Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf Unternehmen

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FORSCHUNGSERGEBNISSE

Jasmin Gröschl und Feodora Teti

Die Auswirkungen der Russland-
Sanktionen auf Unternehmen

Als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der                                                                                 IN KÜRZE
zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim im Jahr 2014
sowie dem fortgesetzten kriegerischen Konflikt in der
Ostukraine verhängte die Europäische Union (EU) ver-          Seit der sogenannten Ukraine-Krise im Jahr 2014 sind die Han-
schiedene Sanktionen gegenüber Russland, das sei-             delsbeziehungen zwischen der EU und Russland durch gegen-
nerseits Gegensanktionen einführte. Diese Sanktionen          seitig auferlegte Sanktionen erheblich eingeschränkt. Mittels
sind nach wie vor in Kraft und belasten die politischen
                                                              internationaler Handelsdaten analysieren wir in dem vorlie-
und wirtschaftlichen Beziehungen der betroffenen
Volkswirtschaften erheblich. Neben individuellen              genden Beitrag die deutsch-russischen Handelsbeziehungen.
Sanktionen gegen Staatsangehörige des jeweiligen              Zudem wurde durch eine aktuelle Unternehmensbefragung,
anderen Landes erstrecken sich die Sanktionen auch            die das ifo Institut im Auftrag der IHK Düsseldorf im Jahr 2020
auf den Außenhandel der beteiligten Länder.                   durchführte, das Ausmaß der aus den Sanktionen resultieren-
     Im Laufe der vergangenen Jahre wurde die Frage           den Beeinträchtigungen für deutsche Unternehmen erfasst,
nach der Aufrechterhaltung oder Abschaffung der
                                                              die Handelshemmnisse konkretisiert und die Einstellungen
Sanktionen immer wieder aufgeworfen. Eine Abschaf-
fung der Sanktionen wird oftmals damit begründet,             deutscher Manager zu handelspolitischen Themen mit Russ-
dass sie offenbar nicht den erwünschten politischen           landbezug untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Russland
Zweck erfüllten. Man verweist darauf, dass privat-            einseitig von der EU als Zulieferer und als Abnehmer abhängig
wirtschaftliches Handeln in weitestgehend freien              ist, während Russland für die EU eine untergeordnete Rolle als
Märkten grundsätzlich nicht zum Spielball der Politik         Handelspartner spielt. Russland importiert aus der EU haupt-
gemacht werden sollte. Andere führen an, dass eine
                                                              sächlich komplexe Finalgüter, aber exportiert fast ausschließ-
engere wirtschaftliche Kooperation auch Wegbereiter
für die politische Annäherung sein könne und Sank-            lich Rohmaterialien (Rohstoffe wie Erdöl und -gas, Bergbau
tionen somit ökonomisch sowie politisch schädlich             und Metalle). Die Befragung zeigt, dass ostdeutsche Unterneh-
seien.                                                        men in besonderem Maße durch die Sanktionen beeinträchtigt
     In Folgenden beschreiben wir zunächst mittels            werden, ebenso wie Firmen im Verarbeitenden Gewerbe. Vor
internationaler Handelsdaten von UN Comtrade die              allem der mit den Sanktionen entstandene erhöhte bürokrati-
deutsch-russische Handelsbeziehung. In einem zwei-
                                                              sche Aufwand stellt die größte Hürde dar, gefolgt von Export-
ten Schritt beleuchten wir das Ausmaß der aus den
Sanktionen resultierenden Beeinträchtigungen für              kontrollen und konkreten Export- oder Importverboten. Etwa
deutsche Unternehmen. Dabei differenzieren wir die            die Hälfte aller befragten Unternehmen schätzen, dass sie von
unterschiedlichen Wirkungsweisen von Importrestrik-           einer Aufhebung der EU-Sanktionen profitieren könnten.
tionen und Exportbeschränkungen. Hierfür werden
die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung des
ifo Instituts im Auftrag der IHK Düsseldorf aus dem            Abbildung 1 stellt die zehn wichtigsten Handels­
Jahr 2020 hinzugezogen.                                   partner Russlands sowie das Wachstum der russischen
                                                          Exporte bzw. Importe im Zeitraum 2013 bis 2018 dar.
DIE HANDELSBEZIEHUNG ZWISCHEN RUSSLAND                    Hierfür betrachten wir den Gesamthandel an Gütern,
UND DER EU                                                also Exporte und Importe, und ordnen diese der
                                                          Größe nach. Wichtigste Handelspartner für Russland
Der überwiegende Teil des russischen Handels spielt       sind die EU (ohne Deutschland), China, Deutschland
sich im Güterhandel ab: Im Jahr 2018 entfallen 86%        sowie die Eurasische Wirtschaftsunion. Diese vier Han-
der gesamten Exporte auf den Bereich Güter (377 Mrd.      delspartner decken 67% aller Exporte sowie 68% aller
Euro), nur 14% bzw. 61 Mrd. Euro entfallen auf Dienst-    Importe ab. Russlands Auslandsgeschäft ist also wenig
leistungen. Bei den Importen spielen Dienstleistungen     diversifiziert.
eine größere Rolle (2018: 31%). Der Dienstleistungs-           Abbildung 1 zeigt neben den absoluten Werten
handel konzentriert sich auf wenige Sektoren: Ne-         die Veränderung der russischen Exporte bzw. Importe
ben der Tourismusbranche sind der Transportsektor         im Zeitraum 2013 bis 2018 für die jeweiligen Handels­
und andere unternehmensbezogene Dienstleistungen          partner. Um die Entwicklung mit den Niveaus vor den
wichtig.                                                  Sanktionen vergleichen zu können, wurde 2013 als

                                                                      ifo Schnelldienst   1 / 2021   74. Jahrgang   20. Januar 2021   43
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                     Abb. 1
                                     Die zehn wichtigsten Handelspartner Russlands im Güterhandel
                                         2018                                                                                                    Wachstum 2013–2018                    Russische Importe
                                                                                                                   EU ohne Deutschland                                                 Russische Exporte
                                                                                                                                China
                                                                                                                           Deutschland
                                                                                                              Eurasische Wirtschaftsunion
                                                                                                                                    USA
                                                                                                                                Japan
                                                                                                                            Südkorea
                                                                                                                                Ukraine
                                                                                                                                Türkei
                                                                                                                                Indien

                                      0         25        50          75        100    125           150 Mrd. Euro                              -75    -50     -25     0      25     50      75       100%
                                     Die EU, China, Deutschland und die Eurasische Wirtschaftsunion sind bei Gütern die wichtigsten Handelspartner Russlands.
                                     Quelle: UN Comtrade.                                                                                                                                      © ifo Institut

                                     Basisjahr gewählt – ein Jahr vor dem Inkrafttreten der                                                2014–2017 mit BIP-Wachstumsraten zwischen 3,4%
                                     Sanktionen. Bei den Exporten fällt eine Verlagerung                                                   und 4,1% besonders positiv.2 Die gute Auftragslage
                                     zugunsten Asiens auf: insbesondere die russischen                                                     bewirkte eine höhere Nachfrage nach russischen Roh-
                                     Exporte nach China, in die Türkei und Südkorea wach-                                                  stoffen und Rohmaterialien.
                                     sen stark, während die Exporte in die EU, Japan und                                                        Im Folgenden werden die Anteile der wichtigsten
                                     in die Ukraine schrumpfen. Das Bild bei den Importen                                                  Handelspartner Russlands über die Zeit beschrieben,
                                     ist homogener: Nur die Importe aus China, Indien und                                                  wobei zwischen den Jahren 2013, 2015 und 2018 ver-
                                     der Eurasischen Wirtschaftsunion konnten sich im                                                      glichen wird, um zu analysieren, ob mit dem Inkraft-
                                     Fünfjahresvergleich positiv entwickeln. Die starken                                                   treten der Sanktionen eine Verschiebung der Handel-
                                     relativen Rückgänge von Importen aus der Türkei,                                                      santeile einhergeht (vgl. Abb. 2). Wir berechnen die
                                     USA, Südkorea, Japan sowie der Ukraine ergeben sich                                                   Anteile für die vier wichtigsten Handelspartner Russ-
                                     aufgrund der niedrigen absoluten Werte der Importe.                                                   lands (EU ohne Deutschland, China, Deutschland und
                                          Interessanterweise wuchsen die russischen Ex-                                                    die Eurasische Wirtschaftsunion) und fassen die ver-
                                     porte nach Deutschland zwischen 2013 und 2018 um                                                      bleibenden Partnerländer zusammen (Rest der Welt).
                                     67%. Dieser Anstieg, der ausschließlich durch höhere                                                       Während die EU an Bedeutung als Handelspartner
                                     Exporte von Rohstoffen, insbesondere von Erdgas und                                                   abnimmt, verlagern sich Teile der internationalen Ge-
                                     -öl1, getrieben wurde, kann auf Nachfrageeffekte in                                                   schäftstätigkeit nach China: Im Jahr 2013 gingen 48%
                                     Deutschland zurückgeführt werden: Zum einen verän-                                                    der russischen Exporte in die EU 27 (ohne Deutsch-
                                     dert sich durch die Energiewende in Deutschland der                                                   land), jeweils 8% nach China und in die Eurasische
                                     Energiemix, und die Nachfrage nach Erdgas zur Stro-                                                   Wirtschaftsunion, 5% nach Deutschland und die restli-
                                     merzeugung steigt an. Zum anderen entwickelte sich                                                    chen 31% in den Rest der Welt. Die EU-27-Anteile sind
                                     die deutsche Wirtschaft insbesondere in den Jahren                                                    seit 2013 stark gesunken: 2015 betrug der Anteil 42%
                                                                                                                                           und sank über die nächsten drei Jahre um weitere
                                     1
                                        Aus Gründen der nationalen Sicherheit werden in den Handelssta-
                                     tistiken bei Erdgas und -öl die Partnerländer nicht im Detail aufge-
                                                                                                                                           4 Prozentpunkte. Mit dieser Entwicklung ging eine Ver-
                                     führt, stattdessen sind nur aggregierte Zahlen verfügbar. Aus diesem                                  lagerung des Exportgeschäfts nach China einher (An-
                                     Grund ist eine genaue Differenzierung der russischen Exporte hin-
                                     sichtlich der Sektoren bzw. Produkte im Rohstoffbereich leider nicht
                                                                                                                                           stieg um 5 Prozentpunkte). Bei den Importen zeichnet
                                     möglich.                                                                                              sich ein sehr ähnliches Bild ab: Auch hier wird China
                                                                                                                                           als Handelspartner wichtiger. Da der Rubel nicht nur
Abb. 2                                                                                                                                     gegenüber dem Euro an Wert verloren hat, sondern
Anteile ausgewählter Handelspartner an russischen Gesamtexporten und -importen                                                             im etwa gleichen Maße gegenüber anderen Währun-
                                                     EU ohne Deutschland       Rest der Welt    China                                      gen wie dem US-Dollar und dem chinesischen Yuan,
                                                     Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft     Deutschland
Importe                                                                                                                                    lässt sich diese Verschiebung nicht auf einen reinen
  2018                27                                  32                          22                      8            11              Währungseffekt zurückführen.
  2015                26                                  36                           20                      7           11                   Russlands Exporte nach Deutschland und in die
  2013                  31                                     34                          17                 6            12
                                                                                                                                           restlichen Mitgliedsländer der EU sind sehr stark auf
                                                                                                                                           wenige Sektoren konzentriert: 93% aller Exporte
Exporte
                                                                                                                                           nach Deutschland entfallen auf drei Sektoren, näm-
  2018                       38                                       33                        13                 9            8          lich Rohstoffe, Bergbau und Metalle. Für die restliche
  2015                          42                                         34                        10                9        6          EU zeichnet sich ein ähnliches Bild ab (91% aller Ex-
  2013                               48                                         31                        8            8         5         porte entfallen auf Rohstoffe, Bergbau und Metalle).
          0                     20                   40                    60                    80                                 100%   Gemeinsam mit den hohen Anteilen Europas am rus-
Die Handelsanteile der EU in Russland verringern sich seit dem Inkrafttreten der Sanktionen im Jahr 2014, für
                                                                                                                                           2
Deutschland ist kaum eine Veränderung sichtbar.                                                                                              Die Zahlen zum BIP-Wachstum stammen vom Statistischen Bun-
Quelle: UN Comtrade.                                                                                    © ifo Institut                     desamt (Destatis).

                           44        ifo Schnelldienst     1 / 2021   74. Jahrgang    20. Januar 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

sischen Exportgeschäft bedeutet das, dass Russland        Abb. 3
sehr stark von der europäischen Nachfrage nach Roh-       Anteile an Gesamtexporten und -importen für ausgewählte Handelspartner
materialien abhängig ist und ein wenig diversifiziertes   Deutschlands sowie der EU für die Jahre 2013 und 2018
Exportportfolio besitzt – weder hinsichtlich des Pro-                                              EU 28           Rest der Welt         China              USA               Russland
duktmixes noch hinsichtlich der Abnehmer.                 Deutschland                                57                                      25                   6           8     3 2013
     Im Gegensatz zu den Exporten ist bei den russi-      Deutschland                                 59                                     23                   7           9     2 2018
schen Importen keine starke Konzentration auf we-                  EU 28                                  64                                           24                 3       6 3 2013
nige Sektoren zu beobachten. Der Maschinenbau ist                  EU 28                                    66                                         22                 4       7 2 2018
derjenige Sektor mit dem größten Anteil an den rus-
sischen Importen aus Deutschland (23%) bzw. der           Deutschland                                57                                      24                   9           6     5   2013
restlichen EU (20%). Darüber hinaus spielen auch          Deutschland                                58                                      23                   10              6 2 2018
Fahrzeuge, Computer, elektronische Waren, sonstige                 EU 28                              60                                      23                  7           5    5    2013
                                                                   EU 28                               61                                         22                  8           5 3 2018
Güter, Textilien sowie Agrargüter eine wichtige Rolle
                                                                           0                20                     40               60                      80                      100%
bei den Importen aus Deutschland und der restlichen
                                                          Russland spielt als Handelspartner für Deutschland und die Europäische Union eine untergeordnete Rolle.
EU. Russland importiert also aus Deutschland bzw.         Quelle: UN Comtrade.                                                                                  © ifo Institut
der restlichen EU hauptsächlich komplexe Finalgüter,
aber exportiert fast ausschließlich Rohmaterialien.       Waren und Dienstleistungen nach Russland betrof-
     Um die Relevanz Russlands als Handelspartner für     fen zu sein. Dies steht in engen Zusammenhang mit
Deutschland und für die restlichen Mitgliedsländer der    der historischen und wirtschaftlichen Verflechtung
EU zu bestimmen, werden in Abbildung 3 die Anteile        sächsischer Unternehmen mit Russland und der re-
der wichtigsten Handelspartner für die Jahre 2013 und     lativen Wirtschaftsstärke Sachsens im Vergleich zu
2018 dargestellt. Russland spielt als Handelspartner      den anderen neuen Bundesländern. Im Vergleich dazu
weder für Deutschland noch für die restliche EU eine      geben 42% der Firmen in Niedersachsen und 40% in
besonders wichtige Rolle. Im Jahr 2018 gehen nur 2%       Hessen an, durch die Sanktionen in ihrem Verkauf von
der deutschen Exporte nach Russland, und nur 2%           Waren und Dienstleistungen nach Russland betroffen
der deutschen Importe stammen aus Russland. Für           zu sein. Auch im Einkauf von Waren oder Dienstleis-
die restliche EU sind die Werte sehr ähnlich (2% der      tungen wird die enge historische und wirtschaftli-
Exporte und 3% der Importe). Diese geringe Abhän-         che Bindung zwischen Sachsen und Russland deut-
gigkeit vom russischen Markt im Vergleich zu anderen      lich; der Anteil betroffener Unternehmen liegt aber
Handelspartnern steht im direkten Gegensatz zu der        nur bei 15%.
Situation in Russland, für das Europa der mit Abstand          Insgesamt sind die befragten Unternehmen am
wichtigste Handelspartner ist.                            deutlichsten beim Verkauf von Waren und Dienstleis-

UNTERNEHMENSBEFRAGUNG                                     Abb. 4
                                                          Anteil der durch die Sanktionen betroffenen Unternehmen
                                                          nach Regionen
Im September 2020 führte das ifo Institut im Auftrag
der IHK Düsseldorf eine Unternehmensbefragung               Anteile der Unternehmen in %               55−61            34−38        29−32
                                                                                                       42−55            33−34        17−29
durch, an der insgesamt 862 Unternehmen teilnah-                                                       38−42            32−33        0−17
men. 65% der teilnehmenden Unternehmen haben
den Fragebogen vollständig und 35% nur teilweise
beantwortet. Aus diesem Grund unterscheiden sich
die Fallzahlen je nach Auswertungseinheit. Die er-
rechneten prozentualen Anteile dienen lediglich dem
Vergleich über innerdeutsche Regionen, Unterneh-
mensgrößen und Branchen hinweg. Anspruch auf eine
vollumfängliche Repräsentativität wird nicht erhoben.
Zusätzlich wurde für eine reduzierte Stichprobe von
196 Unternehmensmanager eine Einschätzung zu han-
delspolitischen Themen erhoben.

BETROFFENHEIT DURCH SANKTIONEN

Zunächst untersuchen wir den prozentualen Anteil
der Unternehmen je Bundesland, die sich selbst als
von den Sanktionen betroffen klassifizieren. In Abbil-
dung 4 wird ersichtlich, dass die Betroffenheit regi-
onal sehr unterschiedlich ausfällt. In Sachsen geben      Ergebnisse der Frage »War Ihr Unternehmen durch die Sanktionen im Verkauf von
61% aller teilnehmenden Unternehmen an, besonders         Waren oder Dienstleistungen nach Russland eingeschränkt oder wurde behindert,
                                                          oder ist dies aktuell der Fall?«
durch eines der Sanktionsregime in ihrem Verkauf von      Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf.                          © ifo Institut

                                                                               ifo Schnelldienst   1 / 2021      74. Jahrgang   20. Januar 2021         45
FORSCHUNGSERGEBNISSE

Abb. 5                                                                                                                    Sanktionen im Verkauf von Waren nach Russland
Anteil der durch die Sanktionen beeinträchtigten Unternehmen nach Wirtschaftszweig                                        eingeschränkt sind. Im Einkauf von Waren und Zwi-
                                                                          Verkauf       Einkauf       Investitionen       schengütern betrifft es insbesondere die Automobil-
       %
40                                                                                                                        branche (10%) und die Metallurgie (7%) sowie den
                                                                                                                          Maschinenbau (5%).
30                                                                                                                             Auch in den Dienstleistungssektoren ist der Ver-
                                                                                                                          kauf stärker betroffen als der Einkauf. Vor allem die
20                                                                                                                        Logistikbranche hat mit einem Anteil von 42% der
                                                                                                                          Unternehmen starke Einschränkungen im Verkauf von
                                                                                                                          Dienstleistungen durch die Sanktionen hinzunehmen,
10
                                                                                                                          gefolgt von der Energiebranche (29%), IT-Dienstleis-
                                                                                                                          tungen (17%) sowie Finanz- und Versicherungsdienst-
 0
        Verarbeitendes         Dienstleistung             Handel                Sonstige                Bau               leistungen (11%). Auch im Einkauf steht die Logistik-
           Gewerbe
                                                                                                                          branche bei den Dienstleistungen an erster Stelle, ge-
Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe geben häufiger an, durch die Sanktionen beeinträchtigt zu sein.
Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf.                                                          © ifo Institut          folgt von der Energiebranche und IT-Dienstleistungen.

                                  tungen durch die Sanktionen beeinträchtigt. Für den                                     GRÜNDE DER HANDELSERSCHWERNIS
                                  Einkauf hingegen berichten nur sehr wenige Unterneh-
                                  men von Einschränkungen. Die Betroffenheit bei der                                      Um die Kanäle der Handelserschwernisse für Unter-
                                  Investitionstätigkeit fällt im Vergleich hierzu etwas hö-                               nehmen aufgrund der Sanktionen zu verstehen, wur-
                                  her aus, ist aber verglichen mit den Schwierigkeiten,                                   den die Unternehmen in der Befragung nach den kon-
                                  die beim Verkauf entstehen, ebenfalls ein geringeres                                    kreten Problemen, die zu den Einschränkungen oder
                                  Problem für Unternehmen. Insgesamt spielt vor allem                                     Behinderungen beim Kauf und Verkauf von Waren und
                                  die Wirtschaftsstärke und historische Bindungen für                                     Dienstleistungen nach Russland führen, befragt. Ab-
                                  die regionale Betroffenheit eine Rolle.                                                 bildung 6 zeigt die Ergebnisse.
                                                                                                                               Die stärksten Einschränkungen durch die Sank-
                                  DAS VERARBEITENDE GEWERBE IST STÄRKER                                                   tionen entstehen für 37% der Unternehmen aus dem
                                  BETROFFEN ALS DER DIENSTLEISTUNGSBEREICH                                                erhöhten bürokratischen Aufwand, gefolgt von zu-
                                                                                                                          sätzlichen Exportkontrollen (31%). Von konkreten
                                  Abbildung 5 zeigt anhand der Branchenzugehörigkeit,                                     Exportverboten sehen sich 23% der Unternehmen
                                  dass im Verarbeitenden Gewerbe (39%) ein größerer                                       beeinträchtigt. Die Einschränkung der Finanzie-
                                  Anteil der nach Russland exportierenden Unterneh-                                       rungsmöglichkeiten des Exportgeschäfts mit Russ-
                                  men eine Beeinträchtigung durch die Sanktionen an-                                      land ist für 17% der Unternehmen maßgeblich. Bei
                                  gibt als im Dienstleistungsbereich (16%). Beim Einkauf                                  den Importen liegt die Betroffenheit im einstelligen
                                  aus Russland liegen sowohl Dienstleistungen als auch                                    Prozentbereich.
                                  Waren im einstelligen Bereich. Die Beeinträchtigung                                          Insgesamt ist der Warenexport stärker von den
                                  der Investitionstätigkeit liegt über alle Sektoren hin-                                 Sanktionen betroffen als der Export von Dienstleis-
                                  weg etwas höher, aber ebenfalls im einstelligen pro-                                    tungen, wohingegen die Importseite ein umgekehrtes
                                  zentualen Bereich.                                                                      Bild liefert. Grundsätzlich sind Unternehmen im Ver-
                                       Für die einzelnen Teilbranchen des Verarbeiten-                                    arbeitenden Gewerbe und im Handel beim Export von
                                  den Gewerbes zeigt sich, dass vor allem der Maschi-                                     Waren nach Russland am stärksten betroffen; mehr
                                  nen- und Anlagenbau (59%), Fahrzeuge (40%), Che-                                        als ein Drittel der Unternehmen nennen die bürokra-
                                  mie (39%) und die Elektroindustrie (38%) durch die                                      tischen Hürden als Handelserschwernis, gefolgt von
                                                                                                                          zusätzlichen Exportkontrollen. Etwa ein Fünftel der
Abb. 6                                                                                                                    betroffenen Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe
Gründe der Einschränkungen oder Behinderungen beim Verkauf/Einkauf von Waren                                              und im Handel geben ein konkretes Exportverbot als
oder Dienstleistungen nach Russland
                                                                                                                          Grund für die Beeinträchtigung durch die Sanktionen
        Kaufkraftschwächung
                              Exportkontrolle
           Reiseeinschränkungen
                                                Wettbewerb aus Drittländern
                                            Investitionsrückgang
                                      Kontrolle von Geldüberweisungen                                      Willkür
                                                                                                                          an. Bei den Dienstleistungen liegen ein konkretes Ex-
                                                                                                                          portverbot und zusätzliche Exportkontrollen mit 12%
  Unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten                                                                                gleich auf.
Vertrauens-/ Reputationsverlust              Corona         Logistik/ Transport        Internationale Zusammenarbeit           Importseitig überwiegt die Betroffenheit der
                                                                                Währungsschwankungen

                      Bürokratie
                    Exportrückgang Unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten
                                            Zölle       Personalmangel
                                                                                                                          Dienstleistungsunternehmen, wobei die Anteile der
     Handelsumlenkung                                                                Ausschluss vom Vergabeverfahren
                                                                                           Unsicherheit                   einzelnen Kanäle hier sehr nahe beieinanderliegen.
        Compliance                                                                                           Korruption
                                                                                           Indirekte Enschränkungen       5% der betroffenen Unternehmen geben hier ebenfalls
            Importsubstitution                  Eingeschränktes Marktwachstum
                                                                                   Standards          Sanktionen          den bürokratischen Aufwand als Problem an, 4% der
                                                Export-/ Importverbot
  Eingeschränkte Produktion vor Ort
  Politische Gesamtsituation Local Content                                                                                Unternehmen beklagen konkrete Importverbote ei-
                          Eingeschränkte F&E Förderung     Abschottung Russlands                                          ner Dienstleistung, und Finanzierungsschwierigkeiten
Die Abbildung zeigt die Antworten der Unternehmensbefragung zu den Gründen der Einschränkungen oder Behinde-
rungen beim Verkauf von Waren oder Dienstleistungen nach Russland. Mehrfachnennungen möglich.
                                                                                                                          führen bei 3% der Unternehmen zu weniger Importen
Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf.                                                         © ifo Institut           aus Russland.

                          46      ifo Schnelldienst      1 / 2021   74. Jahrgang   20. Januar 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

     Insgesamt lässt sich festhalten, dass der mit den   Abb. 7
Sanktionen entstandene erhöhte bürokratische Auf-        Anteil durch Sanktionsaufhebung gewinnender Unternehmen
wand für alle Unternehmen die größte Hürde darstellt,         %                                                                     EU-Sanktionen        Gegensanktionen
                                                         50
gefolgt von konkreten Export- oder Importverboten.
Zudem wurden vor allem die starken Währungs-             40
schwankungen, speziell die Rubelabwertung und die
damit verbundenen hohen Kosten (in Euro) deutscher       30
Produkte für russische Kunden von einigen Unter-
nehmen als Problem für beeinträchtigte Geschäfts-        20
beziehungen mit Russland verantwortlich gemacht.
                                                         10
Mehrere Unternehmen nannten auch die allgemeine
negative Grundstimmung gegenüber Russland, damit
                                                          0
verbundene mögliche Reputationsrisiken für ihr Unter-            Verarbeitendes              Handel                  Sonstige         Dienstleistungen          Bau
                                                                    Gewerbe
nehmen und die Unsicherheit durch die politische Si-     Ergebnis der Frage: »Würde Ihr Unternehmen von einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland oder der russischen
                                                         Gegensanktionen profitieren?«. Die Unternehmen können durch mehr als ein Sanktionsregime betroffen sein.
tuation als wichtige Faktoren. Auch konkrete Marktzu-    Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf.                                                            © ifo Institut
gangshemmnisse im nicht-tarifären Bereich, wie zum
Beispiel erhöhte Standard und lokale Content-Regeln      Nord Stream II Pipeline befürwortet wird. Zu beachten
innerhalb Russlands, über die es zur Importsubstitu-     ist, dass die Fallzahlen mit insgesamt 160 Antworten
tion kommt und die zusätzlich den Einkauf von Gütern     aus 196 Befragten für diese beiden Fragen recht ge-
und Dienstleistungen aus Drittländern (v.a. China) be-   ring sind.
feuern, erschweren für viele Unternehmen in unserer           Abbildung 8 zeigt, dass fast drei von vier Mana-
Umfrage das Geschäft mit Russland.                       gern (72%) einen möglichen zukünftigen Abschluss
                                                         eines Freihandelsabkommens mit Russland und der
POTENZIALE DES RUSSLANDGESCHÄFTS                         eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft als positiv be-
                                                         werten. Eine knappe Minderheit von 48% spricht
Um die Potenziale des verpassten Russlandgeschäfts       sich für einen Baustopp der Nord Stream II Pipeline
auszuloten, wurden die Unternehmen dazu befragt,         aus. Hier wird deutlich, dass die Absatzpotenziale
inwieweit sie einschätzen, von einer möglichen Auf-      eines Freihandelsabkommen für die Unternehmen
hebung der Sanktionen gegen Russland oder der            höher zu bewerten sind als kurzfristige politische
russischen Gegensanktionen zukünftig profitieren zu      Signale.
können. Etwa die Hälfte aller Unternehmen schätzen,           Über die Sektoren hinweg sind die Anteile der
dass sie von einer Aufhebung der EU-Sanktionen pro-      Unternehmen relativ nah am gesamten Durchschnitt.
fitieren könnten. Interessanterweise schätzt ebenfalls   Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes findet die
etwa ein Drittel der Unternehmen, dass sie von einer     Aufhebung der Sanktionen die größte Unterstützung
Aufhebung der russischen Gegensanktionen profitie-       in der Chemie- (83%) und der Elektrobranche (75%).
ren würden.                                              Auch in Bezug auf ein mögliches Freihandelsabkom-
      Abbildung 7 zeigt, dass Unternehmen im Verar-      men sind Firmen im Chemie- und Elektrobereich
beitenden Gewerbe angeben, am stärksten von ei-          (100% und 88%) deutlich positiver eingestellt als der
ner Aufhebung der Sanktionen profitieren zu können.      Gesamtdurchschnitt. Beim Nord-Stream-II-Projekt ge-
Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen im Ver-       hen die Meinungen stark auseinander: Während sich
arbeitenden Gewerbe würde von einer Aufhebung der        drei von vier Managern in der Elektrobranche für den
EU-Sanktionen profitieren. Darauf folgt der Handel mit   Stopp des Projekts aussprechen, liegt der Anteil in
37%, sonstige Branchen mit 33%, Dienstleistungen         der Chemiebranche bei nur einem Drittel. Angesichts
mit 28% und das Baugewerbe mit 27% der Firmen.           der Abhängigkeit der Chemiebranche von Öleinfuhren
Von einer Aufhebung der russischen Gegensanktionen       verwundert dies nicht.
würden 28% der Firmen im Verarbeitenden Gewerbe
profitieren. Im Handel belaufen sich die Zahlen auf      Abb. 8
etwa ein Viertel der Unternehmen. Dienstleistungsun-     Einstellung in Bezug auf handelspolitische Fragen
ternehmen geben an, zu 19% von einer Aufhebung der             Befürwortung in %
                                                         80
russischen Gegensanktionen zu profitieren.

                                                         60
HANDELSPOLITISCHE THEMEN
                                                         40
Eine Teilgruppe der Befragten wurde nach ihrer Ein-
schätzung zu russlandbezogenen handelspolitischen
                                                         20
Themen befragt. Konkret sollten diese angeben, für
wie wichtig sie den Abschluss eines Freihandelsab-        0
kommens mit Russland und der Eurasischen Wirt-                    Freihandelsabkommen mit                      Stopp von Nord Stream II
                                                                          Russland
schaftsunion halten und inwieweit ein Baustopp der       Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf.                                 © ifo Institut

                                                                             ifo Schnelldienst      1 / 2021    74. Jahrgang   20. Januar 2021     47
FORSCHUNGSERGEBNISSE

          Manager in den Dienstleistungssektoren sind mit                 Anhand der Ergebnisse einer im Jahr 2020 durch-
     Bezug auf ein Freihandelsabkommen sehr positiv ge-              geführten Befragung deutscher Unternehmen zeigen
     stimmt. Nur in der IT-Branche (38%) spiegelt sich mög-          wir den ökonomischen Effekt der Aufhebung der
     licherweise die Sorge eines kompetitiven Nachteils              Sanktionen. Dabei finden wir, dass Unternehmen in
     gegenüber russischen IT-Dienstleistern wider. In Bezug          wirtschaftsstärkeren Regionen und Regionen mit his-
     auf einen Stopp des Nord-Stream-II-Pipeline-Projekts            torischer Bindung an Russland, wie etwa Sachsen, an-
     gehen die Meinungen ebenfalls auseinander: Manager              geben, besonders durch die Sanktionen betroffen zu
     der Logistik- (70%) und der IT-Branche (63%) sprechen           sein. Zudem ist der Verkauf deutscher Unternehmen
     sich mehrheitlich für einen Stopp des Projekts aus,             nach Russland häufiger von Sanktionen beeinträchtigt
     wohingegen die Finanz- und Versicherungsbranche                 als ihre Investitionstätigkeit in Russland. Die Investiti-
     zur Fortsetzung des Projekts tendiert.                          onen sind jedoch wiederum häufiger getroffen als der
          Insgesamt ist eine erhebliche Variation in den Ein-        Einkauf von Waren aus Russland. Im Verarbeitenden
     stellungen zu den politischen Fragestellungen über die          Gewerbe sind Unternehmen in den Sektoren Maschi-
     Sektoren hinweg festzustellen. In fast allen untersuch-         nenbau, Kfz, Chemie und Elektro und im Dienstleis-
     ten Gruppen spricht sich die Mehrheit der Befragten             tungssektor Logistik am häufigsten beeinträchtigt.
     für den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit                Das größte Hindernis für Unternehmen, sowohl für
     Russland und der Eurasischen Wirtschaftsunion aus.              den Import als auch den Export, stellt der erhöhte
     In Bezug auf die Sanktionen und die Nord Stream II              bürokratische Aufwand dar. Weitere Belastungen
     Pipeline sind die Manager jedoch gespaltener Ansicht,           entstehen durch zusätzliche Kontrollen, Handelsver-
     wobei sich jeweils eine knappe Mehrheit für die Auf-            bote und unzureichende Finanzierungsmöglichkei-
     hebung und gegen einen Baustopp ergibt.                         ten. Auch Währungsschwankungen, russlandseitigen
                                                                     Importsubstitutionen, erhöhte Standards, politische
     SCHLUSSFOLGERUNGEN                                              und wirtschaftliche Unsicherheit, Vertrauens- und Re-
                                                                     putationsverlust, lokale Content-Regeln und erhöhter
     Seit dem Jahr 2014 verhängten die Mitgliedstaaten               Wettbewerb aus Drittländern bereiten den deutschen
     der Europäischen Union verschiedene Wirtschafts-                Unternehmen nach eigener Aussage im Zusammen-
     sanktionen gegen Russland sowie Sanktionen gegen                hang mit ihrem Russlandgeschäft deutliche Probleme.
     einzelne russische Staatsbürger. Im Gegenzug erließ             Insgesamt belasten die EU-Sanktionen den Handel
     Russland seinerseits Sanktionen gegen die Mitglied-             deutscher Unternehmen am stärksten, so dass es
     staaten der EU. Für deutsche Unternehmen kann dies              nicht verwundert, dass die Mehrheit der deutschen
     eine doppelte Belastung bedeuten, da sie sowohl von             Firmen angibt, von einer Aufhebung des EU-Sankti-
     Ausfuhrbeschränkungen der EU wie auch von Einfuhr-              onsregimes direkt profitieren zu können.
     beschränkungen durch Russland getroffen werden                       Aus ökonomischer Sicht wäre eine Aufhebung
     können. Mittels internationaler Handelsdaten finden             der Sanktionen angesichts der damit verbundenen
     wir allerdings, dass Russland einseitig von der EU als          Kosten sicherlich wünschenswert. Politisch gesehen
     Zulieferer und als Abnehmer abhängig ist, während               wäre es allerdings vermutlich das falsche Signal, da
     Russland für die EU eine untergeordnete Rolle als               damit indirekt die Politik und das Vorgehen Moskaus
     Handelspartner spielt. Russland importiert aus der              innenpolitisch als auch auf dem internationalen Par-
     EU hauptsächlich komplexe Finalgüter, aber expor-               kett seitens der Europäischen Union gebilligt würde.
     tiert fast ausschließlich Rohmaterialien (Rohstoffe
     wie Erdöl und -gas, Bergbau und Metalle).

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