Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf Unternehmen
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FORSCHUNGSERGEBNISSE Jasmin Gröschl und Feodora Teti Die Auswirkungen der Russland- Sanktionen auf Unternehmen Als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der IN KÜRZE zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim im Jahr 2014 sowie dem fortgesetzten kriegerischen Konflikt in der Ostukraine verhängte die Europäische Union (EU) ver- Seit der sogenannten Ukraine-Krise im Jahr 2014 sind die Han- schiedene Sanktionen gegenüber Russland, das sei- delsbeziehungen zwischen der EU und Russland durch gegen- nerseits Gegensanktionen einführte. Diese Sanktionen seitig auferlegte Sanktionen erheblich eingeschränkt. Mittels sind nach wie vor in Kraft und belasten die politischen internationaler Handelsdaten analysieren wir in dem vorlie- und wirtschaftlichen Beziehungen der betroffenen Volkswirtschaften erheblich. Neben individuellen genden Beitrag die deutsch-russischen Handelsbeziehungen. Sanktionen gegen Staatsangehörige des jeweiligen Zudem wurde durch eine aktuelle Unternehmensbefragung, anderen Landes erstrecken sich die Sanktionen auch die das ifo Institut im Auftrag der IHK Düsseldorf im Jahr 2020 auf den Außenhandel der beteiligten Länder. durchführte, das Ausmaß der aus den Sanktionen resultieren- Im Laufe der vergangenen Jahre wurde die Frage den Beeinträchtigungen für deutsche Unternehmen erfasst, nach der Aufrechterhaltung oder Abschaffung der die Handelshemmnisse konkretisiert und die Einstellungen Sanktionen immer wieder aufgeworfen. Eine Abschaf- fung der Sanktionen wird oftmals damit begründet, deutscher Manager zu handelspolitischen Themen mit Russ- dass sie offenbar nicht den erwünschten politischen landbezug untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Russland Zweck erfüllten. Man verweist darauf, dass privat- einseitig von der EU als Zulieferer und als Abnehmer abhängig wirtschaftliches Handeln in weitestgehend freien ist, während Russland für die EU eine untergeordnete Rolle als Märkten grundsätzlich nicht zum Spielball der Politik Handelspartner spielt. Russland importiert aus der EU haupt- gemacht werden sollte. Andere führen an, dass eine sächlich komplexe Finalgüter, aber exportiert fast ausschließ- engere wirtschaftliche Kooperation auch Wegbereiter für die politische Annäherung sein könne und Sank- lich Rohmaterialien (Rohstoffe wie Erdöl und -gas, Bergbau tionen somit ökonomisch sowie politisch schädlich und Metalle). Die Befragung zeigt, dass ostdeutsche Unterneh- seien. men in besonderem Maße durch die Sanktionen beeinträchtigt In Folgenden beschreiben wir zunächst mittels werden, ebenso wie Firmen im Verarbeitenden Gewerbe. Vor internationaler Handelsdaten von UN Comtrade die allem der mit den Sanktionen entstandene erhöhte bürokrati- deutsch-russische Handelsbeziehung. In einem zwei- sche Aufwand stellt die größte Hürde dar, gefolgt von Export- ten Schritt beleuchten wir das Ausmaß der aus den Sanktionen resultierenden Beeinträchtigungen für kontrollen und konkreten Export- oder Importverboten. Etwa deutsche Unternehmen. Dabei differenzieren wir die die Hälfte aller befragten Unternehmen schätzen, dass sie von unterschiedlichen Wirkungsweisen von Importrestrik- einer Aufhebung der EU-Sanktionen profitieren könnten. tionen und Exportbeschränkungen. Hierfür werden die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung des ifo Instituts im Auftrag der IHK Düsseldorf aus dem Abbildung 1 stellt die zehn wichtigsten Handels Jahr 2020 hinzugezogen. partner Russlands sowie das Wachstum der russischen Exporte bzw. Importe im Zeitraum 2013 bis 2018 dar. DIE HANDELSBEZIEHUNG ZWISCHEN RUSSLAND Hierfür betrachten wir den Gesamthandel an Gütern, UND DER EU also Exporte und Importe, und ordnen diese der Größe nach. Wichtigste Handelspartner für Russland Der überwiegende Teil des russischen Handels spielt sind die EU (ohne Deutschland), China, Deutschland sich im Güterhandel ab: Im Jahr 2018 entfallen 86% sowie die Eurasische Wirtschaftsunion. Diese vier Han- der gesamten Exporte auf den Bereich Güter (377 Mrd. delspartner decken 67% aller Exporte sowie 68% aller Euro), nur 14% bzw. 61 Mrd. Euro entfallen auf Dienst- Importe ab. Russlands Auslandsgeschäft ist also wenig leistungen. Bei den Importen spielen Dienstleistungen diversifiziert. eine größere Rolle (2018: 31%). Der Dienstleistungs- Abbildung 1 zeigt neben den absoluten Werten handel konzentriert sich auf wenige Sektoren: Ne- die Veränderung der russischen Exporte bzw. Importe ben der Tourismusbranche sind der Transportsektor im Zeitraum 2013 bis 2018 für die jeweiligen Handels und andere unternehmensbezogene Dienstleistungen partner. Um die Entwicklung mit den Niveaus vor den wichtig. Sanktionen vergleichen zu können, wurde 2013 als ifo Schnelldienst 1 / 2021 74. Jahrgang 20. Januar 2021 43
FORSCHUNGSERGEBNISSE Abb. 1 Die zehn wichtigsten Handelspartner Russlands im Güterhandel 2018 Wachstum 2013–2018 Russische Importe EU ohne Deutschland Russische Exporte China Deutschland Eurasische Wirtschaftsunion USA Japan Südkorea Ukraine Türkei Indien 0 25 50 75 100 125 150 Mrd. Euro -75 -50 -25 0 25 50 75 100% Die EU, China, Deutschland und die Eurasische Wirtschaftsunion sind bei Gütern die wichtigsten Handelspartner Russlands. Quelle: UN Comtrade. © ifo Institut Basisjahr gewählt – ein Jahr vor dem Inkrafttreten der 2014–2017 mit BIP-Wachstumsraten zwischen 3,4% Sanktionen. Bei den Exporten fällt eine Verlagerung und 4,1% besonders positiv.2 Die gute Auftragslage zugunsten Asiens auf: insbesondere die russischen bewirkte eine höhere Nachfrage nach russischen Roh- Exporte nach China, in die Türkei und Südkorea wach- stoffen und Rohmaterialien. sen stark, während die Exporte in die EU, Japan und Im Folgenden werden die Anteile der wichtigsten in die Ukraine schrumpfen. Das Bild bei den Importen Handelspartner Russlands über die Zeit beschrieben, ist homogener: Nur die Importe aus China, Indien und wobei zwischen den Jahren 2013, 2015 und 2018 ver- der Eurasischen Wirtschaftsunion konnten sich im glichen wird, um zu analysieren, ob mit dem Inkraft- Fünfjahresvergleich positiv entwickeln. Die starken treten der Sanktionen eine Verschiebung der Handel- relativen Rückgänge von Importen aus der Türkei, santeile einhergeht (vgl. Abb. 2). Wir berechnen die USA, Südkorea, Japan sowie der Ukraine ergeben sich Anteile für die vier wichtigsten Handelspartner Russ- aufgrund der niedrigen absoluten Werte der Importe. lands (EU ohne Deutschland, China, Deutschland und Interessanterweise wuchsen die russischen Ex- die Eurasische Wirtschaftsunion) und fassen die ver- porte nach Deutschland zwischen 2013 und 2018 um bleibenden Partnerländer zusammen (Rest der Welt). 67%. Dieser Anstieg, der ausschließlich durch höhere Während die EU an Bedeutung als Handelspartner Exporte von Rohstoffen, insbesondere von Erdgas und abnimmt, verlagern sich Teile der internationalen Ge- -öl1, getrieben wurde, kann auf Nachfrageeffekte in schäftstätigkeit nach China: Im Jahr 2013 gingen 48% Deutschland zurückgeführt werden: Zum einen verän- der russischen Exporte in die EU 27 (ohne Deutsch- dert sich durch die Energiewende in Deutschland der land), jeweils 8% nach China und in die Eurasische Energiemix, und die Nachfrage nach Erdgas zur Stro- Wirtschaftsunion, 5% nach Deutschland und die restli- merzeugung steigt an. Zum anderen entwickelte sich chen 31% in den Rest der Welt. Die EU-27-Anteile sind die deutsche Wirtschaft insbesondere in den Jahren seit 2013 stark gesunken: 2015 betrug der Anteil 42% und sank über die nächsten drei Jahre um weitere 1 Aus Gründen der nationalen Sicherheit werden in den Handelssta- tistiken bei Erdgas und -öl die Partnerländer nicht im Detail aufge- 4 Prozentpunkte. Mit dieser Entwicklung ging eine Ver- führt, stattdessen sind nur aggregierte Zahlen verfügbar. Aus diesem lagerung des Exportgeschäfts nach China einher (An- Grund ist eine genaue Differenzierung der russischen Exporte hin- sichtlich der Sektoren bzw. Produkte im Rohstoffbereich leider nicht stieg um 5 Prozentpunkte). Bei den Importen zeichnet möglich. sich ein sehr ähnliches Bild ab: Auch hier wird China als Handelspartner wichtiger. Da der Rubel nicht nur Abb. 2 gegenüber dem Euro an Wert verloren hat, sondern Anteile ausgewählter Handelspartner an russischen Gesamtexporten und -importen im etwa gleichen Maße gegenüber anderen Währun- EU ohne Deutschland Rest der Welt China gen wie dem US-Dollar und dem chinesischen Yuan, Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft Deutschland Importe lässt sich diese Verschiebung nicht auf einen reinen 2018 27 32 22 8 11 Währungseffekt zurückführen. 2015 26 36 20 7 11 Russlands Exporte nach Deutschland und in die 2013 31 34 17 6 12 restlichen Mitgliedsländer der EU sind sehr stark auf wenige Sektoren konzentriert: 93% aller Exporte Exporte nach Deutschland entfallen auf drei Sektoren, näm- 2018 38 33 13 9 8 lich Rohstoffe, Bergbau und Metalle. Für die restliche 2015 42 34 10 9 6 EU zeichnet sich ein ähnliches Bild ab (91% aller Ex- 2013 48 31 8 8 5 porte entfallen auf Rohstoffe, Bergbau und Metalle). 0 20 40 60 80 100% Gemeinsam mit den hohen Anteilen Europas am rus- Die Handelsanteile der EU in Russland verringern sich seit dem Inkrafttreten der Sanktionen im Jahr 2014, für 2 Deutschland ist kaum eine Veränderung sichtbar. Die Zahlen zum BIP-Wachstum stammen vom Statistischen Bun- Quelle: UN Comtrade. © ifo Institut desamt (Destatis). 44 ifo Schnelldienst 1 / 2021 74. Jahrgang 20. Januar 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE sischen Exportgeschäft bedeutet das, dass Russland Abb. 3 sehr stark von der europäischen Nachfrage nach Roh- Anteile an Gesamtexporten und -importen für ausgewählte Handelspartner materialien abhängig ist und ein wenig diversifiziertes Deutschlands sowie der EU für die Jahre 2013 und 2018 Exportportfolio besitzt – weder hinsichtlich des Pro- EU 28 Rest der Welt China USA Russland duktmixes noch hinsichtlich der Abnehmer. Deutschland 57 25 6 8 3 2013 Im Gegensatz zu den Exporten ist bei den russi- Deutschland 59 23 7 9 2 2018 schen Importen keine starke Konzentration auf we- EU 28 64 24 3 6 3 2013 nige Sektoren zu beobachten. Der Maschinenbau ist EU 28 66 22 4 7 2 2018 derjenige Sektor mit dem größten Anteil an den rus- sischen Importen aus Deutschland (23%) bzw. der Deutschland 57 24 9 6 5 2013 restlichen EU (20%). Darüber hinaus spielen auch Deutschland 58 23 10 6 2 2018 Fahrzeuge, Computer, elektronische Waren, sonstige EU 28 60 23 7 5 5 2013 EU 28 61 22 8 5 3 2018 Güter, Textilien sowie Agrargüter eine wichtige Rolle 0 20 40 60 80 100% bei den Importen aus Deutschland und der restlichen Russland spielt als Handelspartner für Deutschland und die Europäische Union eine untergeordnete Rolle. EU. Russland importiert also aus Deutschland bzw. Quelle: UN Comtrade. © ifo Institut der restlichen EU hauptsächlich komplexe Finalgüter, aber exportiert fast ausschließlich Rohmaterialien. Waren und Dienstleistungen nach Russland betrof- Um die Relevanz Russlands als Handelspartner für fen zu sein. Dies steht in engen Zusammenhang mit Deutschland und für die restlichen Mitgliedsländer der der historischen und wirtschaftlichen Verflechtung EU zu bestimmen, werden in Abbildung 3 die Anteile sächsischer Unternehmen mit Russland und der re- der wichtigsten Handelspartner für die Jahre 2013 und lativen Wirtschaftsstärke Sachsens im Vergleich zu 2018 dargestellt. Russland spielt als Handelspartner den anderen neuen Bundesländern. Im Vergleich dazu weder für Deutschland noch für die restliche EU eine geben 42% der Firmen in Niedersachsen und 40% in besonders wichtige Rolle. Im Jahr 2018 gehen nur 2% Hessen an, durch die Sanktionen in ihrem Verkauf von der deutschen Exporte nach Russland, und nur 2% Waren und Dienstleistungen nach Russland betroffen der deutschen Importe stammen aus Russland. Für zu sein. Auch im Einkauf von Waren oder Dienstleis- die restliche EU sind die Werte sehr ähnlich (2% der tungen wird die enge historische und wirtschaftli- Exporte und 3% der Importe). Diese geringe Abhän- che Bindung zwischen Sachsen und Russland deut- gigkeit vom russischen Markt im Vergleich zu anderen lich; der Anteil betroffener Unternehmen liegt aber Handelspartnern steht im direkten Gegensatz zu der nur bei 15%. Situation in Russland, für das Europa der mit Abstand Insgesamt sind die befragten Unternehmen am wichtigste Handelspartner ist. deutlichsten beim Verkauf von Waren und Dienstleis- UNTERNEHMENSBEFRAGUNG Abb. 4 Anteil der durch die Sanktionen betroffenen Unternehmen nach Regionen Im September 2020 führte das ifo Institut im Auftrag der IHK Düsseldorf eine Unternehmensbefragung Anteile der Unternehmen in % 55−61 34−38 29−32 42−55 33−34 17−29 durch, an der insgesamt 862 Unternehmen teilnah- 38−42 32−33 0−17 men. 65% der teilnehmenden Unternehmen haben den Fragebogen vollständig und 35% nur teilweise beantwortet. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Fallzahlen je nach Auswertungseinheit. Die er- rechneten prozentualen Anteile dienen lediglich dem Vergleich über innerdeutsche Regionen, Unterneh- mensgrößen und Branchen hinweg. Anspruch auf eine vollumfängliche Repräsentativität wird nicht erhoben. Zusätzlich wurde für eine reduzierte Stichprobe von 196 Unternehmensmanager eine Einschätzung zu han- delspolitischen Themen erhoben. BETROFFENHEIT DURCH SANKTIONEN Zunächst untersuchen wir den prozentualen Anteil der Unternehmen je Bundesland, die sich selbst als von den Sanktionen betroffen klassifizieren. In Abbil- dung 4 wird ersichtlich, dass die Betroffenheit regi- onal sehr unterschiedlich ausfällt. In Sachsen geben Ergebnisse der Frage »War Ihr Unternehmen durch die Sanktionen im Verkauf von 61% aller teilnehmenden Unternehmen an, besonders Waren oder Dienstleistungen nach Russland eingeschränkt oder wurde behindert, oder ist dies aktuell der Fall?« durch eines der Sanktionsregime in ihrem Verkauf von Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf. © ifo Institut ifo Schnelldienst 1 / 2021 74. Jahrgang 20. Januar 2021 45
FORSCHUNGSERGEBNISSE Abb. 5 Sanktionen im Verkauf von Waren nach Russland Anteil der durch die Sanktionen beeinträchtigten Unternehmen nach Wirtschaftszweig eingeschränkt sind. Im Einkauf von Waren und Zwi- Verkauf Einkauf Investitionen schengütern betrifft es insbesondere die Automobil- % 40 branche (10%) und die Metallurgie (7%) sowie den Maschinenbau (5%). 30 Auch in den Dienstleistungssektoren ist der Ver- kauf stärker betroffen als der Einkauf. Vor allem die 20 Logistikbranche hat mit einem Anteil von 42% der Unternehmen starke Einschränkungen im Verkauf von Dienstleistungen durch die Sanktionen hinzunehmen, 10 gefolgt von der Energiebranche (29%), IT-Dienstleis- tungen (17%) sowie Finanz- und Versicherungsdienst- 0 Verarbeitendes Dienstleistung Handel Sonstige Bau leistungen (11%). Auch im Einkauf steht die Logistik- Gewerbe branche bei den Dienstleistungen an erster Stelle, ge- Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe geben häufiger an, durch die Sanktionen beeinträchtigt zu sein. Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf. © ifo Institut folgt von der Energiebranche und IT-Dienstleistungen. tungen durch die Sanktionen beeinträchtigt. Für den GRÜNDE DER HANDELSERSCHWERNIS Einkauf hingegen berichten nur sehr wenige Unterneh- men von Einschränkungen. Die Betroffenheit bei der Um die Kanäle der Handelserschwernisse für Unter- Investitionstätigkeit fällt im Vergleich hierzu etwas hö- nehmen aufgrund der Sanktionen zu verstehen, wur- her aus, ist aber verglichen mit den Schwierigkeiten, den die Unternehmen in der Befragung nach den kon- die beim Verkauf entstehen, ebenfalls ein geringeres kreten Problemen, die zu den Einschränkungen oder Problem für Unternehmen. Insgesamt spielt vor allem Behinderungen beim Kauf und Verkauf von Waren und die Wirtschaftsstärke und historische Bindungen für Dienstleistungen nach Russland führen, befragt. Ab- die regionale Betroffenheit eine Rolle. bildung 6 zeigt die Ergebnisse. Die stärksten Einschränkungen durch die Sank- DAS VERARBEITENDE GEWERBE IST STÄRKER tionen entstehen für 37% der Unternehmen aus dem BETROFFEN ALS DER DIENSTLEISTUNGSBEREICH erhöhten bürokratischen Aufwand, gefolgt von zu- sätzlichen Exportkontrollen (31%). Von konkreten Abbildung 5 zeigt anhand der Branchenzugehörigkeit, Exportverboten sehen sich 23% der Unternehmen dass im Verarbeitenden Gewerbe (39%) ein größerer beeinträchtigt. Die Einschränkung der Finanzie- Anteil der nach Russland exportierenden Unterneh- rungsmöglichkeiten des Exportgeschäfts mit Russ- men eine Beeinträchtigung durch die Sanktionen an- land ist für 17% der Unternehmen maßgeblich. Bei gibt als im Dienstleistungsbereich (16%). Beim Einkauf den Importen liegt die Betroffenheit im einstelligen aus Russland liegen sowohl Dienstleistungen als auch Prozentbereich. Waren im einstelligen Bereich. Die Beeinträchtigung Insgesamt ist der Warenexport stärker von den der Investitionstätigkeit liegt über alle Sektoren hin- Sanktionen betroffen als der Export von Dienstleis- weg etwas höher, aber ebenfalls im einstelligen pro- tungen, wohingegen die Importseite ein umgekehrtes zentualen Bereich. Bild liefert. Grundsätzlich sind Unternehmen im Ver- Für die einzelnen Teilbranchen des Verarbeiten- arbeitenden Gewerbe und im Handel beim Export von den Gewerbes zeigt sich, dass vor allem der Maschi- Waren nach Russland am stärksten betroffen; mehr nen- und Anlagenbau (59%), Fahrzeuge (40%), Che- als ein Drittel der Unternehmen nennen die bürokra- mie (39%) und die Elektroindustrie (38%) durch die tischen Hürden als Handelserschwernis, gefolgt von zusätzlichen Exportkontrollen. Etwa ein Fünftel der Abb. 6 betroffenen Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe Gründe der Einschränkungen oder Behinderungen beim Verkauf/Einkauf von Waren und im Handel geben ein konkretes Exportverbot als oder Dienstleistungen nach Russland Grund für die Beeinträchtigung durch die Sanktionen Kaufkraftschwächung Exportkontrolle Reiseeinschränkungen Wettbewerb aus Drittländern Investitionsrückgang Kontrolle von Geldüberweisungen Willkür an. Bei den Dienstleistungen liegen ein konkretes Ex- portverbot und zusätzliche Exportkontrollen mit 12% Unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten gleich auf. Vertrauens-/ Reputationsverlust Corona Logistik/ Transport Internationale Zusammenarbeit Importseitig überwiegt die Betroffenheit der Währungsschwankungen Bürokratie Exportrückgang Unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten Zölle Personalmangel Dienstleistungsunternehmen, wobei die Anteile der Handelsumlenkung Ausschluss vom Vergabeverfahren Unsicherheit einzelnen Kanäle hier sehr nahe beieinanderliegen. Compliance Korruption Indirekte Enschränkungen 5% der betroffenen Unternehmen geben hier ebenfalls Importsubstitution Eingeschränktes Marktwachstum Standards Sanktionen den bürokratischen Aufwand als Problem an, 4% der Export-/ Importverbot Eingeschränkte Produktion vor Ort Politische Gesamtsituation Local Content Unternehmen beklagen konkrete Importverbote ei- Eingeschränkte F&E Förderung Abschottung Russlands ner Dienstleistung, und Finanzierungsschwierigkeiten Die Abbildung zeigt die Antworten der Unternehmensbefragung zu den Gründen der Einschränkungen oder Behinde- rungen beim Verkauf von Waren oder Dienstleistungen nach Russland. Mehrfachnennungen möglich. führen bei 3% der Unternehmen zu weniger Importen Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf. © ifo Institut aus Russland. 46 ifo Schnelldienst 1 / 2021 74. Jahrgang 20. Januar 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE Insgesamt lässt sich festhalten, dass der mit den Abb. 7 Sanktionen entstandene erhöhte bürokratische Auf- Anteil durch Sanktionsaufhebung gewinnender Unternehmen wand für alle Unternehmen die größte Hürde darstellt, % EU-Sanktionen Gegensanktionen 50 gefolgt von konkreten Export- oder Importverboten. Zudem wurden vor allem die starken Währungs- 40 schwankungen, speziell die Rubelabwertung und die damit verbundenen hohen Kosten (in Euro) deutscher 30 Produkte für russische Kunden von einigen Unter- nehmen als Problem für beeinträchtigte Geschäfts- 20 beziehungen mit Russland verantwortlich gemacht. 10 Mehrere Unternehmen nannten auch die allgemeine negative Grundstimmung gegenüber Russland, damit 0 verbundene mögliche Reputationsrisiken für ihr Unter- Verarbeitendes Handel Sonstige Dienstleistungen Bau Gewerbe nehmen und die Unsicherheit durch die politische Si- Ergebnis der Frage: »Würde Ihr Unternehmen von einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland oder der russischen Gegensanktionen profitieren?«. Die Unternehmen können durch mehr als ein Sanktionsregime betroffen sein. tuation als wichtige Faktoren. Auch konkrete Marktzu- Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf. © ifo Institut gangshemmnisse im nicht-tarifären Bereich, wie zum Beispiel erhöhte Standard und lokale Content-Regeln Nord Stream II Pipeline befürwortet wird. Zu beachten innerhalb Russlands, über die es zur Importsubstitu- ist, dass die Fallzahlen mit insgesamt 160 Antworten tion kommt und die zusätzlich den Einkauf von Gütern aus 196 Befragten für diese beiden Fragen recht ge- und Dienstleistungen aus Drittländern (v.a. China) be- ring sind. feuern, erschweren für viele Unternehmen in unserer Abbildung 8 zeigt, dass fast drei von vier Mana- Umfrage das Geschäft mit Russland. gern (72%) einen möglichen zukünftigen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Russland und der POTENZIALE DES RUSSLANDGESCHÄFTS eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft als positiv be- werten. Eine knappe Minderheit von 48% spricht Um die Potenziale des verpassten Russlandgeschäfts sich für einen Baustopp der Nord Stream II Pipeline auszuloten, wurden die Unternehmen dazu befragt, aus. Hier wird deutlich, dass die Absatzpotenziale inwieweit sie einschätzen, von einer möglichen Auf- eines Freihandelsabkommen für die Unternehmen hebung der Sanktionen gegen Russland oder der höher zu bewerten sind als kurzfristige politische russischen Gegensanktionen zukünftig profitieren zu Signale. können. Etwa die Hälfte aller Unternehmen schätzen, Über die Sektoren hinweg sind die Anteile der dass sie von einer Aufhebung der EU-Sanktionen pro- Unternehmen relativ nah am gesamten Durchschnitt. fitieren könnten. Interessanterweise schätzt ebenfalls Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes findet die etwa ein Drittel der Unternehmen, dass sie von einer Aufhebung der Sanktionen die größte Unterstützung Aufhebung der russischen Gegensanktionen profitie- in der Chemie- (83%) und der Elektrobranche (75%). ren würden. Auch in Bezug auf ein mögliches Freihandelsabkom- Abbildung 7 zeigt, dass Unternehmen im Verar- men sind Firmen im Chemie- und Elektrobereich beitenden Gewerbe angeben, am stärksten von ei- (100% und 88%) deutlich positiver eingestellt als der ner Aufhebung der Sanktionen profitieren zu können. Gesamtdurchschnitt. Beim Nord-Stream-II-Projekt ge- Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen im Ver- hen die Meinungen stark auseinander: Während sich arbeitenden Gewerbe würde von einer Aufhebung der drei von vier Managern in der Elektrobranche für den EU-Sanktionen profitieren. Darauf folgt der Handel mit Stopp des Projekts aussprechen, liegt der Anteil in 37%, sonstige Branchen mit 33%, Dienstleistungen der Chemiebranche bei nur einem Drittel. Angesichts mit 28% und das Baugewerbe mit 27% der Firmen. der Abhängigkeit der Chemiebranche von Öleinfuhren Von einer Aufhebung der russischen Gegensanktionen verwundert dies nicht. würden 28% der Firmen im Verarbeitenden Gewerbe profitieren. Im Handel belaufen sich die Zahlen auf Abb. 8 etwa ein Viertel der Unternehmen. Dienstleistungsun- Einstellung in Bezug auf handelspolitische Fragen ternehmen geben an, zu 19% von einer Aufhebung der Befürwortung in % 80 russischen Gegensanktionen zu profitieren. 60 HANDELSPOLITISCHE THEMEN 40 Eine Teilgruppe der Befragten wurde nach ihrer Ein- schätzung zu russlandbezogenen handelspolitischen 20 Themen befragt. Konkret sollten diese angeben, für wie wichtig sie den Abschluss eines Freihandelsab- 0 kommens mit Russland und der Eurasischen Wirt- Freihandelsabkommen mit Stopp von Nord Stream II Russland schaftsunion halten und inwieweit ein Baustopp der Quelle: ifo Institut und IHK Düsseldorf. © ifo Institut ifo Schnelldienst 1 / 2021 74. Jahrgang 20. Januar 2021 47
FORSCHUNGSERGEBNISSE Manager in den Dienstleistungssektoren sind mit Anhand der Ergebnisse einer im Jahr 2020 durch- Bezug auf ein Freihandelsabkommen sehr positiv ge- geführten Befragung deutscher Unternehmen zeigen stimmt. Nur in der IT-Branche (38%) spiegelt sich mög- wir den ökonomischen Effekt der Aufhebung der licherweise die Sorge eines kompetitiven Nachteils Sanktionen. Dabei finden wir, dass Unternehmen in gegenüber russischen IT-Dienstleistern wider. In Bezug wirtschaftsstärkeren Regionen und Regionen mit his- auf einen Stopp des Nord-Stream-II-Pipeline-Projekts torischer Bindung an Russland, wie etwa Sachsen, an- gehen die Meinungen ebenfalls auseinander: Manager geben, besonders durch die Sanktionen betroffen zu der Logistik- (70%) und der IT-Branche (63%) sprechen sein. Zudem ist der Verkauf deutscher Unternehmen sich mehrheitlich für einen Stopp des Projekts aus, nach Russland häufiger von Sanktionen beeinträchtigt wohingegen die Finanz- und Versicherungsbranche als ihre Investitionstätigkeit in Russland. Die Investiti- zur Fortsetzung des Projekts tendiert. onen sind jedoch wiederum häufiger getroffen als der Insgesamt ist eine erhebliche Variation in den Ein- Einkauf von Waren aus Russland. Im Verarbeitenden stellungen zu den politischen Fragestellungen über die Gewerbe sind Unternehmen in den Sektoren Maschi- Sektoren hinweg festzustellen. In fast allen untersuch- nenbau, Kfz, Chemie und Elektro und im Dienstleis- ten Gruppen spricht sich die Mehrheit der Befragten tungssektor Logistik am häufigsten beeinträchtigt. für den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit Das größte Hindernis für Unternehmen, sowohl für Russland und der Eurasischen Wirtschaftsunion aus. den Import als auch den Export, stellt der erhöhte In Bezug auf die Sanktionen und die Nord Stream II bürokratische Aufwand dar. Weitere Belastungen Pipeline sind die Manager jedoch gespaltener Ansicht, entstehen durch zusätzliche Kontrollen, Handelsver- wobei sich jeweils eine knappe Mehrheit für die Auf- bote und unzureichende Finanzierungsmöglichkei- hebung und gegen einen Baustopp ergibt. ten. Auch Währungsschwankungen, russlandseitigen Importsubstitutionen, erhöhte Standards, politische SCHLUSSFOLGERUNGEN und wirtschaftliche Unsicherheit, Vertrauens- und Re- putationsverlust, lokale Content-Regeln und erhöhter Seit dem Jahr 2014 verhängten die Mitgliedstaaten Wettbewerb aus Drittländern bereiten den deutschen der Europäischen Union verschiedene Wirtschafts- Unternehmen nach eigener Aussage im Zusammen- sanktionen gegen Russland sowie Sanktionen gegen hang mit ihrem Russlandgeschäft deutliche Probleme. einzelne russische Staatsbürger. Im Gegenzug erließ Insgesamt belasten die EU-Sanktionen den Handel Russland seinerseits Sanktionen gegen die Mitglied- deutscher Unternehmen am stärksten, so dass es staaten der EU. Für deutsche Unternehmen kann dies nicht verwundert, dass die Mehrheit der deutschen eine doppelte Belastung bedeuten, da sie sowohl von Firmen angibt, von einer Aufhebung des EU-Sankti- Ausfuhrbeschränkungen der EU wie auch von Einfuhr- onsregimes direkt profitieren zu können. beschränkungen durch Russland getroffen werden Aus ökonomischer Sicht wäre eine Aufhebung können. Mittels internationaler Handelsdaten finden der Sanktionen angesichts der damit verbundenen wir allerdings, dass Russland einseitig von der EU als Kosten sicherlich wünschenswert. Politisch gesehen Zulieferer und als Abnehmer abhängig ist, während wäre es allerdings vermutlich das falsche Signal, da Russland für die EU eine untergeordnete Rolle als damit indirekt die Politik und das Vorgehen Moskaus Handelspartner spielt. Russland importiert aus der innenpolitisch als auch auf dem internationalen Par- EU hauptsächlich komplexe Finalgüter, aber expor- kett seitens der Europäischen Union gebilligt würde. tiert fast ausschließlich Rohmaterialien (Rohstoffe wie Erdöl und -gas, Bergbau und Metalle). 48 ifo Schnelldienst 1 / 2021 74. Jahrgang 20. Januar 2021
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