Diagnostik der Lyme-Borreliose

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Diagnostik der Lyme-Borreliose

                       Volker Fingerle und Bettina Wilske
                   Max von Pettenkofer-Institut, LMU München
                    Nationales Referenzzentrum für Borrelien
                    D 80336 München, Pettenkofer-Strasse 9a

Korrespondenzadresse:
Dr. med. Volker Fingerle
Max von Pettenkofer-Institut, LMU München
Nationales Referenzzentrum für Borrelien
D 80336 München, Pettenkofer-Strasse 9a
Tel: +49 89 5160-5231, FAX: +49 89 5160-4757
E-mail: Fingerle@m3401.mpk.med.uni-muenchen.de
Homepage: http://nrz-borrelien.lmu.de/
1. Einleitung

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste zeckenübertragene Erkrankung in der nördlichen

Hemisphäre, sie kommt auf der südlichen Halbkugel nicht vor. Sie ist eine

Multisystemerkrankung, die zahlreiche Organe, bevorzugt die Haut, das Nervensystem, die

Gelenke und das Herz betreffen kann (69, 70, 58). Wegen der Vielzahl der Symptome

gehört der Antikörpernachweis gegen Borrelien zu den am häufigsten angeforderten

serologischen Testen im mikrobiologischen Labor. Bei der mikrobiologischen Diagnostik

der Lyme-Borreliose in Europa muss die Heterogenität der europäischen Erreger-Stämme

berücksichtigt werden.

2. Heterogenität von Borrelia burgdorferi s.l. und die Bedeutung für die Diagnostik der

Lyme-Borreliose

In Europa wird die Lyme-Borreliose durch mindestens vier verschiedene Spezies, Borrelia

burgdorferi sensu stricto, B. afzelii, B. garinii und die bislang selten nachgewiesene B.

spielmanii, verursacht (Abb. 1). Mittlerweile haben wir B. spielmanii viermal (alle von

Patienten mit Erythema migrans) nach Analyse von 242 europäischen Patienten-Isolaten

gefunden (Fingerle und Wilske, unveröffentlicht). In den USA ist B. burgdorferi sensu

stricto dagegen die einzige humanpathogene Spezies (76). Die drei wichtigsten

humanpathogenen Spezies umfassen in Europa wenigstens sieben OspA-Serotypen (83).

Hautisolate gehören ganz vorwiegend der Spezies B. afzelii (OspA-Typ 2) an, speziell

solche von Patienten mit Acrodermatitis chronica athrophicans, die im Übrigen nicht in den

USA vorkommt (10, 53, 83). Isolate von Liquor und Zecken sind heterogen, zeigen aber

eine Dominanz von B. garinii (OspA-Typen 3-7) (18, 72, 79, 83). Sequenzanalysen von

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ospA Amplicons mittels Polymerase Kettenreaktion (PCR) aus Gelenkpunktaten von

Patienten mit Lyme-Arthritis zeigten eine deutliche Heterogenität (17, 73), in anderen

PCR-Studien fand sich überwiegend B. burgdorferi s.s. (5S/23S rRNA intergenic spacer

PCR (48) oder Flagellin-PCR (35, 36)).

In Europa treten B. afzelii und B. garinii am häufigsten auf, wobei die dritthäufigste

Spezies B. burgdorferi s.s. in Osteuropa besonders selten ist (s. Übersicht von Hubalek et

al. 1997). Selbst in eng begrenzten Gebieten können die Borrelienstämme sehr heterogen

sein (18, 21, 49, 61, 64), auf der anderen Seite hat man ausgesprochene regionale

Häufungen bestimmter Spezies oder Subspezies beobachtet (45, 49, 55). Auch über

Mehrfachinfektionen von Zecken wurde berichtet (s. Übersicht in (32)), während mehrfach

infizierte Patientenproben seltener gefunden wurden (14, 73, 79). Die Heterogenität des

Erregers (Abb. 1) macht die Diagnostik der Lyme-Borreliose in Europa deutlich

schwieriger als in den USA und muss für die Entwicklung diagnostischer Reagenzien wie

z.B. PCR-Primer und Antigene unbedingt berücksichtigt werden. So ist bei der häufig

durchgeführten OspA-PCR wichtig, dass nicht nur Repräsentanten aller humanpathogenen

Spezies sondern auch die verschiedenen OspA-Typen der heterogenen B. garinii - Gruppe

erkannt werden (18). Auch soll die PCR B. valaisiana und B. lusitaniae erfassen, da beide

möglicherweise humanpathogen sind, wie einige wenige PCR- und Kulturergebnisse nahe

legen (63, 75, 78). Wir haben vor kurzem eine leistungsfähige OspA-PCR zum Nachweis

und zur Differenzierung der verschiedenen europäischen Spezies und OspA-Subtypen

entwickelt (49). Die Heterogenität der Stämme muss auch für serodiagnostische Verfahren

berücksichtigt werden, da einige wichtige diagnostische Proteine ausgesprochen heterogen

sind und deshalb unterschiedliche Reaktivität mit Patientenseren aufweisen. Zwischen

repräsentativen Stämmen von B. burgdorferi sensu stricto, B. afzelii und B. garinii (B31,

                                                                                        3
PKo und PBi) betragen Aminosäure-Sequenzidentitäten z.B. nur 40-44% für DbpA

(Osp17) und 54-68% für OspC. Besonders DbpA hat eine sehr viel höhere

Aminosäuresequenz-Heterogenität im Vergleich zur DNA-Heterogenität, was auf

Immunselektion hinweist. Interessanterweise können sehr heterogene Proteine trotzdem

hochkonservierte immunogene Epitope aufweisen (z.B. das C6 Peptid von VlsE) (46, 47).

3. Mikrobiologische Diagnostik

3.1 Qualitätsstandards für die mikrobiologische Diagnose der Lyme-Borreliose

Die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) hat von einem

Expertenkomitee verfasste Qualitätsstandards für die Diagnose der Lyme-Borreliose

publiziert (MiQ 12 Lyme-Borreliose) (86). Die englische Version ist über Internet

kostenlos zugänglich (http://www.dghm.org/red/index.html?cname=MIQ).

Außer im Falle der pathognomonischen klinischen Manifestation des Erythema migrans

erfordert die Diagnose der Lyme-Borreliose in der Regel die Bestätigung durch

mikrobiologische Teste. Zu diesem Zweck wird vor allem der Antikörpernachweis

verwendet während der Erregernachweis (mittels Kultur oder PCR) auf spezielle Fälle

beschränkt ist, z.B. bei unklaren serologischen Testergebnissen oder schwierigen klinischen

Fällen. Dabei soll der Erregernachweis nur in dafür spezialisierten Laboratorien

durchgeführt werden.

3.2 Nachweis des Erregers

3.2.1 Kultureller Erregernachweis

Die sehr zeit- und materialaufwändige Kultur in modifiziertem Kelly Medium (59, 85)

kann in speziellen Fällen hilfreich sein, in denen der klinische Befund trotz negativer

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Serologie eine Lyme-Borreliose nahe legt (seronegative Lyme-Borreliose) (86). In Frage

kommen z.B. das atypische Erythema migrans, V. a. akute Neuroborreliose ohne Nachweis

von im Liquor gebildeten Antikörpern insbesondere bei kurzer Krankheitsdauer oder

Patienten mit Immundefizienz. Die Sensitivität des kulturellen Erregernachweises ist

insgesamt gering (Tabelle 1).

3.2.2 Erregernachweis mittels PCR

Bisher stehen keine standardisierten Verfahren für die Probenvorbereitung sowie die PCR

selbst zur Verfügung. Die Borrelien-PCR soll die Diagnose der Borrelia-Spezies

ermöglichen, d.h. der Untersuchungsbericht soll die Information, welche humanpathogene

Spezies gefunden wurde, enthalten. Die diagnostische Sensitivität der PCR entspricht in

etwa derjenigen der Kultur, wobei Borrelien deutlich besser im Gewebe als in

Körperflüssigkeiten nachgewiesen werden können (2, 6, 35, 39, 44, 71, 87). Lediglich bei

Gelenkflüssigkeit als Probenmaterial ist die PCR der Kultur deutlich überlegen (52)

(Tabelle 1).

Hier einfügen Tabelle 1: Sensitivität von Kultur und PCR für den Erregernachweis

3.2.3 Nachweis von Antikörpern gegen B. burgdorferi.

Es ist generell akzeptiert, dass die serologische Untersuchung dem Prinzip der

Stufendiagnostik folgt (12, 37, 85, 86): 1. Ein serologischer Suchtest und im Falle eines

reaktiven Suchtestes 2. ein Bestätigungstest. Dafür wird ein sensitiver Suchtest, z.B. ELISA

oder ähnliche Verfahren wie der Chemilumineszenz Imunoassay (CLIA) empfohlen, der

im Falle der Reaktivität durch einen Immunoblot bestätigt werden soll.

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Suchtest. Als Suchtest soll mindestens ein Zweitgenerationstest verwendet werden (86),

der im Hinblick auf mögliche Kreuzreaktionen mit anderen Bakterien verbessert wurde (der

z.B. rekombinantes Material als Antigen verwendet). Die als Antigenquelle verwendeten

Stämme sollten OspC, das immundominante Antigen der IgM-Antwort, und DbpA, das

immundominante Antigen der IgG-Antwort, exprimieren. (86). Vor kurzem wurden

spezifische rekombinante Antigene (z.B. VlsE) oder synthetische Peptide (z.B. das von

VlsE abgeleitete C6 Peptid) mit Erfolg bei amerikanischen (4, 43, 47) und europäischen

Patienten verwendet (20, 22, 46, 54). Weiterhin erwies sich auch DbpA, welches in Kultur

wie VlsE von Borrelien oft schlecht exprimiert wird, als sensitives Antigen (22, 54)

(Tabelle 3).

Bestätigungstest (Immunoblot). Als Bestätigungstest muss der Immunoblot eine hohe

Spezifität haben (mindestens 95%). Bei Verwendung rekombinanter Antigene ist die

Identifikation diagnostischer Banden wesentlich einfacher als bei Ganzzell-Lysat-Blots.

Die amerikanischen Immunoblot-Kriterien, die vom Center of Disease Control (CDC)

empfohlen werden, können nicht in Europa angewandt werden (28, 29, 65). Dressler et al.

(16) haben gezeigt, dass die Immunantwort bei europäischen Patienten auf ein deutlich

engeres Spektrum von Borrelien-Proteinen beschränkt ist als bei amerikanischen Patienten.

In einer Studie mit Seren aus Deutschland und einer weiteren Studie mit Seren aus

verschiedenen europäischen Ländern haben Hauser et al. gezeigt, dass Stamm-spezifische

Interpretationskriterien definiert werden müssen (28, 29). Es müssen also unterschiedliche

Interpretationsregeln etabliert werden, um gleiche Sensitivität und Spezifität bei

Verwendung unterschiedlicher Borrelien-Stämme für Immunoblot-Antigene zu erzielen.

Interpretationskriterien für den Immunoblot, die von der DGHM empfohlen werden, sind in

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der MiQ 12 Lyme-Borreliose (86) publiziert.

Patienten mit Frühmanifestationen haben eine auf nur wenige Proteine beschränkte

Immunantwort, während Patienten mit Spätmanifestationen (Akrodermatitis oder Arthritis)

IgG-Antikörper gegen ein breites Spektrum von Antigenen haben (Abb. 2).

Hier einfügen: Abbildung 2:

Die Verwendung rekombinanter Antigene hat einige Vorteile gegenüber der Verwendung

von Ganzzell-Lysat-Antigenen.: (a) spezifische Antigene können selektioniert werden (z.B.

p83/100, BmpA), (b) homologe Antigene verschiedener Stämme können kombiniert

werden (z.B. DbpA (Osp17), OspC, BmpA), (c) trunkierte Antigene mit höherer Spezifität

können hergestellt werden (internes Flagellin-Fragment) und (d) Antigene, die primär in

vivo exprimiert werden aber nicht in Kultur, stehen zur Verfügung (z.B. DbpA und vor

allem VlsE) (30, 67, 81). Kommerzielle rekombinante Blots können besser standardisiert

werden als Ganzzell-Lysat Blots.

Die Sensitivität des auf rekombinanten Antigenen basierten Immunoblot konnte in den

letzten Jahren durch weitere Antigene und die Etablierung des Line-Immunoblots

entscheidend verbessert werden (22, 67, 81). Es konnte nun erstmals eine signifikant

höhere Sensitivität des rekombinanten Immunoblots im Vergleich zum Ganzzell-Lysat-Blot

gezeigt werden .

Die rekombinante Immunoblot-Technologie stellt einen wesentlichen Schritt zur

Standardisierung und Erhöhung der Sensitivität dar, da homologe Antigene verschiedener

Stämme (speziell solcher mit niedriger Sequenzidentität wie DbpA) und Antigene, die

lediglich in vivo exprimiert werden (z.B. VlsE), verwendet werden können.

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3.2.6 Serologische Befunde in verschiedenen Stadien der Erkrankung

Die Interpretation serologischer Testergebnisse muss immer im Kontext mit den klinischen

Befunden erfolgen. Hier sind Falldefinitionen hilfreich (60, 68, 86). Im Stadium I

(Erythema migrans) sind nur 20-50% der Patienten seropositiv für IgM und/oder IgG

Antikörper (3, 26, 77) (Tabelle 2). IgM Antikörper sind hier prävalent. Eine Ausnahme

stellt möglicherweise die Immunantwort gegen VlsE dar. Bei amerikanischen Patienten mit

Erythema migrans sind VlsE-IgG Antikörper noch vor der Borrelien-spezifischen IgM

Antwort nachweisbar (bei akutem Erythema migrans in 44% versus 19%, bei

convaleszentem Erythema migrans in 59% versus 43%) (4). Bei europäischen Patienten mit

Erythema migrans wurde eine frühe IgG-Antwort gegen VlsE in 20 von 23 (87%) mittels

Kultur bestätigter Fälle von E. migrans beobachtet. Die IgM Antwort wurde nicht

untersucht (46). Im Stadium II (akute Neuroborreliose) steigt die Seropositivität (IgM

und/oder IgG Antikörper) auf 70-90% (24, 25, 80, 82). Im Prinzip können Patienten mit

Frühmanifestationen seronegativ sein, speziell solche mit kurzer Krankheitsdauer. Dann

sollte eine serologische Verlaufskontrolle erfolgen. Sechs Wochen oder mehr nach

Krankheitsbeginn sind 100% der Patienten mit Stadium II Neuroborreliose seropositiv (24).

Bei Fällen mit Spätmanifestationen (Stadium III, Acrodermatis und Arthritis) waren IgG-

Antikörper bei allen untersuchten Patienten nachweisbar (26, 37, 80, 82). Ein negativer

IgG-Test spricht deshalb gegen die Diagnose einer späten Lyme-Borreliose. Daher ist auch

ein positiver IgM-Test bei negativem IgG-Test nicht diagnostisch relevant für eine späte

Lyme-Borreliose (86).

Für die Diagnose der Neuroborreliose ist der Nachweis der intrathekalen, d.h. im Liquor

cerebrospinalis stattfindenden Antikörperproduktion (Liquor/Serum-Index) besonders

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wichtig (84). In Zusammenschau mit weiteren Veränderungen des Liquors wie

lymphozytäre Pleozytose und Schrankenstörung ergeben sich so entscheidende Hinweise.

Für die Diagnose der chronischen Borreliose des Zentralnervensystems ist ein positiver IgG

Liquor/Serum Index essentiell (s. EUCALB Falldefinitionen, 68, 86), während die

chronische periphere Neuropathie gewöhnlich keine intrathekale Antikörperbildung

aufweist (42).

Da serologische Befunde beträchtlich variieren können und Antikörper für lange Zeit auch

bei   erfolgreich   therapierten   Personen   persistieren   können,   sind   serologische

Verlaufskontrollen nicht geeignet um Therapieversager zu ermitteln. Vor kurzem wurde der

Rückgang VlsE-spezifischer Antikörper als ein Indikator für erfolgreiche Therapie

angesehen (57). Dieses konnte jedoch im Rahmen einer europäischen Studie nicht bestätigt

werden (56).

Die Präsenz spezifischer Antikörper beweist nicht das Vorhandensein einer klinischen

Manifestation. Ein positiver Antikörpertest kann auch durch klinische oder subklinische

Infektionen in der Vergangenheit bedingt sein. Je unspezifischer die Symptome des

Patienten desto geringer ist der prädiktive Wert eines positiven serologischen Befundes. In

der normalen gesunden Bevölkerung variiert die Seropositivität mit dem Alter und der

Outdoor-Aktivität (z.B. in einer Studie aus Bayern zwischen
negativem Testergebnis mit genügender Sicherheit davon ausgehen kann, dass keine

Infektion mit B. burgdorferi stattgefunden hat und (2) bei positivem Testergebnis eine

genügende Wahrscheinlichkeit für eine klinisch manifeste Infektion besteht.

Folgende Punkte müssen für eine Bewertung dieser Untersuchungsmethode berücksichtigt

werden:

1. Nicht jeder Zeckenstich wird entdeckt. Ixodes ricinus- Larven und -Nymphen sind mit
  dem bloßen Auge kaum zu erkennen und werden daher häufig unbewußt mit den
  Fingernägeln entfernt. Das negative Untersuchungsergebnis kann daher zu einer
  falschen Sicherheit führen, da durch unbemerkte Stiche doch eine Infektion mit
  Borrelien übertragen wurde.
2. Selbst bei infizierten Zecken kommt es meist nicht zur Übertragung der Erreger und
  selbst die erfolgreiche Übertragung von Borrelien auf den Menschen führt nur in einem
  Teil der Fälle zu einer klinisch fassbaren Infektion (z.B. Nahimana et al. (51): von 17
  Personen mit Serokonversion erkrankten 3 an Lyme-Borreliose).
3. Die diagnostische Sensitivität und Spezifität der verschiedenen Methoden ist weitgehend
  unklar. Als Einflussfaktoren kommen u.a. Transportzeit, DNA-Extraktion, inhibitorische
  Substanzen (z.B. Hämoglobin oder Rückenschild der Zecke), Laborkontaminationen
  oder die genetische Heterogenität von B. burgdorferi s.l. in Betracht.
4. Die überwiegende Mehrzahl der resultierenden Erkrankungen ist einfach zu
  diagnostizieren und effizient zu therapieren (34).
5. Bislang konnte durch europäische Studien nicht überzeugend gezeigt werden, dass eine
  Antibiotikaprophylaxe oder -therapie nach Stich durch eine borrelieninfizierte Zecke
  mehr Vorteile als Nachteile aufweist.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Untersuchung der vom Menschen entfernten
Zecken auf B. burgdorferi s.l. nicht empfohlen werden kann. Als Gründe hierfür sind die
niedrige Infektions- und Manifestationsrate, der ungenügende negative und positive
Vorhersagewert der Methode, die gute Prognose der Erkrankung und die fehlende Evidenz
für eine sinnvolle Prophylaxe zu nennen. Ein sinnvolles Vorgehen nach Zeckenstich wurde
von einer Expertengruppe erarbeitet (38).

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4.2 Bedeutung des Lymphozyten Transformationstest (LTT). Der LTT misst im Prinzip
die Proliferation von Lymphozyten aus Patientenblut nach Stimulation mit einem Antigen
(z.B. sonifizierte Borrelien, rekombinante Borrelien-Antigene). Mit diesem Test wird also
versucht, die zelluläre Immunantwort gegenüber bestimmten Antigenen zu bestimmen.
Dattwyler et al haben schon 1988 darauf hingewiesen, dass der LTT bei seronegativen
chronischen Lyme-Borreliosen, die sich nach prompter Therapie einer frühen Manifestation
entwickelt haben, positiv sein kann (13). In der Folge publizierte Studien konnten aber
keine Vorteile des LTT für die Routinediagnostik der Lyme-Boreliose im Vergleich zur
Serologie aufzeigen (5, 9, 15, 19, 31, 33, 40, 66, 74).
Zum Beispiel untersuchten Krause et al. 24 Patienten mit verschiedenen Manifestationen
der Lyme-Borreliose, als Kontrollgruppe 30 Patienten mit Arthritis anderer Ursache sowie
20 gesunde Personen (40). Für den Antikörpernachweis betrug die Sensitivität 83% bei
einer Spezifität von 92%. Für den LTT betrug bei einer Spezifität von 92% die Sensitivität
71%, bei einer Sensitivität von 83% war eine Spezifität von 72% zu verzeichnen. Krause
nahm zum LTT vor kurzem wie folgt Stellung: “Ob allerdings der LTT im klinischen
Alltag zur Diagnosefindung beiträgt, scheint sehr fraglich. Außerdem ist auf Grund der
geringen Spezifität des Testes die Gefahr falsch positiver Ergebnisse groß. Der LTT sollte
daher zur Diagnostik einer Lyme-Borreliose nicht eingesetzt werden“ (41).
Dressler et al. untersuchten 42 Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose und 77
Kontrollpersonen (15). Als Antigen wurde ein sonifizierter B. burgdorferi s.s. Stamm
eingesetzt. Die Sensitivität des Testes wurde mit 45% (Serologie 93%) angegeben bei einer
Spezifität von 95% (Serologie: keine Angaben). Vier von neun untersuchten Mitarbeitern
des Labors waren ebenfalls im LTT positiv.
Huppertz et al. 1996 untersuchten 55 Kinder mit Lyme-Arthritis und 48 Kontrollpatienten.
Als Antigen wurden zwei verschiedene, nicht sonifizierte B. burgdorferi s.s. Stämme
verwendet. Die Sensitivität des Testes betrug 77% bei einer Spezifität von 78%. Bei acht
der Kinder mit Lyme-Arthritis war der Stimulationsindex vor Therapie negativ aber nach
Therapie positiv. Die Ergebnisse der Studie zeigen nach Ansicht der Autoren, dass der Test
weder für eine prognostische Aussage noch für die Verlaufskontrolle hilfreich ist. Als
Schlussfolgerung schreiben die Autoren: "Rarely the lymphocyte proliferation assay may
aid in finding the correct diagnosis when clinical presentation and anti-borrelial serology do
not match."

                                                                                           11
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Nach den bisherigen Studien ist dieser Test nicht
standardisiert und im Vergleich zur Serologie weniger sensitiv und insbesondere weniger
spezifisch. Der LTT ist daher für die Routinediagnostik der Lyme-Borreliose nicht
geeignet.
Mittlerweile wird auch ein ELISPOT Test (kommerziell verfügbare LTT Modifikation) auf
die humane granulozytäre Ehrlichiose empfohlen, u.a. mit dem Hinweis, dass der Nachweis
einer Koinfektion für Prognose und weiteren Verlauf der Borreliose erhebliche Bedeutung
hätte. In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass bislang in
Deutschland noch kein einziger Fall einer autochthonen humanen granulozytären
Ehrlichiose   publiziert   wurde,   und   damit   Einsatz   dieses   Testes   bereits   aus
epidemiologischen Gründen fragwürdig erscheint.

4.3 Bedeutung der zystischen Formen von B. burgdorferi. Sogenannte zystische Formen,
auch als Sphäroblasten, zellwandlose- oder L-Formen bezeichnet, können in vitro durch
unterschiedliche Streßfaktoren wie Anzucht in Liquor cerebrospinalis, extreme Änderung
des pH-Wertes oder Temperaturerhöhung, induziert werden (1, 7, 8, 50). Auch waren
offensichtlich reine L-Formen für Mäuse infektiös (23). Ob allerdings diese Formen auch
für die Pathogenese der Erkrankung oder für die Diagnostik eine Bedeutung haben, ist
bislang unklar. Mittlerweile werden Teste angeboten die angeblich spezifisch zellwandlose
Formen von B. burgdorferi s.l. nachweisen sollen. Diese Teste wurden allerdings nicht
entsprechend evaluiert und können für die Diagnostik der Lyme-Borreliose nicht
empfohlen werde (11).

4.4 Visual Contrast Sensitivity (VCS) Test. Der VCS-Test wird von Hartmann und
Müller-Marienburg bei chronisch kranken Menschen mit unspezifischen Symptomen wie
Muskelschmerzen, Muskelzucken, Gelenkschmerzen, Leistungsschwäche, Müdigkeit,
Durchfall, Verstopfung und ähnlichen Symptomen empfohlen (27).
Dem Test zugrunde liegt die Hypothese, dass B. burgdorferi ein lipophiles Neurotoxin
produziere, welches unter anderem an den Nervus opticus binden und dort eine mit dem
VCS-Test messbare Funktionsbeeinträchtigung, nämlich ein Defizit im Erkennen von
Grautönen, hervorrufen würde (27). Uns ist keine wissenschaftliche Publikation bekannt,
welche die dem Test zugrunde liegende Vorstellung stützt. Da das lipophile Neurotoxin

                                                                                        12
dem enterohepatischen Kreislauf unterliegen würde, wird empfohlen, Cholestyramin
therapeutisch zur Unterbrechung des enterohepatischen Toxinkreislaufs einzusetzen.
Sowohl vom Einsatz des VCS-Testes für die Diagnostik der Lyme-Borreliose als auch der
Therapie mit Cholestyramin kann aus unserer Sicht nur dringend abgeraten werden.

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      for the etiologic diagnosis of erythema migrans. Wien. Klin. Wochenschr.:
      114(2002)606-609

                                                                                         20
Tabelle 1: Sensitivität von Kultur und PCR für den Erregernachweis

  Probe                                      Sensitivität

  Haut                                       50-70% mit Kultur oder PCR
  (Erythema migrans, Acrodermatitis)

  Liquor                                     10-30% mit Kultur oder PCR
  (Akute Neuroborreliose)

  Gelenkflüssigkeit *                        50-70% mit PCR (Kultur ist extrem selten
  (Lyme-Arthritis)                           positiv)

* höhere Sensitivität mit Synovialbiopsie im Vergleich zu Gelenkflüssigkeit

                                                                                        21
Tabelle 2: Sensitivität des Antikörpernachweises bei Lyme-Borreliose

Stadium          Sensitivität                 Antikörperklasse

I                20-50%                       Prädominanz von IgM

                                              Bei kurzer Krankheitsdauer Prädominanz
II               70-90%                       von IgM, bei langer Krankheitsdauer
                                              Prädominanz von IgG

III              nahezu 100%                  In der Regel nur IgG*

* Die Präsenz von IgM Antikörpern ohne IgG Antikörper ist nicht diagnostisch für
Spätmanifestationen

                                                                                   22
Tabelle 3: Reaktivität der verschiedenen Homologe von VlsE und DbpA im Line-
Immunoblot bei Frühmanifestationen (Daten aus Goettner et al. 2005)

A. IgG-Reaktivität

                                DbpA von             DbpA                       VlsE von       VlsE

        An-    PBi∗      PBr        PKo     B31∗     reaktiv       PBi∗     PKo∗     PKa2     reaktiv
        zahl   n (%)    n (%)      n (%)    n (%)    n (%)         n (%)    n (%)    n (%)      n (%)

EMa      15      0        2          4        1        5             12       9        6        12
               (0.0)    (13.3)     (26.7)   (6.7)    (33,3)        (80.0)   (60.0)   (40.0)    (80)

NBb      50      19       20         17       6        39            44       41       41       46
               (38.0)   (40.0)     (34.0)   (12.0)   (78,0)        (88.0)   (82.0)   (82.0)   (92,0)

                                                        4                                        4
 Kon-    110     2        2          0        0       (3,6)          1        3        0      (3,6)
trollene       (1.8)    (1.8)      (0.0)    (0.0)                  (0.9)    (2.7)    (0.0)

B. IgM-Reaktivität

                                DbpA von             DbpA                       VlsE von       VlsE
               PBi∗                         B31∗                   PBi∗     PKo∗
                                                               d
        An-             PBr*       PKo*              reaktiv                         PKa2*    reaktivd
        zahl   n (%)    n (%)      n (%)    n (%)    n (%)         n (%)    n (%)    n (%)      n (%)

EMa      15      0        0          1        0         1            8        4        3        8
               (0.0)    (0.0)      (6.7)    (0.0)     (6,7)        (53.3)   (26.7)   (20.0)   (53,3)

NBb      50      9        13         2        0        22            26       7        6        28
               (18.0)   (26.0)     (4.0)    (0.0)    (44,0)        (52.0)   (14.0)   (12.0)   (56,0)

 Kon-    110     0        1          0        0         1            6        0        0         6
trollene       (0.0)    (0.9)      (0.0)    (0.0)     (0,9)        (5.4)    (0.0)    (0.0)    (5,4)

a
 , Erythema migrans; b, Neuroborreliose; c als Kontrollen wurden Seren von Blutspendern (n=60),
Patienten mit Syphilis (n=10), Patienten mit Fieber unbekannter Ursache (n=30) und
Rheumafaktor-positive Seren (n=10) eingesetzt; d, wenigstens eines der Homologen Proteine
reaktiv; * Die Borrelienstämme gehören folgenden Spezies an: PBi: B. garinii OspA-Typ 4, PBR:
B. garinii OspA-Typ 3, PKo: B. afzelii, B31 und PKa2: B. burgdorferi s.s..

                                                                                                  23
Abbildung 1: Heterogenität von Borrelia burgdorferi s.l.

      B. bissettii
                                                                        B. spielmanii
      B. japonica

      B. andersonii

      B. turdi                   B. burgdorferi                               B. afzelii
                                  s. l. complex
      B. tanukii

      B. sinica
                                                                      B. garinii

     B. valaisiana
                                                        B. burgdorferi s.s.
     B. lusitaniae

Gelbe Rechtecke: gesichert humanpathogene Spezies; grünes Rechteck:
Humanpathogenität unklar; rotes Rechteck: nicht humanpathogene Spezies

Abb. 2: Line-Immunoblot: IgG-Immunantwort bei Patienten mit verschiedenen
Manifestationen der Lyme-Borreliose

Späte Lyme-Borreliose: Seren von Patienten mit Akrodermatitis chronica atrophicans oder Lyme-
Arthritis. Die Borrelienstämme gehören folgenden Spezies an: PBi: B. garinii OspA-Typ 4, PBR:
B. garinii OspA-Typ 3,20047: B. garinii unbekannter OspA-Typ, PKo: B. afzelii, B31 und PKa2:
B. burgdorferi s.s..

                                                                                            24
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