Die Zukunft des Radverkehrs - Vortrag in Buchholz am 22.5.2018 Prof. Heiner Monheim - Buchholz fährt Rad eV
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Die Zukunft des Radverkehrs Vortrag in Buchholz am 22.5.2018 Prof. Heiner Monheim Trier, Bonn, Malente
Aufbau nach Phasen der Radverkehrsentwicklung • Phase 1: das Fahrrad dominiert den Fahrverkehr • Phase 2: das Auto macht sich breit und „scheucht“ die Räder von der Fahrbahn • Phase 3: Beginn eines langsamen Umdenkens • Phase 4: Man tut was, aber mehr symbolisch als wirklich ernsthaft • Phase 5: Man experimentiert und systematisiert • Phase 6: Ernsthaftes Umsteuern beginnt • Phase 7: Jetzt geht’s los- mutige lokale und regionale Radverkehrspolitik und -Planung
Das Fahrrad ist bis in die 1950er das dominierende Fahrverkehrsmittel Im Einkaufs-, Berufs- und Ausbildungsverkehr vielfach 30 % Fahrradanteil. Massenhafter Radverkehr. Auch viele Lastfahrräder. Keine Separation. Alle Bahnhöfe, Läden und Betriebe haben Abstellanlagen, in Ortskernen gibt es Fahrradwachen.
Fahrräder dominieren den Straßenraum und die Fahrbahnen Überall sind Lastfahrräder im „Rudelradeln“ ist ganz normal Einsatz
Platz für Radfahrer wo? In der Fahrbahn, weil…. In Bus und Bahnen, weil… • das Fahrrad das dominante • Alle Züge Gepäckwagen Verkehrsmittel ist haben • man solche Fahrradmassen nicht auf Streifen kanalisieren • Alle Bahnhöfe kann Fahrradabstellanlagen • es massenhaft Lastfahrräder haben (wenn auch in gibt Deutschland eher simple • Autos noch eine Seltenheit „Schräghochschieber“) sind…. • es in den Zentren • ….und nur max. 80 km/h Fahrradwachen gibt fahren
1950-1970 – ein Land im Autorausch – das Ende der friedlichen Koexistenz im Verkehr Das Auto macht sich breit und Probleme des Autoverkehrs werden dominiert die Fahrbahnen billigend in Kauf genommen (Unfälle, Lärm, Abgase, Staus, Flächenfraß) • ohne Tempolimits Dominanz der Masse und Recht des Stärkeren • ohne Parkverbote • das Auto hat Priorität • plötzlich soll die Separation gelten • Radverkehr wird an den Rand gequetscht und oft auf die Gehwege verlegt • Geh- und Radwege werden zugeparkt • Fahrbahnen werden verbreitert, Platz für Autos muss geschaffen werden
Der Verteilungskampf beginnt Platz ist knapp und umkämpft ADAC fordert….und seine Forderungen werden erfüllt • Gehwege zu halbieren, denn die wären zu breit und es fehle Parkraum • Radwege abzuschaffen, denn es würde immer weniger Rad gefahren • Straßenbahnen abzuschaffen, wegen angeblicher Behinderungen des Autoverkehrs
Das Auto dominiert Politik, Planung und Medien –Stau und Parkchaos machen Mobilität ineffizient und ruinieren die öffentlichen Räume und die Lebensqualität 160.000.000 leere Autositze werden 160.000.000 Stell- und Parkplätze täglich durch die BRD chauffiert, zu blockieren in Städten und Dörfern viele Autos und LKW produzieren den den öffentlichen Raum, die täglichen Stau. Gehwege und Radwege.
Phase 3 Beginn eines langsamen Umdenkens
Der „Kater“ beginnt ab Mitte der 1970er Jahre Ab 1970 wachsende Autokritik Rezeptur • Fußgängerzonen • Verkehrsberuhigung • Fahrradförderung • ÖPNV-Ausbau • Stadterneuerung • Neues Leitbild „Stadt der kurzen Wege“ – Rückbesinnung auf die europäische Stadt
Kontiv-Zahlen (heute MID und SrV) lassen aufhorchen Radverkehr hat sich…. …1976-1982 verdoppelt • Basis: Verkehrstagebücher • Winter- und Wettereffekt • Etappenprinzip geringer als erwartet • Ganzjährige Zahlen aus • Reliefeffekt besteht, aber allen Jahreszeiten trotzdem wird auch in • Befunde: bergigen Gegenden geradelt, wenn auch etwas – Radverkehr besonders stark im Einkaufsverkehr und weniger Ausbildungsverkehr • Kontiv I und II belegen – Volumen im Anstieg von 6 auf 12 % Berufspendelverkehr gering
Ein wichtiger Grund: Fahrrad wird beliebtes Werbemotiv …in der Autowerbung …in der Konsumgüterwerbung
Fahrrad „füttert“ Titelgeschichten in den Massenmedien Das Fahrrad: Der „Hit“ der 1970er Jahre als Symbol für • Jugendlichkeit • Modernität • Sportlichkeit, Fitness • Freiheit • Unabhängigkeit • Gesundheit, Wellness • Flexibilität • Umweltbewusstsein
Die erste Fahrradrenaissance ist „grün“ Aufkommende Aufkommende Umweltbewegung Gesundheitsbewegung • Umweltprobleme motivieren • Bewegungsmangel als eine neuen Umweltbewegung Zivilisationskrankheit • Lärm und Luftschadstoffe als • Auto-Umwelt-Probleme werden Krankmacher zunehmend problematisiert • Fahrradnutzung als „Medizin“ • Verkehrsberuhigung beginnt Aber: Separation bleibt • Suburbanisierung wird kritisiert dominantes Planungsprinzip • daher nur mäßiger • Stauprobleme wachsen Netzfortschritt außerorts • Radverkehr erfährt eine erste • und Substandardlösungen Renaissance innerorts
Aber es gibt auch typische Reaktanz 1976 sozialliberale FDP Ab 1990 FDP oft als Bremser in „vorneweg“ (Riemer, Funke, Hirsch, Baum) Fahrradfragen (Westerwelle, Möllemann. Lindner) Starke ideologische Aufladung der Debatten, weil Radverkehr als „grünes Thema“ gilt Skepsis bei Einzelhandel, Handwerk und ÖPNV, Widerstand gegen Umverteilung bei der Autolobby
Eine neue Fahrradbewegung beginnt Fahrradlobby wächst langsam, aber Fahrraddemos, Flash Mobs, stetig, auch die sonstige aber auch viel „Hinterzim- Umweltlobby engagiert sich für merarbeit“ Fahrradbelange • allen voran ADFC (1979) • aber auch BBU (1972) VCD (1986), UMKEHR (1978), BUND (1975)…. • Fahrradindustrie und Handel bleiben lange passiv, im Gegensatz zum VDA
Phase 4 Man tut was, aber mehr symbolisch als wirklich ernsthaft
Was tun für den Radverkehr? Die schüchternen Lösungen der 1980er Jahre Auf der Strecke: Boom bei Am Knoten: indirektes Bordsteinradwegen Linksabbiegen • Gehwege halbieren • indirektes Linksabbiegen ist (massenhaft „billiger umständlich und Jakob“) zeitraubend • Sonst oft einseitige • Ranführen an den Zweirichtungsradwege Fahrbahnrand, ggf. vorbei • gelegentliche, selektive und am Stau mit eigenen weitgehend noch restriktive Streifen Einbahnöffnung • bescheidene Aufstellflächen • keine Vorfahrtregelungen • EAE, EAHV und ERA geben • erste Furtmarkierungen sich Mühe, aber lösen nicht die Grundkonflikte
Erste Signale • Großversuch • Bike & Ride bei S-Bahn Verkehrsberuhigung und Stadtbahn NRW • Wiederentdeckung des • Bundesmodellvorhaben Fahrradtourismus fahrradfreundliche • Einheitliche Stadt Wegweisung • Bundesmodellvorhaben Flächenhafte Verkehrsberuhigung
Phase 5 Man experimentiert und systematisiert
Neue Planungsphilosophie seit den 1990ern Radverkehr ist Fahrverkehr Wie viel Spielraum? • Viele Unfälle mit Querverkehr • Wie schmal dürfen Kfz- • Ursache fehlender Fahrbahnen sein? Generell Sichtkontakt und bei mehrstreifigen • Radverkehr gehört als Fahrbahnen? Fahrverkehr auf die • Wo und wie können Fahrbahnen Kombispuren und • ERA öffnet Spielräume Schmalfahrbahnen eingesetzt • Schutzstreifen, werden? Angebotsstreifen, • Sind Umprofilierungen ein Radfahrstreifen, Angriff auf den Autoverkehr? Mehrzweckstreifen • Furten sind wichtig • Wie groß ist die Akzeptanz bei Radfahrern und Autofahrern?
Beginn der Umprofilierung Schmalfahrbahnen auf Autobahnen Tempo 30 auf HVS
Ausländische Vorbilder In chinesischen Metropolen schon in In Den Haag aus 4 Kfz-Spuren 2 + 22 den 1970ern protected Bike Lanes Hauptradwegachse
In Deutschland eher schüchterne Maßnahmen Markierungslösungen in der Aufstellbereiche und Fahrbahn (….Streifen/Spuren) Furtmarkierungen vor und in Knoten
Bausteine eines ersten Umdenkens Vorbeifahrspuren Radstationen
Neue Netzwerke entstehen Die größte und älteste AGfS in Die ersten und meisten NRW Radstationen (im Verbundsystem)
Fahrrad + ÖV- Vom Gegner zum Partner im Umweltverbund Die 80er Jahre: ÖV und Seit den 1990ern: ÖV und Radverkehr als Feinde Fahrrad im Umweltverbund • ÖV Unternehmen sind sauer und • Viele Experimente mit eifersüchtig, wenn zu viel über Fahrradbussen oder Radverkehr geredet wird und Freigabe für die Mitnahme wenn die Radverkehrsförderung • Tarifintegration der neues Geld kriegt Fahrradmitnahme • Mitbenutzung von Busspuren ist („Eisbrecher“ tabu Semestertickets) • Fahrradmitnahme wird als • Busspuren werden geöffnet betrieblicher Störfall betrachtet • Programm 100 • Herr Mehdorn kämpft verbissen Radstationen und B+R gegen Fahrräder im Fernverkehr
Ab 2005 Radverkehrsförderung mit System Es geht nicht nur um Fahrweg- System = Netze + Personal + Geld Infrastruktur Ergänzungen im Sachsystem • Velorouten aus • Fahrradparken Fahrradstraßen • Bike & Ride, Fahrradmitnahme • Expressradwege, • Radstationen Radschnellwege • Leihfahrräder & Fahrradleasing • Regionale Netzkonzepte Ergänzungen im Rechtssystem • einheitliche Wegweisung • Liberale Einbahnöffnung • nationale Netzkonzepte • Fahrradstraßen mit System • von der punktuellen zur • Moderatere systemischen Strategie Radwegebenutzungspflicht (NRVP, Berliner Ergänzungen in Kommunikation und Volksentscheid) Marketing • Fahrradklima(Test) • Vervielfachung der • Marketing, Radlust Haushaltsmittel
Phase 6 Ernsthaftes Umsteuern beginnt
Das neue Jahrtausend bringt neue Trends durch…. Leihfahrräder, Faltfahrräder und Fahrradleasing • Pedelecs, Lastfahrräder – darum braucht der Radverkehr • Leihfahrräder als High-Tech- mehr Patz Angebot für Multi- und Intermodale – müssen Abstellanlagen stabiler und sicherer werden • Falträder sichern hohe Flexibilität in der – muss Fahrradplanung regional Kombination mit ÖV (und und überregional abgestimmt Auto) sein • Fahrradleasing aktiviert – zwingen vergrößerte Betriebe für effiziente Aktionsradien und Mitarbeitermobilität Geschwindigkeiten zu mehr Verbindungsqualität und Direktheit (Radschnellwege)
34 Pedelec-Boom ändert Vieles • den Aktionsradius, die Reliefabhängigkeit (Berge kein Problem mehr), • die Nutzlastfähigkeit, • den Preis und damit den Wert • das Image, den politischen Stellenwert
Fahrrad im Umweltverbund Bike Sharing, öff. Bike + Ride , Radstationen und Leihradsysteme, optimal in der Verantwortung des ÖPNV Fahrradmitnahme
Phase 7 Jetzt geht’s los, mutige Raderkehrsplanung
Neue Zielgruppen, neue Strategien Von „Sonntagsradlern“ zu Neuer Typ Fahrradaktivist und - „Alltagsradlern“ Planer Sonntagsradler: früher • Schönwetterradler • primär Ingenieur • Ausflugsradler in „freier“ • kompromissbereit Natur + Landschaft • glücklich mit den kleinen Zugeständnissen • Angst vor dem Stadtverkehr mit seinen Hauptverkehrs- heute straßen und großen Kreu- • mehr Psychologe zungen • konsequenter • besorgt um ihre Kinder • radikaler Alltagsradler: • unbescheidener • steigt auf, fährt los • will auch Skeptiker überzeugen • Nutzt ökonomische Zusammen- • fragt nicht lange nach hänge Radwegen
Mehr Mut-Neue Szenarien und Haushaltsansätze früher künftig • vorsichtige • warum nicht 30-40% als Potenzialanalysen Zielmarge? • warum nicht konsequente • 15-20% kurzfristige und Verkehrswende? Mit stark 20-25% langfristige abnehmendem Autoverkehr Zielmarge gilt als mutig • warum nicht Straßenbau- • Budgets unter einstelligen moratorium? Kein Neu- und Millionenbeträgen gelten Ausbau mehr als mutig • warum nicht dreistellige • der Bund sieht nur enge Millionenbeträge für Radver- Verantwortung (Radwege kehr? an • Warum nicht Prämien für Bundesverkehrswegen) Fahrradfahren?
Durch konsequenten Netzausbau Netze von Fahrradstraßen…. …in Stadt….. und Land
Ein Netz von Radschnellwegen Der Masterplan für den RS 1 als Die Wuppertaler Nordbahntrasse Blaupause, wir brauchen ca. als faszinierendes Beispiel, sogar 7.000 km Radschnellwege mit Raststätten
Beispiele für Elemente Beleuchtung für den Nachtverkehr Brücken für Abkürzungen
Aber Vorsicht mit Konflikten und Perfektionismus, Integration ist besser als Separation Shared Space lebt von der Verkehrsberuhigung ermöglicht Integration Mischflächen
Personen- und Gütertransport Lastfahrrad für Personentransport Lastfahrrad für Gütertransport in (Rikscha, Fahrradtaxi, Boda-Boda) Logistik, Handwerk, Handel
Fahrradparken ernst genommen Solide Fahrradabstellung an allen Fahrradparker auch in dicht bebauten ÖPNV-Zugangsstellen Wohngebieten und in Zentren
Planen mit Netzen und System • Jede Großstadt braucht • Radschnellwege nicht als Hunderte von kleine Stückchen, sondern als Fahrradstraßen, sie bilden ganze Netze ein Netz • Radstationen und B+R als • Außerorts müssen die Regel Netze viel schneller • Fahrradparken als genereller komplettiert werden, Anspruch auch durch • Fahrradmitnahme im bei der Fahrbahnlösungen und ÖV massiv ausbauen Fahrradstraßen • Leihradsysteme mit • Alle Einbahnstraßen einheitlicher werden geöffnet Benutzeroberfläche
Es darf auch was kosten Bedarf ermitteln und Mittel Auch mal Ideen für spektakuläre bereitstellen Neubauten entwickeln • 1 – 1,5 Mio. €/km Radschnellweg mal ca. 7.000 km Innerortsnetz • 70.000 Fahrradstraßen x ca. 0,050 Mio. €/km • 3.000 Radstationen x ca. 1 Mio. €
Hausaufgaben für Bund und Länder Für den Bund Für die Länder • Gesamtverkehrsplan vorlegen • eigene AGs gründen • BMM-gesetzlich verankern • Straßengesetze anpassen, • Finanzmittel für Radverkehr Straßenbauverwaltung aufstocken „umpolen“ • Fahrradkommunikation intensivieren • eigene Landesakademien schaffen • Radschnellwege als Bundesverkehrswege/Hauptver- • Programme für Radstationen kehrsstraßen für Radverkehr fördern und Leihradsysteme auflegen • Rechtsrahmen novellieren beim • Kommunikation als Fahrradparken (Baurecht, StVO) und Daueraufgabe etablieren der Regulierung des Autoverkehrs • Landesnetze und (Tempo-Limits, Überholverbote) Radschnellwegenetz schnell • Steuerlichen Rahmen anpassen planen
Hausaufgaben für Kommunen • Den AGs beitreten • Netzlücken schließen, Umwege • Moderne Gesamtverkehrs- und abkürzen Radverkehrskonzepte erarbeiten • Lokale Kampagnen auflegen • Potenziale mutig ausloten- an Spitzenreitern ausrichten • BMM als Daueraufgabe etablieren • Verkehrsraum neu ordnen, mehr Mischflächen • mehr Abstellanlagen an Haltestellen, ggf. mit • Parken neu ordnen, Verleihstationen kombiniert, Überforderung des öffentlichen Radstationen an größeren Raums durch Parken Bahnhöfen zurückdrängen • öffentliche Leihradsysteme • Innerörtliche Wegweisung weiter aufbauen verdichten • Finanzmittel für Radverkehr • Fahrradstraßen mit System aufstocken netzbildend schaffen • Fahrradkommunikation • Einbahnstraßen durchweg öffnen intensivieren • Radschnellwege planen
Zum Weiterlesen Im VAS Verlag 4 Bde. Bd. 1 FAHRRADSTADT Verkehrswende • Bd. 1 Wege zur Fahrradstadt (2017) • Bd. 2 Wege zur Fußgängerstadt (2018) • Bd. 3 Wege zur Stadt der Busse und Bahnen (2018) • Bd. 4 Auswege aus der Autostadt (2019)
vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Max-Planck-Str. 18 Kurfürstenstr. 13 Schweizerstr.56 A D-54296 Trier D- 53115 Bonn D-23714 Malente 0170 80 48 154 heinermonheim@yahoo.de www.raumkom.de www.heinermonheim.de
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