Die soziale und arbeitsrechtliche Situation von Frauen in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch, Äthiopien und Myanmar

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Die soziale und arbeitsrechtliche Situation von Frauen in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch, Äthiopien und Myanmar
Die soziale und
arbeitsrechtliche Situation
von Frauen in der
Bekleidungsindustrie in
Bangladesch, Äthiopien
und Myanmar

                            Analysepapier für FEMNET e.V.
                             vorgelegt von Annika Salingré
                                    Erstfassung 22.12.2017
             Ergänzte und überarbeitete Fassung 11.01.2018
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 3

Einleitung _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 5

Zusammenfassung _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 6

Methodik und Lesehinweise _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 11

Bangladesch _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 12

Zwischenfazit Bangladesch _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 32

Äthiopien _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 33

Zwischenfazit Äthiopien _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 46

Myanmar _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 47

Zwischenfazit Myanmar _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 69

Auswirkungen von Handelsverträgen auf die Arbeitsbedingungen der Frauen _ 70

Geschlechtsspezifische Gewalt _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 76

Tabellarische Ländervergleiche _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 77

Lebensgeschichten von Textilarbeiterinnen _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 88

Literaturverzeichnis _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 92

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Abkürzungsverzeichnis
ACT     Action, Collaboration, Transformation, Multi-Stakeholder-Initiative
ADB     Asian Development Bank, asiatische Entwicklungsbank
AGOA    African Growth and Opportunity Act, Handelsabkommen
ALR     Action Labour Rights, NGO
BDT     Bangladeschischer Taka, Landeswährung in Bangladesch
BFTUC   Bangladesh Free Trade Union Congress
BGMEA   Bangladesch Garment Manufacturers and Exporters Association,
        Arbeitgeber.innen-Organisation
BILS    Bangladesh Institute of Labour Studies, Gewerkschaftsinstitut
BIP     Bruttoinlandsprodukt
BJSD    Bangladesh Jatyatabadi Sramik Dal, Gewerkschaftsbund
BKMEA   Bangladesch Knitwear Manufacturers and Exporters Association,
        Arbeitgeber.innen-Organisation
BLF     Bangladesh Labour Federation, Gewerkschaftsbund
BMSF    Bangladesh Mukto Sramik Federation, Gewerkschaftsbund
BSR     Business for Social Responsibility, Multi-Stakeholder-Initiative
BSSF    Bangladesh Sanjukta Sramik Federation, Gewerkschaftsbund
BWU     Burmese Women’s Union, NGO
CCTU    Cooperative Committee of Trade Unions, NGO
CEDAW   UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
CETU    Confederation of Ethiopian Trade Unions, Gewerkschaftsbund
CLS+    Core Labour Standards Plus, Arbeitsstandards, die über die ILO-
        Kernarbeitsnormen hinaus gehen
CSP     Proclamation to Provide for the Registration and Regulation of Charities and
        Societies, äthiopisches Gesetz
CTUM    Confederation of Trade Unions of Myanmar, Gewerkschaftsbund
DIFE    Bangladeschische Inspektionsdirektion für Fabriken und Betriebe
DoL     Department of Labour, Arbeitsministerium
EBA     Everything but Arms, Handelsabkommen
EIU     Economist Intelligence Unit, Beratungsunternehmen des Economist Verlags
EPRDF   Äthiopische Revolutionäre Demokratische Front, Regierungspartei
EPZ     Exportproduktionszone
ETI     Ethical Trading Initiative, Multi-Stakeholder-Initiative
EU      Europäische Union
FDI     Foreign direct investment, ausländische Direktinvestitionen
FES     Friedrich Ebert Stiftung
FLA     Fair Labour Association, Multi-Stakeholder-Initiative
FWF     Fair Wear Foundation, Multi-Stakeholder-Initiative
GFA     Global Framework Agreement, globales Rahmenabkommen i.d.R. zwischen
        mehreren gewerkschaftlichen Akteuren und einem/r international tätigen
        Arbeitgeber.in
GIZ     Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, staatliche Organisation
        der Entwicklungszusammenarbeit
GSP     Generalized System of Preferences, Handelsabkommen

                                        3
GTAI        Germany Trade and Invest, Gesellschaft für Außenwirtschaft und
            Standortmarketing
GTP         Wachstums- und Transformationsplan der äthiopischen Regierung
HDI         Human Development Index, Index der menschlichen Entwicklung
HRW         Human Rights Watch, Menschenrechtsorganisation
ICCPR       Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte der UN
ICESCR      Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der UN
IFETLGWTU Industrial Federation of Ethiopian Textile, Leather, and Garment Worker Trade
            Union
ILO         International Labour Organisation, internationale Arbeitsorganisation, tripartite
            UN-Sonderorganisation
ILRF        International Labor Rights Forum
ITUC        International Trade Union Confederation, internationaler
            Gewerkschaftsdachverband
IWF         Internationaler Währungsfonds
IWFM        Industrial Workers Federation of Myanmar, Gewerkschaft
JSL         Jatio Sramik League
LDC         Least Developed Countries, am wenigsten entwickelte Länder
LO/FTF      Entwicklungszusammenarbeitsorganisation des dänischen Gewerkschaftsbundes
LRDP        Labour Rights Defenders and Promoters, NGO
MFA         Multifaserabkommen, Handelsabkommen für die Textil- und Bekleidungsindustrie
MGMA        Myanmar Garment Manufacturers Association, Arbeitgeber.innen-Organisation
MICS – TusF Myanmar Industries Craft & Services Trade Unions Federation, Gewerkschaft
MOL         Ministry of Labour, Immigration and Population, burmesisches Ministerium für
            Arbeit, Migration und Bevölkerung
MSI         Multi-Stakeholder-Initiative
NGO         Non-Governmental Organisation, Nichtregierungsorganisation
PSA         Persönliche Schutzsausrüstung
RMG         Ready-Made Garment, Ready Made Garments, industriell hergestellte Massen-
            Konfektionskleidung
SEZ         Special Economic Zone, Sonderwirtschaftszone
STUM        Solidarity for Trade Unions Myanmar, Gewerkschaft
UK          United Kingdom, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland
UMFCCI      Verband der Industrie- und Handelskammern der Union von Myanmar
UN          United Nations, Vereinte Nationen
UNDP        United Nations Development Programme, Entwicklungsprogramm der Vereinten
            Nationen
USD         US-Dollar
WFTU        World Federation of Trade Unions, Gewerkschaftsbund

                                              4
Einleitung

                                                           Einleitung
Jede.r Erwachsene in Deutschland besitzt durchschnittlich rund 100 Kleidungsstücke. Das sind
mehr als 5 Milliarden Kleidungsstücke in Ganz Deutschland. Etwa jedes fünfte davon wird nie
getragen. Kurzlebigkeit und Trends bestimmen unseren Umgang mit Kleidung. Auch Qualität
und Preis spielen dabei eine wesentliche Rolle. Immerhin die Hälfte der Konsument.innen
interessiert sich mittlerweile auch für die Bedingungen, unter denen ihre Kleidung produziert
wird. (Greenpeace, 2015)

Mehr als 50% der nach Deutschland importierten Ware stammt aus Asien. China führte das Ran-
king der Einfuhrwerte wichtiger Importländer nach Deutschland in den vergangenen Jahren
deutlich an. Seit dort die Lohn-, Material- und Rohstoffkosten kontinuierlich steigen, werden
neue Produktionsstandorte gesucht. Insbesondere Bangladesch ist ein prominentes Beispiel da-
für, dass Textilproduktion oft einher geht mit Niedriglöhnen, Arbeitsrechtsverletzungen und
gefährlichen Arbeitsbedingungen. In den letzten Jahren wurden in Bangladesch Verbesserun-
gen hinsichtlich der Situation der Arbeiter.innen erreicht, auch wenn noch ein weiter Weg zu
gehen ist. Gleichzeitig wächst weltweit die Nachfrage nach Bekleidung. Vor allem im billigen
Fast Fashion Segment. Entsprechend sind Bekleidungsunternehmen auf der Suche nach neuen
Produktionsstandorten. Kurzfristig ist es für viele der Modus operandi, einfach weiterzuziehen.
Aber die Rana-Plaza-Katastrophe und andere Industrieunfälle zeigen, dass ein unablässiges und
gnadenloses Streben nach Wachstum seinen Preis hat. FEMNET e.V. setzt sich dafür ein, dass
nicht die Näher.innen, die zu einem Hungerlohn unsere billige Bekleidung nähen, diesen Preis
zahlen müssen.

Diese Analyse beschreibt die Situation von Frauen in der Bekleidungsindustrie in den
aufstrebenden Textilmärkten Äthiopien und Myanmar und setzt sie in Bezug zu den bereits bes-
ser bekannten Arbeitsbedingungen in Bangladesch. Sie stellt die Grundlage dar zur Erarbeitung
weiterer Materialien für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit von FEMNET e.V. beim Einsatz
für würdevolle und faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie weltweit, insbesondere
für Frauen in Äthiopien, Myanmar und Bangladesch.
Zusammenfassung

                                   Zusammenfassung
Im Vergleich von Bangladesch, Äthiopien und Myanmar zeigt sich, dass die soziale und
arbeitsrechtliche Situation von Frauen in der Bekleidungsindustrie in allen drei Ländern prekär
ist. Dies zeigt sich sowohl entlang der vier Themenbereiche der ILO-Kernarbeitsnormen als
auch an weiteren Arbeitsstandards (CLS+). Zudem ist die gesellschaftliche Stellung von Frauen
in politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht in allen Ländern schwach. Ein
zentraler Aspekt für alle drei Länder, nicht nur für Arbeiterinnen, sind die nicht existenzsichern-
den Löhne. Auf Grund ihrer Geschichte, Kultur, Tradition, politischen und wirtschaftlichen Situa-
tion sind die konkreten sozialen und arbeitsrechtlichen und praktischen Gegebenheiten in den
Ländern aber durchaus unterschiedlich und differenziert zu betrachten:
Bangladesch steht hinsichtlich der Gleichheit der Geschlechter, zivilgesellschaftlicher Freiheit
und der Gewährung politischer Rechte nicht gut da, jedoch besser als Äthiopien und Myanmar.
Äthiopien steht in den Bereichen Anti-Korruption und Schutz kollektiver Arbeitsrechte im
Mittelfeld während es bei zivilgesellschaftlicher Freiheit und der Gewährung politischer Rechte
schlecht abschneidet. Für M yanm ar sind die verfügbaren Werte lückenhaft. Es kann sich in kei-
ner der in Abbildung 1 untersuchten sozialen Dimensionen von den anderen beiden Ländern
positiv abgrenzen. Myanmar ist jedoch aktuell das Land mit der dynamischsten (positiven)
Entwicklung hinsichtlich sozialer und demokratischer Aspekte. Äthiopien hat alle acht ILO-
Kernarbeitsnormen ratifiziert, Bangladesch sieben, Myanmar nur drei.

                                  Bangladesch              Myanmar   Äthiopien

                                                Anti-Corruption

                                                                        Protection of collective
             Gender equality
                                                                             labour rights

                                                                          Ratification of
                Civil liberties                                         fundamental ILO
                                                                           conventions

                                                Political Rights

Abbildung 1: Soziale Indikatoren der drei Länder im Vergleich (verändert nach AETS,
2016)

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Zusammenfassung

Lieferanten können die Preise für Rohstoffe, Energie und Transport kaum beeinflussen. Im
Gegensatz dazu sind die Arbeitskosten vergleichsweise leicht zu steuern, was sie zu einem
wichtigen Produktionsfaktor im globalen Wettbewerb macht. Die Löhne in der
Bekleidungsindustrie bleiben trotz hoher Zuwächse in den letzten Jahren unter dem
Existenzminimum. Ein existenzsichernder Lohn ist das Mindesteinkommen, das notwendig ist,
damit die Arbeitnehmer.innen die Grundbedürfnisse ihrer Familien decken können. Dazu gehö-
ren Ernährung, Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Bildung, Kleidung, Transport und Erspar-
nisse für Ruhestand und Lebensrisiken. Außerdem sind die Arbeitsbedingungen häufig schlecht.
Der Zusammenbruch der Rana-Plaza-Fabrik in Bangladesch im Jahr 2013 hat die internationale
Überwachung prekärer Arbeitsbedingungen und niedriger Löhne in der asiatischen
Bekleidungsindustrie verstärkt. Die Verbraucher.innen sind sich der Beschwerden der Arbeitneh-
mer.innen stärker bewusst geworden, was zu einem verstärkten öffentlichen Druck auf
internationale Bekleidungsmarken geführt hat. Die Marken haben daher ihre Bereitschaft
signalisiert, die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen und
höhere Löhne zu verbessern. (Müller & Bauer, 2015b)
Die Reform bzw. die Schaffung von dreigliedrigen Mindestlohngremien ist zwar ein Schritt hin
zu einem konstruktiveren sozialen Dialog, doch müssen diese weiter gestärkt werden, um
vollständig demokratisch und transparent zu funktionieren. Die Ergebnisse der
Mindestlohnverhandlungen sind zu de-facto-Branchentarifverträgen geworden und somit der
wichtigste Mechanismus zur Lohnfestsetzung. Tarifverträge auf Unternehmensebene - sofern
vorhanden - sind qualitativ schwach und gehen selten über die durch die Mindestlohngremien
festgesetzten Lohnstandards hinaus. Der Mindestlohn soll eigentlich eine Untergrenze festlegen
und nicht als einziger Mechanismus zur Lohnfestsetzung dienen. Es ist die Aufgabe der
Regierungen, im Einklang mit dem ILO-Übereinkommen 98 über das Recht auf Organisierung
und Tarifverhandlungen ein förderliches Umfeld für Tarifverhandlungen sowohl auf der Be-
triebs-Ebene als auch auf sektoraler Ebene zu schaffen. Es ist aber ebenso wichtig, dass die
Lohnentwicklung nicht nur auf obligatorischen Erhöhungen durch die Regierung beruht. Sie
muss auch einen angemessenen bilateralen Verhandlungsprozess zwischen Arbeitneh-
mer.innen und Arbeitgeber.innen, also Tarifverhandlungen umfassen. (Müller & Bauer, 2015b)
Ein Hauptgrund für niedrige Löhne und schwache oder nicht existierende Tarifverträge ist die
schwache Verhandlungsmacht der Gewerkschaften in den untersuchten Ländern. Der Mangel
an Einfluss bezieht sich sowohl auf externe als auch auf interne Faktoren. Wie aus den Berichten
des     internationalen    Gewerkschaftsbundes      ITUC      und    anderer    Quellen     über
Gewerkschaftsrechtsverletzungen hervorgeht, werden grundlegende Gewerkschaftsrechte wie
die Vereinigungsfreiheit nicht in vollem Umfang respektiert. Die schwache Verhandlungsmacht
weist aber auch auf Herausforderungen innerhalb der Arbeiter.innenbewegung hin. Den
Gewerkschaftslandschaften fehlt es an Einheit, während die Arbeitgeber.innen meist in einer
einzigen Organisation organisiert und politisch sehr gut vernetzt sind. Die fragmentierten
Bewegungen mit extrem niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsraten behindern einen
gemeinsamen, professionellen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und menschenwürdige
Bezahlung, sowohl auf nationaler als auch auf Fabrikebene. Wie jüngste Untersuchungen zei-
gen, sind starke und geeinte Gewerkschaften entscheidend für bessere Arbeitsbedingungen und
menschenwürdige Löhne. In Betrieben mit vereinter Arbeiter.innenschaft sind diese wesentlich
höher. Daher müssen die Gewerkschaften ihre Arbeit weiter professionalisieren, in Einheit
gegenüber Arbeitgeber.innen und Regierungen agieren und mehr Mitglieder anziehen, um ihre
Verhandlungsmacht in Mindestlohnkomitees, auf betrieblicher und sektoraler Ebene zu stärken.
(Müller & Bauer, 2015b)

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Zusammenfassung

Der Bekleidungssektor beschäftigt einen bemerkenswert hohen Anteil an weiblichen
Beschäftigten (60 bis 90 Prozent). Die meisten sind eher jung, haben ein niedriges Bildungsni-
veau, stammen ursprünglich aus ländlichen Gebieten und ziehen in die Städte um, um ihren im
allgemeinen armen Familien einen Lebensunterhalt zu sichern. Sowohl in Bangladesch, als auch
in Äthiopien und Myanmar ist die gesellschaftliche Position von Frauen schwach. Dennoch gibt
es Unterschiede, die sich teilweise aus Abbildungen 2 und 3 ablesen lassen. Der Gender Gap
Score beschreibt die (Un-)Gleichheit von Frauen und Männern hinsichtlich verschiedener Krite-
rien auf statistische Art und Weise.

Abbildung 2: Gender Gap Score für Bangladesch (oben), Äthiopien (M itte) und
M yanm ar (unten) in Bezug zum internationalen Durchschnitt (AVG, gestrichelte
Linie) (World Economic Forum, 2017)

Abbildung 3: Zusam m ensetzung der Gender Gap Scores für Bangladesch (links),
Äthiopien (M itte) und M yanm ar (rechts) in Bezug zum internationalen Durch-
schnitt (World Economic Forum, 2017)

Bangladesch hat den geringsten Gender Gap Score, der sogar oberhalb des globalen Durch-
schnitts liegt. Im internationalen Ranking liegt es auf Platz 47, Myanmar auf Platz 83 und Äthio-
pien auf Platz 115. In die Berechnung der Gender Gap Scores gehen vier Dimensionen ein: Wirt-
schaft, Politik, Bildung und Gesundheit. Die politische Dimension für Bangladesch sticht positiv
hervor, bei der wirtschaftlichen Dimension ist es schwach. Äthiopien bei der Gesundheit im
durchschnittlichen Bereich, bei den anderen Dimensionen darunter. Myanmar ist in der
wirtschaftlichen Dimension überdurchschnittlich gut, der Gender Gap bei der politischen
Dimension ist auffällig groß.
Während es eine positive Entwicklung ist, dass die Beschäftigung in der formellen

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Zusammenfassung

Bekleidungsindustrie ein "Weg aus der Armut" und eine Chance für Frauen auf dem Arbeitsmarkt
sein kann, nutzt die Industrie diese Frauen, die nach einem besseren Leben streben, aus. In der
Bekleidungsindustrie werden Frauen im Vergleich zu Männern schlechter bezahlt, sie werden
seltener befördert, und häufig werden jegliche Formen von Mutterschutz und Schutz vor
sexueller Belästigung oder anderen Formen der Ausbeutung am Arbeitsplatz verhindert. (Müller
& Bauer, 2015b) Die Regierungen müssen das Kernübereinkommen 111 der ILO durchsetzen,
das jede Form von Diskriminierung verbietet, die auf dem Geschlecht der Arbeitnehmer.innen
beruht und ein Arbeitsumfeld ohne jegliche Ausbeutung gewährleisten. Die Gewerkschaften
müssen sich in dieser Hinsicht ebenfalls reformieren und eine angemessenere Vertretung
anstreben. Während die Mehrheit der Gewerkschaftsführer.innen männlich ist, sind die Mehrheit
ihrer Mitglieder Frauen. Darüber hinaus muss jede langfristige Strategie zur Beendigung der
Ausbeutung von Frauen darauf ausgerichtet sein, ihren Zugang zu Bildung zu verbessern und
Arbeitsplätze zu schaffen, die über gering qualifizierte und schlecht bezahlte Arbeitsplätze
hinausgehen. (Müller & Bauer, 2015b)
Bangladesch als (Billig-)Standort der globalen Bekleidungsindustrie ist seit vielen Jahren etab-
liert, die Industrie vor allem durch die Rahmenbedingungen des Multi-Faser-Abkommens
gewachsen. Heute ist Bangladesch weltweit der zweit wichtigste Exporteur von Bekleidung und
die Industrie ist für die Wirtschaft des Landes und für rund 20 Mio. Menschen eine wichtige
Einnahmequelle. Die nationale Politik ist eng mit der Bekleidungsindustrie verstrickt und gilt als
Arbeitgeber.innen-nah. Die letzten Fabrik-Unfälle und ganz besonders die Rana Plaza Katastro-
phe 2013 haben auf deutlichste gezeigt unter welchen unmenschlichen und untragbaren
Bedingungen in Bangladesch Kleidung vor allem für westliche Konsument.innen produziert
wird. Seitdem hat sich ein „window of opportunity“ aufgetan, was vor allem durch das Accord
Abkommen und Änderungen im Arbeitsrecht genutzt wurde. Es ist allerdings evident, dass
weiterhin auf rechtlicher Ebene Defizite vorliegen und die Durchsetzung des Arbeitsrechts
mangelhaft ist. So haben sich zwar in allen Bereichen Verbesserungen ergeben, die Situation
bleibt jedoch hinsichtlich der Durchsetzung der Kernarbeitsnormen und wichtiger Sozialstan-
dards mangelhaft, die soziale und Arbeits-Situation der Arbeiterinnen ist weiterhin prekär.
Bangladesch ist über verschiedene Handelsabkommen an die Implementierung und Sicherung
der genannten Standards gebunden. Positiv und als Chance hervorzuheben ist die relative
zivilgesellschaftliche Freiheit in Bangladesch und die internationale gewerkschaftliche und
zivilgesellschaftliche Vernetzung zur Situation der Arbeiter.innen in der Bekleidungsindustrie. So
bestehen Potenziale für gewerkschaftliches Agieren, die hoffentlich ab 2018 durch das neue
Accord-Abkommen noch gestärkt werden. So können weiterhin Öffentlichkeit geschaffen und
Druck auf Unternehmen und Politik aufgebaut werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dies
neben der Organisierung der Arbeiter.innen wesentliche Bedingungen für langfristige
Verbesserungen für die Arbeiter.innen sind.
Äthiopien als noch relativ neuer und kleiner Standort der Bekleidungsindustrie ist geprägt von
staatlicher Industriepolitik die mit umfangreichen Mitteln den Aufbau der Bekleidungsindustrie
im Land fördert und diese als Wachstumsmotor versteht. Die Arbeitsbedingungen sind von ext-
rem geringen Löhnen und das Fehlen eines Mindestlohns geprägt. Durch den engen regulatori-
schen Rahmen und eine vergleichsweise starke Durchsetzung von Recht und Gesetz scheinen
weniger Arbeitsrechtsverstöße vorzuliegen, als in Bangladesch und Myanmar. Als zentraler
Risikofaktor ist das repressive Umfeld für Gewerkschaften und Zivilgesellschaft sowie die ge-
ringe Transparenz hinsichtlich der Situation in der Bekleidungsindustrie des Landes anzusehen.
So steht die Arbeiter.innenbewegung hier vor besonders großen Schwierigkeiten, Missstände
publik zu machen und die Situation für die Arbeiter.innen zu verbessern.

                                                9
Zusammenfassung

Myanmar ist nach einer langen Phase internationaler Abschottung und repressiver Regimes auf
dem Weg zu stärkerer internationaler Integration und in Mitten eines demokratischen
Transformationsprozesses. Dennoch sind die zivilgesellschaftlichen Akteure noch relativ
schwach, die Rechtsstaatlichkeit und Gewerkschaftsbewegung in ihren Kinderschuhen. Die
langjährige Praxis der Zwangsarbeit ist nicht komplett überwunden. Gleichzeitig setzt die Regie-
rung auf ausländische Direktinvestitionen und eine rapide exportorientierte Wirtschaftsentwick-
lung. Vor diesem Hintergrund ist es als großer Erfolg zu verzeichnen, dass der zuletzt festge-
setzte Mindestlohn näher an der gewerkschaftlichen Forderung als am Vorschlag der Arbeitge-
ber.innenseite festgelegt wurde. In Bangladesch lag der letzte festgesetzte Mindestlohn wesent-
lich näher an der Arbeitgeber.innenforderung als an der der Gewerkschaften. Eine Chance für
Myanmar       ist   das    große    internationale   Interesse    sowie    die   Präsenz    von
Multistakeholderinitiativen wie der FWF, die dazu führen, dass viele detaillierte und kritische
Studien zur Situation der Arbeiter.innen in der Bekleidungsindustrie vorliegen. So besteht ein
relativ guter Ausgangspunkt für internationale Initiativen und gewerkschaftliche Aktivitäten hin
zu besseren Arbeitsbedingungen.
Neben den ILO-Kernarbeitsnormen und den UN-Prinzipien werden auch über unterschiedliche
Handelsabkommen, Sozialstandards für Arbeiter.innen festgelegt. Sie werden beispielsweise von
der EU und den USA, aber auch von Australien, Kanada, Island, Japan, Kasachstan, Neuseeland,
Norwegen, Russland, Schweiz, Türkei gewährt. Ziel dieser Abkommen ist, die am wenigsten
entwickelten Länder (LDCs) stärker in die Weltwirtschaft zu integrieren und somit zur
Armutsreduzierung beizutragen sowie die Förderung von nachhaltiger Entwicklung und Good
Governance. Handelsverträge haben jedoch nicht per se positive Auswirkungen auf die
Beschäftigten, sondern erstmal nur für die Wirtschaft. Nur wenn Sozialklauseln in die Abkom-
men integriert sind und diese auch überwacht und implementiert werden, können die
Beschäftigten davon profitieren. Dafür sind politischer Wille und eine Stärke
Gewerkschaftsbewegung notwendig. Der Fall Bangladesch illustriert eindeutig diese Potenziale,
aber auch die Fallstricke bei der Umsetzung.

                                              10
Methodik und Lesehinweise

                                               Methodik und
                                               Lesehinweise
Für diese Analyse wurden Studien und Publikationen zur Bekleidungsindustrie in Bangladesch
und Äthiopien und Myanmar gesichtet und ausgewertet. Ausgangspunkt waren dabei von FEM-
NET e.V. zur Verfügung gestellte Veröffentlichungen und Kontakte. Dabei wurde nach dem
Schneeballprinzip vorgegangen, d.h. jeweils aus in den Quellen und Verweisen der einzelnen
Publikationen recherchiert. Schwerpunkt waren dabei Fachpublikationen aus den letzten fünf
Jahren zu den Arbeitsbedingungen. Sofern möglich, wurde auf Arbeitnehmer.innen-nahe
Herausgeber.innen, wie Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen NGOs zurückgegrif-
fen. Ergänzend wurden auch Publikationen aus dem Bereich Wirtschafts- und
Außenhandelsförderung sowie allgemeine Medienberichterstattung einbezogen. Sofern mög-
lich wurde zudem auf Informationen aus persönlichen Gesprächen mit Fachkräften
zurückgegriffen. Es muss jedoch darauf hingewiesen, dass dies im Rahmen einer Desk-Study
nur eingeschränkt möglich ist. Die Recherche erfolgte vom 1.12 bis 15.12.2017.
Es wurde Wert darauf gelegt, die Darstellung der drei Länderbeispiele vergleichbar zu gestalten.
So gibt es für jedes Land
   •   eine kurze Einführung (Kapitel 1),
   •   eine Darstellung relevanter Hintergrundaspekte wie beispielsweise Wirtschaft, Demokra-
       tie und Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche
       Organisationen, Situation der Frauen (Kapitel 2),
   •   einen Überblick über die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen (Kapitel 3),
   •   einen Überblick über die Bekleidungsindustrie (Kapitel 4),
   •   sowie eine Darstellung der Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie (Kapitel 5).
Im Falle von Äthiopien sind die Informationen zu den Arbeitsbedingungen in der
Bekleidungsindustrie sehr lückenhaft, sodass hier eine Annäherung über die allgemeinen
Arbeitsbedingungen und die Durchsetzung des Arbeitsrechts (Kapitel 4) erfolgt und anschlie-
ßend die Bekleidungsindustrie (Kapitel 5) und die spezifischen Informationen Arbeitsbedingun-
gen und Umsetzung von Rechten (Kapitel 6) vorgestellt werden.
Für jedes Land gibt es ein Zwischenfazit. Das Thema Auswirkungen von Handelsverträgen auf
die Arbeitsbedingungen von Frauen wird im Anschluss als gesonderter Aspekt dargelegt. Im An-
schluss an das Gesamtfazit finden sich Portraits von Arbeiterinnen aus Äthiopien und Myanmar
sowie die Literaturverweise.
Im gesamten Dokument wird der Gender-Punkt (z.B. „Arbeiter.innen“ für „Arbeiterinnen und
Arbeiter“) verwendet. Dieser soll ein Mittel der sprachlichen Darstellung aller sozialen
Geschlechter und Geschlechtsidentitäten sein und explizit Frauen, Männer und alle anderen
Geschlechtsidentitäten mitzudenken. Findet sich eine weibliche Schreibweise ohne Punkt, ist
explizit nur von weiblichen Personen die Rede.

                                               11
Bangladesch

                                                   Bangladesch
1. Eine kurze Einführung
Die Volksrepublik Bangladesch ist eine Parlamentsdemokratie mit reinem Mehrheitswahlrecht.
Die Landesfläche beträgt 148 km2. Bangladesch hat 163,4 Mio. Einwohner.innen und das jährli-
che Bevölkerungswachstum liegt bei ca. 1,2%. Mit einer Bevölkerungsdichte von über 1.100
Personen pro km2 ist Bangladesch der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt. Das
Bruttoinlandsprodukt liegt bei 195 Mrd. US-Dollar, das Pro-Kopf-Einkommen bei 1.200 US-Dol-
lar pro Jahr. Die Industrie hat einen Anteil von 28% am Bruttoinlandsprodukt. Zu den wichtigs-
ten Branchen gehören Textilien und Bekleidung, Pharma, Schiffbau und Elektronik. Die
wichtigsten Importprodukte sind Baumwolle, Maschinen und Ausrüstung, Chemikalien, Eisen
und Stahl und Lebensmittel. Kleidungsstücke, Strickwaren, landwirtschaftliche Produkte, Fisch,
Jute und Jute-Waren und Leder sind die führenden Exportgüter des Landes. Ready Made
Garments (industriell hergestellte Massen-Konfektionskleidung, RMG) sind das dominierende
Exportprodukt und machen rund 80% der Gesamtexporteinnahmen aus. (FWF, 2016; Auswärti-
ges Amt, 2017; GTAI, 2017b)
Bangladesch wird von der Weltbank seit 2014 als Land mit einem mittleren
Durchschnittseinkommen im unteren Bereich (lower middle income country) eingestuft. Vorher
hatte es den Status eines Landes mit geringem Einkommen (low income country). In den letzten
zehn Jahren ist sein BIP jährlich um mehr als 6% gestiegen. Eine große junge Bevölkerung und
niedrige Produktionskosten ermöglichen Bangladesch Wachstumschancen in kostengünstigen
Produktionssektoren wie Textilien und Bekleidung. Der Mangel an angemessener Infrastruktur,
Korruption und Bürokratie beeinträchtigt weiterhin die globale Wettbewerbsfähigkeit Bangla-
deschs. (FWF, 2016; GTAI, 2017b; The World Bank, 2017)
Bangladesch belegt im Human Development Index Platz 139 von 188 Ländern. Im UNDP-Gen-
der-Ungleichheits-Ranking erreicht Bangladesch den Wert 0,520 (Platz 119, Äthiopien 0,499
und Platz 116, Myanmar 0,374 und Platz 80). Es hat eine schlechte Qualität der öffentlichen
Verwaltung (3 auf einer Skala von 1 bis 6) und eine noch schlechtere Leistung in Bezug auf
Transparenz, Rechenschaftspflicht und Korruption in der öffentlichen Verwaltung (2,5 auf einer
Skala von 1 bis 6). Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency Internation erreicht
Bangladesch Platz 147 von 176 (Äthiopien Platz 108, Myanmar Platz 136). Die Indikatoren für
politische Stabilität und Abwesenheit von Gewalt, Regierungswirksamkeit und Rechtsstaatlich-
keit sind zuletzt niedriger geworden und weisen auf eine Verschlechterung der Bedingungen in
diesen Bereichen hin. Bei Wahlen kommt es zu erheblichen Unregelmäßigkeiten, und es gibt
Anzeichen dafür, dass Medien und Justiz nicht immer unabhängig sind. (FWF, 2016; UNDP,
2016; Transparency International, 2017)
Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die Armut gemes-
sen an der internationalen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar pro Person und Tag ist von 44,2%
(1991) auf 12,9% (2016) gefallen. Jedoch lebt der Großteil der Bevölkerung nur sehr knapp ober-
halb dieser Grenze und fast die Hälfte der Bevölkerung leidet unter multidimensionaler Armut
mit Einschränkungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und anderen Lebensbedingungen.
(FWF, 2016; LO/FTF, 2016; The World Bank, 2017)

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Bangladesch

2. Hintergründe
2.1 Wirtschaft
Bangladesch gehört nach Ansicht des IWF zur Gruppe "Frontier and Developing Asia", also zu
den nächsten Wachstumsmärkten. Das Land liegt in vielen internationalen Rankings derzeit
noch weit hinten, aber die Arbeitsbedingungen verbessern sich und Entwicklungskredite fließen
in die Infrastruktur. Deutsche Exporte wachsen ausgehend von einem geringen Niveau stetig.
Das Land erlebte in den letzten zwei Jahrzehnten ein hohes Wirtschaftswachstum. Die realen
Zunahmen des Bruttoinlandsproduktes lagen zuletzt zwischen 6,0 und 6,6%. Der IWF stuft die
Performance als solide ein und rechnet damit, dass die Raten leicht zulegen werden. Für 2017
sagt er ein Wachstum des BIP von 6,9% voraus. Aktuell hat Bangladesch ca. 72 Millionen
Arbeitskräfte. Jährlich kommen etwa 2 Mio. dazu. Im Jahr 2013 waren 87% der Erwerbstätigen
im informellen Sektor tätig. Der Anstieg der formellen Beschäftigung und der Anzahl der
Lohnempfänger.innen hat zu einem Rückgang der Armut geführt. Die Beschäftigungsquote des
Landes ist höher als im Südasiatischen Durchschnitt, insbesondere bei Frauen. Dennoch wird
die Arbeitswelt von Männern dominiert. Da der Arbeitsmarkt nicht genügend menschenwürdige
Arbeitsplätze bietet, suchen aber auch viele Arbeitnehmer.innen nach Möglichkeiten in anderen
Ländern. Rücküberweisungen stellen einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. (GTAI, 2016;
LO/FTF, 2016; Hossain et al., 2017)
Die internationalen wirtschaftlichen Verflechtungen Bangladeschs nehmen zu. Dies zeigt sich in
zunehmenden Einfuhren und Ausfuhren. So liegen die Wachstumsraten des Außenhandels in
den letzten vier Jahren zwischen 3% und 12%. Die Wachstumsraten des Außenhandels mit der
EU liegen mit Werten zwischen 6,6% und 26,4% noch deutlich darüber. Hauptlieferländer für
Bangladesch sind China, Indien und in kleinerem Umfang andere Südost- und Ostasiatische
Länder. Weitere Importe kommen aus den USA und aus Brasilien. Hauptabnehmerländer sind
die USA , Deutschland, Großbritannien, Frankreich, weitere EU-Länder, Kanada und China. Bei
den Einfuhrgütern nach Deutschland machten Textilien und Bekleidung im vergangenen Jahr
den Großteil (94,6%) aus. Weitere Einfuhrgüter waren Schuhe, Nahrungsmittel, Handtaschen
und Reiseartikel. Die wichtigsten Ausfuhrgüter aus Deutschland waren Maschinen, Elektrotech-
nik, Mess- und Regeltechnik und Industriechemikalien. (GTAI, 2016; GTAI, 2017b)
In den letzten Jahren gewinnt China als Handelspartner für Bangladesch Bedeutung und enga-
giert sich bei Infrastruktur-Großprojekten. Dazu gehören z.B. der Bau von Brücken, Hafenanla-
gen und Kraftwerken. (GTAI, 2017a)

2.2 Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Im Demokratie-Index des Economist Intelligence Units erreicht Bangladesch einen Wert von
5,7, der in den letzten Jahren nur äußerst geringfügigen Veränderungen unterlag. Damit wird es
als hybrides Regime und somit noch nicht als autoritär, aber auch nicht mehr als mangelhaft
demokratisch eingestuft. Der Gesetzesrahmen ist an vielen Stellen verbesserungswürdig und die
Durchsetzung der Einhaltung von Gesetzen ist allgemein eine große Herausforderung. Dies liegt
vor allem an der schwachen Gerichtsbarkeit, einem unzureichend funktionierenden
Parlamentarismus sowie weit verbreiteten Formen von Korruption und Klientelismus. Zudem
kennt ein Großteil der Bevölkerung seine Rechte nicht und ist nicht befähigt, diese einzufordern.
ITUC stuft Bangladesch als ein Land ein, in dem die Rechte der Arbeiter.innen nicht garantiert
sind. Bei dieser Bewertung geht es sowohl um die nationale Rechtslage als auch um die
Durchsetzung von nationalem und internationalem Recht und Gesetz. (HRW, 2015; EIU, 2017;
ITUC, 2017; Netz Bangladesch, o.A.)

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Bangladesch

Sowohl die USA als auch die EU haben ihre Besorgnis über das anhaltende Versagen der Regie-
rung zum Schutz der Arbeitnehmer.innen-Rechte zum Ausdruck gebracht Die schlechten und
missbräuchlichen Arbeitsbedingungen in den Bekleidungsfabriken Bangladeschs sind u.a. das
Produkt anhaltender Unfähigkeit der Regierung, um Arbeitnehmer.innen-Rechte durchzuset-
zen, Verstöße zur Rechenschaft zu ziehen und sicherzustellen, dass betroffene Arbeitneh-
mer.innen Zugang zu angemessenen Abhilfemaßnahmen haben. Während die Regierung von
Bangladesch seit der Tragödie von Rana Plaza Schritte unternommen hat, um die Überwachung
von Fabriken und die Durchsetzung des Gesetzes zu stärken, trägt sie die Verantwortung dafür,
dass sie im Laufe der Jahre die Arbeitsrechte nicht durchgesetzt hat. Aktivist.innen in Bangla-
desch gehen noch weiter und beschuldigen das Department of Labour (DoL) der
Voreingenommenheit zugunsten der Fabrikbesitzer.innen, die oft auch starke politische
Verbindungen haben, und sagen, dass einige Mitarbeiter.innen des DoL korrupt seien. (HRW,
2015)

2.3 Menschenrechte
Grundlegende Menschenrechte und deren Sicherung finden in der Landesverfassung von
Bangladesch Erwähnung. Zudem hat Bangladesch die internationalen Menschenrechtspakte
ratifiziert. In der Realität werden die Rechte verschiedener Bevölkerungsgruppen jedoch
regelmäßig verletzt. Davon betroffen sind u.a. Frauen und verschiedene Minderheiten. In seinem
Menschenrechtsbericht von 2013 über Bangladesch stellte das US-Außenministerium fest, dass
Ressourcen auf Ebene der Ministerien nicht ausreichen, um Probleme effektiv zu untersuchen
und zu beheben. Strafen für Verstöße gegen das Gesetz reichten nicht aus, um Verstöße zu
verhindern. Administrative und gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren waren mit großen
Verzögerungen verbunden. (HRW, 2015; Netz Bangladesch, o.A.)

2.4 Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen
Die Regierung von Bangladesch hat die drei wichtigsten ILO-Übereinkommen zum sozialen
Dialog ratifiziert und seit 1990 (mit Ausnahme des Zeitraums von Januar 2007 bis Dezember
2008) haben Arbeitnehmer.innen die Freiheit, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutre-
ten. Die Verabschiedung des Arbeitsgesetzes 2006 und nachfolgende Änderungen im Jahr 2013
sind die wichtigsten rechtlichen Entwicklungen in dieser Hinsicht. Seitdem wurden viele neue
Gewerkschaften gegründet, vor allem im RMG-Sektor. So wurde beispielsweise im Jahr 2012
nur eine Betriebsgewerkschaft neu registriert, im Jahr 2013 waren es 94. Die gewerkschaftliche
Struktur ist mit mittlerweile mehr als 7.000 registrierten Gewerkschaften (die meisten davon auf
Betriebsebene) jedoch fragmentiert. Während die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in absolu-
ten Zahlen auf 2,3 Millionen gestiegen ist, bleibt sie relativ gesehen niedrig (für die Jahre 2010
bis 2015 werden unterschiedliche Werte zwischen 3% und 7% angegeben aus denen kein
eindeutiger Trend nach oben abzulesen ist). Geringe Mitgliederzahlen, fehlende Anerkennung
und Fragmentierung halten die Gewerkschaftsbewegung relativ schwach, insbesondere nach
einer Zeit, in der die gewerkschaftliche Organisierung verboten war. (Burckhardt, 2014; HRW,
2015; WF, 2016; FWF, 2017)
Der internationale Gewerkschaftsbund (International Trade Union Confederation, ITUC) hat fol-
gende Mitglieder aus Bangladesch: Bangladesh Free Trade Union Congress (BFTUC), Bangla-
desh Jatyatabadi Sramik Dal (BJSD), Bangladesh Labour Federation (BLF), Bangladesh Mukto
Sramik Federation (BMSF), Bangladesh Sanjukta Sramik Federation (BSSF) und Jatio Sramik Lea-
gue (JSL). (ITUC, 2017)
Politische Parteien sind eng in einige der nationalen Gewerkschaftsverbände eingebunden und
versuchen Einfluss zu nehmen. Die Gewerkschaften auf Fabrikebene stehen jedoch scheinbar

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Bangladesch

nicht im Einflussbereich der Parteien, obwohl sie Unterstützung von nationalen
Gewerkschaftsverbänden erhalten. Stattdessen werden Gewerkschaftsmitgliedern eher
Bestechungsgelder oder Beförderungen für den Austritt aus der Gewerkschaft von den Mana-
ger.innen angeboten. Im Gegensatz dazu sind mehrere Fabrikbesitzer.innen prominente
Mitglieder oder Geldgeber.innen der politischen Parteien. (HRW, 2015)
In Bangladesch sind rund 2.500 NGOs registriert. Viele davon setzen sich für Belange der Arbei-
ter.innen ein oder verstehen sich als Teil der Gewerkschaftsbewegung. Die Gewerkschaften und
NGOs werden von Sicherheitsbehörden und Geheimdienst beobachtet und eingeschüchtert
und stehen unter ständigen Druck von Regierung und Arbeitgeber.innen. (Akter, 2017; Bangla-
desh NGO Affairs Bureau, 2017)

2.5 Staatliche Institutionen
Das Ministerium für Arbeit und Beschäftigung hat das Ziel durch die Schaffung von Arbeitsplät-
zen und Qualifizierung, die Armut zu reduzieren und die Produktivität der Fabriken durch die
Schaffung eines guten sozialen Dialogs zu steigern. Außerdem ist es für die Umsetzung von
Arbeitsgesetzen, die Festsetzung von Mindestlöhnen und die Gewährleistung der
Arbeitsgerichtbarkeit zuständig. (FWF, 2016)
Das Department of Labour (DoL) schreibt sich auf die Fahnen, effektive arbeitsrechtliche
Beziehungen und Tarifverhandlungen zu ermöglichen und eine schnelle und effiziente Beile-
gung von Arbeitskonflikten in den Industriesektoren des Landes sicherzustellen. Es ist für den
Umgang mit Gewerkschaften verantwortlich, wird jedoch durch einen Mangel an politischem
Willen, Kapazität und Durchsetzungskraft behindert. Das DoL registriert Gewerkschaften und
kann unlautere Arbeitspraktiken untersuchen, wie die Belästigung von Gewerkschaftsfunktio-
när.innen und Mitgliedern. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Bestimmungen oder Verfahren, die
vom DoL verlangen, Vorwürfen unfairer Arbeitspraktiken nachzugehen. Die Nachverfolgung von
Beschwerden liegt vollständig im Ermessen des DoL. (HRW, 2015; FWF, 2016)
Eine zweite Abteilung, die Inspektionsdirektion für Fabriken und Betriebe (DIFE), ist für die
Durchsetzung der Arbeitsgesetze des Landes, die Überwachung der Sicherheit am Arbeitsplatz
und der Einhaltung der Vorschriften zuständig. Die Regierung hat diese Abteilung seit der
Katastrophe von Rana Plaza verstärkt. Während das DIFE früher nur 76 Fabrikinspektor.innen
hatte, hat die Regierung seither die Zahl auf 575 erhöht. Die ILO hilft bei der Ausbildung neuer
Inspektor.innen. (HRW, 2015; FWF, 2016)
Das Labor Appellate Tribunal und die Arbeitsgerichte befassen sich mit arbeitsbezogenen Fällen
gemäß dem Bangladesh Labour Act. (FWF, 2016)
Das Bangladesh Minimum Wages Board wurde 1959 gegründet. Der Mindestlohnausschuss ist
die einzige gesetzliche Institution in Bangladesch, die Löhne festlegt. (FWF, 2016)
Das Handelsministerium ist für die gesamten Handels- und handelsbezogenen Aktivitäten
verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehören die Festlegung von Exportzielen und die Überwa-
chung von Leistung und Compliance. Die Textilabteilung des Ministeriums entwickelte Strate-
gien, um den Herausforderungen der Textilindustrie nach dem Ende des Multi-Faser-Abkom-
mens (MFA) zu begegnen. Es bietet politische Unterstützung bei der Erleichterung und
Verbesserung von RMG-Exporten und überwacht und bewertet RMG-bezogene Exporteinnah-
men. (FWF, 2016)
Unter dem Handelsministerium ist das Export Promotion Bureau die Regierungsbehörde, die mit
Exportförderung betraut ist. Die Textilabteilung ist die wichtigste, da sie den RMG-Export för-
dert. Das Handelsministerium stellt auch Zertifikate für das Allgemeine Präferenzsystem (GSP)

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und andere Zeugnisse und Zertifikate für den Export von RMG-Produkten aus. (FWF, 2016)
Das Ministerium für Industrie ist verantwortlich für die Entwicklung neuer Politiken und Strate-
gien für die Förderung, Erweiterung und nachhaltige Entwicklung des industriellen Sektors des
Landes. (FWF, 2016)

2.6 Weitere Stakeholder
Die Bangladesh Employers' Federation ist in allen nationalen Gremien und Ausschüssen in Be-
zug auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber.innen und Arbeitnehmer.innen vertreten. Der
Verband wird auch aufgefordert, Vertreter.innen zu internationalen Konferenzen u.ä. zu entsen-
den, die von der ILO organisiert werden. (FWF, 2016)
Der Unternehmer.innen- bzw. Arbeitgeber.innen-Verband Bangladesch Garment Manufacturers
and Exporters Association (BGMEA) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bekleidungsindustrie
zu fördern, indem er sich bei der Regierung für die Interessen der Branche einsetzt und
Dienstleistungen für die Mitglieder erbringt. Seine Aufgabe ist es, die Interessen der Industrie zu
schützen und zu fördern. Offiziell verpflichtet er sich zudem, die Rechte von Textilarbeiter.innen
zu sichern. (FWF, 2016; BGMEA, 2018)
Die Bangladesh Knitwear Manufacturers and Exporters Association (BKMEA) ist der einzige
Vertreter des Strickwarensektors von Bangladesch in der Apex Trade Body. Die BKMEA wurde
als Handelsverband gegründet, um das Strickwarengeschäft zu erleichtern und zu fördern.
(FWF, 2016)

2.7 Arbeitgeber.innen-Arbeitnehmer.innen-Beziehungen
Das System der Arbeitsbeziehungen in Bangladesch ist durch die vorherrschende Rolle der
Regierung gekennzeichnet. Der Staat fungiert sowohl als Planer als auch als Verwalter im Sys-
tem der Arbeitsbeziehungen und staatliche Eingriffe in Gewerkschaftsbelange sind üblich. Die
Regierung spielt auch eine starke Rolle in verschiedenen tripartiten Gremien. Der Erfolg oder
Misserfolg tripartiter Konsultationen oder Verhandlungen hängt weitgehend davon ab, ob die
Regierung auf die Forderungen und Bestrebungen von Arbeitgeber.innen und Arbeitneh-
mer.innen reagiert. (FWF, 2016)
Wenn es Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer.innen und Arbeitgeber.innen oder Verstöße ge-
gen das Arbeitsgesetz gibt, legt das Gesetz fest, dass der Fall vor einem Arbeitsgericht verhan-
delt werden sollte. Dies umfasst eine.n Richter.in, eine.n Vertreter.in des/der Arbeitgeber.in und
eine.n Vertreter.in des/der Arbeitnehmer.in. Aber die Arbeitsgerichte haben den Ruf, langsam
und ineffektiv zu sein. (HRW, 2015)
Die Bewegung der RMG-Arbeiter.innen zur Organisierung von Gewerkschaften wurde durch
administrative und politische Interventionen und heftigen Widerstand der Fabrikbesitzer.innen
unterdrückt. Ein nationales tripartites Abkommen zwischen der Regierung, der BGMEA und den
Organisationen, die Textilarbeiter.innen vertreten, wurde 2006 abgeschlossen. Das nationale
tripartite Memorandum of Understanding wird als Meilenstein für die Lösung von Arbeitneh-
mer.innenfragen angesehen. Die meisten Forderungen wurden später in den Bangladesh La-
bour Act von 2006 aufgenommen. Die Arbeitsbeziehungen in der RMG-Branche wurden in
letzter Zeit neu gestaltet. Große Industriekatastrophen wie Tazreen und Rana Plaza brachten
neue Akteure und erweiterten die Rolle der bestehenden Akteure. Auch in Folge massiven politi-
schen Drucks der USA wurde 2013 das Arbeitsgesetz (Labour Act von 2006) geändert, um unter
anderem die Bildung von Gewerkschaften zu erleichtern. Folglich verzeichnete der RMG-Sektor
ein starkes Wachstum der Gewerkschaften. (Burckhardt, 2014; FWF, 2016)

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2.8 Ungleichheit der Geschlechter, Frauen in Wirtschaft, Gesellschaft
und der Arbeitswelt
Bangladeschs internationale Verpflichtungen im Rahmen verschiedener Übereinkommen
(Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, ICCPR; Internationaler Pakt über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, ICESCR; Internationales Übereinkommens zur
Beseitigung der Diskriminierung der Frau, CEDAW; ILO-Konvention Nr. 111 über Diskriminierung
in Beschäftigung und Beruf) umfassen die Förderung der Gleichstellung am Arbeitsplatz und das
Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Schwangerschaft. Frauen haben
ein Recht auf einen Arbeitsplatz ohne sexuelle Belästigung und Bangladesch ist als Vertragsstaat
verpflichtet, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und den Zugang zu Rechtshilfe
sicherzustellen. Frauen haben Anspruch auf besonderen Schutz während der Schwangerschaft,
um      gesundheitsschädliche      Tätigkeiten    zu    vermeiden.    Der     Schutz      gegen
Schwangerschaftsdiskriminierung umfasst, ist aber nicht beschränkt auf Entlassung. (HRW,
2015)
Bangladesch ist seit den 1990er Jahren als ein Erfolgsbeispiel bei der Förderung der
Gleichberechtigung der Geschlechter bekannt geworden. Bei einer Reihe von sozialen und
wirtschaftlichen Indikatoren sind deutliche Verbesserungen für die Frauen zu verzeichnen, so
zum Beispiel bei der Lebenserwartung, bei der Mütter-Gesundheit, bei der Fertilität, bei der
Einschulung und der Alphabetisierung. Dennoch bleiben die derzeitigen Bedingungen und der
Status von Frauen und Mädchen in Bangladesch nach objektiven Maßstäben weiterhin schwach.
Rasche Fortschritte sind unter den Bedingungen von Massenarmut und ineinandergreifenden
Formen sozialer Benachteiligung, politischer Instabilität und Unterentwicklung, die mit
hartnäckigen "klassischen" Formen des Patriarchats überlagert sind, entstanden. Die
Massenbeschäftigung von Frauen und Mädchen in RMG-Sektor ist seit der Einführung der spä-
ten 1970er Jahre eine der sichtbarsten und prominentesten Veränderungen im Leben von
Frauen. (Hossain, 2011)
Die auffälligsten Veränderungen wurden in Bezug auf die Bildung von Mädchen beobachtet.
Bangladesch hat die geschlechtsspezifische Lücke bei der Einschulung in die Grundschule bis
Ende der neunziger Jahre geschlossen. Auch die Muster der wirtschaftlichen Beteiligung von
Frauen haben sich schnell verändert. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist im Zeitraum 1984-
2000 schneller gestiegen als die der Männer, blieb jedoch insgesamt auf einem niedrigen Ni-
veau. Damit einher gingen gesellschaftliche Veränderungen. In einem nationalen Strategiepa-
pier zur Armutsbekämpfung der Regierung wurde festgestellt, dass "Frauen in Bangladesch
bedeutende Fortschritte gemacht haben und die soziale Einstellung zur wirtschaftlichen Teil-
habe von Frauen sich verändert hat". (Hossain, 2011)
Trotz Reallohn- und Einkommenszuwächsen für Frauen, sowohl bei denen, die es geschafft ha-
ben, bildungsmäßig zu Männern aufzuschließen als auch bei denen, die beispielsweise in der
Bekleidungsindustrie arbeiten, liegt der Gender-Pay-Gap bei 21%. Ein erheblicher Teil des ge-
schlechtsspezifischen Lohngefälles ist nach wie vor durch einfache Diskriminierung sowie durch
Segmentierung des Arbeitsmarktes bedingt, die dafür sorgt, dass Frauen von besser bezahlten
Berufen und Positionen ausgeschlossen werden. (Hossain, 2011)
Im Gegensatz zu ihren bemerkenswerten Zuwächsen in der menschlichen Entwicklung und den
neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten und trotz der Tatsache, dass die beiden führenden
Persönlichkeiten der nationalen Politik Frauen sind, haben die Frauen in Bangladesch im Hin-
blick auf ihre politische Partizipation insgesamt weit weniger gut abgeschnitten als Frauen in
Vergleichsländern. Im Hinblick auf den Zugang von Frauen zu Justiz und Sicherheit besteht die

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größte Sorge in der weit verbreiteten Gewalt gegen Frauen. (Hossain, 2011)
Arbeitnehmerinnen sind einer anhaltenden Diskriminierung ausgesetzt. Dies zeigt sich beispiels-
weise bei den Löhnen: diese waren 2013 für männliche Arbeiter um 42,5 Prozent höher als die
Löhne für Frauen in allen Gehaltsstufen. Außerdem werden Männer viel häufiger befördert.
(Maihack & Das, 2015)

3. Gesetzliche Rahmenbedingungen
Die gesetzlichen Grundlagen in Bangladesch entsprechen trotz der jüngsten Reformen in
wichtigen Punkten immer noch nicht den internationalen Standards. (HRW, 2015)
Bangladesch hat sieben von acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Dazu gehören
Übereinkommen 29 und 105 zur Abschaffung der Zwangsarbeit, Übereinkommen 87 und 98 zu
Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen, Übereinkommen 100 und 111 zu Diskriminie-
rung in Beschäftigung und Beruf und Gleichheit des Entgelts sowie Übereinkommen 182 zur
Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Bangladesch hat das ILO-Übereinkom-
men 138 zum Mindestalter für Beschäftigung nicht ratifiziert, ist aber ILO-Mitglied und somit
verpflichtet, alle acht Kernarbeitsnormen zu respektieren, zu fördern und umzusetzen.
Das Arbeitsgesetz von 2006 konsolidierte 25 Gesetze zu einem Arbeitsgesetzbuch. Es regelt
Arbeitsverhältnisse, Arbeitszeiten, Löhne, Gewerkschaften und Arbeitsbeziehungen. Es legt
Mutterschaftsleistungen, Entschädigungen für Verletzungen und Unfälle, Standards für
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und die Arbeitsaufsicht fest und verbietet Kinderarbeit.
Außerdem werden der Lohnausschuss, die Arbeitsgerichtbarkeit, der nationale Rat für Arbeits-
schutz und die Verfahren für Arbeitskämpfe, einschließlich Streiks geregelt. Als Reaktion auf die
Forderung nationaler Gewerkschaftsbewegungen sowie auf internationalen Druck nach Rana
Plaza änderte Bangladeschs Regierung im Juli 2013 das Arbeitsgesetz. Mehrere Bestimmungen
zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz wurden in das Gesetz aufgenommen. Es gab
auch einige Verbesserungen in Bezug auf die Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen. Der
Bangladesh Labour Act legt fest, dass eine formelle Beschäftigung in einem Betrieb eine recht-
lich verbindliche Beziehung darstellt. Das Gesetz verbietet die Anstellung von Arbeitneh-
mer.innen, ohne offizielles Dokument (appointment letter), und jede.r ernannt.e Arbeitneh-
mer.in muss einen Mitarbeiter.innen-Ausweis mit Foto erhalten. (FWF, 2016)

3.1 Zwangsarbeit
Zwangsarbeit ist in Bangladesch über die ratifizierten ILO-Konventionen und die Landesverfas-
sung verboten. Das Arbeitsrecht in Bangladesch sieht zudem vor, dass alle Arbeitnehmer.innen
ein Arbeitsverhältnis mit Fristen zwischen 14 und 60 Tagen kündigen können. (FWF, 2016;
LO/FTF, 2016)

3.2 Kinderarbeit
Bangladesch hat alle drei Übereinkommen zur Verhütung von Kinderarbeit ratifiziert, die UN-
Kinderrechtskonvention sowie die ILO-Übereinkommen 59 und 182. Darüber hinaus ermöglicht
die Verfassung von Bangladesch der Regierung, besondere Maßnahmen zugunsten von Kindern
zu ergreifen. (FWF, 2016)
Nach Angaben des US-Arbeitsministeriums arbeiten jedoch mehr als 10% der Kinder zwischen 5
und 14 Jahren. Die meisten von ihnen (45,5%) arbeiten in der Landwirtschaft, gefolgt vom
Dienstleistungssektor (36%) und der Industrie (18,5%). (FWF, 2016)

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Bangladesch

3.3 Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf
Zusätzlich zu den ILO-Konventionen 100 und 111 verbietet Abschnitt 195 des Bangladesh La-
bour Act, 2006 (geändert 2013) zahlreiche "unlautere Arbeitspraktiken". Zum Beispiel darf kein.e
Arbeitgeber.in eine.n Arbeitnehmer.in entlassen oder mit Entlassung drohen, weil er oder sie
eine Gewerkschaft gründen oder einer beitreten will oder andere Arbeiter.innen eben dazu
motivieren will. Darüber hinaus hat sich Bangladeschs im Rahmen verschiedener Übereinkom-
men zur Förderung der Gleichstellung am Arbeitsplatz und zum Verbot der Diskriminierung auf-
grund des Geschlechts oder der Schwangerschaft verpflichtet. Frauen haben ein Recht auf ei-
nen Arbeitsplatz ohne sexuelle Belästigung und Bangladesch ist als Vertragsstaat verpflichtet,
vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und den Zugang zu Rechtshilfe sicherzustellen. (HRW,
2015)

3.4 Arbeits- und Gesundheitsschutz
Mehrere ILO-Übereinkommen befassen sich mit der Sicherheit am Arbeitsplatz und besonderen
Anforderungen für Frauen und junge Menschen am Arbeitsplatz. Darüber hinaus erklärt das
ICESCR-Abkommen das Recht, "unter angemessenen und günstigen Bedingungen zu arbeiten".
Bangladesch hat diese Konventionen und Abkommen unterzeichnet und verpflichtet sich damit,
die Sicherheit am Arbeitsplatz und gesunde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Um dies zu
tun, verlangt das Arbeitsrecht von jedem/jeder Arbeitgeber.in, dass er/sie einem umfassenden
Regelwerk folgt. Es definiert die Anforderungen in Bezug auf bestimmte Aspekte der Sicherheit
und Gesundheit, einschließlich Sauberkeit, Luftzirkulation und Temperatur, Staub und Rauch,
Müllentsorgung, Befeuchtung, Überfüllung, Licht, Trinkwasser, Waschräumen, Sicherheit von
Gebäuden und Anlagen, Brandschutz, Sicherheitsbarrieren für Maschinen, Arbeiten an rotieren-
den Maschinen, Emission giftiger Gase, Erste-Hilfe, Kantinen, Ruheräumen, Kinderbetreuung,
Sicherheitsausschüssen, etc. (HRW, 2015; FWF, 2016)
Nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes wurde das Abkommen über Brand- und
Gebäudesicherheit in Bangladesch (Accord) unterzeichnet. Diese unabhängige, rechtlich bin-
dende Fünfjahresvereinbarung zwischen globalen Marken, Einzelhändlern und Gewerkschaften
sollte eine sichere und gesunde RMG-Industrie in Bangladesch aufbauen. Unterzeichner des
Accord sind rund 190 (meist europäische) Bekleidungsmarken, die in rund 1.600 Fabriken in
Bangladesch einkaufen.

3.5 Arbeitszeit
Die Regierung von Bangladesch ist als Unterzeichnerin der ILO-Übereinkommen über
Arbeitszeiten und wöchentliche Ruhezeiten verpflichtet, die internationalen Normen für
Arbeitszeiten und Urlaub einzuhalten. Die Verfassung erkennt auch "das Recht auf angemessene
Ruhe, Erholung und Freizeit" an. Dementsprechend sieht das Arbeitsgesetz von Bangladesch
vor, dass kein.e Arbeiter.in mehr als 8 Stunden pro Tag und 48 Stunden in der Woche arbeiten
darf, außer wenn Überstundenlöhne gezahlt werden. Selbst inklusive Überstunden, darf kein.e
Arbeiter.in mehr als 10 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche beschäftigt werden. (FWF,
2016; LO/FTF 2016)

3.6 Krankheit
Jedem/jeder Arbeitnehmer.in stehen bis zu 14 Tage Lohnfortzahlung im Krankheitsfall pro Jahr
zu. (FWF, 2016)

3.7 Mutterschutz
Nach dem Bangladesh Labour Act haben Frauen, sofern sie mindestens sechs Monate vor dem

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