Urheberrechtliche Beurteilung von Radiostreaming-Plattformen in der Schweiz - IPrime Rentsch Kaelin AG
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Rudolf A. Rentsch Urheberrechtliche Beurteilung von Radiostreaming-Plattformen in der Schweiz In den letzten wenigen Jahren haben sich im Bereich Au cours des dernières années, des plateformes dites de digitaler Medien auch in der Schweiz sogenannte Radio- «streaming radio» ont fait leur apparition dans le secteur streaming-Plattformen etabliert. Ober eine Online-Platt- des médias numériques, y compris en Suisse. Par Pinter- form und Apps bieten entsprechende Anbieter ein Radio- médiaire d'une plateforme en ligne ou d'applications, les Angebot für Konsumenten und Partnerunternehmen an, fournisseurs de streaming proposent aux consommateurs das es ermöglicht, digitale Radiostationen bzw. Radio- et aux entreprises partenaires une offre radiophonique qui Streams einfach zu finden und abzuspielen sowie den permet de trouver et d'écouter facilement des stations de Zugriff auf diese zu vereinfachen. Dabei wird mit diesen radio ou flux radio (streams) en ligne ainsi que de simpli- Angeboten die Verfügbarkeit und ein benutzeroptimier- fier l'accès à celles-ci. Dans le cadre de ces offres, des ter Zugriff auf digitale Radiostationen mittels Links, liens, des meta-informations et des services techniques Metainformationen und technischen Rahmenservices permettent d'améliorer la disponibilité des stations de verbessert. Die grundsätzlich separat von Dritten ange- radio numériques et en optimisent l'accès pour les utili- botenen digitalen Radioangebote werden über grafische sateurs. Les offres radiophoniques en ligne, qui sont Userinterfaces, insbesondere Apps auf Mobile-Devices généralement proposées séparément par des tiers, sont oder sogenannten «Webbrowser-Konsolen», den Radio- presentees aux auditeurs sur leurs appareils au moyen hörern auf ihren Endgeräten präsentiert. Die medialen d'interfaces utilisateur graphiques et, en particulier, d'ap- lnhalte werden Ober diese Plattformen aggregiert, daten- plications pour appareils mobiles ou de ce que l'on ap- mässig angereichert und kommerziell an Hörer vermit- pelle des «consoles web». Les contenus médiatiques sont telt, jedoch signaltechnisch betrachtet nicht umgewan- rassemblés, enrichis de données et mis a disposition des delt und auch nicht direkt von eigenen Servern der auditeurs de manière commerciale sur ces plateformes. Plattform gestreamt. In rechtlicher Hinsicht stellt sich Toutefois, du point de vue des signaux, ces contenus ne insbesondere die Frage, ob die entsprechenden Services sont pas modifies et ne sont pas non plus écoutés direc- derartiger Plattformen in der Schweiz im Lichte von tement en streaming via les serveurs de la plateforme. Art.10 URG und Art. 22 URG als Verbreitung gesendeter Au niveau juridique, l'une des questions qui se posent est Werke zu qualifizieren sind. Die vorliegende Analyse notamment de determiner si, en vertu des art.10 et 22 erfolgt unter Betrachtung zweier ausgewahlter Platt- LDA, il convient de qualifier de «communication d'ceuvres formen und kommt bei rechtsvergleichender Unter- diffusées» les services fournis sur de telles plateformes en suchung des «Tuneln-Urteils» des UK High Courts zum Suisse. Le present article se penche sur deux plateformes Schluss, dass Radiostreaming-Plattformen unter spécifiques et, sur la base d'une analyse comparative de Schweizer Recht als Weitersendung zu beurteilen sind. l'arret «Tuneln» rendu par la Haute Cour de justice d'An- gleterre et du Pays de Galles, parvient a la conclusion que les plateformes de streaming radio doivent être considé- rées en droit suisse comme effectuant une retransmission. I. Einleitung V. «Aggregation» und «Vermittlung» in Bezug auf Daten und Services Konzept und Technologie von Radiostreaming- Plattformen VI. Radiostreaming-Plattformen im Lichte von Art. 22 URG - Zwischenergebnis Ill. Die urheberrechtliche Qualifikation von Radio- streaming-Plattformen VII. Auslegung des Teilkriteriums «Technische Einrich- tungen, deren Träger nicht das ursprüngliche IV. Sendung/Weitersendung mittels Streamingserver der Radiostationen Sendeunternehmen ist» gemäss Art.10 Abs. 2 lit. e URG VIII. Rechtsvergleichende Betrachtung des Urteils des UK High Courts vom 1. November 2019, RUDOLF A. RENTSCH, Dr. iur. et Dipl. El.-Ing. ETH, [2019] EWHC 2923 (Ch), Warner Music UK Ltd. et al. Rechtsanwalt und Schweizer Patentanwalt. v. Tuneln Inc. sic!1 I 2021 3
Rudolf A. Rentsch Urheberrechtliche Beurteilung von Radiostreaming-Plattformen in der Schweiz I. Einleitung bekannteste Radiostreaming-Plattfonn basiert auf der be- stehenden Radioplayer-Technologie. Diese technische Lö- Radiostreaming-Plattformen sind in der Schweiz erst seit sung und das Konzept von «Radioplayer» gehen zurück auf ca. 2018 bekannt. Die in der Schweiz und im Ausland be- ein Joint Venture zwischen der BBC und kommerziellen Ra- stehenden Angebote verwenden unterschiedliche Basistech- diostationen in Grossbritannien, welches sich im Jahre 2011 nologien, sind aber hinsichtlich der angebotenen Services, konkretisiert hatte. Aus dem Projekt entstand Radioplayer der kommerziellen Ausrichtung und bezüglich Nutzen für Worldwide. Technologisch handelt es sich um eine IP- die Radiohörer sehr gut vergleichbar. International sind ent- basierte, koordinierte Plattform für Webchannels und UKW- sprechende Angebote namentlich durch das US-Techno- Programme, die mit Metadaten und weiteren Datenbank- logieunternehmen TuneIn (tunein.com) bekannt gewor- lösungen unterlegt ist. Aus unternehmerischer bzw. kommer- den. In der Schweiz bieten insbesondere Swiss Radioplayer zieller Sicht geht es darum, durch eine einheitliche Technik (swissradioplayer.ch) oder Atipik (atipik.ch) entsprechende mit einer Vielzahl eingebetteter Radiostationen eine effizi- Services an. Im Rahmen der vorliegenden Analyse können ente, aufwandsoptimierte Plattform zur Verffigung zu stellen nicht alle bekannten Angebote in ihren konkreten Ausge- und das Online-Radiohören zu verbessern. Die Lösung ver- staltungen betrachtet werden, sondern die urheberrecht- fügt heute fiber Apps für iOS und Android, Integrationen liche Beurteilung wird am Beispiel der in der Schweiz wohl mit Amazon Echo und Sonos und arbeitet mit Apple Car- bekanntesten Plattform Radioplayer sowie mit einem rechts- Play, Android Auto, Chromecast, Airplay, Apple Watch, An- vergleichenden Blick auf das aktuelle «TuneIn-Urteil» des UK droid Wear und weiteren Plattformen2 zusammen und ist High Courts' vorgenommen. heute neben der Schweiz in weiteren zehn Ländern mit mitt- Bei solchen Radiostreaming-Plattformen handelt es lerweile Tausenden von Sendern auf der ganzen Welt verbrei- sich weder um eine isolierte Hyperlink-Sammlung noch um tet. Bezüglich der Organisationsstmktur ist im Konzept von einen trivialen Aggregations-Dienst, sondern vielmehr um Radioplayer Worldwide vorgesehen, dass sich jedes Land einen Embedding-Service fin Radio-Streams (regelmässig Si- durch eine kleine Gruppe von Sendern organisiert, um die mulcast-Streams), wobei mehrere oder eine grosse Vielzahl Backend-Systeme, Apps und Player national einzuführen. von Radiosendern gebündelt werden. Als Embedding-Service Zugang zur Technologie-Plattform bekommen die jeweiligen werden vorliegend Dienste verstanden, die kommerzielle Radiostationen über ein modulares, flexibles Lizenzierungs- Angebote an Dritte (hier Radiohörer) anbieten, indem der system, das den Bedürfnissen des jeweiligen Landes ent- Service-Betreiber Medienangebote von anderen Anbietern spricht. Die Plattform wird von Radioplayer Worldwide Ltd. in ihr Angebot einbettet bzw. kapselt, so dass diese Dritten in London weiterentwickelt, koordinien und zusammen mit solche Angebote vermittels der eigenständigen Plattform den Ländergesellschaften lizenziert. Die zurzeit verfügbaren nutzen können. Technisch werden dabei fiber die Plattform- Hauptkomponenten der Plattform umfassen insbesondere lösung (App, Konsole oder Appliances) die urspffinglichen eine Datenbank, ein sog. Station Control Panel, eine Art Schalt- Streaming-Kanäle der jeweiligen Radiostationen übernom- zentrale, die den Radiostationen zur Verfügung gestellt wird, men und in die Anwendung fiber technische Links eingebet- die sog. Player-Konsolen («Webplayer»), mit denen der Hörer tet. Während des Abspielens bleibt der Hörer dauerhaft in- die Stationen abspielen kann, kostenlose Mobile Apps für nerhalb der Radiostreaming-Plattform Umgebung, was eine Android und iOS, eine länderspezifische Webseite3. Mittels der wesentliche Grundlage für das kommerzielle Angebot bil- erwähnten Konsolen des Players und den Apps können so- wohl Radiosender als auch Podcasts abgespielt werden. det. Es liegt daher keine blosse Weitervermittlung über einzelne Hyperlinks an einen Dfittanbieter vor, also keine isolierte Das vorstehend beschriebene Konzept einer Radio- Weiterleitung über einen Link. Die Plattform-Lösungen streaming-Plattform lässt sich zusammenfassend durch fol- können breit ausgerichtet sein und sehen je nach Angebot gende Grafik darstellen, welche die aus urheberrechtlicher zusätzliche Geschäfts-Optionen vor. Dies können unter an- Sicht massgeblichen Vorgänge erkennen lässt: derem eine AdServer-Anbindung, Click-to-Buy Optionen, Userstatistiken, usw. sein. Es handelt sich daher bei solchen Plattformen um ein eigenständiges wirtschafdich ausgerich- tetes Angebot. Das Bündeln und Einbetten der Simulcast- Streams zahlreicher Radiosender (bzw. deren Streaming- server) bilden dabei die Kemnutzung des Angebots. II. Konzept und Technologie von Radlostreaming- Urteil des High Court of England and Wales vom 1. November 2019, 1 Plattformen Case-No.: IL-2017-000025. 2 Die hier verwiesenen Namen oder Kennzeichen sind geschritzte oder Heutige Radiostreaming-Plattformen bieten Radiohörern eingetragene Marken von verschiedenen Drittuntemehmen. Zusatzdienste und -nutzen, indem sie bestehende Angebote 3 Vgl. (http://www.radioplayerworldwide.comh, (hrips://www.radio bündeln, anreichern und den Hörern und Partneruntemeh- player.co.uk/terms/conditions.pdb, dritp://www.radioplayer.at/sup port/erste-schritte/das-radioplayer-universumh. Alle in Fussnoten men Technologielösungen anbieten, welche ein unterneh- referenzierten Hyperlinks in diesem Beitrag wurden letztmals ab- merisches Gesamtangebot bilden. Die in der Schweiz wohl gerufen am 12. Oktober 2020. 4 sic! 112021
Internet Systemübersicht Radiostreaming- Plattform Plattform «Übriges» Internet E.==3 LAN I -I WAN Strearningserver Si Sender / Encoder C.-^1 o LAN WAN Streamingserver Sender / User Devices 82 Encoder =2=1 9 u ta Streamingserver Sender / S3 Encoder Abbildung 1 Mit Blick auf die urheberrechtliche Qualifikation ist letzt-die von ihnen präferierte Radiostation besuchen und sich lich nicht der rein technische Workflow bzw. die konkret an- mit dem jeweilig gewünschten Streamingserver verbinden, gewandte Technik massgeblich, sondern es ist eine techno- nachdem sie diesen diesfalls zuerst gefunden haben müs- logie- bzw. technikneutrale Betrachtung vorzunehmen.4 sen. Der Hörer tritt dabei bezüglich des gewanschten In der vorstehenden Abbildung sind die sachverhalts- Streams ausschliesslich mit einem Streamingserver in Kon- relevanten Vorgänge und urheberrechtlich relevanten Nut- takt.. Das Suchen, Finden und Aktivieren eines Streams ist zungen ersichtlich. Es ist zu erkennen, dass die mit «A» mar- ein Vorgang, der sich ausschliesslich zwischen dem Hörer kierten Abläufe eine herkömmliche Streamingnutzung und der konkreten Radiostation bzw. deren Streamingserver durch einen Radiohörer mittels seiner «User Devices» er- abspielt (vgl. die horizontale Gruppe der drei Linien bei A). laubt. Hierzu muss der Hörer die konkrete Adresse eines Der Vorgang mittels Nutzung der Radiostreaming- der hier beispielhaften drei Streamingserver Si bis S3 fin- Plattfolin ist mit «B» markiert. Der breite, nach unten wei- den und aufrufen, die in bekannter Weise durch einen Ra- sende Pfeil zeigt die hier als «Enabling» bezeichnete Nut- diosender bzw. Encoder über ein LAN/WAN-Netzwerk ver- zung aufgrund bzw. mittels der Radiostreaming-Plattfoini. waltet bzw. betrieben werden. Im gezeigten Beispiel sind Im Falle von Radioplayer ist die jeweilige nationale Platt- die drei Streamingserver bzw. Radiostationen unabhängig form an das Internet angebunden und wird von einer na- und verwenden je getrennte Server. Jeder der Streaming- tionalen Ländergesellschaft betrieben und angeboten.5 Es server S1 bis S3 kann zudem mit einem Werbeserver («Ad- Server») oder anderen Services, wie z.B. einem Shop- oder 4 BGE 133 II 263 ff., E. 7.3.2; R. Fliury/O. SCHMID/M. WEBER, Urheber- Informationsserver verbunden sein. Im unteren Bereich der rechtliche Beurteilung von «Embedding», sic! 2016, 238; D. EARRELET/ Abbildung ist beispielhaft ein «Shop Server», der ein «Click- W. EGLOFF, Das neue Urheberrecht, 4. Aufl., Bern 2020, URG 10 N 11; to-Buy» ermöglicht, gezeigt. Diese Ad- und Shopserver- vgl. dazu vertieft auch V. SALVADÉ, Streaming et linking: la neutralité technologique du droit d'auteur est-elle assurée?, RSDA 2017, 71-78. dienste, allgemein als sog. «In-Stream Services» bezeichnet, 5 In der Abbildung 1 ist durch die Wolke am oberen Bildrand angedeu- werden typischerweise über Drittserver im Internet zur Ver- tet, dass sowohl die Radiostreaming-Plattform als auch weitere Web- fagung gestellt und können zusammen mit dem Streaming- serverangebote Teil des Internets bilden. Mit der nicht-technischen Bezeichnung «übriges Internet» soil hier bloss angedeutet werden, server genutzt werden. Die Nutzungsart A entspricht somit dass die Radiostreaming-Plattform eine eigenständige Plattform- dem bekannten Streaming, wobei Hörer je über Internet lösung bildet, die im Zusammenhang mit der hier massgeblichen sic! 1 I 2021 5
Rudolf A. Rentsch Urheberrechtliche Beurteilung von Radiostreaming-Plattformen in der Schweiz handelt sich um ein von den jeweiligen Radiostationen Ill. Die urheberrechtliche Qualifikation von (rechts in der Abbildung) unabhängiges Unternehmen, das Radiostreaming-Plattformen eine separate von den Streamingservem losgelöste Server- und Technologiearchitektur betreibt bzw. nutzt (vgl. Die Weiterleitung von Radioprogrammen durch Dritte stellt Gmppe der Kreise urn die Bezeichnung «Plattform gemäss Schweizer Urheberrecht eine urheberrechtlich rele- Dienste»). vante Weitersendung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 URG bzw. Nutzt ein Hörer mittels eines User Devices die Radio- eine Werkverwendung gemäss Art. 10 Abs. 1 und Art. 10 streaming-Lösung, so wird er initial die Radiostreaming- Abs. 2 lit. e URG dar.8 Demgegenüber wird die blosse Infor- Plattform aufrufen, sei es über seinen Webbrowser, die je- mation über Quellenangaben zu urheberrechtlich geschütz- weilige Mobile App oder seine Appliance6. In dieser ersten ten Werken vermittels punktueller Hyperlinks nach über- Phase steht der Hörer ausschliesslich mit der Plattform wiegender Meinung der Lehre nicht als urheberrechtliche bzw. deren Servem (Kreise in der Abbildung) in Verbindung Nutzungshandlung betrachtet.9 und sein Device «sieht» die eigentlichen Streamingserver Das listenmässige Zusammenstellen von Links auf bzw. Radiostationen (noch) nicht. Der Hörer bzw. Endkon- einer Webseite, welche einen Benutzer auf Drittseiten wei- sument verwendet daher in dieser Initialphase grundsätz- terleitet, stellt per se keine «Weitersendung» dar, selbst wenn lich nur die Services, Daten und Informationen der Radio- dabei eine grössere Zahl von Links aufgelistet würde. Eine streaming-Plattform. Diese stellt nun auf geeignete Weise reine Link-Auflistung ist somit als eine Sammlung von Hy- Informationen, Radiosenderangebote, Favoriten-Listen und perlinks, also technischen Referenzdaten, zu qualifizieren, hörerspezifische Angebote zur Verfügung, welche dem Hö- die nicht unter Art. 10 Abs. 1 bzw. Abs. 2 lit. e URG (und da- rer auf seinem User-Device angeboten werden. Der Hörer mit auch nicht unter Art. 22 Abs. 1 URG) fallen.1° Davon zu wählt darauflain eines der Angebote aus, wobei dies ein Ra- diosender oder auch ein spezifischer Podcast sein kann. Die App (oder die Appliance oder die Radiostreaming-Browser- Nutzung eine herausragende Bedeutung hat. Technologisch ist die Ra- Umgebung) initiiert daraufhin die Verbindung zum ge- diostreaming-Plattfoim selbstverständlich in die herkömmliche bzw. allgemeine IP-Stmktur des Internets eingegliedert. wünschten Angebot, z.B. zum Streamingserver S 1. Dieser 6 Hierunter wird eine Hardware mit spezieller Software verstanden, die Initiierungsvorgang wird als Teil des Enablings verstanden, auf einen speziellen Anwendungszweck ausgerichtet ist, hier z.B. ein da der Hörer den gesamten Abmfvorgang, der ohne die Autoradio, ein Soundsystem o.ä. Radiostreaming-Plattform wesentlich aufwendiger und un- 7
unterscheiden ist ein Embedding von Werken bzw. Medien- So stellt beispielsweise auch eine Weiterleitung von Radio- streams und im Besonderen das Einbetten von Simulcast- und Fernsehprogrammen in Hotelzimmer eine Weitersen- Streams. Weiterhin muss das Anbieten von aggregierten Hy- dung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e URG dar, unbesehen perlinks innerhalb einer App oder Appliances von im Internet davon, ob Hotelgäste solche Sendungen auch über ihre (via Webbrowser) bereitgestellten Linksammlungen unter- privaten elektronischen Geräte wahrnehmen könnten.13 schieden werden. Handelt es sich bei einer solchen Mobile Eine notwendige Bedingung jeder Weitersendung ist weiter- App oder einer Appliance (oder ggf. auch einem Programm hin eine vorausgehende Sendung, was aber beim Radio- für PCs und anderen Devices) um eine blosse Hyper link- streaming unzweifelhaft der Fall ist, da die Radio-Streams Datei - was in der Praxis kaum einen realen Fall darstellt - von verschiedenen unabhängigen Radiostationen gesendet so verhält es sich analog zu den vorerwähnten Hyper link- werden.14 Bei der Beurteilung ob ein Weitersendungstatbe- sammlungen, die fiber Internet (urheberrechtsfrei) angebo- stand vorliegt oder nicht, ist schliesslich nicht primär der ten werden dürfen. Es liegt diesfalls kein Weitersendesach- technische Workflow zu betrachten, sondern es hat eine verhalt vor. Wenn demgegenüber die in der App oder Appli- funktionale Betrachtung zu erfolgen, da das schweizerische ance etc. enthaltenen Links zur Einbettung von Simulcast- Urheberrecht die einzelnen Nutzungsarten technologieun- Streams verwendet werden (Embedding Service) und/oder abhängig beschreibt.'5 zusätzliche Funktionalitäten bezüglich der Streamingdaten durch diese bereitgestellt werden, so handelt es sich unter IV. Sendung/Weitersendung mittels Streamingserver den nachfolgend im Einzelnen analysierten Umständen, der Radiostationen um ein urheberrechtsrelevantes Weitersenden im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e URG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 URG.11 Wie in Abbildung 1 gezeigt, stellen einzelne voneinander Eine besondere Bedeutung hat hier der Tatbestand des unabhängige privat- und öffentlich-rechtliche Radiosender sog. «Embeddings» bzw. des aneignenden Embeddings, bei über ihre jeweiligen Streamingsever S1, S2 usw., Radio- dem die Links technisch so vorgenommen werden, dass streams bereit, die von Hörern bzw. «Endkonsumenten» diese als integrierter Teil des Nutzerangebots wahrgenom- fiber ihre User Devices, z.B. ein Smartphone, abgespielt wer- men werden. Eines der wesentlichen Merkmale des Embed- den können. Die Radiostreaming-Plattfonn bettet dabei die dings liegt darin, dass ein Endkonsument, der ein Angebot entsprechenden Links zu diesen Sendern in die Player-Kon- eines Embedding-Providers besucht, dessen Website beim sole, die jeweilige App oder Appliance ein. Beim Aufrufen Konsum des eingebetteten Inhalts («Embedded Content») eines Senders verbleibt der Hörer innerhalb der Umgebung nicht verlässt, sondern ihm die Inhalte direkt angeboten der Radiostreaming-Plattform der jeweilige Radiosen- werden.12 der wird als Teil dieser Umgebung abgespielt. Damit werden Die komplexe Struktur und Ausrichtung von Radio- die Links im Sinne des vorstehend beschriebenen Embed- streaming-Plattformen verlangt daher diesbezüglich nach dings eingesetzt bzw. genutzt. Dies ermöglicht unter ande- einer genaueren Analyse und rechtlichen Einordnung. Die rem ein schnelles Wechseln der Stationen und die Personali- entsprechende Qualifizierung hat relevante Auswirkungen, sierung der Benutzerumgebung. Ausserdem bieten die Platt- da bei Vorliegen einer Weitersendung diese Nutzung ver- formen eine grosse Menge von Radiostationen innerhalb gütungspflichtig ist und in der Schweiz ausschliesslich der Anwendungsumgebung an, was auch als sog. Aggregie- fiber die hiesigen Verwertungsgesellschaften wahrgenom- ren bezeichnet wird. men werden kann. Die Schweizer Verwerttmgsgesellschaften Streaming-Technologien erlauben einen Datenemp- haben die entsprechende Nutzung im Rahmen des gemein- fang fiber Internet auf verschiedene Weise. Dabei können samen Tarifs GT 2b geregelt, wobei dessen Ziff. 4.1 i.V.m. entsprechende Streams - je nach eingesetzter Technik und Ziff. 3.1 die zeitgleiche und unveränderte Weitersendung von Anwendung - zeitgleich mit einer Radio- oder Fernsehsen- Radio- oder TV-Programmen über IP-basierte Netze an Per- dung oder zeitlich dazu versetzt empfangen werden. Selbst- sonen in der Schweiz oder Liechtenstein betrifft, soweit verständlich können Datenstreams auch unabhängig von diese primär auf den Konsum fiber mobile Endgeräte, PC- einer Sendung angeboten werden (z.B. Podcasts). Das Ab- Bildschirme oder unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Femsehbildschirmen als Endgeräte ausgerichtet sind. nische Verfahren zum Einsatz kommt und es kein neues Publikum gibt Vorab kann festgestellt werden, dass die vom Radio- (abweichende Rechtslage zur Schweiz). hörer vermittels der Radiostreaming-Plattformen empfange- 11 Abhängig von weiteren Funktionalitäten, wie z.B. Speichermöglich- nen Streams von der ursprünglichen Quelle stammen, näm- keiten oder Replay-Optionen etc. können weitere urheberrechtlich relevante Nutzungen betroffen sein. lich von der jeweiligen Radiostation, also einem Sender, 12 HILTY/SCHMID/WEBER (Fn. 4), 239 f. wobei das Signal technisch per se unverändert bleibt Ent- 13 R-ARRELET/EGLOFF (Fn. 4), URG 10 N 40. sprechend könnte das Signal vom Hörer auch über andere 14 Vgl. BARRELET/EGLOFF (Fn. 4), URG 10 N33. 15 BARRELET/EGLOFF (Fn. 4), URG 10 N 11, spricht in diesem Zusammen- technische Mittel empfangen werden. Für die urheberrecht- hang davon, dass das Gesetz bewusst «technikneutral» formuliert sei. liche Beurteilung ist dies jedoch nicht das ausschlaggebende Diesseits wird die bundesgerichtliche Wendung, dass das Urheber- Kriterium. Denn das Weitersenderecht verlangt im schwei- rechtsgesetz «technologieneutral» ausgestaltet ist, bevorzugt (BGE 140 III 621 ff , E. 3.4.1, BGE 133 II 276 ff., E. 7.3.2); vgl. auch F. WIG- zerischen Recht kein zusätzliches Publikum. Vielmehr ist be- GER/M KORRODI, EuGH: Livestreaming von Femsehprogrammen nur reits die zusätzliche Möglichkeit des Empfangs ausreichend. mit Zustimmung der Rechtsinhaber, sic! 2013, 470. sic11 1 2021 7
Rudolf A. Rentsch Urheberrechtliche Beurteilung von Radiostreaming-Plattformen in der Schweiz spielen kann dabei bestimmungsgemäss in Echtzeit erfol- oder die Urheberin hat insbesondere das Recht: (...) gesen- gen («Live-Streaming»16) oder auch zeitversetzt («On-De- dete Werke mit Hilfe von technischen Einrichtungen, deren Tra- mand-Streaming», z.B. mit Pausier- und Replayfunktion). ger nicht das ursprangliche Sendeunternehmen ist, insbesondere Die Datenübertragung kann beim Media-Streaming - an- auch über Leitungen, weiterzusenden.» (Art. 10 Abs. 2 lit. e ders als bspw. beim herkömmlichen Rundfunk - Daten URG, Hervorhebung hinzugefügt) . Soweit der Plattform- vom Streamingserver direkt an einzelne Empfänger («Uni- anbieter ein eigenständiges Unternehmen ist, liegt im All- cast») oder an eine Vielzahl von Empfangern («Multicast») gemeinen eine von den ursprünglichen Sendeuntemehmen übermitteln. In jedem Fall ist das Hören oder Ansehen der abweichende Tragerschaft vor. Daher ist das Kriterium einer Daten bereits während des laufenden Datenübertragungs- anderen Trägerschaft als das ursprüngliche Sendeuntemeh- vorgangs möglich. Soweit das Streaming zeitversetzt und ei- men im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e URG in solchen Fallen genständig von einem Sendevorgang erfolgt, liegt ein Wahr- erfüllt. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der nehmbarmachen nach Art. 10 Abs. 2 lit. c URG vor. Wenn nicht mit dem ursprünglichen Sendeunternehmen identi- der Streamingvorgang direkt in Verbindung mit einem her- sche Dritte, der sog. «Träger»20, selber weder ein Femmelde- kömmlichen Sendevorgang zeitgleich erfolgt («Simulcas- unternehmen noch ein Rundfunkveranstalter bzw. ein Sen- ting»), liegt demgegenüber eine Sendung im Sinne von der sein muss.21 Soweit der Plattformbetreiber nicht mit Art. 10 Abs. 2 lit. d URG vor.17 Dabei kann nach herrschen- den Radiostationsanbietem identisch ist, handelt es sich der Lehre und Rechtsprechung in der Schweiz eine aufgrund daher aus urheberrechtlicher Sicht bei diesem im Sinne von technischer Gegebenheiten entstehende Zeitversetzung dem Art. 10 Abs. 2 lit. e URG um einen von den Sendestationen Tatbestand der Weitersendung nicht entgegenstehen.18 Ähn- unabhängigen «Trager» bzw. eine unabhängige juristische lich hatte auch der deutsche BGH im Urteil vom 22. April Person, die «nicht das urspriingliche Sendeuntemehmen 2009, I ZR 215/06 erwogen: «(...) scheidet eine Weitersen- ist». Dabei wird eine gegenüber dem originären Streaming- dung im Sinne dieser Bestimmung [§ 87 UrhG-DE] danach Angebot der Sendestationen zusätzliche Nutzung vorn aber nicht deshalb aus, weil die Abgabe des Datenstroms Plattformbetreiber ermöglicht, nämlich über dessen sepa- an ihre Kunden wegen rate Plattform (Konsolen-Player, Mobile Apps usw.) eine zu- der erforderlichen Aufbereitung des Sendesignals für die sätzliche Zugriffsart auf die Simulcast-Streams der jewei- Weiterleitung im Internet nicht zeitgleich, sondern zeitver- ligen Radiostationen. Ergänzend sei erwähnt, dass das Ur- setzt erfolgt» (I ZR 215/06 N 29). heberrecht die Werknutzung schützt und sich nicht auf Eine weitere Voraussetzung des Weitersenderechts ist Geschäftsmodelle bezieht.22 die «unveränderte» Wahrnehmbarmachung des gesendeten Ausgehend vom erwähnten Grundsatz, dass der Tat- Werks. Da sich dieses Kriterium jedoch auf das einzelne bestand des Weitersenderechts kein zusätzliches Publikum be- Werk und nicht auf das Programm integral bezieht, führen dingt, ist daher auch }wine «neue Öffentlichkeit» verlangt.2' geringfügige Änderungen bezüglich der Erstsendung nicht Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Kriterium einer zu einer anderen Rechtsbeurteilung.18 So hat die Eidgenös- «öffentlichen» Weitersendung im Schweizer Recht nicht sische Schiedskommission in ihrem Beschluss vom 14. De- massgeblich ist. Das Schweizer Urheberrecht hat eine ent- zember 2004 betreffend den GT 2b zusammenfassend fest- sprechende Bedingung, die in Art. 11bi» Abs. 1 Ziff. 2 RBil gehalten: «Diese Voraussetzung [des Weiterleitens eines Sen- vorgesehen ist und in Art. 12 Abs. 1 lit. 6 aURG noch enthal- deprogramms im Sinne von Art. 22 Abs. 1 URG] bedeutet ten war, bewusst nicht in das geltende Recht übernommen.24 indessen nicht, dass ganze Programme unverändert über- Da sich die Radiostreaming-Plattformen regelmässig an sehr nommen werden müssen, da sich der Grundsatz der Integri- tät nur auf das einzelne Werk und nicht auf das Programm selbst bezieht. Geringfügige Änderungen wie das Ausblen- 16 Ein Live-Stream, wie er auch beim Simulcasting eingesetzt wird, wird den der Werbung, das Einblenden eigener Werbung oder möglichst zeitgleich aufbereitet, gesendet und empfangen. Der Emp- fang etfolgt somit in Echtzeit - abhängig von der Paket-Aufbereitung auch die zeitliche Beschränkung der Weiterleitung werden und Paket-Sendung/Empfang. als zulässig erachtet, da lediglich die einzelnen Werke und 17 Vgl. BARRELETIEGLOFF (Fn. 4), N 28 und N 33 zu Art. 10 URG. Leistungen, nicht aber die Programme als solche geschützt 18 ESchK, Beschluss vom 14. Dezember 2004 i.S. GT 2b, E.II/3; BARRE- LET/ EGLOFF (Fn. 4), URG 10 N 33, URG 22 N 6. sind (vgl. dazu auch die Botschaft zum URG vom 19. Juni 19 Botschaft zum Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte 1989, BB1 1989 III 543).» Schutzrechte (URG) vom 19. Juni 1989, BB1 1989 III 543. Daher liegt z.B. auch im Falle einer möglichen Intersti- 20 BGE 119 II 55 ff., E. 2: «un autre organisme que celui d'origine», sowie E. 3. tial-Werbung, die im Rahmen der Radiostreaming-Technolo- 21 So bereits BGE 107 II 57 ff , E. 6; BARRELETIEGLOFF (Fn. 4), URG 10 gie eingesetzt werden kann, eine unveränderte Werkwieder- N 40. gabe vor. Dass die Streamingserver der jeweiligen Radiosta- 22 HILTY/SCHMID/WEBER (Fn. 4), 238. 23 BGE 119 II 61 ff., E. 3: «La notion de communication publique ne pré- tionen somit den Tatbestand des Simulcasting und damit suppose pas que la retransmission s'adresse à un nouveau public, au- einen Sendevorgang beschlagen, ist daher zu bejahen. trement dit que le cerde des personnes touchées par elle ne soit pas le Das Weitersenderecht gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. e URG méme que celui des destinataires de la transmission initiale. (...)»; BGE 110 II 67 ff., E. 6a; BGE 107 II 57 ff., E. 7; BARRELET/EGLOFF ist wesentlich dadurch charakterisiert, dass die Weiterleitung (Fn. 4), URG 10 N 40 -42. eines Werks, hier des Radiostreams, durch eine andere Person 24 -ARRELET/EGLOFF (Fn. 4), URG 10 N 41 f.. Vgl. Urteil des Bundesver- R als das ursprangliche Sendeunternehmen erfolgt: «Der Urheber waltungsgerichts vom 14. März 2014, B-6540/2012. sic! 1 1 2021 8
grosse Hörerkreise richten, kommt zudem die Ausnahme- ren, um das Auffinden von z.B. Filmen und/oder Sendun- bestimmung nach Art. 22 Abs. 2 URG, gemäss welcher Wei- gen zu erleichtern,34 wobei Metadaten analysiert und Links tersendungen von Werken über technische Einrichtungen, auf Drittseiten bereitgestellt werden. Typisch ist dabei, dass «die von vorneherein auf eine kleine Empfängerzahl be- der Link auf die Webseite eines Drittanbieters weitergeleitet schränkt sind, wie Anlagen eines Mehrfamilienhauses oder wird und man den Aggregation Service gänzlich verlässt. einer geschlossenen Oberbauung» erlaubt sind, vorliegend Tatsächlich liesse sich im Zusammenhang mit derartigen zweifellos nicht zur Anwendung. Aggregation Services - bei einem Begriffsverständnis von Weiterhin untersteht aufgrund der Gesetzeslage in der «Aggregation» im engeren Sinne (vgl. Fussnote 31) - auch Schweiz (Art. 10 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2 lit. d bis f URG i.V.m. von einer «Vermittiung» sprechen. Denn die aggregierten Art. 22 URG25), namentlich unter Berücksichtigung der Daten und Fundstellen führen diesfalls über Links weiter Staatsverträge und hier insbesondere der RBO (Art. 11b1s auf die Drittseite, wobei i.d.R. in relevantem Masse Nutzer- RBO)28, jede Werknutzung im Rahmen des Sende- und Wei- daten gesammelt werden. Solche Aggregation Services tersenderechts dem Exklusivrecht des Urhebers bzw. aus- beschränken sich somit im Kern auf das Bereitstellen von übender Künstler und Künstlerinnen, wobei der schweizeri- Hyperlinks auf Inhalte, ggf. ergänzt um Snippets oder sche Gesetzgeber hier eine Zwangslizenz vorgesehen hat. Metadaten." Eine entsprechende «Aggregation im engeren Die ausdrückliche Bestimmung von Art. 22 Abs. 1 URG sieht Sinne» liegt bei Radiostreaming-Plattformen jedoch nicht vor,27 dass die Rechte, gesendete Werke zeitgleich und bzw. nicht ausschliesslich vor. unverändert wahrnehmbar zu machen oder im Rahmen Die Infrastruktur von blossen Aggregation Services ist der Weiterleitung eines Sendeprogrammes weiterzusenden, von derjenigen des Dritt-Anbieters sowohl technisch als nur über zugelassene Verwertungsgesellschaften geltend ge- auch kommerziell entkoppelt. Oder mit anderen Worten: macht werden können. Die Bestimmung schafft somit Der Endkonsument nutzt zuerst den Aggregation Service einen Zwang zur kollektiven Verwertung bezüglich jeglicher und dann - technisch separat davon - das Angebot des Anbie- Art der Weitersendung.28 Wird die entsprechend gesetzlich ters. Es gibt, nachdem man ein konkretes Medienangebot vorgesehene Vergütung nicht entrichtet, kann die Nutzung gewählt hat, im vorstehenden Beispiel also ein Video, «kein untersagt werden.29 Zuriick» mehr - man nutzt daher ausschliesslich die Umge- bung des Streaminganbieters, nachdem man an diesen wei- tervermittelt wurde. Die Begriffe «Aggregator» oder «Vermin- V. «Aggregation» und «Vermittlung» in Bezug auf Daten und Services Gelegentlich wird im Zusammenhang mit Streaming- oder 25 Bezüglich verwandter Schutzrechte siehe Art. 33 Abs. 2 lit. b, Art. 35, auch Download-Angeboten im Internet von sog. «Aggre- Art. 37 lit. a und Art.38 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 URG.. 26 Vgl. auch das Rom-Abkommen, SR 0.23.1.171. gation Services» gesprochen. Der Begriff ist geläufiger im Zu- 27 Vgl. auch die Botschaft zum Bundesgesetz über das Urheberrecht und sammenhang mit sog. «News-Aggregatoren», die Daten- verwandte Schutzrechte (URG) vom 19. Juni 1989, BB1 1989 III 544; bzw. Textinformationen indizieren, diesen sog. Snippets betreffend die ausübenden Künstler und Künstlerinnen vgl. Art. 35 Abs. 3 URG. beistellen und letztere zusammen mit Hyperlinks dem Be- 28 Vgl. dazu auch vertieft W. EGLOFF, Obligatorische Kollektivverwertung nutzer in einer Obersicht präsentieren.3° Dies mit der Mög- und Vergütungsansprüche im schweizerischen Urheberrecht, sic! lichkeit bzw. zum Zweck über die Links auf Drittseiten zu 2018, 117 ff 29 Art. 67 Abs. I lit h URG und Art. 69 Abs. 1 lit d und lit. g URG sehen gelangen. zudem strafrechtliche Sanktionen vor. Der Begriff «Aggregator» ist nicht scharf abgegrenzt 30 v 1 _erzu hi zum deutsenchRecht M. REHBINDER/A. PEUKERT, Urheber- bzw. rechtlich nicht definiert und kann daher tendenziell recht und verwandte Schutzrechte, 18. Aufl., Munchen 2018, N 649. 31 Z.B. «Aggregation» im engeren (ohne Embedding) oder weiteren (mit zu Missverständnissen führen.31 Eine reine Hyperlink-Aggre- Embedding) Sinne. Zu Geschäftsmodellen der «Aggregation» vgl. gation ohne kommerzielle Zwecke führt zu keinem recht- bspw. die Studie des Max-Planck-Instituts firi Innovation und Wett- lichen Anknüpfungspunkt kollektiver Verwertung." Da Ag- bewerb, «Urheberrecht und Innovation in digitalen Märkten», 2016. 32 Nach deutschem Recht fehlt es an einem rechtswidrigen Eingriff, gregations-Services in der EU und anderen Jurisdiktionen wenn Werke, die ein Dritter ohne technische Schutzmassnahmen insbesondere mit Suchmaschinendiensten und Big-Data As- zum freien Zugriff ins Netz gestellt hat, von Dritten als Vorschaubil- pekten assoziiert werden, damit besondere Rechtsfragen im- der (Thumbnails) in einer Suchmaschinentrefferliste aufgelistet wer- den, da eine sog. «schlichte Einwilligung» vorliege (BGH, GRUR plizieren, und der Begriff Aggregation rechtlich unspezifisch 2010, 628 ff. - «Vorschaubilder I»; vgl. auch BGH, GRUR 2012, 602 - ist, verlangt dieser als rechtlich charakterisierender Begriff im Vorschaubilder II»); REHBINDER/PEUKERT (Fn. 30), N 407. Einzelfall eine genauere Umschreibung. So verwenden Ra- 33 Egta Insight, The Challenges and Opportunities of Online Radio Aggregators, Brüssel, Juni 2017,
Rudolf A. Rentsch Urheberrechtliche Beurteilung von Radiostreaming-Plattformen in der Schweiz ler» bedürfen daher sowohl aus technischer als auch urhe- unternehmen vorgenommen wird». In der bei Auslegungs- berrechtlicher Sicht jeweils einer klaren Begriffsumschrei- fragen verbindlichen französischen Fassung der therein- bung. kunft (Art. 37 Abs. 1 lit. c RBO) ist die entsprechende Bestimmung wie folgt formuliert: «Les auteurs d'ceuvres lit- téraires et artistiques jouissent du droit exdusif d'autoriser: VI. Radiostreaming-Plattformen im Lichte von (...) toute communication publique, soit par fil, soit sans Art.22 URG - Zwischenergebnis fil, de l'ceuvre radiodiffusée, lorsque cette communication Als Zwischenergebnis lässt sich aufgrund der obigen Ana- est faite par un autre organisme que celui d'origine» lyse festhalten, dass folgende Kriterien des Weitersendetat- Der Schweizer Gesetzgeber hat diese Bestimmung bestandes bezüglich einer Radiostreaming-Plattform nach nicht wörtlich in das Gesetz übernommen (es fehlt wie Abbildung 1 aus rechdicher Sicht erfüllt sind: Es liegt eine erwähnt z.B. die Einschränkung auf «communication pu- Sendung durch die Radiostationen vor und es werden blique»36). Soweit ersichtlich hat auch das Bundesgericht Werke (insbesondere Musik) gesendet. Die Streamingserver zur Auslegung der «technischen Einrichtungen» gemäss der jeweiligen Radiostationen werden zeitgleich mit der Ra- Art. 22 Abs. 2 lit. e URG bisher noch nicht Stellung genom- diosendung bedient und qualifizieren als Simulcasting. Die men. Bereits in BGE 108 II 486 ff., E. 4, weist dieses jedoch Streamingdaten sind im Vergleich zur Radiosendung unver- ausdrücklich darauf hin, dass «Die Rechte der Urheber (...) ändert, wobei ggf. Interstitial-Werbung enthalten sein kann. dem Druck des technischen Fortschritts sowenig wie im Die Schweizer Verwertungsgesellschaften sind aktivlegiti- Falle des Kabelfernsehens (BGE 107 II 81) zu weichen» miert, um Weitersenderechte ausschliesslich wahrzuneh- brauchen. Auch die Botschaft zum Bundesgesetz über das men (Art. 22 Abs. 1 URG). Der Ausnahmetatbestand gemäss Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG) vom Art. 22 Abs. 2 URG (eine von vornherein Heine Empfängerzahl) 19. Juni 1989 bemerkte unter Hinweis auf jene Entschei- ist im Zusammenhang mit Radiostreaming-Plattformen dung: «In der Regel werden sich nämlich auch die noch nicht anwendbar. Soweit es sich im beschriebenen Kontext unbekannten Nutzungen unter eines der im Katalog ent- um ursprünglich schweizerische Sendeangebote handelt, haltenen Rechte subsumieren lassen»37. kommt Art. 22 Abs. 3 URG nicht zum Tragen. In der Regel In diesem Kontext ist weiterhin zu beachten, dass Art. 3 ist die Trägerschaft der Streaming-Plattform eine eigenstän- lit. g Rom-Abkommen38 den Begriff des Weitersendens ex- dige juristische Person und nicht mit den verschiedenen Ra- plizit wie folgt definiert: «Für die Zwecke dieses Abkom- diosendern, welche die Streams ausstrahlen, identisch. mens versteht man unter (...)
Unter «technischen Einrichtungen» können nach dem d.h. des Abspielen des Streams, innerhalb von dieser. Für ausdrticldichen Gesetzeswortlaut von Art. 10. Abs. 2 lit. e den Hörer ist somit nicht erkennbar und auch nicht beein- URG insbesondere auch leitungsgebundene Technologien flussbar, woher (technisch) die Streamingdaten stammen. verstanden werden. Der Begriff «technische Einrichtungen» Dabei sieht er natürlich, welche Daten bzw. welchen Sender ist gemäss Gesetzeswortlaut in keiner Weise eingeschränkt er anwählt, hat aber bei Nutzung der Plattfolin keine Infor- und ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung techno- mation darüber und auch keinen Einfluss darauf, was die logieneutral zu verstehen und auszulegen. Dabei darf es Quelle des Streams ist und fiber welche technische Infra- auch keine Rolle spielen, ob und in welchem Umfange struktur er diesen empfängt, wobei er eben bei Nutzung der Hard- oder Softwarekomponenten zu diesen technischen Streaming-Plattform den Stream vermittels der Plattform- Einrichtungen zählen. Wesentlich ist, class mit deren Hilfe ein Lösung und durch diese gestützt bezieht. Wollte er denn Zugang zum gesendeten Werk geschaffen wird. Von schwei- während des Hörvorgangs die Streaming-Plattform verlas- zerischen Gerichten wurde soweit ersichtlich bisher auch sen bzw. diese beenden, würde der Radiostream unvermit- nicht beurteilt, ob neben Hardwarelösungen (z.B. Kabel, telt abreissen, obwohl wie beschrieben der Originalstream Server etc.) auch reine Softwarelösungen (Mobile Apps, weiterhin fiber andere technische Wege abrufbar wäre. Ge- Konsolen usw.) als «technische Einrichtungen» gelten und rade das Eintreten der Nicht-Funktionalität des Empfangs bei daher der Begriff im Sinne von «technischen Massnahmen» einem Verlassen oder Schliessen der Plattform zeigt auf, auszulegen ist.39 Nach diesseitiger Auffassung haben - na- dass bei Nutzung der jeweiligen Streaming-Plattform diese mentlich bei einer technologieneutralen Auslegung - auch eine notwendige technische Bedingung ist, um den Stream reine Softwarelösungen als otechnische Einrichtungen» zu kontinuierlich zu empfangen. Es gibt, wie anhand von Ab- gelten, so dass auch von «technischen Hilfsmitteln» zur Wei- bildung 1 erläutert, neben der Möglichkeit des Plattform- terverbreitung gesprochen werden kann. Daher darf keine empfangs alternative Möglichkeiten, den Radiostream zu einengende Begriffsauslegung bezüglich «technischer Ein- empfangen, was jedoch urheberrechtlich nicht von Relevanz richtungen» erfolgen, welche (reine) Softwarelösungen aus- ist. Gemäss bundesgerichtlichtlicher Rechtsprechung bildet schliessen würde, was eine zwingende Folge der Techno- das Erreichen eines zusätzlichen Publikums bzw. einer sog. logieneutralität ist. Eine entsprechende Auslegung, welche «neuen Öffentlichkeit» keine Voraussetzung der Anwen- die teleologische Betrachtung der Bestimmung von Art. 10 dung von Art. 10 Abs. 2 lit. e URG.41 Ob der Hörer fiber an- Abs. 2 lit. e URG bzw. der entsprechenden Bestimmungen dere technische Zugänge oder durch separate Suchen auf die zu verwandten Schutzrechten im Sinne eines technischen ursprünglichen Sendedaten auch zugreifen könnte, ist mit Hilfsmittels als massgeblich vorgibt, ist namentlich auch Blick auf die rechtliche Qualifikation somit nicht von Be- geboten, um der Weitersendungs-Definition gemäss Rom- deutung, da Art. 10 Abs. 2 lit. e URG wie dargelegt gerade Abkommen Genüge zu tun (Art. 3 lit. g Rom-Abkommen). kein zusätzliches Publikum erfordert42. Soweit namentlich Embedding-Provider daher Simulcasts Die Funktion des Einbettens von Streaming-Kanälen (mittels eigener Serverinfrastruktur oder Software) weiter- und die Datenaggregation stehen dabei neben den Zusatz- verbreiten, liegt eine urheberrechtsrelevante Nutzung vor, funktionalitäten aus Sicht der Hörer im Vordergrund. Aus die einer kollektivrechtlich wahrgenommenen Vergatungs- rechtlicher Sicht ist bedeutsam, dass der Zugang zum Da- pflicht unterliegt, ebenso wie dies bei Betreibem von Kabel- ten-Stream von einer eigenständigen Trägerschaft verfügbar netzen zur traditionellen Weiterleitung von Sendungen der gemacht wird, die einzelnen Radiostationen ihrerseits je- Fall ist.4° Vorliegend stellt sich damit die Frage, ob das in Abbil- dung 1 gezeigte technische Konzept einer Radiostreaming- 39 HILTY/SCHMID/WEBER (Fn. 4), 244; WIGGER/KORRODI (Fn. 15), 470 und 472. Plattfoim den urheberrechtlich relevanten Beitrag (ogesendete 40 H ILTY/SCHM ID/WEBER (Fn. 4), 246 f.; Hinzuweisen ist aber auf die Werke mit Hilfe von technischen Einrichtungen») zur Wei- EuGH vom 21. Oktober 2014, C-348/18 (Vorabentscheidungsersu- terverbreitung der Sendungen beschlägt. Wie oben erläutert, chen), BestWater International GmbH v. Michael Mebes, Stefan Potsch, in dem die Kammer erkennt (Hervorhebung hinzugefügt): bestehen Radiostreaming-Plattformen aus mehreren techni- «Die Einbettung eines out einer Website öffentlich zugänglichen ge- schen, softwarebasierten Komponenten, die namentlich schützten Werkes in eine andere Webseite mittels eines Links unter Mobile Apps far Android und iOS sowie eine in Webbrowser Verwendung der Framing-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von einbettbare Konsole umfassen, mittels derer die Streaming- Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments Daten von Endkonsumenten (Hörern) abgerufen werden. und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter As- Zwar trifft es zu, dass die über die Streaming-Plattform pekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der In- formationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder far ein (App oder Konsole) wiedergegebenen Medienstreams origi- neues Publihum noch nach einem speziellen technischen Veifahren wieder- när von den Streamingservern der jeweiligen Radiostatio- gegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabeun- nen abgerufen werden. Der Endkonsument, d.h. der Hörer, terscheidet.» 41 Das Bundesgericht führte bereits in BGE 107 II 67 ff., E. 3 und 4, aus, besucht dabei aber nicht die Seite des (ursprünglichen) Sen- dass kein «zusätzlichen Erfordernis einer neuen Offentlichkeit ders, sondern nutzt vielmehr die Infrastruktur (Server oder bestehe; vgl. auch BGE 119 II 61, BARRELET/EGLOFF (Fn. 4), URG 10 Appliance (Hardwarekomponenten) und Softwaretechnik) N 40. Dies ist ebenso kein Kriterium des dieser Bestimmung zugrunde liegenden Art. ii> Abs. 1 Ziff 2 RI30. der Streaming-Plattform. Der Hörer verbleibt nach deren 42 Ebenso Art. 33 Abs. 2 lit. b URG betreffend die Recht ausnbender Aufruf der Plattform und während der gesamten Nutzung, Künstler und Künstlerinnen. sic! 1 I 2021 11
Rudolf A. Rentsch Urheberrechtliche Beurteilung von Radiostreaming-Plattformen in der Schweiz doch unabhängig davon nur die originären Streaming-Daten fend deren Radiostreaming Plattform «TuneIn Radio» zu be- aufbereiten. Dabei konfigurieren die Radiostationen zwar urteilen. Mit seinem Lifted [2019] EWHC 2923 (Ch) vom GUI und gewisse Funktionalitäten bezüglich ihres Simul- 1. November 2019 entschied der UK High Court, dass die cast-Streams, bleiben aber notwendigerweise an die Platt- Plattform «TuneIn Radio» eine urheberrechtlich relevante formumgebung gebunden. Dies gilt namentlich für Mobile Nutzung darstellt45 und beurteilte in Europa damit erstmals Apps und Appliances. Aufgmnd dieser kombinierten tech- den komplexen technisch-rechtlichen Sachverhalt einer Ra- nischen Einrichtungen (umfangreiche Softwareplattform), diostreaming-Plattform im Lichte des Urheberrechts. Ob- können Endkonsumenten mittels der jeweiligen App und wohl sich die Rechtslage in Grossbritannien im Bereich der gleichermassen über die zur Verfügung gestellte Konsole für Weitersenderechte wesentlich von der schweizerischen Ge- die Nutzung mittels Browser die verfügbaren Simulcasts setzgebung unterscheidet, ist jenes Lifted aus hiesiger Sicht suchen, anwählen und abspielen. Mit anderen Worten: Die von relevantem Interesse. App und die Konsole sind conditio sine qua non, wenn der Zunächst kann festgehalten werden, dass in Grossbri- Benutzer die Funktionalität der jeweiligen Radiostreaming- tannien bzw. in gemäss UK-Recht geprägten Ländern, an- Plattform nutzen möchte.43 Er kann zwar über andere Wege ders als in der Schweiz, den Phonogrammproduzenten den Simulcast-Stream auch abrufen, muss dann aber andere nicht bloss ein eingeschränktes Leistungsschutzrecht, son- Infrastrukturen einsetzen, was aber aus urheberrechtlicher dern ein exklusives Urheberrecht zusteht. Dieses umfasst Sicht keine Massgeblichkeit hat. auch ein umfassendes Recht der «communication to the pu- Dass der Einsatz der Radiostreaming Technologie auch blic», also der öffentlichen Wiedergabe. Eingeschränkt wird eine eigenständige wirtschafdiche Bedeutung hat, zeigen die dieses im Common Law durch das Prinzip des fair dealing. mit der Radioplayer Technologie erzielten Lizenzumsätze, Die Begründung im Lifted des UK High Court lässt mehrere die Möglichkeit der Generierung (zusätzlicher) Werbeein- Elemente des fair dealing erkennen: nahmen und zudem das wirtschaftliche Zusatzpotenzial - Hat der Rechtsinhaber bei der Lizenzierung des Original- von «Click-and-Buy» Lösungen. Die hiermit verbundenen streams implizit die Einwilligung zu jeglicher weltweiten ökonomischen Aspekte führen auch dazu, dass mit Blick Verbreitung im Internet gegeben? Im positiven Fall stelle auf den rechtlichen Dreistufentest eine freie Nutzung der der Link selber keine unerlaubte communication to the pu- Radiostreaming-Plattform nicht möglich ist, ohne dass da- blic dar; durch ein unzumutbarer Eingriff in berechtigte Interessen - Wird durch die Weitersendung ein neues Publikum er- der entsprechenden Rechteinhaber erfolgen würde. Es kön- reicht? Falls nicht, liege keine unerlaubte communication nen daher entsprechende Radiostreaming-Plattformen nicht to the public vor; nur als Vermittler im Sinne einer blossen Hyperlink-Funk- - Wird für die Weitersendung eine andere Technologie als tionalität gelten, da die Lösungen umfassender und sie viel- die ursprüngliche verwendet? Falls ja sei anzunehmen, mehr als Embedding-Service mit deren Zusatzfunktiona- dass auch ein neues Publikum erreicht werde und es liege litäten zu verstehen sind. Gelegentlich wird auch von eine unerlaubte communication to the public vor. einer «Bündelung» oder einem «Gatekeepingo bezüglich der Ausgehend von diesen Grundsätzen prüft das Gericht, Radiosender gesprochen." Damit erlauben es diese Radio- ob im konkreten Fall eine communication to the public ge- streaming-Plattformen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e geben ist, auch wenn nur technische Links benutzt werden. URG «gesendete Werke mit Hilfe von technischen Einrich- Es kommt in der Detailanalyse zum Schluss, dass aufgrund tungen, deren Träger nicht das ursprüngliche Sendeunter- der besonderen Umstände des Angebots der Radiostrea- nehmen ist, (...) weiterzusenden». Der Begriff «weitersen- ming-Plattform eine communication to the public vorliegt. den» hat dabei keine beschränkende Bedeutung, da es hier- Dem Sachverhalt wird im Urteil das folgende Ablaufschema bei um das funktionale und technologieneutral betrachtete zugrunde gelegt: Weiterleiten des Sendesignals geht. Da folglich auch dieses weitere Qualifikationskriterium der Weitersendung erfüllt ist, liegt eine Nutzung gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. e URG bzw. Art. 33 Abs. 2 lit. b, 35 und 37 lit. a URG vor, was aufgrund der geltenden Rechtslage in der Schweiz eine Rechtein- holung über die zugelassene Schweizer Verwertungsgesell- schaften erfordert (Art. 22 Abs. 1 URG). 43 Im Zusammenhang mit gewissen Anwendungen wie z.B. Autoradios Rechtsvergleichende Betrachtung des Urteils des hat der Hörer zudem typischerweise keine Möglichkeit auf adäquate UK High Courts vom 1. November 2019, [2019] EWHC Weise ohne die Playerfunktionalität Radiostationen anzuwählen, da 2923 (Ch), Warner Music UK Ltd. et al. v. Tuneln Inc. i.d.R. keine URL-Suche zur Verfilgung steht. 44
mit Urheberrechten verbunden. Die Plattform fungiere Station Operator im Wesentlichen als «One-Stop-Shop» far Benutzer far ein einfaches Suchen, Durchstöbem und Hören in der- selben Umgebung. b) Art und Qualität der Linkzusammenstellung: Die von der Plattform gesammelten und kuratierten Daten war- (3) User requests Tune In Stream URL by acieng hyperfine on Indexed Station Page (4)Addlo stream transmitted to user den eine Stationssuche auch nach Kanstlern emlög- Server lichen. Auch wenn eine solche Suche seitens des Inter- net-Radiosenders ermöglicht werde, sei dies aufgrund eines Tuneln-eigenen Stream-Metadaten Monitorings (1) User requests Indexed Station Page möglich, wobei es Hinweise gebe, dass eine entspre- chende Suche nach Internet-Radiosendern auf allgemein (2) Tune In responds with Indexed Station Page verwendeten Suchmaschinen nicht Ergebnisse der glei- chen Art liefern würde. Tuneln sei daher nicht eine kon- vemionelle Suchmaschine. c) Framing von Inhalten: Bei der Auswahl eines Senders User warden zwar auf technischer Ebene Hyperlinks zum Stream bereitgestellt, doch aus Sicht des Benutzers war- Abbildung 2 (abgebildet im Urteil des UK High Courts, [2019] EWHC 2923 (Ch) vom 1. November 2019, E.125) den die Inhalte auf der Tuneln-Site zur Verfagung ge- stellt. Es handle sich hierbei um eine Art Framing. d) Plattformkonsistenz und Beständigkeit der gestream- Dieser technische Sachverhalt entspricht den in Abbildung 1 ten Inhalte: Die Beständigkeit des Inhalts, auf den der detaillierter gezeigten Gegebenheiten bzw. dem oben aus- Benutzer verlinke, hänge mit dem Framing zusammen, führlich beschriebenen Workflow, so dass hinsichtlich der widerspiegle aber einen anderen Punkt. Eine der Folgen technischen Abläufe auf das oben Gesagte verwiesen werden der Bereitstellung von Streams sei, dass sie über die kann. Der UK High Court merkt zu dem vorstehenden Prin- Zeit hinweg fortbestünden, während der Benutzer sie zipschema gemäss Abbildung 2 von TuneIn Radio Folgendes anhöre. In einer herkömmlichen Suchmaschine gelange an: Obwohl dessen technische Genauigkeit nicht in Zweifel ein Benutzer jeweils auf die neue Website, woraufhin die stehe, vereinfache dessen Charakterisierung nach Auffassung Beteiligung der Suchmaschine beendet sei (othe involve- des Gericht den von TuneIn Radio den Benutzern angebote- ment of the search engine is over»). Dies sei beim Dienst nen Dienst zu stark (es sei «over-simplified»).46 Das Gericht von TuneIn aber gerade anders (was sich z.B. am Ein- erwägt in diesem Zusammenhang, dass nicht die technische blenden eigener visueller Werbung zeige). Detailbetrachtung, sondern der Dienst in seiner gesamten e) Kommerzielle Tätigkeit: Tuneln erfolge im Rahmen Ausgestaltung zu betrachten sei. Im Wortlaut des Urteils sei eines kommerziellen Betriebs, und die in Frage stehende bei der urheberrechtlichen Beurteilung das Gesamtangebot Verlinkung sei der Kern dieses Geschäfts. zu beachten: «A fair description of TuneIn Radio is that it f) Bedeutung der Wiedergabe von Musik: Auch wenn dies provides users with a user-friendly, browseable and sear- einen Aspekt des vorstehenden Punktes bilden möge, chable platform of radio stations and other audio content, habe das Abspielen von Musik von Internet-Radiosen- which enables users to easily select and listen to music radio dern eine besondere Bedeutung far Tuneln. Es sei daher stations. While I accept many of the features of TuneIn Radio nicht unvernanftig von der Plattform zu erwarten, dass are provided by conventional search engines, and I accept diese den damit verbundenen Fragen der Rechteklärung that at its heart what TuneIn Radio provides is a link to a besondere Aufmerksamkeit widme. stream such that the stream, when played, comes from the Kategorisierung: Tuneln Radio ermögliche es den Be- intemet radio station website rather than from TuneIn, ne- nutzern, nach Musikkategorien wie Ort, Genre und vertheless in my judgment it is not accurate to characterise Sprache zu suchen, gegebenenfalls auch nach Unterkate- TuneIn as providing a conventional search engine service. It gorien. Dies sei die am häufigsten verwendete Methode is much more than that.»47 far Benutzer, um Audioinhalte zu finden. Musiksender Das Urteil erwähnt in diesem Zusammenhang mit warden auf der Grundlage der von den Sendern bereit- Blick out dieses «more than that» im Sinne eines nicht ab- gestellten Informationen und Faktoren in Kategorien schliessenden Indizienkatalogs eine Liste von mehreren Ser- eingeteilt, wie z.B. der geografischen Lage. vice-Besonderheiten, die aufzeigen, dass es sich bei dieser h) Kuration von Stationslisten: Neben der Kategorisierung Radiostraming-Plattform nicht um eine blosse Hyperlink- der Stationen kuratiere TuneIn Listen von Radiostatio- Zusammenstellung handelt:48 nen und Programmen, um sie den Benutzern als Teil a) Aggregation von Links zu Audiostreams: Die Tatsache, dass TuneIn Links gezielt zu Audio-Streams aggregiere, 46 UK High Court 120191 EWHC 2923 (Ch), E. 126. sei relevant. Die Audiostreams warden namentlich Mu- 47 UK High Court [20191 EWHC 2923 (Ch), E. 127. sik enthalten und seien daher mit Wissen des Anbieters 48 UK High Court [20191 EWHC 2923 (Ch), E. 123, E. 128, E. 148. sic! 11 2021 13
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