1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung

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1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
MINT

                     2021
Nachwuchsbarometer

Eine Studie von
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
MINT
                           2021

    Nachwuchsbarometer
    In Zahlen

                                   Das »MINT Nachwuchsbarometer 2021 – In Zahlen« gibt
                                   mit interaktiven Grafiken Einblick in die Daten, die der
                                   Studie zugrunde liegen, und ist abrufbar unter:
    Daten zur Studie von

                                   www.acatech.de/projekt/mint-nachwuchsbarometer
                                   www.koerber-stiftung.de/mint-nachwuchsbarometer

b   MINT Nachwuchsbarometer 2021
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
Vorwort

    W
                 ir stehen vor enormen Aufgaben: Pandemie-Bekämpfung, Klima-
                 schutz und digitale Transformation sind die Themen der Gegenwart,
                 für die innovative Lösungen und MINT -Expertise (Mathematik,
    Infor­matik, Naturwissenschaften und Technik) gefragt sind. Um diesen und
    zukünf­tigen Herausforderungen mit Wissen, Kreativität und Engagement begeg­
    n­en­ zu können, benötigen wir in Deutschland mehr junge Menschen, die sich
    für MINT begeistern.
       Das MINT Nachwuchsbarometer blickt jährlich auf den aktuellen Stand der
    MINT -Bildung in Deutschland. Neben den wichtigsten Zahlen, Daten und Fakten
    entlang der Bildungskette von der Kita bis zur Hochschule haben wir vor dem
    Hintergrund der Covid-19-Pandemie insbesondere das »Lernen im Lockdown«
    fokus­siert. Die Schulen in Deutschland haben einen enormen Digitalisierungs-
    schub erfahren. Jetzt gilt es, digitale Infrastruktur und Innovation in den Schulen
    konsequent weiter auszubauen. Das MINT Nachwuchsbarometer zeigt zum
    Beispie­l, dass Schülerinnen und Schüler – gerade auch lernschwächere – stark
    von KI -basierten adaptiven Lernsystemen profitieren können.
       Diese Chance sollte in Deutschland – nicht nur in den MINT -Fächern – genutzt
    werden. Bereits vor der Krise zeigten Schulleistungsstudien, dass die Gruppe lern-
    schwacher Kinder und Jugendlicher im MINT -Bereich groß ist und sie einer nur
    sehr kleinen leistungsstarken Gruppe gegenübersteht. Auch die aktuellen Zahlen
    bestätigen, dass rund ein Viertel der Grundschulkinder mit unzureichenden
    mathe­matischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen auf die weiter­
    führende Schule wechselt. Die Folgen der Schulschließungen sind für die Kinder
    und Jugendlichen noch nicht absehbar – aber die Förderung gerade bildungs­
    benachteiligter Kinder wird eine zentrale Aufgabe sein.
       Zukunft beginnt heute: Für die Förderung und Stärkung des MINT -Nach­
    wuchses von morgen benötigen wir die Anstrengung aller Akteure aus Politik,
    Bildungspraxis, Wissenschaft und Wirtschaft. Mit dem MINT Nachwuchsbaro­
    meter 2021 zeigen wir Handlungsbedarfe und Lösungsansätze auf. Gemeinsam
    können wir die Nachwuchssicherung im MINT -Bereich erfolgreich gestalten.

    Tatjana König                   Prof. Dr.-Ing. Jan Wörner
    Vorständin                      Präsident acatech – Deutsche Akademie
    der Körber-Stiftung             der Technikwissenschaften
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
Inhalt

Das Wichtigste in Kürze            3

In frühe Bildung investieren: Kita, Vor- und Grundschule   4

Motivieren und Kompetenzen fördern: Sekundarstufe I        6

Orientierung geben: Sekundarstufe II         8

Lernen im Lockdown: Digitale Schule holt auf          10

Bildungsforschung im Fokus: Digitale Tools im Unterricht       13

Ausbildung stärken: Berufliche Bildung           16

Entscheidung für MINT : Hochschule          18

Impulse zur Stärkung der MINT -Bildung           20

Literatur und statistische Daten       22

2   MINT Nachwuchsbarometer 2021
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
Das Wichtigste in Kürze

Kernbefunde                                                       Impulse
Die mathematischen und naturwissenschaftlichen                    Frühe Bildung stärken
Kom­petenzen der Grundschulkinder liegen unter dem                • MINT -Fortbildungsangebote für Fachkräfte im Kita- und
EU - und OECD -Durchschnitt. Rund ein Viertel von ihnen             Grundschulbereich ausbauen.
ist leistungs­schwach – in den Naturwissenschaften ist diese      • Verbindliche MINT -Bildungsstandards für Sachunterricht
Gruppe­seit 2015 deutlich angewachsen.                              definieren und umsetzen.
                                                                  • Lernerfahrungen und Kompetenzen von Kindern im Umgang
Im internationalen Vergleich besuchen Lehrkräfte deutscher          mit digitalen Medien sowie Verständnis für digitale Techno-
Grundschulen seltener Fortbildungen zu digitalen                    logien und ihre Wirkungsweisen fördern.
Medie­n im Unterricht: Nur acht Prozent der Kinder werden
von entsprechend fortgebildeten Grundschullehrkräften in          Chancen- und talentgerechtes Lernen fördern
Mathematik unterrichtet (EU : 27 Prozent).                        • Kinder und Jugendliche an beiden Enden des Leistungs­
                                                                    spektrums systematisch fördern: additive Angebote für
Werden adaptive digitale Tools im Unterricht eingesetzt,            Leistungs­schwache, Wettbewerbe für Leistungsstarke und
bewirken diese einen Kompetenzzuwachs von bis zu einem              Interessierte.
Lernjahr. Kinder mit mathematikspezifischen Lernschwierig-        • Klischeefreie MINT -Bildung muss Teil der Lehrkräftebildung
keiten können von solchen Tools profitieren.                        sein, dabei Rollenvorbilder und kontextualisierte MINT -
                                                                    Theme­n einbeziehen.
Technische Bildung führt ein Schattendasein – mit regio-          • Übergänge zwischen Grundschule und weiterführender
nalen Ausnahmen: Sachsen-Anhalt bietet als einziges Bundes-         Schule unterstützen: Kindern mehr Lernzeit für das Vertiefen
land ein eigenständiges Fach Technik für alle Klassenstufen an.     und Sichern ihrer Kompetenzen geben.

Die genderspezifische Fächerwahl hat sich seit Jahren             Potenzial der Digitalisierung nutzen
kaum verändert: In Physik oder Technik dominieren Jungen.         • Erfahrungen aus der Covid-19-Situation in Schulkollegien,
Physik wird als Leistungskurs nur zu 25 Prozent von Mädchen         Schulauf­sicht sowie Landesinstituten für Lehrkräftebildung
angewählt, eine MINT -Ausbildung nehmen nur zu 11 Prozent           aufarbeiten und nutzen. Austausch digitaler Lehr- und Lern-
junge Frauen auf, und ein ingenieurwissenschaftliches               konzepte mittels Open Educational Resources (OER ) stärken.
Studium beginnen nur zu 25 Prozent Studentinnen.                  • Digitale Strukturen an Schulen ausbauen, in adaptive digitale
                                                                    Tools investieren und gemeinsame Entwicklungsarbeit von
Mehr als jedes fünfte MINT -Ausbildungsverhältnis wird              Wissenschaft, Bildungspraxis und Software-Unternehmen
ab­gebrochen. Im Jahr 2020 wurden zudem 21.000 MINT -               vorantreiben.
Ausbild­ungsverträge weniger als im Vorjahr abgeschlossen         • Der Umgang mit digitalen Tools und Lernplattformen, infor­
(etwa 25 Prozent davon Covid-19-bedingt).                           ma­tions- und computerbezogenen Inhalten und Methoden
                                                                    sowie Data Literacy muss Teil der Lehrkräftebildung sein.
MINT -Studiengänge machen bei Studienanfängerinnen und            • Digitale Expertisen außerschulischer Partner nutzen und
Studienanfängern einen Anteil von 38 Prozent aus. Die Hälfte        Kooperationen mit Hochschulen, Unternehmen und
von ihnen beginnt ein ingenieurwissenschaftliches Studium.          Proje­k­te­n ausbauen.

                                                                                                        MINT Nachwuchsbarometer 2021   3
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In frühe Bildung investieren:
Kita, Vor- und Grundschule
MINT spielt in der frühen Bildung eine zunehmend wichtige Rolle und wird durch
gezielte Fortbildungsangebote für pädagogische Fachkräfte gestärkt. In der
Grundschule ist ein Viertel der Kinder in Mathematik und Naturwissenschaften
am Ende der vierten Klasse leistungsschwach.

                           K
                                       inder machen erste MINT -Erfahrungen be-        Kompetenzen in der Grundschule
                                       reits in der Kita (Kindertagesstätte, Krippe,   In der Grundschule vertiefen die Kinder ihre
                                       Vorschule) unter Begleitung von frühpä­         MINT -Erfahrungen: Mathematik wird als eigen-
                            dagogischen Fachkräften. Um diese genauso wie              ständiges Fach unterrichtet, Naturwissenschaften
                            Grundschullehrkräfte bei der Weiterentwicklung             und Technik sind im mehrperspektivischen Fach
                            ihrer professionellen Kompetenzen zu unterstüt-            Sachunterricht integriert. Den Umgang mit digi­
                            zen, bedarf es entsprechender Fortbildungen. Sol-          tal­­en Medien sollen Grundschulkinder fächer­­
                            che werden beispielsweise von der Stiftung »Haus           über­­­­greifend im Rahmen der Medienbildung
                            der kleinen Forscher« (HdkF) im Rahmen eines               lerne­n. Die »Trends in International Ma­the­matics
                            wachsenden bundesweiten Netzwerks angeboten.               and Science Study« (TIMSS ) untersucht mathe­
                            Die Stiftung unterstützt damit seit 15 Jahren die          matisch-naturwissenschaftliche Kompe­tenz­en
                            frühkindliche MINT -Förderung; seit 2021 wird sie          von Viertklässlerinnen und Viertklässlern im
                            institutionell vom Bund gefördert.                         inter­nationalen Vergleich. Im Jahr 2019 wurde
                                   Das HdkF bietet die Zertifizierung von Einrich-     TIMSS erstmalig anhand computerbasierter Auf-
                            tungen an: Seit 2012 steigt die Anzahl zertifizier-        gaben durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass
                            ter Einrichtungen von rund 2.900 auf über 5.200            diese den deutschen Schülerinnen und Schülern
                            Kitas (2021). Bundesweit sind dies etwa zehn Pro-          durchschnittlich etwas schwerer fallen als papier-
                            zent aller Kitas, die ihre pädagogische Qualität bei       basierte Aufgaben, da Grundschulkinder in der
                            der Umsetzung von guter MINT -Bildung nach-                Regel noch wenig Übung in der Bearbeitung von
                            weislich steigern.                                         Aufgaben am Computer haben.

                                          50 %
                                                                                          Wie bereits in TIMSS 2015 liegen die mathe-
                                                                                       matischen Kompetenzen der deutschen Schü­
                                                                                       lerinnen und Schüler im Durchschnitt mit 521
                                                                                       Punkten leicht unter dem EU - bzw. OECD -Mittel-
                                    aller Kitas in Deutschland nehm­en                 wert (EU : 527, OECD : 529). Auch die naturwissen-
                                   an MINT -Fortbildungen der Stiftung                 schaftlichen Kompetenzen der Schülerinnen und
                                     »Haus der kleinen Forsc­her« teil.                Schüler fallen mit 518 Punkten niedriger aus als
                                                                                       der EU - und OECD -Mittelwert (EU : 522, OECD :
                            Zählt man auch die Einrichtungen hinzu, die zu-            526). Sowohl im mathematischen als auch im
                            mindest mehrmals an Fortbildungen, wenn auch               natur­­­wissenschaftlichen Bereich ist ein Viertel
                            nicht am Zertifizierungsprogramm teilnehmen,               der Schülerinnen und Schüler leistungsschwach.
                            erreicht das HdkF mit seinem Angebot etwa 50 Pro­          Sie befinden sich auf den untersten Kompetenz-
                            zent aller Kitas in Deutschland. Neben Präsenz-            stufen – im Vergleich zu 2015 mit negativer
                            fortbildungen entwickelt die Stiftung seit 2017            Tenden­z: Mathe­matik 25 Prozent (2015: 23 Pro-
                            auch ein breites digitales Angebot, das während            zent), Naturwissenschaften 28 Prozent (2015:
                            der Covid-19-Pandemie großen Zuspruch findet.              22 Prozent). Sie starten dementsprechend mit

4   MINT Nachwuchsbarometer 2021
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
Rund   25 %
                                                            der Grundschulkinder befinden
                                                              sich in Mathematik­auf den
                                                             untersten Kompetenzstu­fen,
                                                              nur 6 % sind leistungsstark.

schlechten Voraussetzungen in den MINT -Unter­
ric­ht der weiter­führenden Schulen. Gleich­­zeitig
zählen nur sechs Prozent der Schülerinnen und
Schüler in Mathematik zur leistungsstarken
Gruppe­, in den Naturwissenschaften sind es sie-
ben Prozent. Dies macht deutlich: Die wesent­
liche Herausforderung besteht in der spezifischen
Förderung von Kindern an beiden Enden des
Leistungs­spektrums. Ein wichtiger Ansatzpunkt
sind strukturell verankerte und stärker syste­
matisch aufgebaute Angebote, wie zum Beispiel in
der Nachmittagsbetreuung. Auch außerschulische
Ange­bote können einen wertvollen Beitrag für die
Breiten- und Spitzen­förderung leisten.

Zunehmend heterogene Lerngruppen
Das Bildungssystem wird in den letzten Jahren
unte­r anderem durch Inklusion und eine migra­
tionsbedingt immer heterogener werdende Schü-
lerschaft geprägt. Die Lehrkräfte stehen zuneh-
mend vor der Herausforderung, Schülerinnen
und Schüler mit sehr unterschiedlichen sozialen
und kulturellen Hintergründen individualisiert        Fort­bildungen teilnehmen. Zudem haben deut-
zu fördern. Hinzu kommt, dass insbesondere in         sche Grundschullehrkräfte erheblichen Nach­
Großstädten bildungsbenachteiligte Kinder und         holbedarf an Fortbildungen zum Einsatz digi­­taler
Jugend­liche bestimmten Schulen regional zuge-        Medie­n im mathematisch-­natur­wissenschaft­
wiesen werden.                                        lichen Unterricht: Nur acht Prozent (im Fach
                                                      Mathe­­­matik) beziehungsweise 13 Prozent (in Sach­
Nachholbedarf an Fortbildungen                        ­k u­n­­­de) der Grundschulkinder werden von ent-
Zur Bewältigung dieser vielfältigen Anforderun-       sprechend fortgebildeten Lehrkräften unterrich-
gen sollten Lehrkräfte gezielt durch Fortbildun-      tet (EU -Durchschnitt: 27 Prozent in Mathe­matik,
gen unterstützt werden, um binnendifferenziert        28 Prozent in Sachkunde). Welche Rolle Fort­
unterrichten zu können. Die TIMSS -Ergebnisse         bildungen für den Unterrichtserfolg zukommt
zeigen, dass Grundschullehrkräfte deutlich weni-      und unter welchen Bedingungen sie wirk­­
ger oft als im europäischen Durchschnitt an ma-       ­sa­m sind, erör­tert auch das MINT Nachwuchs­­­
thematik- oder naturwissenschaftsspezifischen         barometer 2020.

                                                                                                      MINT Nachwuchsbarometer 2021   5
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
Motivieren und Kompetenzen
fördern: Sekundarstufe I
Die Anzahl der MINT -Unterrichtsstunden wirkt sich positiv auf die Kompetenzen
der Kinder und Jugendlichen aus. Wettbewerbe sind ein motivierendes
Instrumen­t, um leistungsstarke Schülerinnen und Schüler zu fördern, aber
auch zur Breitenförderung geeignet.

                                                                                              3,25
                                                                                          Wochenstunden Mathematik
                                                                                           pro Schuljahr in Klasse 7–10
                                                                                         (wie EU -Staaten, PISA -Vorreiter
                                                                                           Japan: 5 Wochenstunden).

                           D
                                    ie Ergebnisse der jüngsten PISA -Studie       als im OECD -Durchschnitt (Mathematik: 24 Pro-
                                    2018 zeigen: 21 Prozent der 15-Jährigen       zent, Naturwissenschaften: 22 Prozent). För­­­der­
                                    in Deutschland gehören zu den Leis-           maßnahmen für leistungsschwache Schülerinnen
                            tungsschwächsten in Mathematik, in den Natur-         und Schüler strebt die im Januar 2021 gestartete
                            wissenschaften sind es rund 20 Prozent. Mit die-      Bund-Länder-Initiative »Schule macht stark« an.
                            sen Kenntnissen sind Schülerinnen und Schüler         Sie unterstützt Schulen in sozial-räumlich be-
                            kaum anschlussfähig für eine MINT -Ausbildung         nachteiligten Gebieten unter anderem mit dem
                            oder den Übergang in die Sekundarstufe II . Im        Ziel der Aufarbeitung fehlender Basiskompeten-
                            inter­nationalen Vergleich ist der prozen­tuale An-   zen in Deutsch und Mathematik.
                            teil der deutschen Jugendlichen, die zur Gruppe          Zu den leistungsstärksten Schülerinnen und
                            der Leistungsschwachen gehören, etwas geringer        Schülern zählen in Mathematik rund 13 Prozent,

6   MINT Nachwuchsbarometer 2021
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
in den Naturwissenschaften 10 Prozent (OECD -            Deutschland auf demselben Niveau wie die EU -
Mittelwert: rund 11 bzw. 7 Prozent). Um diese zu         Staaten und etwas über dem OECD -Durchschnitt
fördern und es mehr MINT -Talenten und -Interes-         (drei Stunden). International führend ist Japan mit
sierten zu ermöglichen, ihre Stärken weiterzuent-        durchschnittlich fünf Mathematikstunden pro
wickeln, sind beispielsweise MINT -Wettbewerbe           Schuljahr. In den Naturwissenschaften erhalten
oder Projekte im Rahmen von Schul-Hochschul-             Deutschlands Kinder und Jugendliche mit 2,75
kooperationen geeignet.                                  Wochenstunden pro Schuljahr etwas weniger
                                                         Unter­richt als die Schülerinnen und Schüler der
Digitale Bildung im Ländervergleich                      EU - und OECD -Staaten (drei Stunden).
Die »International Computer and Information
Litera­cy Study« (ICILS) 2018 zeigt, dass etwa 33 Pro-   Naturwissenschaftliche Wettbewerbe
zent der Achtklässlerinnen und Achtklässler in           Leistungsstarke und interessierte Kinder und
Deutschland nicht über ausreichende Fertigkeiten         Jugend­liche können durch ihre Teilnahme an
verfügen, digitale Medien zielgerichtet einzuset-        na­tio­­nalen und internationalen naturwissen-
zen. Im Vergleich mit den EU -Ländern (rund 38           schaftlichen Wettbewerben motiviert und geför-
Prozent) sind Deutschlands Schülerinnen und              dert werden. Bei solchen Wettbewerben bear­bei­
Schüler etwas besser; im Vergleich zu Spitzenlän-        ten sie in mehreren Auswahlrunden an­­spruchs­­­­­
dern wie Dänemark (Anteil der Leistungsschwa-            volle Aufgaben, bis die Besten von ihnen­ in den
chen: 16 Prozent) allerdings deutlich schlechter.        Final­r unden Preise beziehungsweise Medaillen
Die Covid-19-Pandemie verdeutlicht, wie wichtig          erhalten. Im Jahr 2020 fielen die internationalen
digitale Kompetenzen für das Lernen und Lehren           Wettbewerbe aufgrund der Covid-19-Pandemie
sind, umso mehr, wenn es um Bildungsbetei­               vielfach aus, und nationale Ausscheidungswett­
ligung in Zeiten des Distanzlernens geht. Die            bewerbe fanden digital statt. Nichtsdestotrotz
Verbes­serung der informations- und computer­            war­en die Teilnahmezahlen der Jugendlichen an
­be­zogenen Kompetenzen und der Fähigkeiten              Wettbewerben so hoch wie nie zuvor, zum Bei-
im Umgang mit digita­len Medien bleibt eine              spiel an den naturwissenschaftlichen Olympiaden
wesent­liche Auf­­­gabe für schulische Bildung.          oder am Bundesumweltwettbewerb.
   Der Informatik-Monitor 2021 offenbart mit

                                                                    53 %
Blick auf digitale Bildung in Deutschland große
regionale Unterschiede: Lediglich Mecklenburg-
Vorpommern bietet in der Sekundarstufe I bereits
ab der 5. Klasse verbindlich Informatikunterricht
an, Sachsen immerhin ab der siebten Klasse,                 der Teilnehmenden an naturwissen-
Bayer­n und Baden-Württemberg in einzelnen                        schaftlichen Olympiaden
Klassenstufen der Sekundarstufe I. Ein insgesamt               in Deutschland sind Mädchen.
günstigeres Bild zeigt sich in der Sekundarstufe II ,
in der alle 16 Länder Informatikunterricht an­           Erstmalig seit Beginn der naturwissenschaft­
bieten: In 12 Ländern kann Informatik auf grund-         lichen Wettbewerbe haben die Mädchen mit
legendem oder erhöhtem Anforderungsniveau                53 Prozent unter den Wettbewerbsteilnehmenden
gewäh­lt werden, lediglich Bayern, Baden-Würt-           die Jungen mit 47 Prozent überholt. Sie nehmen
temberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt bieten das           insbesondere an der Biologie-Olympiade (68 Pro-
Fach nur auf grundlegendem Niveau an.                    zent) und Chemie-Olympiade (52 Prozent) teil. Die
                                                         Siege erringen über alle Wettbewerbe hinweg
MINT im Stundenplan                                      jedo­ch noch immer mehr männliche Teilnehmer.
Forschungsbefunde zeigen, dass sich die Anzahl           Beim Bundeswettbewerb »Jugend forscht«, bei dem
der Wochenstunden erwartungsgemäß positiv                Jugendliche nicht Aufgaben bearbeiten, sondern
auf die Kompetenzen der Kinder und Jugend­               eigene Forschungsprojekte einreichen, liegt der
lichen auswirkt. Schülerinnen und Schüler der            Mädchenanteil hingegen bei knapp unter 40 Pro-
Klassen 7 bis 10 erhalten in Deutschland durch-          zent. Hier sind weitere Anstrengungen nöti­g, um
schnittlich 3,25 Wochenstunden Mathematik­               mehr Mädchen auch für das Format des For-
unterricht pro Schuljahr (Stand: 2019). Damit liegt      schungswettbewerbs zu begeistern.

                                                                                                         MINT Nachwuchsbarometer 2021   7
1MINT Nachwuchsbarometer - Körber-Stiftung
Orientierung geben:
Sekundarstufe II
Technik und Informatik führen im allgemeinbildenden Schulsystem ein Schatten­
dasein. Abiturientinnen und Abiturienten verfügen über entsprechend geringe
informations- und computerbezogene Kompetenzen – selbst diejenigen, die
ein MINT -Studium anstreben.

                           E
                                     ine wichtige Weichenstellung für die be­     Vorjahren, wenig vertreten. In Chemie und
                                     rufliche Orientierung im Anschluss an        Mathe­matik kommen die Mädchen auf 45 bzw.
                                     die Schule treffen die Schülerinnen und      46 Prozent. Es bleibt demnach ein Desiderat, vor
                            Schüle­r bereits mit ihrer Kurswahl für die Sekun-    alle­m die Fächer Physik und Informatik für die
                            darstufe II , vor allem mit ihrer Wahl der Leis-      Mädchen attraktiver zu gestalten.
                            tungskurse und Profilfächer. Demografiebedingt
                            sinkende Zahlen von Schülerinnen und Schülern         Digitale Kompetenzen
                            in der Oberstufe sorgen aktuell dafür, dass weni-     Für ihre Teilhabe an einer digitalisierten Lern-
                            ger Abiturientinnen und Abiturienten für ein          und Arbeitswelt benötigen junge Menschen infor-
                            MINT -Studium zur Verfügung stehen.                   mations- und computerbezogene Kompetenzen.
                                   Seit dem Schuljahr 2014 / 15 nehmen die Zah­   Jedoch verfügt jede fünfte Abiturientin bezie-
                            le­n der Jugendlichen, die ein MINT -Fach auf         hungsweise jeder fünfte Abiturient beim Start in
                            erhöh­tem Anforderungsniveau wählen, ab. Im           das Studium nur über geringe Fähigkeiten im
                            Schuljahr 2019 / 20 entschieden sich beispiels­       Umgan­g mit digitalen Medien und besitzt wenig
                            ­weise über 135.000 Schülerinnen und Schüler in       Know-how über ihre Funktionsweise und Anwen-
                            der Qualifikationsphase für Mathematik auf er-        dungen. Dies bedeutet, dass sie als Studienan­
                            höhtem Anforderungsniveau. Vor fünf Jahren            fängerinnen und -anfänger nicht systematisch
                            ware­n es noch über 193.000 Jugendliche. Dieser       nach Informationen im Netz suchen und diese
                            Rückgang betrifft aber alle Fächer. Biologie wird     hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit beurteilen
                            nach wie vor am häufigsten angewählt, gleich-         können. Auf der höchsten Kompetenzstufe gelingt
                            wohl sind die absoluten Zahlen auch in Biologie       dies rund 14 Prozent der jungen Erwachsenen.
                            gegenüber dem vorherigen Schuljahr zurück­               Im ersten Semester der MINT -Studiengänge
                            gegangen. Alle­in­­ Informatik stemmt sich gegen      gehör­en in den Ingenieurwissenschaften mit
                            den Trend, wenn auch auf insgesamt niedrigem          rund 19 Prozent und in den mathematisch-natur­
                            Niveau. Hinsichtlich der Geschlechtsdifferenzen       wissenschaftlichen Fächern mit rund 17 Prozent
                            ergibt sich unverändert ein stereotypes Bild.         weit mehr Studienanfängerinnen und -anfänger
                                                                                  zur digit­al kompetenten Spitzengruppe als in
                                      Genderstereotype Fächerwahl                 den Sprach- und Kulturwissenschaften (rund sechs
                                   setzt sich fort: Mädchen dominieren            Prozent). Jedoch fehlen selbst in den Ingenieur-
                                       in Biologie, Jungen in Physik              wissenschaften rund 14 Prozent sowie 15 Prozent
                                               und Informatik.                    in Mathematik und Naturwissenschaften grund-
                                                                                  legende informations- und computerbezogene
                            Mädchen (61 Prozent) wählen deutlich häufiger         Kompetenzen (in den Sprach- und Kultur­wissen­
                            als Jungen Biologie auf erhöhtem Anforderungs-        schaften betrifft dies sogar rund 30 Prozent der
                            niveau. In Physik (25 Prozent) und Informatik         Studierenden im ersten Semester). Um die Fähig-
                            (15 Prozent) sind sie dagegen, wie schon in den       keiten der Schulabsolventinnen und -absolventen

8   MINT Nachwuchsbarometer 2021
auszubauen und zu fördern, bedarf es in der
Sekundar­stufe II einer gezielteren Vermittlung
von informations- und computerbezo­genen Kom-
petenzen. Zweifelsohne müssen den Lehrkräften
dafür qualitativ hochwertige Ange­bote für ihre
Fortbildung bereitgestellt werden.

Technische Bildung
Technikunterricht spielt in vielen Bundesländern
eine geringe Rolle. Allein in Sachsen-Anhalt haben­
Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen
der weiterführenden Schule ein eigenständiges            Sachsen-Anhalt bietet als einziges
Unterrichtsfach Technik. In Baden-Württemberg           Bundes­land für alle Klassenstufen ein
und Thüringen vermitteln Lehrkräfte Technik               eigenständiges Fach Technik an.
als Wahlpflichtfach in den Klassen 5 bis 10, nicht
aber in der Oberstufe. In einigen Bundesländern       Dies sind bundesweit 2,5 Prozent aller Abiturien-
wie beispielsweise Berlin, Rheinland-Pfalz und        tinnen und Abiturienten beziehungsweise 8.430
Hessen wird Technik nicht als eigenständiges          Schulabsolventinnen und -absolventen. Tech­
Fach angeboten, sondern in den naturwissen-           nische Gymnasien stellen nach den Wirtschafts-
schaftlichen Unterricht integriert. Spezifische       gymnasien die zweitstärkste Fachrichtung unter
didak­tische Prinzipien des Technikunterrichts        den beruflichen Gymnasien dar. Der Anteil der
wie etwa die Problem- und Handlungsori­­en­tie­       Schülerinnen an technischen Gymnasien liegt
rung werden dadurch vermutlich wenig berück­          mit 26 Prozent deutlich unter dem der Schüler.
sichtigt und umgesetzt.                                  Um die Technikperspektive in den weiter­
   An beruflichen Gymnasien mit Fachrichtung          führenden Schulen zu stärken, sollten verschiede-
Technik können sich Jugendliche in der Ober­          ne Wege beschritten werden, etwa das flächen­
­stufe für Technikunterricht auf erhöhtem Anfor­      deckende Angebot von Technik im Wahlpflicht­
derungsniveau entscheiden. Insgesamt streben          bereich, die systematische und fachdidaktisch
im Schuljahr 2019 / 20 rund 17 Prozent der Schü­      fundierte Integration von Technik in den Fächern
lerinnen und Schüler an Fachgymnasien ein Abi­        Biologie, Chemie und Physik sowie die Fortbil-
t­ur mit dem Schwerpunkt Technik an.                  dung der Lehrkräfte in Technikdidaktik.

                                                                                                    MINT Nachwuchsbarometer 2021   9
Lernen im Lockdown:
Digitale Schule holt auf
Die Probleme beim Lernen und Lehren im pandemiebedingten Distanz­unterricht
zeige­n die Bedeutung computer- und informationsbezogener Kompeten­zen.
Neben infrastrukturellen Maßnahmen muss in Open-Educational-Resources,
digitale Tools und Lehrkräftebildung investiert werden.

                           D
                                        ie Covid-19-Pandemie stellt die Bildungs-        2020 waren an Eltern und Lehrkräfte unter­
                                        einrichtungen in Deutschland vor enor-           schiedlicher Fächer und Schulformen gerichtet:
                                        me Herausforderungen. Im Frühjahr 2020           Sie gabe­n an, dass Materialien mehrheitlich per
                            sowie mehrfach im darauffolgenden Schuljahr                  E-Mail versendet wurden. Digitale Lernplatt­
                            mussten die Schulen und Kitas ganz oder teilweise            formen sowie Konferenztools zur Durchführung
                            geschlossen werden. Das deutsche Schulsystem                 eine­s virtuellen Unterrichts konnten jedoch noch
                            mit seinem Fokus auf Lehren und Lernen in Prä­­              nicht genutzt werden.
                            ­s­e­n­z­war auf diese Situation nicht vorbereitet. IT -        Dies änderte sich im Mai und Juni 2020: Viele­n
                            Infrastrukturen, digitale Lern­um­gebungen sowie             Schulen war es in kurzer Zeit gelungen, deutlich
                            die notwendigen Kompetenzen der Lehrenden                    mehr und verschiedene digitale Angebote bereit-
                            und Lernenden fehlten vielerorts, so dass erfolg-            zustellen. Die Befunde der Elternbefragung des
                            reiches Distanzlernen kaum möglich war. Andere               Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe von Acht-
                            europäische Länder wie Däne­­­­ma­rk forcieren seit          klässlerinnen und Achtklässlern zeigen, dass viele
                            Jahren die Digitali­sierung ihres­ Bildungssystems           Schulen in wenigen Monaten einen Transfer der
                            und konnten auf die He­raus­­­forderungen der                Schule ins Digitale umsetzen konnten: Eltern von
                            pandemi­ebedingten Schul­­schließungen deutlich              Kindern an Gymnasien bestätigten mit 69 Prozent
                            besse­r reagieren.                                           die Bereitstellung von Material zum Download,
                                    In Deutschland führte die Schulschließung zu         Elter­n von Kindern anderer Schulformen mit
                            einem spürbaren Digitalisierungsschub an den                 58 Prozent. Die Befragung zeigt auch, dass ins­
                            Schulen. Auf Initiative des BMBF und der Kultus-             besondere im Gymnasialbereich nach dem Lock-
                            ministerkonferenz schlossen sich rund 50 MINT -              down häufiger als zuvor virtuell-rezeptive Lern­
                            Akteure zur »Allianz für MINT -Bildung zu Hause«             angebote wie Lernvideos oder Lernsoftware be­­
                            zusammen und stellten Online-Angebote bereit.                reit­­gestellt (61 Prozent), aber auch interaktive
                            Die Körber-Stiftung bot über ihr Netzwerk der                Angebote wie Videokonferenzen eingesetzt wur-
                            MINT -Regionen eine Vielzahl an Webinaren unte­r             den (50 Prozent). Im Hinblick auf die IT -Ausstat-
                            anderem zu digitalen Tools, virtueller Netz­­                tung zu Hause berichteten 89 Prozent der Eltern
                            ­werk­­­­­­­­­­­­­­arbeit und Lernplattformen an, Schüler­   mit akademischem Hintergrund beziehungsweise
                            forschungs­­zentren und Schülerlabore stellten               85 Prozent der nicht-akade­mi­schen Fami­lien, dass
                            viel­­­fältige digitale Angebote für Schülerinnen und        die Ausstattung für das digitale Lernen ausreiche.
                            Schüler zur Verfügung.                                       Dem­­nach war die tech­nische Ausstattung nur
                                                                                         bei etwa 10 bis 15 Prozent der Familien ein Pro­
                            Herausforderung Homeschooling                                ­blem, aller­dings ein sehr grundlegendes: Denn
                            Die Schulen waren gezwungen, ad hoc Angebote                 um einen­ chancen­gerechten Bildung­szugang zu
                            für das Lernen zu Hause zu entwickeln und be­                gewähr­leisten, müsse­n alle Schüler­innen und
                            reitzustellen. Umfragen des Sozio-oekonomische               Schüler über eige­n­­e­digit­ale Endgeräte verfügen.
                            Pane­ls (SOEP ) und der Vodafone Stiftung im April           Befragungen von Schullei­tungen unterstützen

10   MINT Nachwuchsbarometer 2021
den Befund der genan­nten Eltern­befragung, dass       Digitale Schule in Dänemark
in weiterführenden Schulen sowohl analoge als          In Dänemark wurde bereits im Jahr 2000 mit der
auch digitale Kanä­le der Materialienübermittlung      Digitalisierung des Schulbetriebs begonnen. Die
verwendet wurden. In Grundschulen nutzten die          internationale Schulleistungsstudie ICILS 2018
Lehrkräfte überwiegend die traditionelle Über-         weist das Land als europäischen Vorreiter aus, der
mittlung per Post oder persönlich.                     auch Deutschland wertvolle Impulse geben kann:
                                                       Dänische Schulen verfügen flächendeckend über
       Täglich aufgebrachte Zeit für                   Internetanschluss und haben nahezu alle eine IT -
      Schule halbiert sich bei Kindern                 Fachkraft für den technischen Support sowie
        und Jugendlichen während                       Zugan­g zu Lernmanagementsystemen (jeweils 83
              des Lockdowns.                           Prozent). Lehrkräfte erhalten hier in der Regel ein
                                                       mobiles Endgerät; sie räumen der Verwendung
Während des Lockdowns verbrachten die Schü­            digi­taler Endgeräte im Unterricht eine hohe Prio-
­ler­innen und Schüler täglich nur noch halb so viel   rität ein (97 Prozent Zustimmung). Über die Nut-
Zeit mit schulischen Aktivitäten (durchschnittlich     zung digitaler Lernanwendungen im Unterricht
3,6 statt 7,4 Stunden) – Kinder und Jugendliche        tauschen sich zwei Drittel der Lehrkräfte regel­
aus Akademikerfamilien ebenso wie aus Nicht-           mäßig aus. Die meisten Schülerinnen und Schüler
Akademikerfamilien. Dabei brachten leistungs-          bringen ihre eigenen digitalen Endgeräte mit in
schwächere Schülerinnen und Schüler täglich            den Unterricht (90 Prozent), die übrigen nutzen
rund eine halbe Stunde weniger für schulische          Geräte vor Ort. Sie arbeiten überwiegend gemein-
Aktivitäten auf als die leistungsstarken. Um die       sam online an Aufgaben (85 Prozent).
durch die Schulschließung entstandenen Lern­
defizite auszugleichen, ist insbesondere eine Ver-
stärkung der Förderangebote für leistungsschwä-
chere Kinder und Jugend­liche nötig.

     Krise als Chance:
 Schulschließung bewirkt
  Digitalisierungsschub.

                                                                                                      MINT Nachwuchsbarometer 2021   11
Maßnahmen für ein resilientes Schulsystem
                        Die Schulen haben 2020 / 21 den Ausbau der digita­len Infrastruktur beschleunigt. Sie können
                        jedoc­h noch nicht flächendeckend einen digitalen Unterricht anbieten. Noch immer gibt es große
                        in­frastrukturelle Herausforderungen zu meistern, auch fehlen erprobte didaktisch-methodische
                        Konzepte zum sinnvollen Einsatz digitaler Tools und auch datenschutzrechtliche Fragen sind
                        noch zu klären. Mit dem Einsatz der Mittel aus dem DigitalPakt Schule müssen, soweit noch nicht
                        geschehen, vielfältige Maßnahmen ange­stoßen und vertieft werden.

                   1     IT -Infrastruktur                                            3   Intelligente Lernsoftware
                         Neben der Bereitstellung verlässlicher In­­ter­net­              Die Bereitstellung und Entwicklung intelli­genter
                         anbindungen benötigen Schulen ele­men­tare                       digitaler Tools für die Nutzung im Unterricht
                         Hard- und Software, beispielsweise mobil­e digi-                 erfor­dert länderübergreifende Stra­tegien und
                         tale Endgeräte für Lehrkräfte und Schülerinnen                   Pilot­projekte, in welche Akteure aus Schul­e,
                         und Schüler, Lernplattformen und Konferenz-                      Bildungs­politik, Wissenschaft und Wirt­schaft
                         tools. Zudem benötigen Schulen auch perso­­nelle                 aktiv eingebunden werden müssen, etwa Vertre-
                         Unterstützung: IT -Fachkräfte müssen die digi­                   terinnen und Vertreter der Kultusminister­kon­
                         ­tale Infrastruktur betreuen und die Ein­­­ha­­l­­­­­­tung       ferenz, der Schulbuchverlage und der Software­
                         der Datenschutz-Grundverordnung sicher­n.                        entwicklung und Expertinnen und Experten aus
                         Wesentlich ist außerdem die Siche­r ung von                      der KI - sow­ie Lehr- und Lernforschung.
                         Hardwarestandards durch die Schulaufsicht.

                   2     Open-Educational-Resources (OER )                            4   Lehrkräftebildung
                         OER -Plattformen bieten digital frei verfügbare                  Informations- und computerbezogene Grund-
                         Unter­richts­materialien, die Schulen und Lehr-                  kompetenzen müssen systematisch in die Lehr­
                         kräften kostenlos zur Verfügung stehen. Um die                   kräfteausbildung und -weiterbildung in­tegriert
                         Qualität der Materialien sicherzustellen, bedarf                 werden. Die Erweiterung der Qualitätsoffensive
                         es der Etablierung eines Zertifizierungs- bezie-                 Lehrerbildung zu einer Förderung von fach­­
                         hungsweise Evaluierungssystems.                                  ­di­daktischen Ausbildungsangeboten sollte ver-
                                                                                          stärkt digitale Tools miteinbeziehen. Zudem
                                                                                          müssen die Landesinstitute für Lehrkräfte­­­­­bil­­­­
                                                                                          ­d­ung ein breites Angebot zur Nutzung digitaler
                                                                                          Tools für Lehre und Lernen aufbauen – fächer­
                                                                                          übergreifend sowie fachspezifisch.

     OER -Plattformen für MINT -Bildung: Von der Vorschule bis zur Oberstufe

     • Medienportal für den MINT-                     • Edulabs: Die Plattform unterstützt        • Digital.learning.lab: Das Portal
         Unterricht: Im Portal finde­n Lehr-             fachunabhängig Lehrkräfte dabei,            biete­t fachbezogene Bausteine
         kräfte über 4.000 offene Bildungs­              informations- und com­puter­­be­            für den digitalen oder hybriden
         medi­en für den naturwissenschaft-              zogene Kompetenzen aufzubauen,              Unterrich­t und orientiert sich am
         lich-technischen Unterricht; für                sie entwickelt Lern-Apps, liefert           Kompetenzrahmen der Kultus­
         Schülerinnen und Schüle­r werden                Unterrichts- und Projekt­ideen und          ministerkonferenz »Bildung in
         interaktive Lernmedie­n angeboten.              lädt zum Mitma­chen ein.                    der digitalen Welt«.

12   MINT Nachwuchsbarometer 2021
Bildungsforschung im Fokus:
Digitale Tools im Unterricht
Digitale Tools wirken positiv auf den Kompetenzzuwachs von Kindern und Jugend-
lichen im MINT -Unterricht. Gerade für heterogene Lerngruppen haben sie großes
Potenzial durch ihre Anpassungsfähigkeit an individuelle Lernvoraussetzungen.

W
             elchen Mehrwert und Nutzen haben         die einzelnen Lernenden. Damit können digitale
             digitale Tools im Unterricht? Um die     Tools insbesondere das Lernen in heterogenen
             Wirksamkeit und den Einsatz inter-       Gruppen besonders wirksam unterstützen.
aktiver Lernprogramme zu untersuchen, hat die
Wissenschaftlerin Delia Hillmayr mit Kolleginnen          Passgenaue Angebote für einzelne
und Kollegen 2020 eine Metastudie veröffentlicht:          Schülerinnen und Schüler bieten
Sie analysieren darin Erkenntnisse zum Lernen                  adaptiv­e digitale Tools.
mit digitalen Tools im mathematisch-natur­wis­
sen­schaftlichen Unterricht in der Sekundarstufe      Die Ergebnisse der Metastudie verdeutlichen das
I und II . Die Grundlage für die Metastudie bilden    große Potenzial adaptiver digitaler Tools für das
92 Studien aus den Jahren 2000 bis 2018. Die Ana-     Lernen. Lehr­kräfte können damit passgenaue
lyse zeigt, dass der Einsatz von digitalen Tools im   Angeb­ote für einzelne Schülerinnen und Schüler
Mathematik- und Naturwissenschafts­unterricht         in den Unterricht integrieren.
einen signifikant positiven Effekt auf den Kom­          In einer weiteren Metastudie untersuchte die
petenzzuwachs von Schülerinnen und Schülern           Wissenschaftlerin Silvia Benavides-Varela mit
hat. In der Betrachtung der einzelnen Studien         Kolle­ginnen und Kol­lege­n 2020 die Wirksam­­keit
unter­scheidet sich dieser Effekt jedoch enorm –      digitaler Tools für die Lernentwicklung von Kin-
er hängt erwartungsgemäß vom spezifischen             dern mit Lern­schwie­rig­keiten in Mathematik im
Einsa­tz der jeweiligen Tools ab.                     Vor- und Grund­­schulalter.
   Es gibt eine Vielzahl digitaler Tools (siehe
Überblick S. 14). Die größte positive Wirkung auf        Kinder mit mathematikspezifischen
den Kompetenzzuwachs der Schülerinnen und                  Lernschwierigkeiten profitieren
Schüler haben Simulationen und intelligente                vom Einsatz adaptiver digitaler
tutori­elle Systeme. Sie sind im Vergleich etwa zu               Tools im Unterricht.
Hypertexten deutlich interak­tiver gestaltet.
                                                      Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder mit mathema-
   Lernförderliche Merkmale digitaler                 tikspezifischen Lernschwierigkeiten von solchen
  Tools sind dieselben wie im analogen                Tools profitieren, was vermutlich auch auf ältere
 Unterricht: Aktivierung von Vorwissen,               Kinder und Jugendliche übertragen werden kann.
       Feedback und Adaptivität.                         Weitere Befunde der erstgenannten Metastu-
                                                      die zeigen, dass sich die Nutzung digitaler Tools
Die Eigenschaften der besonders wirksamen digi-       im Unterricht nicht nur auf die Leistungsentwick-
talen Tools weisen dieselben lernförderlichen         lung positiv auswirkt, sondern auch auf die Moti-
Merkmale auf wie die des analogen Unterrichts:        vation der Schülerinnen und Schüler. Jedoch sind
Aktivierung von Vorwissen der Lernenden, Feed-        die Effekte hier geringer als die Effekte auf die
back an die Lernenden und Adaptivität der Tools,      Steigerung der Kompetenz. Auch nimmt die posi-
also die Anpassungsfähigkeit der Lerninhalte an       tive Wirkung digita­ler Tools auf die Motivation

                                                                                                    MINT Nachwuchsbarometer 2021   13
und das Lern­engagement der Schülerinnen und              um die digitalen Tools im Unterricht als dida­k­
                            Schüler mit der Zeit etwas ab. Dies hängt in der          tisch sinnvolle Ergänzung zu anderen Maß­­nah­­
                            Regel mit dem sinkenden Neuigkeitswert digitaler          men einzusetzen. Die Metastudie betont in diese­m
                            Tools zusammen. Um diesem Effekt entgegenzu-              Kontext auch die zentrale Rolle von Fortbil­
                            treten und posit­ive Anreize zu setzen, bedarf es         dungen: Der Einsatz digitaler Tools ist im Unter­
                            integrierter Belohnungs- und Verstärkerfaktoren,          richt erwartungsgemäß deutlich effektiver, wenn
                            wie sie etwa in Computerspielen zu finden sind.           Lehrkräfte in Fortbildungen gezielt geschult und
                                                                                      darauf vorbereitet werden.
                                    Kollaboration wirkt: Besonders das                    Eine grundsätzliche Herausforderung besteht
                                       gemeinsam­e Lernen im Team                     vor allem darin, in die Entwicklung von adaptiven
                                     oder zu zweit an einem Computer                  digitalen Tools zu investieren und den Transfer
                                          unterstü­tzt das Lernen.                    KI -basierter Lernsysteme in die schulische Praxis
                                                                                      zu unterstützen. Denn bislang sind digitale Tools
                            Für die Schülerinnen und Schüler ist insbeson­            trotz ihres großen Potenzials für das Lehren und
                            dere das gemeinsame Lernen in Kleingruppen                Lernen kaum im Schulalltag vorhanden. Um digi-
                            oder zu zweit an einem Computer hilfreicher als           tale Tools, die den Mehrwert solcher KI -basierten
                            das Arbeiten alleine, hier wird der Nutzen kolla-         Lernsysteme tatsächlich nutzen, für die Unter-
                            borativen Arbeitens für den Lernprozess deutlich.         richtspraxis anwend­bar zu machen, benötigen
                            Daneben spielt die Lehrkraft eine wichtige Rolle,         Schulen qualitätsgeprüfte Angebote.

                                    Digitale Tools im Überblick

                                    • Intelligente Tutorielle Systeme (ITS ) passen sich adaptiv an den Lernstand der Nutzerinnen
                                      und Nutz­er an, justieren die individuellen Aufgaben entsprechend dem Vorwissen der Lernenden
                                      und geben ein qualitatives Feedback mit erklärenden Elementen. Sie bieten Lernenden eine
                                      individuell­e Lernstrategie an.
                                    • Simulationen unterstützen Schülerinnen und Schüler dabei, komplexe Zusammenhänge zu
                                      verstehe­n. Lehrkräfte können im Unterricht beispielsweise Simulationen nutzen, mit denen
                                      die Jugendlichen geometrische Figuren nachbilden oder in virtuellen Laboren experimentieren.
                                    • Lernprogramme und einfache tutorielle Systeme bieten neue Inhalte an und binden dazu
                                      Frage­n und Übungen ein. Die Fortsetzung des Programms mit bestimmten Aufgaben ist
                                      abhängig von den Antworten der Lernenden.
                                    • Hypertexte verlinken Lerninhalte mit Hintergrundinformationen. Sie wirken sich nur in
                                      geringem Maße positiv auf den Lernzuwachs aus, weil sie keinerlei adaptive Merkmale oder
                                      Feedback-Eigenschaften aufweisen.

14   MINT Nachwuchsbarometer 2021
Intelligente Tutorielle Systeme (ITS )                sogar einen deutlichen Kompetenzzuwachs errei-
Die Entwicklung intelligenter Lernsoftware stellt     chen, für den sie sonst ein weiteres Lernjahr
eine große Herausforderung dar. Erste Intel­ligente   benöt­igen würden.
Tutorielle Systeme sind bereits in den 1970-er Jah-      Zu den wenigen aktuellen und in der schuli-
ren entwickelt worden. Unter »ITS « sind digitale     schen Praxis angewandten Intelligenten Tuto­
Tools zu verstehen, die Schülerinnen und Schü-        riellen Systemen gehört das an der Universität
lern Lernumgebungen zur Verfügung stellen,            Tübinge­n mit einem Schulbuchverlag entwickelte
in denen sie individualisiert arbeiten können.        webbasierte FeedBook für den Spracherwerb
Der individuelle Zuschnitt der Programme auf          Englisc­h in der Jahrgangsstufe 7. Für den MINT -
einzelne Lernende zeigt sich insbesondere durch       Bereich fehlen solche Entwicklungen weitest­
Inhalt und Form der Aufgaben und Hin­weise, die       gehend, erste Ansätze bietet für das Fach Mathe-
an den Lernstand der Lernenden angepasst sind.        matik das Angebot »Bettermarks«, für das Schulen
                                                      beziehungsweise schulübergreifend die kommu-
    Bis zu einem Lernjahr Kompetenz­                  nalen Behörden Lizenzen erwerben müssen.
        zuwachs durch unterrichts­                    Damit­Lehrkräfte das Potenzial Intelligenter Tuto-
      ­be­­gleitende­n Einsatz von ITS .              rieller Systeme im Unterricht nutzen und Kom­
                                                      petenzen der Schülerinnen und Schüler gezielt
Durch den ergänzenden Einsatz von ITS im Prä-         vertiefen können, bedar­f es noch grundlegender
senzunterricht können Schülerinnen und Schüler        Entwicklungsarbeit für den MINT -Bereich.

                                                             ITS wirken positiv auf die Lernerfolge,
                                                                 indem sie Rückmeldungen und
                                                             Lösungshinwe­ise zu den bearbeiteten
                                                                       Aufgaben geben.

                                                                                                    MINT Nachwuchsbarometer 2021   15
Ausbildung stärken:
Berufliche Bildung
Die Covid-19-Pandemie verschärft die Probleme am Ausbildungsmarkt und
forciert den starken Rückgang der Neuabschlüsse von MINT -Ausbildungs­
verträgen. Gleichzeitig wird jedes fünfte Ausbildungsverhältnis im MINT -
Bereich aufgelöst.

                           I
                                    m Jahr 2020 wurden ähnlich wie in den Vor-

                                                                                      21.000
                                    jahren 34 Prozent aller neuen Ausbildungs­
                                    verträge im MINT -Bereich geschlossen. Unter
                            den beliebtesten MINT -Ausbildungsberufen 2020
                            finden sich KFZ -Mechatronik (Platz 3), Fachinfor-
                            matik (Platz 7) und Industriemechanik (Platz 9).
                                                                                      Verträge weniger wurden im Jahr
                            Vor allem für junge Männer sind MINT -Berufe
                                                                                     2020 in der dualen MINT -Ausbildung
                            attrak­tiv – der geringe Frauenanteil in dem
                                                                                                abgesc­hlossen.
                            Bere­ich­­bleibt weiterhin bestehen.
                                    Die absolute Anzahl der abgeschlossenen
                            MINT -Ausbildungsverträge ist 2020 stark zurück-       Die seit über zehn Jahren abnehmende Anzahl
                            gegangen: Im Vergleich zum Vorjahr wurden              der Bewerberinnen und Bewerber pro dualem
                            rund 21.000 Verträge weniger abgeschlossen (2019       MINT -Ausbildungsplatz resultiert unter anderem
                            noch über 181.000, 2020 nur rund 160.000).             aus der demografischen Entwicklung. Außerdem

16   MINT Nachwuchsbarometer 2021
wächst der Anteil junger Menschen mit Hoch-           den Ausbildungen mit einem mathematischen
schulzugangsberechtigung: Immer mehr Abi­             Schwerpunkt finden sich rund 10 Prozent der
­tu­rientinnen und Abiturienten entscheiden sich      weiblichen MINT -Auszubildenden. In den techni-
für ein Studium, dabei verlangsamt sich der           schen Ausbildungsberufen – unter den MINT -
Trend. Die Anzahl der vakanten Ausbildungs­           Ausbil­dungen von Frauen rund 82 Prozent – ent-
plätze lag Ende 2020 bei 12.000, ein Anstieg um       scheiden sich viele Frauen für Ausbildungen in
rund zehn Prozent gegenüber 2019.                     der Gesundheits­technik und in der Landtechnik
                                                      (Frauen­anteil 59 bzw. 31 Prozent). Um das Inte­
Ausbildungsabbrüche                                   resse an MINT -Ausbildungsberufen zu steigern,
Hohe Abbruchzahlen beziehungsweise aufgelöste         sollten technische Theme­n stärker in den MINT -
Ausbildungsverträge von jungen Erwachsenen            Unterricht der all­gemeinbildenden Schulen ein-
sind in allen Berufssparten der dualen Ausbildung     bezogen und dabei die Relevanz von Technik für
ein Problem. Rund ein Drittel aller Abbrüche fin-     die Gesellschaft aufgezeigt werden.
det bereits in den ersten vier Monaten der Aus­
bildung statt, ein weiteres Drittel im ersten Jahr.   Covid-19 und der Ausbildungsmarkt
Die Abbrüche in den ersten vier Monaten gehen         Trotz des Rückgangs des Gesamtbedarfs an MINT -
in der Regel auf eine fehlende Passung zwischen       Fachkräften sind laut IW gerade im IT -Bereich
Beruf­sinteressen und Tätigkeiten in der Ausbil-      sow­ie für Elektro-, Energie- und Bauberufe mehr
dung zurück. Spätere Abbrüche sind oftmals auf        qualifizierte Arbeitskräfte notwendig, um dem
die Ausbildungsanforderungen zurückzuführen,          Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Im IT -Be-
welche die Auszubildenden nicht bewältigen            reich fällt die Fachkräftelücke 2020 krisenbedingt
können­. Der MINT -Herbstreport des Instituts für     mit 26.000 fehlenden Arbeitskräften deutlich
deutsche Wirtschaft (IW ) stellt für 2019 sogar       geri­nger aus als im Vorjahr (2019: rund 52.000),
einen­ leichten Trend zu steigenden Abbrüchen         die Lücke bleibt aber signifikant.
fest. Auszubildende wechseln dabei aber auch
zum Teil ihren Ausbildungsberuf und schließen             Covid-19-Pandemie verschärft die
erneut einen Ausbildungsvertrag ab.                       Problem­e am Ausbildungsmarkt.

          Ausbildungsabbruch:                         Bei dem Rückgang der 2020 neu abgeschlosse­
          Mehr als jedes fünfte                       ­nen dualen MINT -Ausbildungsverträge um rund
       MINT -Ausbildungsverhältnis                    21.000 ist nach Schätzung der Bundesagentur für
             wird aufgelöst.                          Arbeit ein Viertel auf die Covid-19-Pandemie
                                                      zurück­zuführen. Bereits vor Beginn der Covid-
Im MINT -Bereich wird mehr als jedes fünfte           19-Krise gingen Prognosen davon aus, dass sich
Ausbildungs­verhältnis aufgelöst. Diese Zahlen        die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze um
schwanken allerdings zwischen den unterschied-        etwa sieben Prozent reduzieren werde. De facto
lichen Berufssparten beträchtlich. Vor allem in       sind die abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse
den technischen Berufen liegt die Abbruchquote        im MINT -Bereich 2020 sogar um rund 21.000 und
teilweise sogar bei über 30 Prozent, zum Beispiel     damit um über 11,5 Prozent zurückgegangen.
in der Metallbau- oder Elektronik-Ausbildung (36      Sow­ohl ging die Anzahl der gemeldeten Aus­
und 34 Prozent).                                      bildungsstellen zurück als auch die der Bewer­
                                                      berinnen und Bewerber.
Frauen in der MINT -Ausbildung                           Um Ausbildungsbetriebe zu ermutigen, auch
Ein weiteres Kernproblem bleiben die Geschlech-       in der pandemiebedingt zu­­ge­s­pitzten Wirtschafts­
terdifferenzen in der MINT -Berufswahl. Im Jahr       lage Ausbildungsplätze zu erhalten und das Niveau
2020 wurden erneut nur rund elf Prozent der           auszubauen, wurde das Programm »Ausbildungs-
neuen­ MINT -Ausbildungsverträge von jungen           plätze sichern« des Bundes­bildungs- und Bundes-
Frauen abgeschlossen. Im Informatikbereich, mit       arbeitsministeriums ausgeweitet, das ausbilden-
einem Frauenanteil von rund acht Prozent, wird        den Unternehmen und Einrichtungen unte­r
am ehesten noch die Wirtschafts­informatik (rund      anderem Ausbildungsprämien zukommen lässt –
14 Prozent weibliche Auszubildende) gewählt. Bei      ein wichtiger Impuls auch für den MINT -Bereich.

                                                                                                      MINT Nachwuchsbarometer 2021   17
Entscheidung für MINT:
Hochschule
Die Zahl der MINT -Studierenden ist weiterhin auf hohem Niveau und der Anteil
der Frauen auf 32 Prozent gestiegen. Trotz eines Anstiegs bei den Lehramts­
studierenden ist ein wachsender Lehrkräftemangel absehbar.

                           F
                                    ür die Aufnahme eines MINT -Studiums            Die Zahl der MINT -Absolventinnen und -Absol-
                                    (ohne Lehramt) entscheiden sich 38 Prozent   venten ist seit 2011 von 137.000 auf über 187.000
                                    aller Studienanfängerinnen und -anfänger.    im Jahr 2019 gestiegen und bildet einen Anteil
                            Aufgrund geburtenschwächerer Jahrgänge sind          von 35 Prozent aller Studienabschlüsse. Im OECD -
                            die absoluten Zahlen seit 2018 leicht rückläufig.    Vergleich nimmt Deutschland damit eine Spit­
                            Die Abbruch- und Wechselquote ist in den MINT -      zenposition ein. Allerdings gilt es zu berücksich-
                            Studiengängen mit rund 48 Prozent noch immer         tigen, dass viele Ausbildungen im Erziehungs- und
                            hoch. Bei der Fächerwahl der MINT -Studienan­        Gesundheitswesen in Deutschland, anders als in
                            fängerinnen und -anfänger dominieren im Stu­         ande­ren Ländern, nicht an Hochschulen absol-
                            dienjahr 2019 / 20 mit 50 Prozent die Ingen­ieur­    viert werden, was im Verhältnis den prozentualen
                            wissenschaften, wobei ihr Anteil seit 2015 stetig    Anteil für MINT erhöht. Grundsätzlich ist abzu­
                            abnimmt (2015: rund 55 Prozent). Es folgen die       sehen, dass sich der demografische Wandel und
                            Naturwissenschaften und Informatik (22 und 21        die damit verbundenen abnehmenden Zahlen der
                            Prozent). Für ein Mathematikstudium entschei-        MINT -Studienanfängerinnen und -anfänger auch
                            den sich nur rund sechs Prozent der MINT -Stu­       auf die MINT -Abschlüsse auswirken werden.
                            dienanfängerinnen und -anfänger.
                                                                                 Frauen im MINT -Studium
                                                                                 Mit 32 Prozent ist der Anteil der Frauen an den
                                                                                 MINT -Abschlüssen so hoch wie nie zuvor. 2019

            50 %
                                                                                 haben erstmals Frauen die Hälfte aller Abschlüsse

  aller MINT -Studienanfängerinnen
      und -anfänger beginnen ein
ingenieurwissenschaftliches Studium.

18   MINT Nachwuchsbarometer 2021
in den Naturwissenschaften erzielt (Mathematik:       amtsstudium ab (zum Vergleich: in den Naturwis-
47 Prozent Frauenanteil). Anders in den Inge­         senschaften über 5.500). Damit wird es in abseh-
nieurwissenschaften und der Informatik: Der           barer Zeit schwer möglich sein, der Informatik
Anteil­ der Absolventinnen liegt bei nur 25 bezie-    flächendeckend einen festen Platz im Curriculum
hungsweise 21 Prozent.                                der weiterführenden Schulen zu geben. Schon
                                                      heute fehlen viele MINT -Lehrkräfte an Schulen.

     Höchster Stand: Rund ein Drittel                 Aufgrund demografiebedingt sinkender Zahlen
                                                      von Studienanfängerinnen und -anfängern und
       aller MINT -Abschlüsse von
                                                      zugleich wachsender Zahlen der Schülerinnen
   Frauen, in den Naturwissenschaften
                                                      und Schüler wird sich dieser Mangel an MINT -
             sogar die Hälfte.
                                                      Lehrkräften in den nächsten zehn Jahren noch
                                                      verstärken. Allein in Nordrhein-Westfalen werden
Um mehr Frauen für diese Studiengänge zu be-          laut Gutachten der Deutsche Telekom Stiftung
geistern, sollten geschlechtsbezogene Zugangs-        zwei Drittel der MINT -Lehrkräfte fehlen.
barrieren an Hochschulen identifiziert und ab­
gebaut werden. Die Forschung zeigt, dass häufig       Studieren digital
neben fachlichen Interessen auch gesellschaft­        Im Gegensatz zu Schulen verfügten Hochschulen
liche, soziale und ökologische Kontexte der Stu­      bereits vor der Covid-19-Pandemie über eine digi-
dien­richtungen wichtige Beweggründe bei der          tale Infrastruktur, die einen zügigen Umstieg auf
Studien- und Berufswahl sind. Es ist leichter,        das Distanzlernen erleichtert hat. Seit dem Som-
Fraue­n für Studiengänge wie Umwelttechnik zu         mersemester 2020 fanden die Lehrveranstaltun-
gewinnen, wo das Studienfach bereits im Namen         gen fast ausschließlich digital statt, Ausnahmen
einen klaren Bezug zum gesellschaftlichen Nut-        gab es teilweise für Praxiseinheiten in Laboren
zen vermittelt. Dies hilft allerdings nicht allein,   oder für Prüfungen. Eine bundesweite Umfrage
um stereotype Vorstellungen von und Einstellun-       der Universität Konstanz und des Deutschen Zen-
gen gegenüber MINT -Berufen aufzubrechen. Erfor­      trums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung
derlich ist vielmehr ein grundsätzlicher Kultur­      unter Studierenden zeigt, dass der Umstieg auf
wandel, der die geschlechtsbezogene Zuschrei-         das Distanz­lernen grundsätzlich gut funktioniert
bung von Berufen und Studienfächern beendet.          hat. Als problematisch bewerteten Studierende
                                                      vor alle­m den fehlenden persönlichen Austausch
MINT -Lehramtsstudiengänge                            mit Kommilitoninnen und Kommilitonen sowie
Die Anzahl der Studienanfängerinnen und -an­          Lehrenden (79 bzw. 63 Prozent Zustimmung).
fänger im MINT -Lehramt steigt seit 2015 in allen

                                                                 45 %
Fächer­n durchgehend. Physik und Informatik
werden weiterhin selten angewählt und ver­
bleiben trotz Zunahmen (Informatik: 20 Prozent
Zuwachs) auf geringem Niveau. In beiden Fächern
sind Frauen mit 37 (Physik) bzw. 33 Prozent (Infor-       der Studierenden bewerten die
matik) unterrepräsentiert. Obwohl 2019 bis 2020            digitalen Kompetenzen ihrer
leichte Anstiege des Frauenanteils von einem            Dozenten und Dozentinnen als hoch.
bzw. drei Prozent zum Vorjahr zu verzeichnen
sind, bleiben die beiden Fächer weit hinter den       Die digitalen Kompetenzen der Lehrenden wur-
anderen MINT -Fächern zurück (zum Vergleich           den von 23 Prozent der Befragten als eher gering,
Chemie: 52 Prozent).                                  von 31 Prozent als mittelmäßig und von 45 Pro-
   Der Anteil der MINT -Absolventinnen und            zent als eher hoch eingeschätzt. Zur Weiterbil-
-Absol­venten von allgemeinen und berufsbilden-       dung der Lehrenden bieten viele Hochschulen
den Lehramtsabschlüssen steigt und liegt mit 22       Fortbildungen zu digitalen Tools und Methoden
Prozent so hoch wie nie zuvor. Differenziert man      an. Fortbildungen sind auch an Hochschulen eine
nach Fächern, so werden die geringen Zahlen in        wichtige Maßnahme, um das wissenschaftliche
der Informatik sichtbar: Hier schlossen im Jahr       Lehrpersonal zu unterstützen und damit die
2019 bundesweit lediglich 159 Personen ein Lehr-      Lehr­e zu professionalisieren.

                                                                                                   MINT Nachwuchsbarometer 2021   19
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