Lichtblicke auf der Gasse - DIAKONIE - UND AUSSERDEM: Gott poetisch auf der Spur - Wie gut läuft die Reform? - Wie halten wir es mit Symbolen? ...

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Lichtblicke auf der Gasse - DIAKONIE - UND AUSSERDEM: Gott poetisch auf der Spur - Wie gut läuft die Reform? - Wie halten wir es mit Symbolen? ...
Nr. 1 Februar 2021
                                                                        Zeitschrift für die Mitarbeitenden der
                                                                                         Zürcher Landeskirche

                                DIAKONIE
                 Lichtblicke auf der Gasse

                                 UND AUSSERDEM:
Gott poetisch auf der Spur — Wie gut läuft die Reform? — Wie halten wir es mit Symbolen?
Lichtblicke auf der Gasse - DIAKONIE - UND AUSSERDEM: Gott poetisch auf der Spur - Wie gut läuft die Reform? - Wie halten wir es mit Symbolen? ...
2   EDITORIAL

                                                      3
                                                      AKTUELL
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                                                      5
                                                      KOMMENTAR
                                                      Gottesdienste feiern?
                                                      Jetzt?
                CHRISTIAN SCHENK
                 Redaktor «notabene»
                                                      6
                                                      SCHWERPUNKTE
    Liebe Leserin, lieber Leser                       Gott poetisch auf die
    Mit den Worten des «Unservaters» zu spie-
    len, hielt ich einst für ein unnötiges und fast
                                                      Spur kommen – mit Kurt
    schon verbotenes Manöver. Dieses Gebet,           Marti
    von Jesus überliefert, über Generationen
    weitergegeben und von Menschen auf der
    ganzen Welt immer wieder gesprochen, hätte        8
    ich nicht anzutasten gewagt. Die Worte
    wogen schwer, waren ein für alle Mal gesetzt
                                                      KirchGemeindePlus: Wie
    wie fix aufgereihte Steine auf einem Zählrah-     gut läuft die Reform?
    men. Da verändert man nichts, auch wenn
    man das eine oder andere nicht versteht.
        Und dann erfuhr ich von einem, der da         10
    weniger Hemmungen kennt. Ein Pfarrer
    notabene, der den fest verschraubten Rah-
                                                      Was wir uns wünschen?
    men öffnet, die Worte in die Hand nimmt,          «Ein Daheim» – Repor-
    vorsichtig und liebevoll – und sie neu for-
    miert und konjugiert. Er sprach damit nicht
                                                      tage aus der Sunestube
    nur «unseren Vater» neu an, sondern auch
    mich als Beter und Leser. Er forderte mich
    heraus, nahm mich in die Pflicht. Das war
                                                      13
    Kurt Marti, der Berner Pfarrer, der mit seinem    Themen und Termine
    poetischen Zugang zu Gott so vieles und so
    viele in Bewegung gebracht hat. Ein Bericht
    in diesem Heft (ab Seite 6) würdigt den           15
    Dichter-Pfarrer.
        «Dein Name werde Bewegung», heisst es
                                                      PORTRÄT
    bei ihm; «dein Name werde Tätigkeitswort».        Jutta Lang – urbanes
    Allein dieser Gedanke, dass Gott nicht nur
    ein majestätisch thronendes Hauptwort,
                                                      Kirchenleben
    sondern pure Bewegung sein kann, lässt
    Menschen aufbrechen und anpacken, «zet-
    telt» Nächstenliebe an. Bis heute. Auch
                                                      16
    davon ist – mit einer Reportage aus der           IMPRESSUM &
    Obdachlosenhilfe in Zürich – in diesem Heft
    (ab Seite 10) zu lesen.
                                                      CARTOON
    Eine gute und bewegende Lektüre!
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PANDEMIE                                               KIRCHENRAT
—Verschärfte Massnahmen                                —Bruno Kleeb soll Nachfol-
und Homeoffice-Pflicht                                 ger von Daniel Reuter werden
KOM.  Seit dem 18. Januar und voraussichtlich bis      KOM. Die Evangelisch-Kirchliche Fraktion (EKF)
Ende Februar gelten die vom Bundesrat verschärf-       schlägt Bruno Kleeb zur Wahl als Kirchenrat vor.
ten Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie             Dies gab die Fraktion am 19. Januar bekannt. Der
Covid-19. Bis anhin war Homeoffice eine Empfeh-        Synodale Oliver Madörin, den die Fraktion zuvor
lung. Nun ist es Pflicht. Die Kirchenpflegen sind      für den nach dem Rücktritt von Daniel Reuter va-
daher aufgefordert, für ihre Mitarbeitenden Homeof-    kanten Sitz in der Exekutive der Landeskirche por-
fice anzuordnen, sofern Aufgaben und Tätigkeiten       tiert hatte, hat seine Kandidatur aus persönlichen
dies zulassen. «Wo Home-Office nicht oder nur zum      Gründen zurückgezogen. Wahltermin in der Kir-
Teil möglich ist, sind weitere Massnahmen am Ar-       chensynode ist der 23. März.
beitsplatz nötig. Neu soll zum Schutz von Arbeit-           Bruno Kleeb wird dieses Jahr 50-jährig, ist ver-
nehmenden in Innenräumen überall dort eine Mas-        heiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.
kenpflicht gelten, wo sich mehr als eine Person in     Er wuchs im Zürcher Oberland auf. Nach der Schul-
einem Raum aufhält.»                                   zeit absolvierte er eine Lehre als Schreiner für Mö-
     Der Artikel der bundesrätlichen Verordnung,       bel und Innenausbau. In den 90er-Jahren besuchte
der «religiöse Veranstaltungen mit bis zu 50 Perso-    er die Fachhochschule Aarau und schloss als Sozi-
nen» zulässt, wurde nicht gestrichen. Somit sind       alpädagoge FH ab. Er arbeitete als Arbeitstherapeut
Gottesdienste unter Einhaltung der Schutzmassnah-      in einer Wiedereingliederungsstätte, als Personalbe-
men möglich. Das Ziel der Homeoffice-Massnah-          rater beim RAV und als Amtsvormund bei der Stadt
me, die Zahl der Kontakte zu reduzieren, gilt aber     Wetzikon. Seit mehr als 12 Jahren ist er Heimleiter
auch hier, nicht nur im Gottesdienst selber, sondern   des Alters- und Pflegeheims Böndler in seiner
auch davor und danach bzw. auf dem Hin- und dem        Wohngemeinde Bauma.
Rückweg. Die Kirchgemeinden sind deshalb aufge-             Bruno Kleeb ist Präsident der Geschäftsprü-
fordert, sorgfältig zu prüfen, ob und wie die Durch-   fungskommission der Kirchensynode. Dem kanto-
führung eines Gottesdienstes aufgrund der lokalen      nalen Kirchenparlament gehört er seit 2006 an.
Umsetzungsmöglichkeiten der Schutzmassnahmen           Während drei Amtsdauern war Bruno Kleeb Mit-
zu verantworten ist – gerade in Anbetracht der ge-     glied der Kirchenpflege an seinem Wohnort, acht
nerell verschärften Massnahmen. In Erwägung zu         Jahre davon als Präsident. Seine Fraktion beschreibt
ziehen ist auch, Gottesdienste nur noch einmal und     ihn als Kandidaten, der sich mit seiner grossen be-
nicht wie in der Weihnachtszeit mehrfach durchzu-      ruflichen und kirchlichen Erfahrung kompetent und
führen und auf Online-Angebote auszuweichen            sachbezogen im Kirchenrat einbringen werde.
(siehe dazu auch den Kommentar auf Seite 5).
     Die Bestimmung, wonach sich Exekutiven und
Legislativen ohne Zahlenbegrenzung treffen dürfen,
gilt weiterhin. Zu beachten ist aber, dass unabhän-    KOLLEKTE
gig vom Einhalten der Abstände in jedem Fall Mas-
ken getragen werden müssen.                            —Spenden mit Bezahl-App
     Der Kirchenrat bedauert in seinem Schreiben       KOM. Die Beschränkung der Teilnehmenden-Zahl
vom 13. Januar, dass die schwierige Situation auch     bei Gottesdiensten bzw. die Durchführung elektro-
im neuen Jahr anhält. Er zeigte sich aber beein-       nischer Formate führen zu Einnahme-Rückgängen
druckt «von der Motivation, Ausdauer und Kreati-       bei den Kollekten. In dieser Situation hilft es, wenn
vität, mit der die Kirchgemeinden die Advents- und     Kirchgemeinden die Bezahlung der Kollekte auf
Weihnachtszeit gestaltet haben und auf diesem Weg      elektronischem Weg ermöglichen – beispielsweise
vielen Menschen einen Lichtblick in schwieriger        mit der Bezahl-App Twint.
Zeit vermitteln konnten».                                  Dazu muss die Kirchgemeinde in der App einen
                                                       Store erfassen. Der entsprechende QR-Code kann
                                                       online publiziert und am Kollektentopf befestigt
                                                       werden. Wichtig ist bei der Verbuchung der Zah-
                                                       lungseingänge, dass die Spenderinnen und Spender
                                                       anonym bleiben. Die Streetchurch, die Kirchge-
                                                       meinde Zürich Hirzenbach und weitere Gemeinden
                                                       nutzen Twint bereits. Gute Erfahrungen hat auch die
                                                       Kirchgemeinde Bergdietikon gesammelt. Bei einem
                                                       Konfirmationsgottesdienst in diesem Sommer sind
                                                       dort rund die Hälfte der Kollekten via Twint einge-
                                                       gangen, wie die Zeitschrift «a+o» der Aargauer
                                                       Landeskirche berichtet.
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4   AKTUELL

                                                       NACH KOVI
     NACHGEFRAGT
     —Die Symbole                                      —Druck auf NGO՚s steigt
                                                       ROD/REF.CH. Der politische Druck auf Nichtre-
     der anderen                                       gierungsorganisationen (NGO) wird in der
     SCH. Kruzifix, Kopftuch und Co.                   Schweiz grösser. Dies monieren Dieter Wüth­
     – Wie gehen wir um mit religiösen Sym-            rich, Leiter Medien beim Heks, und Bernard
     bolen? Fragen an Marc Bundi, Beauftrag-           DuPasquier von Bfa in einem Artikel auf ref.
     ter der Zürcher Landeskirche für den              ch. Seit dem Abstimmungskampf um die
     Interreligiösen Dialog, im Vorfeld der            Konzernverantwortungsinitiative (KOVI)
     Abstimmung über das Verhüllungsverbot.            gebe es verstärkt Bestrebungen, die NGO’s
                                                       enger an die Leine zu nehmen.
     Im Umgang mit religiösen Symbolen sind                 Ende des letzten Jahres hat die Direktion
     wir Reformierten so sparsam wie kaum              für Entwicklung und Zusammenarbeit ange-
     jemand. Warum messen andere Religi-               kündigt, dass NGO’s Gelder vom Bund nicht
     onsgemeinschaften ihnen mehr Wert bei?            mehr in die Informations- und Bildungsarbeit
         Im Zuge der gesellschaftlichen Säkulari-      in der Schweiz investieren dürften. Zwar sind
         sierung wird die traditionelle christliche    Heks und Bfa von dieser Einschränkung
         Symbolik im öffentlichen Raum zuneh-          nicht betroffen, trotzdem sehen sie die neue
         mend in Frage gestellt. Gleichzeitig          Regelung kritisch. Die Bevölkerung müsse
         rücken mit der religiösen Pluralisierung      über die Ursachen des Geschehens im globa-
         Symbole der als fremd empfundenen             len Süden informiert werden, wird DuPas-
         Religionen ins Blickfeld. Mit dem Tragen      quier von Bfa zitiert.
         solcher Symbole wird selbstbewusst                 Auch die Kirchen sehen sich mit Kritik
         Zugehörigkeit zu einer bestimmten             für ihr Engagement im Abstimmungskampf
         religiösen Gemeinschaft signalisiert, was     der Konzernverantwortungsinitiative kon-
         wiederum den multireligiösen Charakter        frontiert. Nachdem eine Beschwerde der
         unserer Gesellschaft sichtbar macht.          Jungfreisinnigen ans Bundesgericht gelangt
                                                       ist, bezog Mitte Januar auch die Bundeskanz-
     Man kann religiöse Symbole und Kleider            lei Position und bezeichnete das Verhalten
     der anderen auch als Abgrenzungsmerk-             der Kirchen als «zumindest grenzwertig»,
     male wahrnehmen ...                               wie ref.ch berichtete. Die Bundeskanzlei
         Ich sehe sie grundsätzlich nicht als          spreche sich für eine Klärung aus, ob das
         Zeichen der Abgrenzung, sondern als           kirchliche Engagement zulässig gewesen sei.
         Ausdruck einer religiösen und kulturellen
         Vielfalt, die unsere Gesellschaft berei­
         chert. Mit einer solchen Haltung begegne
         ich Menschen unvoreingenommen und
         reduziere sie nicht auf das, was ich glaube   75 JAHRE HEKS
         den Symbolen entnehmen zu können. Ich
         lasse lieber die Menschen über sich und       —So feiert das Hilfswerk
         ihre Religion sprechen, als die Symbole,      KOM. Das Heks feiert 2021 sein 75-jähriges
         die sie zur Schau stellen.                    Bestehen und will das Jubiläumsjahr nach ei-
                                                       genen Angaben nutzen, um zurückzuschauen
     Wie diskutieren Vertreter der Religionsge-        auf die bewegte Geschichte des Hilfswerkes.
     meinschaften in Zürich das Thema, wenn            Gleichzeitig will es einen Blick in die Zu-
     gewisse Symbole wie Burka oder Niqab              kunft werfen, die es gemeinsam mit «Brot für
     mittels Initiative verboten werden sollen?        alle» begehen wird. Das Heks wurde nach
         Viele Stimmen aus den Religionsgemein-        dem Zweiten Weltkrieg vom Evangelischen
         schaften stehen der Burka und dem Niqab       Kirchenbund gegründet, um die europäische
         kritisch gegenüber, lehnen ein Verbot aber    Bevölkerung zu unterstützen. Aus der Wie-
         dennoch ab. Einerseits finden sie, dass mit   deraufbauhilfe im kriegsversehrten Europa
         der Burka-Frage Symbolpolitik betrieben       entwickelte sich ein weltweites Engagement
         wird, die ein Scheinproblem bewirtschaf-      für eine gerechtere Welt.
         tet. Andrerseits äussern Stimmen aus den          Um Stationen des Wirkens zu reflektie-
         Religionsgemeinschaften die Befürchtung,      ren, plant das Heks im Lauf des Jahres diver-
         dass ein Verschleierungsverbot weitere        se Aktivitäten. Bereits verfügbar ist eine Fo-
         Verbote religiöser Symbole oder religiös      toausstellung, die Einblick in das reichhaltige
         bedingter Bekleidung nach sich ziehen         Bildarchiv eröffnet. Die Wanderausstellung
         und die Religionsfreiheit im Grundsatz        in 12 Stellrahmen wird nach Wunsch vom
         gefährden könnte.                             Heks geliefert und auf- wie abgebaut.
                                                       An der Wanderausstellung Interessierte melden sich
                                                       bei projektdienst@heks.ch. Weitere Infos: heks.ch
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ELTERNBRIEFE
—Aus «Wegzeichen» wird
                                                        Kommentar
«farbenspiel.family»
KOM. Aus den nüchternen Elternbriefen wird die
kunterbunte Webseite «farbenspiel.family» – das
ökumenische Gemeinschaftsprojekt macht es mög-
lich. Seit über 25 Jahren hatten die Elternbriefe
«Wegzeichen» Eltern inspiriert, mit ihren Kindern
spirituelle Themen zu entdecken und zu leben. In
dieser Zeit habe sich das Informations- und Lese-                   MICHEL MÜLLER
verhalten junger Eltern drastisch verändert, schreibt               Kirchenratspräsident
Oliver Wupper-Schweers, zuständig für Familienar-
beit in der Zürcher Landeskirche, in einer Medien-      Gottesdienst feiern?
mitteilung. «Moderne Mütter und Väter warten            Während der Kirchenratssitzung kündigte
nicht mehr auf Informationen. Sie holen sie sich.»      der Bundesrat den zweiten Lockdown an.
Daher verwandeln sich die Elternbriefe von einst in     Zuerst herrschte Aufregung, bis sich her-
eine farbenfröhliche und informative Website, auf       ausstellte: Religiöse Feiern mit bis 50
der Eltern eine Menge Informationen und Inspirati-      Personen bleiben erlaubt. Sollten wir uns
onen finden.                                            freuen? Sind die Kirchen doch «systemrele-
    Sie haben dort Zugriff auf zahlreiche Beiträge      vant»?
kompetenter Autorinnen und Autoren zu unter-               Es stimmt wohl: Es gibt wenigstens noch
schiedlichsten Themen. So findet etwa eine Mutter       einen Ort, an dem Menschen Gemeinschaft
unter dem Stichwort «Tischgebete» auf farbenspiel.      finden. Und doch beschlich mich auch ein
family eine Auswahl an ansprechenden Gebeten.           mulmiges Gefühl: Sind das nicht egoisti-
    Farbenspiel.family ist ein ökumenisches Ge-         sche Privilegien der Kirchen? Braucht es
meinschaftsprojekt der reformierten und der katho-      wirklich Gottesdienste? Der soziale Aspekt
lischen Kirche des Kantons Zürich, der reformierten     kann nicht allein als Begründung dienen in
Kirchen Bern-Jura-Solothurn und der römisch-ka-         einer säkularen Gesellschaft, die Sport-,
tholischen Landeskirche des Kantons Bern. Als Er-       Kultureinrichtungen und Gaststätten
gänzung zur Webseite gibt es Broschüren, etwa zum       schliesst, wo mindestens so viele Men-
Thema «Abschied, Tod und Trauer gestalten». At-         schen Gemeinschaft finden wollen. Müss-
traktives Werbematerial wie etwa eine hübsche Ge-       ten nicht die Kirchen aus Solidarität
schenkbox ist erhältlich im Webshop des Verbandes       schlies­sen und ihren Beitrag zur Eindäm-
«Kind und Kirche».                                      mung der Pandemie leisten?
Weitere Informationen bei Oliver Wupper-Schweers,          Als der Kirchenrat dies ein erstes Mal zur
oliver.wupper-schweers@zhref.ch                         Prüfung empfahl, bekam er Zustimmung,
                                                        aber auch Kritik: Gibt sich so die Kirche
                                                        nicht selbst auf, ist doch der Gottesdienst
                                                        der «Quellort» der Gemeinde? Ein Gottes-
                                                        dienst darf nicht einem persönlichen oder
                                                        kirchlichen Selbstzweck dienen. Vielmehr
                                                        glaube ich, dass die Gesellschaft spürt,
                                                        dass sie Orte und Gemeinschaften braucht,
                                                        wo Gefühle der Verunsicherung, Angst und
                                                        Trauer, aber auch Hoffnung und Liebe
                                                        ausgedrückt werden. Ich persönlich tue das
                                                        stellvertretend für meine Nächsten und
                                                        Fernen, die nicht zusammenkommen
                                                        können oder wollen. Die Gottesdienstge-
                                                        meinde lobt, dankt und bittet zu Gott:
                                                        Jeden Sonntag findet ein «Bettag» statt,
    «Elternbriefe» kommen künftig auf digitalem Weg.    auch für Gebetsanliegen, die in ein Buch
    Anklicken auf: farbenspiel.family
    Foto: zVg                                           eingetragen oder zugesandt werden und
                                                        am Sonntag vor Gott gebracht werden.
                                                        Nicht nur zur persönlichen Erbauung,
                                                        sondern als Licht, das allen leuchten soll.
                                                        Diese Feier darf auch via Streaming in die
                                                        Welt hinaus «strahlen». Eine solche Aufgabe
                                                        ist für die Kirche kein Privileg, sondern
                                                        Dienst an der ganzen Gesellschaft!
Lichtblicke auf der Gasse - DIAKONIE - UND AUSSERDEM: Gott poetisch auf der Spur - Wie gut läuft die Reform? - Wie halten wir es mit Symbolen? ...
6   SCHWERPUNKT

                                  100 JAHRE KURT MARTI

                Gott poetisch
                auf die Spur
                  kommen
      Am 31. Januar wäre Kurt Marti 100 Jahre alt geworden.
      Der Pfarrer und Sprachkünstler kam Gott mit Poesie auf
          die Spur und hielt die Kirche politisch auf Trab.
                                               Von Christian Schenk

    «Jetzt, da alles ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt   bräuchliche Beerdigungsformeln, wonach es Gott
    wird, erquickt mich Gottes Verborgenheit», schreibt     gefallen haben soll, dass ein Familienvater gestor-
    Kurt Marti 2010. Er ist damals 89, lebt im Alters-      ben ist, protestiert Kurt Marti beispielsweise in sei-
    heim und gesteht gegenüber einem Journalisten der       nen berühmt gewordenen Leichenreden:
    «Wochenzeitung», der ihn dort besucht: «Ich gehö-           dem herrn unserem gott / hat es ganz und gar
    re zum 20. Jahrhundert, das jetzige wird mir fortzu     nicht gefallen / dass gustav e. lips / durch einen ver-
    fremder.» Es sind dies bald die letzten Zeilen von      kehrsunfall starb
    Kurt Marti, die veröffentlicht werden. Er fühlt sich         und weiter: dem herrn unserem gott / hat es
    manchmal «überzählig». Bitter wird Marti aber           ganz und gar nicht gefallen / dass einige von euch
    auch im hohen Altern nicht: «Ich wurde geliebt, also    dachten / es habe ihm solches gefallen
    war ich.» Sieben Jahre nach diesen «Spätsätzen»
    stirbt Kurt Marti im Alter von 96 Jahren.                   Auch das Unservater schreibt Marti dichterisch
                                                            neu. Er will Gott nicht mehr einen alten Mann sein
    Politisch engagiert                                     lassen und fordert die Kirche mit den damals hoch
        In den 1950er Jahren hatte der Berner Pfarrer       provokanten Zeilen heraus:
    mit Schreiben begonnen und erste Poesie- und Pro-           unser vater / der du bist die mutter / die du bist
    sastücke veröffentlicht. Die schriftstellerische Tä-    der sohn / der kommt / um anzuzetteln / den himmel
    tigkeit «erweitert und beschleunigt sich» und er-       auf erden …
    weist sich als gute Alternative zu einer                    Der bis heute viel beachtete und oft zitierte Pfar-
    «Midlife-Crisis», wie Marti in seinen autobiografi-     rer will eine Kirche, die sich einmischt. Sein Gott ist
    schen Notizen schreibt.                                 kein statisches Hauptwort, er erkennt ihn als in allen
        Marti nimmt in jener Zeit vermehrt politisch        Zeiten konjugierbares Verb. Damit hebt er auch den
    Stellung, engagiert sich gegen Atomwaffen und           Stellenwert der Diakonie in der Kirche. «Dass Gott
    -werke und setzt sich als Mitbegründer der «Erklä-      ein Tätigkeitswort werde», darauf berufen sich bis
    rung von Bern» für Menschenrechte in der Dritten        heute unzählige Engagierte in den Kirchgemeinden.
    Welt ein. Auch innenpolitisch mischt er sich ein,       Auch in der Zürcher Landeskirche findet sich dieses
    eckt damit an, verärgert beispielsweise die damalige    Zitat in der Einleitung ihres Diakoniekonzepts.
    Berner Kantonsregierung, die ihn als zu linken              Auch der Auferstehung spürt Kurt Marti poe-
    Theologen erachtet und ihm einen Lehrauftrag an         tisch mit einem Frage-Antwort-Spiel nach:
    der Universität verweigert.                             ihr fragt / was ist die auferstehung der toten? / ich
                                                            weiss es nicht
    Neue Sprache für den Glauben                            ihr fragt / wann ist die auferstehung der toten? / ich
        Neben politisch engagierter Lyrik sucht Marti       weiss es nicht (...)
    als Pfarrer an der Berner Nydegg Kirche auch für        ich weiss / nur / wonach ihr nicht fragt: / die aufer-
    Glaubensfragen eine neue Sprache. Für damals ge-        stehung derer die leben
Lichtblicke auf der Gasse - DIAKONIE - UND AUSSERDEM: Gott poetisch auf der Spur - Wie gut läuft die Reform? - Wie halten wir es mit Symbolen? ...
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                                                                                                     Künstler, Pfarrer, Freund
                                                                                                     Die Essaysammlung von Freun-
                                                                                                     den und Weggefährtinnen Martis
                                                                                                     eröffnet neue und persönliche
                                                                                                     Perspektiven auf das Leben und
                                                                                                     Schaffen des Dichterpfarrers.
                                                                                                     Franz Hohler, Joy Matter, Fredi

                                                       Foto: Hektor Leibundgut, Bern. kurtmarti.ch
                                                                                                     Lerch, Klaus Bäumlin und weitere
                                                                                                     Autorinnen und Autoren beschrei-
                                                                                                     ben aus ihrer Warte, wie sie mit
                                                                                                     Kurt Marti unterwegs waren, was
                                                                                                     sie mit ihm verband und wie er
                                                                                                     sie geprägt hat. Immer wieder
                                                                                                     kommt auch Kurt Marti selbst zu
                                                                                                     Wort. Eine faszinierende und
                                                                                                     bewegende Lektüre.
                                                                                                     Klaus Bäumlin (Hg.): Kurt Marti,
                                                                                                     Sprachkünstler, Pfarrer, Freund. TVZ
                                                                                                     2020. 174 Seiten, Fr. 16.20

                                                                                                     Läuten und eintreten
                                                                                                     «Kurt Marti hat keine dicken
                                                                                                     Bücher geschrieben», halten die
    Er holt die Auferstehung ins Hier und Jetzt. Ihr                                                 Herausgeber fest und fassen
Geheimnis plump aufschlüsseln zu wollen, lässt er                                                    Martis Kurzprosa und Lyrik in ein
bleiben. Stattdessen mündet sein lyrischer Erklä-                                                    ziemlich dickes Buch. Das Lese-
rungsversuch in einem Aufruf an uns alle:                                                            buch führt durch das Kirchenjahr.
                                                                                                     Marti sinniert theologisch,
          ich weiss                                                                                  schreibt akrobatisch und argu-
                                                                                                     mentiert politisch, er setzt Hoff-
              nur                                                                                    nungszeichen und platziert
      wozu Er uns ruft:                                                                              Pamphlete. In aller Auflehnung
                                                                                                     bleibt eine bejahende Haltung
 zur auferstehung heute und                                                                          zum Auferstandenen: «Soll man

             jetzt
                                                                                                     mit ihm, mit Jesus noch rechnen?
                                                                                                     Nichts spricht dafür, dass man es
                                                                                                     tun soll. Nichts ausser: Ostern.
                                                                                                     Nichts ausser dem Ja Gottes zum
                                                                                                     Gekreuzigten.»
                                                                                                     Kurt Marti: Läuten und eintreten
                                                                                                     bitte. Ein Lesebuch im Jahreslauf, hg
             Studientag online                                                                       von Ralph Kunz und Andreas Mauz.
                                                                                                     TVZ 2020, 254 Seiten, Fr. 28.–
             «Die gesellige Gottheit am Werk».                                                       Weitere Werke und Bild- und
             Kurt Marti, Theologe und Dich-                                                          Tonaufnahmen unter: www.tvz.ch
             ter-Pfarrer. Zu seinem 100. Ge-
             burtstag würdigen ihn Universität
             und Kirche als Theologen: mit                                                           Gemeinsam Texte lesen
             Vorträgen und Workshops, Erin-                                                          Mehr erfahren über Martis Leben
             nerungen und einer Lesung.                                                              und seine radikale und zugleich
             1. März, 9.15 bis 17 Uhr. Kontakt:                                                      verletzliche theologische Exis-
             barbara.bays@refbejuso.ch                                                               tenz. Kontakt: Pfr. Matthias
             Infos: bildungkirche.ch/weiterbil-                                                      Rüsch. www.refuster.ch
             dung/weiterbildungskurse/                                                               19. Februar, 18 bis 21 Uhr Kirch-
             gesamtubersicht                                                                         gemeindehaus Kreuz, Uster
Lichtblicke auf der Gasse - DIAKONIE - UND AUSSERDEM: Gott poetisch auf der Spur - Wie gut läuft die Reform? - Wie halten wir es mit Symbolen? ...
8   BEGLEITFORSCHUNG

                                 KIRCHGEMEINDEPLUS

       Wie gut läuft die
          Reform?
     Eine externe Begleitforschung beobachtet den Reform­
    prozess «KirchGemeindePlus». Jetzt liegen ein Zwischen­
      bericht und Empfehlungen für Nachbesserungen vor.
                                            Von Christian Schenk

    Seit 2012 ist die Landeskirche auf dem Weg, sich      4. Auf die Arbeitsbelastung sowie Veränderungen
    zukunftsfähig auszurichten: Zusammenschlüsse von in den Rollen und Aufgaben von Pfarrpersonen und
    Kirchgemeinden sollen Kräfte bündeln und neue Angestellten solle von Seiten der Landeskirche ein
    Räume schaffen, damit die Kirche das Gemeindele- grösseres Augenmerk gelegt werden.
    ben vielfältig und nahe bei den Menschen gestalten    5. Die Wirkung der sich ändernden Rahmenbedin-
    kann. Das ist die Vision des von Kirchensynode und gungen, beispielsweise die Bemessung der Pfarr-
    Kirchenrat angestossenen und mit dem Titel «Kirch- stellen, müsse stärker beachtet werden. Dazu zählen
    GemeindePlus» versehenen Prozesses. Ein Grossteil auch der voraussichtliche Rückgang von Kirchen-
    der Kirchgemeinden hat sich ihm angeschlossen und steuern und der Mitgliederrückgang.
    treibt ihn in eigener Verantwortung voran.
        Wie gut ist der Reformprozess bisher gelungen? So reagiert der Kirchenrat
    Und wie kann er gefördert und gesteuert werden?         Der Kirchenrat bewertet Bericht und Empfeh-
    Um diese Fragen nicht nur aus der Binnenperspek- lungen in seiner Stellungnahme positiv. Er hält fest,
    tive zu beantworten, untersucht das unabhängige dass einige der Empfehlungen bereits in Umsetzung
    Forschungsinstitut Interface (Luzern) im Auftrag oder in die Legislaturziele eingeflossen sind: Die
    von Kirchensynode und Kirchenrat den Prozess im Empfehlung zur vermehrten Partizipation von Mit-
    Zeitraum von 2018 bis 2023. Jetzt liegt ein Zwi- arbeitenden und Behörden zur inhaltlichen Entwick-
    schenbericht vor, der den Prozess der letzten zwei lung des Prozesses begrüsst er und weitet sie aus:
    Jahre analysiert und in fünf Bereichen Empfehlun- «Nicht nur Profis, alle gestalten Kirche und haben
    gen für die zukünftige Gestaltung formuliert:       das Potenzial, mit ihrem Engagement die inhaltliche
      1. Für die inhaltlich-theologische Weiterentwick- Entwicklung ihrer Kirchgemeinde voranzutreiben.»
    lung von «KirchGemeindePlus» und der Entwick-           Bei der zweiten Empfehlung weist der Kirchen-
    lung von innovativen Kirchenformen bedarf es ge- rat unter anderem auf die seit 2016 ausgerichteten
    mäss der externen Expertise weiterer Unterstützung Integrationsbeiträge und auf die Unterstützung der
    durch die Landeskirche sowie partizipativer Prozes- Kirchgemeinden durch Fachleute der Abteilung
    se mit Einbezug von Kapiteln, Kirchen- und Kirchentwicklung hin. Zurückhaltender ist der Kir-
    Bezirkskirchenpflegen. Nach wie vor bestehe im chenrat bei der dritten Empfehlung, namentlich bei
    Reformprozess das Bedürfnis nach einer Auseinan- der Einschätzung von Zusammenarbeitsverträgen
    dersetzung mit den Inhalten.                        als Vorstufe von Zusammenschlüssen. Der Kirchen-
      2. Kirchgemeinden, die den Zusammenschluss rat beobachtet, dass ein solches Zusammenarbeiten
    vollzogen haben, brauchen bei der inhaltlichen Ge- zu einem hohen Koordinationsaufwand führt und
    meindeentwicklung und der Weiterentwicklung ih- für Behörden und Mitarbeitende zur zusätzlichen
    rer Organisationsstruktur weitere Unterstützung Belastung wird. Unbestritten ist für ihn hingegen,
    und Begleitung.                                     dass eine übergemeindliche Zusammenarbeit in ein-
      3. Die Zusammenarbeit von Kirchgemeinden sol- zelnen Feldern fruchtbar ist und den Boden für ei-
    le der Kirchenrat als Vorstufe zu Zusammenschlüs- nen Zusammenschluss bereiten kann.
    sen honorieren. Dies kann in den Kirchgemeinden         Bezüglich Rollenklärung für Mitarbeitende und
    Hürden abbauen und die Bereitschaft für strukturel- bei der Beachtung der Rahmenbedingungen teilt der
    le Veränderungen unterstützen.                      Kirchenrat die Einschätzungen des Forschungsbe-
9

richts. Für Letzteres stellt er Vorschläge zu Handen
der Kirchensynode in Aussicht, um Fehlanreize zu
korrigieren.                                                  Noch 126 Gemeinden
                                                              Stand heute zählt die Zürcher
                                                              Landeskirche 126 Kirchgemein-
Begleitforschung geht weiter                                  den – 50 weniger als Ende 2012.
     Die Begleitforschung beobachtet den Prozess
                                                              Ende 2020 sagten die Stimmbe-
bis ins Jahr 2023. Wie gut die inhaltlichen Ziele von
                                                              rechtigten ausserdem Ja zu
«KirchGemeindePlus» erreicht werden, wird erst
                                                              Zusammenschlussprojekten der
dann sinnvoll zu beantworten sein. Insbesondere
                                                              Kirchgemeinde Weinland Mitte,
Wirkungen auf Mitglieder und Öffentlichkeit zeigen
                                                              der Kirchgemeinde im Knonauer
sich erst dann, wenn nach einem Zusammenschluss
                                                              Amt und der Kirchgemeinde
die neue Organisation konsolidiert ist und Schwer-
                                                              Breite. Werden diese Vorhaben
punkte und Profilierungen im erweiterten Sozial-
                                                              realisiert, zählt man nach dem
raum entwickelt wurden.●
                                                              nächsten Jahreswechsel noch
• Der Bericht der Begleitforschung und die Stellungnahme      111 Kirchgemeinden. Weitere
  des Kirchenrates sind zugänglich auf:
  kirchgemeindeplus.ch                                        acht Kirchgemeinden haben ihre
• Auch die Kirchgemeinde Zürich hat ein Forschungs-
                                                              Kirchenpflegen mandatiert, über
  projekt zur Analyse ihrer neuen Kirchenformen lanciert.     einen Zusammenschluss nachzu-
  Der Bericht «Vitale ekklesiale Vielfalt», erstellt vom 		   denken.
  Zentrum für Kirchenentwicklung der Theologi schen
  Fakultät, untersucht die kirchlichen Projekte Coffee & 		   Alle Infos und eine aktualisierte Landkarte
  Deeds, Green City Spirit, Hoch3, Ladenkirche, Sonnegg,      finden Sie auf: kirchgemeindeplus.ch/
  Stadtkloster, Streetchurch und Zytlos.                      gemeindepraxis/zusammenschluesse
10   REPORTAGE

              SUNESTUBE, SOZIALWERK PFARRER SIEBER

                   Was wir uns
                   wünschen?
                  «Ein Daheim»
      Eine warme Mahlzeit und Gemeinschaft – das Team der
     Sunestube unterstützt bedürftige Menschen Tag und Nacht.
                                          Von Madeleine Stäubli-Roduner

     Ein eiskalter Januartag, kurz vor 6 Uhr morgens. An     le, soziale oder therapeutische Beratung verweist
     der Ecke Militärstrasse/Langstrasse harrt eine Schar    sie auf entsprechende Anlaufstellen; bei Themen
     fröstelnder Menschen auf Einlass. Um Punkt 6 öff-       wie Beziehungsknatsch, Verlusten oder Ängsten
     net sich die Tür der Sunestube, um ihre Gäste zu        hingegen ist ihr Team zur Stelle. Dabei hält es keine
     bewirten. Die Gastgeber, ein Team von Festange-         raschen Lösungen bereit, sondern unterstützt und
     stellten, Zivis und Freiwilligen, haben sich bereits    ermutigt zur Selbständigkeit, etwa bei der Suche
     eine halbe Stunde zuvor eingefunden, um Kaffee zu       nach Arbeit oder einer Wohnung. Neben Mahlzei-
     kochen und Brot aufzubacken. «Was wünscht Ihr           ten, Gesprächsangeboten und niederschwelliger ad-
     Euch für 2021?», heisst es auf einer Schiefertafel an   ministrativer Unterstützung bietet das Team zudem
     einer Tür. «Ein Daheim», hat jemand notiert. Und        Schlafsäcke, Aussenhüllen, Mätteli und Zelte an.
     das finden die Eintretenden in der warmen Stube,        «Wir vermitteln ihnen: Du bist ein vollwertiger Teil
     wo ihnen an zugewiesenen Plätzen ein feines Früh-       dieser Gesellschaft, an deren Rand Du Dich be-
     stück serviert wird. «Aufgrund der coronabedingten      wegst!», sagt die Leiterin.
     Massnahmen hat sich bei uns einiges beruhigt», be-           Wer sind die Gäste, die das Gassencafé aufsu-
     richtet Christine Diethelm, Leiterin Sunestube und      chen? Es sind zu 70 Prozent Männer, mehrheitlich
     Gassenarbeit beim Sozialwerk Pfarrer Sieber             zwischen 35 und 55 Jahre alt, häufig ohne geregel-
     (SWS). Statt 20 Personen in einem Raum unterbrin-       ten Aufenthaltsstatus, viele aus lateinamerikani-
     gen zu müssen, werden heute in zwei Räumen an           schen oder osteuropäischen Staaten oder aus
     vier Tischen je vier Personen platziert. Das entspan-   Deutschland. Die Arbeitsmigranten auf schwieriger
     ne vieles, sagt die Leiterin.                           Jobsuche werden an die Sozialarbeitenden des
                                                             Brot-Egge in Seebach weitergewiesen. «Unser spe-
     Die Gäste                                               zifisches Zielpublikum sind Menschen mit Sucht-
         Sie und ihr Team sehen alle Besuchenden in ers-     hintergrund wie Alkohol oder Drogen oder mit psy-
     ter Linie als Gäste auf Augenhöhe. Ein Kaffee und       chischen Problemen und Obdachlose», sagt
     ein Stück Brot decken Grundbedürfnisse ab und bil-      Christine Diethelm. Sie alle suchen die wärmende
     den gleichzeitig einen «hervorragenden Rahmen»,         Gemeinschaft und fühlen sich wohl in den Räum-
     um unkompliziert miteinander ins Gespräch zu            lichkeiten der familiären Anlaufstelle.
     kommen. Warum ein Gast hier ist, im Gassencafé?
     Welcher Rucksack sie oder ihn drückt? Dies erfah-       Das Essen
     ren die interessiert, aber stets behutsam kommuni-         Diese schliesst um 11 Uhr ihre Türen, damit das
     zierenden Gastgeber manchmal beim ersten Ge-            Team aufräumen, putzen und das Mittagessen vor-
     spräch, oft jedoch gar nie. Was einzig zählt: «Die      bereiten kann. Das Essen kommt direkt aus der
     Menschen kommen in Gemeinschaft und wir neh-            Grossküche des von Pfarrer Sieber gegründeten
     men sie auf.»                                           Christuszentrums, das seine Lebensmittel aus über-
         Denn die Sunestube «ist ein Café, keine Bera-       schüssigen Beständen von Grossverteilern bezieht.
     tungsstelle», sagt Christine Diethelm. Für finanziel-   Verwertung statt Verschwendung, lautet die Devise
Für Menschen in Not
                                                                                Das Sozialwerk Pfarrer Sieber,
                                                                                1988 gegründet, unterstützt mit
Zusammensein in der Sunestube an der Militärstrasse 118 in Zürich. Foto: zVg    rund 180 Mitarbeitenden unbüro-
                                                                                kratisch und vielfältig Menschen
                                                                                in Not. Zum Bereich «auffangen»
                                                                                gehören die aufsuchende Gas-
der Lebensmittelabgabestelle Reschteglück. «An                                  senarbeit, die beiden Notschlaf-
Essen gibt es in Zürich keinen Mangel», sagt Chris-                             stellen Pfuusbus und Iglu für
tine Diethelm. Zwar bilden sich seit Beginn der Co-                             Obdachlose und Arbeitsmigran-
ronazeit auch über Mittag kleinere Warteschlangen,                              ten, die Sunestube und der
aber stets erhalten alle 50 bis 60 Interessierten ein                           Brot-Egge (mit Sozialberatung)
vollwertiges Menu. Um 14.30 Uhr ist die Mittags-                                als Anlaufstellen für Notleidende,
zeit zu Ende, das Lokal schliesst.                                              Obdachlose und Suchtkranke.
                                                                                Das neue Projekt «Essen für Alle»
Die Gemeinschaft                                                                bietet samstags von 11 bis 17
    Ein gefüllter Magen erhöht die Bereitschaft zu                              Uhr an der Hohlstrasse 420
gemeinsamen Aktivitäten. Das Gassencafé bietet in                               Lebensmittel. Infos: swsieber.ch
normalen Zeiten an einzelnen Nachmittagen zwi-
schen 15 und 18 Uhr soziale Teilhabe, indem die
Gäste etwa Dekorationen und Geschenke basteln,
gemeinsam singen oder miteinander sogar Ausflüge
in den Zoo oder zum Minigolf unternehmen. Das
Fehlen dieser Gemeinschaftserlebnisse schmerze,
noch schwerer wäre jedoch ein Schliessen der Lo-
kale wie im Frühling zu verkraften, bemerkt die
Leiterin.
    Damals legten Pfuusbus, Sunestube und
Brot-Egge ihre Kräfte zusammen und eröffneten be-
reits eine Woche nach dem Shutdown den «Pfuus-
bus 24/7» mit riesigem Zelt und Gastronomiebe-
trieb in drei Schichten. Das Projekt konnte sogar bis
Mitte Mai verlängert werden, danach durften alle
Anlaufstellen wieder öffnen. Weitere grössere Ver-
änderungen hat die Sunestube coronabedingt nicht
zu verzeichnen: «Wir sind für Menschen da, die
schon vor Corona im Sozialsystem waren oder ei-
nen ungeregelten Aufenthaltsstatus haben», sagt
Christine Diethelm.

Die Gassenarbeit
    Sie sucht mit ihrem Team diese Menschen auch
aktiv auf der Strasse auf, spricht sie an und ermutigt               Etwas Warmes für Bauch und Seele. Foto: sch
12   REPORTAGE

     sie zum Besuch im Café, wo es gegen Abend noch
     Suppe und Snacks von der Essbar gibt. Einige re-
     agieren etwas betupft, andere sind froh, angespro-
     chen zu werden. «Wir halten die Augen offen und
     respektieren alle», sagt die Leiterin. Die Gassenar-
     beit, einst beim Pfuusbus angesiedelt, ist heute ein
     wichtiger Tätigkeitsbereich der Sunestube.
         Von den neun Festangestellten sind vier aufsu-
     chend tätig, die immer auch im Café mitwirken. Die
     Mitarbeitenden haben diakonische Ausbildungen
     oder sind gelernte Sozialbegleiter, eine Pflegefach-
     frau ergänzt die berufliche Vielfalt. Die unterschied-
     lichen Herangehensweisen innerhalb des Teams
     seien ein grosser Gewinn, sagt die Leiterin, die ih-
     rerseits eine Coaching-Ausbildung absolviert hat
     und jahrelange Erfahrung in der Entwicklungszu-
     sammenarbeit mitbringt. Da sie Teil «von etwas
     Grösserem» sein wollte, stieg sie vor sechs Jahren
     beim Sozialwerk Pfarrer Sieber ein.
         Die Beziehungsarbeit drinnen und draussen er-
     freut sie. «Im Gespräch den Herzschlag des Gegen-
     übers zu spüren, das beglückt mich», sagt sie. Es sei
     mit besonderer Verantwortung verbunden, im Ver-          Das Team der Sunestube ist stets für Obdachlose da:
     trauen an Lebensgeschichten teilzuhaben und mit          Christine Diethelm mit einem vor Ort arbeitenden Zivildienst-
     Hilfestellungen Leid zu lindern. Sie führt Gesprä-       leistenden. Foto: sch
     che mit Menschen, die nicht lesen können, ebenso
     aber mit Hochschulabsolventen in Nöten. Meist er-
     lebt sie ihre Gäste dankbar und konstruktiv, aber es
     kann vorkommen, dass Betrunkene aggressiv wer-
     den. In sehr seltenen Fällen muss die Polizei geru-
     fen oder ein Hausverbot ausgesprochen werden.                   Für Menschen am Rand
     Die Kältepatrouille                                             • Die Zürcher Stadtmission hält ihre
                                                                       Angebote ebenfalls aufrecht: Dazu
     Um 19 Uhr gehen in der Sunestube die Türen für
     alle zu, das Team der Tagschicht wird um 19.30 Uhr                gehören das Café Yucca an der
     heimgehen. Für Christine Diethelm ist der Arbeits-                Häringstrasse mit Verpflegung und
     tag heute noch nicht beendet. Bald heisst es jene                 Sozialberatung sowie die Beratungs-
     Obdachlosen zu suchen, die auch im Winter den                     stelle Isla Victoria in Zürich und
     Notschlafstellen fernbleiben. Für sie steht ein Team              Winterthur für Personen im Sexge-
     von insgesamt 20 Freiwilligen bereit, die so ge-                  werbe. stadtmission.ch
     nannte Kältepatrouille. Diese trifft sich mehrmals
     pro Woche um 22.30 Uhr im Pfuusbus, fährt mit                   • Auch der ökumenisch ausgerichtete
     dem Auto in verschiedene Stadtquartiere und sucht                 Verein Incontro, gegründet von
     zu Fuss mit wachen Sinnen nach Menschen, die am                   Schwester Ariane Stocklin, ist im
     Waldrand, an Busendhaltestellen oder unter Brü-                   Zürcher Langstrassenquartier aufsu-
     cken in eisiger Kälte übernachten. Vielleicht neh-                chend unterwegs. Seit Beginn der
     men sie eine Jacke oder ein warmes Getränk an oder                Corona-Krise verteilt ein Freiwilligen-
     sind sogar bereit mitzukommen und ein freies Plätz-               team jeden Abend rund 250 warme
     chen im Pfuusbus zu belegen.                                      Mahlzeiten an Bedürftige. Im Lokal
         3 Uhr nachts. Die Tour der Kältepatrouille geht               Primero finden Menschen einen Ort,
     zu Ende, ihr Marsch durch die nächtlichen Quartie-                wo sie auftanken können. Die Aktion
     re hat sich über mehr als zehn Kilometer erstreckt.               «Broken Bread» wird neben Privat-
     Christine Diethelm war für heute lang genug auf                   personen und Service-Clubs auch
     Achse, sie fährt durch die leeren Strassen heim. Ver-             von Zürcher Pfarreien und Kirchge-
     mutlich liegen irgendwo da draussen noch in alte                  meinden unterstützt.
     Wolldecken gehüllte Menschen ohne Daheim.                         incontro-verein.ch
         In weniger als drei Stunden werden sich an der
     Ecke Militärstrasse/Langstrasse wieder Warte-                   • Weitere Beratungsstellen und Hilfs-
     schlangen mit Menschen bilden, die es kaum erwar-                 und Seelsorgeangebote finden Sie
     ten können, bis die Frühschicht der Sunestube den                 gesammelt auf unserer Website:
     dampfenden Kaffee serviert.●                                      zhref.ch/wenn-beten-alleine-nicht-
                                                                       reicht
AGENDA        13

                Themen & Termine
Walk-Mandala-                             gesagt. Sie lösen unterschiedliche
                                          Reaktionen bei den Menschen aus.
                                                                                      Formen von kirchlicher Präsenz und
                                                                                      Kommunikation. Kirchliche Vielfalt zu

Ausstellung im                            Darum nehmen wir uns Zeit, jedem der
                                          mit den Worten verbundenen Inhalte
                                                                                      fördern bedeutet, dass Kirche neue
                                                                                      «Räume» und Zielgruppen erschliesst,

Kloster Kappel                            auf den Grund zu gehen – zum Beispiel
                                          schon dadurch, dass wir eine andere
                                          Übersetzung wählen.
                                                                                      beispielsweise in einem Neubauquar-
                                                                                      tier, wo sie mit Menschen Beziehungen
                                                                                      knüpft, die bisher kaum mit der Kirche
BIS 7. MÄRZ                               Leitung: Angela Wäffler-Boveland,           in Kontakt kamen.
                                          Projektleitung Fokus Theologie und          Bei diesem Treffen erhalten die
Die Mandala-Bilder der jungen             Detlef Hecking, Projektleitung Bibel-       Teilnehmenden Einblick in Orbit, ein
Künstlerin Manuela Hostettler zieren      pastorale Arbeitsstelle BPA Anmel-          Projekt der Reformierten Stadtkirche
die Wände im Amtshaus des Klosters        dung: info@fokustheologieref.ch             Winterthur, und arbeiten an ihren
Kappel. Hoffentlich können sie bald       fokustheologieref.ch                        eigenen, konkreten Ideen für neue
live und vor Ort betrachtet werden. Bis                                               Kirchenformen. Leitung: Mathias Burri.
dahin kann die Ausstellung virtuell
besucht werden auf:
www.unamanu.net.
                                          Macht euch die                              Anmeldung auf:
                                                                                      zhref.ch/bildungsangebote

                                          Erde untertan?                              Austausch Ressort
                                          AB 15. MÄRZ
                                          Wer kann in Zeiten ökologischer Krise,
                                          Klima-Debatten und Zukunftssorgen
                                                                                      Kommunikation
                                          solch einen Satz noch ernsthaft             23. MÄRZ
                                          unterschreiben? Umweltbewusst zu            Wie läuft es im Ressort Kommunikation
                                          handeln ist das Gebot der Stunde und        und Vernetzung? Austausch aller, die
                                          lädt zu praktischen Aktivitäten ein. Gibt   sich für die Kommunikation und
                                          es dafür biblische Begründungen?            Vernetzung ihrer Kirchgemeinde
                                          Anhand von drei Text-Beispielen             engagieren. Zielgruppe: Behörden,
                                          reflektieren wir das eigene Tun vor dem     Pfarrschaft, Sozialdiakonie, Jugendar-

Netzwerktreffen                           biblischen Horizont kritisch – und
                                          umgekehrt werden die Bibeltexte an
                                                                                      beit, Verwaltung.
                                                                                      Online: 16.30 bis 18 Uhr

Generationen-
                                          den eigenen Handlungen überprüft.           Anmeldung: annemarie.huber@zhref.ch
                                          Kursleitung: Angela Wäffler-Boveland,       Fragen: simone.strohm@zhref.ch

arbeit
                                          Projektleitung Fokus Theologie.             zhref.ch/kommunikation
                                          Anmeldung: an info@fokustheologieref.

9. FEBRUAR
                                          ch oder 044 258 92 17
                                          fokustheologieref.ch                        Bildungsangebot
«Liefere ond Lafere» – Online-Aus-
tausch über Mittag. Im Fokus steht das
Generationenspiel «Zeitmaschine.TV»,
                                                                                      2021
ein Recherche-Spiel für Jugendliche                                                   AB SOFORT
und die älteren Generationen rund um                                                  In der Zürcher Kirche arbeiten Men-
Oral History und Neue Medien. Aus                                                     schen mit unterschiedlichen Berufspro-
den Erinnerungen und Fotos der                                                        filen zusammen und engagieren sich.
Zeitzeugen und Zeitzeuginnen drehen                                                   Das Bildungsangebot 2021 der Zürcher
Jugendliche Kurzfilme und publizieren                                                 Landeskirche unterstützt dies mit einer
sie online. «Zeitmaschine.TV» kann von                                                Vielfalt an neuen Themen.

                                          Social Media für
Kirchgemeinden und Pfarreien in der                                                   Alle Angebote auf:
Generationenarbeit und im Konfirman-                                                  zhref.ch/bildungsangebote
denunterricht umgesetzt werden, auch
in Zusammenarbeit mit anderen
Projektpartnern wie etwa Altersheimen,
                                          Einsteigende
Museen oder Altersorganisationen.         16. MÄRZ
Leitung: Jessica Stürmer-Terdenge.        Facebook & Co für Ihre Kirchgemein-
12 bis 14 Uhr. Anmeldung: zhref.ch/       de? Die Teilnehmenden lernen, wie in
intern/kurse/2021                         ihrer Kirchgemeinde Social Media
                                          (speziell Facebook) sinnvoll eingesetzt
Vertrauen –                               werden können, was zu beachten ist
                                          und wo die Gefahren und Chancen
Zuversicht –                              liegen. Leitung: Barbara Roth. Kontakt:
                                          Annemarie Huber, 044 258 92 76                                 ST E L
                                                                                                                   LEN
Anteilnahme                               Anmeldung auf: zhref.ch/bildungsan-
                                          gebote                                                 Offen IM W
AB 10. MÄRZ                                                                                      in de e Pfarrste EB
                                                                                                      n
Die christlichen Tugenden. Zwei           Kirche an neuen                                                        l
                                                                                                Dien Gesamt len, Stel
                                                                                               geme sten und kirchlich len
Veranstaltungsreihen, eine vertiefende
und eine kurze von Fokus Theologie,       Orten                                                     i
                                                                                                   .zhre
                                                                                                               d
                                                                                               www nden find en Kirch n
                                                                                                               en Si
                                                                                                                        e
                                                                                                                        ­
                                                                                                         f
                                                                                                   offen .ch/ange e auf:
der Fachstelle für Erwachsenenbildung
der reformierten Kirchen Schweiz.
                                          13. MÄRZ
                                                                                                        e-ste      b
Die drei Begriffe gelten als die          Von der Idee zur Umsetzung.
                                          Für eine vielfältige und sich verändern-
                                                                                                              llen ote/
christlichen Tugenden und sind leicht
                                          de Gesellschaft braucht es neue
14   TIPPS

     LESETIPP                                                      BILDUNGSTIPP
     — «frauen forum» über                                         —Segen im Mittelpunkt
     Frauenrechte in der Kirche                                                            EB. In einem reformierten
                                                                                           Gottesdienst wird die Ge-
                         KOM.Am 7. Februar 1971 stimm-                                     meinde in der Regel am
                        ten die Schweizer Männer dem                                       Schluss gesegnet. Diese
                        Frauenstimm- und Wahlrecht auf                                     Form ist vertraut. Wie aber
                        nationaler Ebene zu. Der Weg zu                                    wird ein Gottesdienst ge-
                        diesem Ziel war lang und mühe-             staltet, in welchem der Segen im Mittelpunkt steht
                        voll gewesen, unzählige Frauen             und persönlich empfangen werden kann? Dieser
                        – und auch Männer – hatten sich            Frage gehen die Teilnehmenden nach im Seminar
                        jahrzehntelang dafür engagiert             «Gottesdienstformen mit Segnen und Salben – Pra-
                        und so erreicht, dass bereits ver-         xis und Einführung in der Kirchgemeinde». Das
                        schiedene Kantone und auch die             Seminar ist Teil des Lehrgangs Heilsame Rituale in
                        Kantonalkirchen in ihrem Be-               der Kirche und kann einzeln besucht werden.
     reich zugunsten der Frauen entschieden hatten.                    Segnungsgottesdienste zu feiern bedeutet, die
         In der ersten Ausgabe des «frauen forum» 2021             Liebe Gottes zu inszenieren und ihr eine konkrete
     werden Frauen aus verschiedenen Zeiten und in un-             Gestalt zu geben. Wie macht man das auf angemes-
     terschiedlichen Positionen gewürdigt, die sich für            sene Weise? Wer segnet da wen und wann und wie
     die Gleichberechtigung eingesetzt haben, zum Bei-             und wozu? Wie geht man vor, wenn man einen Seg-
     spiel Clara Ragaz-Nadig, Kunigund Feldges-Oeri                nungsgottesdienst in der Gemeinde einführen
     oder Hanna Sahlfeld-Singer.                                   möchte? Zudem wird ein Augenmerk auf die Sal-
     Die Einzelnummer «Frauenrechte in der Kirche» kostet          bung als einer besonderen Form der Segnung ge-
     Fr. 7.–. Das Jahresabonnement (acht Ausgaben) kostet          legt.
     Fr. 38.–.
     Kontakt: frauenforum@solnet.ch                                Das Seminar findet vom 26. bis 26. März auf dem Leuen-
     zeitschrift-frauenforum.ch                                    berg in Hölstein statt. Anmeldung bis 31.01.2021 auf:
                                                                   bildungkirche.ch/kurse

     BUCHTIPP                                                      KIRCHENTAGUNG 2021
     —Hoffnungszeichen                                             —Kappeler Kirchentagung
                               50 Schlagzeilen zur Krise,
                            ROD.                                   digital
                          50 Bibeltexte, 50 Kalligraphi-
                          en und 50 Kommentare: aus                                 KOM. Die Pandemie Covid-19
                          diesen Ingredienzien setzen                               zwingt nach wie vor zu Ein-
                          sich die persönlichen Beiträge                            schränkungen. Dies betrifft auch
                          der Sammlung «Hoffnungszei-                               die Kappeler Kirchentagung, die
                          chen in Krisenzeiten» zusam-                              in diesem Jahr nicht als Präsenz-
                          men. Die Schatztruhe voller                               veranstaltung sondern digital
                          Hoffnungszeichen haben Kir-                               stattfinden wird. Online gibt es
     chenrat und Theologe Andrea Marco Bianca und                                   zwei Tagungstermine: Am 13.
     seine Partnerin Katharina Hoby zusammen mit Per-                               März sowie am 20. März 2021.
     sönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen                           Alle, die sich dafür anmelden
     kreativ und geistreich gefüllt. Sie haben etwa zur            wollen, können dies bis jeweils dienstags vor der
     Schlagzeile «Masken tragen und Handydaten preis-              Tagung tun. Es gibt keine Teilnahme-Obergrenze.
     geben – was auf uns zukommt» die Bibelstelle «In              Die Anmeldung und das verfeinerte Programm finden Sie
     der Wirklichkeit eines neuen Lebens unseren Weg               auf: zhref.ch/kirchentagung.
     gehen» aus Römer 6,4 gesetzt. Dazu kommt eine
     symbolstarke Kalligraphie von Marianne Suter und                  Übrigens: Das Kloster Kappel heisst Gäste
     ein persönlicher Text von Moderatorin Sandra Stu-             trotzdem herzlich willkommen: Sie können indivi-
     der, die ermutigt, «kreative Wege (zu) finden, um             duell oder als Gruppe Zimmer und Mahlzeiten im
     Liebe, Nähe, Verständnis und Herzenswärme ihren               Seminarhotel buchen. Und dort abseits der Alltags-
     Platz zu geben». Die Sammlung wird komplettiert               hektik online an der Tagung dabei sein. Ihre Anmel-
     mit Online-Gottesdiensten, einem theologischen                dung richten Sie direkt an das Kloster Kappel:
     Kommentar und den «Zehn Corona-Geboten» von                   klosterkappel.ch
     Bianca. Angesichts der fortdauernden Krise führt er
     unter bianca.ch/hoffnungszeichen seine ermutigen-
     den Tiefenimpulse online weiter.
     Andrea Marco Bianca, Katharina Hoby: Hoffnungszeichen in
     Krisenzeiten. Friedrich Reinhardt Verlag, 2020. 139 Seiten,
     Fr. 25.–
15

                                                                                                        JUTTA LANG
                                                                                                     Kirchgemeinde Zürich
                                                                                                       Chemikerin, Journalistin,
Mit dem Blick für urbanes Kirchenleben: Jutta Lang unterwegs in Zürich. Foto: sch                    Mutter von zwei erwachse-
                                                                                                      nen Kindern, Pilgerin und
                                                                                                     Kommunikationsbeauftragte
                                                                                                      der Kirchgemeinde Zürich.

                     Urbane Kirche leben
           Kommunikation im grossen Stil und in kleinen Schritten
         SCH. «Man muss das grosse Bild vor Augen haben                kleinen Anstieg auf der verschneiten Klopstockwie-
         und in kleinen Schritten vorwärtsgehen», empfiehlt            se, wo Trittsicherheit noch mehr gefragt ist. Die
         Jutta Lang, wenn man sie über den Zusammen-                   Kommunikationsverantwortlichen der ehemals
         schluss der Kirchgemeinde Zürich und die Rolle der            selbständigen Kirchgemeinden zögen heute ver-
         Kommunikation in diesem Prozess befragt. Das gel-             mehrt am gleichen Strick und erlebten, dass Bünde-
         te auch zwei Jahre nach erfolgter Fusion, und das             lung der Kräfte nicht mit Kompetenz- und Profilver-
         gilt besonders heute, da dieses Thema im Schnee-              lust einhergehen müsse.
         treiben und auf glitschigem Untergrund auf einem
         Spaziergang der Sihl entlang besprochen wird.                 Seltene Laufbahn
              Die turbulente Wetterlage ist nicht die unpas-               Ihr eigenes Profil hat sich Jutta Lang auf einem
         sendste Metapher für die Gemengelage, die Jutta               selten gegangenen Berufsweg geschärft. Die gebür-
         Lang bei ihrem Arbeitsantritt beim damaligen Stadt-           tige Pfälzerin studierte erst Chemie, wechselte nach
         verband vor drei Jahren vorfand. Die Fusion war               dem Abschluss und der Geburt des zweiten Kindes
         beschlossene Sache, aber was dies für die Kommu-              in den Journalismus. Später befähigten sie die bei-
         nikation bedeuten würde, noch neblig. Auch Gegen-             den Disziplinen für eine Stelle in der Kommunika-
         wind blies der damals 53-jährigen Fachfrau biswei-            tionsabteilung der Nagra, dem Kompetenzzentrum
         len ins Gesicht, wenn es darum ging, die                      der Schweiz für die Entsorgung radioaktiver Abfäl-
         Kommunikations-Strategie von ehemals 32 selb-                 le. Schon bei diesem Job war Wetterfestigkeit ge-
         ständigen Gemeinden zu bündeln.                               fragt – Gegenwind bei so heikler Thematik courant
              Kleine Schritte bringen einen aber auch im Ge-           normal. «Ich muss hinter dem stehen können, was
         genwind vorwärts: Die mit 80 000 Mitgliedern                  ich mache», sagt Jutta Lang. Und das habe für alle
         grösste Kirchgemeinde Europas hat heute verein-               ihre Tätigkeiten gegolten. Auch wenn sie keine
         heitlichte Kommunikationskanäle, sie spricht ihre             Freundin von Atomkraft sei, müsse man sich der
         Mitglieder mit einer magazinartigen Gemeindebei-              Verantwortung stellen, die entstandenen Abfälle si-
         lage an, die das kirchliche Leben im lokalen Stadt-           cher zu entsorgen, so ihre Analyse. Den Job habe sie
         kreis und im ganzen Stadtgebiet sichtbar macht.               gern gemacht, dann aber noch einmal eine ganz an-
         Ausserdem wurde ein gemeinsamer Newsletter und                dere Herausforderung gesucht und sie bei der Zür-
         eine Bilddatenbank aufgebaut und die Website wird             cher Kirchgemeinde gefunden. Sichtbar machen,
         kontinuierlich weiterentwickelt.                              was eine urbane Kirche zu bieten hat; Werte vertre-
              Die gemeinsame Arbeit an diesen Projekten trü-           ten, die ihr auch selber wichtig sind und Menschen
         gen bei den Mitarbeitenden und Behörden zum ge-               befähigen, der Kirchgemeinde ein vielfarbiges Bild
         genseitigen Verständnis und zur Entwicklung einer             und eine vernehmbare Sprache zu geben, das will
         gemeinsamen Identität bei, erzählt Jutta Lang beim            sie voranbringen – Schritt für Schritt.●
CH-8001 Zürich
                                                                                     P. P. / Journal
                                                                                     Post CH AG
                                                                                       notabene

                                                                                           AZB
                                                                                    8024 Zürich, notabene@zhref.ch
                                                                                    Hirschengraben 7, Postfach 673,
                                                                                    Kommunikation
                                                                                    Evang.-ref. Landeskirche,
                                                                                    Adressberichtigung an:
                                                                                    Hirschengraben 7, 8024 Zürich
                                                                                    Kantons Zürich
                                                                                    Evang.-ref. Landeskirche des
                                                                                    Absender: notabene
Wegweisende Worte von Kurt Marti, illustriert von Anna Sommer (annasommer.ch).
Mehr lesen ab Seite 6.

IMPRESSUM                                   DRUCK UND DESIGN
«notabene» ist die Zeitschrift aller, die   Robert Hürlimann AG, Zürich
beruflich, ehrenamtlich oder regel­         Raffinerie AG, Zürich
mässig freiwillig als Mitglieder in der
Zürcher Landeskirche mitarbeiten.           AUFLAGE
                                            6500 Exemplare. Erscheint monatlich
HERAUSGEBERIN                               mit Doppelnummern im Juli und
Evangelisch-reformierte Landeskirche        Dezember.
des Kantons Zürich. Abteilung
Kommunikation (KOM),                        NÄCHSTE AUSGABE
Hirschengraben 7, 8024 Zürich
                                            Nr. 2 / 2021 (März)
REDAKTION UND
                                            NOTABENE IM WEB
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                                            zhref.ch / notabene
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Madeleine Stäubli-Roduner (ROD)
Tel. 044 258 92 97, notabene@zhref.ch       TITELBILD
Redaktionssekretariat:                      Mitarbeitende vor der Sunestube. Hier
franziska.schellenberg@zhref.ch             finden Obdachlose einen Moment der
Tel. 044 258 92 13                          Ruhe. Foto: Christian Schenk
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