Medikamentöse Therapie des fortgeschrittenen M. Parkinson - www.kup.at
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Medikamentöse Therapie des Homepage: fortgeschrittenen M. Parkinson www.kup.at/ Katzenschlager R JNeurolNeurochirPsychiatr Journal für Neurologie Online-Datenbank mit Autoren- Neurochirurgie und Psychiatrie und Stichwortsuche 2004; 5 (2), 25-33 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
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Medikamentöse Therapie des fortgeschrittenen M. Parkinson R. Katzenschlager Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten mit M. Parkinson treten nach längerer Krankheitsdauer Komplikationen auf, die sowohl motorisch sein können, wie Fluktuationen und Dyskinesien, als auch oft nichtmotorische Systeme betreffen, wie autonome Störungen, neuropsychiatrische Probleme, Schlafstörungen, Dysarthrie und Schmerzsyndrome. In späten Stadien führen diese oft zu stärkerer Behinderung als die motorischen Probleme. Obwohl derzeit noch keine therapeutischen Interventionen zur Verfügung stehen, die den Krankheitsverlauf selbst nachweisbar beeinflus- sen, kann eine Reihe von Medikamenten zu einer wesentlichen symptomatischen Besserung führen. L-Dopa behält seinen Platz als Goldstandard der dopaminergen Ersatztherapie, auch aufgrund seiner relativ günstigen Verträglichkeit beim fortgeschrittenen M. Parkinson. Individuell abgestimmt können Dopaminagonisten, COMT-Hemmer, MAO-Hemmer und Glutamatantagonisten zum Einsatz kommen, während der Anwendungsbereich von Anticholinergika aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils zunehmend als eingeschränkt betrachtet werden muß. Bei ansonsten therapierefraktären motorischen Komplikationen bestehen mit der kontinuierlichen subkutanen Apomorphintherapie sowie den stereotaktischen Eingriffen weitere Optionen. Schlüsselwörter: Morbus Parkinson, Therapie, motorische Komplikationen Drug Treatment of Advanced Parkinson’s Disease. In the majority of patients with Parkinson’s disease (PD), complications occur after a disease duration of several years. Motor complications include fluctuations and dyskinesias. Non-motor complications such as autonomic dysfunction, neuropsychiatric problems, sleep disturbance, dysarthria and pain syndromes can cause more disability in later stages than the primary motor symptoms. Although therapeutic interventions with proven disease-modifying properties are not yet available, a number of drug treatments can be used to achieve symptomatic improvement. L-dopa remains the gold standard in dopaminergic treatment, partly due to its relatively good tolerability in advanced PD. Other drugs such as dopamine agonists, COMT inhibitors, MAO inhibitors and antiglutamatergic substances must be tailored individually to each patient’s needs, while the role of anticholinergics is increasingly diminishing due to a number of undesirable adverse effects. For refractory motor complications, continuous subcutaneous apomorphine therapy as well as stereotactic surgery are further treatment options. J Neurol Neurochir Psychiatr 2004; 5 (2): 25–33. Key words: Parkinson’s disease, treatment, motor complications I n den ersten Jahren nach Symptombeginn ist der M. Par- kinson in nahezu allen Fällen durch gutes bis ausge- zeichnetes Ansprechen auf dopaminerge Ersatztherapie lang (wahrscheinlich etwa 3 Wochen) andauernden Wir- kung einer Einzelgabe von L-Dopa während der ersten Behandlungsjahre, deren zugrundeliegender Mechanis- gekennzeichnet, die motorischen Symptome bleiben zu- mus noch nicht zur Gänze geklärt werden konnte. nächst stabil auf dem durch die medikamentöse Behand- Im weiteren Verlauf treten bei manchen Patienten die lung erzielten Niveau („Honeymoon-Periode“). Dies ent- subjektiv oft wesentlich belastenderen „nicht vorherseh- spricht der weitgehenden Beschränkung des Neuronen- baren OFFs“ auf (der Begriff ON-OFF-Fluktuationen um- verlustes und der Ablagerung von Lewy-Körperchen auf faßt sowohl diese als auch die vorhersehbaren OFFs am die Substantia nigra in dieser Phase. Dosisende). Ein Teil (ca. 30–80 %) der Parkinson-Patienten Mit zunehmender Erkrankungsdauer schreitet der neu- entwickelt unfreiwillige Bewegungen (Dyskinesien) [1–3]. rodegenerative Prozeß fort und dehnt sich vom dopamin- Vereinzelt wurden bei Patienten mit frühem Krankheitsbe- ergen Transmittersystem auf andere Systeme aus. Klinisch ginn auch höhere Dyskinesieraten (bis zu 100 %) berichtet kann dies zur Entstehung von Problemen führen, die auf [4]. Diese treten während der Zeiten guter dopaminerger dopaminerge Therapie nicht oder nur gering ansprechen: Wirksamkeit einer Einzeldosis am weitaus häufigsten auf Dies sind vor allem neuropsychiatrische Probleme (De- (Peak dose-Dyskinesien), sie können seltener auch (über- menz, Depression, psychotische Symptome), Gleichge- wiegend) zu Wirkungseintritt und/oder bei abklingender wichtsstörungen, Dysarthrie, Dysphagie und autonome Wirkung vorhanden sein (biphasische Dyskinesien). Phä- Störungen. nomenologisch stehen meist choreatische Bewegungen Daneben wird das Management des M. Parkinson im (üblicherweise auf der vom Parkinson stärker betroffenen fortgeschrittenen Stadium in vielen Fällen auch durch das Seite) im Vordergrund; Dystonien können im OFF, aber Auftreten von motorischen Komplikationen erschwert. Die auch im ON auftreten und sind dann im Vergleich zu den früheste Manifestation ist in den meisten Fällen ein vom viel häufigeren OFF-Dystonien weniger fixiert und selte- Patienten erkennbares Nachlassen der Wirkung einer ein- ner schmerzhaft. zelnen Dosis der Parkinsonmedikation am Ende des Nach heutigem Kenntnisstand hängt das Auftreten aller Dosierungsintervalls (Wearing-off). Damit hat der Patient motorischen Komplikationen von mehreren Faktoren ab: das Stadium der ON-OFF-Fluktuationen erreicht. Dies Das Alter des Patienten zu Krankheitsbeginn sowie Aus- wird nicht immer spontan berichtet und muß manchmal maß und Geschwindigkeit des Verlustes dopaminerger gezielt erfragt werden. Um auch nichtmotorische OFF- Neuronen spielen eine entscheidende Rolle. Es scheint Symptome zu erfassen, muß unter Umständen auch die aber heute gesichert, daß auch Art, Dauer und Dosierung Formulierung verwendet werden, ob es Symptome gibt, der oralen Antiparkinson-Medikation zur Wahrscheinlich- die regelmäßig durch die Einnahme von Parkinson-Medi- keit von motorischen Komplikationen beitragen [5]. Zahl- kamenten verbessert werden. reiche Hinweise aus Tierversuch und Klinik deuten auf Diese verkürzte Wirkdauer einer Einzeldosis entspricht eine wesentliche Bedeutung einer unphysiologischen, dem Verschwinden der „long duration response“ auf pulsatilen Stimulation der Dopaminrezeptoren als einen L-Dopa. Darunter versteht man die Nachweisbarkeit einer der auslösenden Faktoren [6, 7]. Aus der Neurologischen Abteilung, Donauspital/SMZ-Ost, Wien Korrespondenzadresse: Dr. med. Regina Katzenschlager, Neurologische Abteilung, Donauspital/SMZ-Ost, 1220 Wien, Langobardenstraße 122; E-Mail: regina.katzenschlager@wienkav.at J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 2/2004 25 For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Das Auftreten motorischer Komplikationen bedeutet in Medikamentöse Therapieoptionen beim den meisten Fällen den Beginn einer Phase, in welcher die fortgeschrittenen M. Parkinson medikamentöse Einstellung des M. Parkinson zunehmend schwieriger wird und ganz auf die Bedürfnisse des einzel- L-Dopa/Decarboxylasehemmer nen Patienten abgestimmt werden muß. L-Dopa ist (in Kombination mit einem Decarboxylase- Neben den Schwankungen im motorischen Zustand hemmer) auch über 40 Jahre nach seiner Einführung die treten bei vielen Patienten auch andere, nichtmotorische wirksamste Substanz unter den Parkinsonmedikamenten. Symptome auf, welche häufig mit OFF-Phasen assoziiert In fortgeschrittenen Stadien des M. Parkinson behält L-Dopa sind und oft verkannt werden (Tab. 1 und 2). In manchen seinen Stellenwert im Management, vor allem aufgrund Fällen (gastrointestinale Symptome, Sensibilitätsstörun- seines relativ günstigen Verträglichkeitsprofils bei Vorlie- gen, Schmerzsyndrome) kann die Diagnose erst nach Aus- gen von neuropsychiatrischen Komplikationen oder ortho- schluß anderer organischer Ursachen mit Sicherheit ge- statischer Hypotonie. Seine Wirksamkeit auf die motori- stellt werden. Diese Probleme können für die Patienten schen Kardinalsymptome des M. Parkinson bleibt auch genauso belastend sein, wie die meist offensichtlicheren nach mindestens 10jähriger Krankheitsdauer in vollem motorischen Schwankungen. Eine rezente Studie zeigt, Umfang erhalten [9]. Die Schwierigkeiten der L-Dopa- daß nach 15jähriger Krankheitsdauer nichtmotorische Langzeittherapie ergeben sich einerseits aus motorischen Symptome ein weitaus größeres Managementproblem dar- Komplikationen und andererseits aus Problemen, die schon stellen als motorische Fluktuationen und Dyskinesien [8]. primär nicht auf L-Dopa ansprechen. Slow-release- (CR-) Präparate können bei Wearing-off manchmal mit Erfolg eingesetzt werden und zu einer län- geren Wirkdauer der Einzeldosen führen. Allerdings ist die gastrointestinale Resorption dieser Präparate (um ca. 30 %) Tabelle 1: Das Spektrum klinischer Probleme beim fortgeschrittenen M. Parkinson geringer als bei Standard-L-Dopa und weniger zuverlässig, was zu weniger gut kalkulierbarem klinischem Effekt füh- 1. Motorische Spätkomplikationen ren kann. • Fluktuationen Lösliche L-Dopa-Präparate haben den Vorteil eines – Wearing-Off = vorhersehbare Fluktuationen raschen und meist sehr zuverlässigen Wirkungseintritts, – Unvorhersehbare Fluktuationen was bei plötzlich oder überraschend eintretenden OFF- • Nicht in erkennbarem zeitlichem Zusammenhang mit Medika- Phasen, unangenehmen OFF-Symptomen und vor allem bei menteneinnahme • OFF-Symptomatik, während noch volle Medikamentenwirkung schmerzhaften OFF-Dystonien, welche überwiegend früh- zu erwarten ist morgens auftreten, von Vorteil sein kann. Lösliches L-Dopa • „Failure to switch on“ = völliges Ausbleiben der Wirkung einer kann auch als erste Dosis nach dem Aufwachen hilfreich einzelnen Dosis sein, um schneller das morgendliche OFF zu beenden. • Dyskinesien – Peak-dose-Dyskinesien Dopaminagonisten • Am häufigsten, während der gesamten oder eines Teiles der ON-Phase Die in Österreich zur Verfügung stehenden oral einzuneh- • Meist choreatisch, aber dystone Komponente möglich menden Substanzen sind Bromocriptin (Umprel), Lisurid – Biphasische Dyskinesien (Dopergin), Pergolid (Permax), Ropinirol (Requip), • Während Anflutungs- und Abklingphase nach einer einzelnen Cabergolin (Cabaseril) und Pramipexol (Sifrol). Für alle Medikamenteneinnahme stehen ausreichend Daten hinsichtlich Wirksamkeit und • Oft verbunden mit Peak-dose-Dyskinesien, diese aber weniger Sicherheit in der Indikation M. Parkinson mit motorischen stark ausgeprägt – Dyskinesien während der OFF-Phase Fluktuationen zur Verfügung [10–14]. Alle oralen Dop- • Fast immer dyston, häufig schmerzhaft, meist auf der stärker aminagonisten sind schwächer wirksam als L-Dopa. Sie betroffenen Körperseite führen aber in der Additivtherapie zusammen mit L-Dopa • Typisches Beispiel: Morgen-Dystonie (schmerzhaftes Ver- zu einer signifikanten Verbesserung des motorischen krampfen von Zehen oder Fuß) Zustandes mit Verlängerung der täglichen ON- und Ver- • Freezing kürzung der OFF-Zeit [10–14] (wenn auch bei den älteren – Im OFF: oft auch in frühen Stadien vorhanden dieser Substanzen, zum Beispiel Bromocriptin, der Nach- – Im ON: Spätkomplikation weis dieser Wirksamkeit nicht auf Studien beruht, die den 2. Nichtmotorische Spätkomplikationen heutigen methodologischen Standards entsprechen) [15]. • Neuropsychiatrische Probleme Die Wahl eines bestimmten Agonisten richtet sich nach in- – Depression dividueller Verträglichkeit und Wirksamkeit. – Psychose, Demenz An klinisch relevanten Nebenwirkungen ist aufgrund – Dysregulationssyndrom („Hedonistisch-homöostatische Dysregula- des erhöhten dopaminergen Angebots eine Zunahme be- tion“: L-Dopa-Selbstmedikation mit psychischer Abhängigkeit und manieartigen Symptomen) – Apathie, Abulie Tabelle 2: Nichtmotorische OFF-Symptome • Schlafstörungen, exzessive Tagesmüdigkeit Reversibel auf dopaminerge Medikamentendosis • Autonome Störungen • Dysautonom – Blasen-, Sexualfunktion • Mental/psychisch – Obstipation • Sensorisch/Schmerz – Orthostatische Dysregulation Am häufigten [Witjas et al., Neurology 2002] – Dysphagie • Angst – Temperaturregulation, Schwitzen • Schweißausbrüche – Seborrhoe • Verlangsamtes Denken • Gleichgewichtsprobleme, Stürze • Erschöpfungsgefühl • Dysarthrie • Innere Unruhe • Schmerzen, sensorische Störungen • Reizbarkeit 26 J. 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reits bestehender Dyskinesien oder das Neuauftreten von abreichten Injektionen finden sich in der Literatur Reduk- Dyskinesien möglich. In beiden Fällen kann versucht wer- tionen der täglichen OFF-Zeit von rund 50 % [21–23]. den, durch Reduktion der L-Dopa-Dosis oder durch Um- verteilung der Zeitintervalle zwischen den Einnahmen ei- Kontinuierliche subkutane Infusionstherapie – antidys- nen Kompromiß zu finden zwischen ON-Zeit-Verlänge- kinetische Therapie rung und eventuellen Dyskinesien. Patienten, die sehr viele tägliche Injektionen benötigen Weitere mögliche Nebenwirkungen sind allen dop- oder bei denen Schwierigkeiten mit der Spritzenhand- aminerg wirksamen Substanzen eigen: Neuropsychiatri- habung bestehen, profitieren häufig von einer kontinuierli- sche Symptome können neu auftreten oder zunehmen; chen subkutanen Verabreichung mittels eines Pumpen- Halluzinationen fanden sich in den meisten Studien signi- systems. Die Applikation erfolgt meist während des gan- fikant häufiger als mit L-Dopa. Übelkeit, orthostatische zen Wachtages; in manchen Fällen kommen auch nächtli- Kreislaufdysregulation sowie Knöchel- und Beinödeme che oder 24-Stunden-Verabreichungen in Frage. sind möglich. Bei den Substanzen mit ergoliner Struktur Die wesentliche Sonderstellung dieser Verabreichungs- (Bromocriptin, Pergolid, Cabergolin) besteht darüber hin- form liegt jedoch darin, daß damit – im Gegensatz zu allen aus ein kleines Risiko von Lungen- und Pleurafibrosen. anderen nichtchirurgischen Behandlungsmöglichkeiten – Wie kürzlich berichtet [16], scheinen Herzklappenverän- das Prinzip der intermittierenden Rezeptorstimulation ver- derungen unter Pergolid häufiger aufzutreten als ursprüng- lassen wird und nahezu kontinuierliche Spiegel einer dop- lich vermutet. Die unter der Therapie mit Dopaminagoni- aminergen Substanz am Wirkort erreicht werden können. sten erstmals berichteten Episoden ungeplanten Einschla- Daß sich dies – wie vom theoretischen Hintergrund her zu fens tagsüber [17] sind bei fast allen Dopaminagonisten, erwarten – auch in der praktischen Anwendung in einer aber auch unter L-Dopa-Monotherapie beobachtet wor- wesentlichen Reduktion von Dyskinesien ausdrückt, wurde den. In bisherigen Untersuchungen fanden sich diesbe- erst vor kurzem bestätigt [24]. Voraussetzung dafür ist es, züglich keine konsistenten Unterschiede zwischen den konsequent und über Monate die orale Medikation so weit einzelnen Agonisten [18, 19]. wie möglich zu reduzieren oder (zumindest tagsüber) ganz abzusetzen (= Apomorphin-Monotherapie). Ein Literatur- Apomorphin überblick zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Apomorphin hat insofern eine Sonderstellung unter den zusätzlicher oraler Medikation (vor allem der Gesamt-L- Dopaminagonisten, als es als einziger Agonist eine ebenso Dopa-Dosis) und dem Effekt auf Dyskinesien [21–23, 25, starke Wirkung auf die motorischen Parkinson-Symptome 26]. aufweist wie L-Dopa; andererseits muß die Substanz par- Eine langdauernde kontinuierliche subkutane Apomor- enteral verabreicht werden. Der hohe First-pass-Metabo- phintherapie führt zu keiner wesentlichen Steigerung der lismus macht hohe orale Dosen erforderlich, welche zu mittleren täglichen Dosis (rund 100 mg) [24, 27]. Die schlechter Verträglichkeit und möglicherweise Nephro- meisten Zentren berichten von einer etwa 50%igen Reduk- toxizität führen. tion der OFF-Zeit während des wachen Tages. Im Gegen- Apomorphin wurde im 19. Jahrhundert in der Veteri- satz zur intermittierenden Injektionstherapie können aber närmedizin verwendet und bereits 1951 in der Parkinson- bei Patienten, die Monotherapie erreichen, oft beträchtli- Therapie versucht. Die Einführung von L-Dopa drängte die che Verbesserungen der Dyskinesien erzielt werden: Nach Entwicklung anderer Therapien jedoch zunächst in den einem Jahr lagen die mittlere Reduktion der Dyskinesie- Hintergrund. Als in den 1970er Jahren die mit L-Dopa ver- dauer bei 85 % und die Reduktion der Behinderung durch bundenen Langzeitkomplikationen zum Vorschein traten, Dyskinesien bei 65 % [24]. Nach weiterem Follow-up bis erwachte neuerlich Interesse an Apomorphin. Erst die zu neun Jahren lag die mittlere Reduktion des Dyskinesie- Reduktion von Nebenwirkungen durch Domperidon schweregrades weiterhin bei 64 % [27]. Von den insge- (Motilium), ein Blocker der peripheren Dopaminrezepto- samt 64 Patienten dieser Serie hatten 45 Monotherapie er- ren [20], ermöglichte die breitere Anwendung. reicht. Diese Zahlen liegen somit durchaus in einem ver- gleichbaren Bereich wie in der Literatur zu stereotakti- Intermittierende subkutane Injektionstherapie schen Intervention beim M. Parkinson, insbesondere der Die heute verbreitetste Applikationsform ist subkutan. subthalamischen Stimulation. Die Bioverfügbarkeit erreicht hier fast 100 %. Die Wir- kung tritt 5–20 Minuten (selten maximal 60 Minuten) nach Nebenwirkungen Einzelinjektion ein und hält für durchschnittlich 40 (maxi- • Haut: Alle subkutanen Verabreichungsformen, jedoch mal 90) Minuten an. Diese Therapieform eignet sich als wesentlich häufiger die kontinuierliche Infusionsthera- Rescue-Methode bei Fluktuationen, wenn möglichst rasch pie, können zu Hautreaktionen mit Rötungen, Knoten- der OFF-Zustand beendet werden soll, oder bei unvorher- bildungen und, sehr selten, Ulzerationen oder Abszes- sehbaren OFFs. Weitere Indikationen sind die (oft sen führen. Die genaue Ursache ist nicht bekannt; schmerzhaften) OFF-Dystonien, nichtmotorische unan- histologisches Substrat ist eine fokale Pannikulitis. genehme OFF-Symptome sowie manchmal auch Begin- • Hämatologisch: Autoimmunologisch bedingte hämoly- ning- oder End-of-dose-Dyskinesien, um die Phase des tische Anämie ist eine seltene, aber ernstzunehmende Anflutens oder Absinkens von oralem L-Dopa möglichst Nebenwirkung. Sie kann prinzipiell zu jedem Zeitpunkt kurz zu halten. auftreten, wodurch Kontrollen von Blutbild und Coombs- Der Effekt beim einzelnen Patienten ist prinzipiell gleich Test notwendig bleiben. Es gibt wenige Zahlen in der wie der L-Dopa-Effekt, da Apomorphin als subkutane Injek- Literatur zur Häufigkeit dieser Komplikation: 12,5 % tion den Wirkungsablauf von L-Dopa in zeitlich gedräng- von 64 Patienten aus der Londoner Serie [27] waren zu ter Form widerspiegelt. Dies betrifft sowohl die Besserung irgendeinem Zeitpunkt Coombs-positiv, während nur der Motorik als auch die Induktion von Dyskinesien [21]. eine Patientin eine schwere (aber reversible) hämolyti- Daraus ergibt sich, daß bei Patienten mit behindernden sche Anämie entwickelte. Wenning (1999) berichtete Peak-dose-Dyskinesien die Indikation zur intermittieren- von 4 von 16 Patienten mit hämolytischer Anämie [26]. den Injektionstherapie sehr vorsichtig gestellt werden muß. • Neuropsychiatrisch: Wie jede dopaminerg wirksame In Abhängigkeit von der mittleren Anzahl der täglich ver- Substanz kann Apomorphin neuropsychiatrische Sym- J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 2/2004 27
ptome hervorrufen oder verschlechtern. Allerdings gibt empfunden wird. Ein seit kurzem erhältliches Kombina- es zunehmend Berichte von seltenerem Auftreten die- tionspräparat von L-Dopa, einem Decarboxylasehemmer ser Symptome im Vergleich zu L-Dopa und anderen und Entacapone (Stalevo) ist in drei verschiedenen Dosie- Agonisten und von Verbesserungen vorbestehender rungen verfügbar und hat sich in bisherigen Studien als gut Symptome nach Umstellen auf Apomorphin [27, 28]. verträglich und leicht zu handhaben erwiesen [37, 38]. • Übelkeit, orthostatische Kreislaufdysregulation: Diese sprechen auf Blockade peripherer Dopaminrezeptoren Amantadin mit Domperidon an und zeigen daneben bei vielen Amantadin war ursprünglich als antivirales Medikament Patienten eine Tendenz zur Spontanremission. im Einsatz, der klinische Effekt auf die motorischen Parkin- sonsymptome ist einer zufälligen Beobachtung an einem Neben dem subkutanen Zugangsweg wurden intranasale, Patienten zu verdanken. In der Parkinsontherapie wird es sublinguale und rektale Applikation untersucht und wegen seit 1969 verwendet. Der genaue Wirkmechanismus ist lokaler Reaktionen zunächst aufgegeben; eine neuartige noch nicht zur Gänze aufgeklärt. Im Vordergrund steht intranasale Präparation ist derzeit im Untersuchungssta- jedenfalls eine antiglutamaterge Wirkung am N-Methyl-D- dium [29]. Erfahrungen mit intravenöser Applikation (bei Aspartat-(NMDA-)Rezeptor; daneben gibt es Hinweise auf kutanen Resorptionsproblemen) zeigten zwar sehr gute eine Hemmung der Wiederaufnahme und vermehrte Frei- motorische Effekte, aber ein hohes Risiko thrombotischer setzung von L-Dopa im synaptischen Spalt sowie eine Komplikationen, sodaß dieser Zugang derzeit nicht für die mögliche anticholinerge Wirkkomponente. Nach der Ent- Praxis empfohlen werden kann [30]. wicklung anderer Präparate mit zum Teil stärkerer dop- Auf ähnlicher Wirkungsweise beruhen die Erfolge mit aminerger Wirksamkeit trat Amantadin zunächst in den duodenaler L-Dopa-Dauerinfusion, die in manchen skan- Hintergrund. Der Nachweis seiner antidyskinetischen dinavischen Ländern angewendet wird, bei uns aber Effekte hat jedoch das Interesse an der Substanz in den derzeit nicht zur Verfügung steht. letzten Jahren deutlich belebt. Bei M. Parkinson mit motorischen Fluktuationen hat COMT-Hemmer eine randomisiert-kontrollierte Studie eine zwar mäßiggra- COMT-Hemmer wirken über die Blockade eines der peri- dige, aber statistisch signifikante Reduktion der täglichen pheren Abbauwege von L-Dopa, die Catechol-O-Methyl- OFF-Zeit demonstriert [39]; eine kleinere Studie berichtete Transferase, und bewirken dadurch eine längere Verfüg- keinen signifikanten Unterschied [40]. barkeit von L-Dopa. Während sich die Halbwertszeit um Einige frühe Studien untersuchten Amantadin als Add- 30–50 % verlängert, kommt es zu keiner Verzögerung des on zu Anticholinergika. Mehrere randomisiert-kontrollierte Wirkungseintritts und nur zu einer geringen Erhöhung der Studien, die auch Patienten mit fortgeschrittener Erkran- Maximalspiegel bei mehrfacher Gabe im Tagesverlauf. kung umfaßten, zeigten zwar mäßiggradige, aber im Ver- Der Effekt auf CR-L-Dopa-Präparate ist vergleichbar mit gleich zu Placebo signifikant bessere motorische Resultate dem auf Standardpräparate [31]. mit Amantadin; dies betraf auch die Präferenz der Patien- Der einzige derzeit in der EU zugelassene Vertreter ten [41–46]. dieser Gruppe ist Entacapone (Comtan), nachdem Tol- Mehrere, meist kleinere randomisiert-kontrollierte Stu- capone (Tasmar) aufgrund seltener – aber in drei Fällen dien haben eine signifikante Reduktion von Dyskinesien letaler – Hepatotoxizität suspendiert wurde (in anderen unter Amantadin berichtet: Eine tägliche Dosis von 300 mg Ländern, z. B. den USA, ist Tolcapone bei strenger Indika- führte zu 50%iger Dyskinesiereduktion [40]. Andere Grup- tionsstellung weiter erhältlich). pen zeigten ähnliche Resultate, sowohl bei oraler als auch Entacapone hat eine ähnliche Wirkdauer wie L-Dopa bei intravenöser Anwendung [39, 47–49]. (1,5–2 Stunden) und wird daher immer zugleich mit einer Amantadin nimmt also insofern eine gewisse Sonder- L-Dopa-Dosis verabreicht. Als günstigste Dosierung hat stellung unter den heute zur Verfügung stehenden Parkin- sich eine fixe Dosis von 200 mg erwiesen. Die Verlänge- sonmedikamenten ein, als es sich dabei um die einzige rung der Wirkdauer von L-Dopa bewirkt bei Patienten mit oral verabreichbare Substanz handelt, die zu einer signifi- motorischen Fluktuationen einen Ausgleich der Schwan- kanten Reduktion von Dyskinesien führen kann, ohne kungen. Die tägliche ON-Dauer war in mehreren ran- gleichzeitig die Motorik zu verschlechtern, sondern die im domisiert-kontrollierten 6-Monats-Studien [32–35] um Gegenteil auch die motorischen Symptome positiv beein- 1–1,7 Stunden verlängert (bei entsprechender Verkürzung flußt. Dies hat zu der Empfehlung geführt, bei allen dys- der OFF-Dauer); eine 1monatige Studie fand eine ON-Ver- kinetischen Patienten, bei denen keine Kontraindikation längerung um 2,5 Stunden (22 %) [36]. Die durchschnittli- vorliegt, einen Therapieversuch mit Amantadin durch chen UPDRS-Werte für Motorik und Aktivitäten des tägli- mindestens sechs Wochen durchzuführen, bevor invasi- chen Lebens waren in mehreren publizierten Studien sig- vere Methoden, wie kontinuierliches subkutanes Apomor- nifikant besser als mit Placebo [32, 34]. phin oder stereotaktische Eingriffe erwogen werden [50]. Nebenwirkungen umfassen einerseits eine verstärkte Darüber hinaus bietet Amantadin den Vorteil einer par- L-Dopa-Wirkung: Übelkeit, Müdigkeit, Orthostaseneigung, enteralen Verabreichbarkeit. In den Ländern, wo Amant- Zunahme oder Neuauftreten von neuropsychiatrischen adin zur intravenösen Anwendung zur Verfügung steht, Problemen. Bei ca. 25–50 % der Patienten wird eine Zu- kann es zur Überbrückung eingesetzt werden, wenn eine nahme oder ein Neuauftreten von Dyskinesien beobach- orale Medikamenteneinnahme nicht möglich ist, z. B. peri- tet. In diesem Fall hat es sich als zielführend erwiesen, operativ. zunächst die L-Dopa-Dosis zu reduzieren; dadurch kann Die Nebenwirkungen entsprechen den typischen Ne- in vielen Fällen eine Rückkehr zum Dyskinesie-Ausgangs- benwirkungen dopaminerger Substanzen, wie Übelkeit, niveau erzielt werden. Erbrechen, Schwindel, Müdigkeit, Beinödeme. Amantadin Die zweite Gruppe möglicher Nebenwirkungen ist scheint häufiger als andere in der Parkinson-Therapie ver- substanzspezifisch. In etwa 15–20 % kommt es zu – meist wendete Medikamente zu kutanen Nebenwirkungen zu vorübergehender – Diarrhoe, die aber nur in 3–4 % zum führen (Hautausschläge, Livedo) und besitzt auch ein kli- Absetzen führt. Bei 10–40 % der Patienten tritt eine Harnver- nisch relevantes Potential, neuropsychiatrische Symptome färbung auf, die von manchen Patienten als inakzeptabel auszulösen oder zu verschlechtern. 28 J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 2/2004
Selegilin (= Deprenyl) pation, Mundtrockenheit (die zu Karies und Zahnausfall Der Monoaminooxidase-B-(MAO-B-)Hemmer Selegilin führen kann), Harnverhalten, Temperaturregulationsstö- (Jumex, Amboneural, Selegilin genericon) blockiert rungen (tödlicher Hitzestau wurde bei psychotischen Pati- einen der zentralen Abbauwege von Dopamin und führt so enten berichtet), Herzrhythmusstörungen und erhöhtes zu vermehrtem dopaminergem Angebot im synaptischen Risiko bei Glaukom und Prostatahyperplasie; Dyskinesien Spalt. Eine symptomatische Wirksamkeit als Add-on zu können verstärkt werden [62]. Als weitere Schwierigkeit in L-Dopa bei motorischen Komplikationen ist zwar nachge- der praktischen Handhabung kann es bei abruptem Abset- wiesen, ist allerdings meist nur mild bis mäßiggradig und zen zu einem Rebound-Phänomen mit dramatischer Ver- bezieht sich in den meisten Studien auf subjektive Fakto- schlechterung der Motorik kommen, sodaß das Absetzen ren und L-Dopa-Einsparung, nicht aber auf eine Verlänge- sehr langsam und schrittweise (über Wochen bis Monate) rung der täglichen ON-Zeit [50–52]. Neben der rein moto- erfolgen muß [63]. rischen Wirkung wurde immer wieder auch ein positiver Prinzipiell ist der Einsatz von Anticholinergika zwar als Effekt auf Stimmungslage und Antrieb postuliert [50]. Die Teil eines Kombinationsregimes in frühen und mittleren Anwendung ist grundsätzlich in allen Stadien des M. Par- Stadien des M. Parkinson möglich, aus den genannten kinson möglich. Gründen ist ihr Stellenwert allerdings sehr in den Hinter- Dopaminerge Nebenwirkungen sind wie in den ande- grund gerückt. Ihr Einsatz kann nur in einzelnen Fällen bei ren Substanzgruppen zu erwarten; das Risiko neuro- jüngeren Patienten empfohlen werden, wobei keine Kon- psychiatrischer Probleme liegt etwa zwischen dem der traindikationen vorliegen dürfen und die Entwicklung der Dopaminagonisten und Amantadin. genannten unerwünschten Wirkungen immer im Auge be- In Kombination mit L-Dopa-Präparaten wurden Hin- halten werden sollte. weise auf ein mögliches Risiko bei Patienten mit kardio- vaskulären Risikofaktoren und erhöhter Mortalität berich- Praktisches Vorgehen bei Patienten mit tet [53–57]. Mehrere andere Studien fanden allerdings motorischen Komplikationen keine Assoziation [58]. Der hepatische Abbau von Selegilin ist mit der Bildung Wearing-off von Amphetaminderivaten verbunden. Dieser First-pass- 1. Als erster Schritt ist meist eine Umverteilung der Ein- Metabolismus läßt sich prinzipiell durch eine neuartige nahmezeiten mit kürzeren Dosierungsintervallen und sublinguale Anwendungsform vermeiden (Xilopar). Ob gegebenenfalls kleineren Einzeldosen zu empfehlen. diese tatsächlich zu klinischen Vorteilen führt, die über die 2. Eine Kombinationstherapie mit Substanzen, die die einfachere (und nur einmal tägliche) Einnahme hinausge- L-Dopa-Wirkung verlängern oder ergänzen, ist anzustre- hen, läßt sich derzeit noch nicht sicher beurteilen. ben, wenn keine Kontraindikationen vorliegen (COMT- Inhibitoren, Dopaminagonisten, Selegilin, Amantadin). Anticholinergika 3. CR-L-Dopa-Präparate können zum Einsatz kommen, Ihre Anti-Parkinson-Wirkung wurde 1867 zufällig von allerdings muß beachtet werden, daß die Gesamtdosis Charcot beobachtet und von Ordenstein beschrieben. Bis dann in den meisten Fällen um ca. 30 % gesteigert wer- zur Einführung von L-Dopa stellten die Anticholinergika den muß, um dieselbe Wirkung zu erzielen, und daß durch ein Jahrhundert die einzig wirksame Gruppe von die gastrointestinale Resorption nicht so zuverlässig ist Parkinson-Medikamenten dar. Die in Österreich zugelas- wie mit Standard-L-Dopa-Präparaten. senen Präparate sind Benzhexol (Artane), Bornaprin (Sor- 4. Apomorphin kann als Rescue-Injektion eingesetzt wer- modren), Biperiden (Akineton), Benzatropin (Cogentin) den; bei sehr vielen täglichen Injektionen und sonst und Procyclidin (Kemadrin). refraktären OFFs kann eine Pumpentherapie auch ohne Die existierenden Studien zu Anticholinergika bei M. Dyskinesien in Einzelfällen sinnvoll sein. Parkinson datieren zum größten Teil aus einer Zeit, als Durchführung und Beschreibung von klinischen Studien Unvorhersehbare OFFs noch nicht den heute gültigen Standards entsprachen, 1. Eine Verbesserung der Medikamentenresorption sollte weshalb nur limitierte Schlüsse aus der Literatur möglich wenn möglich angestrebt werden: Als Aminosäure sind. Die Datenlage belegt ausreichend eine signifikante konkurriert L-Dopa mit anderen Aminosäuren aus pro- Wirksamkeit im Vergleich zu Placebo. Allerdings ist aus teinhaltiger Nahrung um den gastrointestinalen Trans- den publizierten randomisiert-kontrollierten Studien kein portmechanismus. L-Dopa sollte deshalb in möglichst Beweis für eine selektive Wirkung auf den Parkinson-Tre- großem zeitlichen Abstand zu Mahlzeiten eingenom- mor im Vergleich zu den anderen motorischen Kardinal- men werden, insbesondere wenn diese proteinreich symptomen des M. Parkinson [59] abzuleiten. Es liegen sind. Eiweißreduzierte Nahrung kann in Einzelfällen keine Daten speziell zur Wirkung auf motorische Kompli- sinnvoll sein. kationen oder zur Mortalität vor. 2. Kohlensäurehältige Getränke können die gastrointesti- Trotz nachgewiesener Wirksamkeit ist der Einsatzbe- nale Aufnahme fördern. reich dieser Substanzgruppe durch häufige und potentiell 3. Domperidon (Motilium) kann die intestinale Motilität schwerwiegende Nebenwirkungen stark limitiert: Eine normalisieren und zu einer besseren Resorption beitra- Verschlechterung der kognitiven Leistung wurde nicht nur gen. bei bereits bestehender Demenz nachgewiesen, sondern 4. Alle unter Wearing-off angeführten Maßnahmen kön- kann auch bei primär nicht dementen Patienten auftreten nen sinnvoll sein, solange keine oder nur geringe Dys- und ist bei älteren Patienten häufiger [60, 61]. Bei beste- kinesien bestehen. henden neurospychiatrischen Problemen sind diese Medi- 5. Bei völligem Ausbleiben der Wirkung einer Einzeldosis kamente kontraindiziert. Bei psychotischen Symptomen oder bei gehäuften OFFs zu bestimmten Tageszeiten sollten Anticholinergika in jedem Fall abgesetzt werden, (oft am Nachmittag) ist eine höhere Dosierung zu die- bevor eine spezifische antipsychotische Therapie erwogen sem Zeitpunkt zu erwägen. wird. 6. Zum raschen Wiedererlangen eines ON-Zustandes Weitere häufige Nebenwirkungen ergeben sich aus der stellen sowohl lösliche L-Dopa-Präparate als auch peripheren anticholinergen Wirkung und umfassen Obsti- Apomorphin-Injektionen eine Rescue-Möglichkeit dar. J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 2/2004 29
7. Die kontinuierliche Apomorphin-Pumpentherapie stellt torisieren. Anticholinergika und trizyklische Antidepres- eine Option für diese Patienten dar, auch weil sie Unab- siva können zu Detrusorhypoaktivität führen. Vor allem bei hängigkeit von der gastrointestinalen Resorption bietet. älteren Patienten ist bei allen Substanzen mit anticholiner- ger Wirkkomponente das Risiko neuropsychiatrischer Ne- Dyskinesien benwirkungen zu bedenken. 1. Bei Peak-dose-Dyskinesien, der bei weitem häufigsten Es existieren derzeit keine publizierten Studien, die Form, ist oft eine Verkürzung der Dosierungsintervalle sich der medikamentösen Therapie von Blasenstörungen mit kleineren L-Dopa-Einzeldosen hilfreich. Um die bei M. Parkinson gezielt widmen. Substanzen, die bei Wirkdauer dieser einzelnen Dosen zu verlängern, kön- Detrusorhyperaktivität bei anderen neurologischen Ursa- nen alle unter Wearing-off angeführten Maßnahmen chen gut untersucht sind (v. a. Oxybutinin = Ditropan und getroffen werden. Sollten sich dabei die Dyskinesien Tolteridon = Detrusitol) sind prinzipiell bei M. Parkinson verstärken, kann versucht werden, die L-Dopa-Dosen anwendbar. Intermittierende Selbstkatheterisierung ist ge- zu reduzieren. legentlich erforderlich, aber oft durch motorische Pro- 2. Biphasische Dyskinesien sind üblicherweise schwieri- bleme erschwert; dann kann ein suprapubischer Katheter ger zu managen. Gelegentlich hilft eine Erhöhung der notwendig werden. Einzeldosen, um den L-Dopa-Spiegel möglichst rasch über das mit Dyskinesien assoziierte Niveau zu heben. Gastrointestinale Störungen Allerdings haben in der Praxis viele Patienten gleich- Grundsätzlich können gastrointestinale Probleme beim zeitig Peak-dose-Dyskinesien, welche durch diese M. Parkinson durch die geänderte Magen-Darm-Motilität Maßnahme verstärkt werden können. selbst bedingt sein oder durch Medikamente (dopamin- 3. Amantadin hat als einziges orales Anti-Parkinson-Mit- erge und andere, z. B. Analgetika) hervorgerufen werden. tel eine direkt antidyskinetische und gleichzeitig eine Gegebenenfalls ist immer eine gastroenterologische Ab- milde Anti-Parkinson-Wirkung. Ein Versuch sollte klärung zu erwägen. immer gemacht werden (Dosis mindestens 300 mg täg- Von den zur Verfügung stehenden symptomatisch wirk- lich bei guter Verträglichkeit, Dauer mindestens 6 Wo- samen Substanzen ist Domperidon (Motilium) derzeit am chen), solange keine Kontraindikationen, wie relevante besten untersucht. Positive Effekte konnten in vier Studien neuropsychiatrische Probleme, bestehen. Andere Glut- (davon zwei randomisiert-kontrolliert) bei Dosen zwischen amatantagonisten sind derzeit in Untersuchung. 60 und 150 mg täglich nachgewiesen werden [67]. Bei 4. Neuroleptika wurden als mögliche dyskinesiedämp- hohen Dosen (150 mg) wurden aufgrund einer dopamin- fende Substanzen untersucht. Die „typischen“ Neuro- antagonistischen Wirkkomponente Verschlechterungen leptika führen durchwegs zu einer inakzeptablen der Parkinson-Motorik beobachtet. motorischen Verschlechterung; dies gilt auch für Andere untersuchte Medikamente (Cisaprid = Prepul- Olanzapin (Zyprexa) [64]. Bei Quetiapin (Seroquel) sid und Metoclopramid = Paspertin) scheinen im Ver- fand sich kürzlich in niedriger Dosis kein selektiv anti- gleich mit einem höheren Risiko einherzugehen, durch dyskinetischer Effekt; höhere Dosen bedürfen weiterer eine antidopaminerge Wirkung die Parkinson-Symptoma- Untersuchungen [65]. Derzeit mag ein Versuch im Ein- tik zu verschlechtern [67]. Bei Cisaprid besteht darüber zelfall sinnvoll sein, es kann aber keine allgemeine hinaus ein Risiko kardialer Arrhythmien. Bei Obstipation Empfehlung für die genannten Substanzen als antidys- hat sich in der klinischen Praxis (neben ausreichender kinetische Therapie abgegeben werden. Für Clozapin Flüssigkeitszufuhr, Faser- und Quellstoffen) das osmoti- (Leponex) wurde eine antidyskinetische Wirksamkeit sche Laxativ Macrogol (Movicol) in vielen Fällen gut be- in einer ganz rezenten Studie erstmals unter kontrol- währt [50]. Anticholinergika sollten abgesetzt werden. liert-randomisierten Bedingungen nachgewiesen [66]. Allerdings ist die praktische Handhabung von Clozapin Sialorrhoe durch das Risiko einer Leukopenie und damit ver- Diese ist meist auf einen unzureichenden und zu seltenen bundenen obligatorischen Blutbildkontrollen einge- Schluckakt zurückzuführen und wahrscheinlich selten schränkt. oder kaum durch erhöhte Speichelproduktion bedingt. 5. Apomorphin in der kontinuierlichen subkutanen Ver- Anticholinergika, trizyklische Antidepressiva und lokale abreichungsform steht als aufwendigere, aber oft wirk- Botulinumtoxininjektionen stellen therapeutische Mög- same Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung. lichkeiten dar. 6. Die Indikationen zu stereotaktischen Verfahren werden an anderer Stelle in dieser Ausgabe diskutiert. Der rela- Orthostatische Regulationsstörung tive Stellenwert der Apomorphin-Pumpentherapie im Beim M. Parkinson gibt es nur wenige kontrollierte Studien Vergleich zu den invasiveren stereotaktischen Verfah- zur medikamentösen Therapie dieses klinischen Problems. ren soll demnächst Gegenstand einer kontrolliert-ran- Allgemeinmaßnahmen umfassen ausreichende Flüssig- domisierten Multicenter-Studie werden. keitszufuhr, salzreiche Kost, mehrere kleine Mahlzeiten (zur Vermeidung einer postprandialen Hypotonie), langsa- Autonome Störungen mes Aufrichten und Kompressionsstrümpfe. Domperidon (Motilium) kann durch dopaminerge Stimulation ausge- Blasenstörungen löste Hypotonie bei manchen Patienten verbessern. Am häufigsten finden sich Nykturie und vermehrter Harn- Midodrin (Gutron) ist ein Alpha-Rezeptoren-Agonist drang; eine Inkontinenz ist selten und meist erst in späten mit Wirkung auf das periphere arterielle und venöse Stadien vorhanden. Andere zugrundeliegende Ursachen, Gefäßsystem ohne kardiale Wirksamkeit. Es liegen nur sehr v. a. im urologischen Bereich, sollten vor einer symptoma- eingeschränkt Daten zur Anwendung bei M. Parkinson tischen Therapie immer ausgeschlossen werden, eine de- vor. In mehreren kleinen Studien war eine Subgruppe an taillierte urodynamische Abklärung kann bei der Wahl des Parkinson-Patienten enthalten: Eine randomisiert-kontrol- Therapeutikums hilfreich sein. Vor allem bei Anwendung lierte Studie zeigte ein Ansprechen auf 30 mg Midodrin von Parasympathikolytika ist die Möglichkeit einer Rest- täglich mit signifikanter Blutdrucksteigerung bei 11 von 16 harnbildung zu bedenken und gegebenenfalls zu moni- Parkinson-Patienten; hypertensive Werte als unerwünschte 30 J. NEUROL. NEUROCHIR. PSYCHIATR. 2/2004
Wirkung traten bei 8 % der Patienten auf Midodrin auf [68]. 2. Nykturie kann zu Schlafunterbrechungen führen. Ne- Eine zweite randomisiert-kontrollierte Studie, die 19 Par- ben spezifischen Maßnahmen zur Beeinflussung der kinson-Patienten umfaßte, zeigte ebenfalls eine signifikante Blasenmotorik (siehe dort) können trizyklische Anti- Blutdrucksteigerung unter 30 mg Midodrin; 4 % der Pati- depressiva, v. a. Amitryptilin (Saroten) hilfreich sein. enten wurden hyperton. Aufgrund dieser relevanten Neben- Allgemeinmaßnahmen umfassen Vermeiden später wirkung kann ein Therapieversuch mit Midodrin nur unter Flüssigkeitsaufnahme oder Diuretikaeinnahme, Blasen- engmaschigen Blutruckkontrollen empfohlen werden. entleerung vor dem Zubettgehen, Kondomkatheter und Andere beobachtete Nebenwirkungen waren Juckreiz, eventuell das Bereitstellen eines Leibstuhles in Bett- Parästhesien und Harnblasenentleerungsstörungen [68]. nähe. Desmopressin-Nasenspray (Minirin) kommt Ein weiteres Präparat, das zur Behandlung orthostati- nach Ausschluß von Kontraindikationen in Frage. scher Kreislaufdysregulation bei M. Parkinson untersucht 3. Depression und Angstzustände können primär Schlaf- wurde, ist Fludrocortison (Astonin-H). Hier ist die vorlie- störungen verursachen und müssen entsprechend be- gende Datenlage noch spärlicher: Eine einzige offene Stu- handelt werden. Sedierend wirkende Antidepressiva die mit 6 Patienten zeigte relevante Blutdruckanstiege mit eignen sich prinzipiell gut zur Schlafinduktion bei M. 0,05–0,2 mg täglich während eines Zeitraumes von bis zu Parkinson. 10 Monaten. Hypokaliämie, Hypertonie und Ödeme tra- 4. Andere psychische Ursachen für nächtliche Probleme ten auf [68]. Andere potentiell blutdrucksteigernde Sub- bei M. Parkinson sind psychotische Zustände mit illusio- stanzen wurden bisher nicht an Patienten mit M. Parkin- nären Verkennungen, Halluzinationen oder auch Wahn- son untersucht. vorstellungen. In ihrer mildesten Form äußern sich diese zunächst oft als sehr lebhafte Träume, die der Patient Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit nicht sofort von der Realität unterscheiden kann. Die antipsychotische Therapie wird in einem anderen Exzessive Tagesmüdigkeit Kapitel dieser Ausgabe behandelt. Nächtliche Panik- Diese stellt bei vielen Patienten mit fortgeschrittenem M. attacken können auf Benzodiazepine oder Serotonin- Parkinson eine Beeinträchtigung dar. Die Häufigkeit wur- Wiederaufnahme-Hemmer ansprechen; wenn sie mit de in einer Studie mit 29 % nach 4jährigem Verlauf ange- OFFs assoziiert sind, ist die dopaminerge Medikation geben; weitere 15 % hatten milde Tagesmüdigkeit, gemes- zu erhöhen. sen anhand der Epworth-Sleepiness-Scale [69]. Das Auf- 5. Störungen der REM-Schlaf-Architektur, periodic limb treten korreliert mit Krankheitsschweregrad und Demenz. movements in sleep (PLMS), Schlafapnoe und Restless Ungeplante Schlafepisoden tagsüber können zu Behin- legs (Eisenhaushalt, Diabetes abklären) sind schlaf- derung führen und waren gelegentlich mit Verkehrsunfäl- assoziierte Störungen, die bei M. Parkinson häufiger als len assoziiert [17]. Derartige Schlafepisoden wurden in der Gesamtbevölkerung auftreten. sowohl unter L-Dopa als auch allen üblichen Dopamin- Bei Verdacht auf REM-Schlafstörung ist meist eine agonisten beobachtet [18, 19]. Die Empfehlungen bezüg- genaue Abklärung mit Hilfe eines Schlaflabors not- lich des Autofahrens variieren in verschiedenen Ländern. wendig; therapeutisch kommen Benzodiazepine, v. a. In jedem Fall sollten Patienten vor dieser möglichen Clonazepam (Rivotril), in Frage. Nebenwirkung dopaminerger Substanzen gewarnt werden 6. Ein direkter Medikamenteneinfluß auf die Schlafquali- und Autofahren in schläfrigem Zustand unbedingt ver- tät ist bei allen dopaminergen Substanzen möglich. meiden. Amantadin sollte nicht nach dem späten Nachmittag Bei Patienten mit behindernder Tagesmüdigkeit sollte eingenommen werden. Selegilin und Anticholinergika die Medikation überprüft werden. Alle dopaminergen Sub- können Schlafstörungen, v. a. Alpträume, auslösen [72]. stanzen können Müdigkeit hervorrufen oder verstärken, 7. Eine weitere, offenbar für den M. Parkinson hochcha- und gezielte Reduktion – zunächst von Dopaminagoni- rakteristische nächtliche Verhaltensauffälligkeit wurde sten, aber auch von L-Dopa – kann sinnvoll sein. kürzlich näher beschrieben [73]: Unter „Punding“ ver- Das bei Narkolepsie nachgewiesen wirksame Medika- steht man repetitive, scheinbar sinnvolle, aber exzessiv ment Modafinil (Modasomil) wurde in einer randomi- ausgeübte Tätigkeiten, die oft in Zusammenhang mit siert-kontrollierten Studie bei M. Parkinson klinisch und früherem Beruf oder Hobby stehen (Putzen, Sammeln, polysomographisch untersucht und führte zu signifikanter Ordnen, Reparieren), von der dopaminergen Gesamt- Verbesserung der Tagesmüdigkeit [70]. Die Substanz ist in dosis abhängen und zu einem Gefühl der Befriedigung dieser Indikation allerdings bisher nicht zugelassen. und Entspannung führen, ohne mit Zwangsverhalten erklärbar zu sein. Diese Beschäftigungen können zu Schlafstörungen beträchtlicher Störung der Nachtruhe führen und wer- Diese sind bei M. Parkinson ausgesprochen häufig (min- den von den Patienten kaum je spontan berichtet. Die destens 60 % der Patienten) [71] und können verschieden- Behandlung ist schwierig und besteht aus Reduktion artige Ursachen haben, nach denen vor einer rein schlaf- der dopaminergen Abend- und Nachtmedikation, Ab- fördernden medikamentösen Therapie immer gezielt ge- setzen jeder L-Dopa-Bedarfsmedikation und gegebe- sucht werden sollte: nenfalls atypischen Neuroleptika und Hypnotika. 1. Nächtliche OFF-Perioden können zu Beeinträchtigun- gen aufgrund mangelnder Beweglichkeit (Umdrehen Literatur im Bett, Aufstehen zum Toilettengang) oder aufgrund 1. Lees AJ, Katzenschlager R, Head J, Ben-Shlomo Y, on behalf of the von nichtmotorischen OFF-Symptomen wie Schmer- Parkinson’s Disease Research Group of the United Kingdom. Ten- zen, Dystonie oder Sensibilitätsstörungen führen. year follow-up of three different initial treatments in de-novo PD: a randomised trial. Neurology 2001; 57: 1687–94. Eine Erhöhung der dopaminergen Medikation am späteren Abend sowie die Verwendung lang wirksamer 2. 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