Die Myelodysplastischen Syndrome (MDS) - Eine Informationsbroschüre für Patient:innen und Angehörige - Hämatologie.info
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Inhalt 1 Vorwort 5 Das Blut und seine Aufgaben 7 2 Das Blut Zusammensetzung des Blutes 7 Die Blutbildung 7 Was sind Myelodysplastische Syndrome? 13 Ursachen – wie entstehen MDS? 14 Die Myelodysplastischen 3 Syndrome Symptome – gibt es „typische“ Anzeichen für MDS? 14 Diagnose – wie werden MDS festgestellt? 15 Wichtige Fragen! 18 Man unterscheidet zwischen Niedrigrisiko-MDS und Hochrisiko-MDS 21 4 Behandlung von MDS Therapien können auch Nebenwirkungen haben 21 Komplementäre Therapien als Ergänzung 21 Watch and Wait 23 Unterstützende Therapie 23 Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESA) 24 Erythrozyten-Reifungs-Aktivator (ERA) 24 5 Welche Therapieformen gibt es? Immunmodulatoren 25 Stammzelltransplantation 25 Hypomethylierende Agenzien (HMA) 26 Therapiestudien26 Verstehen, was im eigenen Körper passiert 29 Checklisten für das ärztliche Diagnostik 30 6 Gespräch Therapieentscheidung 32 Nebenwirkungen 34 2
VORWORT · 1 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, die Abkürzung MDS steht für „Myelodysplastische Syndrome“ und umfasst eine Reihe von Erkrankungen, bei denen die Blutbildung gestört ist. Die Diagnose MDS trifft Erkrankte und Angehörige meist völlig unvorbereitet und verursacht Furcht und Unsicherheit in Bezug auf Krankheitsverlauf und Behandlungsmöglichkeiten. Es stellen sich viele Fragen. Welchen Einfluss haben Krankheit und Therapie auf die Lebensqualität? Wie wird sich der Alltag verändern? Wie ist die Prognose? In dieser Situation möchten wir Ihnen mit der vorliegenden Broschüre die Orientie- rung erleichtern, indem Hintergründe und Mechanismen der Erkrankung verständ- lich erklärt und häufige Fragen beantwortet werden. Wir möchten Ihnen auch Mut machen: Myelodysplastische Syndrome lassen sich in vielen Fällen günstig beeinflussen und erlauben häufig ein Leben mit guter Lebensqualität. Außerdem wird intensiv daran geforscht, die Krankheitsmechanismen besser zu verstehen und daraus neue Therapiemöglichkeiten abzuleiten. Myelodysplastische Syndrome treten vor allem in höherem Lebensalter auf und Vielen Dank an Herrn Professor verlaufen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Daher ist es wichtig, mit Gattermann für die fachliche Ihrer Ärztin bzw. Ihrem Arzt über die individuelle Krankheitssituation und die pas- Beratung und redaktionelle Unter- senden Therapiemöglichkeiten zu sprechen. stützung bei der Erstellung dieser Broschüre. Mit der Krankheit zu leben und mit ihr zurechtzukommen, ist eine große Heraus- forderung. Es gibt hierfür kein Patentrezept, da jeder Mensch seine eigene Strate- Prof. Dr. med. Norbert Gattermann gie hat, mit solch einer Situation umzugehen. Es hilft aber, Ängste und Unsicher- ist Oberarzt an der Klinik für Häma- heiten mit Freund:innen und Angehörigen zu teilen. Tauschen Sie sich auch mit tologie, Onkologie und Klinische anderen Betroffenen aus. Deren Erfahrung kann für Sie eine große Unterstützung Immunologie am Universitätsklini- sein. Sie werden merken, dass Sie nicht allein sind! Auch psychoonkologische Hilfs- kum Düsseldorf und Geschäftsfüh- angebote sind nützlich bei der Entwicklung einer eigenen Bewältigungsstrategie. render Leiter des Universitätstumor- Wir wünschen Ihnen den Mut und die nötige Gelassenheit, um Ihr Leben auf Ihre zentrums (UTZ). eigene, ganz persönliche Weise zu meistern. Ihr Bristol Myers Squibb Hämatologie-Team 5
DAS BLUT · 2 Das Blut Als Myelodysplastische Syndrome (MDS) wird eine Gruppe seltener Bluterkrankun- gen (hämatologischer Erkrankungen) bezeichnet, bei denen die Blutbildung bei den Betroffenen auf ähnliche Weise gestört ist. Deshalb beginnt diese Broschüre mit wichtigen Informationen zur normalen Funktion des Blutes. Das Blut und seine Aufgaben Geweitete Blutgefäße sorgen mit ihrem Zusammensetzung des Blutes langsamen Blutfluss für die Abgabe von Blut ist ein Gemisch aus flüssigem Blut- Wärme; verengte Gefäße mit höherer Unser Blut besteht zu etwa gleichen An- plasma und verschiedenen Blutzellen. Es Fließgeschwindigkeit geben weniger teilen aus Blutzellen (45 %) und Blutplas- versorgt, reguliert und schützt unseren Wärme ab. ma (55 %). Das hellgelbe Plasma ist flüs- Körper mit folgenden Funktionen: sig. Es besteht zum Großteil aus Wasser, Schutz: Wundheilung und Immun- außerdem aus wasserlöslichen Stoffen Transport system wie Eiweißen, Elektrolyten, Vitaminen Das Blut versorgt die Körperzellen mit Bei Verletzungen lagern sich bestimmte und Nährstoffen. Das Plasma sorgt für Nährstoffen und Sauerstoff. Darüber hi- Bestandteile des Blutes an der verletzten die Zufuhr von Nährstoffen in die ver- naus befördert es auch Botenstoffe wie Gefäßwand aneinander und bilden ei- schiedenen Gewebe und Organe – und zum Beispiel Hormone – auf diese Weise nen sogenannten Pfropf. Damit sorgen umgekehrt für den Abtransport von Ab- werden Informationen im Körper verteilt sie dafür, dass die Blutung an der Wunde bauprodukten. und gezielt Prozesse in Gang gesetzt. zum Stillstand kommt. Eine weitere wich- tige Schutzfunktion ist unsere Immun- Regulation abwehr: Das Blut spielt eine tragende Die Blutbildung Das Blut hält wichtige Funktionen des Rolle bei der Bekämpfung von Krank- Körpers im Gleichgewicht. Beispielsweise heitserregern. Die Blutbildung (Hämatopoese) ist ein kann das Blutplasma Wärme aufneh- hierarchisch organisiertes System. An men bzw. abgeben und hilft damit, die der Spitze der Hierarchie befinden sich Körpertemperatur zu regulieren. Auch die sogenannten Blutstammzellen. Dies über die Fließgeschwindigkeit des Blutes ist eine kleine Gruppe von Zellen im Kno- kann die Temperatur reguliert werden. chenmark. Sie besitzen einerseits die Fä- 7
2 · DAS BLUT higkeit, sich bei der Zellteilung in zwei Abb. 1: Die Blutbestandteile gleiche Tochterzellen zu teilen, die wie- derum Stammzellen sind (identische Selbstreplikation). Hierdurch wird ge- währleistet, dass der Vorrat an Stamm- zellen im Laufe des Lebens erhalten bleibt. Andererseits können die Stamm- zellen aber auch Tochterzellen hervor- bringen, die sich bei den nachfolgenden Zellteilungen weiter spezialisieren und bei ihrer Ausreifung im Knochenmark alle Typen von funktionstüchtigen Blut- zellen hervorbringen können. So können sich die Stammzellen beispielsweise über mehrere Zwischenstufen (Vorläuferzel- len) in rote Blutkörperchen (Erythrozy- ten), weiße Blutkörperchen (Leukozyten) oder Blutplättchen (Thrombozyten) ent- wickeln. Bei der Blutbildung unterschei- det man zwei Entwicklungslinien: die my- eloische und die lymphatische (siehe Abb. 2). Die myeloischen Zellen – dazu zählen die Vorläuferzellen der roten Blut- körperchen, der Blutplättchen und ver- schiedener Typen der weißen Blutkörper- chen – reifen im Knochenmark aus (Myelopoese). Die vollständige Ausrei- fung der lymphatischen Zellen – be- 45 % Blutzellen: 1 % Blutplättchen (Thrombozyten) stimmte weiße Blutkörperchen, die man 1 % weiße Blutkörperchen (Leukozyten) gesammelt als Lymphozyten bezeichnen 43 % rote Blutkörperchen (Erythrozyten) kann – erfolgt erst im lymphatischen System (Lymphopoese), zu dem vor al- lem die Lymphknoten gehören. Eine Mi- schung stellen die sogenannten dendriti- schen Zellen dar. Sie können sich sowohl aus myeloischen als auch lymphatischen Vorläuferzellen entwickeln. Wenn eine Stammzelle aufgrund erwor- bener genetischer Schäden (Mutatio- 8
DAS BLUT · 2 Abb. 2: Die Blutbildung im Knochenmark Stammzelle Blasten (= Vorläuferzellen) Lymphatische Myeloische Blasten Blasten Lymphozyten Leukozyten Erythrozyten Thrombozyten (weiße Blutkörperchen) (rote Blutkörperchen) (Blutplättchen) Natürliche B-Zellen T-Zellen Mastozyten Monozyten Granulozyten Killerzellen 9
2 · DAS BLUT nen) Tochterzellen hervorbringt, die sich munabwehr zuständig. Es gibt zahlreiche die spezifische Immunabwehr aus. nicht mehr zu normalen reifen Blutzellen Typen von Leukozyten, die unterschied- Insgesamt lässt sich festhalten, dass entwickeln können, kann daraus eine liche Aufgaben wahrnehmen. eine erfolgreiche Immunabwehr die Zu- schwere Knochenmarkerkrankung wie sammenarbeit verschiedener Leukozy- zum Beispiel eine akute Leukämie ent- Die B- und T-Lymphozyten sind vor al- ten erfordert. Deshalb führt ein Mangel stehen. lem für die Erkennung von Fremdmate- an gesunden weißen Blutkörperchen zu rial (z. B. Infektionserreger) zuständig einer Abwehrschwäche und somit zu ei- und repräsentieren gleichzeitig das „im- nem erhöhten Risiko für schwer verlau- munologische Gedächtnis“, das unter fende Infektionen. Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) anderem den Erfolg von Impfungen ge- binden Sauerstoff währleistet. Wenn B- oder T-Lymphozy- Die große Mehrzahl der Blutzellen sind ten einen „Eindringling“ erkannt haben, rote Blutkörperchen (Erythrozyten). Ihr können sie weitere Zellen des Immunsys- Anteil am gesamten Blutvolumen (ein- tems informieren und zur Bekämpfung schließlich Plasma) liegt bei ca. 43 %. von Bakterien oder Viren stimulieren. Blutplättchen (Thrombozyten) sind Die Erythrozyten sind vor allem für den Ihre Schwesterzellen, die natürlichen Kil- wichtig für die Blutstillung und den Transport von Sauerstoff zuständig. Sie lerzellen, sind in der Lage, körpereigene Wundverschluss enthalten dafür den eisenhaltigen roten Zellen zu erkennen, die infiziert oder ent- Thrombozyten stoppen eine Blutung, in- Blutfarbstoff Hämoglobin (Hb). Hämo- artet sind, und diese abzutöten. dem sie zusammen mit anderen Zellen globin ist in der Lage, Sauerstoffmolekü- und bestimmten Eiweißstoffen (Gerin- le zu binden. Auf diese Weise können die Granulozyten werden je nach Granulie- nungsfaktoren) die Wunde verkleben Erythrozyten den Sauerstoff von der rung (= kleine Körnchen im Zellinneren) und dort einen Pfropf bilden. Blutplätt- Lunge zu den Körperzellen in allen Orga- als neutrophile, basophile oder eosino- chen besitzen keinen Zellkern und sind nen und Geweben transportieren. Wenn phile Granulozyten bezeichnet. Vor al- kleiner als weiße oder rote Blutkörper- die Erythrozyten in zu geringer Zahl vor- lem die neutrophilen Granulozyten sind chen. Ein Mangel an Blutplättchen wird handen sind oder nicht ausreichend mit Fresszellen, die bei Entzündungsreaktio- als Thrombozytopenie bezeichnet. Wenn Hämoglobin gefüllt sind, wird dies als nen rasch aus dem Blut ins Gewebe aus- eine ausgeprägte Thrombozytopenie Anämie (Blutarmut) bezeichnet. Um wandern können, um dort Bakterien vorliegt, ist die Blutstillung verlangsamt eine Anämie festzustellen, wird in der oder andere Mikroorganismen zu vertil- und beeinträchtigt, so dass gefährliche Regel der sogenannte Hb-Wert gemes- gen. Eosinophile Granulozyten sind vor Blutungen entstehen können. sen. allem an der Abwehr verschiedener Pa- rasiten beteiligt. Die Monozyten des Blutes gehören ebenfalls zu den Zellen, die Fremdmaterial verdauen können. Die aus Monozyten oder lymphatischen Vor- Verschiedene Typen von weißen Blut- läuferzellen hervorgehenden dendriti- körperchen (Leukozyten) schen Zellen sind als „Wächterzellen“ in Die weißen Blutkörperchen verfügen den äußeren Zonen des Körpers aktiv. über einen Zellkern, enthalten kein Hä- Sie erkennen und „melden“ schädliche moglobin und sind vor allem für die Im- Moleküle und lösen in den Lymphknoten 10
DAS BLUT · 2 Abb. 3: Leukozyten Lymphozyten Granulozyten Information Monozyten Die weißen Blutkörperchen (Leuko- zyten) unterteilen sich in drei Haupt- typen, die unter dem Mikroskop ein unterschiedliches Aussehen haben. Sie können sowohl von der lymphati- schen Zelllinie (Lymphozyten) als auch von der myeloischen Zelllinie (Monozyten und Granulozyten) ab- stammen. Granulozyten erkennt man an den kleinen Körnchen im Zellinneren. 11
3 · DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME 12
DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME · 3 Die Myelodysplastischen Syndrome Myelodysplastische Syndrome (MDS) bezeichnen eine Gruppe seltener Bluterkran- kungen mit ähnlichen Krankheitsmerkmalen. Bei MDS ist die Bildung bestimmter Blutzellen (myeloische Zelllinie) gestört. Ursache der Erkrankung sind genetische Ver- änderungen in den Blutstammzellen. Es besteht keine Ansteckungsgefahr, genauso wenig sind MDS erblich bedingt. In den meisten Fällen entstehen MDS spontan und im höheren Alter. Alle hier genannten Symptome sind allein kein eindeutiger Hinweis auf eine bestehende MDS-Erkrankung. Daher wird Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin Sie mit sehr viel Sorgfalt untersuchen bzw. Untersuchungen in einer hämatologischen Fach- praxis veranlassen, um eine eindeutige Diagnose stellen zu können. Was sind Myelodysplastische mehr macht, sondern sich ständig teilt Syndrome ? und vermehrt. Sie hat dadurch einen Wachstumsvorteil im Vergleich zu den Zu Myelodysplastischen Syndromen normalen Stammzellen, so dass nach ei- (MDS) kann es kommen, wenn Blut- niger Zeit ein großer Pool von kranken stammzellen im Knochenmark im Laufe Stammzellen entsteht, der das Knochen- des Lebens genetische Schäden erleiden mark dominiert. Die Tochterzellen der (Punktmutationen oder Chromosomen- kranken Stammzellen haben wegen ihrer veränderungen). Einige Schäden führen genetischen Schäden große Mühe, sich Durchschnittsalter bei MDS dazu, dass Stammzellen zugrunde ge- zu vollständig ausgereiften, funktions- hen. Das ist nicht schlimm, da normaler- tüchtigen Blutzellen zu entwickeln. Viele Das durchschnittliche Erkran- weise eine ausreichende Zahl von gehen vorzeitig im Knochenmark zugrun- kungsalter von MDS liegt bei 70 Stammzellen vorhanden ist. Andere Mu- de und erreichen gar nicht die Blutbahn. Jahren.¹ Selten können MDS aber tationen können jedoch dazu führen, Deshalb leiden Betroffene an Anämie auch bei Kindern, Jugendlichen dass eine „kranke“ Stammzelle zwischen und/oder Leukozytopenie und/oder oder jungen Erwachsenen auftre- ihren Zellteilungen keine langen Pausen Thrombozytopenie. ten. 13
3 · DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME Wenn die kranken Vorläuferzellen sehr vo-MDS“. Dies ist meistens der Fall. deuten jedoch darauf hin, dass es gewis- unreif bleiben, werden sie als „Blasten“ se genetische Veranlagungen gibt, die bezeichnet. Blasten werden normaler- Deutlich seltener (ca. 10 Prozent der Fäl- das Risiko erhöhen, in höherem Lebens- weise im Knochenmark zurückgehalten. le in Deutschland) wird die Erkrankung alter an MDS zu erkranken. Wenn sie sich dort stark vermehren, kön- als „sekundäre MDS“, also als eine Folge- nen sie aber auch in die Blutbahn über- erkrankung eingeordnet.² Bei den Betrof- Nachdem MDS diagnostiziert worden treten. Falls der Anteil der Blasten im fenen sind die genetischen Veränderun- sind, kann sich der weitere Krankheits- Knochenmark 20 % übersteigt, wird die gen in den Blutstammzellen wahrschein- verlauf sehr unterschiedlich gestalten. Erkrankung als Leukämie bezeichnet. lich nicht zufällig aufgetreten, sondern Dies ist zum Teil dadurch zu erklären, durch äußere Einwirkung, wie etwa eine dass die kranken MDS-Stammzellen im Wenn die kranken Vorläuferzellen im vorangegangene Strahlen- oder Chemo- Knochenmark weitere genetische Defek- Knochenmark über das Blastenstadium therapie, verursacht worden. In solchen te (Mutationen und Chromosomenano- hinausreifen, lassen sie bei der mikrosko- Fällen spricht man auch von therapie- malien) erleiden können. Von Zahl und pischen Betrachtung einige charakteris- assoziierten MDS (t-MDS). Art dieser Veränderungen hängt es ab, tische Veränderungen ihres Erschei- wie die Erkrankung sich weiterentwickelt. nungsbildes erkennen. Diese patholo- Bei den primären MDS-Erkrankungen ist, Bei einigen Erkrankten entsteht aus MDS gischen Veränderungen werden als „Dys- wie bereits erwähnt, keine klare Ursache schließlich eine Akute Myeloische Leukä- plasien“ bezeichnet. Daher rührt auch erkennbar. Hier liegen wahrscheinlich mie (AML). der Name „Myelo-dysplastische“ Syndro- ähnliche Mechanismen wie bei der Ent- me, wobei der erste Teil des Namens sich stehung anderer Tumorerkrankungen auf die Zelllinie der betroffenen Zellen vor. Ein wichtiger Entstehungsmechanis- Symptome – gibt es „typische“ bezieht (siehe Abb. 2). mus ergibt sich daraus, dass vor jeder Anzeichen für MDS? Zellteilung eine Verdoppelung des gene- Ein Teil der kranken Vorläuferzellen reift tischen Materials (DNA im Zellkern) er- Anämie so weit aus, dass sie aus dem Knochen- forderlich ist. Diese DNA-Replikation ver- Häufig macht sich als erste spürbare mark in die Blutbahn entlassen werden. läuft niemals fehlerfrei. Je älter ein Auswirkung von MDS eine Anämie (Blut- Auch dort kann man dann dysplastische Mensch wird, desto häufiger mussten armut) bemerkbar. Betroffene fühlen Veränderungen erkennen. Außerdem ist sich seine Stammzellen im Knochenmark sich ständig müde und schlapp. Ursache zu beachten, dass die kranken Knochen- teilen, um den Nachschub an Blutzellen hierfür ist, dass bei einer Anämie zu we- mark- bzw. Blutzellen nicht nur Dyspla- sicherzustellen. Mit zunehmendem Alter nig gesunde, Sauerstoff transportieren- sien, sondern auch Funktionsstörungen häufen sich daher zwangsläufig geneti- de rote Blutkörperchen (Erythrozyten) aufweisen. sche Fehler (Mutationen) in den Stamm- vorhanden sind. zellen an. Manchmal können solche Feh- ler dann zu MDS führen. Infekte Ursachen – wie entstehen MDS? Wenn zu wenig weiße Blutkörperchen Myelodysplastische Syndrome werden (Leukozyten) produziert werden, kann Wenn die genetischen Schäden, die zu nicht vererbt und sind auch nicht von dies zu Infektanfälligkeit führen. Neben MDS geführt haben, ohne ersichtlichen Mensch zu Mensch übertragbar. Es be- einer verminderten Zahl (Leukozytope- Grund aufgetreten sind, sprechen Fach- steht also keine Ansteckungsgefahr. For- nie) kann auch eine gestörte Funktion leute von „primären MDS“ oder „De-no- schungsergebnisse der letzten Jahre der Leukozyten Probleme bereiten. 14
DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME · 3 Blutungen nie vorliegen und wie ausgeprägt diese Durch einen starken Mangel an Blut- Veränderungen sind. plättchen kommt es leichter zu Blutun- Zusätzlich gibt das sogenannte Differen- gen. Selbst kleine Stöße führen dann zu zialblutbild Aufschluss darüber, wie hoch blauen Flecken (Hämatomen). Außer- der Anteil verschiedener Arten von Leu- dem bemerken die Betroffenen mögli- kozyten im Blut ist und ob sich dort auch cherweise verstärktes Zahnfleischbluten sehr unreife Leukozyten (Blasten) finden. oder gehäuftes Nasenbluten. Ein weite- Kleines Blutbild plus ergänzendes Diffe- res Zeichen für eine erhöhte Blutungs- renzialblutbild kann man zusammen neigung sind kleine Einblutungen in die auch als „großes Blutbild“ bezeichnen. Haut in Form von punktförmigen roten Flecken (Petechien). Wie geht es weiter? Die Knochenmarkpunktion Wenn nach dem großen Blutbild der Ver- Diagnose – wie werden MDS dacht auf MDS weiterhin im Raum steht, festgestellt? wird als nächster diagnostischer Schritt in der Regel eine Knochenmarkpunktion Die genannten Symptome sind nicht vorgeschlagen. Diese ist erforderlich, spezifisch für eine MDS-Erkrankung, son- weil sich im Blutbild zwar ein Mangel an dern können auch mit anderen Ursachen Blutzellen und zum Teil auch gewisse zusammenhängen. Bei Verdacht auf Formveränderungen der Blutzellen er- MDS werden daher immer mehrere Un- kennen lassen, aber nicht die typischen tersuchungen veranlasst, um die Ver- dysplastischen Veränderungen der Vor- dachtsdiagnose zu sichern. Anschlie- läuferzellen zu sehen sind, die bei der ßend werden im ärztlichen Gespräch die Beurteilung eines Knochenmark-Aus- Ergebnisse besprochen und die nächsten strichpräparats die Diagnose von MDS Schritte festgelegt. Die Diagnose von erlauben. MDS sollte an einem hämatologischen Zentrum gestellt werden. Dort arbeiten Die Befunde der Knochenmarkpunktion Fachleute, die sich mit Erkrankungen des sind wichtig, um den Typ der MDS-Er- Blutes besonders gut auskennen. Auch krankung korrekt festzulegen, was wie- die Behandlungsmöglichkeiten sollten in derum Auswirkungen auf die Einschät- einer hämatologischen Fachpraxis be- zung der Prognose und die Wahl einer sprochen werden. geeigneten Therapie hat. Das Blutbild – ein wichtiger Schritt zur Die Knochenmarkpunktion ist ein kurzer Diagnose von MDS ambulanter Eingriff, der sich unter ört- Zunächst wird anhand des „kleinen Blut- licher Betäubung durchführen lässt. Es bildes“ festgestellt, ob eine Anämie, Leu- ist aber auch möglich, zusätzlich eine kozytopenie und/oder Thrombozytope- starke Sedierung durchzuführen (keine 15
3 · DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME Vollnarkose), ähnlich wie bei einer Ma- machen. Außerdem wird in den Aus- gen- oder Darmspiegelung. Nach der lo- strichpräparaten der Anteil der unreifen kalen Betäubung wird mit einer speziell myeloischen Blasten bestimmt. konstruierten, stabilen Nadel der große Beckenknochen punktiert (genauer: der Der Blastenanteil lässt sich nicht nur un- sogenannte Beckenkamm). Wenn dort ter dem Mikroskop ermitteln, sondern die Markhöhle des Knochens erreicht ist, kann nach immunologischer Markierung wird mit einer Spritze eine kleine Menge der Knochenmarkzellen auch mit einer des flüssigen Knochenmarks angesaugt maschinellen Methode gemessen wer- (aspiriert). Dieses flüssige Aspirat dient den, der sogenannten Durchflusszyto- unter anderem dazu, Ausstrichpräparate WHO-Klassifikation der MDS metrie. herzustellen, die speziell gefärbt und un- ter dem Mikroskop betrachtet werden Die Weltgesundheitsorganisation Das Material aus dem Aspirat wird darü- können. unterscheidet aktuell 8 verschie- ber hinaus für die Zytogenetik (Chromo- dene MDS-Subtypen.³ Diese somenanalyse) und den Nachweis von Außerdem kann bei der Knochenmark- WHO-Klassifikation der MDS molekulargenetischen Veränderungen punktion ein sogenannter Stanzzylinder (2016) ist unter anderem auf der (Mutationen) genutzt. gewonnen werden, also ein längliches Website mds-register.de zu fin- zusammenhängendes Stück des den: Der zusätzlich zum Aspirat gewonnene schwammartigen Knochengewebes, das Stanzzylinder ermöglicht es, die räum- für weitergehende histopathologische liche Verteilung der verschiedenen Kno- Untersuchungen genutzt wird. chenmarkzellen in einem zusammen- hängenden Gewebsareal zu beurteilen Welche Informationen gibt die Kno- und zu überprüfen, ob neben den Dys- chenmarkprobe? plasien auch noch eine faserige Vernar- Anhand der entnommenen Knochen- bung (Fibrose) des Knochenmarks vor- markproben (Aspirat und Stanzbiopsie) liegt. lassen sich alle relevanten Informatio- nen gewinnen, die für die Diagnose von Wenn die Ergebnisse der oben genann- WWW.MDS-REGISTER.DE/WHO-KLASSIFIKATION MDS und die Abgrenzung von anderen ten Untersuchungen des Knochenmarks Knochenmarkerkrankungen erforderlich vorliegen, kann die Verdachtsdiagnose sind. MDS bestätigt und der vorliegende MDS- Typ näher bezeichnet werden. In den Ausstrichpräparaten sind die cha- rakteristischen Dysplasiezeichen der Komplex, aber notwendig: blutbildenden Vorläuferzellen zu erken- Einteilung von MDS nen. Hierzu werden verschiedene Fär- In der Vergangenheit haben Expert:in- bungen durchgeführt, beispielsweise nen die Einteilung der MDS-Erkrankung eine Eisenfärbung, die dazu dient, soge- in verschiedene (Sub-)Typen mehrmals nannte Ringsideroblasten sichtbar zu aktualisiert und verfeinert. Nicht nur auf 16
DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME · 3 Abb. 4: Die Knochenmarkpunktion Information Bei der Knochenmarkpunktion wird mittels einer speziell konstruierten Nadel (z. B. Jamshidi-Nadel) und ei- ner Spritze etwas Knochenmarkflüs- sigkeit aus dem Beckenkamm ent- nommen (Aspirat). Außerdem kann eine Biopsie in Form eines Stanzzy- linders gewonnen werden. 17
3 · DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME den ersten Blick erscheinen diese Eintei- mark alle von einer entarteten Knochen- Hoffnung, mal übermannt von Verzweif- lungen sehr komplex. Wenn Sie weiter- mark-Stammzelle abstammen und somit lung – all dies gehört zum Verarbeitungs- führende Informationen zur Klassifika- alle zu einem abnormen Klon gehören, prozess. tion der MDS-Erkrankungen und zu den der sich den normalen Regelkreisen ent- einzelnen Typen wünschen, können Sie zieht und einen abnormen Wachstums- Sie sind nicht allein sich an Ihre hämatologische Fachpraxis vorteil aufweist. Damit sind bereits wich- Bei der sorgenvollen Auseinanderset- oder an eine geeignete Organisation für tige Kriterien für eine Tumorerkrankung zung mit der eigenen Erkrankung gera- Patient:innen wenden (Kontaktadressen erfüllt. Außerdem sind die klonalen Zel- ten Angehörige und Kinder gelegentlich finden sich auf den letzten Seiten der len genetisch instabil und können neue aus dem Blickfeld. Heute weiß man aber, Broschüre). Mutationen anhäufen, die eine klonale dass sie, was die seelische Belastung an- Evolution in Richtung einer Akuten Mye- geht, in ähnlicher Weise betroffen sein Das Wissen um den genauen Typ einer loischen Leukämie antreiben. Bei Pati- können. Verständnis und Vertrauen bil- MDS-Erkrankung ist nicht nur von akade- ent:innen mit Niedrigrisiko-MDS beste- den daher für Betroffene sowie deren mischem Interesse, sondern hat Konse- hen jedoch gute Chancen, dass sich Angehörige/Freund:innen eine wesent- quenzen sowohl für die Prognoseab- auch nach vielen Jahren keine Leukämie liche Hilfe beim Umgang mit der Erkran- schätzung als auch für die Auswahl der entwickelt. kung. Organisationen für MDS-Erkrankte Behandlung. sowie MDS-Gruppen in den sozialen Me- MDS – wie geht es weiter? dien können ebenfalls hilfreiche Unter- Die wichtigsten Befunde, die für die Pro- Mit der Diagnose einer Krebserkrankung stützung bieten, auch für Angehörige. gnoseabschätzung herangezogen wer- ändert sich die Perspektive auf das eige- den, betreffen das Ausmaß der Anämie, ne Leben von einem Tag auf den ande- Perspektive Leukozytopenie und Thrombozytopenie, ren. Die völlig unerwartete neue Situa- Die zunehmende Kenntnis der molekula- den Blastenanteil im Knochenmark so- tion bleibt meistens dauerhaft bestehen. ren Krankheitsmechanismen von MDS wie das Ergebnis der Chromosomen- Die Diagnose MDS und die damit einher- bietet die Chance für verbesserte Be- analyse (Zytogenetik). gehenden Veränderungen sind für die handlungsmöglichkeiten. Derzeit werden Betroffenen eine große körperliche und in klinischen Studien mehrere vielver- Aktuell wird daran gearbeitet, die Ergeb- seelische Belastung, die alle auf ihre in- sprechende neue Substanzen geprüft, nisse von Mutationsanalysen ebenfalls dividuelle Art bewältigen müssen. vor allem für Menschen mit Hochrisiko- für die Beurteilung der Prognose nutzen MDS. Auch die Methoden der Überwa- zu können. Myelodysplastische Syndrome entste- chung des individuellen Therapieerfolgs hen meist durch spontane genetische haben sich in den vergangenen Jahren Veränderungen der Blutstammzellen. verfeinert, so dass die Behandlung bes- Wichtige Fragen! Dies kann vor allem im höheren Lebens- ser gesteuert werden kann. Vor diesem alter prinzipiell jederzeit passieren. Es Hintergrund stellt die Diagnose von MDS MDS – eine Krebserkrankung? handelt sich um einen unheilvollen Zu- zwar immer noch einen tiefen Einschnitt Diese Frage ist nicht leicht zu beantwor- fall. Nach der Erstdiagnose grübeln je- dar, muss aber kein Grund mehr für Ver- ten, da verschiedene MDS-Typen einen doch viele Patient:innen, warum ausge- zweiflung oder Hoffnungslosigkeit sein. sehr unterschiedlichen Krankheitsverlauf rechnet sie betroffen sind. Alles zu nehmen können. Es ist jedoch so, dass durchdenken, die Gedanken kreisen zu die kranken Zellen im MDS-Knochen- lassen, mal erfüllt zu sein von neuer 18
DIE MYELODYSPLASTISCHEN SYNDROME · 3 mds-hämatologie.info Hier finden Betroffene und Angehörige Hilfe und Unterstützung im Netz Das hämatologie.info-Portal richtet sich an Patient:innen sowie deren Angehöri- ge, die sich über die MDS-Erkrankung und deren Hintergründe intensiver infor- mieren möchten. Verständlich gestaltete Informationen, einschließlich Videos und Animationen, erklären Ihnen Grundlagen, Ursachen und aktuelle Therapien bis hin zu Hilfe- stellungen im täglichen Leben. Damit können Sie sich ein Grundver- ständnis aneignen, welches Ihnen Orien- tierung und Halt im Umgang mit einer so schwerwiegenden Erkrankung geben kann. Hier finden Sie auch Adressen von Selbsthilfegruppen, psychoonkologi- schen Einrichtungen sowie von unabhän- gigen Beratungen für Patient:innen. WWW.MDS-HAEMATOLOGIE.INFO 19
4 · BEHANDLUNG VON MDS 20
BEHANDLUNG VON MDS · 4 Behandlung von MDS Da Myelodysplastische Syndrome sich in Ausprägung und Verlauf stark unterscheiden, wird die Behandlung entsprechend individuell geplant. Ob zunächst ein abwartendes Verhalten zu bevorzugen ist und ab wann ein Therapieversuch sinnvoll erscheint, wird Ihre Ärztin bzw. Ihr Arzt gemeinsam mit Ihnen entscheiden. In die Therapieplanung fließen nicht nur die WHO-Klassifikation der MDS und die individuelle Prognose ein. Auch Lebensalter, körperlicher Allgemeinzustand, andere Erkrankungen, mögliche The- rapienebenwirkungen und natürlich der Wunsch der Patient:innen werden erwogen.⁴ kann.² Deshalb geht es bei der Behand- Man unterscheidet zwischen lung auch darum, das schnelle Fort- Komplementäre Therapien als Niedrigrisiko-MDS und Hoch- schreiten von MDS und den Übergang in Ergänzung risiko-MDS eine AML zu verhindern und somit die Lebenszeit der Betroffenen zu verlän- Sogenannte „komplementäre Thera- Anhand der individuellen Ausprägung gern. pien“ sind alternative und naturheilkund- der Krankheit unterscheidet man zwi- liche Verfahren. Sie können eingesetzt schen Niedrigrisiko-MDS und Hochrisiko- werden, um die Symptome von MDS und MDS.² Niedrigrisiko-MDS schreiten ver- Therapien können auch Neben- die Nebenwirkungen anderer Therapien gleichsweise langsam voran und beein- wirkungen haben abzumildern. Die Wirkung ist jedoch in trächtigen die Patient:innen hauptsäch- den allermeisten Fällen nicht durch wis- lich durch eine Anämie. Die Behandlung Ob und welche Nebenwirkungen eintre- senschaftliche Studien belegt. Trotzdem zielt daher darauf ab, Anämie-Sympto- ten, hängt vor allem von den verabreich- kann es sein, dass Betroffene das Gefühl me zu lindern, die Lebensqualität zu ver- ten Wirkstoffen und ihrer Dosierung ab. haben, dass ihnen ein bestimmtes natur- bessern und die Leistungsfähigkeit und Außerdem reagieren nicht alle Men- heilkundliches Verfahren guttut. Spre- Unabhängigkeit der Betroffenen zu be- schen gleich auf das gleiche Arzneimit- chen Sie mit Ihrer Ärztin bzw. Ihrem Arzt wahren. Bei Hochrisiko-MDS steht neben tel. Einige Nebenwirkungen, wie bei- darüber, welche Einflüsse bestimmte Anämie, Leukozytopenie und/oder spielsweise Übelkeit, lassen sich heute Verfahren auf Ihre MDS-Therapie haben Thrombozytopenie noch das Problem im mithilfe zusätzlicher Medikamente gut könnten. Vordergrund, dass es früher oder später unterdrücken. Sprechen Sie vor der The- zu einer lebensbedrohlichen Akuten My- rapie mit Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin eloischen Leukämie (AML) kommen über die möglichen Risiken. 21
5 · WELCHE THERAPIEFORMEN GIBT ES? Therapien bei MDS im Überblick Watch and Wait Immunmodulatoren Bei langsam voranschreitenden MDS mit Bei bestimmten MDS-Arten können niedrigem Risiko reicht das Beobachten Substanzen eingesetzt werden, die über ohne Therapie. Eine Therapie wird erst die Regulierung des Immunsystems posi- eingeleitet, wenn sich die Beschwerden tiv auf die Blutbildung wirken. verschlimmern und die Krankheit weiter voranschreitet. Unterstützende Therapie Stammzelltransplantation Um die Symptome und Beschwerden Sie ist zurzeit die einzige Behandlungs- von MDS unter Kontrolle zu halten, gibt option, die eine vollständige Heilung her- es verschiedene Therapieoptionen, wie beiführen kann. Zuerst werden alle blut- zum Beispiel Bluttransfusionen mit bildenden Zellen mit einer Hochdosis- hochdosierten roten Blutkörperchen zum Chemotherapie zerstört, dann werden Ausgleich der Blutarmut. gespendete, gesunde Blutstammzellen transplantiert. Erythropoese-stimulierende Agenzien Hypomethylierende Agenzien (HMA) (ESA) Kommt bei Hochrisiko-Patient:innen eine A Diese Medikamente regen die Bildung intensive Chemotherapie nicht infrage, ES roter Blutkörperchen an. Dadurch kön- können HMA die Blutbildung verbessern. nen weniger Transfusionen notwendig Sie verhindern erbgutverändernde Pro- sein. Sie werden „subkutan“, also als zesse, indem sie die Anlagerung von so- Spritze unter die Haut verabreicht. genannten „Methylgruppen“ an die DNA verhindern. Erythrozyten-Reifungs-Aktivator (ERA) Therapiestudien Der ERA fördert über andere Wirkme- In Therapiestudien wird die Wirksamkeit chanismen als ESA die Bildung reifer ro- neuer potenzieller Medikamente unter- A ER ter Blutkörperchen und senkt den Trans- sucht. Ihre fachärztliche Praxis wird Ih- fusionsbedarf bis zur Transfusionsfrei- nen sagen, ob Sie für eine Teilnahme ge- heit. Er wird ebenfalls subkutan verab- eignet sind. reicht. 22
WELCHE THERAPIEFORMEN GIBT ES? · 5 Welche Therapieformen gibt es? An der Behandlung von MDS wird intensiv geforscht, um weitere Fortschritte für Patient:innen zu erzielen. Das geschieht in sogenannten Therapiestudien, das sind medizinische Forschungsprogramme, in denen neue Medikamente, Kombinationen von Medikamenten oder neuartige Therapiemaßnahmen an Erkrankten untersucht werden. Im Folgenden haben wir für Sie die wesentlichen Merkmale und Anwen- dungsbereiche der Therapieoptionen zusammengestellt, die aktuell zur Verfügung stehen. Bluttransfusionen mit einer hohen Kon- Watch and Wait Unterstützende Therapie zentration an roten Blutkörperchen, wirk- sam bekämpfen. Durch die Transfusio- Manchmal ist es am besten, nichts zu In vielen Fällen lassen sich Symptome nen wird dem Körper aber auch das im tun. Der englische Begriff „Watch and und Beschwerden von MDS durch eine roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) der Wait“ steht genau für diesen medizini- unterstützende Behandlung, in der Fach- Erythrozyten enthaltene Eisen in großer schen Ansatz: beobachten und abwar- sprache auch supportive Therapie ge- Menge zugeführt. Da der Körper keine ten. Dabei wird der Krankheitsverlauf nannt, recht gut beherrschen. Möglichkeit hat, überschüssiges Eisen durch regelmäßige Kontrolluntersuchun- auszuscheiden, ist die chronische Trans- gen genau im Blick behalten. Noch nicht Transfusionen sind fast immer hilf- fusionsbehandlung mit der Gefahr einer notwendige Therapiemaßnahmen, die reich, es gibt aber Nebenwirkungen Eisenüberladung verbunden.⁵ möglicherweise Nebenwirkungen verur- Wenn die Blutarmut sich bei MDS im All- sachen können, werden zunächst nicht tag bemerkbar macht, wird sie sympto- Eisenüberladung kann durch Medika- eingeleitet. Dieses Vorgehen ist dann matische Anämie genannt. Sie ist das mente abgebaut werden sinnvoll, wenn die MDS-Erkrankung noch häufigste Symptom und kann eine Reihe Bei dauerhaft erhöhter Zufuhr von Eisen keine oder nur geringe Beschwerden ver- von Beschwerden und Problemen hervor- durch Erythrozytenkonzentrate kann das ursacht und nur sehr langsam voran- rufen. Diese lassen sich mit der Transfu- Eisen nicht mehr ausreichend an be- schreitet. sion von Erythrozytenkonzentraten, d. h. stimmte Transport- und Speicherprotei- 23
5 · WELCHE THERAPIEFORMEN GIBT ES? ne gebunden werden und liegt daher Mithilfe von Medikamenten kann man ten) im Knochenmark. Dort reifen Blut- vermehrt als „freies Eisen“ vor. Es lagert versuchen, die Anämie zu bessern stammzellen normalerweise über sich in verschiedenen Organen ab, ver- Es gibt verschiedene Wachstumsfakto- mehrere Zwischenstufen (verschiedene ursacht dort oxidativen Stress und kann ren, mit denen sich die Blutbildung an- Vorläuferzellen) zu funktionstüchtigen so die Struktur und Funktion der Organe regen lässt. Mit Erythropoetin (EPO) wird Erythrozyten heran. Dieser Prozess, der langfristig schädigen. Bei älteren Men- die Produktion von Erythrozyten stimu- Erythropoese genannt wird, unterliegt schen mit MDS scheint besonders der liert, mit G-CSF die Bildung von Granulo- der Regulation durch verschiedene Fak- Herzmuskel empfindlich auf Eisenüber- zyten und mit Thrombopoetin (TPO) die toren, beispielsweise das erythropoeti- ladung zu reagieren, was wahrscheinlich Bildung von Thrombozyten. Für die Be- sche Wachstumshormon Erythropoetin durch altersbedingte Herzprobleme mit- handlung der Anämie ist bei MDS ein sowie bestimmte Proteine, die zur Fami- bedingt ist. Überschüssiges Eisen kann Erythropoetin-Präparat zugelassen, das lie der TGF-Beta-Liganden gehören. Bei durch bestimmte Medikamente, soge- unter die Haut (subkutan) gespritzt wird. Patient:innen mit MDS kann die körper- nannte Eisenchelatoren, neutralisiert eigene Produktion dieser Faktoren aus und aus dem Körper entfernt werden. Das Ziel der Therapie: weniger Trans- dem Gleichgewicht geraten (z. B. durch Diese Substanzen binden das Eisen im fusionen unzureichende Ausschüttung von Ery- Körper und bewirken, dass es über die Das Ziel einer solchen Therapie ist klar: thropoetin oder zu große Mengen an Leber in die Galle (und somit in den Im Knochenmark sollen vermehrt Blut- TGF-Beta-Liganden). In manchen Fällen Darm) oder über die Niere in den Harn zellen gebildet werden, so dass weniger lässt sich das Gleichgewicht durch Gabe ausgeschieden wird. Indem sie das Transfusionen nötig sind. Im Idealfall eines Erythropoese-stimulierenden transfundierte Eisen zumindest teilweise können mithilfe von Erythropoese-stimu- Agens (Erythropoetin) wiederherstellen. wieder aus dem Körper entfernen und lierenden Agenzien Transfusionen sogar außerdem den schädlichen oxidativen vollständig vermieden werden. Für die Meistens stößt diese Therapie aber frü- Stress mindern, den das freie Eisen im Betroffenen ist das oft eine große Er- her oder später an ihre Grenzen. Für be- Körper verursacht, tragen Eisenchelato- leichterung und ein Zugewinn von Frei- stimmte Patient:innen, die auf Erythro- ren dazu bei, die Behandlung mit Eryth- heit im Alltag! Ein weiterer Vorteil der poetin nicht zufriedenstellend ange- rozytenkonzentraten möglichst sicher zu Behandlung mit EPO ist die Tatsache, sprochen haben oder für eine solche Be- gestalten.⁶ dass wegen der subkutanen Verabrei- handlung nicht geeignet sind, kann die chung keine intravenösen Infusionen er- Behandlung mit einem Erythrozyten-Rei- forderlich sind.⁵ fungs-Aktivator (ERA) eine alternative Therapieoption darstellen. Der ERA hat A ES das Potenzial, durch einen ESA-unab- hängigen Wirkmechanismus die späten A Erythropoese-stimulierende ER Zellteilungen in der Erythropoese effekti- Agenzien (ESA)⁵ ver zu machen, so dass wieder mehr Erythrozyten-Reifungs-Aktivator funktionstüchtige rote Blutkörperchen Einer Blutarmut lässt sich auch mithilfe (ERA) gebildet werden. Das Medikament, das von Agenzien entgegenwirken, die die ebenfalls subkutan verabreicht wird, ist Bildung von roten Blutzellen (Erythropo- Die chronische Anämie bei Patient:innen in Deutschland seit 2020 für die Be- ese) im Knochenmark anregen. mit MDS ist Folge einer gestörten Pro- handlung von Menschen mit einem be- duktion roter Blutkörperchen (Erythrozy- stimmten MDS-Subtyp zugelassen (Be- 24
WELCHE THERAPIEFORMEN GIBT ES? · 5 troffene mit Niedrigrisiko-MDS und Therapiemaßnahme mit schwerwiegen- logen Transplantation werden Stamm- einem bestimmten Dysplasiezeichen den Risiken verbunden. Sie kommt des- zellen der betroffenen Person selbst ge- [Ringsideroblasten] oder einer bestimm- wegen vor allem bei eher jüngeren, kör- wonnen, zwischengelagert und später ten genetischen Veränderung [SF3B1- perlich stabilen Patient:innen mit nach einer Hochdosis-Chemotherapie Mutation]). Hochrisiko-MDS infrage. zurückgegeben, um das Knochenmark wieder aufzubauen. Der erste Schritt: eine Hochdosis-Che- motherapie Bei einer allogenen Transplantation Am Anfang einer Stammzelltransplanta- kommen für die Spende sowohl ver- tion steht eine sogenannte Hochdosis- wandte als auch nichtverwandte Perso- Immunmodulatoren⁵ Chemotherapie, also eine sehr intensive nen infrage. Wichtig ist, dass die Gewe- Chemotherapie, die manchmal auch bemerkmale (HLA-System) von Immunmodulatoren sind Substanzen, noch mit einer Ganzkörperbestrahlung Spender:in und Empfänger:in sich so die sich regulierend auf das Immunsys- kombiniert wird. Sie soll bereits mög- ähnlich sind wie möglich. Sind die Gewe- tem und das Mikromilieu im Knochen- lichst viele abnorme Zellen im kranken bemerkmale bei beiden zu unterschied- mark auswirken und dadurch die Wachs- Knochenmark zerstören. Außerdem soll lich, besteht die Gefahr, dass das Trans- tumsbedingungen für heranreifende auch das Immunsystem so weit unter- plantat abgestoßen wird oder die neu Blutzellen verbessern können. Diese kön- drückt werden, dass es die neuen entstehenden Immunzellen später sehr nen bei Menschen mit Niedrigrisiko-MDS Stammzellen, die anschließend trans- aggressiv das Körpergewebe attackieren und einem bestimmten erworbenen Gen- plantiert werden (siehe unten), nicht ab- (Graft-versus-Host-Reaktion, GvHD). defekt, nämlich einer Deletion am Chro- stößt. Deshalb spricht man bei dieser mosom 5 (del5q), eingesetzt werden. Ob Chemotherapie vor der eigentlichen Wie die Transplantation abläuft diese Bedingungen vorliegen, wird bei der Stammzelltransplantation auch von ei- Die Stammzelltransplantation findet im Knochenmarkdiagnostik durch einen zy- ner „Konditionierung“.⁵ Rahmen eines stationären Krankenhaus- togenetischen Test festgestellt. aufenthaltes statt. Die gespendeten Die Hochdosis-Chemotherapie ist nicht Stammzellen werden den Empfänger:in- die einzige Komponente der allogenen nen wie bei einer Bluttransfusion über Stammzelltransplantation, die gegen die einen Venenzugang verabreicht. Es han- MDS-Erkrankung wirkt. Auch das neue delt sich nicht um einen chirurgischen Immunsystem, das sich aus den gespen- Eingriff, und es ist auch keine Narkose Stammzelltransplantation deten Stammzellen entwickelt, beginnt notwendig. Die transfundierten Blut- abnorme Zellen im Knochenmark aufzu- stammzellen gelangen mit dem Blut- Mit einer allogenen Stammzelltransplan- spüren und zu eliminieren. strom in die Markhöhlen der Knochen tation soll das kranke Blutbildungssys- und siedeln sich dort an. Bald beginnen tem komplett beseitigt und durch ein Was Spender:in und Empfänger:in ge- sie, neue funktionstüchtige Blutzellen zu neues, gesundes Blutbildungssystem er- meinsam haben sollten bilden. setzt werden. Die Stammzelltransplanta- Wenn gesunde blutbildende Zellen im tion stellt zurzeit die einzige Behand- Rahmen einer Stammzellspende über- Es dauert etwa drei Wochen, bis die Blut- lungsoption dar, die bei MDS zu einer tragen werden, spricht man von einer al- werte sich einigermaßen erholt haben. Heilung führen kann. Allerdings ist diese logenen Transplantation. Bei einer auto- Während dieser Zeit und auch danach 25
5 · WELCHE THERAPIEFORMEN GIBT ES? müssen sogenannte Immunsuppressiva lich Ihres Alters, Allgemeinzustands und le Reifung und Entwicklung gesunder eingenommen werden, die eine Absto- eventueller Begleiterkrankungen Erfolg Blutzellen wichtig sind und einer leukä- ßungsreaktion verhindern sollen.⁶ versprechend ist. mischen Entartung entgegenwirken. Es gibt Medikamente, mit denen man Das Verfahren kann vollständige Hei- die verstärkte DNA-Methylierung zumin- lung bringen, ist aber riskant dest teilweise rückgängig machen kann. Wenn alles nach Plan läuft, dann zer- Sie werden als hypomethylierende Agen- stört die Hochdosis-Chemotherapie die zien bezeichnet. Diese Substanzen äh- meisten Krebszellen, das fremde Immun- Hypomethylierende Agenzien neln den normalen DNA-Bausteinen, system eliminiert mögliche Restbestän- (HMA)⁵ den sogenannten Nukleosiden, und wer- de und die gesunden transplantierten den deshalb in die DNA eingebaut. Ihr Stammzellen bilden die Basis für ein Die Behandlung mit HMA (engl. hypo- Vorhandensein in der DNA führt dazu, neues, gesundes Blutbildungssystem. methylating agents) ist in Deutschland dass die DNA-Methyltransferase zuneh- Der Eingriff birgt jedoch Risiken. Falls die nur für Erkrankte mit Hochrisiko-MDS zu- mend blockiert wird. So wird verhindert, transplantierten Zellen vom Körper nicht gelassen. Insbesondere Menschen, denen dass wichtige Gene durch Methylierung angenommen werden, kann sich die man aufgrund ihrer körperlichen Verfas- „abgeschaltet“ werden. Durch HMA kön- Blutbildung nicht wieder aufbauen, was sung keine intensive Chemotherapie zu- nen auch abgeschaltete Gene wieder ak- lebensbedrohlich ist. muten kann und die auch nicht für eine tiviert werden, womit wiederum die ge- allogene Stammzelltransplantation ge- sunde Blutbildung (Hämatopoese) Wie bereits erwähnt, kann es auch pas- eignet sind, kommen für eine Behandlung unterstützt werden kann. sieren, dass das neue Immun- und Blut- mit HMA infrage. HMA können MDS nicht bildungssystem sich gut etabliert, die heilen, aber das Leben verlängern. Man fremden Immunzellen sich aber in einer nimmt an, dass die Wirkung dieser Subs- überschießenden Reaktion gegen die tanzen auf verschiedenen Mechanismen Körperzellen der Empfänger:innen wen- beruht. Charakteristisch ist insbesondere den (GvHD). Eine schwere GvHD kann ihre epigenetische Wirkung, d. h. ihre Therapiestudien ebenfalls lebensbedrohlich sein. Deshalb Wirkung auf die Aktivierung oder das ist es wichtig, dass Sie in einem Trans- Stummschalten von Genen. Neue medikamentöse Therapien, von plantationszentrum behandelt werden, denen man sich bessere Behandlungs- wo ein spezialisiertes Team darin geübt Bei MDS und auch bei AML kann es aus erfolge verspricht, werden unter streng ist, solche Komplikationen zu verhindern noch nicht bekannten Gründen zu einer kontrollierten Bedingungen in klinischen oder wirksam zu bekämpfen. abnorm verstärkten Anlagerung soge- Studien sorgfältig erprobt. Häufig wer- nannter Methylgruppen an das Erbma- den solche klinischen Studien an großen Bevor jedoch eine allogene Stammzell- terial (DNA) im Zellkern von heranreifen- Therapiezentren wie Universitätskliniken transplantation in Erwägung gezogen den Blutzellen kommen. Die DNA- angeboten. wird, sollten Sie sich an einem Transplan- Methylierung wird durch das Enzym tationszentrum ausführlich beraten las- DNA-Methyltransferase bewerkstelligt. Ausführliche Informationen zu Vor- und sen, welche Chancen und Risiken mit ei- Durch die Anlagerung der Methylgrup- Nachteilen neuer, experimenteller The- ner „Allotransplantation“ verbunden pen an die DNA werden Gene abge- rapien sowie zu klinischen Studien bietet sind und ob eine Transplantation bezüg- schaltet, die zum Beispiel für die norma- unter anderem die Internetseite des 26
WELCHE THERAPIEFORMEN GIBT ES? · 5 Krebsinformationsdienstes. Sollten Sie sich für eine Therapiestudie interessie- ren, fragen Sie im nächstgelegenen Uni- versitätsklinikum nach oder sprechen Sie mit Ihrer fachärztlichen Praxis darüber. Dort kann man Ihnen Informationen zur Verfügung stellen oder Sie an ein geeig- netes Zentrum verweisen.⁷ Wofür steht GvHD? Die Abkürzung GvHD steht für die sogenannte „Spender-gegen-Empfänger- Reaktion“ (englisch: „Graft-versus-Host- Disease“) und bezeichnet eine Abwehr- reaktion von Zellen des sich neu bilden- den Immunsystems gegen den eigenen Körper. 27
6 · CHECKLISTEN FÜR DAS ÄRZTLICHE GESPRÄCH 28
CHECKLISTEN FÜR DAS ÄRZTLICHE GESPRÄCH · 6 Checklisten für das ärztliche Gespräch Gut vorbereitet können Sie mehr Informationen aus dem ärztlichen Gespräch mit nach Hause nehmen. Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin möchte Sie in dieser schwierigen Situ- ation bestmöglich unterstützen. Scheuen Sie sich also nicht, Fragen zu stellen, wenn Sie sich noch nicht ausreichend informiert fühlen. Die folgenden Checklisten sollen Ihnen dabei helfen, den Überblick zu behalten. Verstehen, was im eigenen Kör- Machen Sie sich Notizen Grundsätzlich gilt: per passiert Gut vorbereitet nehmen Sie mehr Infor- mationen aus dem ärztlichen Gespräch • Versuchen Sie, die exakte Be- Erkrankungen des Blutes sind sehr kom- mit nach Hause. Auf den folgenden Sei- zeichnung Ihrer MDS-Erkrankung plexe Erkrankungen. Ein Stück weit zu ten haben wir Ihnen Checklisten mit in Erfahrung zu bringen, damit verstehen, wie ihr Mechanismus funktio- konkreten Fragen zur Diagnostik, zur Sie sich gegebenenfalls an ande- niert und warum sie welche Symptome Therapieentscheidung und zu möglichen rer Stelle noch passende zusätz- und Beschwerden verursachen, ist in vie- Nebenwirkungen zusammengestellt. Er- liche Informationen zur Erkran- lerlei Hinsicht wichtig. Es hilft etwa, um gänzen Sie diese mit Ihren persönlichen kung, zur Prognose und zu den im ärztlichen Gespräch nicht den An- Fragen und nutzen Sie sie, um sich die Therapiemöglichkeiten verschaf- schluss zu verlieren und bei wesentlichen Antworten zu notieren. fen können. Entscheidungen wie der Auswahl der • Nehmen Sie wenn möglich eine Therapie beteiligt zu sein. nahestehende Person zum Ge- spräch mit. Diese Broschüre möchte Ihnen ein • Fragen Sie nach Erfolgschancen Grundverständnis der MDS vermitteln von Therapien und nach Neben- und Sie über alles Wichtige informieren, wirkungen. was für Sie damit zusammenhängt. Da- mit soll bei Ihnen eine Basis an Wissen geschaffen werden. 29
6 · CHECKLISTEN FÜR DAS ÄRZTLICHE GESPRÄCH Diagnostik Die Diagnose einer hämatologisch-onko- logischen Erkrankung ist meistens ernst und daher ein Schock für die Betroffe- nen. Deshalb ist es oft kaum möglich, al- les zu behalten, was einem bei der Mit- teilung der Diagnose erklärt wird. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, eine na- hestehende Person mitzubringen („vier Ohren hören mehr als zwei“). Außerdem sollte man sich auf das Gespräch vorbe- reiten. Überlegen Sie sich vorher, was Sie wissen wollen, und schreiben Sie es auf. Dabei kann folgende Checkliste helfen. 30
CHECKLISTEN FÜR DAS ÄRZTLICHE GESPRÄCH · 6 Checkliste Fragen zur Diagnostik: Wie lautet der Name meiner Erkrankung? Was bedeutet der Name? Welche weiteren Untersuchungen sind notwendig, um den Typ des vorlie- genden Myelodysplastischen Syndroms genau zu bestimmen? Wird meine Erkrankung als Niedrigrisiko-MDS oder als Hochrisiko-MDS eingeordnet? Welche Blutzellen sind in meinem Fall betroffen? Wie groß ist der Mangel an Blutzellen? Werde ich demnächst Bluttransfusionen benötigen? Wie sieht der Krankheitsverlauf vermutlich in Zukunft aus? Was wird jetzt auf mich und mein persönliches Umfeld zukommen? Was muss ich als Nächstes tun? 31
6 · CHECKLISTEN FÜR DAS ÄRZTLICHE GESPRÄCH Therapieentscheidung Wie bereits erwähnt, kann es nach der Diagnosestellung richtig sein, zunächst einmal abzuwarten, zu beobachten und noch keine therapeutischen Bemühun- gen zu starten. Wenn eine Behandlung erforderlich wird, gibt es meistens Thera- pieempfehlungen, die man in entspre- chenden Leitlinien nachlesen kann. Manchmal existieren aber mehrere al- ternative Optionen und die Situation ist komplizierter als in den Leitlinien darge- stellt. Dann ist es wichtig, sich an einem Behandlungszentrum für MDS-Erkrankte von Ärzt:innen beraten zu lassen, die viel Erfahrung in der Betreuung von Men- schen mit MDS haben. Für die Vorberei- tung auf das ärztliche Gespräch ist es empfehlenswert, sich über folgende Fra- gen Gedanken zu machen und sie unter Umständen in das Gespräch hineinzu- tragen. 32
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