Die Musik der Zigeuner - In ihrer heutigen Beschaffenheit auf den historischen Stationen ihrer Migration von Indien nach Europa von Margret Weiler ...

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Die Musik der Zigeuner
In ihrer heutigen Beschaffenheit
  auf den historischen Stationen
                  ihrer Migration
          von Indien nach Europa
              von Margret Weiler
           und Walter Zimmermann
1. GESCHICHTLICHER OBERBLICK OBER DIE                Afrikas bis an die Meerenge von Gibraltar
   MIGRATION DER ZIGEUNER                            vorzudringen und nach Spanien überzusetzen.
                                                     { ••• ) Die in der Türkei verbliebene Haupt-
                                                     gruppe überschritt den Bosporus und breite-
1.1. Herkunft                                        te sich in Griechenland und auf der ganzen
                                                     Balkanhalbinsel aus. Von dort gelangte sie
Die Sprachforschung gibt INDIEN als Her-             nach Mitteleuropa." {Cl~bert 1964:33) Zwi-
kunftsland der Zigeuner an. POTT's Sprach-           schen 1400 und 1500 erfolgte die Einwande-
vergleiche und etymologische Untersuchun-            rung der Zigeuner in Mittel- und West-
gen stellten die innere Gleichartigkeit der          europa.
verschiedenen Zigeunerdialekte und ihre Ver-
wurzelung in den Volksidiomen des nördli-
chen Vorderindien und damit ihre Verwandt-           2. BENENNUNGEN UND FUNKTIONEN DER ZIGEUNER
schaft zum Sanskrit fest. (1844:XV) Die                 IN DEN JEWEILIGEN AUFENTHALTSLÄNDERN
Zigeunersprache ROMANES {Romani) ist eine
PAISHATSCHA-Sprache. Die PAISHATSCHA-Spra~           2.1. Fremd- und Eigenbezeichnung
chen sind im Nordwesten Indiens beheimatet
und gehören zur Sprachgruppe der indoari-            Das Weltnomadenvolk (Redfield 1966:352)
schen Sprachen. (vgl. Bleichsteiner 1968:            Zigeuner ist heute in allen Kontinenten ver-
498-499) Eine engere Bestimmung der Region           treten. Die Gesamtzahl der Zigeuner wird
und der Stammesvorfahren der Zigeuner in
Indien liegt nicht vor, es existiert je-             nach Schätzungen zwischen 5 und 10 Millio-
doch eine Anzahl von Hypothesen, die sich            nen angesetzt. Nach Ivatts (1974:5) lebt
zum einen auf linguistisches Material und            die Hälfte der Gesamtpopulation der Zigeu-
zum Teil auf physisch-anthropologische               ner in Europa, von dieser wiederum zwei
Vergleiche, zum anderen auf Ähnlichkeiten            Drittel in Osteuropa. Die übrige Hälfte
von Sitten, Gebräuchen und Lebensweisen              lebt in West- und Südwestasien und Nordin-
bei indischen Stämmen und Kasten mit de-             dien, in den USA, Kanada und Südamerika in
nen der Zigeuner stützen. So weisen die              Nordafrika und auch in Neuseeland und A~s-
Döm eine besonders in Bihar, Bengalen und            tralien. Nach Ivatts (ebd.} und Puxon
Orissa zahlreiche, aber auch in fast allen           (1?73:4) finden sich auch kleine Gruppen in
nordindischen Ländern verbreitete Kaste              China, auf den Philippinen sowie den west-
enge Obereinstimmungen mit den Zigeunern             indischen Inseln und Hawaii.
auf. Ebenso finden sich Ähnlichkeiten mit            Entsprechend ihrer Verbreitung sind die Zi-
den Bediyä in Bengalen und den Gulguliä,
die zu den Bediyä gerechnet werden.                  geuner von den "Wirtsvölkern" mit einer
{Mode/Wölffling 1968:24-40) Man hat auch             Vielzahl von Namen belegt worden. Das deut-
versucht die Beziehung der Zigeuner zu den           sche Wort Zigeuner leitet sich wahrschein-
sogenannten "Criminal and Wandering Tri-             lich vom mittelalterlich-griechischen "At-
bes" in Indien zu untersuchen. (vgl.                 singanos", dem Namen einer verachteten Sek-
Williams 1912/13, Gropper 1975:3).                   te in Byzanz her.

1.2. Migrationen                                     Vo~ diesem Wort stammen die Bezeichnungen:
                                                     Ts1Qane (franz.), Zingari {ital.), Czigany
Zeitpunkt und Ursachen des Aufbr.uchs der            (ung.), Cingane {türk.), usw.
Zigeuner aus Indien sind nicht endgültig             Der Name "Gypsr" erklärt sich aus den Anga-
geklärt. Schätzungen des Zeitpunktes schwan-         ben der Zigeuner bei ihrer Ankunft in Euro-
ken zwischen dem u. und 12. Jahrhundert              pa, aus Ägypten zu stammen.
n.Chr •• Bereits im 9. Jahrhundert müssen            Die Zigeuner selbst haben kein Wort, was
die Zigeuner in Persien zahlreich gewesen            die gesamten Ethnie meint, sondern bezeich-
sein. Nach linguistischen Befunden ließen            nen sich nach ihren verschiedenen Gruppie-
sich ihre Migrationen rekonstruieren.                rungen z.B. als Rom {=Mensch) oder Manusch
                                                     (=wahrer Mensch). Alle nicht zu ihnen ge-
"Man stimmt    also   darin überein. daß die         hörenden Menschen, die Nicht-Zigeuner werden
Zigeuner, nachdem sie die Ufer des Indus             GADJE genannt.
verlassen hatten, zunächst in Afghanistan
und Persien eindrangen, im Norden das Kas-           2.2. Funktionen
pische Meer. im Süden den Persischen Golf
erreichten. Die Gruppe im Norden durch-              Die Beziehungen der Zigeuner zu den Gadjes
querte Armenien, dann den Kaukasus und spä-          gestalten sich in den verschiedenen Aufent-
ter Rußland. Die Gruppe im Süden zog den             haltsländern unterschiedlich; als parasitär
Euphrat und Tigris stromaufwärts. Dann aber          empfundenen Verhalten. Die jeweilige Form,
fand nochmals eine Gabelung statt: Während           in der sie ihren "Wirtsvölkern" ge~enüber-
ein Teil der Stämme zum Schwarzen Meer, ein          treten, zeigt sich am besten in ihren Be-
anderer nach Süden zog, drang die Haupt-             rufen. Darüber hinaus sind aber übernational
masse in die asiatische Türkei ein. Die              gewisse Gemeinsamkeiten in den Fertigkeiten
südlichste Gruppe wanderte durch Palästina           und Erwerbsweisen erkennbar. Als überall
und Ägypten an der Küste des Mittelmeeres            charakteristische Berufe für die Zigeuner
weiter, und einigen dieser Nomaden scheint           führt Cotton (1954/113) folgende auf:
es offenbar gelungen zu sein, der Nordküste          Schmiedehandwerk, Pferdehandel, Heilkunst,
                                                     Wahrsagen, Hausierhandel, Betteln, Taschen-

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diebstahl und Musik.                                 3. FELDAUFNAHMEVERFAHREN
2.3. Doppelte Funktion der Musikausübung
                                                     3 .1. Sprache
2.3.1 nach außen
                                                     3.1.1. Homologe Beziehungen von Sprache
Für Gadjes, also für uns, ist die Musik der                 und Musik
Zigeuner immer damit assoziiert, wie sie in
der Uffentlichkeit erscheint. Dort hat de-           "Les observations faites au sujet de la
ren Musik eindeutigen Erwerbscharakter und           langue (un plus grand eloignement de
ist den jeweiligen Erwartungshaltungen der           l 'Inde entra1ne une conservation plus
Rezipienten angepaßt. Jedoch ist dies als            fidele du vocabulaire) seraient-elles va-
Anpassung ohne Assimilierung zu verstehen,           lables pur d'autres caracteristiques cul-
wodurch dieser uns so bekannte synkretisti-          turelles?" (Liegeois 1973:13)
sche Sti 1 der Zigeunermusik entsteht, wie           Mögliche Hinweise der beobachteten Dialekt-
sie in Ungarn und Spanien am Ausgeprägte-            formen könnten homologe Beziehungen zu den
sten ist.                                            musikalischen Äußerungsformen liefern.
                                                     Deshalb ist es wichtig Aufnahmen des jewei-
2.3.2. nach innen                                    ligen Romanesdialekts zu machen.

Hier erhebt sich die Frage, ob außer dieser          3.1.2. Katalog semantischer Primitivismen
Funktion nach außen, eine "autonome Musik"
innerhalb des Gruppenverbandes praktiziert           Um Dialektveränderungen auf dem geographi-
wird. In der Literatur finden sich darüber           schen Weg der ehemaligen Migration der Zi-
kaum Angaben, da diese Funktion von Musik-           geuner aufzuzeigen, wird ein vorbereiteter
ausübung für Nicht-Zigeuner äußerst schwie-          Katalog semantischer Primitivismen benutzt.
rig festzustellen ist. Es soll trotzdem              (Wierzbicka 1972)
Aufgabe dieses Projekts sein, ob überhaupt           Dieser enthält Angaben über Konzepte von:
und wenn, in welcher Weise die musikalischen         Raum- und Zeitempfinden ihres Nomadenda-
Formen der Zigeuner von Außeneinflüssen der          seins, Abgrenzungsbezeichnungen, Verwandt-
jeweiligen "Wirtsvölker" abgrenzbar sind.            schaftsbezeichnungen usw.
Dafür müssen für eine solche Präsentation
der Musik, die Volksmusik der Gadjes des             3.1.3. Informantenangaben zum eigenen
jeweilig betrachteten Bereichs zum Vergleich                Kulturverständnis
herangezogen werden. Einige, wenn auch nicht
sehr überzeugende Kommentare über eine mög-          Daten über Bezeichnungen der materiellen
liche "autonome Musik" der Zigeuner exi-             Kultur: Werkzeuge, Kleidung und Schmuck,
stieren, so der des ungarischen Linguisten           Heilmittel und chemische Erzeugnisse, Wohn-
Vekerdi: "Real Gypsy folk music uses no in-          weisen usw.
struments. Singers are accompanied by stam-
ping feet, clicking tongues, the tapping             Daten zur Musik: Instrumentnamen, Formen
of spoons, and the rapping of knuckles on            musikalischer Praxis (Tänze, Gesänge usw.),
tables."                                             Angaben über Funktionen dieser Formen,
(zitiert nach Mc Dowell/Dale 1970:97)                usw.
                                                     3.2. Musik
2.4. Wichtigkeit ethnologischer Arbeit in            3.2.1. Aufnahmen alltäglicher musikalischer
     diesem Zusammenhang                                    Aktivitäten
Diese verschiedenen Funktionen der Musik-            3.2.1.1. Musikalische Aktivitäten für die
ausübung der Zigeuner können nur verstanden          Gruppe: Kinderlieder, Frauenlieder, Arbeits-
werden, wenn Musik nicht als isolierte Äuße-         lieder (als begleitende Funktion eines Ar-
rung, sondern vor dem Hintergrund der Ein-           beitsvorganges)
bettung im Gesamtfeld, d.h. im Bezug zur
natürlichen und soziokulturellen Umgebung            3.2.1.2. Musikalische Aktivitäten nach außen
ihrer Entstehung begriffen werden. Das er-           im Sinne einer beruflichen Musikausübung
fordert auch eine ethnografisch angelegte
Untersuchung, die später bei der Präsen-             3.2.2. Aufnahme von speziellen Ereignissen
tation der akustischen Materialien für ein
Verständnis unerlässlich sind.                       3.2.2.1. Rituale des Lebenszyklus: Geburt,
                                                     Heirat und Tod
Diese parallel zu den Musikaufnahmen statt-
findende Untersuchung wird also vor allem            3.2.2.2. Rituale des Naturzyklus
die Konzepte der Gruppenbindung und des              Frage, ob Jahreszeiten, die die Wanderung
Kontakts nach Außen erarbeiten. Die Unter-           bestimmen, irgendwelche Rückwirkungen auf
scheidung Rom - Gadje geht z.B. parallel             Festlichkeiten haben.
mit Reinlichkeits~ Befleckungsvorstellun-
gen, die die sozialen Abgrenzungen einer             3.2.2.3. Lokale Festivitäten die das terri-
Gruppe zur anderen definieren.                       toriale Gefühl bezüglich der Orte ihrer

                                               169
Wanderung konsolidieren.                             5 .1. 2.    Wa 1 ac hi an   (Eigenbezeichnung, bei
                                                                                  Fremdbezeichnung in
3.3. Soundscape (Aufnahmen der Klänge der                                         Klammern)
     Umgebung)                                       5 .1. 3.    Pecs            (Lokalisierung)
3.3.1. Für ein Verständnis der Musik der                         (200 km südlich von Budapest)
Zigeuner ist auch das akustische Einfangen           5.1.4.
der so verschiedenen Umgebungen in der sie                       Rudolf Vig      (Kontaktperson)
entsteht, erforderlich. Dafür müssen folgen-                     (Ethnomusikologe, Ungarisch& Aka-
de Tonbandaufnahmen berücksichtigt werden:                        demie der Wissenschaften)

3.3.1.1. Aufnahmen von Tageszyklen, um ak-           5.2. Rumänien
tive Kultur (zum Beispiel Arbeitslieder)
zeitlich zu lokalisieren.                            5. 2.1.     540.000
3.3.1.2. Aufnahmen an verschiedenen Punk-            5. 2. 2.    Rom
ten des gesteckten Feldes, um die Totali-            5. 2 .3.    Mera & Brasov
tät der aktiven Kultur in der jeweiligen             5. 2. 4.    Zoltan Kallos & Jstvan Almasi
Umgebung festzustellen.                                                          (Musikologen in
                                                                                  C1 uj)
4. ZIELVORSTELLUNG
                                                     5.3. Bulgarien
4.1. Mit zunehmender Nähe zu Indien werden           5. 3 .1,    250.000
die Zigeuner sowohl vom Phänotypus als auch          5. 3. 2.    Rom
kulturell immer schwerer vom "Wirtsvolk"             5.3.3.      Sliven & Plovdiv & Varna
unterscheidbar und werden weniger als stö-           5.3.4.      Dr. Ivanftchka Georgieva
rende Fremde aufgefaßt, sondern erfüllen                                         (Museum für Ethno-
Funktionen innerhalb der Gesamtgesellschaft.                                      logie Sofia)
d.h. sie sind integrierter Bestandteil der-
selben.                                              5.4. Jugoslawien
So wird sich in einer Präsentation dieser            5 .4.1.  650.000
Rekonstruktion des von den Ziqeunern ein-            5. 4. 2. Rom
mal gegangenen Wegs von lndie~ nach Euro-            5.4.3.   Shuto Orizare (Zigeunerstadt bei
pa die Ausbildung einer relativ integrier-                                   Skooje, 23.000, Zi-
ten Gruppe zu einer Außenseitergruppe dar-                                   geuner)
stellen lassen.                                               Nis
                                                     5.4.4. : Abdi Faik (Funktionär im Mazedo-
4.2. "( ... ) being confronted in unpredic-                              nischen Parlament)
table ways with an alien culture. Whatever
the particular solution theirs is alwayi             5.5. Griechenland
a precarious adaption that is never resol-
ved, never complete, because the threat              5. 5 .1.    45.000
of assimilation is never ~otally absent."            5. 5. 3.    Flambouron (70 km nordöstlich vtin
(Sutherland 1975:289)                                                        Nigrita)
Mit den aufgenommenen Materialien soll dem-          5.6. Türkei
nac~ dargestellt werden, daß Formen der
Adaption, welche durchwegs zu beobachten             5.6.1.      70.000 (davon 10.000 in Istanbul)
sind, ohne Assimilation existieren können;           5.6.2.      (Chingene)
d.h. daß die wirtschaftliche und kulturel-           5.6.3.      Zigeunervierte.1 in .Ankara, Ci'ncfn-
le Adaption an die Lebensbedingungen des                         kaya, Cöplük, Hacihüsrev, Lonca,
"Wirtsvolks" bewußt von den Zigeunern vor-                       Istanbul              -
genommen wird, um dadurch ihre kulturel-             5.6.4.      Alexandre Vexliard (Universität
le Autonomie aufrechtzuerhalten. Diese                                                 Ankara).
Autonomie der Zigeunerkultur vollzieht                           Dr. Mübeccel Kiray (Prof. für So-
sich als Kontinuität durch Wandel.                                              ziologie Ankara)
                                                                 Dr. Metin And (Historiker)
Eine Reihung und Konfrontierung der Musik-
aufnahmen von den ausgewählten Orten ihrer           5.7. Iran
Migrationsroute werden möglicherweise Ein-
sichten über dieses Phänomen der Kontinuität         5.7.2. : Zargar, (Koli), Gurbati (Ghorbati)~
durch Wandel erlauben.                                        Haddad, Karaci, Juki
5. LÄNDERKURZBESCHREIBUNG                            5.8. Irak
                                                     5.8.2. : Kaolis & Noars
5.1. Ungarn
5.1.1. : 300.000      (ungefähre Anzahl)

                                               170
5.9. Afghanistan                                     Abend führen sie mit ihren Hunden versch.
                                                     Nummern auf. Sie gehen zu Fuß.
5.9.2. : Koudgis, Jats, Koulies, Chouriwalas         3. Die Zirkusleute
5.9.4. : Aparna Rao (26 Mitzamuddin East,            Sie stellen sich für einige Tage oder Wochen
                     New Dehli 112013)               am Rande von qro~en Dörfern oder Städten
                                                     auf und errichten ihr Zirkuszelt unter dem
5.10. Pakistan                                       sie abends Nummern mit dressierten Tieren,
5.10.2. : Louri, Dom
                                                     Zauberkunststücke und athletische Nummern,
                                                     manchmal auch Theaterstücke vorführen. Sie
                                                     halten sich mit ihrem Material in gemieteten
5. 11 . Indien                                       Lastwagen auf. Sie sind normal gekleidet und
                                                     sprechen Telugu.
5.11.1.: 10 Millionen (Gypsy wird in Indien
         gebraucht um ganz allgemein jede            4. Adivasi (Adi-Vassis) - Mediziner
         Person oder jede Gruppe, die nicht          In diesem Stamm ziehen nur die Männer umher,
         seßhaft ist oder ursprünglich nic~t         sie kampieren an den Stadträndern. Von hier
         seßhaft war zu kennzeichnen.)               ziehen sie jeden Morgen, nachdem sie sich
5.11.2.: Adivasi, Narikoravas, Lambadis,
                                                     peinlich gründlich gewaschen und ihre Gebe-
         Bandscharis, Goundal, Gadoula,              te den Hindugöttern gebracht haben, jeder in
         Vancara, Dang, Sindi.                       eine andere Richtung davon. Die Tasche mit
                                                     den medizinischen Heilmitteln traoen sie in
5.11.3.: Punjab (Emigrationausgangspunkt             ihren Händen mit. Sie bieten ihre-allgemeinen
         laut neueren indischen Hypothesen,          aus Naturprodukten hergestellte traditionel-
         Rishi 1977); Kadirpur (Sindi-Dorf,          le Medizin an.
         lndusnähe)
                                                     Die Männer haben in ihrem Haarknoten auf
5.11.4.: Padmashri W.R. Rishi (Herausgeber           der linken Seite eine farbige Feder. Frauen
         von Roma)                                   tragen nur einen Lendenschurz.
         Chandigarh - 160016, Linguist und           Sie sprechen Telugu und haben ihre Dörfer
         Autor, Direktor des Indian Insti-           im Norden des Staates Andhra-Pradesh. (Sie
         tute of Romani-Studies.                     sollen die ersten Bewohner Indiens sein.)
         Dr. Srimivessa Varna (Linguist
         an der U. Annamaly)                         5. Die Lumpensammler
                                                     Sie leben vom Handel mit alten Kleidungs-
ad 5.7.                                              stücken und anderen Gelegenheitsverkäufen.
                                                     Sie bewegen sich in Gruppen von 4 od. 3
Koli ist der gebräuchlichste Name für Zi-            Familien mit der Bahn oder dem Bus, indem
geuner in Persien, der zweithäufigste ist            sie ihre Ballen von Ort zu Ort mitnehmen.
Gurbati (Ghorbati). Die Koli nennen sich             Sie sind tm Maraschtna-Stil gekeidet.
selbst Ghurbed oder auch Haddad, was arab.-          6. 'die Jäger - Narikoravas
pers. ist und Schmied heißt. Die Koli be-            Die typischsten Nomaden im Bundesstaat
sitzen· Zelte, Werkzeuge und evtl. Ziegen            Tami 1-Nadu.
und Esel.
Ihr Status ist der einer verachteten Paria-          Der Mann hat sein Gewehr oft am Schulter-
Gruppe. Es\existiert eine wirtschaft-                riemen, es ist aus einem Rohr in Trompeten-
liche Symbiose zwischen Koli und Brasseri            form gefertigt. Er trägt einen großen roten
(nomadischen Hirten). Sie wandern zusammen,          Turban, seine Haare sind knotenähnlich ge-
aber zwischen ihnen bestehen Heiratsbe-              schlungen und werden nie geschnitten. Ne-
schränkungen. Es gibt aber auch seßhafte             ben einem unterentwickelten Lendenschurz
Koli in Dörfern. Das prädominante Gewerbe            hat er noch .eine Jagdtasche an der Seite.
ist das Schmiedehandwerk; die Frauen und
Kinder betteln. (v9l. Arnold 1967, insbes.           Die Frau ist mit einer grellfarbigen Bluse
S • 10 7 -8 , 11 5 , 11 7}                           bekleidet, die den Bauch freiläßt, und mit
                                                     einem sehr weiten Rock, der bis auf die
ad 5.11.                                             Füße fällt. Sie trägt ihr Baby in einem
                                                     Tuch mit einem Tragriemen an der linken
In Indien gibt es u.a. folgende Zigeuner-            Schulter. Das Kind ist, wie in einer Hänge-
gruppen und Berufsgruppen der Zigeuner:              matte, auf der Vorderseite in der richti-
1. Die Ochsenschausteller
                                                     gen Höhe um sich selbst bedienen zu können,
Sie bewegen sich in der Familie und zwar             wenn es Lust hat zu trinken.
isoliert. Sie besitzen einen oder zwei               Man trifft sie gewöhnlich familienweise an,
Zwergochsen, die sie schmücken und in den            zu Fuß von Dorf zu Dorf ziehend, mehr und
Dörfern tanzen lassen. Die Ochsen werden             mehr auch mit der Eisenbahn, wo sie ohne
von den Dorfbewohnern als heilig angesehen,          Fahrschein reisen. Das könnte vielleicht
und folglich geben sie willig. Die Ochsen-           erklären, warum sie ihr provisorisches La-
schausteller gehen zu Fuß. Sie sprechen              ger immer in der Nähe von Bahnhöfen auf-
Telugu.                                              schlaqen. Auf diese Weise halten sie sich
                                                     8 Monate lang pro Jahr an den Stadträndern
2. Die Hundeschausteller                             auf.
Diese Zigeuner bewegen sich in Gruppen von
10-20 Pers., um das Material zu tragen. Am           Die Kinder betteln. Die Frauen verkaufen

                                               171
Schwämme, Schleifen, Perlenhalsbänder usw.            gebrauchen. Sie ähneln dem europäischen
Die Männer stellen dicke Nadeln her zum Nä-           Rom.
hen von Taschen. Sie formen sie kalt. Sie             (Stimme der Zigeuner Nr. 31 Jan./März
stellen Netze auf, um Vögel zu fangen, die             1975: 6-8)
sie nachher auf dem Stadtmarkt verkaufen.
7. Die Viehzüchter oder Kameltreiber -                9, Goundal - Schlangenbeschwörer
   Lambadis oder Bandscharis                          werden auch Zauberer genannt.
                                                      10. Gadoula - Schmiede
Sie leben in der Provinz Tamil-Nadu, in der           leben 1n karrenähnlichen Wagen, die sie vor
Nähe der Berge, im Nordosten dieses Bundes-           den Eingängen der Städte aufstellen, um auf
staates. Während die Männer sich in kleiner           ganz altertümliche Weise ihr Schmiedehand-
Weise von der Allgemeinheit der Seßhaften             werk auszuüben.
unterscheiden, tragen die Frauen besondere            (Stimme der Zig. Nr. 22/23 Mai/Juli
Kleider mit lebendigen Farben.                         1973:14)
Die Zigeuner sind traditionelle Züchter und           6. REISEDAUER
ihre Kenntnisse sind sehr geschätzt. Früher
besaßen sie große Flächen an guten Feldern,
aber heute ist der größte Teil verkauft.              Oktober 1977 - Februar 1978
Nur wenige haben noch einige Parzellen Land.          20 Wochen, wobei mit durchschnittlich 10
Die anderen sind gezwungen, sich als Knech-           Tagen pro Station gerechnet werden muß. Da-
te bei den Landbesitzern einstellen zu las-           zu kommen 5 Tage Anfahrt zur jeweilig näch-
sen, oder Bumbus zu schneiden.                        sten Station, so daß insgesamt 20 Wochen
Nach der englichen Besatzung wurden sie seß-          für das Projekt benötigt werden.
haft. Sie leben in Dörfern. Man trifft sie            7. REISEROUTE
auch verstreut im ganzen Westen von Indien
an, von Tamil-Nadu im Süden bis nach Rad-
schastan im Norden.                                   (Karte stammt aus Mc Dowell/Dale. Gyp-
8. Die nomadischen Iranier                            sies Wanderers of the World. Washington
Sie haben Zelte aus Segeltuch von derselben           D.C. 1970)
Art wie sie die Nomaden des Mittleren Orients

                                              die Migrationen der Zigeuner
                                                         NACH MC DOWELL/ DALE 1970: 16/17

                                                172
8. MARGRET WEILER                                          Cultural Geography. in: Journal of
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1975 Studienfahrt in die Niederlande zu                    möglichkeiten für Zigeuner, in:
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1977 Abschließen der Dissertation "Zur                LeVine, Robert: Ethnocentrism. New York
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    Tribes of India, in: JGLS, VI, 1912/13,          des Projekts, das leider nicht realisiert
    1, S. 34-58. JGLS, VI 1912/13,                   werden konnte. W.Z.)
    s. 110-135

                                              174
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