Die Islamismuskompatibilität des Islam

Die Seite wird erstellt Rosa Hahn
 
WEITER LESEN
Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber (Swistal)
                Die Islamismuskompatibilität des Islam
            Anknüpfungspunkte in Basis und Geschichte der Religion

1. Einleitung und Fragestellung              Taten des Propheten. Mit dem bedeutsa-
„Es ist ... notwendig“, so der Politik-      men Unterschied freilich, dass militante
wissenschaftler Bassam Tibi, „ ... zwi-      Islamisten diese Quellen selektiv auswer-
schen Islam als einer Weltreligion, die      ten und oft vollkommen konträr zur Mehr-
eine der wichtigsten Weltzivilisationen      heitsmeinung interpretieren – allerdings
hervorgebracht hat, und dem islamischen      nicht willkürlich.“4 Ihm geht es also nicht
Fundamentalismus als politischer Ideolo-     um eine Gleichsetzung von Islam und
gie unserer Gegenwart auf der Schwelle       Islamismus, sondern um die Anknüp-
zum 3. Jahrtausend zu unterscheiden.“1       fungspunkte für den Islamismus in der Re-
Derartige Aussagen konnte man in den         ligion des Islam. Genau dieser Gesichts-
Medien nach den Terroranschlägen vom         punkt steht auch im Zentrum der vorlie-
11. September 2001 häufig lesen. Zutref-     genden Erörterung, fragt diese doch nach
fend weisen sie darauf hin, dass man zwi-    der Islamismuskompatibilität des Islam.
schen Islam als besonderer Religionsform     Es geht dabei – um dies gleich einleitend
und Islamismus als politischer Bestrebung    klar zu stellen – nicht um eine Gleichset-
unterscheiden sollte. Muslimische Auto-      zung von politischer Ideologie und reli-
ren machten in gesonderten Veröffentli-      giöser Orientierung, sondern um die Aus-
chungen auch auf den Gegensatz zwi-          einandersetzung mit den Vereinbarkeiten
schen den Handlungen von islamistischen      zwischen beiden Bereichen. Zu diesem
Terroristen und den Geboten des Islam        Zweck werden im Folgenden einige der
aufmerksam.2 Und Vertreter islamischer       damit gemeinten historischen, religiösen,
Organisationen verneinten in gemeinsa-       politischen und sozialen Bestandteile des
men Stellungnahmen jeden Zusammen-           Islam hervorgehoben und in einen solchen
hang von Religion und Terror, da sich der    Zusammenhang gestellt. Danach steht die
Koran eindeutig gegen die Tötung un-         Kommentierung und der Umgang mit den
schuldiger Menschen ausspreche.3             Juden als gesellschaftliche und religiöse
So notwendig und zutreffend solche Un-       Minderheit in der islamischen Welt im
terscheidungen sind, so sollten sie aber     Zentrum des Interesses. Und schließlich
nicht generell die Zusammenhänge igno-       soll es angesichts der zentralen Fragestel-
rieren. Dazu gab es in der bisherigen De-    lung um das Verständnis von Menschen-
batte nur wenige differenzierte Stellung-    rechten und Religionsfreiheit sowie die
nahmen. Eine Ausnahme stammt von dem         Immunität gegen die Demokratisierungs-
Journalisten Yassin Musharbash, der sich     und Rechtsstaatstendenzen gehen. Vorab
hierzu wie folgt äußerte: „Die Begründung    bedarf es aber einer Klärung bestimmter
für den Terror basiert auf denselben reli-   definitorischer und methodischer Ge-
giösen Quellen, an die alle frommen Mus-     sichtspunkte: Letzteres bezieht sich auf
lime glauben, vor allem auf dem Koran        das Kompatibilitätstheorem, ersteres auf
und den Sammlungen der Aussprüche und        die Begriffsbestimmung von Islamismus.

62                                           Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
2. Definition und Typologie von Ideo-          sungen mobilisieren will, und eine politi-
logie und Strategie des Islamismus             sche Variante, die über Parteipolitik gro-
Dabei handelt es sich um eine Sammel-          ße Unterstützung für sich unter Wählern
bezeichnung für unterschiedliche Strö-         anstrebt. Die gewaltbereite Form kann da-
mungen einer politischen Bewegung5 , die       nach unterschieden werden, ob ihre An-
ihren ideologischen Ursprung in inner-         hänger regional oder transnational ausge-
islamischen Reformbestrebungen im letz-        richtet sind. Als Kriterium für die Unter-
ten Drittel des 19. Jahrhunderts und ihre      scheidung gilt hierbei der Zielort solcher
organisatorischen Wurzeln in der 1928 in       Aktivitäten, die sich auf das Herkunfts-
Ägypten gegründeten „Muslimbruder-             land beschränken oder weit darüber hin-
schaft“6 hat. Allen später entstandenen        aus gehen können.9
Strömungen ist die Absicht eigen, den Is-      Diese Differenzierung wie die Gesamt-
lam nicht nur zur verbindlichen Leitlinie      unterscheidung des Islamismus über den
für das individuelle, sondern auch für das     Handlungsstil soll lediglich als idealty-
gesellschaftliche Leben zu machen. Dies        pisch gelten: Es lassen sich nicht nur
bedeutet notwendigerweise die Aufhe-           Mischformen ausmachen; mitunter wech-
bung einer Trennung von Religion und           selten einzelne islamistische Personen-
Staat als Ausdruck der Säkularisierung         gruppen im Laufe ihrer Aktivitäten auch
und die institutionelle Verankerung der        von der einen in die andere Kategorie. Für
religiösen Grundlagen im Sinne eines is-       den hier zu erörternden Zusammenhang
lamischen Staates. Damit einher geht die       spielen die unterschiedlichen strategi-
Ablehnung der Prinzipien von Individua-        schen Vorgehensweisen im Islamismus
lität, Menschenrechten, Pluralismus, Sä-       aber keine bedeutende Rolle, da es pri-
kularisierung und Volkssouveränität.7 In-      mär um den ideologischen Gesichtspunkt
sofern nimmt der Islamismus eine Front-        und dessen Verknüpfung mit der Religi-
stellung gegen das normative Selbstver-        on des Islam geht. Allenfalls hinsichtlich
ständnis offener Gesellschaften und de-        der Frage einer Legitimation von Gewalt
mokratischer Verfassungsstaaten ein.           oder des „Dschihad“ verdienen die unter-
Bei allen darauf bezogenen ideologischen       schiedlichen Handlungsstile im Islamis-
Gemeinsamkeiten lassen sich hinsichtlich       mus besondere Aufmerksamkeit. Die fol-
der politischen Artikulations- und Hand-       gende Analyse fragt dem gegenüber nach
lungsweise aber Unterscheide ausmachen.        den Bestandteilen der Religion in Basis
Entgegen eines weit verbreiteten Ein-          und Geschichte, die zur Legitimation ei-
drucks sind weder alle Islamisten gewalt-      ner Ablehnung von Demokratie im Sinne
tätig noch terroristisch ausgerichtet. Statt   einer extremistischen Zielsetzung durch
einer solchen Pauschalisierung empfiehlt       die unterschiedlichen Anhänger dieser
sich eine Unterscheidung von gewaltbe-         politischen Bewegung dienen.
reiten und reformorientierten Varianten8 ,
die sich wiederum in zwei weitere Sub-         3. Das Essentialismusproblem und das
gruppen differenzieren lassen: zu dem          Kompatibilitätstheorem
letztgenannten Typus gehört eine kultu-        Bevor darauf näher eingegangen wird,
relle Form, die über das Engagement im         zunächst noch einige Ausführungen zu
Alltagsleben Akzeptanz für ihre Auffas-        zwei methodischen Problemen: Der erste

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                             63
Gesichtspunkt bezieht sich auf die insbe-     lam erkannt zu haben. Wissenschaftliche
sondere von muslimischen Autoren und          Einschätzungen dieser Religion lassen
islamischen Organisationen hervorgeho-        sich demnach nur für deren Funktion und
benen Gegensätze zwischen politischer         Rolle unter bestimmten Bedingungen for-
Ideologie und religiöser Orientierung. In     mulieren.
diesem Zusammenhang wird vielfach ar-         Als zweiter methodischer Gesichtspunkt
gumentiert, der Islamismus widerspreche       soll noch einmal gesondert das mit dem
vor allem in seiner gewaltgeneigten Form      Kompatibilitiätstheorem konkret Gemein-
dem „wahren Islam“.10 Doch wie will           te erläutert werden: Die genutzte Termi-
man Aussagen über den eigentlichen oder       nologie findet häufig im Bereich der Com-
essentiellen Kern dieser Religion ma-         puter-Technik Anwendung und bezieht
chen? Allein das Bestehen unterschiedli-      sich auf die Vereinbarkeit von Hard- und
cher Varianten, wovon die Schiiten und        Software. Im vorliegenden Kontext geht
Sunniten nur die bekanntesten Formen          es daher um die formalen und inhaltlichen
sind, veranschaulicht die mangelnde Ein-      Anknüpfungspunkte im Islam, welche
heit und Stringenz des Islam. Auch die        eine Deutung in Richtung Islamismus
Hinweise auf die Entstehungsphase der         möglich machen. Vorstellbar können dem-
Religion und das Wirken des Propheten         nach ebenso andere Interpretationen sein
Mohammed verschaffen keine Klarheit,          und insofern wird auch keine Identität
werden doch auch diese Ereignisse und         zwischen den beiden Bereichen postuliert.
Grundlagen gerade von Muslimen unter-         Gleichzeitig geht es dabei aber um eine
schiedlich bis widersprüchlich gedeutet.      Kritik an der Argumentation, wonach es
Daher lassen sich keine Aussagen über das     sich beim Islamismus nur um einen
„eigentliche Wesen“ des Islam machen.         „Missbrauch“ des eigentlichen Islam han-
Derartige Annahmen entsprechen einer          dele. Derartige Aussagen versuchen, mit
essentialistischen Anmaßung, die allge-       dem Kompatibilitätstheorem gemeinte
mein als methodisches Verfahren von dem       Zusammenhänge zu leugnen. Wenn aber
Erkenntnistheoretiker Karl R. Popper kri-     Inhalte in einer so breiten Form unter-
tisiert wurde: Danach bestehe die Aufga-      schiedlich auslegbar sind, dann sind de-
be der Wissenschaft in der Entdeckung         ren Normen entweder nicht klar definiert
und Beschreibung der wahren Natur der         und/oder auch so angelegt.
Dinge, also ihrer verborgenen Realität.
Dies ist aber nach Popper im Sinne einer      4. Absolutheitsansprüche und Aus-
kritischen Prüfung anhand der Realität        grenzungstendenzen im Koran
wissenschaftlich nicht möglich. Allenfalls    Zu den formalen Merkmalen der islamis-
könnten Aussagen über die Rolle eines         tischen Ideologie gehören Absolutheits-
Untersuchungsobjektes in konkreten            ansprüche und Ausgrenzungstendenzen12 ,
Kontexten gemacht werden.11 Und in der        die man auch schon im Text des Koran an
Tat zeigt sich dies inhaltlich auch im hier   den verschiedensten Stellen findet. Für
zu erörternden thematischen Feld: Unter-      erstere bezogen auf die Auffassung des
schiedliche islamische Gruppen und Per-       eigenen Glaubens als einzigem Weg zum
sonen beanspruchten zu verschiedenen          Heil stehen folgende Beispiele: „Und
Zeiten, das „eigentliche Wesen“ des Is-       wem Gott nicht Licht schafft, der hat kein

64                                            Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
Licht.“ „Es sind Worte aus eurem Mund,            Gegen die Interpretation dieser Zitate im
Gott aber spricht die Wahrheit, und er            vorgenannten Sinne könnten einige Ein-
rechtleitet auf den Pfad.“ „Oh, ihr, die ihr      wände erhoben werden: Erstens fänden
glaubt, gehorcht Gott und seinem Gesand-          sich im Koran noch andere Stellen, die
ten; wendet euch von ihm nicht ab, und            dem entgegen für die Akzeptanz anderer
ihr höret.“ „Und wer Gott gehorcht und            Religionen eintreten.15 Hierbei handelt es
seinem Gesandten, den führt er in Gär-            sich allerdings um quantitativ weitaus ge-
ten, darunterhin Ströme fließen; und wer          ringere Textanteile. Außerdem entstam-
sich abwendet, den straft er mit qualvol-         men sie meist den frühen mekkanischen
ler Strafe.“ „Er ist es, der den Gesandten        Suren, also aus der Zeit, wo Mohammed
mit der Rechtleitung gesandt und mit der          ein gesellschaftlich isolierter und politisch
wahren Religion, sie überwinden zu las-           machtloser Religionsstifter war.16 Zwei-
sen die Religionen alle, und sollte es zu-        tens könnte darauf verwiesen werden,
wider sein den Götzendienern.“ Und: „Ihr          dass die erwähnten Aussagen im Kontext
seid das beste Volk, das aus der Mensch-          von zeitgenössischen Konflikten gesehen
heit hervorging ...“13                            werden müssten. Dies trifft zwar zu, er-
Als Beispiele für die Ausgrenzungsten-            klärt sich so doch die inhaltliche Ausrich-
denzen können folgende Zitate gelten:             tung. Gleichwohl wertet man den Koran
„Sind die heiligen Monate vorüber, dann           als direktes Wort Gottes und damit des-
tötet die Götzendiener, wo ihr sie auch           sen Aussagen als überhistorische Gebo-
findet, fanget sie ein, belagert sie und stellt   te. Und drittens wäre der Einwand vor-
ihnen nach aus jedem Hinterhalt.“ „Wahr-          stellbar, die erwähnten Forderungen bezö-
lich, diejenigen, die unsere Verse verleug-       gen sich nur auf die religiöse, nicht aber
nen, werden wir im Fegefeuer braten las-          auf die gesellschaftliche Ebene. Dem wi-
sen; sooft ihre Haupt gar wird, umwech-           dersprechen aber sowohl die Formulie-
seln wir sie auf eine andere Haut, auf dass       rungen wie die Praktiken.
sie die Pein kosten.“ „Verheißen hat Gott
den Heuchlern und den Heuchlerinnen,              5. Der Totalitätsanspruch für die gesell-
sowie den Ungläubigen das Feuer der               schaftliche und politische Ebene
Hölle, in der sie ewig verbleiben.“ „Und          Als weiteres formales Merkmal der isla-
wenn ihr denen begegnet, die ungläubig            mistischen Ideologie kann das identitäre
sind – ein Schlag auf den Nacken, bis ihr         Gesellschaftsverständnis gelten, welches
sie niedergemacht habt; dann zieht fest die       auf politische Homogenität und sozialen
Fesseln.“ „Bekämpft die an Gott nicht             Kollektivismus hinausläuft.17 Ansatz-
glauben und an den Jüngsten Tag, die              punkte dafür gibt es bereits im Islam, geht
nicht heilig halten, was Gott geheiligt und       dieser doch im religiösen Selbstverständ-
sein Gesandter, und nicht anerkennen die          nis von einem Totalitätsanspruch für die
Religion der Wahrheit von denen, die die          gesellschaftliche und politische Ebene
Schrift empfingen, bis sie Tribut aus der         aus. Islam bedeutet so viel wie „Unter-
Hand zahlen und gering sind.“ „Und so             werfung“, Muslim meint „Einer, der sich
bekämpft sie, bis keine Verführung mehr           Allah unterwirft“.18 So heißt es denn auch
ist und die Religion ganz Gottes.“14              im Koran: „O ihr, die ihr glaubt, gehorchet
                                                  Gott, gehorchet den Gesandten und den

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                                   65
Befehlshabern unter euch.“19 In dieser         Offenbarung erlassene und von Muham-
Perspektive beansprucht Gott den ganzen        mad in seiner Überlieferung zur Anwen-
Menschen, der sich ihm um des einzigen         dung gebrachte und authentisch interpre-
Weges zum Lichte willen dankbar hinge-         tierte Gesetz wird der islamische Staat als
ben soll. Derartige Ansprüche vertreten        Theokratie bezeichnet.“23 Dieses Ver-
auch andere Religionen, hier kommt als         ständnis lehnt nicht nur die Trennung von
Besonderheit die Forderung nach bedin-         Religion und Staat ab, sondern sieht im
gungslosem Gehorsam gegenüber dem              Islam auch das leitende Prinzip für die
Propheten und seinen Vertretern hinzu.         Gesellschaftsordnung.24 Dass in Koran
Damit deutet sich schon an, dass die Ein-      oder Sunna kein konkretes Modell für ein
und Unterordnung nicht auf den religiö-        solches Systems enthalten ist, wider-
sen Bereich begrenzt sein soll.                spricht dieser Einschätzung nicht, geht es
Der erwähnte Totalitätsanspruch bezieht        doch um die Umsetzung der Vorgaben
sich nämlich darauf, dass Gottes Recht         unabhängig von besonderen Strukturen.
und Wille in allen Lebensbereichen durch-      Im Laufe der islamischen Geschichte kam
gesetzt werden soll. Dies gilt nicht nur für   es in der Realität allerdings immer wie-
das individuelle Religionsverständnis,         der zu Aufweichungen dieser Prinzipien25,
sondern für die gesamte Gesellschaft. Der      welche von heutigen Islamisten aus ihrem
Religionswissenschaftler Adel Theodor          religiösen Verständnis heraus durchaus
Khoury bemerkte dazu: „So kennt der Is-        nachvollziehbar kritisiert werden.
lam keine Trennung von Religion und
Staat, von Glaubensgemeinschaft und po-        6. Die Verknüpfung von Krieg, Politik
litischer Gesellschaft. Die islamische Ge-     und Religion durch Mohammed
meinschaft und auch alle Gemeinschaf-          Die historische und religiöse Grundlage
ten, die im islamisch regierten Staat le-      für das Verständnis des Islam als Gesell-
ben, stehen unter dem Gesetz Gottes und        schaftsordnung findet sich bereits in der
haben nach seinen Bestimmungen zu han-         Entstehungsphase der Religion, verknüpf-
deln.“20 Da sich Gott nun aber nicht di-       te doch deren Begründer Mohammed in
rekt artikuliert, geben seine menschlichen     der zweiten Phase seines Wirkens bereits
Interpreten die inhaltlichen Vorgaben für      Politik und Religion. Nach der in den is-
die Gestaltung der Gesellschaft aufgrund       lamischen Geschichtswerken geschilder-
ihrer Deutung der religiösen Schriften. Sie    ten Berufung zum Propheten ab 610 ge-
leiten daraus Bestimmungen für die Ge-         wann er zwar erste Anhänger und trat ab
staltung des alltäglichen Lebens, der          613 auch in dieser Funktion öffentlich auf,
rechtlichen Ordnung und der politischen        blieb aber in der Gesellschaft von Mekka
Struktur ab. Die besondere Auslegung soll      eher isoliert und bemühte sich vergeblich
die gesamte Gesellschaft einheitlich prägen.   um eine Vergrößerung seines Einflusses.
Insofern läuft dieses Selbstverständnis des    Mohammeds Wirken blieb in jener Zeit
Islam auf die Etablierung einer theokrati-     darauf beschränkt, durch Ansprachen und
schen Herrschaft21 hinaus.22 Noch einmal       Werbung die Bewohner der Stadt zu ei-
Khoury dazu: „Aufgrund dieser Bindung          ner Abkehr von ihrem alten und der Hin-
des politischen Lebens in der islamischen      wendung zu dem neuen Glauben zu be-
Gesellschaft an das von Gott in seiner         kehren. Als sozialer Akteur agierte er so-

66                                             Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
mit in dieser Phase wie die meisten ande-    tigen Einnahme der Stadt 630 durch. Der-
ren Religionsbegründer, die lediglich        artige kriegerische Unternehmungen stell-
durch Taten und Worte um neue Anhän-         ten für die damalige Zeit in der dortigen
ger warben. Nach seiner als Hidschra be-     Region aber keine Besonderheiten dar. Bi-
zeichneten Auswanderung nach Medina          lanzierend bemerkte die Islamwissen-
erfolgte allerdings ein Wandel:              schaftlerin Gudrun Krämer zu dieser Pha-
Nicht zufällig gilt das entsprechende Jahr   se: „Von Beginn an scheint Muhammad
622 als Beginn der islamischen Zeitrech-     in Medina eine Doppelstrategie verfolgt
nung, wird danach doch gerade die poli-      zu haben, die die religiöse Mission mit
tische Dimension der Religion deutlich.      politischen und militärischen Maßnahmen
Inwieweit man hier im Unterschied zur        gegen Kritiker und Widersacher jeglicher
vorherigen Phase von einem Wandel vom        Natur verband, ... die teils mit Gewalt,
„Propheten“ zum „Staatsmann“ oder nur        teils mit diplomatischen Mitteln angegan-
von einer Schwerpunktverlagerung der         gen wurden.“27
Aktivitäten sprechen kann, wird in der
Forschung kontrovers diskutiert und soll     7. Die zwei Traditionslinien der islami-
hier nicht näher erörtert werden.26 Auf-     schen Eroberungskriege
grund einer besonderen Konfliktsituation     Entscheidend für den hier zu erörternden
vor Ort fiel ihm die Funktion eines          Kontext ist die Etablierung eines ausge-
Schiedsrichters oder Schlichters bei Aus-    dehnten Staatswesens auf religiöser
einandersetzungen zwischen arabischen        Grundlage mit kriegerischen Mitteln. An
Stämmen zu. Sein erfolgreiches Wirken,       das damit verbundene Selbstverständnis
wobei Mohammed seinen Anspruch als           knüpften Mohammeds Nachfolger in der
„Gesandter Gottes“ und „Propheten“           Frühphase des Islam, die von heutigen
deutlich herausstrich, führte ihm zahlrei-   Islamisten als eine Art „goldenes Zeital-
che Anhänger zu. Gleichzeitig nahm der       ter“ ihrer Religion angesehen wird, an. Es
Religionsbegründer nun eine dezidiert        kam neben einer Reihe von innerislami-
politische Rolle ein, in dem er die Inte-    schen Machtkämpfen zu einer Welle von
gration der dortigen Stämme in eine theo-    Eroberungskriegen, die sich bis 656 noch
kratische Gemeinschaft unter seiner Füh-     auf Gebiete in Ägypten, Iran, Nordafrika
rung erfolgreich vorantrieb.                 und Syrien beschränkte. Danach setzte
Insofern hatte Mohammed ein Gemein-          allerdings eine immer stärkere Ausdeh-
wesen auf Basis des Islam begründet und      nung der Expansionen ein: Sie fanden bis
damit die enge Verzahnung von Religion       740 ihren Höhepunkt in den letztlich ge-
und Staat bereits zu einem genuinen Fun-     scheiterten Versuchen, über Spanien hin-
dament des Islam gemacht. Aus dem Reli-      aus nach Europa einzudringen. Im Unter-
gionsgründer wurde aber nicht nur ein        schied zu den späteren christlichen Erobe-
Politiker, sondern auch ein Feldherr. Der    rungszügen beabsichtigte man allerdings
nun folgende Siegeszug des Islam ging        nicht die Unterworfenen zu einer Konver-
bereits zu dieser Zeit mit militärischen     sion zum Islam zu zwingen.28 Christen
Mitteln einher, führte dessen Begründer      und Juden erhielten meist den noch näher
doch eine Reihe von Feld- und Raubzü-        zu beschreibenden Status von „Schutz-
gen gegen die Mekkaner bis zur endgül-       befohlenen“.

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                           67
Die zweite Traditionslinie islamischer Ex-     Ganz im Gegenteil stehen die „Heldenta-
pansion ging vom Osmanischen Reich             ten“ muslimischer Feldherrn hoch im
aus: Für deren Höhepunkte stehen die           Kurs, was sich auch an der Namensge-
Eroberung von Konstantinopel 1453 und          bung für viele Moscheen in Europa able-
dem Sieg über die Ungarn 1526 sowie die        sen lässt. Hierzu gehören etwa die nach
allerdings zweimal gescheiterte Belage-        dem Eroberer des christlichen Konstanti-
rung von Wien 1529 und 1683.29 In wel-         nopel benannten Einrichtungen mit der
chem Maße es den in beiden Phasen akti-        Bezeichnung „Eroberer (Fatih-)Moschee“.30
ven Verantwortlichen um eine bloße
Machtexpansion oder um die Verbreitung         8. Der „Heilige Krieg“ als integraler
der Religion ging, lässt sich schwer sa-       Bestandteil der Religion
gen. Entscheidend für den hier zu erör-        Dies erklärt sich zu gewissen Teilen auch
ternden Zusammenhang ist allerdings,           dadurch, dass das „Dschihad“-Verständ-
dass die jeweiligen Expansionskriege im        nis im Sinne eines „Heiligen Krieges“ ein
Namen des Islam erfolgten und es auch          integraler Bestandteil der Religionsauf-
keine gegenteiligen Aussagen auf Basis         fassung und -geschichte ist. Auch daran
dieser Religion gab. Nimmt man die be-         können gegenwärtige Islamisten direkt
reits in der Frühphase des Islam angeleg-      anknüpfen. Dschihad bedeutet als arabi-
te enge Verbindung mit militärischen Mit-      scher Begriff zunächst nur so viel wie
teln und politischen Zielsetzungen hinzu,      „Bemühung, ein bestimmtes Ziel zu er-
entspricht das skizzierte Vorgehen durch-      reichen“. Darüber hinaus unterscheidet
aus dem seinerzeitigen Selbstverständnis       man die Auffassung von einem „großen“
der Religion. Der Islam stellte somit kei-     und „kleinen Dschihad“, wobei ersteres
neswegs nur einen besonderen Glauben           das Bemühen des Gläubigen um ein be-
für Individuen dar, sondern trat als kriegs-   sonders moralisches Verhalten im Sinne
führende Macht zur Unterwerfung auf.           des Islam meint. Der „kleine Dschihad“
Gleiches gilt für die seinerzeitigen Expan-    meint demgegenüber im islamischen
sionen im Namen des Christentums, wo-          Recht die legitime Form der Kriegsfüh-
mit in dieser Hinsicht kein Unterschied        rung zur Erweiterung des islamischen
besteht. Von einem solchen muss man al-        Herrschaftsbereichs oder dessen Vertei-
lerdings hinsichtlich des historischen Be-     digung. Insofern verdient Beachtung, in
wusstseins in den gegenwärtigen christ-        welchem Sinne dieser Begriff jeweils be-
lichen und islamischen Gesellschaften          nutzt wird. Große Verbreitung fand die
sprechen: Während in den ersteren durch        Annahme, ein Verständnis von „Dschi-
die Wirkung von Aufklärung und Demo-           had“ als „Heiliger Krieg“ habe in der
kratisierung etwa in Kolonialismus und         Geschichte dominiert, aber entspreche
Kreuzzügen eine verwerfliche Vorgehens-        nicht dem koranischen Sinn.31
weise gesehen wird, besteht in der isla-       Die Überprüfung der Verwendungskon-
misch geprägten Welt kein breiter entwi-       texte kommt allerdings zu einem anderen
ckeltes kritisches Bewusstsein über diese      Ergebnis: Insgesamt ist an 35 Stellen von
Zeit. Es gab auch keine öffentlichen Er-       „Dschihad“ die Rede, lediglich in zwei
klärungen des Bedauerns und Entschuldi-        Fällen in der eigentlichen Grundbedeu-
gens von hohen Repräsentanten des Islam.       tung von „sich abmühen, sich anstrengen“

68                                             Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
und an vier weiteren Stellen in einem so      wohl auf diese authentische Grundlage
möglicherweise deutbaren Sinne. „An al-       ihrer Religion berufen.
len anderen“, so die Orientalistin Rotraud
Wielandt, „d.h. an mehr als 80% der           9. Der gesellschaftliche Status der
koranischen Fundstellen geht jedoch aus       „Schutzbefohlenen“
dem Kontext zweifelsfrei hervor, dass das     Die oben anhand von Koran-Zitaten ver-
Wort ... tatsächlich nichts anderes als ein   deutlichten Absolutheitsansprüche und
militärisches Vorgehen bezeichnet, also       Ausgrenzungstendenzen im Koran erklä-
im Sinne von ‘Krieg führen’ zu verstehen      ren auch den Umgang mit Andersgläubi-
ist.“32 Bei dem heute insbesondere von        gen wie den Christen und Juden, die den
Muslimen in den europäischen Ländern          Status von „Schutzbefohlenen“ erhiel-
vertretenen „Dschihad“-Verständnis, das       ten.34 Da der Islam sich als Offenbarungs-
auf die Bemühung um eine bessere Ein-         religion im Sinne des eigentlichen und
haltung der Glaubensmoral abstellt, han-      wahren Erbes der bereits zuvor bestehen-
delt es sich somit um eine durchaus be-       den monotheistischen Religionen ansah,
grüßenswerte Neuinterpretation. Sie kann      erfuhren Angehörige dieser beiden Reli-
sich allerdings weder auf das eigentliche     gionen im Unterschied zu den im Koran
Konzept im Koran noch auf die histori-        mit dem Tod bedrohten Heiden eine hö-
sche Wirksamkeit stützen.                     here Wertschätzung. Als Anhänger einer
Hier lässt sich allenfalls noch fragen, ob    „Buchreligion“ glaubten sie im muslimi-
mit der Legitimation des gewalttätigen        schen Selbstverständnis an eine wahre,
Vorgehens durch das „Dschihad“-Kon-           aber verfälschte Offenbarung. Die damit
zept eine angreifende oder nur eine ver-      verbundene religiöse Auffassung erklärt
teidigende Dimension gemeint ist. Selbst      mit, warum Anhänger beider Religionen
wenn sich manche Formulierungen wie           zwar geduldet und toleriert, nicht aber an-
im letztgenannten Sinne lesen, sind sie       erkannt und gleichgestellt wurden. Es
doch angesichts der beschriebenen zeit-       ging hier demnach entgegen weit verbrei-
genössischen Vorgehensweise von Mo-           teter Auffassungen immer nur um eine
hammed in einem angreifenden Sinne zu         relative Akzeptanz innerhalb der dortigen
interpretieren. Dafür stehen ebenso die       Gesellschaften:
obigen Koran-Zitate, die nicht nur Aus-       Der angesprochene Status des „Schutzbe-
grenzungs-, sondern auch Bekämpfungs-         fohlenen“ bezog sich auf einen „Schutz-
vorschriften enthalten. Hier stellvertre-     vertrag“, der den Stellenwert von Ange-
tend dafür ein weiteres Beispiel: „O ihr,     hörigen einer anderen Offenbarungsreli-
die ihr glaubt, bekämpfet die euch Be-        gion als Minderheit in einer islamisch ge-
nachbarten von den Ungläubigen und            prägten Mehrheitsgesellschaft bestimm-
lasset sie bei euch Strenge finden, und       te. Einerseits gewährte man ihnen die Si-
wissen, dass Gott mit den Gottesfürchti-      cherheit der eigenen Person und des per-
gen ist.“33 Gegenwärtig dürften sich die      sönlichen Besitzes, gestattete ihnen die
meisten Muslime von dem Gebot eines           Ausübung ihrer Religion und sicherte ih-
religiös motivierten Angriffskriegs gegen     nen die Möglichkeit zur Regelung inter-
Andersgläubige gelöst haben, die gewalt-      ner Angelegenheiten zu. Andererseits ging
geneigten Islamisten können sich gleich-      der „Schutzvertrag“ mit der Notwendig-

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                             69
keit einer regelmäßigen Tributzahlung und     lerweile von einem islamistischen Antise-
mit der Einhaltung diskriminierender Be-      mitismus sprechen.36 Er stützt sich auf
stimmungen einher. Zu letzterem gehörte       bereits in der Entstehungsphase des Islam
etwa das Verbot für Nichtmuslime zum          vorhandene Einstellungen. Im Koran fin-
Besitz eines muslimischen Sklaven, die auf    det man eine Reihe von abwertenden und
nichtmuslimische Frauen beschränkte           diffamierenden Kommentaren zu den Ju-
Möglichkeit zu einer gemischtreligiösen       den: Ihnen wird unterstellt, sie verfälsch-
Ehe oder die Erhebung besonders hoher         ten das Wort Gottes, hätten den mit ihm
Abgaben und Zölle. Auch die Vorschrift        geschlossenen Bund gebrochen und ihren
zum Tragen bestimmter Kleidungsstücke         eigenen Propheten getötet.37 Und schließ-
in der Öffentlichkeit gehörte zu den dis-     lich verdienen auch die im Koran erfol-
kriminierenden Praktiken.                     genden Hinweise auf eine Geschichte Be-
Insofern handelte es sich bei dem „Schutz-    achtung, wonach Juden aufgrund ihres
vertrag“ nicht um eine vertragliche Ver-      Verhaltens in Affen und Schweine ver-
einbarung unter Gleichen, sondern um          wandelt worden seien.38 Gerade darauf
einen Akt der gesellschaftlichen Abwer-       spielen Islamisten in ihrer gegenwärtigen
tung. Die Muslime sahen in den Christen       Agitation immer wieder an.39 Zwar wer-
und Juden bis ins 19. Jahrhundert hinein      den andere Religionen weitaus stärker ab-
somit „Bürger zweiter Klasse“, sie wur-       gewertet und Christentum und Judentum
den benachteiligt und diskriminiert, aber     erhalten als „Buchreligionen“ eine relati-
auch geduldet und toleriert. In der ver-      ve Wertschätzung. Der Koran beschreibt
gleichenden Betrachtung mit dem christ-       die Juden im Vergleich zu den Christen
lichen Europa hebt sich in der historischen   aber im Sinne einer Herabstufung weit-
Rückschau hier die islamische Welt posi-      aus negativer.40
tiv ab. Dort konnten die Juden weitaus        Wie kam es zu derartigen Verleumdun-
freier und sicherer leben als in den euro-    gen und Zerrbildern im Koran? Die Ur-
päischen Ländern, bildete sich doch kei-      sachen dafür lagen in den politischen und
ne aggressive und tiefverwurzelte Juden-      religiösen Umständen der damaligen Zeit
feindschaft heraus. Auch kam es bis auf       in Gestalt der Auseinandersetzung Mo-
wenige Ausnahmen nicht zu einem ähn-          hammeds mit den Juden.41 Nachdem er
lichen Ausmaß von Pogromen und Ver-           von Mekka nach Medina emigrierte, ver-
treibungen wie etwa zur Zeit der Kreuz-       suchte der Begründer des Islam, seine bis-
züge im christlich geprägten Europa. Die      herige Bekehrungsarbeit dort bei den un-
relative religiöse und soziale Toleranz für   terschiedlichen Gruppen und Stämmen
die Juden unter dem Islam35 sollte aller-     fortzusetzen. Dabei ging Mohammed zu-
dings auch nicht idealisiert werden, es       nächst davon aus, dass der Islam in be-
handelte sich lediglich um die Duldung        deutenden Fragen mit dem Judentum
von Diskriminierten und Verachteten.          übereinstimme. Um dessen Anhänger für
                                              seine Religionsauffassung zu gewinnen,
10. Judenfeindliche Einstellungen in          nahm er im Bereich des Kultus sogar ge-
der Entstehungsphase des Islam                wisse Angleichungen in Richtung des Ju-
Die Juden bilden ein besonderes Feind-        dentums vor. Mohammeds hohe Erwar-
bild der Islamisten, kann man doch mitt-      tungen wurden allerdings nicht erfüllt:

70                                            Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
Lediglich einige wenige Einzelgänger         man darin aber auch Übersteigerungen, die
wandten sich ihm zu, die überwiegende        von den Angehörigen der religiösen Min-
Mehrheit der Juden blieb ihrem Glauben       derheit angeblich ausgehende besondere
treu. Aus dieser Erfahrung erklären sich     Gefahren unterstellten. Hierzu gehörten
die verbitterten Bemerkungen über deren      etwa Warnungen, wonach sich Muslime
Minderwertigkeit und Unbelehrbarkeit im      nicht mit Juden einlassen sollten, be-
Koran.                                       absichtigten diese doch möglicherweise
Darüber hinaus ergab sich noch ein krie-     die Tötung der Anhänger des Islam. Ein
gerisches Nachspiel, das gegen drei jüdi-    Beispiel für eine gegen die Juden gerich-
sche Stämme im Siedlungsgebiet um Me-        tete Schmähschrift stellen die Aussagen
dina gerichtet war. Mohammed führte          von Abu Ishaq in einem 1066 in Granada
gegen sie nacheinander einen Angriffs-       geschriebenen Gedicht dar: Danach ge-
krieg, der mit deren erfolgreicher Unter-    statte der Glaube den Muslimen die Tö-
werfung endete. In den ersten beiden Fäl-    tung der Juden, hätten diese doch Verträ-
len mussten die Juden ihre Besitztümer       ge gebrochen.44 Bereits zu dieser Zeit
abgeben und danach in die Emigration         zeigte sich, dass die Aussagen im Koran
gehen. Gegen den dritten Stamm ging          unabhängig von ihrem konkreten zeitli-
man weitaus brutaler vor, wurden doch        chen Entstehungskontext als allgemeine
nicht nur die Frauen und Kinder versklavt,   Rechtfertigung zu einer pauschalen Dif-
sondern über 600 Angehörige regelrecht       famierung von Juden dienten.
abgeschlachtet. Hinsichtlich einer Ein-      Von einer ausgeprägten Verbreitung der-
schätzung dieser Ereignisse gilt es aber     artiger Veröffentlichungen kann aber nicht
zu bedenken, dass die Motive primär          ausgegangen werden. In den klassischen
machtpolitischer Natur waren und eine        islamischen Schriften jener Zeit, seien sie
Auslöschung des Judentums in seiner          historischer, literarischer, philosophischer
Gesamtheit kein Ziel darstellte. Welche      oder religiöser Art, finden sich derartige
Seite in diesem Konflikt im Vorfeld eine     Aussagen allenfalls am Rande. Bei den
Bündnisvereinbarung gebrochen hat, lässt     Autoren handelte es sich häufig um Musli-
sich heute aufgrund der Überlieferungs-      me, die ursprünglich christlichen oder
problematik nicht mehr sagen.42 Entschei-    jüdischen Glaubens gewesen waren und
dend für die hier zu erörternde Problema-    in der Abgrenzung von diesen ihre Hin-
tik ist lediglich das in der Entstehungs-    wendung zum Islam betonen wollten.
phase des Islams bereits bestehende Ne-      Darüber hinaus richteten sich religiöse
gativ-Bild von den Juden.                    Streitschriften in der damaligen Zeit pri-
                                             mär gegen das Christentum als aus isla-
11. Antijüdische Diffamierungen und          mischer Sicht weitaus bedeutsamere
Massaker in der Geschichte des Islam         „Konkurrenzreligion“. Dem Judentum
So erklärt sich auch die Existenz einer      und seinen Vertretern widmete man auf
Reihe von Schmähschriften, die ab dem        Grund von dessen relativer Bedeutungs-
9. Jahrhundert Verbreitung fanden.43 In-     losigkeit kein sonderliches Interesse. In-
haltlich boten sie keine Neuerungen, son-    sofern nahm das Negativ-Bild von den
dern knüpften an die Aussagen über die       Juden nicht ähnliche Dimensionen wie
Juden aus dem Koran an. Mitunter findet      zeitgleich im christlich geprägten Mittel-

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                             71
alter an.45 Trotzdem bestand aber ein in-    Menschenrechten geht davon aus, dass
haltlich ausgeprägtes Ressentiment gegen     bestimmte Rechte allen Menschen als
diese religiöse Minderheit.                  Menschen unabhängig von einem göttli-
So erklären sich auch bestimmte Massa-       chen und staatlichen Willen eigen sind.
ker an Juden in der islamisch geprägten      Dazu gehört neben anderen das Recht auf
Welt. Einige Beispiele seien zur Veran-      freie Meinungsäußerung und die Inan-
schaulichung genannt: Zwischen 1010          spruchnahme der Religionsfreiheit. Gera-
und 1013 wurden Hunderte von Juden in        de der individualistische Aspekt steht im
den muslimischen Teilen Spaniens umge-       Spannungsverhältnis mit dem kollektivi-
bracht; in Fez massakrierte man 1033         stischen Moment des Islam, das im Indi-
mehr als 6.000 Angehörige der religiösen     viduum primär den Bestandteil einer
Minderheit; und bei den muslimischen         Glaubensgemeinschaft sieht. Insofern
Unruhen in Granada kamen um die 4.000        besteht keine entwickelte Auffassung von
Juden ums Leben. Auch gewalttätige Ver-      einer davon unabhängigen mündigen und
treibungen mit allerdings teilweiser Rück-   souveränen Person als Träger der Men-
kehr prägten das Schicksal der religiösen    schenrechte.
Minderheit, so etwa 1016 in Kairouan,        Weitaus bedeutsamer ist allerdings in die-
1145 in Tunis oder 1232 in Marrakesch.46     sem Kontext das Konfliktverhältnis des
Auch hier standen Massaker und Vertrei-      erwähnten Menschenrechtsverständnisses
bungen in keinem Verhältnis zu den zeit-     zur politischen Ordnung. Das traditionelle
gleichen und späteren Vorgehensweisen        islamische Verständnis geht von einer all-
gegen die Juden in Europa, das einen hin-    seitigen Prägung des gesellschaftlichen
sichtlich der Gewaltpotentiale weitaus       Lebens durch die Religion aus, was den
stärkeren Antisemitismus kannte. Gleich-     Staat als Herrschaftsinstitution einschließt.
wohl gab es eben auch in der islamisch       Dieser soll sich an den göttlichen Gebo-
geprägten Welt bereits in dem genannten      ten orientieren und sie zum Maßstab für
Zeitraum ein solches Vorgehen gegen die      die Regelung des sozialen Miteinanders
Angehörigen dieser religiösen Minder-        machen. In diesem Sinne könnten Men-
heit.                                        schenrechte allenfalls islamisch, nicht
                                             aber universell verstanden werden. Der
12. Das Spannungsverhältnis von Islam        Politikwissenschaftler Ludger Kühnhardt
und Menschenrechten                          bemerkte denn auch: „Menschenrechte
Neben den bislang genannten Bestandtei-      erscheinen als eine Art Privileg Allahs an
len des Islam, die den Islamisten als An-    die Menschen, bleiben einer theokratie-
knüpfungspunkte zur Legitimation ihrer       ähnlichen Staatsauffassung unterworfen
Einstellungen und Handlungen dienen,         und sind ihrem Wesen eher Pflichten als
bedarf es auch einer Beachtung der Ge-       Rechte.“47 Dies bedingt nicht notwendi-
sichtspunkte, die ihn teilweise gegenüber    gerweise, dass es nicht Diskriminierungs-
Demokratie und Menschenrechten immu-         verbote, Freiheitsrechte und Schutzgaran-
nisieren. Begonnen werden soll mit dem       tien gibt, sie stehen aber immer unter dem
letztgenannten Aspekt, wobei zunächst        Vorbehalt der besonderen Deutung des
Begründung und Inhalte Beachtung ver-        Islam.
dienen: Die moderne Auffassung von

72                                           Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
Menschenrechte gelten in dieser Perspek-      onsfreiheit dort ihre Grenzen hat, wo in
tive auch nicht als angeborene Rechte,        ihrem Namen andere Grundrechte in Fra-
sondern sind abhängig von der Recht-          ge gestellt werden.50 Umstritten mag fol-
gläubigkeit im islamischen Sinne. Inso-       gender weiterer Gesichtspunkt sein: Hin-
fern hängt auch der Grad menschlicher         zu kommt noch für die staatliche Seite
Rechtsansprüche zum einen vom diesbe-         eine institutionelle Trennung von Religi-
züglichen Konsens des Individuums und         on und Staat, führt doch die einseitige
zum anderen von der Auslegung des isla-       Bevorzugung einer bestimmten Glau-
mischen Rechts durch entsprechende Ge-        bensrichtung zu einem Bruch mit dem
lehrte ab. Zutreffend bemerkte der bereits    Prinzip der Gleichrangigkeit der Religi-
erwähnte Bassam Tibi: „Das Fehlen der         onsfreiheit, die allen Glaubensformen den
Menschenrechte in der Welt des Islam          gleichen Status zuweist.51
liegt einerseits aktuell an den verschiede-   Da der Islam in seinem religiösen Selbst-
nen bestehenden Herrschaftsformen ori-        verständnis für eine einheitliche Gesell-
entalischer Despotien und andererseits        schaft von Muslimen konzipiert wurde,
historisch-kulturell an dem Fehlen einer      lässt sich allenfalls stark eingeschränkt
Tradition von Pluralismus und eines Be-       von der Akzeptanz der Religionsfreiheit
griffes individueller Menschenrechte im       sprechen.52 Wie bereits die oben ausführ-
Islam.“48 Daran haben auch spätere Inter-     licher zitierten Stellen im Koran zu Abso-
pretationsversuche der Menschenrechte         lutheitsansprüchen und Ausgrenzungs-
wie etwa in der Islamischen Menschen-         tendenzen verdeutlichten, steht man an-
rechtserklärung von 1981 nichts geändert.     deren Glaubensrichtungen und Skeptikern
Die dort genannten Grundrechte sollten        mit großer Ablehnung gegenüber. Dem
nur unter der Vorgabe Geltung besitzen,       widersprechen auch nicht die weitaus ge-
dass sie nicht im Widerspruch zur Deu-        ringeren Koran-Zitate, die eine freie Aus-
tung des Islam stehen.49                      wahl von Glaubensformen betonen, oder
                                              der Status der „Schutzbefohlenen“, der
13. Anspruch und Grenzen der Religi-          nur mit einer Toleranz als „Bürger zwei-
onsfreiheit im Islam                          ter Klasse“ verbunden war. So geht die
Derartige Einschränkungen lassen sich         Diskriminierung anderer Glaubensrich-
anhand des Anspruchs und der Grenzen          tungen und Religionsgemeinschaften in
der Religionsfreiheit im Islam verdeutli-     heutigen islamischen Ländern durchaus
chen. Zuvor um einer besseren Veran-          mit den Geboten des Koran konform.53
schaulichung willen eine kurze Definiti-      Islamisten auf der Bewegungs- wie Sys-
on des mit diesem Grundrecht gemeinten        temebene können sich demnach mit ih-
Verständnisses: Es schließt die freie Wahl    ren Auffassungen durchaus auf die Grund-
einer Religion, die ungestörte Religions-     lagen ihres Glaubens berufen.
ausübung und religiöse Vereinigungsfrei-      Noch deutlicher zeigt sich das gespannte
heit ein. Dazu gehört demnach auch die        Verhältnis zur Religionsfreiheit im oben
Möglichkeit zu einem anderen Glauben          definierten Sinne bei der Einschätzung
überzutreten oder Religion in einem sä-       von Apostaten, wozu sich der Koran wie
kularen Sinne ganz aufzugeben. Außer-         folgt äußert: „Wahrlich, die an die Verse
dem gilt die Einschränkung, dass Religi-      Gottes nicht glauben, wird Gott nicht

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                            73
rechtleiten, qualvolle Strafe ist ihnen ...     wicklung als Resultat der Kolonialisierung
Wer Gott verleugnet, nachdem er des             trägt nicht, gab es doch in etlichen sol-
Glaubens war, jedoch nicht, wer gezwun-         cher Länder wie etwa Indien, Südkorea
gen wird, während sein Herz im Glauben          oder Taiwan neben einem wirtschaftlichen
fest bleibt, sondern wer sich trotzig zum       Aufstieg auch einen politischen Wandel hin
Unglauben bekennt – Gottes Zorn über            zur Demokratie.
sie, schwere Pein ist ihnen.“ Dass derar-       Betrachtet man diesbezügliche Entwick-
tige Ankündigungen keineswegs nur für           lungen weltweit, fällt auf der empirischen
die religiöse, sondern auch für die weltli-     Ebene die angedeutete Besonderheit der
che Sphäre interpretierbar sind, veran-         islamischen Welt auf. Der Politikwissen-
schaulicht folgendes weitere Zitat: „Wen-       schaftler Wolfgang Merkel stellte bei der
den sie sich aber ab, so ergreifet sie und      Auswertung entsprechender Daten fol-
tötet sie, wo ihr sie auch findet ...“54 Auch   gendes fest: „Während in der nicht isla-
wenn gegenwärtig die Todesstrafe für            mischen Welt drei Viertel der Staaten de-
Apostasie nur noch in seltenen Fällen ver-      mokratisch genannt werden können,
hängt wird, gilt die Abkehr vom Islam als       sind in der islamischen Welt drei Viertel
schwere Sünde. Gleichwohl billigt der of-       der Länder Diktaturen.“58 Dieser Zusam-
fizielle Islam den Muslimen nicht zu, ih-       menhang wird noch bestätigt durch den
ren einmal angenommenen Glauben auch            Blick auf den Trend der letzten 25 Jahre,
wieder abzulegen.55                             erwies sich doch in dieser Zeit die ara-
                                                bisch-islamische Kernkultur als besonders
14. Die Immunität gegenüber der De-             resistent gegenüber Demokratisierungs-
mokratisierung in der islamischen Welt          und Rechtsstaatstendenzen. Dies wirft die
Nach dem Blick auf die Menschenrechte           Frage nach dem Einflussfaktor des Islams
und die Religionsfreiheit nun der Blick         für das Phänomen auf. Hier besteht durch-
auf die Demokratie in der islamisch ge-         aus eine Kausalität, nicht nur eine Paral-
prägten Welt56: Hierbei fällt zunächst auf,     lelität. Darauf machen andere Untersu-
dass die dortigen Länder von den unter-         chungen aufmerksam, wonach weitaus
schiedlichen Demokratisierungswellen im         stärker die religiöse Prägung der dortigen
Laufe der Geschichte nicht betroffen wa-        Gesellschaften als die sozioökonomischen
ren.57 Vielmehr erwiesen sie sich im Ver-       Rahmenbedingungen deren mangelnde
gleich mit anderen Regionen der Welt als        Demokratisierung erklären.59
relativ immun gegenüber solchen Ent-            Welche inhaltlichen Bestandteile des Is-
wicklungen. Dies kann nicht dadurch er-         lam könnten zu dieser Situation beigetra-
klärt werden, dass das moderne Demo-            gen haben? Merkel nannte in seiner Ana-
kratieverständnis allein durch die christ-      lyse eine Reihe von Gesichtspunkten: Das
liche Religion und die westliche Kultur         zentrale Problem für die Vereinbarkeit mit
geprägt ist. Schon der Hinweis auf De-          der Demokratie sei die fehlende Aufklä-
mokratien im konfuzianischen Japan, dem         rung im Islam, die wiederum aus der man-
hinduistischen Indien oder islamischen          gelnden Trennung von Religion und Staat
Mali widerlegt diese Annahme. Auch die          resultiere. Beide Bereiche hätten sich
in diesem Kontext häufig erfolgende Her-        nicht als eigene Teilbereiche ausdifferen-
vorhebung der ökonomischen Unterent-            ziert. Das theozentrische Weltbild ist nach

74                                              Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
Merkel hinsichtlich der Legitimität politi-    die Interpretationsvielfalt des Koran: Dar-
scher Herrschaftsformen nicht oder nicht       in finden sich zahlreiche unklare bis wi-
hinreichend durch eine anthropozentri-         dersprüchliche Aussagen, die eine ganz
sche Auffassung ersetzt worden. Dies sei       unterschiedliche Deutung des Islam mög-
eine wichtige Voraussetzung für Demo-          lich machen. In seinem Namen lassen sich
kratie und Volkssouveränität. Als beson-       die verschiedensten Einstellungen und
ders problematisch gilt darüber hinaus die     Handlungen legitimieren, wofür die Ge-
frühe Verschmelzung von Gesetz und             schichte und Gegenwart der Religion
Religion. Bilanzierend und verallgemei-        zahlreiche Beispiele liefert. Mitunter bil-
nernd bemerkte Merkel: „Eine dezidiert         den Aussagen in bestimmten Suren den
nicht säkularisierte religiöse Kultur oder     genauen Gegensatz zu Positionen in an-
Zivilisation behindert die Verbreitung de-     deren Suren. Zu solchen Inhalten und hi-
mokratiestützender Normen und Verhal-          storischen Gegebenheiten gehören auch
tensweisen in der Gesellschaft.“60             tragende Bestandteile des religiösen
                                               Selbstverständnisses des Islam, welche
15. Schlusswort und Zusammenfassung            von politischen Extremisten in dessen
Die vorstehenden Ausführungen haben            Namen aufgegriffen werden. Gegenwär-
bewusst einen einseitigen Blick auf den        tig bemühen sich zahlreiche muslimische
Islam geworfen, ging es doch primär um         Reformer um Islam-Deutungen im Sinne
die Hervorhebung von Anknüpfungs-              einer Liberalisierung.63 Dabei heben sie
punkten in dieser Religion für die islamis-    ebenso einseitig die dafür kompatiblen
tische Deutung. Dass sich sowohl in            Bestandteile der Religion hervor, um so
grundlegenden Schriften, historischer          unter ihren Mitmuslimen eine größere Ak-
Entwicklung und gesellschaftlichen Rea-        zeptanz für Werte wie Demokratie 64 ,
litäten noch ganz andere Auffassungen          Menschenrechte und Pluralismus zu be-
finden, sollte nicht ignoriert werden.         wirken.
Gleichwohl zeigten die Erörterungen            Wer in dieser Auseinandersetzung die
auch: Ein rigoroser Trennungsstrich zwi-       Hegemonie erlangt, lässt sich gegenwär-
schen Islam und Islamismus lässt sich          tig nicht sagen. Der Trend der letzten Jahr-
nicht ziehen. Gerade diese Religion wies       zehnte geht aber eher in Richtung der
historisch betrachtet bereits in der Konsti-   Islamisten. Das Problem der liberalen
tuierungsphase starke politische Dimen-        Deutungen besteht auch darin, dass sie
sionen auf, welche Islamisten heute zur        sich auf die gleiche Grundlagen wie die
Legitimation ihrer Einstellungen und           Islamisten berufen und deren Inhalte und
Handlungen dienen.61 Insofern besteht          Traditionen den Islamisten mehr entge-
eine Kompatibilität, passen doch be-           gen kommen. So anerkennenswert die Be-
stimmte Bestandteile der islamischen           mühungen der Reformer beim Anknüp-
Religion sehr wohl zu Versatzstücken der       fens an die geteilten Werte des Islam bei
islamistischen Ideologie. Daraus lässt sich    anderen Muslimen aus strategischen
aber keine Gleichsetzung vornehmen,            Gründen sind, so vermeiden sie eine
wären dann doch alle Muslime als Isla-         grundlegendere Auseinandersetzung mit
misten anzusehen.62                            dem Islam im Sinne von Aufklärung und
Deren Bezüge auf die Religion gestattet        Kritik. Eine Abwendung von Fanatismus

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                               75
und Islamismus und eine Hinwendung zu                    terschieden wird.
Demokratie und Menschenrechten setzt
                                                          9
                                                            Vgl. Guido Steinberg, Der nahe und der ferne
                                                         Feind. Die Netzwerke des islamistischen Terro-
die inhaltliche Auseinandersetzung mit
                                                         rismus, München 2005, S. 9f. und 236f.
diesen Bestandteilen und einen politi-                    10
                                                             Vgl. exemplarisch als Belege die Angaben in
schen Lernprozess zu deren Überwindung                   Anm. 2 und 3.
voraus. Dafür gibt es in der islamischen                  11
                                                             Vgl. Karl R. Popper, Die offene Gesellschaft
Welt kaum Potentiale, Hoffnungen könn-                   und ihre Feinde. Bd. 1: Der Zauber Platons
ten sich wohl weitaus mehr auf die stille                (1945), München 1980, S. 59-61.
                                                          12
                                                             Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Gemeinsamkei-
Macht der Individualisierung und Säku-
                                                         ten im Denken der Feinde einer offenen Gesell-
larisierung gründen.                                     schaft. Strukturmerkmale extremistischer Ideo-
                                                         logien, in: Robert Chr. Van Ooyen/Martin H. W.
Anmerkungen:                                             Möllers (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit
1
   Bassam Tibi, Fundamentalismus im Islam. Eine          2006/2007, Frankfurt/M. 2006, S. 35-49, hier S.
Gefahr für den Weltfrieden?, Darmstadt 2000,             38f. und 44-46. Die argumentative Basis für die
S. 2.                                                    Ausgrenzungstendenzen stellt der dualistische
 2
   Vgl. Hadayatullah Hübsch, Fanatische Krie-            Rigorismus dar.
ger im Namen Allahs. Die Wurzeln des islamis-             13
                                                             Sure 24, Vers 40; Sure 33, Vers 4; Sure 8, Vers
tischen Terrors, München 2001.                           20; Sure 48, Vers 17; Sure 9; Vers 33; Sure 3,
 3
   Vgl. Weitere Verdächtige festgenommen, in:            Vers 106. (Alle Koran-Zitate nach: El Koran das
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August            heißt die Lesung. Die Offenbarungen des Mo-
2006, S. 2.                                              hammed ibn Abdallah des Propheten Gottes. Zur
 4
   Yassin Musharbash, Die neue Al-Qaida. Innen-          Schrift gebracht durch Abdelkaaba Abdallah
ansichten eines lernenden Terrornetzwerks, Köln          Abu-Bekr übertragen durch Lazarus Gold-
2006, S. 24.                                             schmidt im Jahre der Flucht 1334 oder 1916 der
 5
   Vgl. Nazih Ayubi, Politischer Islam. Religion         Fleischwerdung, Berlin o. J.)
und Politik in der arabischen Welt, Freiburg              14
                                                             Sure 9, Vers 5; Sure 4, Vers 59; Sure 9, Vers
2002; Gilles Kepel, Das Schwarzbuch des Dschi-           69; Sure 47, Vers 4; Sure 9, Vers 29; Sure 8, Vers
had. Aufstieg und Niedergang des Islamismus,             40.
München 2002.                                             15
                                                             Vgl. „Keine Nötigung in der Religion, ist doch
 6
   Vgl. Brynjar Lia, The Society of the Muslim           das Rechtgehen vom Irregehen so deutlich (zu
Brothers in Egypt. The Rise of an Islamic Mass           unterscheiden).“ (Sure 2, Vers 257) und „Euch
Movement 1928-1942, Reading 1998; Richard                eure Religion und mir meine Religion“ (Sure
P. Mitchell, The Society of the Muslim Brothers,         109, Vers 6).
New York 1993.                                            16
                                                             Dies gilt allerdings nicht für das erste Zitat in
 7
   Vgl. Olaf Farschid; Islam als System: Grund-          der vorherigen Fußnote, das immer wieder als
züge islamistischer Ideologie, in: Senatsverwal-         Beleg für religiöse Toleranz im Islam angeführt
tung für Inneres (Hrsg.), Islamismus. Diskussi-          wird und aus einer medinischen Sure stammt.
on eines vielschichtigen Phänomens, Berlin                17
                                                             Vgl. Pfahl-Traughber, Gemeinsamkeiten im
2005, S. 14-26; Herbert Landolin Müller, Isla-           Denken der Feinde einer offenen Gesellschaft
mismus – eine totalitäre Ideologie? Versuch einer        (Anm. 12), S. 43f.
Annäherung an ein globales Phänomen, in: Uwe              18
                                                             Vgl. Malise Ruthven, Der Islam. Eine kurze
Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Gefährdungen der           Einführung, Stuttgart 2000, S. 11f.
Freiheit. Extremistische Ideologien im Vergleich,         19
                                                             Sure 4, Vers 62.
Göttingen 2006, S. 407-439.                               20
                                                             Adel Theodor Khoury, Der Islam und die west-
 8
   Vgl. Bassam Tibi, Der neue Totalitarismus.            liche Welt. Religiöse und politische Grundfra-
„Heiliger Krieg“ und westliche Sicherheit, Darmstadt     gen, Darmstadt 2001, S. 112.
2004, S. 14f. und 75, wo in diesem Sinne ein              21
                                                             Vgl. Peter Stockmeier, Theokratie, in: Görres-
„jihadistischer“ und „institutioneller Islamismus“ un-   Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon. Recht – Wirt-

76                                                       Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007
schaft – Gesellschaft, Bde. 5, Freiburg 1989, Spal-     Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2004/2005, Frank-
ten 447-450.                                            furt/M. 2005, S. 189-208, hier S. 190-196.
 22
    Vgl. exemplarisch zu solchen Systemen der            37
                                                            Vgl. Sure 4, vers 48; Sure 5, Vers 16; Sure 4,
Gegenwart Guido Steinberg, Saudi-Arabien.               Vers 154, Sure 5, Vers 16, Sure 3, Vers 20, Sure
Politik, Geschichte, Religion, München 2004;            4, Vers 155.
Wahied Wahdat-Hagh, „Die Islamische Republik             38
                                                            Vgl. Sure 5 Vers 65; Sure 7, Vers 166.
Iran“. Die Herrschaft des politischen Islam als          39
                                                            Vgl. Aluma Solnick, Based on Koranic Ver-
eine Spielart des Totalitarismus, Münster 2004.         ses, Interpretations, and Traditions, Muslim
 23
    Khoury, Der Islam und die westliche Welt            Cleric State: The Jews are the Descendants of
(Anm. 20), S. 113.                                      Apes, Pigs and other Animals, in: Memri, Special
 24
    Vgl. Ernest Gellner, Leben im Islam. Religi-        Report, Nr. 11 vom 1. November 2002 (Internet:
on als Gesellschaftsordnung, Stuttgart 1985.            http://memri.org) (Ausdruck vom 21. Mai 2004).
 25
    Zutreffend bemerkte der Islamwissenschaftler         40
                                                            Vgl. Sure 5, Vers 84.
Heinz Halm: „Der vielzitierte Slogan ‘Der Is-            41
                                                            Vgl. Rudi Paret, Mohammed und der Koran.
lam ist eine Religion und ein Staat’ ... ist also ein   Geschichte und Verkündigung des arabischen
ideologisches Postulat, aber keine Beschreibung         Propheten, 6. Auflage, Stuttgart 1985, S. 113-
der historischen Wirklichkeit“. Heinz Halm, Der         124.
Islam. Geschichte und Gegenwart, München                 42
                                                            Vgl. Bobzin, Mohammed (Anm. 26), S. 32-
2000, S. 57.                                            49, 103-108.
 26
    Vgl. Hartmut Bobzin, Mohammed, München               43
                                                            Vgl. Haggai Ben-Shammai, Jew-Hatred in the
2000, S. 93.                                            Islamic Tradition and the Koranic Exegesis, in:
 27
    Gudrun Krämer, Geschichte des Islam, Mün-           Shumuel Almog (Hrsg.), Antisemitism Through
chen 2005, S. 22.                                       the Ages, Oxford 1988, S. 161-169.
 28
    Vgl. ebenda, S. 29-35.                               44
                                                            Vgl. Bernard Lewis, Die Juden in der islami-
 29
    Vgl. Josef Matuz, das Osmanische Reich.             schen Welt. Vom frühen Mittelalter bis ins 20.
Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1985,          Jahrhundert, München 1987, S. 48. Die dort vor-
S. 60, 118f. und 184f.                                  genommene Kommentierung steht allerdings im
 30
    Vgl. Rainer Glagow, Islamischer Dschihad und        Widerspruch zum Text des Gedichtes.
Terrorismus, in: Berndt Georg Thamm, Terro-              45
                                                            Vgl. Bernard Lewis, „Treibt sie ins Meer!“
rismus. Ein Handbuch über Täter und Opfer,              Die Geschichte des Antisemitismus, Berlin -
Hilden 2002, S. 381-431, hier S. 385.                   Frankfurt/M. 1987, S. 149.
 31
    Vgl. Bassam Tibi, Kreuzzug und Djihad. Der           46
                                                            Vgl. Robert S. Wistrich, Antisemitism. The
Islam und die christliche Welt, München 1999,           Longest Hatred, London 1991, S. 196.
S. 52.                                                   47
                                                            Ludger Kühnhardt, Die Universalität der Men-
 32
    Rotraud Wielandt, Islam und Gewalt, in: Hans        schenrechte, Bonn 1987, S. 141.
Waldenfels/Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Der Is-          48
                                                            Bassam Tibi, Im Schatten Allahs. Der Islam
lam – Religion und Politik, Paderborn 2004, S.          und die Menschenrechte, München 1994, S. 47.
37-48, hier S. 40.                                       49
                                                            Vgl. Ibn Warraq, Warum ich kein Muslim bin,
 33
    Sure 9, Vers 124.                                   Berlin 2004, S. 241-276.
 34
    Vgl. John Bunzl, Juden im Orient. Jüdische           50
                                                            Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Religions-
Gemeinschaften in der islamischen Welt und ori-         freiheit, in: Hans Gasper/Joachim Müller/Fie-
entalische Juden in Israel, Wien 1989, S. 14-18.        derike Valentin (Hrsg.), Lexikon der Sekten, Son-
 35
    Vgl. Leon Poliakov, Geschichte des Antise-          dergruppen und Weltanschauungen, Freiburg 6.
mitismus. Bd. III: Religiöse und soziale Tole-          Auflage 2000, S. 899-904.
ranz unter dem Islam, Worms 1979.                        51
                                                            Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Der fundament-
 36
    Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Der Ideologie-          alistische Charakter von Religionen und die
bildungsprozess beim Judenhass der Islamisten.          Grenzen der Religionsfreiheit im säkularen
Zum ideengeschichtlichen Hintergrund einer              Rechtsstaat. Eine demokratietheoretisch und
Form des „Neuen Antisemitismus“, in: Martin             ideologiekritisch ausgerichtete Erörterung an-
H. W. Möllers/Robert Chr. Van Ooyen (Hrsg.),            hand von Christentum und Islam, in: Eric Hilgendorf

Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13/2007                                                              77
Sie können auch lesen