Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Alliteratus

Die Seite wird erstellt Yanick Eckert
 
WEITER LESEN
Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Alliteratus
www.alliteratus.com
              www.facebook.com/alliteratus ⋅ https://twitter.com/alliteratus

                                        Dante lesen

                            Dante Alighieri
                            Die Göttliche Komödie
                            In Prosa übersetzt von Hartmut Köhler
                            Reclam 2020 ⋅ 494 S. ⋅ 12.00 ⋅ 978-3-15-020615-7

                            Alberto Manguel (*1948), bekannt durch sein Buch „Eine Geschichte
                            des Lesens“ (1998), verriet kürzlich in einem Interview (Südd. Zei-
                            tung, vom 12./13. Dez. 2020, S. 56): „Ich lese jeden Tag einen Canto
                            aus der Göttlichen Komödie. Ich mache das jetzt seit 20 Jahren.“
                            Manguel, der fünf europäische Sprachen spricht, liest Dante natür-
                            lich im Original, was viele nicht können. Doch wir sollten das auch in
                            den nächsten Monaten auch tun, denn am 14. September ist der 700.
                            Todestag des großen Meister Italiens. Dort hat in Vorbereitung auf
                           dieses Jubiläum das Dante-Jahr schon begonnen.

Bleibt die Frage: Welche Übersetzung sollten diejenigen nehmen, die den Text im Original nicht
lesen können? Ich schlage die Prosa-Übersetzung von Hartmut Köhler vor, die 2013 mit dem
deutsch-italienischen Übersetzerpreis ausgezeichnet wurde und die gerade bei Reclam noch ein-
mal erschienen ist. Köhler, der (zusammen mit seinen Mitarbeitern) schon als Übersetzer der
Cahiers von Paul Valéry große Beachtung gefunden hat, verteidigt in seinem Nachwort die Prosa-
Übersetzung ganz allgemein und im Hinblick auf Dante. Er lobt alle, die dieses große Werk in
Reimen übersetzt haben. „Doch die Fron der Rhythmen und Reime forderte Opfer, und diese
wurden mit der Zeit immer schmerzhafter.“ Und er fährt fort: „Überdies sollten wir uns deutlich
machen: Wer eine Versübersetzung des vorigen oder des vorvorigen Jahrhunderts aufschlägt, der
betritt, auch wenn sie mit Könnerschaft gemacht ist, statt Dantes gotischer Kathedrale einen
neugotischen Abklatsch.“ (S. 283f.)

Beginnen wir unsere Lektüre mit der ersten Terzine des ersten Gesangs: „Nel mezzo del cammin
di nostra vita / mi ritrovai per una selva oscura / chè la diritta via era smarrita.“ Der berühmte
Romanist Karl Vossler (1872–1949) hat dies so übersetzt: „Dem Höhepunkt des Lebens war ich
nahe, / da mich ein dunkler Wald umfing und ich, / verirrt, den rechten Weg nicht wiederfand.“
Da will ich nun nicht beckmessern, gleichwohl halte ich dieses isolierte „verirrt“ nicht für eine
optimale Lösung. Man könnte im Sinne von Hartmut Köhler ein Beispiel für die „Fron der Rhyth-
men“ sehen. Seine Prosaübersetzung lautet so: „Auf der Hälfte des Weges unseres Lebens fand
ich mich in einem finsteren Wald wieder, denn der gerade Weg war verloren.“ Das ist für den
modernen Menschen eine lesbare Lösung.

Mai 21                              Franz Joachim Schultz                                 Seite 1
Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Alliteratus
www.alliteratus.com
               www.facebook.com/alliteratus ⋅ https://twitter.com/alliteratus

Ich werde nun selber meine Dante-Lektüre beginnen. Dabei immer wieder
mit dem Original vergleichen. Im Verlauf des Dante-Jahres werde ich hier
gelegentlich darüber berichten. Gehen wir gemeinsam mit ihm durch die
Qualen der Hölle, das Fegefeuer, um dann in den höchsten Himmel zu ge-
langen. Erleben wir in diesem Buch die gesamte Bildung des späten Mit-
telalters. (12/2020)

Alle Ergänzungen werden sich jeweils hier am Ende des Beitrags finden.

                                  Einsam in der Leidenschaft

                             Die göttliche Komödie
                             Mit über 100 Illustrationen von Gustave Doré und
                             William Blake
                             übersetzt von Philalethes (König Johann von Sachsen)
                             Nikol 2016 / 2020 ⋅ 576 S. ⋅ 6.95 ⋅ 978-3-86820-361-5

                           Wie jeder weiß, besteht Dantes Göttliche Komödie aus drei Teilen: In-
                           ferno (Hölle), Purgatorio (Fegefeuer) und Paradiso (Paradies). Man
                           muss allerdings sagen, dass der erste Teil der erfolgreichste ist. Die
                           Schicksale, die hier geschildert werden, beeindrucken weitaus mehr
                         als das, was im zweiten und dritten Teil berichtet wird. Es gibt dazu
sogar ein Computerspiel und dazu ein Trickfilm (2010), der so angepriesen wird: „6 gefeierte in-
ternationale Regisseure – 6 grauenerregende Visionen von der Hölle“. Und weiter:

   Vorhölle, Wollust, Maßlosigkeit, Habgier, Zorn, Ketzerei, Gewalt, Betrug und Verrat! Dies sind die neun
   Höllenkreise, die Dante Alighieri in seinem berühmten Meisterwerk bekannt gemacht hat. Dieses ani-
   mierte Epos nimmt sie mit auf eine Höllenfahrt, bei der Dante den Mächtigen des Bösen trotzt, sowie
   außergewöhnlich fantasiereiche Dämonen und Monster tötet, um seine Geliebte Beatrice aus den Fän-
   gen des Höllenmeisters Luzifer zu befreien. (Text: DVD-Hülle)

Der Film wurde als Gewalt verherrlichend kritisiert und ist natürlich weit weg von Dante, der
hier als Kreuzzugsveteran in Erscheinung tritt. Leider kann man nicht verhindern, dass mit Wer-
ken der Weltliteratur Schindluder getrieben wird. Was Dante schildert ist eigentlich schon grau-
enerregend genug, wobei er in vielen Fällen auf historisch belegte Ereignisse zurückgreift. Neh-
men wir nur das Schicksal von Francesca und Paolo, die uns im 5. Gesang des Infernos begegnen.
Es geht um die unglückliche Liebe von Francesca da Rimini (*um 1285), einer Patriziertochter aus
Ravenna, zu Paolo, dem Bruder ihres Ehemanns Giancitto, der beide auf frischer Tat ertappt und

Mai 21                                 Franz Joachim Schultz                                     Seite 2
Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Alliteratus
www.alliteratus.com
               www.facebook.com/alliteratus ⋅ https://twitter.com/alliteratus

ermordet. Dante ist damit einverstanden, dass die beiden in der Hölle bei den Wollüstigen schmo-
ren. Ehebruch kann einfach nicht geduldet werden. Doch er empfindet auch Mitleid mit den
Beiden. Er wendet sich direkt an Francesca:

   Und hob so an: „Franziska, deine Marter
   Entlockt mir fromme, schwermutsvolle Tränen.

Geweint haben sicher viele Leser an dieser Stelle. Das Schicksal der bei-
den Liebenden hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder andere
Schriftsteller und Künstler zu einer eigenen Fassung angeregt. Zu nen-
nen wären z.B. der Komponist Tschaikowski und seine sinfonische
Dichtung (1876). Von Rachmaninow gibt es eine Oper (1906). Beide
Werke tragen den Titel „Francesca da Rimini“. In der Bildenden Kunst
tauchen die Beiden auch immer wieder auf. Es gibt u. a. Gemälde von
Ingres und Feuerbach und eine Skulptur von Rodin. Von den Literaten
wären auch einige zu nennen. Zuletzt hat sich meines Wissens Fabrizio
Coscia (*1967) in seinem Buch ▶ Und einsam waren wir mit dem Fall          Feuerbach: Paolo und Francesca
beschäftigt. Für ihn litten die Beiden in der „extremen Einsamkeit ihrer
Leidenschaft“. In der Literatur des 20. Jahrhunderts taucht Dante noch öfter auf, von Samuel
Beckett bis Dan Brown, davon mehr in meinem nächsten Dante-Artikel.

Kehren wir zum Original zurück. Dante klagte am Ende dieses Gesangs, dass er vom Mitleid

   Ohnmächtig wurde, gleich als ob ich stürbe
   Und niederfiel, wie tote Körper fallen.

PS. Ich verwende hier eine andere Übersetzung, die von Philalethes. Hinter diesem Pseudonym
(=Freund der Wahrheit) verbirgt sich König Johann von Sachsen (1801–1873), dessen Übersetzung
in gebundener Form von Dantes Meisterwerk durchaus Anerkennung gefunden hat. (3/2021)

                             Dante über Völlerei und Faulheit

                           Die göttliche Komödie
                           Mit 48 Ill. nach Holzschnitten von Gustave Doré
                           übersetzt von Ida und Walther von Wartburg
                           Manesse 2018 ⋅ 1198 S. ⋅ 36.00 ⋅ 978-3-7175-2460-1

                           Dante stand mit beiden Beinen auf der zu seiner Zeit herrschenden
                           Grundordnung. Manchmal hatte er zwar Mitleid mit den armen Sün-
                           dern in der Hölle, aber er stellt nicht in Frage, dass man für schlimme
                           Sünden mit Höllenqualen bestraft werden muss. Das gilt auch für die
                           Sieben Todsünden. Zu ihnen zählt die Völlerei (gula). Im dritten Kreis
                           der Hölle, im VI. Gesang, begegnet er denen, die diese Sünde begangen

Mai 21                               Franz Joachim Schultz                                Seite 3
Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Alliteratus
www.alliteratus.com
               www.facebook.com/alliteratus ⋅ https://twitter.com/alliteratus

haben. Ich zitiere aus dem Dante-Kommentar von Walter von Wartburg. Hier „werden die
Schlemmer und Fresser bestraft. Tief im Schlamm und Kot liegen alle die Fresssäcke und Wein-
schläuche, wiederum das richtige Gegenstück zu ihrer den animalischen Genüssen maßlos hin-
gegebenen Sinnesart. Auf sie nieder klatscht gleichmäßig, unerbittlich, unaufhörlich der Regen.“
So muss man sich diese Situation vorstellen:

Io sono al terzo cerchio, della piova             Ich bin im dritten Kreise, dem des Regens,
 etterna, maladetta, fredda e greve;              des ewigen, verfluchten, kalten, schweren;
 regola e qualità mai non l’è nova.               nie ändert seine Art noch Stärke sich.
Grandine grossa, acqua tinta e neve               Grobschloßger Hagel, Schnee und trübes Wasser
 Per l’aere tenebrosa si riversa;                 ergießet sich durch dämmrig-dunkle Luft,
 Pute la terra che questo riceve.                 die Erde stinkt, die das empfangen muss.

Ich zitiere die Übersetzung von Ida (1887–1963) und Walther von Wartburg (1888–1971), die 1963
erstmals im Manesse Verlag erschienen ist. Diese Ausgabe ist, wenn ich mich nicht irre, seitdem
immer lieferbar gewesen. 2018 erschien sie in neuer Ausstattung mit dem großartigen, abstrakten
Titelbild von Cornelia Niere. Wer eine Dante-Ausgabe mit einem knappen, lesenswerten Kom-
mentar sucht, dem ist diese Ausgabe zu empfehlen. Walter von Wartburg schweift in seinem
Kommentar nicht ab, kurz und gut lesbar gibt er die wichtigsten Erläuterungen.

Kommen wir zu den Sieben Todsünden zurück, zu denen auch die Faulheit (acedia) gehört. Hier
macht Dante eine Ausnahme. Im Fegefeuer (Purgatorio), im vierten Gesang, sehen wir „Leute in
lässiger Haltung unter einem Felsen gelagert. Den, der am faulsten aussieht, erkennt Dante. Es
ist ein Instrumentenbauer aus Florenz, mit dem Übernamen Belacqua. Von ihm wird erzählt, dass
er sich nie von seinem Sitz erhoben habe, außer um zum Essen und zum Schlafen zu gehen.“
(Walther von Wartburg) Dieser Belacqua macht sich auch noch lustig über Dante, dem der Auf-
stieg nicht gerade leichtfällt: „Steig nur hinauf, du bist ja tüchtig.“ Und weiter: „Was bringt das
Steigen mir, mein Bruder?“ Dante sagt: „Belacqua, nicht bang ich mehr um dich“. Man könnte
ergänzen: Da du im Fegefeuer bist, ist dir am Ende das Paradies gewiss.

Dante selber würde das wohl nicht so verallgemeinern, aber man könnte sagen: Auch der Faule
kann ins Paradies gelangen. Demnach hatten Gerhard Köpf und ich recht, dass wir den Belacqua,
also den vierten Gesang des Purgatorio, in unser „Inselbuch der Faulheit“ (1983) aufnahmen. Da-
bei stellten wir fest, dass diese Figur ein literarisches Weiterleben hatte, nämlich in Samuel Be-
cketts Roman „Murphy“ (1957). Beckett nimmt den Belacqua Dantes wieder auf und macht ihn
zum Idol seines phlegmatischen Titelhelden. Für Murphy, der stundenlang nackt in seinem Schau-
kelstuhl sitzt, ist die Haltung Belacquas vorbildhaft. Er lässt sich sogar auf diesem Schaukelstuhl
festbinden, um ja nicht aktiv zu werden. Er will „lange Zeit träumend daliegen und die Morgen-
sonne ihre Tierkreise durcheilen sehen, vor dem mühsamen Aufstieg zum Paradies. Die Steigung
war übertrieben, eins in weniger als eins. Wolle Gott, dass kein frommer Drogist seine Zeit im
Fegefeuer mit einem guten Gebet abkürzen möge. Dies war seine Belacqua-Phantasie, vielleicht
die am besten organisierte seiner ganzen Sammlung.“ (zit. nach dem „Inselbuch der Faulheit“,
S. 316) Für Murphy gibt es aber kein gutes Ende. Am Ende bricht ein Feuer aus, und er kann, da
er sich hat festbinden lassen, dem nicht entkommen. Wird hier der Faule dann doch bestraft?

Mai 21                                  Franz Joachim Schultz                                  Seite 4
Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Alliteratus
www.alliteratus.com
               www.facebook.com/alliteratus ⋅ https://twitter.com/alliteratus

                                     Boccaccio liest Dante

                          Giovanni Boccaccio
                          Büchlein zum Lob Dantes
                          Übersetzt und eingeführt von Moritz Rauchhaus
                          Verlag Das kulturelle Gedächtnis 2021 ⋅ 112 S. ⋅ 12.00
                          978-3-946990-55-0

                          Die Leserinnen und Leser der drei unter dem Titel „Dante lesen“ bereits
                          erschienenen Artikel haben sich vielleicht gedacht: Ganz schön vermes-
                          sen! Über Dante sind bereits ganze Bibliotheken geschrieben worden,
                          und nun will einer in kurzen Artikeln das Wichtigste schreiben. Diese
                         Zweifel sind zum Teil berechtigt. Andrerseits will ich nur ein paar Hin-
weise geben und neugierig machen. Es stimmt: Sehr viele Menschen haben die Göttliche Komö-
die gelesen und darüber geschrieben. Einer der ersten war Dantes Kollege Giovanni Boccaccio
(1313–1375), nur wenige Jahre jünger als Dante (1265–1321), den er als sein Vorbild gesehen hat.
Er war von Dantes Werken begeistert und schrieb seinen Trattatello in laude di Dante. Teile davon
hat er in einer Vortragsreihe in der Florentiner Kirche Santo Stefano di Badia einem größeren
Publikum präsentiert (1373/1374). Zwischen 1350 und 1370 hat er drei Fassungen dieser ersten
Dante-Biografie geschrieben, mehr noch, „es ist eine der ersten Biografien überhaupt in einer
noch heute gesprochenen Sprache“. Dies und weitere Hintergründe erläutert Moritz Rauchhaus
in seinem kenntnisreichen Vorwort.

Darin erfahren wir auch: „Dante und Boccaccio waren Teil der tre corone fiorentine, also der drei
Florentiner Kronen der spätmittelalterlichen Dichtkunst, deren dritter Vertreter Francesco Pet-
rarca (1303–1374) war, der ebenfalls die volkssprachliche Dichtung zu neuen Höhen aufsteigen
ließ.“ (S. 6) Damit kommen wir gleich zu einem ganz wichtigen Punkt. Zuvor haben alle italieni-
schen Dichter und Intellektuelle natürlich auf Latein geschrieben, auch die drei „Florentiner Kro-
nen“ haben dies getan. Petrarca hat z. B. für seinen bekannten Bericht über die Erstbesteigung
des Mont Ventoux diese Sprache der Gelehrten benutzt. Doch dadurch, dass Dante in der Gött-
lichen Komödie und Boccaccio in seinem Deccamerone die toskanische Volkssprache verwendet
haben, machten sie die ersten Schritte zum heutigen Italienischen. Boccaccio hat dies mehrmals
in seinem „Büchlein“ hervorgehoben. Zum Beispiel hier:

   [Dante] wusste schließlich, dass metrisches Latein, wie es die Dichter vor ihm geschrieben hatten,
   einzig den Gelehrten verständlich gewesen wäre. Da er in der Volkssprache schrieb, schuf er ein
   Werk wie niemand vor ihm und nahm den Gelehrten nicht die Möglichkeit, es auch zu verstehen.
   Er zeigte die Schönheit unseres Dialekts und seine herausragende Kunstfertigkeit, um sich mit
   seiner Freude und seinem Verstand den einfachen Leuten zu widmen, um die sich vorher niemand
   bekümmerte. (S. 95)

Mai 21                               Franz Joachim Schultz                                   Seite 5
Die Göttliche Komödie - Dante Alighieri - Alliteratus
www.alliteratus.com
               www.facebook.com/alliteratus ⋅ https://twitter.com/alliteratus

Boccaccio hat im Grunde in seinem Büchlein nicht viel über die Göttliche Komödie geschrieben,
doch die wichtigsten Aspekte waren ihm klar. Allgemein könne man sagen, dass sich das Leben
in drei Stadien aufteile, „nämlich in erstens das Lasterhafte, zweitens den Weg vom Laster zur
Tugend und drittens das Tugendhafte“.

   Deshalb verfasste er drei Bücher, die von der Bestrafung der Lasterhaften bis hin zur Belohnung
   der Tugendhaften reichen, und vereinte sie auf wundervolle Weise in einem Band, den er Com-
   media nannte. Die drei Bücher unterteilte er in Gesänge und die Gesänge in feste Rhythmen, wie
   man es deutlich sehen kann. Er verfasset sie in Reimen und in der Volkssprache, mit so viel Gespür
   für seine Kunst und mit einer solch wunderbaren und schönen Ordnung, dass es noch niemanden
   gegeben hat, der ihm dies rechtmäßig auf irgendeine Weise nachtun konnte. (S. 90)
Ansonsten ist Boccaccios „Büchlein“, wie gesagt, eine Biografie, bei der er allerdings weit ausholt
und einige Male abschweift. So erfahren wir zu Beginn einiges „Über die Zerstörung von Florenz
und ihren Wiederaufbau durch Karl den Großen“. Doch dann geht es im engeren Sinn um Dantes
Leben. Er berichtet über Dantes Geburt und Studium, um dann zu einem wichtigen Teil in Dantes
Leben zu kommen, nämlich zu „Dantes Liebe zu Beatrice, wie sie sich kennenlernten und wie
glücklich sie waren“. Der Tod der schönen Beatrice, die in der Göttlichen Komödie eine wichtige
Rolle spielen wird, stürzte Dante in tiefe Trauer. Man befürchtete, er könne sich das Leben neh-
men. Doch dann ließ er sich überreden, eine andere Frau zu heiraten. In einem kurzen eingescho-
benen Kapitel erörtert Boccaccio, warum Philosophen nicht heiraten sollten.

Weitere Stationen aus Dantes Leben, z. B. die Vertreibung aus Florenz und sein Leben in Ravenna,
folgen. Dazwischen andere allgemeinere Kapitel, so z. B. „Über die ersten Menschen und ihr Ver-
hältnis zu Gott, sowie über die Planeten und die Vorzüglichkeit der Dichtung“ oder „Über den
Zusammenhang von Theologie und Dichtung“. Dann wieder ein ganz anderes Thema: „Über die
Griechen als erste Erfinder und über die Lorbeerkrönung für Feldherren und Dichter“. Ich will
das hier nicht im Einzelnen erörtern. Die Leser sollten mit Neugier dem für uns heute etwas
fremdartigen Text Boccaccios folgen. Allen, die mehr über Dante erfahren möchten, ist dieses
sehr schön gestaltete „Büchlein“ zu empfehlen.

Mai 21                               Franz Joachim Schultz                                   Seite 6
Sie können auch lesen