Die Sensibilität der Kunden steigt. Alte Preispunkte sind tot. Vollsortimenter müssen handeln, wenn sie Aldi Paroli bieten wollen. Aber nicht um ...
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Titelthema Ausgabe 4_2023 K A MPF U M DEN PREI SEINSTIEG Die Sensibilität der Kunden steigt. Alte Preispunkte sind tot. Vollsortimenter müssen handeln, wenn sie Aldi Paroli bieten wollen. Aber nicht um jeden Preis. KUND DEN BIND DEN Jetzzt sysstema-- tiiscch handeln Kris i en is nzei e ten sind gut für Aldi. Die Di e In nfl flation fü f hrt die Verbrau- chher er ref e le lexa xa xart art r ig zur Eigenmarke und d in den Discount. Für Voll- sortimenter sind jetzt gute Stra- tegien gefragt, wenn sie nicht weitere Marktanteile an die Konkurrenz aus dem Billig- Segment verlieren wollen. Kun- den zu verlieren, ist eine keine Option. Denn: Es kostet Zeit und d Geld sie zurückzugewinnen. Doch aufgepasst: Wenn Promo- tions und Aktionen kein Geld verbrennen sollen, müssen systematische Ansätze her. Kunden werden nicht mit der Promotion-Gießkanne zurück-- geholt und gebunden. Der Kampf um Kunden im Preis- einstiegssegment ist entbrann nt – ein Ende nicht in Sicht. 6
Titelthema Ausgabe 4_2023 Preissensible Kunden dauerhaft aktivieren 2022 sind die Preise der Eigenmarken durch D as Preisimage spielt für den Handel besonders in Deutschland seit jeher eine bedeutende Rolle. In Inflati- die hohen Inflationsraten und gestiegenen Herstellungskosten ebenfalls angestiegen. onszeiten mehr denn je. Wenn Geld weniger wert ist, schal- ten die Verbraucher auf eine grundlegende Sparstrategie N I C H T Der Preisunterschied zu den Markenproduk- ten war trotzdem groß genug, um die Diffe- um: Eigenmarken ersetzen Marken im Einkaufswagen und der Einkaufswagen rollt vom Vollsortimenter zum Dis- E I L U N S U renz seitens des Handels kommunikativ zu nutzen. 2023 ändert sich das Bild nach Daten counter. Diese Verhaltensänderung im Konsum ist in den zurückliegenden sechs bis zwölf Monaten bei Edeka, Rewe W , W A S D T von Bonial: Der Handel kann besondere bei und Tegut spürbar angekommen. Die Marktanteilsverschie- den Eigenmarken eine eigene Preisstrategie durchsetzen. Der Preissturz bei Butter und bungen sprechen Klartext: Im vergangenen Jahr erwirt- schafteten Discounter einen Anteil in Höhe von 36,9 Pro- U R S T I S S T. weiteren Milchprodukten sowie Kaffee zeigt, dass der Discount mit dauerhaft reduzierten zent am Gesamtumsatz des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland. Damit konnten sie 2022 weiter an Markt- W U R S T I S W Preisen die preissensiblen Kunden aktivieren macht gewinnen. 2021 lag der Umsatzanteil dieser Ver- und die Preisführerschaft demonstrieren will. triebsschiene noch bei 34,8 Prozent. Zudem ist 2022 das Jahr der Handelsmarken gewesen. Die Zahlen des GfK Consumer Index 12/2022 sind eindeutig: Der Handelsmar- ZU R , ihn z u l i e ben. nde kenanteil stieg im zurückliegenden Jahr im Vergleich zum l e G r ü vie Es gibt Vorjahr um 2,6 Punkte auf nunmehr 43,2 Prozent an. „Wer -33,9Prozent sagt der GfK-Konsumklima-Index sparen will, muss sich bücken“ ist ein Spruch, der in multi- plen Krisenzeiten ganz besonders gilt und nichts anderes verheißt als den Kampf ums Preiseinstiegssegment im Le- bensmitteleinzelhandel. Derzeit hat die Inflation an Schwung verloren und schon gibt es die ersten Signale, für Februar voraus. dass 2023 das Jahr der Rabattschlachten werden könnte, meldet Simon & Kucher. Die Ausgangslage ist klar umris- sen: Die Lagerbestände sind bei Händlern sowie Herstel- Produkt des Jahres 2023 – repräsentative Verbraucherbefragung der Lebensmittel Praxis, durchgeführt von der Innofact AG lern hoch und die Konsumenten sind aufgrund der hohen 2,8 Prozent verliert der Inflation und stagnierender beziehungsweise sinkender Vollsortimenter 2022 Real-Einkommen preissensibel wie nie zuvor. nach GfK-Angaben beim Bon-Ertrag. Preis- und Inflationstrend steigen noch an Es gibt sogenannte imagebildende Anker-Produkte. Zu diesen Eckartikeln zählen etwa Mehl, Milch, Butter, Scho- kolade und Kaffee. Die Kunden wissen, was diese Produkte kosten. Wenn die Preise steigen, merken sie es sofort. Im Bereich der digitalen Handelskommunikation ist die Springer-Tochter Bonial mit ihren Apps und Plattformen Psychologische Preisgrenzen „Kaufda“ sowie „Mein Prospekt“ nicht bloßer Ersatz für den Entscheidend für die Preiswahrnehmung ist und analogen Handzettel, sondern auch in der Lage, Preis bleibt die erste Zahl, zum Beispiel 0,99 Euro. Ein sowie Nachfrage nach einem Artikel im Zeitverlauf zu glatter Preis wie etwa 1 Euro wird als sprunghaft verfolgen und auch zu modellieren. Auf Anfrage der LP hat teurer empfunden. Im Nachkommabereich ist der Bonial in der siebten Kalenderwoche des aktuellen Jahres psychologische Effekt nicht mehr so groß, sagen Millionen Datenpunkte und Tausende LEH-Produkte in die Marktforscher. Die Preisschwellen passen sich den Vertriebsschienen Supermärkte, Discounter und Ge- dynamisch an. 1,99 ist das neue 1,49 Euro, erwar- tränkemärkte verglichen und dabei Tausende exakte Über- ten die Vocatus-Preisexperten. einstimmungen bei Marke, Beschreibung sowie Größe gefunden, die einen validen Vergleich möglich machen. „Von diesen übereinstimmenden Angeboten sind 58 Pro- Keine eindeutigen Preistrends zent der Produkte teurer und 42 Prozent günstiger gewor- Welche Produkte der Handel im Preis reduziert, ist den“, berichtet Florian Reinartz, Chief Commercial Officer derzeit nicht absehbar. „Aber ich bin mir sicher, bei Bonial. Vergleichsmonate waren hier Dezember 2022 dass der LEH Preise von wichtigen Produkten als und Januar sowie Februar 2023. Sein Fazit: Der Preis- und Signal an die Konsumenten reduziert. Insbesondere Inflationstrend bei Lebensmitteln ist grundsätzlich noch die Vollsortimenter werden verdeutlichen, dass sie ansteigend. Ein paar Beispiele von Ankerprodukten be- ein großes Discount-Sortiment haben, um Kunden kannter Hersteller zeigen exemplarisch die Preisentwick- DE-ÖKO-005 zu binden“, prognostiziert Florian Reinartz, Bonial. lung eines Jahres, die natürlich sehr eng mit den Rabatt- aktionen der Händler im Vergleichszeitraum zusammen- 8
Titelthema Ausgabe 4_2023 Jetzt anmelden! hängt: Milka-Schokolade kostete vor genau einem Jahr 30 Jahre Supermarkt des Jahres 1,24 Euro und heute 1,29 Euro. Massiver stieg der Preis bei Nivea-Duschgel. Vor 12 Monaten wurden hier 1,39 Euro fällig, aktuell sind es 1,85 Euro. Ähnlich deutlich verlaufen die Preissteigerungen bei Milchprodukten: Der Liter H-Milch bei Weihenstephan stieg im Preis um 21 Cent auf nunmehr 1,20 Euro. Und bei Landliebe-Butter lag der Stückpreis vor einem Jahr noch bei 1,79 Euro und zuletzt bei 2,19 Euro. Bei Landliebe fällt in der Grafik unten auf Der Branchentreff dieser Seite auf: Die Preise scheinen den Zenit erreicht zu haben, seit November geben sie nicht nur bei Butter nach. „Der Handel wird auch weiterhin so gut es geht versuchen, die psychologi- Die Preisführerschaft muss gewahrt werden Seit Februar purzeln die Preise bei Butter. Aldi setzte mit schen Preisschwellen einzuhalten.“ der Eigenmarke Milsani eine Duftmarke. Günstiger als ein Florian Reinartz, Chief Commercial Officer, Bonial Jahr zuvor lag die deutsche Markenbutter für 1,59 Euro im Kühlregal des Discount-Primus. Als schließlich Kaufland bei der Kaffee-Eigenmarke „K-classic Kaffee Gold“ den 10. Mai 2023 Preis der 500-Gramm-Packung von 4,99 Euro auf 4,49 Grand Hall, Zeche Zollverein Essen Euro senkte und zur Attacke blies, zogen Aldi Nord und Süd bei den Eigenmarken massiv nach. Preisführerschaft kostet und spült den Verbrauchern glatte 20 Prozent in die Tasche. Bei 3,99 Euro wurde der Preis bei den Kaffee-Eigen- marken des Discounters neu verankert, Norma folgte dem großen Bruder unmittelbar und ließ sich das ebenfalls einen Euro je Packung kosten. Und wie positionieren sich jetzt die Vollsortimenter im Kampf um das Preiseinstiegssegment? Manuel Wätjen ist Experte für Preis-, Produkt- und Portfoliostrategien bei Vocatus, er rät: „Die Kunden gehen zum Original, wenn sie zum Discounter wollen. Es ist sinnvoll, jenseits der Preis- maßnahmen zu denken und die Aufmerksamkeit auf Pro- dukte zu lenken“. Wätjen hält nichts davon, jetzt auf Rabat- „Die Händler sind im Kampf um das te und Promotions zu setzen. Das sei eine Art Droge, die Preiseinstiegssegment.“ aus Kunden Schnäppchenjäger mache. Jetzt müssten Dr. Tobias Maria Günter, Partner bei Simon & Kucher EXEMPLARISCHE PREISLINIE Butter (Hersteller Landliebe) Anmeldung und Infos: www.supermarktdesjahres.de Fotos: Bonial, Simon & Kucher, Vocatus, Verbraucherzentrale Hamburg 2,50 € Supermarkt des Jahres 2023 wird unterstützt von: 2,00 € 1,50 € 1,00 € 0,50 € 0 Jan. Feb. Mär. Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. „Marktinformationen der Kunden 2022 2023 werden oft überschätzt.“ Quelle: Bonial Manuel Wätjen , Vorstand bei Vocatus AG 10 Kontakt: LPV GmbH, Carmen Hasbach, E-Mail: carmen.hasbach@lp-verlag.de, Telefon: 02631 879-129
Titelthema Ausgabe 4_2023 Ausgabe 4_2023 Aktionen systematisch geplant werden, um Impulskäufe auszulösen, die sonst nicht gemacht würden. Dr. Tobias Maria Günter, Partner bei Simon & Kucher, betont: „Derzeit geht es für die Vollsortimenter ums Fre- quenzziehen. Will ich Umsatz optimieren oder die Kun- denzahl hochhalten, lautet jetzt die Frage. Customer Deve- lopment ist eine Kunst, deshalb bin ich doch Vollsortimen- ter!“ Frei übersetzt, sagt er: Einen Kunden zu verlieren sei unfassbar teuer. Jetzt sei die Stunde, unter anderem die Promotions richtig zu machen. Gezielt und nicht mit der Gießkanne. Die Kunst sei es, auf schlechte Promotions zu verzichten. Auf hohe 30 Prozent bezifferte Günter die Zahl der Promotions ohne Uplift. Vollsortiment heiße doch: Vom Preiseinstieg bis zur Kompetenz für Premium alles „Mogelpackung“ in auf der Fläche zu haben. Diese Chance müsse ergriffen werden. Inflationszeiten Was wundert: Die Käuferwanderung hin zum Discount ist kein neues Phänomen, das gab es auch schon zur Fi- Der Brotaufstrich Rama wurde von der Ver- nanzkrise 2008. Was heute anders ist: Die Krisen sind braucherzentrale Hamburg als die „Mogelpa- multiple und die Inflation bleibt dauerhaft hoch im Ver- ckung des Jahres 2022“ gebrandmarkt. Das gleich zu früheren Jahren. Eine Rückkehr zu Vor-Corona- Streichfett des Herstellers Upfield wurde ab Zeiten erwartet der Handelsexperte nicht. Das sei eine Sommer 2022 mit 400 statt 500 Gramm Utopie. Simon & Kucher hat die Welt des Supermarktes in Inhalt zum selben Preis in einer gleich großen Algorithmen gepackt und kennt die Veränderungen auf Kunststoffdose verkauft – eine Verteuerung dem Kassenbon genau. Er weiß, der Anstieg der Schnäpp- um 25 Prozent. Das Phänomen dahinter chen-Jäger ist momentan ungebremst, der Kampf um nennt sich „Shrinkflation“ – also gleicher Kundensegmente geht weiter. Preis, weniger Inhalt. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Wort „shrink“ für Kunden wollen fair behandelt werden schrumpfen und Inflation zusammen. „In jedem Edeka steckt ein Discounter“, heißt die Losung Upfield verweist in diesem Zusammenhang aus der Hamburger Zentrale, die zudem hart mit Marken- darauf, dass neue Verpackungsverfahren artiklern um die Preise ringt und auch vor Auslistungen zusätzliche Kosten verursachen würden, die nicht zurückschreckt. „Ich würde Handel und Herstellern das Unternehmen nicht an die Verbraucher empfehlen, sich nicht gegeneinander auszuspielen“, meint ZEITENWENDE Hoffen auf bessere Zeiten weitergeben wollte. Deshalb seien die Becher- Branchenkenner Wätjen. Der Verbraucher schätze das größen vorerst beibehalten worden. Das ist meist nicht und reagiere verunsichert. Besser sei es doch, nachvollziehbar, aber schlecht kommuniziert. dem Kunden gemeinsam zu zeigen, warum Produkte im Während der Pandemie sind viele counter, um den Einkaufskorb mit sagen die Zahlen der Nürnberger Preis steigen. Eine transparente Kommunikation wirt- Discount-Shopper schnell noch zum günstigeren Produkten aufzufüllen, Marktforscher. Doch am Horizont schaftlicher Notwendigkeiten sei vertrauensbildender. Supermarkt gegangen, um sich etwas heißt es im Gfk Consumer Index tauchen erste Silberstreifen auf: Der „Kunden wollen fair behandelt werden!“, hebt der Vocatus- zu gönnen. 2022 hat sich das Verhal- 12/2022. Die Bedarfsdeckung über die GfK-Konsumindex hellt sich auf, die Manager hervor. Das Signal, das Edeka mit den Preisver- ten umgekehrt. Seither gehen viele LEH-Food-Vollsortimenter ging um Inflationsspirale dreht langsamer und handlungen senden will, ist klar: Die Edeka setzt sich in loyale Shopper der LEH Food-Voll- 1,9 Prozent zurück, während sie über die Anschaffungsneigung der Shopper schwierigen Zeiten für ihre Kunden ein. Handelskenner sortimenter auch noch zum Dis- die Discounter um 5,3 Prozent stieg, nimmt wieder zu. Veränderte Verpackung Günter bricht an dieser Stelle eine Lanze für den deut- schen Handel: „Alle großen Marken sehen sich in einer kostet Zeit und Geld sozialen Verantwortung und Versorgerfunktion. Die möch- ten den Kunden Gutes tun und wollen keinesfalls die 63 % 59 % 93 % Zunächst muss geprüft werden, welche Ver- Zahlungsbereitschaft der Verbraucher ausnutzen“. packungsgrößen die vorhandene Maschinen- Allerdings: In Auslistungen sieht Günter keinen guten technik beim Abfüller befüllen kann, welche Weg. Ein Vollsortimenter lebe von Preiseinstiegslagen bis Formatgrößen eingespeist werden können zu Marken. Mit „Gut und günstig“ hat Edeka ein breites und wie zum Schluss die Palettierung aus- Eigenmarkenangebot. Was aber, wenn der Kunde etwa die sieht, bevor neue Größen unter Berücksichti- Tiernahrung von Purina nicht im Regal findet und geht? richten wegen der Inflation ihr der Bonial-Befragten betonten gaben an, dass ihr digitales In- gung aller logistischen Anforderungen bis ins Die Antwort liefert eine Studie der Dualen Hochschule Kaufverhalten an Preisen aus, im Januar, wieder offen für formationsverhalten deutlich Regal definiert werden können. Die Zeitspan- Baden-Württemberg vom August: Bei Tiernahrung und hat Bonial auf Basis von 1.003 größere Anschaffungen zu ausgeprägter ist. Ein Jahr zu- Foto: Getty Images ne könne sich je nach Aufwand von drei Kosmetikprodukten oder auch weiteren Near-Food-Arti- Interviews ermittelt. 22 Pro- sein. Im Mai 2022 sagten noch vor hatten sich noch 6 Pro- Monaten bis zu einem Jahr erstrecken, teilt keln wie Frischhaltefolie suchen die Kunden einen ande- zent der Befragten kaufen nur 78 Prozent, größere Anschaf- zent weniger laut Bonial on- die STI Group auf Nachfrage mit. ren Anbieter im Falle einer Out of Stock-Situation auf. Das noch das Nötigste. fungen verschieben zu wollen. line über Angebote informiert. ist ein gutes Szenario in schwierigen Zeiten. ◾ 12 13
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