Die Musik der Zigeuner - In ihrer heutigen Beschaffenheit auf den historischen Stationen ihrer Migration von Indien nach Europa von Margret Weiler ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Die Musik der Zigeuner In ihrer heutigen Beschaffenheit auf den historischen Stationen ihrer Migration von Indien nach Europa von Margret Weiler und Walter Zimmermann
1. GESCHICHTLICHER OBERBLICK OBER DIE Afrikas bis an die Meerenge von Gibraltar MIGRATION DER ZIGEUNER vorzudringen und nach Spanien überzusetzen. { ••• ) Die in der Türkei verbliebene Haupt- gruppe überschritt den Bosporus und breite- 1.1. Herkunft te sich in Griechenland und auf der ganzen Balkanhalbinsel aus. Von dort gelangte sie Die Sprachforschung gibt INDIEN als Her- nach Mitteleuropa." {Cl~bert 1964:33) Zwi- kunftsland der Zigeuner an. POTT's Sprach- schen 1400 und 1500 erfolgte die Einwande- vergleiche und etymologische Untersuchun- rung der Zigeuner in Mittel- und West- gen stellten die innere Gleichartigkeit der europa. verschiedenen Zigeunerdialekte und ihre Ver- wurzelung in den Volksidiomen des nördli- chen Vorderindien und damit ihre Verwandt- 2. BENENNUNGEN UND FUNKTIONEN DER ZIGEUNER schaft zum Sanskrit fest. (1844:XV) Die IN DEN JEWEILIGEN AUFENTHALTSLÄNDERN Zigeunersprache ROMANES {Romani) ist eine PAISHATSCHA-Sprache. Die PAISHATSCHA-Spra~ 2.1. Fremd- und Eigenbezeichnung chen sind im Nordwesten Indiens beheimatet und gehören zur Sprachgruppe der indoari- Das Weltnomadenvolk (Redfield 1966:352) schen Sprachen. (vgl. Bleichsteiner 1968: Zigeuner ist heute in allen Kontinenten ver- 498-499) Eine engere Bestimmung der Region treten. Die Gesamtzahl der Zigeuner wird und der Stammesvorfahren der Zigeuner in Indien liegt nicht vor, es existiert je- nach Schätzungen zwischen 5 und 10 Millio- doch eine Anzahl von Hypothesen, die sich nen angesetzt. Nach Ivatts (1974:5) lebt zum einen auf linguistisches Material und die Hälfte der Gesamtpopulation der Zigeu- zum Teil auf physisch-anthropologische ner in Europa, von dieser wiederum zwei Vergleiche, zum anderen auf Ähnlichkeiten Drittel in Osteuropa. Die übrige Hälfte von Sitten, Gebräuchen und Lebensweisen lebt in West- und Südwestasien und Nordin- bei indischen Stämmen und Kasten mit de- dien, in den USA, Kanada und Südamerika in nen der Zigeuner stützen. So weisen die Nordafrika und auch in Neuseeland und A~s- Döm eine besonders in Bihar, Bengalen und tralien. Nach Ivatts (ebd.} und Puxon Orissa zahlreiche, aber auch in fast allen (1?73:4) finden sich auch kleine Gruppen in nordindischen Ländern verbreitete Kaste China, auf den Philippinen sowie den west- enge Obereinstimmungen mit den Zigeunern indischen Inseln und Hawaii. auf. Ebenso finden sich Ähnlichkeiten mit Entsprechend ihrer Verbreitung sind die Zi- den Bediyä in Bengalen und den Gulguliä, die zu den Bediyä gerechnet werden. geuner von den "Wirtsvölkern" mit einer {Mode/Wölffling 1968:24-40) Man hat auch Vielzahl von Namen belegt worden. Das deut- versucht die Beziehung der Zigeuner zu den sche Wort Zigeuner leitet sich wahrschein- sogenannten "Criminal and Wandering Tri- lich vom mittelalterlich-griechischen "At- bes" in Indien zu untersuchen. (vgl. singanos", dem Namen einer verachteten Sek- Williams 1912/13, Gropper 1975:3). te in Byzanz her. 1.2. Migrationen Vo~ diesem Wort stammen die Bezeichnungen: Ts1Qane (franz.), Zingari {ital.), Czigany Zeitpunkt und Ursachen des Aufbr.uchs der (ung.), Cingane {türk.), usw. Zigeuner aus Indien sind nicht endgültig Der Name "Gypsr" erklärt sich aus den Anga- geklärt. Schätzungen des Zeitpunktes schwan- ben der Zigeuner bei ihrer Ankunft in Euro- ken zwischen dem u. und 12. Jahrhundert pa, aus Ägypten zu stammen. n.Chr •• Bereits im 9. Jahrhundert müssen Die Zigeuner selbst haben kein Wort, was die Zigeuner in Persien zahlreich gewesen die gesamten Ethnie meint, sondern bezeich- sein. Nach linguistischen Befunden ließen nen sich nach ihren verschiedenen Gruppie- sich ihre Migrationen rekonstruieren. rungen z.B. als Rom {=Mensch) oder Manusch (=wahrer Mensch). Alle nicht zu ihnen ge- "Man stimmt also darin überein. daß die hörenden Menschen, die Nicht-Zigeuner werden Zigeuner, nachdem sie die Ufer des Indus GADJE genannt. verlassen hatten, zunächst in Afghanistan und Persien eindrangen, im Norden das Kas- 2.2. Funktionen pische Meer. im Süden den Persischen Golf erreichten. Die Gruppe im Norden durch- Die Beziehungen der Zigeuner zu den Gadjes querte Armenien, dann den Kaukasus und spä- gestalten sich in den verschiedenen Aufent- ter Rußland. Die Gruppe im Süden zog den haltsländern unterschiedlich; als parasitär Euphrat und Tigris stromaufwärts. Dann aber empfundenen Verhalten. Die jeweilige Form, fand nochmals eine Gabelung statt: Während in der sie ihren "Wirtsvölkern" ge~enüber- ein Teil der Stämme zum Schwarzen Meer, ein treten, zeigt sich am besten in ihren Be- anderer nach Süden zog, drang die Haupt- rufen. Darüber hinaus sind aber übernational masse in die asiatische Türkei ein. Die gewisse Gemeinsamkeiten in den Fertigkeiten südlichste Gruppe wanderte durch Palästina und Erwerbsweisen erkennbar. Als überall und Ägypten an der Küste des Mittelmeeres charakteristische Berufe für die Zigeuner weiter, und einigen dieser Nomaden scheint führt Cotton (1954/113) folgende auf: es offenbar gelungen zu sein, der Nordküste Schmiedehandwerk, Pferdehandel, Heilkunst, Wahrsagen, Hausierhandel, Betteln, Taschen- 168
diebstahl und Musik. 3. FELDAUFNAHMEVERFAHREN 2.3. Doppelte Funktion der Musikausübung 3 .1. Sprache 2.3.1 nach außen 3.1.1. Homologe Beziehungen von Sprache Für Gadjes, also für uns, ist die Musik der und Musik Zigeuner immer damit assoziiert, wie sie in der Uffentlichkeit erscheint. Dort hat de- "Les observations faites au sujet de la ren Musik eindeutigen Erwerbscharakter und langue (un plus grand eloignement de ist den jeweiligen Erwartungshaltungen der l 'Inde entra1ne une conservation plus Rezipienten angepaßt. Jedoch ist dies als fidele du vocabulaire) seraient-elles va- Anpassung ohne Assimilierung zu verstehen, lables pur d'autres caracteristiques cul- wodurch dieser uns so bekannte synkretisti- turelles?" (Liegeois 1973:13) sche Sti 1 der Zigeunermusik entsteht, wie Mögliche Hinweise der beobachteten Dialekt- sie in Ungarn und Spanien am Ausgeprägte- formen könnten homologe Beziehungen zu den sten ist. musikalischen Äußerungsformen liefern. Deshalb ist es wichtig Aufnahmen des jewei- 2.3.2. nach innen ligen Romanesdialekts zu machen. Hier erhebt sich die Frage, ob außer dieser 3.1.2. Katalog semantischer Primitivismen Funktion nach außen, eine "autonome Musik" innerhalb des Gruppenverbandes praktiziert Um Dialektveränderungen auf dem geographi- wird. In der Literatur finden sich darüber schen Weg der ehemaligen Migration der Zi- kaum Angaben, da diese Funktion von Musik- geuner aufzuzeigen, wird ein vorbereiteter ausübung für Nicht-Zigeuner äußerst schwie- Katalog semantischer Primitivismen benutzt. rig festzustellen ist. Es soll trotzdem (Wierzbicka 1972) Aufgabe dieses Projekts sein, ob überhaupt Dieser enthält Angaben über Konzepte von: und wenn, in welcher Weise die musikalischen Raum- und Zeitempfinden ihres Nomadenda- Formen der Zigeuner von Außeneinflüssen der seins, Abgrenzungsbezeichnungen, Verwandt- jeweiligen "Wirtsvölker" abgrenzbar sind. schaftsbezeichnungen usw. Dafür müssen für eine solche Präsentation der Musik, die Volksmusik der Gadjes des 3.1.3. Informantenangaben zum eigenen jeweilig betrachteten Bereichs zum Vergleich Kulturverständnis herangezogen werden. Einige, wenn auch nicht sehr überzeugende Kommentare über eine mög- Daten über Bezeichnungen der materiellen liche "autonome Musik" der Zigeuner exi- Kultur: Werkzeuge, Kleidung und Schmuck, stieren, so der des ungarischen Linguisten Heilmittel und chemische Erzeugnisse, Wohn- Vekerdi: "Real Gypsy folk music uses no in- weisen usw. struments. Singers are accompanied by stam- ping feet, clicking tongues, the tapping Daten zur Musik: Instrumentnamen, Formen of spoons, and the rapping of knuckles on musikalischer Praxis (Tänze, Gesänge usw.), tables." Angaben über Funktionen dieser Formen, (zitiert nach Mc Dowell/Dale 1970:97) usw. 3.2. Musik 2.4. Wichtigkeit ethnologischer Arbeit in 3.2.1. Aufnahmen alltäglicher musikalischer diesem Zusammenhang Aktivitäten Diese verschiedenen Funktionen der Musik- 3.2.1.1. Musikalische Aktivitäten für die ausübung der Zigeuner können nur verstanden Gruppe: Kinderlieder, Frauenlieder, Arbeits- werden, wenn Musik nicht als isolierte Äuße- lieder (als begleitende Funktion eines Ar- rung, sondern vor dem Hintergrund der Ein- beitsvorganges) bettung im Gesamtfeld, d.h. im Bezug zur natürlichen und soziokulturellen Umgebung 3.2.1.2. Musikalische Aktivitäten nach außen ihrer Entstehung begriffen werden. Das er- im Sinne einer beruflichen Musikausübung fordert auch eine ethnografisch angelegte Untersuchung, die später bei der Präsen- 3.2.2. Aufnahme von speziellen Ereignissen tation der akustischen Materialien für ein Verständnis unerlässlich sind. 3.2.2.1. Rituale des Lebenszyklus: Geburt, Heirat und Tod Diese parallel zu den Musikaufnahmen statt- findende Untersuchung wird also vor allem 3.2.2.2. Rituale des Naturzyklus die Konzepte der Gruppenbindung und des Frage, ob Jahreszeiten, die die Wanderung Kontakts nach Außen erarbeiten. Die Unter- bestimmen, irgendwelche Rückwirkungen auf scheidung Rom - Gadje geht z.B. parallel Festlichkeiten haben. mit Reinlichkeits~ Befleckungsvorstellun- gen, die die sozialen Abgrenzungen einer 3.2.2.3. Lokale Festivitäten die das terri- Gruppe zur anderen definieren. toriale Gefühl bezüglich der Orte ihrer 169
Wanderung konsolidieren. 5 .1. 2. Wa 1 ac hi an (Eigenbezeichnung, bei Fremdbezeichnung in 3.3. Soundscape (Aufnahmen der Klänge der Klammern) Umgebung) 5 .1. 3. Pecs (Lokalisierung) 3.3.1. Für ein Verständnis der Musik der (200 km südlich von Budapest) Zigeuner ist auch das akustische Einfangen 5.1.4. der so verschiedenen Umgebungen in der sie Rudolf Vig (Kontaktperson) entsteht, erforderlich. Dafür müssen folgen- (Ethnomusikologe, Ungarisch& Aka- de Tonbandaufnahmen berücksichtigt werden: demie der Wissenschaften) 3.3.1.1. Aufnahmen von Tageszyklen, um ak- 5.2. Rumänien tive Kultur (zum Beispiel Arbeitslieder) zeitlich zu lokalisieren. 5. 2.1. 540.000 3.3.1.2. Aufnahmen an verschiedenen Punk- 5. 2. 2. Rom ten des gesteckten Feldes, um die Totali- 5. 2 .3. Mera & Brasov tät der aktiven Kultur in der jeweiligen 5. 2. 4. Zoltan Kallos & Jstvan Almasi Umgebung festzustellen. (Musikologen in C1 uj) 4. ZIELVORSTELLUNG 5.3. Bulgarien 4.1. Mit zunehmender Nähe zu Indien werden 5. 3 .1, 250.000 die Zigeuner sowohl vom Phänotypus als auch 5. 3. 2. Rom kulturell immer schwerer vom "Wirtsvolk" 5.3.3. Sliven & Plovdiv & Varna unterscheidbar und werden weniger als stö- 5.3.4. Dr. Ivanftchka Georgieva rende Fremde aufgefaßt, sondern erfüllen (Museum für Ethno- Funktionen innerhalb der Gesamtgesellschaft. logie Sofia) d.h. sie sind integrierter Bestandteil der- selben. 5.4. Jugoslawien So wird sich in einer Präsentation dieser 5 .4.1. 650.000 Rekonstruktion des von den Ziqeunern ein- 5. 4. 2. Rom mal gegangenen Wegs von lndie~ nach Euro- 5.4.3. Shuto Orizare (Zigeunerstadt bei pa die Ausbildung einer relativ integrier- Skooje, 23.000, Zi- ten Gruppe zu einer Außenseitergruppe dar- geuner) stellen lassen. Nis 5.4.4. : Abdi Faik (Funktionär im Mazedo- 4.2. "( ... ) being confronted in unpredic- nischen Parlament) table ways with an alien culture. Whatever the particular solution theirs is alwayi 5.5. Griechenland a precarious adaption that is never resol- ved, never complete, because the threat 5. 5 .1. 45.000 of assimilation is never ~otally absent." 5. 5. 3. Flambouron (70 km nordöstlich vtin (Sutherland 1975:289) Nigrita) Mit den aufgenommenen Materialien soll dem- 5.6. Türkei nac~ dargestellt werden, daß Formen der Adaption, welche durchwegs zu beobachten 5.6.1. 70.000 (davon 10.000 in Istanbul) sind, ohne Assimilation existieren können; 5.6.2. (Chingene) d.h. daß die wirtschaftliche und kulturel- 5.6.3. Zigeunervierte.1 in .Ankara, Ci'ncfn- le Adaption an die Lebensbedingungen des kaya, Cöplük, Hacihüsrev, Lonca, "Wirtsvolks" bewußt von den Zigeunern vor- Istanbul - genommen wird, um dadurch ihre kulturel- 5.6.4. Alexandre Vexliard (Universität le Autonomie aufrechtzuerhalten. Diese Ankara). Autonomie der Zigeunerkultur vollzieht Dr. Mübeccel Kiray (Prof. für So- sich als Kontinuität durch Wandel. ziologie Ankara) Dr. Metin And (Historiker) Eine Reihung und Konfrontierung der Musik- aufnahmen von den ausgewählten Orten ihrer 5.7. Iran Migrationsroute werden möglicherweise Ein- sichten über dieses Phänomen der Kontinuität 5.7.2. : Zargar, (Koli), Gurbati (Ghorbati)~ durch Wandel erlauben. Haddad, Karaci, Juki 5. LÄNDERKURZBESCHREIBUNG 5.8. Irak 5.8.2. : Kaolis & Noars 5.1. Ungarn 5.1.1. : 300.000 (ungefähre Anzahl) 170
5.9. Afghanistan Abend führen sie mit ihren Hunden versch. Nummern auf. Sie gehen zu Fuß. 5.9.2. : Koudgis, Jats, Koulies, Chouriwalas 3. Die Zirkusleute 5.9.4. : Aparna Rao (26 Mitzamuddin East, Sie stellen sich für einige Tage oder Wochen New Dehli 112013) am Rande von qro~en Dörfern oder Städten auf und errichten ihr Zirkuszelt unter dem 5.10. Pakistan sie abends Nummern mit dressierten Tieren, 5.10.2. : Louri, Dom Zauberkunststücke und athletische Nummern, manchmal auch Theaterstücke vorführen. Sie halten sich mit ihrem Material in gemieteten 5. 11 . Indien Lastwagen auf. Sie sind normal gekleidet und sprechen Telugu. 5.11.1.: 10 Millionen (Gypsy wird in Indien gebraucht um ganz allgemein jede 4. Adivasi (Adi-Vassis) - Mediziner Person oder jede Gruppe, die nicht In diesem Stamm ziehen nur die Männer umher, seßhaft ist oder ursprünglich nic~t sie kampieren an den Stadträndern. Von hier seßhaft war zu kennzeichnen.) ziehen sie jeden Morgen, nachdem sie sich 5.11.2.: Adivasi, Narikoravas, Lambadis, peinlich gründlich gewaschen und ihre Gebe- Bandscharis, Goundal, Gadoula, te den Hindugöttern gebracht haben, jeder in Vancara, Dang, Sindi. eine andere Richtung davon. Die Tasche mit den medizinischen Heilmitteln traoen sie in 5.11.3.: Punjab (Emigrationausgangspunkt ihren Händen mit. Sie bieten ihre-allgemeinen laut neueren indischen Hypothesen, aus Naturprodukten hergestellte traditionel- Rishi 1977); Kadirpur (Sindi-Dorf, le Medizin an. lndusnähe) Die Männer haben in ihrem Haarknoten auf 5.11.4.: Padmashri W.R. Rishi (Herausgeber der linken Seite eine farbige Feder. Frauen von Roma) tragen nur einen Lendenschurz. Chandigarh - 160016, Linguist und Sie sprechen Telugu und haben ihre Dörfer Autor, Direktor des Indian Insti- im Norden des Staates Andhra-Pradesh. (Sie tute of Romani-Studies. sollen die ersten Bewohner Indiens sein.) Dr. Srimivessa Varna (Linguist an der U. Annamaly) 5. Die Lumpensammler Sie leben vom Handel mit alten Kleidungs- ad 5.7. stücken und anderen Gelegenheitsverkäufen. Sie bewegen sich in Gruppen von 4 od. 3 Koli ist der gebräuchlichste Name für Zi- Familien mit der Bahn oder dem Bus, indem geuner in Persien, der zweithäufigste ist sie ihre Ballen von Ort zu Ort mitnehmen. Gurbati (Ghorbati). Die Koli nennen sich Sie sind tm Maraschtna-Stil gekeidet. selbst Ghurbed oder auch Haddad, was arab.- 6. 'die Jäger - Narikoravas pers. ist und Schmied heißt. Die Koli be- Die typischsten Nomaden im Bundesstaat sitzen· Zelte, Werkzeuge und evtl. Ziegen Tami 1-Nadu. und Esel. Ihr Status ist der einer verachteten Paria- Der Mann hat sein Gewehr oft am Schulter- Gruppe. Es\existiert eine wirtschaft- riemen, es ist aus einem Rohr in Trompeten- liche Symbiose zwischen Koli und Brasseri form gefertigt. Er trägt einen großen roten (nomadischen Hirten). Sie wandern zusammen, Turban, seine Haare sind knotenähnlich ge- aber zwischen ihnen bestehen Heiratsbe- schlungen und werden nie geschnitten. Ne- schränkungen. Es gibt aber auch seßhafte ben einem unterentwickelten Lendenschurz Koli in Dörfern. Das prädominante Gewerbe hat er noch .eine Jagdtasche an der Seite. ist das Schmiedehandwerk; die Frauen und Kinder betteln. (v9l. Arnold 1967, insbes. Die Frau ist mit einer grellfarbigen Bluse S • 10 7 -8 , 11 5 , 11 7} bekleidet, die den Bauch freiläßt, und mit einem sehr weiten Rock, der bis auf die ad 5.11. Füße fällt. Sie trägt ihr Baby in einem Tuch mit einem Tragriemen an der linken In Indien gibt es u.a. folgende Zigeuner- Schulter. Das Kind ist, wie in einer Hänge- gruppen und Berufsgruppen der Zigeuner: matte, auf der Vorderseite in der richti- 1. Die Ochsenschausteller gen Höhe um sich selbst bedienen zu können, Sie bewegen sich in der Familie und zwar wenn es Lust hat zu trinken. isoliert. Sie besitzen einen oder zwei Man trifft sie gewöhnlich familienweise an, Zwergochsen, die sie schmücken und in den zu Fuß von Dorf zu Dorf ziehend, mehr und Dörfern tanzen lassen. Die Ochsen werden mehr auch mit der Eisenbahn, wo sie ohne von den Dorfbewohnern als heilig angesehen, Fahrschein reisen. Das könnte vielleicht und folglich geben sie willig. Die Ochsen- erklären, warum sie ihr provisorisches La- schausteller gehen zu Fuß. Sie sprechen ger immer in der Nähe von Bahnhöfen auf- Telugu. schlaqen. Auf diese Weise halten sie sich 8 Monate lang pro Jahr an den Stadträndern 2. Die Hundeschausteller auf. Diese Zigeuner bewegen sich in Gruppen von 10-20 Pers., um das Material zu tragen. Am Die Kinder betteln. Die Frauen verkaufen 171
Schwämme, Schleifen, Perlenhalsbänder usw. gebrauchen. Sie ähneln dem europäischen Die Männer stellen dicke Nadeln her zum Nä- Rom. hen von Taschen. Sie formen sie kalt. Sie (Stimme der Zigeuner Nr. 31 Jan./März stellen Netze auf, um Vögel zu fangen, die 1975: 6-8) sie nachher auf dem Stadtmarkt verkaufen. 7. Die Viehzüchter oder Kameltreiber - 9, Goundal - Schlangenbeschwörer Lambadis oder Bandscharis werden auch Zauberer genannt. 10. Gadoula - Schmiede Sie leben in der Provinz Tamil-Nadu, in der leben 1n karrenähnlichen Wagen, die sie vor Nähe der Berge, im Nordosten dieses Bundes- den Eingängen der Städte aufstellen, um auf staates. Während die Männer sich in kleiner ganz altertümliche Weise ihr Schmiedehand- Weise von der Allgemeinheit der Seßhaften werk auszuüben. unterscheiden, tragen die Frauen besondere (Stimme der Zig. Nr. 22/23 Mai/Juli Kleider mit lebendigen Farben. 1973:14) Die Zigeuner sind traditionelle Züchter und 6. REISEDAUER ihre Kenntnisse sind sehr geschätzt. Früher besaßen sie große Flächen an guten Feldern, aber heute ist der größte Teil verkauft. Oktober 1977 - Februar 1978 Nur wenige haben noch einige Parzellen Land. 20 Wochen, wobei mit durchschnittlich 10 Die anderen sind gezwungen, sich als Knech- Tagen pro Station gerechnet werden muß. Da- te bei den Landbesitzern einstellen zu las- zu kommen 5 Tage Anfahrt zur jeweilig näch- sen, oder Bumbus zu schneiden. sten Station, so daß insgesamt 20 Wochen Nach der englichen Besatzung wurden sie seß- für das Projekt benötigt werden. haft. Sie leben in Dörfern. Man trifft sie 7. REISEROUTE auch verstreut im ganzen Westen von Indien an, von Tamil-Nadu im Süden bis nach Rad- schastan im Norden. (Karte stammt aus Mc Dowell/Dale. Gyp- 8. Die nomadischen Iranier sies Wanderers of the World. Washington Sie haben Zelte aus Segeltuch von derselben D.C. 1970) Art wie sie die Nomaden des Mittleren Orients die Migrationen der Zigeuner NACH MC DOWELL/ DALE 1970: 16/17 172
8. MARGRET WEILER Cultural Geography. in: Journal of Geography 67:198-205. 1968 geb. 9.4.1951 in Viersen Fraser, J.T.: Of Time, Passion and Know- 1969 Beginn mit dem Studium der Völker- ledge. New York 1975 kunde, Soziologie und Ur- und Früh- Goeje, M.J.de: The Gypsies of Persia. geschichte an der Universität Köln JGLS (2) I 183-4, (1907) 1970 4-wöchiger Feldaufenthalt auf Grierson, George A.: Gypsy Languages. La Palma Linguistic Survey of India, Bd. XI 1971 Museumsexkursion nach London und (bearbeitet von Sten Konow). Oxford Calcutta 1922 1972 Museumsexkursion nach Wien und Gropper (?): Gypsies in the City. Culture Budapest Patterns and Survival, Princeton, N.J. 1975 1973 6-wöchiges Museumspraktikum im British Museum, Dep. of Ethnography Halliday, W.R.: Some notes upon Gypsies of Turkey. JGLS (3) I 163-89 (1922) 1974 empirische Erhebung bei Zigeunern in der BRD Ivatts, Arthur R.: Zigeuner eine Minder- heit auf der Landstraße. Bildungs- 1975 Studienfahrt in die Niederlande zu möglichkeiten für Zigeuner, in: Standplätzen der "Woonwagenbewoners" UNESCO-KURIER 15, 1974, 2, S. 4-11 1977 Abschließen der Dissertation "Zur LeVine, Robert: Ethnocentrism. New York Frage der Integration der Zigeuner 1972 in der BRD" bei Prof.Dr. Helmut Petri, Institut für Völkerkunde Köln Levy, J.de B.: The Gypsies of Turkey. JGLS (3) XXXI 5-13 (1952) 9. BIBLIOGRAPHIE Liegois, Jean Pierre: La mutation des Rom. Paris 1973 Anastas, Father: The Nawar or Gypsies of Mac Ritchie, David: Accounts of the Gypsies. the East JGLS.(2) VII, 298-319; of India, London 1886 VIII 140-53, 266-81 (1914/15) Majumdar, D.N.: Races and Cultures of India Anderson, James N.: Ecological Anthropolo- 1944 qy and anthropological Ecology. in: Max, F.: The so-called Gypsies of India. Handbook of social and cultural An- JGLS (3) XXVIII, 71-4 (1948) thropology, J.J. Honigman, ed. Chi- cago 1973 Mode, H. u. Wölffling, S.: Zigeuner. Der Weg eines Volkes in Deutschland. Arnold, Herman: Some Observations on Tur- Leipzig 1968 kish and Persian Gypsies, JGLS, XLVI, 1967, 3-4, s. 105-123 Makadam, M.: Gujeshaje Wafs, Ashtian, Tafrash (Dialects of) Iranowitsch: Barth, F.: Ethnic Groups and Boundaries, Teheran, sine dato (ca. 1960) Boston 1969 (enthält Glossarium über die Koli, Nomads of South Persia. London 1961, pp. 142-56) S. 91-2 Pott, A.F.: Die Zigeuner in Europa und Bleichsteiner, Robert: Vorderindien, in: AsieJI. Ethnographisch-Linguistische Hugo A. Benatzik, (Hrsg.) Neue Grosse Untersuchung, vornehmlich ihrer Her- Völkerkunde, Köln 1968, S. 496-532 kunft und Sprache nach gedruckten und ungedruckten Quellen. Erster Teil Chapple, Eliot D.: Culture and Biological Halle 1844 Man. New York 1970 Puxon, Gratten: Rom: Europe's Gypsies. Re- Clarkson, J.D.: Ecology and Spatial Ana- port Nr. 14 of the Minority Rights lysis. in: Annals of the Association Group. London 1973 of American Geographers (0:700-16 1970 McDowell, B. u. Dale, B.: Gypsies. Wanderers of the World. Washington 1970 Clebert, Jean-Paul: Das Volk der Zigeuner, aus d. Franz. Obs. von Albert von Redfield, R.: Die "Folk"-Gesellschaft (?) Streerbach. Wien 1964 Ruben, W.: Eisenschmiede und Dämonen in Cotton (Gropper): An Anthropologist looks Indien. 1939 at Gypsology, in: Journal of the Gypsy Sahlins, M.D.: Culture and Environment: Lore Society. XXXIV, 1955 S. 20-37, The Study of Cultural Ecology. in: XXXIII, 1954, 3-4, S. 107-120 Horizons of Anthropology ed. S. Tax, DuToit, Brian M.: Migration and Urbanization. Chicago 1964 Chicago 1975 Sinclair, A.T.: The Oriental Gypsies. English, P.: Landscape, Ecosystem, and En- JGLS (2) I 197-211 (1908) vironmental Perceptions: Concepts in 173
Sutherland, Anne: Gypsies. The Hidden Wirth, A.: A Persian Gypsy Vocabulary. JGLS Americans. London 1975 (3) VI 1927, S. 88-95 Sykes, P.M.: The Gypsies of Persia. in: Rishi, Padmashri W.R.: Multilingual Romani Journal of the Royal Anthropological Dictionnary Chandigarh India Institue of Great Britain and Ireland, vol. 36, 1906, S. 302-11 Roma-The Punjabi Emigrants in Europe, the USSR end Americas ets." Chandigerh Persian Jats. JGLS (2) III, 320 (1910) India 1977 Wierzbicka, Anna: Semantic Primitives. Frankfurt/M. 1972 (Ich danke Margret Weiler für die Mitarbeit Williams, H.L.: The Criminal and Wandering an der Vorbereitung und der Formulierung Tribes of India, in: JGLS, VI, 1912/13, des Projekts, das leider nicht realisiert 1, S. 34-58. JGLS, VI 1912/13, werden konnte. W.Z.) s. 110-135 174
Sie können auch lesen