Die Pro Raetia - ein Ort des Dialogs
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Mitgliederversammlung 39 Die Pro Raetia – ein Ort des Dialogs Die Pro Raetia ist ein bezüglich Zahlen schwindender, bezüglich mittlerem Alter zunehmender Verein. Das ist nicht negativ zu sehen – die Gesellschaft altert als Ganzes –, zwingt uns aber, die Zukunft der Vereinigung zu thematisieren. Was kann die Aufgabe der Pro Raetia sein, nachdem vieles, wofür sie sich eingesetzt hat, unterdessen verwirk- licht ist? Der Jahresbericht gibt davon Kenntnis. Sie durfte in der Vergangen- heit Hebammendienste leisten für manche Initiative, die unterdessen in ihrer Verwirklichung eine Selbstver- ständlichkeit geworden ist, denken wir nur an die ARGO. Sie hat auch die Bündnervereine im Unterland begleitet, aber diese, wo sie denn noch existieren, stehen vor der gleichen Situation wie die Pro Raetia selbst. Vereine haben es auf allen Gebie- ten schwer, und Vereine, die auf die Herkunft aufbauen, erst recht. Wenn wir auf die jüngeren Generation schau- en, so sind sie wohl stolz auf ihre Her- kunft, Bündnerin oder Bündner zu sein, aber deswegen in einem Verein mitzu- machen, käme ihnen überhaupt nicht in den Sinn. So scheint die Aufgabe der Johannes Flury, Präsident der Pro Raetia. (Foto: Olivia Aebli-Item) Pro Raetia wie etwas aus der Zeit gefal- len, sympathisch zwar, aber nicht ei- Ausrichtung noch sozialer Status, Alter denn uns fehlt der Apparat, der heute gentlich nötig. und Geschlecht, Herkunft und Wohn- nötig ist, um Meinungen und An- ort eine Rolle spielen sollen, sondern sichten zu verbreiten. Pro Raetia glaubt Was nun? einzig das Interesse an Graubünden. Ein aber an die Kraft der Argumente und Die Diskussionen im Vorstand rings um Ort, an welchem man auch einmal sei- die Wirkung der Samenkörner. Es wäre das Engagement an der Higa, vorgese- ne Meinung ändern kann, ohne dass di- schön, wenn dieser Glaube Mittäter hen für 2020 und jetzt auf 2021 verscho- es als negativ angeschaut wird. Das war und Mitglaubende finden würde. ben, haben es klar gezeigt: Mitglieder zu auch die Grundidee hinter der Schaf- Gerne stelle ich diese Überlegungen zur werben wird an einer Veranstaltung wie fung von raetiapublica: Eine Meinung Diskussion und würde mich über jedes der Higa sehr schwer sein. Keiner und wird vertreten, eine andere formuliert Echo freuen: keine geht an die Higa, um Mitglied in und eine dritte dazu, und alles erlaubt einem Verein zu werden. mir als Leser, das Problem genauer, um- johannes.flury@hispeed.ch oder Aber Pro Raetia braucht nicht nur Mit- fassender wahrzunehmen. Ich bin über- Schuderserstrasse 29, 7220 Schiers glieder, sie braucht auch Sichtbarkeit. zeugt, dass Graubünden solche Orte Und dafür kann die Higa ein richtiger nötig hat, denn auch wir alle, der Schrei- Johannes Flury Ort sein. Sie braucht Ereignisse, wo sie bende inbegriffen, bewegen uns gerne den Finger in die Luft strecken kann, und zu häufig anhand von vornherein um zu sagen: Es gibt uns noch und wir feststehenden Linien. Es muss Orte ge- machen etwas, was andere nicht tun ben, wo man nicht hingeht, um seine und nicht können. Meinung einmal mehr bestätigt zu er- halten, Orte der Nachdenklichkeit, des Was hat Graubünden nötig? Aufeinander-Zugehens. Pro Raetia möchte ein Ort sein, wo um die Zukunft (ebenso wie um die Vergan- Und dann? genheit und die Gegenwart!) Graubün- Ich werde immer wieder gefragt, was den gestritten und debattiert werden denn der Nutzen sei, die Wirkung, der kann. Ein Ort, an dem weder politische direkte Effekt? Der ist oft recht klein, MITTEILUNGEN | COMUNICAZIONI | COMMUNICAZIUNS NR. 3 | DEZEMBER 2020
40 Ein Graubünden – oder zwei? An ihrer diesjährigen Landtagung stellte die Pro Raetia die wirtschaftlich starken Regionen des Kantons den Bergtälern gegenüber. In Malans trafen sich die Mitglieder zu Referat und Diskussion zum Thema «Raetia Divisa – Geteiltes Graubünden?». «Graubünden braucht Orte, wo gestrit- Am Podium, unter der Leitung von Jürg stieg in der Administration und dem ten und gestaltet werden kann.» Mit die- «Feuri» Feuerstein, diskutierten Chris- Sozial- und Gesundheitswesen festzu- sen Worten leitete Johannes Flury, Präsi- toph Caprez, LQ Management stellen. Die Gewinner der Situation sind dent der Pro Raetia, nach der Abwicklung Landquart, und Aita Zanetti, Bäuerin die Region Plessur, das Rheintal und das der üblichen Geschäfte, das Nachmit- und Grossrätin aus Sent. Vorderprättigau. «Im Rheintal ist man tagsprogramm der Versammlung ein auf Augenhöhe im Vergleich mit an (siehe Seite 1). Es brauche Orte für Jung Schlusslicht im Wirtschaftswachs- deren Regionen in der Schweiz», hielt er und Alt, für Gespräche, für alle Spra- tum fest. Die grossen Verlierer sind die chen, für Kultur, Wirtschaft, politische Severin Geisseler erweiterte in seinem Region Maloja und das Unterengadin. Parteien, Tourismus und Landwirt- Referat in einer Auslegeordnung zum Geisseler stellte als einen der Lösungs- schaft. Es sei wichtig, dass es Zusam- Thema den Titel der Veranstaltung ansätze die Stärkung der Fachhoch- menkünfte gebe, an denen man mit «Raetia Divisa» zu «Raetia Divisa et Uni- schule Graubünden (FHGR) in den Fo- einander rede, sagte er vor den rund 40 ta». Das Rheintal und die Region Moesa kus. Es gelte, den Nachwuchs zu sichern, zur Landtagung auf dem «Daliebahof» sowie Tourismus-Hotspots seien stark einheimischen Studierenden die Mög- in Malans erschienenen Mitgliedern. von der Wirtschaft geprägt, sagte er. Der lichkeit zu bieten, im Kanton zu blei- Gesprochen werden sollte an diesem Tag Tourismus trage einen Viertel zum Wirt- ben. Wichtig seien auch eigene Weiter- über eine gemeinsame Entwicklung der schaftswachstum bei, was essenziell sei bildungsangebote, um Mitarbeitende in wirtschaftlich starken Regionen im für den Kanton. Im gesamtschweizeri- den Bündner Unternehmen zu behal- Churer Rheintal und dem Vorderprät- schen Überblick sei der Kanton Grau- ten, sagte er. Eine starke FHGR würde tigau sowie den wenigen grossen Touris- bünden das Wirtschaftswachstum be- zudem auch Studierende aus anderen muszentren einerseits und dem verblei- treffend aber ein Schlusslicht. Anhand Regionen der Schweiz anziehen. benden Gebiet, gross in der Fläche, aber von Grafiken zeigte er einen tendenziel- schwach in der wirtschaftlichen Kraft len Rückgang im Tourismus und bei den Überalterung in den Berggebieten und abnehmend in der Bevölkerung an- Bergbahnen auf. Hingegen habe sich Einen weiteren Trend sah Geisseler in dererseits. Für das Inputreferat hatte Pro die Exportindustrie nach dem Franken- der Abwanderung aus den Tälern in ur- Raetia Severin Geisseler vom Wirt- schock im Bündner Rheintal positiv bane Zentren im Kanton. Er spiegle schaftsforum Graubünden eingeladen. entwickelt. Ebenso sei ein starker An- sich auch im Wohnungsbau wider, fest- zustellen in den Regionen Viamala, Plessur und Bündner Rheintal, erklärte er. Verantwortlich dafür macht er die Bildungs- und Arbeitsmigration. «Die regionalen Unterschiede zwischen dem Bündner Rheintal und den Berggebie- ten nehmen zu», erklärte er. In den Berggebieten drohe eine Überalterung mit bedrohlichen Ausmassen. Durch den Verlust an arbeitstätiger Bevölke- rung und damit an Steuersubstrat ver- liere das Berggebiet wiederum auch an Attraktivität für Unternehmen und Einwohner. Dem stellte er als Lösungs- ansatz die Zweitwohnungen mit der Idee «Miteinander – mitbestimmen, mitfinanzieren» gegenüber. Das Berg gebiet verfüge über einen grosses Po- tenzial an Zweitwohnungsbesitzenden, das heute noch bei Weitem nicht voll ausgeschöpft sei. Strukturen bereinigen In einem weiteren Punkt sprach er den Severin Geisseler. (Foto: Maya Höneisen) Verkehr und die Infrastruktur an. Grau- NR. 3 | DEZEMBER 2020 LANDTAGUNG Die Landtagung wurde untertützt von
hätten sich viele Portugiesen im Tal in- tegrieren können. «Ein Profil von Leu- 41 ten, die zu uns kommen sollen, können wir uns nicht leisten», antwortete sie auf die Frage eines Votanten, ob denn auch Frauen mit Kopftuch oder Män- ner mit dunkler Hautfarbe willkommen seien. Zanetti sieht zudem die Mehr- sprachigkeit als Chance. Das Roma- nisch könne auch besser «vermarktet» werden. Flury stimmte zu, die Jungen würden ihre Zweisprachigkeit wieder selbstbewusster leben. Er hielt aber da- gegen, dass man die Sprache nicht zu einer reinen Marke machen könne. Wichtig sei es, sie zwischen Einheimi- schen und Touristen zu vermitteln. «Wir brauchen einander» Zur Sprache kam auch die Landwirt- schaft. Zanetti war der Ansicht, dass die Landwirtschaft immens wichtig sei. «Die Touristen wollen ihre Ferien in Aita Zanetti und Christoph Caprez. (Foto: Maya Höneisen) einer intakten Kulturlandschaft ver- bringen.» Entscheidend sei die Biodi- bünden, insbesondere die Berggebiete Erholungsräume verfügt.» Man müsse versität. «Graubünden ohne Bauern seien ein nahezu vollständig benachtei- versuchen, Schwächen in Chancen um- und die Herrschaft ohne Wein wären ligter Alpenraum. Die Anbindung an zuwandeln. Sich überlegen, was man im ein grosser Verlust», meinte sie mit ei- die grossen Städte der Schweiz sei da- Berggebiet und im urbanen Raum ver- nem kleinen Seitenblick auf Malans, mit in weiten Teilen Graubündens bessern könne, wie Werte zu transfor- dem Veranstaltungsort der Versamm- schlecht. Die Bergregionen würden teil- mieren seien, sagte Christoph Caprez. lung. Caprez setzte sich dafür ein, dass weise infrastrukturell abgehängt. Er forderte: «Wir müssen visionär wer- Regionalität und Wertschöpfung im Geisseler gab schliesslich mögliche den.» In Bezug auf die Verkehrsanbin- Kanton behalten werden kann. Die Re- Stossrichtungen für die zukünftige Aus- dung hielt Aita Zanetti fest, der Vereina gionalität werde Bio überholen. Das richtung vor: tunnel habe schon eine grosse wiederum heisse, es gebe diesbezüglich Verbesserung gebracht. Aber das reiche Potenzial für Wertschöpfung auch in – Fokus Bündner Rheintal: Industrie, noch nicht, um junge Leute im Tal be- Bezug auf Arbeitsplätze und Wohnen. Dienstleistung und Bildung weiter- halten zu können. Wenn man mit 16 Pragmatisch fasste Zanetti zusammen: entwickeln Jahren das Tal verlassen müsse für eine «Wir müssen einander besser kennen- – Fokus Berggebiet: Wohnen und Ausbildung, seien das schlechte Voraus- lernen, um uns besser zu verstehen.» Arbeiten setzungen. Caprez brachte die Digitali- Dem stimmte in seinem Schlusswort – Zusammenrücken: Generationen- sierung mit dezentralen Arbeitsplätzen auch Flury zu. Er zog das Fazit: «Wir projekt im Bereich Verkehr ins Spiel und rannte damit bei Zanetti brauchen einander.» – Strukturen bereinigen: Strategie der offene Türen ein: «Es braucht Vitalisie- dezentralen Konzentration rung und Innovation im Engadin. Wir Maya Höneisen – Chancen nutzen: Klimawandel und müssen offen sein für Impulse von au- Digitalisierung für Graubünden nut- ssen und für Veränderungen». Caprez zen betonte in diesem Zusammenhang, – Fazit: Gemeinsam in die Zukunft. dass Homeoffice eine weitere Möglich- Divisa geht Graubünden unter, es keit sei, um Ferienwohnungen besser funktioniert nur Unita. auszulasten. Johannes Flury schlug vor, in den Tälern eigene, an weiterführende Schwächen in Chancen umwandeln Schulen angebundene Modelle für Jürg Feuerstein startete anschliessend Lerngruppen im digitalen Unterricht zu mit folgender von Geisseler formulier- entwickeln. ten Vision ins Podiumsgespräch: «Grau- bünden ist ein beliebter Arbeits-, Wohn- Sprachenvielfalt als Chance und Tourismusort, der einerseits über In einem weiteren Punkt ging es um die wirtschaftlich prosperierende, unter- Sprachenvielfalt und die Integration einander gut vernetzte Zentren mit ur- von Zuwanderern. Zanetti, eine starke banem Dienstleistungsangebot sowie Verfechterin des Rätoromanischen, er- anderseits über vielfältige Natur- und klärte, dank der romanischen Sprache LANDTAGUNG NR. 3 | DEZEMBER 2020
Mitgliederversammlung 42 Zwei neue Mitglieder für den Vorstand An der Mitgliederversammlung in Malans durfte die Pro Raetia zwei neue Vorstandsmitglieder wählen: Willi Berger und Daniel Kunfermann-Maissen ersetzen Werner Böhi und Paola Giovanoli. Das langjährige Vorstandsmitglied Werner Böhi, der den Bereich Finanzen betreute, sowie Paola Giovanoli sind zurückgetreten. Präsident Johannes Flury würdigte an der Mitgliederver- sammlung im Daliebahof in Malans ihren Einsatz in der Pro Raetia. Neu in den Vorstand wurden Daniel Kunfermann-Maissen und Willi Berger gewählt. Berger wuchs in Seewis Pardis- la im vorderen Prättigau zusammen mit drei Brüdern auf. Nach der Matura an der Mittelschule in Schiers studierte er Jurisprudenz an der Uni Zürich. Es folgten Praktika am Kantonsgericht PRO RAETIA Redaktion Pro-Raetia-Mitteilungen Julian Reich, Sils i. D. Willi Berger (links) und Daniel Kunfermann-Maissen. (Foto: Maya Höneisen) Geschäftsstelle Pro Raetia Montalinstrasse 2, 7012 Felsberg Graubünden und bei einem Rechtsan- Die Jahresrechnung 2019 schliesst mit Tel. +41 81 322 67 33 walt in Klosters. 1985 erwarb er das einem Verlust von 6343 Franken und E-Mail info@pro-raetia.ch Bündner Anwaltspatent. Daraufhin zog somit mit einem Vermögen von 72 708 Internet www.pro-raetia.ch es ihn wieder nach Zürich. Nach rund Franken. Die Abnahme des Budgets zehn Jahren als Mitarbeiter im Rechts- 2020 war aufgrund des bereits zur Hälfte I ch möchte Mitglied der Pro Raetia dienst einer Grossbank in Zürich kehrte verstrichenen Jahres nicht mehr wirk- werden, Jahresbeitrag Einzelmitglie- er 1996 nach Graubünden zurück, da lich relevant. der 2021, CHF 40.– ihn die Bündner Regierung zum Sekre- tär im damaligen Finanz- und Militär- Der Aufstand der Prättigauer I ch interessiere mich für die Mitglied- departement gewählt hatte. 2008 wech- Johannes Flury informierte an der Mit- schaft bei der Pro Raetia und ersuche selte er als Direktor zur kantonalen gliederversammlung darüber, dass sich Sie um Unterlagen. Pensionskasse, die er bis zu seiner Pen- 2022 der Prättigauer Aufstand zum sionierung im Jahr 2019 führte. Heute 400. Mal jährt. Eine tragische Figur da- Name geniesst er seine Pension. Zu seinen bei war Fidelis von Sigmaringen, der er- Hobbys gehören Sport, Lesen, Musik schlagen und später heiliggesprochen und Reisen. Er lebt zusammen mit wurde. Es hat sich eine kleine Arbeits- Vorname Alexa Killias seit vielen Jahren in gruppe aus dem Präsidenten der Histori- Chur-Masans. schen Gesellschaft Graubünden, einem Strasse/Nr. Daniel Kunfermann, der hauptamtlich Vertreter aus Vorarlberg und Johannes als Regionalentwickler für die Region Flury gebildet, um ein Projekt rund um Albula arbeitet, hat schon während des diesen Anlass auf die Beine zu stellen. laufenden Jahrs an den Vorstandssit- Es wäre eine spannende Aufgabe, wenn PLZ zungen teilgenommen (siehe Pro Rae- unter Beteiligung der Pro Raetia zu die- tia Mitteilungen August 2019). Für drei ser Geschichte etwas entstehen könnte. Ort weitere Jahre wiedergewählt werden So wäre auch gleich ein Thema für die Andres von Sprecher, Hedi Luck- Landtagung 2022 gegeben. Fasciati, Hanspeter Adank und Thomas Bitte ausschneiden und einsenden. Vielen Dank. Gadmer. Lea Schneller NR. 3 | DEZEMBER 2020 BUCHPROJEKT
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