigkeit × Dauer) Bradshaw et al. [38] konnten mit der „Clinician Assess- 0 = keine fluktuierende Verwirrtheit ment of Fluctuation Scale“ signifikante Fluktuationen für 12 = schwerwiegende fluktuierende Verwirrtheit 16 = kontinuierlicher Verwirrtheitszustand (keine Fluktuationen!) 77 % der untersuchten DLB-Patienten (n = 13) nachwei- 36 J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2006
Tabelle 6: Unterschiede zwischen DLB und AD in der kranialen MRI („regions of interest“) oder durch SPM (statistical para- • Relativ mehr medio-temporale Atrophie bei AD metric mapping) ist möglich [43]. • Relativ mehr Atrophie des Putamens bei DLB Als roter Faden in der nuklearmedizinischen Unterschei- dung zwischen DLB und AD erwies sich die okzipitale gegen es zu relativer Atrophie im Bereich des Putamen Hypoperfusion bei DLB, die nicht mit Lewy-Körperchen- kommt. Das MRI ermöglicht jedoch im Einzelfall keine Pathologie ebendort erklärt werden kann [44, 45]. Eine Diagnose der DLB (Tab. 6). mögliche Erklärung wären dopaminerge Defizite der Reti- na, sodaß der dadurch gestörte visuelle Input in den ge- Barber et al. [40] stellten mittels MRI fest, daß der hippo- nannten okzipitalen Regionen Hypoperfusion verursacht kampale und der parahippokampale Zellverlust (mediale [46, 47]. Dafür spricht auch, daß okzipitale Hypoperfu- Temporallappenatrophie) von Patienten mit AD signifikant sion auch bei MP ohne Demenz gefunden wird, wobei größer war als bei Patienten mit DLB. Im Hippokampus hier seit vielen Jahren ein retinales dopaminerges Defizit selbst konnten die genannten Volumenunterschiede für bekannt ist. Aber auch die cholinerge Aktivitätsabnahme seine gesamte Länge nachgewiesen werden. Bei DLB er- und ein selektiver Untergang cholinerger Neuronen im gaben sich positive Korrelationen zwischen CAMCOG- Nucleus basalis Meynert, der bei DLB ausgeprägter ist als Scores und dem Volumen der hippokampalen und para- bei AD, wurden als Ursache für die okzipitale Hypoperfu- hippokampalen Region sowie von Gyrus temporalis infe- sion diskutiert [45–48]. rior und Gyrus temporalis medius. Die Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses zeigte den stärksten Zusam- Insgesamt konnte, mit Ausnahme einer Untersuchung menhang mit den genannten Veränderungen. In allen un- [44], kein Zusammenhang zwischen okzipitaler Hypo- tersuchten Regionen (Hippokampus, parahippokampale perfusion und optischen Halluzinationen nachgewiesen Region, Gyrus fusiformis, G. temporalis inferior/medius, werden. Harding fand bei optischen Halluzinationen eine G. temporalis superior) korrelierte der Volumenverlust erhöhte Häufigkeit von Lewy-Körperchen im Temporal- auch mit dem Alter der DLB-Patienten. Dies wiederum lappen [49]. Nachdem die okzipitale Hypoperfusion auch könnte durch die mit dem Alter zunehmende AD-Patholo- bei MP auftreten kann, stellt sich die Frage einer dopaminer- gie bei vielen Patienten mit DLB erklärt werden. Es be- gen bzw. nigrostriatalen Ursache [45–47]. stand bei Patienten mit DLB kein Zusammenhang zwi- schen dem Ausmaß der Temporallappenatrophie und dem Nicht nur die unterschiedlichen Methoden der Analyse Auftreten von Halluzinationen. der mittels SPECT gewonnenen Daten, sondern auch Un- terschiede in der technischen Ausstattung und unter- Cousins et al. [41] unternahmen MRI-Studien zum Ver- schiedliche Patientenrekrutierung sind für Diskrepanzen gleich der Putamenvolumina von AD- und DLB-Patienten der Untersuchungsergebnisse verantwortlich, welche in sowie von Kontrollen. Für die absoluten Volumina ergab Tabelle 7 zusammengefaßt sind [43, 44, 46, 47, 50, 51]. sich eine signifikante Abnahme des Volumens in rechtem Frontale Hypoperfusion wurde nur in einzelnen Untersu- und linkem Putamen von Patienten mit DLB im Vergleich chungen beschrieben [43, 46]. Die Ergebnisse zur Diffe- zu nichtdementen Kontrollen. Weder die Differenz zwi- renzierung DLB von AD sprechen aufgrund eines hohen schen DLB- und AD-Patienten noch zwischen AD und Grades an Überlappungen gegen die diagnostische Ge- Kontrollen erreichte statistische Signifikanz. Aussagekräfti- nauigkeit der SPECT alleine, jedoch können die daraus ger als die absoluten Werte waren die Ratios zwischen gewonnenen Befunde den Verdacht auf eine DLB erhärten Putamenvolumen und totalem intrakraniellem Volumen, [44, 47]. welches bei AD im Vergleich zu DLB und Kontrollen ver- mindert war. Die Involution des Putamen bei AD dürfte PET Ausdruck generalisierter Hirnatrophie sein, wohingegen In Untersuchungen zur Darstellung der zerebralen Meta- sie bei DLB vom totalen intrakraniellen Volumen unab- bolismusrate von Glukose (CMRglc) mittels FDG ([18F]-2- hängig war. Trotzdem kann aufgrund der großen Überlap- Fluor-Desoxy-D-Glukose) und PET erwies sich, den Ergeb- pungen der Meßwerte der drei Gruppen die Atrophie des nissen der HMPAO-/ECD-SPECT entsprechend, der okzi- Putamens im individuellen Fall nur als diagnostisches pitale Hypometabolismus bei DLB im Vergleich zu AD als Hilfsmittel dienen. gemeinsamer Nenner. Daneben wurden zahlreiche ande- re Auffälligkeiten bei DLB mittels PET beschrieben. Neben MRI-Studien über den Nucleus caudatus [42] bei AD, DLB dem okzipitalen werden auch der parietale [52] und der und VD ergaben keine Differenzen zwischen den drei temporale Hypometabolismus als Merkmal der DLB im Gruppen. Auch konnte keine Assoziation von Parkinson- Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen von der Mehr- symptomen mit atrophischen Veränderungen des Nucleus zahl der Autoren beschrieben, wobei ja der herabgesetzte caudatus festgestellt werden. parietotemporale Energieverbrauch für die AD typisch ist [45]. Bei AD finden einige Autoren verminderten Stoff- Darstellung der regionalen Hirndurchblutung bei Demenz wechsel im posterioren Cingulum und mediotemporal mit Lewy-Körperchen [48, 53], während andere bei DLB weniger Aktivität im SPECT Cerebellum beschreiben [46, 48]. Imamura et al. [48] Der regionale zerebrale Blutfluß und infolgedessen die untersuchten den Zusammenhang zwischen okzipitalem Parenchymaktivität können durch Tracer wie 99mTc- HMPAO (99m Technetium-Hexamethylpropylen-Amino- oxim) oder 99mTc-ECD (99mTc-Ethyl-Cysteinat-Dimer) Tabelle 7: Wahrscheinliche Auffälligkeiten bei DLB im Durchblutungs- SPECT erfaßt werden, wobei 99mTc-HMPAO häufiger Verwen- dung findet. Die Analyse der mit einer Gammakamera auf- • Hypoperfusion okzipitaler Regionen bei DLB genommenen Bilder erfolgt in der Regel durch visuelle • Hypoperfusion temporaler Regionen bei DLB und AD Inspektion, eine relative Quantifizierung durch Ermittlung • Hypoperfusion parietaler Regionen bei DLB und AD der Perfusionsindizes bestimmter definierter Regionen J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2006 37
Hypometabolismus und Veränderungen im nigrostriatalen Polysomnographie dopaminergen System (siehe SPECT), indem sie die PET- Die bei Demenzen häufig auftretenden Schlafstörungen Messungen von DLB-Patienten ohne Parkinsonismus mit zeigen eine unterschiedliche Änderung des Schlafprofils, jenen mit Parkinsonismus verglichen. Es konnten keine je nachdem, ob es sich um eine AD oder eine DLB han- signifikanten Unterschiede festgestellt werden. delt. Unterschiede zwischen den beiden Gruppen konnten von Grace et al. [61] anhand von Fragebögen erhoben Sowohl Spezifität (91 %) als auch Sensitivität (86 %), mit werden, welche nächtliche Schlafstörungen („Pittsburgh denen die DLB von der AD abgegrenzt werden kann, sind Sleep Quality Inventory“ PSQI, Buysee et al. 1988), die bei der Feststellung eines okzipitalen Hypometabolismus Einschlafneigung tagsüber („Epworth Sleepiness Scale“ durch PET höher als bei SPECT-Technik. Bezüglich der ESS, Johns 1993) und die durch Schlafstörungen bedingte Sensitivität in der Diagnose einer DLB dürfte die FDG-PET- Belastung für die betreuenden Personen (aus dem „Neuro- Untersuchung aber nicht an die β-CIT- (FP-CIT-) Untersu- psychiatric Inventory“ NPI, Cummings et al. 1994) erfaß- chung, also die In-vivo-Abbildung der Degeneration dop- ten. Obwohl nur 20 AD- und 17 DLB-Patienten an der Stu- aminerger Neurone, heranreichen. die teilnahmen, unterschieden sich die beiden Gruppen deutlich in den bei der Beurteilung der drei erfragten Be- Darstellung des nigrostriatalen dopaminergen Systems reiche erreichten Punktezahlen. Sowohl die Störung des mittels SPECT bei Demenz mit Lewy-Körperchen Nachtschlafes als auch die Einschlafneigung untertags und Die Integrität des nigrostriatalen dopaminergen Systems die Last für die Betreuer wurden bei DLB schwerwiegen- kann mittels dopaminerger präsynaptischer Liganden wie der beurteilt als bei AD. Außerdem ergab sich bei den spe- 123J-β-CIT oder FP-CIT und SPECT dargestellt werden. zifischen Schlafproblemen eine stärkere Neigung der FP-CIT ist wegen seiner schnelleren Kinetik und seinem DLB-Patienten zu periodischen Bewegungen im Schlaf, damit kürzeren Injektions-Scan-Abstand (3–6 h anstelle Alpträumen und Verwirrung beim Erwachen. Keine Unter- von 20–30 h) praktisch von Vorteil. „Regions of interest“ schiede zeigten sich für die subjektive Schlafqualität, sind der Nucleus caudatus, das anteriore und posteriore Schlaflatenz und Schlafdauer. Putamen und der okzipitale Kortex. Radioaktive Ratios werden folgendermaßen gebildet: „FP-CIT-Bindung = STR/ Der Objektivierung von Schlafstörungen dient die Poly- OCC“, wobei STR die durchschnittliche Radioaktivität des somnographie (PSG). Hierbei zeigt sich für AD-Patienten Striatums als spezifische Region mit hohem Dopamin- ein gehäuftes Vorkommen von Schlafapnoe, eine Abnah- Rezeptorgehalt ist und OCC die mittlere Radioaktivität des me des REM-Schlafs sowie ein vermindertes Auftreten von Okzipitallappens als unspezifische Region mit niedrigem schlafspezifischen EEG-Mustern wie Schlafspindeln und oder keinem Dopamin-Rezeptorgehalt. K-Komplexen. Dagegen ist für die DLB der Verlust der für den REM-Schlaf typischen Muskelatonie kennzeichnend Patienten mit DLB und MP zeigen eine im Vergleich zu AD [61]. Bei dieser als „REM sleep behavior disorder“ (REM- deutlich reduzierte striatale radioaktive Bindung. Die FP- BD) bezeichneten Schlafstörung kann es sich entweder CIT-SPECT bzw. β-CIT-SPECT werden durchgehend [50, nur um eine elektromyographisch faßbare Erhöhung des 51, 54–58] als sensitive Methoden zur Sicherung der klini- Muskeltonus oder um komplexe motorische Aktivitäten, schen Diagnose einer DLB beschrieben. also Bewegungen, handeln. Oft werden die motorischen Phänomene von lebhaften Träumen begleitet, an die sich Die radioaktive Bindung am präsynaptischen Dopamin- die Betroffenen nach dem Erwachen noch deutlich erin- transporter grenzt die DLB nicht nur von der AD ab, es nern [62] (Tab. 8). ergeben sich auch interessante Unterschiede zu MP. Zwar zeigen DLB und MP insgesamt dasselbe Ausmaß an dop- Außer der DLB zeigen auch die Multisystematrophie, der aminergem Transporterverlust, jedoch findet man bei DLB MP, die spinozerebelläre Atrophie sowie die supranukle- eine geringere Caudatus:Putamen-Ratio [56, 59]. Dies äre Blickparese jene spezifische REM-BD [63]. Anderer- kann auf einer selektiven Degeneration von ventrolatera- seits wurde noch nie über das Auftreten einer REM-BD bei len, zum Putamen projizierenden Neuronen der Substan- reiner AD (ohne Lewy-Körperchen-Pathologie) berichtet. tia nigra bei MP beruhen. Eine solche Selektivität der dop- Das weist auf die Assoziation einer REM-BD mit Synuklei- aminergen Degeneration kann bei DLB nicht beobachtet nopathien hin. Dieser Zusammenhang konnte in retro- werden. Putamen und Nucleus caudatus sind hier glei- spektiven Studien von Boeve et al. [63] bestätigt werden. chermaßen betroffen, wodurch sich eine normale Cauda- Es wurden 15 autopsierte Fälle mit diagnostizierter REM- tus:Putamen-Ratio ergibt. Der dopaminerge Transporter- BD plus Demenz oder Parkinson-Symptomatik identi- verlust im Nucleus caudatus und die Degeneration der fiziert, wobei die neuropathologische Untersuchung in dorthin projizierenden, nigralen Neurone könnte auch 12 Fällen DLB und in 3 Fällen MSA lautete. In einer ande- kognitive und psychiatrische Symptome der DLB, die bei ren Studie zeigten 42 von 65 DLB-Patienten (65 %) und MP nicht vorkommen, erklären. nur 2 von 196 AD-Patienten (1 %) wahrscheinliche oder mittels Polysomnographie bestätigte REM-Schlaf-assozi- Weiters zeigt sich bei MP eine größere Asymmetrie der ierte Verhaltensauffälligkeiten. Aufgrund solcher Ergeb- dopaminergen Wiederaufnahme [56, 59, 60], welche nisse kann die REM-BD als ein Kriterium der DLB aner- mit den UPDRS-Scores korreliert [60]. Die Parkinson- kannt werden, welches bei der Abgrenzung von einer AD Symptomatik bei DLB entwickelt sich symmetrischer als hilft. bei MP. Zusammenfassend leistet die β-CIT-SPECT bzw. FP-CIT- Tabelle 8: Polysomnographie bei DLB und AD SPECT einen wichtigen Beitrag zur Diagnose einer DLB. • Schlafapnoe bei AD relativ häufig Auch wenn gelegentlich falsch positive Befunde vorkom- • REM-Schlafverminderung bei AD men dürften, ist die Sensitivität der Methode äußerst hoch • Verlust der Muskelatonie im REM-Schlaf bei DLB und kann eine DLB mittels unauffälligem β-CIT- (FP-CIT-) • Verlust der Muskelatonie im REM-Schlaf bei Synukleinopathien SPECT sehr verläßlich ausgeschlossen werden! 38 J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2006
Das Vorkommen einer REM-BD in Assoziation mit Synu- Auch in dieser Untersuchung wurden keine Korrelationen kleinopathien hängt mit der Lokalisation der Lewy-Körper- der myokardialen Befunde mit der Dauer der DLB oder chen-Pathologie zusammen. Die Physiologie des REM- dem Vorhandensein einer orthostatischen Hypotension Schlafes hängt von cholinergen Neuronen der pedunkulo- festgestellt. Die histologische und immunhistochemische pontinen Nuklei ab, welche unter inhibitorischem Einfluß Untersuchung von sympathischen Ganglien von 5 MP- des Locus coeruleus stehen und für die REM-Schlaf-assozi- Patienten ergab in 4 Fällen das Vorhandensein von Lewy- ierte Muskelatonie verantwortlich sind. So könnten Verän- Körperchen bei erhaltener Neuronenzahl. Zweimal zeigte derungen im Locus coeruleus im Rahmen einer Lewy-Kör- sich in der immunhistochemischen Darstellung ein Verlust perchen-Pathologie zu einer Dysregulation der genannten der Tyrosinhydroxylase in erhaltenen Nervenzellsomata cholinergen Neurone und somit zu einer RBD führen [63, (in 20–30 % der Neuronen). Da in nur einem Fall ein Neu- 64]. Diesbezüglich ist auch der Zeitpunkt des Auftretens ronenverlust bestand, scheint die Denervation vor dem der REM-BD interessant. Schlafstörungen und REM-BD bei tatsächlichen Neuronenverlust einzutreten. DLB, MP und MSA gehen der Demenz bzw. Parkinson- Symptomatik oft um Jahre, manchmal sogar um Jahrzehnte Auch für die DLB wird die Anwesenheit von Lewy-Körper- voraus, was die sequentielle Ausbreitung der Pathologien, chen-Pathologien in den autonomen Ganglien, wie sie bei kaudal im Hirnstamm beginnend, widerspiegeln könnte MP beobachtet wird, angenommen. Die aus der Untersu- [63]. Parasomnien sind dabei nicht obligat, es gibt auch chung von Suzuki et al. [67] hervorgehende stärkere sym- subklinische bzw. präklinische Formen der REM-BD, die pathische Denervation bei DLB im Vergleich zu MP könn- sich nur im EMG an einer erhöhten phasischen oder toni- te einerseits auf einem stärkeren Befall von sympathischen schen Muskelaktivität zeigen und erst Jahre später in Form Grenzstrangganglien bei DLB beruhen, andererseits könn- von Schlafstörungen symptomatisch werden. Die PSG ten auch hippokampale Strukturen als zentrale Steue- eröffnet somit die Möglichkeit einer Verdachtsdiagnose rungsstelle autonomer Funktionen und die dortige Lewy- „subklinische DLB“, und könnte zur sekundären Präven- Körperchen-Pathologie eine Rolle spielen. tion dieser Demenz durch vorzeitige medikamentöse Behandlung mit Cholinesterasehemmern beitragen, was Die sich durch die frühe sympathische Denervation bei jedoch noch der Untersuchung harrt [63]. DLB ergebenden deutlichen Unterschiede zwischen DLB und AD in der myokardialen [I-123]-MIBG-Szintigraphie [I-123]-MIBG-Myokardszintigraphie könnten diese Untersuchung zu einer Methode zur frühen Metaiodobenzylguanidine (MIBG) ist ein physiologisches Erkennung einer DLB machen. Analogon des Noradrenalins und wird somit aktiv in sympathische Nervenendigungen aufgenommen. Mittels [I-123]-MIBG-Szintigraphie können Schädigungen myo- Zur Therapie der Demenz kardialer sympathischer Nervenfasern unterschiedlicher mit Lewy-Körperchen Genese (Herzerkrankungen, Neuropathien) dargestellt werden. Als Vergleichsregion gegenüber dem Myokard Das Erkennen einer DLB ist wichtig, um rechtzeitig die dient das Mediastinum, wobei sich im Normalzustand pharmakologische Intervention in Form des Cholinesterase- eine szintigraphische Herz/Mediastinum- (H/M-) Ratio von hemmers Rivastigmin zu beginnen und Komplikationen ca. 2 ergibt. durch Neuroleptika oder Anticholinergika möglichst zu vermeiden [24]. Etwa 50 % aller mit Neuroleptika behan- Während sich die H/M-Ratios von AD-Patienten nicht von delten DLB-Patienten zeigen teils lebensbedrohliche Re- jenen altersgleicher Kontrollen unterscheiden, sind sie aktionen im Sinne einer Neuroleptikasensitivität, wie sie hingegen bei DLB-Patienten deutlich niedriger [65, 66]. auch bei Patienten mit MP gefürchtet sind. Dazu gehören Diese Reduktion ist nicht an das Vorhandensein von ve- erhöhte Rigidität, Immobilität und Sturzneigung sowie getativen Symptomen, wie zum Beispiel orthostatischer Bewußtseinsstörungen bis hin zum Koma, Sedierung und Hypotension, gebunden. Intensivierung oder Neuauftreten neuropsychiatrischer Symptome. Die geringe Dichte striataler postsynaptischer Bei verminderten H/M-Ratios in der [I-123]-MIBG-Szinti- D2-Rezeptoren bei DLB könnte hierbei eine Rolle spielen graphie handelt es sich um eine Gemeinsamkeit von DLB (Tab. 9). und MP. In einer Untersuchung von Suzuki et al. [67] zeig- ten allerdings DLB-Patienten (H/M ~1,25) gegenüber MP- Obwohl atypische Neuroleptika ein niedrigeres Risiko für Patienten (H/M ~1,58) eine noch stärkere Verminderung die genannten Überempfindlichkeitsreaktionen aufwei- ihrer H/M-Ratios, wobei sich auch Patienten mit MP in der sen sollen, sind auch außer für Quetiapin Berichte über [I-123]-MIBG-Aufnahme von den Kontrollen (H/M ~2,08) schwere Folgen neuroleptischer Sensitivität bekannt [21, unterschieden. Im Gegensatz zu MP korreliert die Reduk- 69, 70]. Darüber hinaus kann sich bei Patienten mit DLB tion der H/M-Ratios bei DLB nicht mit dem Hoehn-und- auch die anticholinerge Wirkung von Clozapin und Olan- Yahr-Stadium der Parkinson-Symptomatik. So scheint es zapin stärker auswirken als bei AD, VD oder MP. im Krankheitsverlauf der DLB früher als bei MP zu einer sympathischen Denervation des Myokards zu kommen. Auch die immunhistochemische Darstellung der Tyrosin- Tabelle 9: Medikamentöse Besonderheiten bei Demenz mit Lewy- Körperchen hydroxylase (TH) in sympathischen Nervenendigungen des Myokards bestätigte eine Denervation als Merkmal der • Cave: Anticholinergika Lewy-Körperchen-Krankheiten. Im Myokard von MP- und • Cave: klassische Neuroleptika („Neuroleptikasensitivität“) DLB-Patienten sowie von DLB-Patienten mit begleitender • Cave: atypische Neuroleptika (Ausnahme: Quetiapin) Alzheimer-Pathologie konnten Orimo et al. [68] einen fast • Gutes Ansprechen auf den Acetylcholinesterase-Hemmer Rivastigmin vollständigen Verlust von TH-immunoreaktiven Nervenfa- • Memantine nicht empfohlen sern nachweisen, während sich bei AD, PSP und MSA kei- • Dopaminagonisten nicht empfohlen ne Hinweise auf eine sympathische Denervation ergaben. J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 1/2006 39
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