Die Zulässigkeit sozialer Kriterien im Vergaberecht - unipub

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Die Zulässigkeit sozialer Kriterien im
                 Vergaberecht

  Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades

          eines Master of Public Administration

         im Rahmen des Universitätslehrganges

         „Parlamentarismus und Landespolitik“

                     eingereicht von

            Mag.a Theresia Metzenrath, LL.M.

                Ass. Prof. Dr. Klaus Poier

     Karl- Franzens- Universität Graz und UNI for LIFE

                     September 2017

                                                         1
Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegeben Quellen nicht benutzt und die
den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner
anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch
noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten
elektronischen Version.

Graz, den 12.9.2017                     Mag.a Theresia Metzenrath, LL.M.

                                                                              I
Kurzfassung
Der Staat ist kein Wirtschaftsakteur wie private Unternehmen oder auch
Privatpersonen. Die öffentliche Hand hat eine große Marktmacht, so beträgt das
Volumen der öffentlichen Hand in der gesamten Europäischen Union etwa rund
22% des Bruttoinlandsproduktes, das entspricht für Österreich einem
Auftragsvolumen von rund 61 Milliarden Euro. Es gibt daher bereits seit
längerer Zeit rechtliche Regelungen, die das Verhalten der öffentlichen Hand
am Markt zum Inhalt haben. Diese Regelungen werden als Vergaberecht
bezeichnet. Eine wesentliche Weiterentwicklung des Vergaberechts passierte
aufgrund des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union. Das nationale
Vergaberecht entwickelt sich kontinuierlich weiter, maßgeblich dafür sind meist
EU- Verordnungen, die ins nationale Recht umzusetzen sind.

Da die öffentliche Hand nicht nur die Verpflichtung hat, das beste Produkt zum
besten Preis zu erwerben, sondern auch vergabefremde Ziele (wie etwa
Umweltschutz,       Senkung   der     Arbeitslosigkeit,    Geschlechtergerechtigkeit,
Integration benachteiligter Personen in den Arbeitsmarkt etc.) verfolgt, stellt sich
die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit solcher Ziele.

Entsprechend     der    derzeit    gültigen   Gesetzeslage      und    basierend   auf
gerichtlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes können im
Rahmen eines „sozial verantwortlichen Beschaffungswesens“ und unter
Beachtung der europarechtlichen Grundprinzipien der Nichtdiskriminierung und
der Gleichbehandlung eine Reihe von Zielen verfolgt werden. Als Beispiele
können etwa die Garantie menschenwürdiger Arbeit durch die Einhaltung von
arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen, die soziale Eingliederung (auch
von Menschen mit Behinderung) oder auch die Berücksichtigung von
Nachhaltigkeitskriterien genannt werden.

Diese können etwa im Rahmen der Eignungsprüfung des Anbieters
Niederschlag finden, sie können aber auch in der Beschreibung der zu
vergebenden Leistung (auch in Form technischer Spezifikationen) oder bei den
geforderten   Ausführungsbedingungen          berücksichtigt    werden.     Wenn das
Bestbieterprinzip      angewandt     wird,    können      Sozialkriterien   auch   als
                                                                                     II
Zuschlagskriterien verwendet werden. Auch wenn die Einhaltung von
Sozialkriterien in den verschiedenen Phasen des Vergabeprozesses gefordert
werden kann, so ist dies immer nur möglich, wenn die „Auftragsbezogenheit“
gewährleistet bleibt und den Anbietern schon vorab bekannt ist, welches
Kriterium in welcher Phase des Vergabeprozesses zur Entscheidung über die
Auftragsvergabe berücksichtigt wird.

Anhand des praktischen Beispiels der Anwendung eines Sozialkriteriums bei
der   Vergabe   öffentlicher   Aufträge   (Frauenförderung   im     Rahmen   von
Beschaffungen    verschiedener    Abteilungen    des   Magistrats    Wien)   wird
abschließend gezeigt, dass der Spielraum des öffentlichen Auftraggebers groß
ist; dass es aber am (politischen) Willen der öffentlichen Hand liegt, diesen
auch zur Umsetzung „vergabefremder“ sozialer Zielsetzungen zu nützen.

                                                                               III
Abstract
The state’s market role is in many ways different then that of private actors or
enterprises, mainly because it’s market power is far bigger. The volume of
public procurement in the European Union sums up to 22% of the gross
domestic product. This corresponds to a volume of roughly 61 billions Euros in
Austria. Therefore, legal regulations have been adopted that discipline the
behaviour of the public sector as a market player; the public procurement laws.
In the aftermath of Austria’s accession to the European Union, its national
public procurement law corpus underwent profound changes. Its current
evolution is mainly due to european regulations which have to be implemented
in national law.

As the public sector not only aims at acquiring the best product to the best
price, but also follows directions that are not specifically market driven (e.g.
environmental protection, reduction of unemployment rates, gender equality or
the integration of discriminated individuals in the labour market), the question of
the admissibility of those aims in the legal frame of the public procurement law
becomes central.

According to current legal reglementations and on the ground of the European
Court’s jurisdiction, acceptable aims would fall in the frame of „socially
responsable public procurement“ and should comply with the european
principles of equal treatment and non-discrimination. For instance, one such
aim would be the guarantee of humane working conditions by compliance to
labour and social law, social integration (also of disabled persons) or the
consideration of sustainability criteria.

These aims can be pursued within the qualifiying examination of the tenderer,
but can also appear in the specifications of the service or in the demanded
conditions of accomplishment. When applying the best bidder principle, social
criteria can be used as award criteria. While the compliance with social criteria
can be required during the whole procurement process, commission
relatedness has to be warranted and tenderers should be informed at the
process beginning which criteria will be taken into consideration in which phase
                                                                              IV
of the award procedures.

By the example of the application of a social criterion in the procurement
process of a public commission (the promotion of women in the context of
acquisitions by various departments of the city of Vienna), it can be shown that
there is an ample margin of action for the public procurer. Still, the political will
is needed to enact it in the application of social criteria, that might be far more
political than pure market driven principles.

                                                                                   V
Inhaltsverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung................................................................................. I

Kurzfassung ..................................................................................................... II

Abstract ........................................................................................................... IV

Inhaltsverzeichnis ........................................................................................... VI

1 Einleitung ....................................................................................................... 8

2       Bedeutung              und          rechtliche            Einordnung                des         öffentlichen
Beschaffungswesens ...................................................................................... 9

    2.1 Wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Beschaffungen ...................... 9
    2.2 Einordnung des Vergaberechts in das Wirtschaftsrecht ......................... 11
    2.3 Notwendigkeit und Grundzüge des Vergaberechts ................................ 16
    2.4 Entwicklung im europäischen Recht ....................................................... 19
    2.5 Umsetzung ins österreichische Recht..................................................... 20
    2.5.1 Die Ursprünge des Bundesvergabegesetzes: ..................................... 20
    2.5.2 Österreich und der europäische Wirtschaftsraum ................................ 20
    2.5.3 Innerstaatliche Kompetenzverteilung ................................................... 21

3 Soziale Kriterien im Vergaberecht ............................................................. 23

    3.1     Was       versteht        man        unter       sozialen         Kriterien        im     Kontext         des
    Vergaberechts? ............................................................................................ 23
    3.2 Definition von „Sozial- Kriterien“: ............................................................ 23
    3.2.1 Vorteile sozialverantwortlicher Beschaffung (SRPP) ........................... 30
    3.3 Ihre Verankerung im europäischen und innerstaatlichen Recht/ Judikatur
    ..................................................................................................................... 32
    3.3.1 Verankerung im europäischen Recht................................................... 33
    3.3.2 Europäischer Rechtsrahmen entsprechend den Richtlinien 2004/18/EG
    und 2004/17/EG ........................................................................................... 35
    3.3.3      Ausgewählte              EuGH-          Rechtsprechung                zu      Sozialkriterien            im
    Vergaberecht ................................................................................................ 35
    3.3.3.1 RS Beentjes ...................................................................................... 36
    3.3.3.2 RS Nord- Pas-de- Calais .................................................................. 37
    3.3.3.3 RS Rüffert ......................................................................................... 40
                                                                                                                 VI
3.3.3.4 RS Wienstrom................................................................................... 41
   3.3.3.5 Rs Concordia Bus Finland ................................................................ 41
   3.3.3.6 Rs Unix/ Kommission vs. Königreich der Niederlande ...................... 42
   3.3.3.7 RS Dundalk III/ Kommission gegen Irland ........................................ 42
   3.3.3.8 Rs Nord Holland ............................................................................... 43
   3.4 Zulässigkeit der Anwendung in den verschiedenen Phasen des
   Vergabeprozesses ........................................................................................ 45
   3.4.1 Eignungsprüfung.................................................................................. 47
   3.4.2 Leistungsbeschreibung/ Auftragsgegenstand ...................................... 51
   3.4.3 Ausführungsbestimmungen ................................................................. 52
   3.4.4 Technische Spezifikationen ................................................................. 55
   3.4.5 Zuschlagskriterium............................................................................... 56
   3.4.6 Änderungen durch die RL 2014/24/ EU ............................................... 57
   3.4.6.1 Sozialkriterien als Zuschlagskriterien ................................................ 60
   3.4.6.2 Ausführungsbedingungen ................................................................. 62
   3.4.6.3 Technische Spezifikationen .............................................................. 63
   3.5 Praktisches Beispiel der Anwendung eines Sozialkriteriums bei der
   Vergabe öffentlicher Aufträge ....................................................................... 63
   3.5.1 Stadt Wien: Frauenförderung und Gender- Aspekte bei der Vergabe
   öffentlicher Aufträge ..................................................................................... 63

4 Conclusio ..................................................................................................... 70

5 Literaturverzeichnis .................................................................................... 72

   5.1 Rechtsquellen ......................................................................................... 72
   5.2 Materialien .............................................................................................. 73
   5.3 Entscheidungen ...................................................................................... 74
   5.4 Dokumente der Europäischen Kommission ............................................ 74
   5.5 Selbständige Werke................................................................................ 76
   5.6 Beiträge in Zeitschriften .......................................................................... 77
   5.7 Internetquellen ........................................................................................ 77

                                                                                                                VII
1 Einleitung
Die öffentliche Hand ist keine Wirtschafts- bzw. Marktakteurin wie alle anderen.
Sie hat einerseits eine bedeutende wirtschaftliche Macht und verfolgt
andererseits nicht nur rein wirtschaftliche Ziele. Es muss daher ein ganz
besonderes Augenmaß auf die Kriterien, nach denen öffentliche Aufträge
vergeben werden, gelegt werden. Der Staat hat hier die Verantwortung, seine
Marktmacht nicht in diskriminierender oder willkürlicher Art auszunützen, da er
ja im Interesse der ihn finanzierenden SteuerzahlerInnen zu handeln hat. Er
muss daher auf transparente, dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende
Art wirtschaftliche Entscheidungen treffen, die auch einer Kontrolle im Rahmen
eines effektiven Rechtsschutzsystems unterworfen sind. Diese Regelungen
finden sich im Vergaberecht, das von europäischen Vorgaben bestimmt wird.

Wirtschaftlich sinnvoll sind Entscheidungen, wenn das beste Produkt/ die beste
Dienstleistung    zum         besten     Preis        beschafft         wird    (bestes       Preis-
Leistungsverhältnis). Bei der Entscheidung, welches Produkt bzw. welche
Dienstleistung das bzw. die beste ist, verfolgt der Staat jedoch neben diesem
wirtschaftlichen Ziel noch weitere, nicht rein wirtschaftliche Ziele. Diese
betreffen etwa die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, Umweltschutz und
Nachhaltigkeit. Er befindet sich daher immer im Spannungsfeld zwischen der
Vorgabe, die betriebswirtschaftlich sinnvollste Entscheidung zu treffen und der
Verfolgung seiner volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen,                      sozialen       und
ökologischen Ziele.

Es   wird   daher      gefordert,      dass     der     Staat     entsprechende           (per    se
„vergabefremde“) Kriterien in seine Entscheidungen mit einbezieht und das
„Bestbieterprinzip“    entsprechend           verstanden        wird.     Gerade      wenn       der
Entscheidung     für    ein     Produkt/      eine     Dienstleistung          aber   nicht      nur
betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Kriterien zugrundegelegt werden, dann
ist auch die Gefahr von Willkür und Intransparenz erhöht. Es ist daher
besonders wichtig, dass der Rahmen, in dem vergabefremde Kriterien zur
Entscheidungsfindung angewandt werden, vorab geregelt wird.

                                                                                                  8
In der geplanten Arbeit beschäftige ich mich mit der Frage, in wie weit die
Anwendung von sozialen Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
zulässig ist. Nach einer Einleitung, in der die Bedeutung des Vergaberechts
dargestellt und die oben ausgeführten Überlegungen vertieft werden, wird die
historische Entwicklung des geltenden Rechtsrahmens auf europäischer und
innerstaatlicher Ebene dargestellt.

Nach dem Versuch einer Definition sozialer Kriterien wird untersucht, in wie weit
die   Anwendung     dieser   Kriterien   im   Vergaberecht   bisher     sowohl   im
europäischen als auch im österreichischen Recht verankert ist. Da sich das
österreichische Vergaberecht aufgrund der Notwendigkeit der Umsetzung
europäischer Richtlinien gerade wieder in Veränderung befindet, werden auch
die Regelungen im derzeit in Begutachtung befindlichen Entwurf zum
„Vergaberechtsreformgesetz“     unter    diesem   Blickwinkel   unter    die   Lupe
genommen.

Besonders interessant ist neben der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit
„vergabefremder“ Kriterien auch, in welchem Stadium des Vergabeverfahrens
(Eignungsprüfung, Zuschlagserteilung, Vertragsabschluss) soziale Kriterien
ausschlaggebend sein können bzw. dürfen. Zur Beantwortung dieser Fragen
wird auch die Judikatur mit einbezogen.

2 Bedeutung            und        rechtliche          Einordnung               des
      öffentlichen Beschaffungswesens

2.1 Wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Beschaffungen

Das Wirtschaftsvolumen der öffentlichen Hand ist nur sehr schwer anhand
konkreter Zahlen festzumachen. Genaue Daten sind schwer verfügbar, so
spricht die Tageszeitung „Der Standard“ am 25.6.2015 von einer sehr hohen

                                                                                  9
Dunkelziffer öffentlicher Auftragsvergaben.1 So werden weniger als 20 % aller
Vergaben veröffentlicht, davon seien auch rund zwei Fünftel unzureichend
dokumentiert. Die Dunkelziffer öffentlicher Auftragsvergaben war auch Thema
Schriftlicher Anfragen etwa der Grünen an Mitglieder der österreichischen
Bundesregierung.2 Diese Anfragen wurden aber nicht ausführlich beantwortet,
da      es    kein   gemeinsames         Register     aller   Beschaffungsvorgänge            aller
österreichischen Gebietskörperschaften und weiterer, den Vergaberechtsregeln
unterliegenden Auftraggebern gibt. Nach § 44 Bundesvergabegesetz 2006
(BVergG) sind statistische Aufzeichnungen an das Bundesministerium für
Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zu übermitteln. Die entsprechenden
Auswertungen sind aber nicht sonderlich ergiebig.3

Bekanntmachungen von Ausschreibungen müssen im Supplement (S) zum
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werden.4 Dies ist
aber erst ab bestimmten Schwellenwerten notwendig. 5 Daher stellen diese
Daten nur einen sehr geringen Teil der gesamten Beschaffungsvorgänge der
öffentlichen Hand in Österreich dar.

1   „Staat, öffne dich“, Der Standard, 25.6.2015 http://derstandard.at/2000017977431/Staat-
oeffne-dich (abgefragt am 17.6.2017).

2
    Anfrage der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister
für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Vergabevolumen BMASK 2014-2015
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_10373/fnameorig_561973.html (abgefragt am
17.6.2017).

3   Vizekanzler BMin Dr. Reinhold Mitterlehner, Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen
Anfrage Nr. 10385/J betreffend "Vergabevolumen BMWFW 2014 und 2015"
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_09939/imfname_575566.pdf (abgefragt
am 17.6.2017).

4   Das über die Adresse https://simap.ted.europa.eu/de/web/simap/european-public-procurement
(abgefragt am 1.7.2017) verfügbar ist.

5   Information des Europäischen Parlaments „Aufträge und Finanzhilfen, Öffentliches
Beschaffungswesen“, http://www.europarl.europa.eu/contracts-and-
grants/de/20150201PVL00098/Ausschreibungen (abgefragt am 17.6.2017).
                                                                                                10
Auch wenn hinsichtlich der Daten keine exakte Angabe über die Höhe der
Ausgaben im Rahmen öffentlicher Beschaffung zu erhalten ist, so ist es
unbestritten, dass das öffentliche Beschaffungswesen wirtschaftlich von großer
Bedeutung ist. Das Volumen der öffentlichen Auftragsvergabe besitzt sowohl in
Österreich als auch in der gesamten Europäischen Union eine erhebliche
volkswirtschaftliche Relevanz. Unionsweit wurde von der Europäischen
Kommission für die Auftragsvolumina 2004 ein Annäherungswert von über
1.500 Milliarden Euro ermittelt, was in etwa 16% des gesamten BIP der EU
ausmacht.6 Für 2006 ging man dann schon von rund 17% des BIP aus.7

Die Europäische Union gibt für Österreich an, dass das Auftragsvolumen der
öffentlichen Hand rund 22% des gesamten Bruttoinlandsproduktes der
Europäischen Union ausmacht. Das entspricht Auftragsvolumina im Ausmaß
von rund 61 Milliarden Euro in Österreich.8

Es zeigt sich also, dass die Bedeutung des öffentlichen Auftragsvolumens von
großer wirtschaftlicher Bedeutung ist.

2.2 Einordnung des Vergaberechts in das Wirtschaftsrecht

Das öffentliche Wirtschaftsrecht wurde durch den europäischen Binnenmarkt
entsprechend der Logik des wirtschaftlichen Wettbewerbs ausgerichtet und ist
der Wettbewerbsgedanke nunmehr eines der prägenden Leitmotive des
öffentlichen Wirtschaftsrechtes.9 Es geht darum, dass ein funktionierender,

6   Heid Schiefer Rechtsanwälte, Vergaberecht INFO- Letter, Ausgabe/ September 2007.

7   M. Fruhmann, Die Schwellenwerteverordnung 2009, ZVB 2009/43.

8Europäische    Kommission, Public Procurement Indicators 2009- 2014, Brüssel 2010, abrufbar
unterhttp://www.forumvergabe.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Indicators_Public_Procure
ment_2009-2014.pdf (abgefragt am 17.6.2017).

9   Merli, Hat das öffentliche Wirtschaftsrecht ein System und leitende Prinzipien? ÖZW 2015, 32
(34).
                                                                                              11
„fairer“ und „freier“ Markt geschaffen oder erhalten werden soll, man spricht
daher von Regeln des Wettbewerbsrechts. Es wird also das Ziel verfolgt, dem
Gemeinwohl durch wettbewerbsschaffende oder –bewahrende Regeln zu
dienen.10       Es     wird     damit   die     Idee     verfolgt,    dass   wettbewerbliche
Auswahlprozesse rationaler ablaufen, was gerade in Hinblick auf die Macht des
Staates als Wirtschaftsakteur von Bedeutung ist und dass die getroffenen
Entscheidungen „besser“ für das Gemeinwohl sind (Bestbieterprinzip).

Andererseits verfolgt das öffentliche Wirtschaftsrecht aber natürlich immer noch
„klassische‘“ Lenkungs- und Reglementierungsfunktionen (siehe etwa die
Gewerbeordnung). Man kann also davon ausgehen, dass das öffentliche
Wirtschaftsrecht einerseits öffentlich- rechtliche und andererseits ökonomisch-
wettbewerbliche Ziele verfolgt.11

Wie ist nun das Vergaberecht in das System des Wirtschaftsrechts
einzuordnen?

Die      Regeln      des     „klassischen“     öffentlichen Wirtschaftsrechts     (Lenkung,
Reglementierung) richten sich ganz klar auf das Verhältnis des Staates
gegenüber den am Wirtschaftsleben Beteiligten. Regelungen wie etwa das
Kartell- und das Unlauterkeitsrecht beziehen sich auf die Regelung des
Verhältnisses zwischen den (privaten) Marktteilnehmern, die miteinander in
Konkurrenz           stehen     und     wird     daher      als      unternehmensgerichtetes
Wettbewerbsrecht kategorisiert.12 Dem gegenüber steht das staatsgerichtete
Wettbewerbsrecht, das etwa das Beihilfen- und das Vergaberecht umfasst.
Sowohl die unternehmens- als auch die staatsgerichteten Aspekte des

10   Müller, Wettbewerbsrecht als Wirtschaftsrecht- eine Neuvermessung, ÖZW 2015 (97) 97.

11   Müller, ÖZW 2015, 97.

12   Müller, ÖZW 2015, 99.
                                                                                            12
Wettbewerbsrechtes sind klar dem öffentlichen Wirtschaftsrecht zuzuordnen, da
sie beide starke öffentlich- rechtliche Bezüge aufweisen.13

Ganz besonders deutlich zeigt sich die Richtigkeit dieser Zuordnung des
Wettbewerbsrechts          zum    öffentlichen    Wirtschaftsrecht       am   Beispiel   des
Vergaberechts. Weiters werden noch das Kartellrecht, das Unlauterkeitsrecht
und das Beihilfenrecht in diese Kategorie eingeordnet.

Nach Müller zeichnet sich das Wettbewerbsrecht daher durch folgende 4
Strukturmerkmale aus:14

      1.) Regelungsgegenstand: Die Rechtsgebiete beziehen sich auf den
          wirtschaftlichen Wettbewerb, das heißt auf die Konkurrenz zwischen
          privaten Wirtschaftsakteuren          sowie    auf   die    wettbewerbsrelevante
          wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand.

      2.) Regelungsinhalt: Die geregelten Rechtsgebiete umfassen Regeln, deren
          Normzweck sich auf die Schaffung, Erhaltung, Intensivierung und/ oder
          Gewährleistung einer bestimmten Qualität wirtschaftlichen Handelns. Die
          Qualität    bezieht    sich    hier     auf    einen       fairen   und   lauteren
          „Leistungswettbewerb“,         das         beinhaltet       etwa,     dass      es
          Lauterbarkeitsregeln gibt und ein schrankenloser Konkurrenzkampf, in
          dem jedes erdenkliche Mittel eingesetzt wird, (zum Schaden nicht nur
          der Marktteilnehmer, sondern auch der Allgemeinheit), unterbunden wird.

      3.) Regelungszweck ist der Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen: Es soll
          ein möglichst freier und unverfälschter Wettbewerb ermöglicht werden.
          Verfälscht würde der Wettbewerb etwa durch staatliche Beihilfen,
          weshalb das Beihilfenrecht Teil des Wettbewerbsrechtes ist. Es geht also
          nicht darum, bestimmte Marktergebnisse herbei zu reglementieren,
          sondern darum, wettbewerbliche Prozesse zu ermöglichen oder
          aufrechtzuhalten, da man davon ausgeht, dass sich in diesem

13Müller,   ÖZW 2015, 100 mit weiteren Nachweisen.

14   Müller, ÖZW 2015, 100 f.
                                                                                         13
„wettbewerblichen Entdeckungsprozess“ Wirkungen zeigen, die dem
       Gemeinwohl dienen.

   4.) Regelungsziel    ist   die   Erhöhung    des   Gemeinwohls:        Es   sollen
       Voraussetzungen geschaffen werden, innerhalb derer sich Wettbewerb
       bestmöglich     entfalten    kann.   Man   erwartet      sich   von     einem
       funktionierenden Wettbewerb, dass der so entstehende freie und
       unverfälschte Markt zu gesellschaftlichem Wohlstand, technischer
       Innovation und sozialer Dynamik führt.

Gerade hinsichtlich des Regelungszieles des funktionierenden Wettbewerbs
und der daraus entstehenden Ergebnisse gibt es jedoch Diskussionsbedarf. Es
soll hier nicht detaillierter auf die grundsätzlichen politischen Fragen, die sich
aus dieser rein positiven Sicht auf den freien Wettbewerb und seine – nach
dieser Sichtweise - gesellschaftlichen Vorteile eingegangen werden, auch wenn
in diesem Zusammenhang viele Diskussionspunkte gegeben sind. So stellt sich
etwa die Frage, in wie weit freier Wettbewerb auch Nachteile hat, wie frei und
fair Wettbewerb zwischen Akteuren in unterschiedlichen Staaten unter
unterschiedlichen Voraussetzungen überhaupt sein kann (Globalisierung), wem
er gesellschaftliche Vorteile und soziale Dynamik bringen kann und wer per se
davon ausgeschlossen ist oder gerade durch den verschärften Wettbewerb vom
Wirtschaftsleben ausgeschlossen wird. Auch ist die dahinterliegende These,
dass wirtschaftlicher Aufschwung generell zu mehr Wohlstand für alle führt,
zumindest hinterfragenswert.

Es ist vor diesem Hintergrund verständlich, dass es Konzepte gibt, die nicht nur
auf eine ökonomische Verfeinerung des Wettbewerbs abzielen, sondern immer
auch das Ergebnis des Wettbewerbsprozesses im Auge haben. Dieses soll zu
mehr   Konsumentenwohlfahrt         (Verbraucherschutz)   und     einer   gerechten
Ressourcenverteilung führen. Der Wettbewerb soll also nicht um seiner selbst
willen geschützt werden, sondern weil damit bestimmte Ziele verfolgt werden.

                                                                                  14
Wenn        diese     Orientierung          überhandnimmt,      dann      nähert     sich      das
Wettbewerbsrecht wieder dem Lenkungsrecht an.15

In diesen Zusammenhang ist die Diskussion um den „more economic approach“
des EU- Wettbewerbsrechts einzuordnen. Zu diesem „more economic
approach“         gehört        die        stärkere   Ausrichtung        der       europäischen
Wettbewerbsregeln             auf    den     Schutz   der    Konsumentenwohlfahrt.            Nach
Auffassung der Europäischen Kommission soll der Nutzen des Wettbewerbs für
den Konsumenten in den Mittelpunkt der Europäischen Wettbewerbspolitik
gestellt werden. Wettbewerbsregeln bezwecken nicht den Schutz des
Wettbewerbs schlechthin, einer bestimmten Marktstruktur oder gar der
Konkurrenten des Marktbeherrschers. Marktstrukturen oder die Identität der
Konkurrenten können sich ändern und sollen sich auch ändern, wenn dies für
Verbraucher vorteilhaft ist. Denn der Wettbewerb soll vor allem als Werte für
Konsumenten schaffender Prozess geschützt werden. 16

Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Wettbewerbsregeln immer dann
anzuwenden, wenn die Auswirkungen einer wettbewerbsbeschränkenden
Vereinbarung,         eines         Zusammenschlusses        oder   der        Handlung       eines
Marktbeherrschers nachteilig für die davon betroffenen Verbraucher ist. Damit
ist die zweite wesentliche Komponente des „more economic approach“
angesprochen: der Auswirkungsansatz. Danach kommt es für die Vereinbarkeit
eines Marktverhaltens oder einer marktrelevanten Transaktion mit den
gemeinschaftlichen            Wettbewerbsregeln auf deren Auswirkungen auf den
Wettbewerb an. Sind die Folgen einer Handlung oder Transaktion nachteilig für
den Wettbewerb, kann davon ausgegangen werden, dass sie auch nachteilig

15   Müller, ÖZW 2015, 102.
16   Albers, Der „more economic approach“ bei Verdrängungsmissbräuchen: Zum Stand der
Überlegungen        der    Europäischen        Kommission,   Europäische       Kommission,      GD
Wettbewerb,http://ec.europa.eu/competition/antitrust/art82/albers.pdf,     1     (abgefragt     am
17.6.2017).
                                                                                                15
für die Konsumentenwohlfahrt ist. Der Schutz des Wettbewerbs ist nur Mittel
zum Zweck.17

Es herrscht also ein gewisser Zielkonflikt zwischen Freiheit des Marktes und
Effizienz des Marktes.18

Im      Zusammenhang            mit   dem     Vergaberecht       stellt   sich   eine    ähnliche
Fragestellung, die den theoretischen Hintergrund der vorliegenden Arbeit
darstellt. In wie weit sind wettbewerbsexterne, politische Sachziele im Rahmen
der Wettbewerbsanwendung und –rechtsetzung zulässig? Mit der Zulässigkeit
von       sozial-    und      umweltpolitischen       Sekundärzielen        im    Rahmen           der
Auftragsvergabe im Vergaberecht passiert genau so eine „Repolitisierung“ der
Wettbewerbsregeln auf europäischer Ebene. Obwohl damit in gewisser Weise
eine „staatliche Lenkung durch die Hintertür“ stattfindet, kann immer noch von
der grundsätzliche Zuordnung des Vergaberechts zum Wettbewerbsrecht
ausgegangen werden, da das Wettbewerbsziel weiterhin das übergeordnete
bleibt.19

2.3 Notwendigkeit und Grundzüge des Vergaberechts

Vergaberecht ist Teil des Wettbewerbsrechts und lässt sich daher unter dem
Dach des öffentlichen Wirtschaftsrechts einordnen.

Was macht nun den Staat als Wirtschaftsakteur aus und warum bedarf es
besonderer Regeln, um sein wirtschaftliches Wirken zu reglementieren?

Der Staat (Bund, Länder und Gemeinden) aber auch andere „staatsnahe“
Akteure benötigen zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf dem Markt angebotene
Waren und Dienstleistungen. Um diese Leistungen zu beziehen, geht die

17   Albers, http://ec.europa.eu/competition/antitrust/art82/albers.pdf (abgefragt am 17.6.2017)

18   Müller, ÖZW 2015, 102.

19   Müller, ÖZW 2015, 99 ff.
                                                                                                   16
öffentliche Hand dabei grundsätzlich wie eine private Person vor. Der Staat
sucht sich einen, ihm als geeignet erscheinenden „Wirtschaftspartner“ und
schließt mit diesem einen privatwirtschaftlichen Vertrag über die gewünschte
Leistung ab.

Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist es daher notwendig, das Verhalten des
öffentlichen Auftraggebers zu reglementieren, da seine Machtposition in den
meisten Fällen weitaus stärker ist als die des privaten Auftragnehmers.

Private       Auftraggeber      können     die   von    ihnen    besorgten   Güter   und
Dienstleistungen frei am Markt erwerben, bei öffentlichen Auftragnehmern
hingegen kommen öffentliche Gelder zum Einsatz, für deren wirtschaftliche,
effiziente und sparsame Mittelverwendung die öffentliche Hand gegenüber dem
Steuerzahler         verantwortlich      ist.    Um     dieses    Marktungleichgewichts
auszugleichen und um den Wettbewerb im öffentlichen Auftragswesen
sicherzustellen, müssen den Beschaffungsstellen und den mit ausschließlichen
Rechten           ausgestatteten         öffentlichen     Unternehmen        gesetzliche
Rahmenbedingungen vorgegeben werden, damit sie ihre Aufträge im Wege
wettbewerbsorientierter Verfahren vergeben.

Durch leistungsfähige Beschaffungssysteme kann der Staat beträchtliche
Einsparungen erzielen. Diese Einsparungen kommen dann wiederum den
Steuerzahlern und den Verbrauchern zugute. Der Staat ist daher verpflichtet,
wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Für Unternehmen, die Bieter bzw. Bewerber sind, ist die Regelung des
Vergabevorgangs sowie eine Kontrolle des öffentlichen Vergabeverfahrens und
der Zuschlagsentscheidung von wesentlicher Bedeutung, da öffentliche
Aufträge dadurch nach sach- und leistungsbezogenen Kriterien sowie objektiv
nachprüfbar und transparent vergeben werden. Auch wenn die Regelungen des
Vergaberechts den Staat im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung20
betreffen und der Staat nicht hoheitlich tätig wird, so ist der Rechtsschutz für

20   Art 14 iVm Art 17 B- VG.
                                                                                      17
Private in diesem Bereich dennoch im öffentlich-rechtlichen Bereich angesiedelt
(Landesverwaltungsgerichte, Bundesverwaltungsgericht). Dies wohl auch, da
das Prozessrisiko hinsichtlich der Kosten ja reduziert ist und so eher
„Waffengleichheit“ garantiert werden kann.21

Der organisierte Parallelwettbewerb von Bietern soll im Sinne eines fairen und
transparenten Leistungswettbewerbs Chancengleichheit gewähren, Mehrkosten
für den Auftraggeber reduzieren und die Entwicklung konkurrenzfähiger
Unternehmen fördern. Im Sinne eines funktionierenden Marktes entsteht also
auch hier ein Mehrwert für das Gemeinwohl. Zu bedenken ist aber, dass die
besonderen Regeln des Vergaberechts die öffentlichen Beschaffungsvorgänge
komplizierter machen und es daher länger dauert, bis eine Entscheidung über
eine Anschaffung getroffen werden kann. Es sind auch höhere Personalkosten
zu veranschlagen.22 Es bedarf daher längerer Vorlaufzeiten und es kann zu
keinen „spontanen“ Beschaffungen kommen.

Den oben angeführten Vorteilen des Vergaberechts stehen also auf rein
wirtschaftlicher Seite auch Nachteile in Form höherer Transaktionskosten
entgegen. Auch ist zu bedenken, dass sich längerfristige Händler- Käufer-
Beziehungen unter dem Regime des Vergaberechts nicht in der gleichen Form
wie unter privaten Marktteilnehmern bilden können. Es muss immer wieder
nach Vertragsende neuerlich ausgeschrieben werden und es ist nicht garantiert,

21   Siehe etwa für Vergaberechtsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgerichtshof die BVwG
Pauschalgebührenverordnung Vergabe – BVwG-PauschGebV Vergabe, BGBl II 2013/491.

22   Tretzmüller: Die Direktvergabe- ein unlösbares Problem, Diss. Uni Wien 2012 mit Hinweisen
auf die Studie „Public Procurement in Europe- Cost and Effectiveness“ der Europäischen
Kommission vom März 2011
http://www.eipa.eu/files/topics/public_procurement/cost_effectiveness_en.pdf (abgefragt am
17.6.2017).
                                                                                             18
dass wieder der gleiche Bieter zum Zug kommt. Das kann neben den evidenten
Vorteilen auch Nachteile haben.23

Es kann also zusammenfassend festgehalten werden, dass es bei staatlichen
Beschaffungsvorgängen, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung
abgewickelt werden, oft um hohe öffentliche Geldsummen geht und deshalb
genaue          rechtliche      Vorgaben        vonnöten       sind,       um   Transparenz,
Nichtdiskriminierung der Anbieter (Untersagen der „Freunderlwirtschaft“) und
eine lautere Vorgangsweise bei der Vergabe zu garantieren. Es bedarf daher
auch eigener effizienter Rechtsschutzeinrichtungen.24

2.4 Entwicklung im europäischen Recht

Die Europäische Union hat sich seit ihrer Gründung zum Ziel gesetzt, einen
sogenannten gemeinsamen Markt auf dem Gebiet der Mitgliedsstaaten zu
erreichen. Dieser Binnenmarkt soll einen fairen, grenzüberschreitenden
Wettbewerb          ermöglichen        und     es     muss      daher      schädlichen   und
protektionistischen Praktiken entgegen gewirkt werden. Vor allem im Bereich
der öffentlichen Auftragsvergabe führen protektionistische Vorgehensweisen
und nationale Gepflogenheiten zu einer Abschottung der nationalen Märkte.
Öffentliche Aufträge werden nur ungern an AusländerInnen vergeben.

Wesentlich für das Gelingen des gemeinsamen Marktes ist es daher, die
nationalen Märkte für Unternehmen aus allen Mitgliedsstaaten zu öffnen. Da –
wie unter 1. gezeigt - das Volumen der öffentlichen Beschaffungen
wirtschaftlich       bedeutsam        ist,   hat    in    diesem         Zusammenhang    das
Beschaffungswesen eine besondere Bedeutung und auch wenn es im EG-
Vertrag nicht explizit als einer der „gemeinschaftlichen“ Politikbereiche“ genannt

23   Höfferer, Vergaberecht als praktikables Regulativ- Theoretische Überlegungen und
empirische Befunde, 2014.

24   Gruber- Hirschbrich, Vergaberecht graphisch dargestellt4 2014, 1.
                                                                                          19
ist, so muss es dennoch als ein wichtiger Teil zur Verwirklichung eines
innergemeinschaftlichen Binnenmarktes gesehen werden.

2.5 Umsetzung ins österreichische Recht

2.5.1 Die Ursprünge des Bundesvergabegesetzes:

In     der   Entwicklung     des    österreichischen    Vergaberechtes       bildete   die
Submissionsverordnung von 1909 einen ersten Höhepunkt. Dieses auch als
Submissionsregulativ bzw. Vergabeordnung genannte Gesetz trat am 3.4.1909
betreffend staatlicher Leistungen und Arbeiten in Kraft und ging im Jahr 1918 in
den Gesetzesbestand der ersten Republik über. Nach Ende des zweiten
Weltkrieges wurde die Submissionsverordnung in Österreich wieder eingeführt.
Erst durch den Ministerratsbeschluss im Jahre 1963 wurde in weiterer Folge die
ÖNORM A 2050 zur Anwendung gebracht.25 Gleichzeitig wurde die
Submissionsverordnung von 1909 außer Kraft gesetzt.

2.5.2 Österreich und der europäische Wirtschaftsraum

Aufgrund des Beitritts von Österreich zum Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) am 1.1.1994 mussten gemeinschaftsrechtliche                    Bestimmungen im
nationalen       Recht     verankert     werden.26     Daher      mussten     auch     die
Vergaberichtlinien in nationales Recht umgesetzt werden. Eine dieser
Bestimmungen          beinhaltete      die   Vergaberichtlinien     der     Europäischen
Gemeinschaft.

25   ÖNORM A 2050 "Vergebung von Leistungen" vom 30. März 1957.

26   Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz –BvergG 1993) BGBl
462/1993.
                                                                                       20
Im       Bereich      des    öffentlichen      Auftragswesens      entstanden       so         das
Bundesvergabegesetz 1993 und neun Landesvergabegesetze.27 In der
weiteren Entwicklung wurde das Bundesvergabegesetz 1993 novelliert und als
Bundesvergabegesetz                 1997       wieder      verlautbart.28         Auf          das
Bundesvergabegesetz 1997 folgte nach fünf Novellierungen schließlich das
Bundesvergabegesetz 2002 (kurz BVergG 2002). Mit dem BVergG 2002 ist es
erstmals gelungen, ein einheitliches Vergabeinstrument für Bund, Länder und
Gemeinden zu schaffen. Die Organisation des Rechtsschutzes blieb aber wie
bisher aufgeteilt zwischen Bund und Ländern.

Vor      In-Kraft-Treten      des    BVergG     2002    gab   es    in   Österreich           zehn
Vergabegesetze, ein Bundesvergabegesetz und neun Landesvergabegesetze.
Die       ÖNORM         2050       bildete    zwar   die   Grundlage        der     einzelnen
Vergabeordnungen, hatte aber keinen verbindlichen Charakter. Rechtlich
verbindlich wurde sie erst durch eine Erklärung des Auftraggebers. Die große
Rechtszersplitterung in Form der Kompetenzverteilung auf Bund und Länder
machte eine Vereinheitlichung für das Vergabewesen sehr schwierig.

2.5.3 Innerstaatliche Kompetenzverteilung

Durch Änderung der österreichischen Bundesverfassung im Jahr 2002 wurde
die Kompetenzverteilung bezüglich des öffentlichen Auftragswesens neu
geregelt       und     verteilt.    Im     Bundesverfassungsgesetz       Artikel        14b     ist
festgeschrieben, dass die Gesetzgebung im Zusammenhang mit öffentlichen
Aufträgen einheitlich für Bund, Länder und Gemeinden zu regeln ist. Dies war
die Grundlage für ein einheitliches materielles Vergaberecht für den Bund, die
Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige öffentliche
Auftraggeber.

27   Gruber- Hirschbrich, Vergaberecht4, 2.

28   Kundmachung des Bundeskanzlers, mit der das Bundesvergabegesetz wiederverlautbart
wird BGBl 56/1997.
                                                                                                21
Nach dem Bundesvergabegesetz 200229 kam es dann bereits 2006 zu einer
Novellierung, seit damals gibt es das BVergG 2006,30 das in der Zwischenzeit
vielfach geändert wurde, oftmals wurden die Wertgrenzen angepasst. Die letzte
inhaltlich maßgebliche Änderung fand mit der Novelle 2015 statt.31 In dieser
Novelle wurde das Bestbieterprinzip als das leitende Zuschlagsprinzip
etabliert.32

Nunmehr         ist    das      Vergaberecht      aufgrund       der    Umsetzung        des
„Vergaberichtlinienpaketes“ aus 2014 neuerlich zu novellieren. Obwohl die
Umsetzungsfrist schon im Jahr 2016 abgelaufen ist, liegt bisher erst ein Entwurf
zu einem neuen Bundesvergabegesetz (Vergaberechtsreformgesetz 2017)
vor.33

29   Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie des Bundesgesetzes über die Errichtung
einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Erlassung eines
Bundesvergabegesetzes 2002, BGBl 99/2002.

30   Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG
2006), BGBl 17/2006.

31
     Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 2006 und das Bundesvergabegesetz
Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden, BGBl. 7/2016.

32   Siehe § 79 Abs 3 BVergG.

33    Bundesgesetz,   mit    dem   ein   Bundesgesetz   über   die   Vergabe   von   Aufträgen
(Bundesvergabegesetz 2017), ein Bundesgesetz über die Vergabe von Konzessionsverträgen
(Bundesvergabegesetz Konzessionen 2017 – BVergGKonz 2017) und ein Bundesgesetz über
die Regelung des Rechtsschutzes für Vergaben des Bundes im Öffentlichen Personenverkehr
(Bundesvergaberechtsschutzgesetz Öffentlicher Personenverkehr – BVRG-ÖPV) erlassen
werden sowie das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert wird
(Vergaberechtsreformgesetz                                                              2017),
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_01658/index.shtml (abgefragt am 17.6.2017).

                                                                                           22
3 Soziale Kriterien im Vergaberecht
3.1 Was         versteht       man     unter     sozialen      Kriterien        im    Kontext       des
          Vergaberechts?

Sozial –und Qualitätskriterien werden in der Literatur als „vergabefremde“ oder
sekundäre          Kriterien    bezeichnet,        man      findet    auch      die    Bezeichnung
Sekundärzweck.

Es       handelt     sich      um    ein    kontrovers       diskutiertes       Thema,       da     das
Beschaffungswesen               doch       hauptsächlich        das      Ziel        der     möglichst
(kosten)effizienten Beschaffung verfolgt. Andererseits ist es aber nicht von der
Hand zu weisen, dass der Staat/ die öffentliche Hand auch als „role Model“ zu
fungieren hat und auch über den reinen Beschaffungsprozess hinausgehende
Ziele zu verfolgen hat.34

3.2 Definition von „Sozial- Kriterien“:

Es findet sich keine abschließende Definition und Kategorisierung solcher
Kriterien, die Europäische Kommission hat in ihrem Leitfaden für eine
sozialorientierte Beschaffung aus dem Jahr 2010 jedoch dargelegt, welche
Vorstellungen           sie     von        einem         sozialverantwortlichen            öffentlichen
Beschaffungswesen hat.35 Auch wenn es sich dabei um nicht bindendes „soft
law“ handelt, so ist die Signifikanz dieses Dokumentes doch hoch einzustufen.

Die Europäische Kommission verwendet den Begriff „Sozialverantwortliches
öffentliches       Beschaffungswesen“            SRPP        (Socially    Responsable             Public
Procurement).          Darunter       versteht     sie     Beschaffungsmethoden,             die    auf
mindestens eine der folgenden sozialen Belange ausgerichtet sind:

34   Mitterlehner, Qualitätskriterien bei der Beauftragung zur Erbringung sozialer Dienstleistungen,
Public Social Responsibility Institut, 2015, 75, http://arbeitplus.at/wordpress/wp-
content/uploads/2015/10/PSR-Studie_Quartettstudie.pdf (abgefragt am 17.6.2017).

35   Europäische Kommission, GD Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit,
Sozialorientierte Beschaffung (2010), 7 ff.
                                                                                                     23
   Beschäftigungschancen

         Menschenwürdige Arbeit

         Einhaltung von arbeitsrechtlichen und sozialen Bestimmungen

         Soziale Eingliederung (einschließlich Menschen mit Behinderungen)

         Chancengleichheit

         Barrierefreiheit und „Design für alle“

         Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien

         Einbeziehung von fairem Handel

         Größere freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen zu sozialer
          Verantwortung (CSR-Corporate Social Responsibility)

SRPP wird von der Kommission als leistungsfähige Strategie sowohl für die
Förderung von nachhaltiger Entwicklung als auch für die Erreichung der
Sozialziele der EU und ihrer Mitgliedsstaaten betrachtet.36 SRPP deckt ein
breites Spektrum von sozialen Belangen ab, die von den öffentlichen
Auftraggebern im jeweiligen Stadium des Beschaffungsprozesses beachtet
werden können. Die Europäische Kommission schlägt daher bestimmte
Themenblöcke           samt      Teilaspekten       vor,    die    im     Rahmen       eines
Beschaffungsprozesses berücksichtigt werden können. Es ist dabei zu
beachten, dass viele der genannten Punkte naturgemäß nur in bestimmten
Stadien des Beschaffungsprozesses berücksichtigt werden können. Darüber
hinaus        sollen    die    öffentlichen     Auftraggeber      in    Abhängigkeit    des
Vertragsgegenstandes und der Zielsetzungen von Fall zu Fall entscheiden,
welche Erwägungen zum Tragen kommen sollen.

Folgende soziale Belange können daher relevant für das Beschaffungswesen
sein:

36   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 10.
                                                                                         24
1. Förderung von „Beschäftigungschancen“37

Darunter fallen:

Förderung der Jugendbeschäftigung

Förderung der Gleichbehandlung der Geschlechter (z.B. Vereinbarkeit von
Beruf und Privatleben, Bekämpfung von branchenspezifischer und beruflicher
Trennung, usw.)

Förderung von Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose und ältere
ArbeitnehmerInnen

Diversitätsstrategien          und       Beschäftigungschancen            für     Angehörige
benachteiligter        Gruppen       (z.B.   Zuwanderer,          ethnische     und   religiöse
Minderheiten, Menschen mit geringem Bildungsniveau usw.)

Förderung der Beschäftigungschancen von Menschen mit Behinderung durch
Schaffung eines barrierefreien Arbeitsumfelds, das durch soziale Eingliederung
gekennzeichnet ist.

      2. Förderung von „menschenwürdiger Arbeit“ 38

Menschen haben das Recht auf eine produktive Beschäftigung, die sie in freier
Wahl,       unter   sicheren     Arbeitsverhältnissen      und      im   Einklang     mit   der
Menschenwürde ausüben können.39

Es geht daher um folgende Elemente:

         Das Recht auf produktive Arbeit,

         die in freier Wahl ausgeübt wird.

37   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 10.

38   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 7.

39   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 8.
                                                                                            25
   Den Grundprinzipien und Rechten am Arbeitsplatz,

         einem fairen Einkommen,

         Sozialschutz und

         dem sozialen Dialog.

         Die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Nichtdiskriminierung sind
          ebenfalls Teil des Konzeptes „menschenwürdiger Arbeit“.

Im Konzept von SRPP sind daher folgende Aspekte wichtig:

                 Einhaltung der Kern- Arbeitsstandards40

                 Faire Bezahlung

                 Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz

                 Sozialer Dialog

                 Fortbildungsmöglichkeiten

                 Gleichstellung der Geschlechter und Nichtdiskriminierung

                 Anspruch auf soziale Grundsicherung

      3. Förderung der Einhaltung von „arbeitsrechtlichen und sozialen
          Bestimmungen“,41 darunter fallen:

          Einhaltung der nationalen Gesetzgebung sowie von Tarifverträgen, die
          dem EU- Recht entsprechen

40   Die Kernarbeitsstandards der ILO verbieten Zwangsarbeit, Kinderarbeit und etablieren das
Recht auf Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie sowie Antidiskriminierung in Arbeits- und
Beschäftigungsfragen, siehe Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung (2010), 8
mit Nachweisen zu den einzelnen ILO- Konventionen.

41   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 8.
                                                                                                26
Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung von Frauen und
          Männern, einschließlich des Grundsatzes der gleichen Vergütung für
          gleiche Arbeit, sowie der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter

          Einhaltung der Gesetze zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz

          Bekämpfung         der   Diskriminierung     aus       anderen     Gründen      (Alter,
          Behinderung,        Rasse,    Religion     oder        Weltanschauung,       sexuelle
          Ausrichtung usw.) und Schaffung von Chancengleichheit.

      4. Unterstützung von „sozialer Eingliederung“ und Förderung von
          Organisationen der Sozialwirtschaft,42 darunter:

          Gleichberechtigter Zugang zu öffentlichen Aufträgen für Unternehmen,
          die   sich    im    Besitz   von    Angehörigen         ethnischer   und     anderer
          Minderheitengruppen          befinden      oder        ethnische     oder     andere
          Minderheitengruppen beschäftigen (z. B. Genossenschaften, sozial
          orientierte und gemeinnützige Unternehmen)

          Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen,
          einschließlich der Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit auf dem
          regulären Arbeitsmarkt.

      5. Förderung von „Barrierefreiheit und Design für alle“:43

      Aufnahme von           Bestimmungen in die Leistungsbeschreibungen,                    die
      Menschen mit Behinderungen den sicheren Zugang zu öffentlichen

42   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 8.

43   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 9, mit weiteren Nachweisen,
insbesondere auf das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der
Vereinten Nationen und den Abschluss des Einkommens durch die Europäische Gemeinschaft.
                                                                                              27
Dienstleistungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, öffentlichen Informationen
      sowie zu Informations- und Kommunikationstechnologie- Produkten und –
      Dienstleistungen. Es geht darum, dass Produkte und Dienstleistungen für
      alle Menschen zugänglich sein müssen.

      6. Berücksichtigung von Aspekten des „fairen Handels“,44 darunter fallen:

      Die     Möglichkeit,    Ausschreibungen        und    Verträge   unter   bestimmten
      Voraussetzungen auf den fairen Handel auszurichten.

      Eine größere freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen zu „Sozialer
      Verantwortung“, in dem sie sich etwa CSR- Reglements unterwerfen, die
      beinhalten, dass sie im Tagesgeschäft unaufgefordert über das gesetzlich
      fixierte Maß hinaus soziale und ökologische Ziele verfolgen und danach
      handeln.

      7. Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und die Förderung und Achtung
            der Menschenrechte

      8. Förderung von KMU (Klein- und Mittelunternehmen) in Hinblick auf eine
            Verbindung der oben genannten Erwägungen:

      Schaffung von Anreizen, die KMU verstärkt an öffentlichen Ausschreibungen
      teilnehmen lassen, z.B. Kostensenkungen oder Abbau von Hürden, die der
      Verwirklichung von SRPP- Chancen entgegen stehen könnten. Dies lässt
      sich etwa durch möglichst überschaubare Verträge erreichen, die keine
      Teilnahmehindernisse          für    KMU       darstellen,    angemessen        lange
      Ausschreibungsdauern,         Einhaltung      der    Zahlungsziele,   Wahrung    der

44   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 9.
                                                                                        28
Verhältnismäßigkeit           bei      der   Festlegung    von   Kompetenzen   und
      wirtschaftlichen Erfordernissen.45

      Chancengleichheit durch Förderung der Vergabe von Unteraufträgen 46

      Es geht um die Möglichkeit der Schaffung von Chancengleichheit durch
      Förderung der Vergabe von Subaufträgen an kleine und mittlere
      Unternehmen. Dies ist ein umstrittenes Thema: einerseits soll es kleinen
      und mittleren Unternehmen ermöglicht werden, als Subunternehmer an
      großen Ausschreibungen teilnehmen zu können und wirtschaftlich davon
      profitieren zu können.47 Andererseits kann es aber gerade für kleine und
      mittlere Unternehmen schwieriger sein, andere Sozialkriterien erfüllen zu
      können. So können sie aufgrund der geringeren ArbeitnehmerInnenanzahl
      etwa Vorgaben hinsichtlich der sozialen Eingliederung (Beschäftigung von
      Langzeitarbeitslosen, Förderung der Gleichstellung der Geschlechter)
      schlechter erfüllen. Streng gesehen könnte daher eine soziale Vergabe im
      Sinne einer KMU- Förderung sogar zum Nachteil für die allgemeine soziale
      Dimension der Leistung werden.48

Zusammengefasst können daher folgende Aspekte im Rahmen einer
sozialverantwortlichen Vergabe berücksichtigt werden:

          Einhaltung von arbeitsrechtlichen Vorgaben, unter anderem der
           Kernarbeitsstandards der ILO (z.B. das Verbot von ausbeuterischer
           Kinderarbeit und Zwangsarbeit)

45   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 9.

46   auch §§ 83 BVergG.

47   Europäische Kommission, Sozialorientierte Beschaffung, 9.

48   Mitterlehner, Qualitätskriterien, 79.
                                                                                      29
   Faire   Entlohnung,        Tarifgebundenheit/     Schutz    tarifvertraglicher
       Arbeitsbedingungen

      Förderung der Beschäftigungschancen und von Arbeitsplätzen (z.B. von
       Jugend- und Langzeitarbeitslosen, für Angehörige benachteiligter
       Gruppen, ältere Arbeitnehmer, Menschen mit Migrationshintergrund,
       Menschen mit Behinderungen)

      Arbeitsplatzsicherheit (Übernahme von Personal)

      Bildung, Qualifikation und Fortbildungsmöglichkeiten

      Gleichstellungsaspekte       (Förderung     der      Gleichbehandlung     der
       Geschlechter, etwa bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben)

      Sicherheit

      Gesundheit

      Qualität am Arbeitsplatz

      KMU: Schaffung von Chancengleichheit durch Förderung der Vergabe
       von Subaufträgen

      Fair Trade: Verbesserung der Herstellungsbedingungen in Entwicklungs-
       und Schwellenländern

3.2.1 Vorteile sozialverantwortlicher Beschaffung (SRPP)

Welche potentiellen Vorteile bietet nun eine sozialverantwortliche Beschaffung
(SRPP)?

      Förderung    der   Einhaltung      von    arbeits-    und   sozialrechtlichen
       Bestimmungen, einschließlich eines einschlägigen nationalen und
       internationalen Engagements und politischer Agenden: SRPP kann zu
       einer verstärkten Umsetzung von nationalen und internationalen Zielen
       im Hinblick auf eine sozialere Entwicklung beitragen. Es kann so
       verstärkt das Synergiepotential von sozialen und wirtschaftlichen
       Faktoren gehoben werden.

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