TOOLBOX MENSCHENRECHTSBILDUNG AN VOLKSSCHULEN - Simone Philipp, Barbara Schmiedl

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TOOLBOX MENSCHENRECHTSBILDUNG AN VOLKSSCHULEN - Simone Philipp, Barbara Schmiedl
TOOLBOX
MENSCHENRECHTSBILDUNG
   AN VOLKSSCHULEN
                      Simone Philipp, Barbara Schmiedl

 Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie
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Mit Dank an Irma Zulić-Joyce, Andrea Sternad, Martin Mauerhofer und Livia Philipp
       für ihre Unterstützung beim Materialsammeln, Ordnen und Basteln.

Das Projekt UNSERE MENSCHENRECHTSSCHULE wird vom Land Steiermark,
                Abt. 6 – Bildung und Gesellschaft, gefördert.
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1. Was ist eine Menschenrechtsschule?
     1.1     Idee, Ziele und Konzept
     1.2     Die AkteurInnen der Menschenrechtsschule
     1.3     Menschenrechtsschule in der Menschenrechtsstadt

2. Wie wird unsere Schule eine Menschenrechtsschule?
     2.1     Selbstverpflichtung
     2.2     Bestandsaufnahme und Evaluation
     2.3     Schulung, Consulting, Monitoring, Vernetzung

3. Toolbox
     3.1     Methodische Grundlagen der Menschenrechtsbildung
     3.2     1. Schulstufe: Vom Ich zum Du zum Wir
     3.3     2. Schulstufe: Bedürfnisse und Rechte
     3.4     3. Schulstufe: Menschenrechtsschule in der Menschenrechtsstadt
     3.5     4. Schulstufe: Rechte und Partizipation

4. Service
     4.1     AnsprechpartnerInnen
     4.2     Allgemeine Literatur und Links
     4.3     Menschenrechtsbibliothek des ETC Graz
     4.4     Fördermöglichkeiten für Menschenrechtsprojekte an Volksschulen

5. ETC Graz - Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für
   Menschenrechte und Demokratie
     5.1     Arbeitsbereich
     5.2     Kontakt und Impressum
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UNSERE MENSCHENRECHTSSCHULE
                                   Was ist eine Menschenrechtsschule?

Was ist eine Menschenrechtsschule?

1.1 Idee, Ziele und Konzept
Menschenrechtslernen ist jede Form des Lernens, die Wissen über Menschenrechte,
Einstellungen und Haltungen den Menschenrechten gegenüber sowie Fähigkeiten und
Fertigkeiten zu ihrer Durchsetzung entwickelt und zum Handeln ermutigt. Die
Lebenswelt Schule mit ihrem internen und externen Beziehungsgeflecht bildet den
Rahmen, innerhalb dessen SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern eine „Kultur der
Menschenrechte“ erfahren und erleben können. Hier hakt UNSERE
MENSCHENRECHTSSCHULE ein: Im Projekt geht es um nichts Anderes und um
nicht weniger, als gemeinsam mit allen AkteurInnen ein Umfeld zu schaffen, in dem
die Menschenrechte und Kinderrechte grundlegendes Prinzip und Handlungsanleitung
sind und jede/r sich dessen bewusst ist und im schulischen Alltag demgemäß handelt.

Ideen, Vorstellungen und Konzepte, wie Menschenrechte und Kinderrechte gelehrt
und gelernt werden, gibt es unzählige, dennoch dominieren in der Praxis die
punktuellen Veranstaltungen – Fortbildungsseminare für Lehrkräfte und
SchulleiterInnen, Workshops oder Projekte in einzelnen Klassen, klassenübergreifend
Aktionstage anlässlich internationaler Gedenktage oder im Rahmen von
Schulnetzwerken (wie beispielsweise den UNESCO-Schulen). Einen guten Überblick
über Angebote und AnbieterInnen in der Steiermark geben etwa die
Fortbildungskataloge der Pädagogischen Hochschulen auf LehrerInnenseite sowie der
Workshopkatalog der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus mit seinem breiten
Angebot für Kinder und Jugendliche1. So verdienstvoll und erfreulich dieses breite
Angebot im Einzelnen auch ist, sehen wir allerdings aufgrund unserer Forschungen
und Erfahrungen in der Menschenrechtsbildung auch ein wesentliches Manko damit
verbunden: Durch die Fragmentierung und mehr oder weniger Zufälligkeit von
Angebot und Nachfrage erfolgt kaum je eine systematische Einbindung und
Umsetzung, geschweige denn eine Institutionalisierung von Menschenrechtsbildung in
der Schule. Wieviel Nachhaltigkeit diesen Bemühungen beschieden ist, hängt damit
fast ausschließlich von der Initiative und dem Engagement Einzelner ab.

UNSERE MENSCHENRECHTSSCHULE geht einen anderen Weg: Als langfristiges
Konzept mit einer Vielzahl von unspektakulären kleinen Maßnahmen, die wie Rädchen
ineinandergreifen, verankert es sich nicht nur in den Hirnen und Herzen der
AkteurInnen, sondern auch im schulischen Alltag und im Curriculum. Es sucht sich
seine Anknüpfungspunkte im regulären Unterricht in allen Schulstufen, entlastet so
von dem Druck, in einen Workshop möglichst viel „hineinstopfen“ zu müssen, weil
dieser die einzige Gelegenheit ist, die SchülerInnen mit dem Thema zu konfrontieren,
und unterstützt die LehrerInnen darin, Menschenrechte und Kinderrechte in kleinen
Einheiten, dafür aber regelmäßig in den Unterricht einzubringen. Auf diese Weise
versucht das Projekt, der Folgenlosigkeit von Menschenrechtslernen

1 ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus (2019), Workshopkatalog. https://www.argejugend.at/wp-
content/uploads/2016/06/Workshopkatalog1718Apr19v3.pdf
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entgegenzuwirken, wenn Menschenrechte oder Kinderrechte als Teil eines
Schulfachs, als „Lernstoff“ angesehen und nach erfolgreicher Absolvierung abgehakt
und wieder vergessen werden.2

ZIELE

     Alle Beteiligten am schulischen Bildungsprozess (SchülerInnen, LehrerInnen,
      DirektorIn, Eltern) leben eine Kultur der Menschenrechte, die Kinder- und
      Menschenrechte als Grundlage und Richtlinie schulischen Handelns sieht.
     Alle Beteiligten kennen ihre Rechte, respektieren die Rechte der anderen und
      sind bereit und fähig, gegebenenfalls für ihre eigenen Rechte ebenso wie für
      die Rechte anderer einzutreten.

Erreicht werden die Ziele der Menschenrechtsschule durch partizipative Workshops
mit den SchülerInnen, Information und Fortbildungen für Direktorin und LehrerInnen,
angestrebt wird zudem eine kontinuierliche Befassung mit menschen- bzw.
kinderrechtlichen Themen im Laufe jedes Schuljahrs und Jahrgangs entlang von
Leitlinien und Materialien, welche der Schule zur Verfügung gestellt werden.

In einer Erhebungsphase im Schuljahr 2012/13 wurden in Workshops mit den 4.
Klassen der Volksschule Geidorf schulspezifische Schwerpunkte erhoben und
bearbeitet, LehrerInnen und Direktorin erfuhren eine erste Projekteinführung. Die
Vorlaufphase brachte nicht nur Anerkennung (2. Platz in der Kategorie Volksschulen,
Fairness Award 2013 des BMUKK), sondern vor allem auch aus Feedback und
Evaluation wichtige Erkenntnisse, die in die weitere Projektplanung eingeflossen sind.

Im Einzelnen werden in den Schuljahren 2013/14 und 2014/15 ein Curriculum für alle
Jahrgänge auf Basis der Ergebnisse der Vorlaufphase erstellt sowie ein Workshop-
und Projektschwerpunkt "Unsere Menschenrechtsschule in der Menschenrechtsstadt"
in den dritten Klassen und eine Fortbildungsveranstaltung mit LehrerInnen und
Direktorin durchgeführt.

Zur Unterstützung der LehrerInnen wird der Prototyp dieser Kinderrechtstoolbox mit
Unterrichtsplänen, Materialien und Zusatzinformationen für die LehrerInnen erarbeitet
und der Volksschule Geidorf zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. In der
Menschenrechtsbibliothek des ETC Graz wird ein frei zugänglicher Handapparat zum
Thema "Menschenrechtsbildung in der Primarstufe" eingerichtet.

Die Eltern werden über Informationsschreiben, Elternverein und Präsenz bei
schulischen Terminen (z.B. Elternsprechtag) in den Prozess eingebunden. Zur
weiteren Information und Verbreitung über die Pilotschule hinaus, zur Vernetzung

2 Eva Bravc, Ingrid Nicoletti, Simone Philipp, Klaus Starl (2011), MENSCHEN.RECHTE.BILDUNG - Eine qualitative Evaluation
von Menschenrechtsbildung in allgemeinbildenden höheren Schulen. http://www.etc-graz.at/typo3/fileadmin/user_upload/ETC-
Hauptseite/Programm/Aktuelles/aktuell_ab_201108/M-R-B-Bericht2011-Web.pdf
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sowie für die leichtere Zugänglichkeit von Literatur, Toolbox und Unterrichtsmaterialien
wird zudem die Website www.menschenrechtsschule.at konzipiert und eingerichtet.

Auf Basis des Feedbacks aus der Pilotschule VS Geidorf wird der Prototyp der
Toolbox überarbeitet, getestet, wo nötig angepasst und in Folge auch weiteren
interessierten Schulen zur Verfügung gestellt.

1.2 Die AkteurInnen der Menschenrechtsschule
Die Schule als Lebenswelt ermöglicht es als überschaubarer und von allen
AkteurInnen gestaltbarer Raum wie kein anderer, Menschenrechte als gelebten Alltag
erfahrbar zu machen, die Möglichkeit ihrer Umsetzung allen AkteurInnen zu vermitteln
und alle AkteurInnen in ihrer Verantwortung für das Gelingen des Projekts
einzubinden: Für die SchülerInnen bildet die Erfahrung der Menschenrechtsschule
eine Grundlage für und Einübung in partizipatorisches Gestalten einer demokratischen
Gesellschaft und die Möglichkeit, zukunftsorientierte Kompetenzen zu erwerben. Für
die LehrerInnen und die Direktorin bietet die Menschenrechtsschule ein handhabbares
Denk- und Erfahrungsmodell, um das Zusammenleben in der Schule und die nicht
ausbleibenden Konflikte mithilfe eines menschenrechtlichen Instrumentariums zu
strukturieren und zu bearbeiten.

Im Zentrum der Menschenrechtsschule stehen die Menschen - jene Menschen, die in
der Schule miteinander, voneinander und manchmal auch gegeneinander lernen und
arbeiten:
    die Schülerinnen und Schüler,
    die LehrerInnen und Lehrer,
    die Schulleiterin,
    die Betreuerinnen und Betreuer in der Nachmittagsbetreuung,
    nicht zu vergessen auch das nichtpädagogische Personal sowie
    die Eltern.

Eine Menschenrechtsschule erfolgreich umzusetzen bedeutet, einen Prozess zu
starten, an dem alle Akteurinnen und Akteure in einem Klima der Wertschätzung je
nach ihren Möglichkeiten von Anfang an teilnehmen und in den sie auf
unterschiedliche Weise eingebunden sind und gemeinsam ein schulisches Umfeld
schaffen, das die Verwirklichung des Rechts auf Bildung, wie es im Artikel 26 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bereits 1948 formuliert wurde, ermöglicht:
„Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die
Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein.
Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und
allen ‚rassischen‘ oder religiösen Gruppen beitragen.“ Wenn Bildung der Schlüssel zu
den Menschenrechten ist, wie die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin zum Recht
auf Bildung, Katarina Tomaševski, postulierte, braucht sie dafür auch entsprechende
Rahmenbedingungen. UNSERE MENSCHENRECHTSSCHULE versucht diese
Rahmenbedingungen zunächst an einer Pilotschule zu schaffen und zu evaluieren.
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Das Projekt versteht sich als mehrjähriger Prozess mit dem Ziel, dass
   die SchülerInnen am Ende ihrer Volksschulzeit die wichtigsten Kinderrechte
      kennen und deren konkrete Umsetzung im täglichen Schulleben erfahren und
      geübt haben,
   die Schulleiterin konkretes Wissen über Menschen- und Kinderrechte als
      Leitprinzipien von Schulorganisation erworben und an der Schule umgesetzt
      hat,
   die LehrerInnen und BetreuerInnen die Grundlagen der Kinder- und
      Menschenrechte kennen und das methodische Rüstzeug für die Umsetzung im
      Unterricht erworben haben und
   die Eltern in den Prozess eingebunden sind.

1.3 Menschenrechtsschule in der Menschenrechtsstadt
Es ist ein Ziel, vor allem auch für VerantwortungsträgerInnen in Körperschaften,
Organisationen und Vereinen, die für die Menschenrechte relevanten Normen im Alltagsleben
der Stadt zu beachten und wirksam werden zu lassen.
Menschenrechtserklärung der Stadt Graz, Gemeinderatsbeschluss 2001

Die Stadt Graz hat sich, nach einem etwa eineinhalbjährigen Vorbereitungsprozess im
Jahr 2001 mit einem einstimmig gefällten Gemeinderatsbeschluss zur
Menschenrechtsstadt erklärt. Im weltweiten Netzwerk der Menschenrechtsstädte war
sie damit die erste in Europa, in Österreich folgten inzwischen Salzburg und Wien
ihrem Beispiel. Ganz im Gegensatz zu der häufig vertretenen Ansicht,
„Menschenrechtsstadt“ sei ein Titel, verliehen für vergangene Verdienste, weist die
Menschenrechtserklärung der Stadt Graz jedoch in die Zukunft: Sie ist eine
Selbstverpflichtung der Stadt und ihrer Organe. Bereits in der
Menschenrechtsstadterklärung wurde die Menschenrechtsbildung als notwendiges
und grundlegendes Element einer Menschenrechtsstadt benannt und ihre drei
wesentlichen Dimensionen, die kognitive Dimension („Ich kenne meine Rechte und die
der/des Anderen.“), die Einstellungsdimension („Ich respektiere die Rechte und Würde
der/des Anderen.“) und die Verhaltensdimension („Ich trete selbstbewusst für
Menschenrechte und Menschenwürde ein.“), angesprochen.3 Die Umsetzung der
internationalen Menschenrechtsstandards auf lokaler Ebene, das „Herunterholen“ der
Ideen und Normen in den Alltag ist somit weitgehend Aufgabe der Bildung und ihrer
Institutionen. Doch wie kann diese Verankerung der Menschenrecht im Alltag
gelingen?

Aus der 2011 vom ETC im Rahmen von Sparkling Science durchgeführten Studie
MENSCHEN.RECHTE.BILDUNG - Eine qualitative Evaluation von
Menschenrechtsbildung in allgemeinbildenden höheren Schulen geht hervor, dass es
weitgehend vom Engagement der betreffenden Lehrperson abhängt, inwieweit

3 Vgl. Joachim Hainzl (2011), Strategien und Maßnahmen für die kommunale Menschenrechtsbildung in der
Menschenrechtsstadt Graz. https://www.graz.at/cms/dokumente/10284089_7771489/fa2ae021/2011-
10_HAINZL_Menschenrechtsbildungsstrategie.pdf
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Menschenrechte im Unterricht thematisiert werden. Nach konkreten Menschenrechten
gefragt, fällt den meisten SchülerInnen das Recht auf Freiheit,
Meinungsäußerungsfreiheit, Recht auf Bildung und Religionsfreiheit ein. Sie erinnern
sich allerdings nur vage an bestimmte Unterrichtsinhalte. Auch wenn die Jugendlichen
in ihrer Argumentation – beispielsweise gegen ein Kopftuchverbot an Schulen – auf
Werte der persönlichen Freiheit und religiöse Selbstbestimmung zurückgreifen, setzen
sie die Menschenrechte selten bewusst mit ihrem alltäglichen Lebensumfeld in
Beziehung. Menschenrechtsverletzungen werden eher mit fernen Ländern assoziiert
als in klasseninternem Mobbing erkannt.4

Hier setzt UNSERE MENSCHENRECHTSSCHULE mit Themen und Inhalten, vor
allem aber mit der konsequenten und kontinuierlichen Auseinandersetzung und der
Verankerung im System Schule an. Die Präsentation nicht als einmaliges
Unterrichtserlebnis, sondern wiederholt innerhalb des regulären Curriculums und im
Idealfall das Erleben einer „Kultur der Menschenrechte“ tragen zu Verankerung und
Selbstverständlichkeit der Menschenrechte und Kinderrechte bei.

4 Vgl. MENSCHEN.RECHTE.BILDUNG, S. 5.
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2.    Wie wird unsere Schule eine Menschenrechtsschule?

2.1 Selbstverpflichtung
„Menschenrechtsschule“ ist kein Titel, keine Anerkennung, die einer Schule von außen
verliehen wird. Menschenrechtsschule zu sein ist ein Instrument und ein Weg, um ein
Schulklima zu schaffen und aufrechtzuerhalten, in dem die Menschenrechte aller in
der Schule lernenden und arbeitenden Menschen geachtet und respektiert werden
und in dem sich auch alle dafür verantwortlich fühlen, diese „Kultur der
Menschenrechte“ zu schaffen, zu fördern und gedeihen zu lassen.
Menschenrechtsschule zu sein ist ein Prozess, zu dem sich alle in der Schule
lernenden und arbeitenden Menschen verpflichten - Menschenrechtsschule sein zu
wollen muss aus der Schule selbst kommen. Die Idee eine Menschenrechtsschule
kann von außen an die Schule herangetragen werden, die Schule kann sich auf ihrem
Weg Unterstützung von außen sichern, der Impetus und die Motivation müssen aber
von innen, aus den Handelnden selbst kommen.

Es ist empfehlenswert, dieser Idee auch eine entsprechende und ansprechende Form
zu verleihen. Dies kann eine formelle Selbstverpflichtung sein, in Form eines
Dokuments, dessen Text in einer Konferenz oder im Schulforum gemeinsam erarbeitet
und beschlossen wird. Um zu verhindern, dass diese Selbstverpflichtung dann in der
Folge als dekorativer Aushang oder Leitbild auf der Schulwebsite unbeachtet
verstaubt, ließen sich kleine Feiern oder Routinen finden, die beispielsweise zu Beginn
eines neuen Schuljahres den „Neuen“ “ an der Schule einen ersten Eindruck von der
Menschenrechtsschule geben und den „Alten“ die Idee und die Selbstverpflichtung
wieder in Erinnerung rufen.

2.2 Bestandsaufnahme und Evaluation
Eine Schule zur Menschenrechtsschule zu machen, sie über einen längeren Zeitraum
als Menschenrechtsschule zu führen, bedarf nicht nur der Überzeugung und des
anfänglichen Impetus - beides muss auch, will man nachhaltig arbeiten, möglichst
über Jahre, aufrechterhalten werden. Um den Erfolg des Projekts
Menschenrechtsschule zu beurteilen, kann und soll man die Einschätzung der
schulischen AkteurInnen heranziehen, um valide Daten zu erhalten, empfiehlt es sich
dabei nicht allein auf informelles Feedback zu setzen, sondern gezielte Erhebungen
am Anfang oder in der Frühphase des Projekts zu machen und diese im Projektverlauf
regelmäßig zu wiederholen, um Veränderungen im Menschenrechtsklima an der
Schule zu dokumentieren. Ziel der Evaluation ist neben der Bewertung der konkreten
Situation an der Schule vor allem die kritische Reflektion derjenigen Kräfte, die das
Menschenrechtsklima innerhalb der Schule beeinflussen, um die Basis für allenfalls
notwendige Maßnahmen und Aktionen zu schaffen.

Für die Erhebung des Menschenrechtsklimas an der Schule schlagen wir das 1999
am Human Rights Resource Center der Universität von Minnesota entwickelte
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Instrument der „Menschenrechtsthermometers“ vor, das mittlerweile in etlichen
Sprachen vorliegt und weltweit eingesetzt wird.5 Die umfangreichere Version für
Lehrkräfte, SchulleiterInnen und Eltern haben wir leicht überarbeitet, sie stützt sich
aber im Wesentlichen auf die im Auftrag der deutschen Amadeu-Antonio-Stiftung
erstellte Übersetzung6. Die Kurzversion des Fragebogens für Schülerinnen und
Schüler haben wir selbst übersetzt und bearbeitet. Da vor allem der Fragebogen für
die Erwachsenen recht komplex ist und aufgrund der Reflexion ein bis zwei Stunden
Zeit erfordert, schlagen wir vor, die Erhebung unter SchulleiterIn und Lehrkräften im
Rahmen von Schulentwicklungs- oder Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen und
die Erhebung unter Eltern im Rahmen von Elternabenden zu initiieren. Insbesondere
die Frage 25 - Vorschlagen von Aktionen und Maßnahmen und das Übernehmen von
Verantwortung für diese - erfordert die Diskussion und Konsensfindung in der Gruppe.

Zusammen mit dem Fragebogen sollte auch eine Kopie der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte ausgegeben werden, da sich die Fragen auf die Artikel der AEMR
beziehen. Die SchülerInnen bekommen den gekürzten und vereinfachten Text der
Allgemeinen Erklärung7, die Erwachsenen den Volltext8.

Alternativ kann die Bestandsaufnahme auch anhand des 2015 vom Zentrum polis –
Politik Lernen in der Schule und dem Boltzmann-Institut für Menschenrechte
herausgegebenen Kinderrechte-Index‘9 und Leitfadens10 erfolgen, der sich auf die
Kinderrechtskonvention (KRK) statt auf die AEMR stützt.

Verfahren

1. Die Teilnehmenden bewerten das Menschenrechtsklima an der Schule, indem sie
den Fragebogen beantworten. Vor dem Ausfüllen des Fragebogens und der
Entwicklung eines Aktionsplans kann es sinnvoll sein, die Teilnehmenden die
Bedingungen an der Schule unter Berücksichtigung der untenstehenden Fragen
genauer untersuchen zu lassen.
2. Die Fragen werden anhand einer Skala von 1 bis 4 bewertet. Wenn Sie die
Auswertung in einer Konferenz oder Fortbildungsveranstaltung machen, erstellen Sie

5 University of Minnesota, Human Rights Resource Center: Taking the Human Rights Temperature of your School.
http://hrlibrary.umn.edu/edumat/hreduseries/hrhandbook/activities/18.htm
6 Vgl. Amadeu Antonio-Stiftung (Hrsg.), Unser Haus der Kinderrechte. Menschenrechtsbildung für eine demokratische Kultur. (=
Interkulturelle Beiträge Jugend und Schule No. 8), S. 64ff. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/kinderrechte.pdf

7 30 Punkte für die Menschenrechte. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – Kurzfassung. Hrsg. vom ETC Graz (2012).
http://www.etc-graz.at/typo3/fileadmin/user_upload/ETC-Hauptseite/publikationen/Broschueren/ETC-AEMR-Minifolder-Web.pdf

8Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948.
https://www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/UDHR_Translations/ger.pdf

9 Helmut Sax (2015), Ein Index für Kinderrechte in der Schule. Studie im Rahmen des Pilotprojekts Kinderrechte und Partizipation
– Indikatorenentwicklung im schulischen Kontext. https://www.politik-
lernen.at/dl/lokuJKJKoNOmOJqx4LJK/Forschungsstudie_lektoriert.pdf

10 Karin Ausserer, Ingrid Ausserer, Helmut Sax, Dorothea Steurer, Elisabeth Turek (2015), Kinderrechte-Index in der Schule und
Leitfaden für ein partizipatives Kinderrechte-Monitoring in der Schule. https://www.politik-
lernen.at/dl/pNntJKJKoNOmOJqx4kJK/Kinderrechte_Index_und_Leitfaden_final.pdf
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eine Tabelle an der Tafel oder auf einem Flipchart. Jede/r Teilnehmende soll zu jeder
Frage eine Bewertung abgeben. Berücksichtigen Sie, dass einzelne Teilnehmende
ihre Bewertung nicht öffentlich abgeben möchten. Ziehen Sie daher in Betracht, die
Fragebögen einzusammeln, so dass die Anonymität der Teilnehmenden sichergestellt
ist.
3. Diskutieren Sie die Ergebnisse des Fragebogens in der Gruppe. Bewegen Sie sich
unter Berücksichtigung der Fragen von der Analyse und der Bewertung hin zur
Entwicklung eines Aktionsplans.
a. In welchen Bereichen scheint sich Ihre Schule Menschenrechtsprinzipien
verpflichtet zu fühlen oder sie voranzutreiben?
b. In welchen Bereichen scheint es Menschenrechtsprobleme zu geben? Welche
dieser Bereiche scheinen Ihnen besonders wichtig? Erläutern Sie diese Bereiche,
nennen Sie Beispiele und identifizieren Sie Muster unterschiedlicher
Menschenrechtsverletzungen.
c. Wie erklären Sie sich die Existenz solcher problematischen Bedingungen? Haben
Sie kulturelle, ethnische, geschlechtliche, behinderungsbegründete oder
altersbedingte Dimensionen? Ist die sexuelle Orientierung von Bedeutung? Sind diese
Themen relevant für die Beteiligung an Entscheidungsfindung? Wer hat einen Nutzen,
wer einen Schaden als Ergebnis von bestehenden Menschenrechtverletzungen?
Welche anderen Erklärungen sind zu berücksichtigen?
d. Was haben Sie selbst oder andere an der Schule beteiligte Personen dazu
beigetragen, das bestehende Klima zu schaffen oder zu erhalten (z. B. durch
bestimmte Handlungen bzw. deren Unterlassen)?
e. Waren die Personen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, repräsentativ für die
gesamte Schule?11 Wie können Sie sich bei der Entscheidung, welche
Menschenrechtsbelange auf welche Weise anzusprechen sind, sicher sein, dass
Perspektiven und Erfahrungen verschiedener Personen berücksichtigt werden?
f. Was können Sie und die Gruppe konkret unternehmen, um das
Menschenrechtsklima an der Schule zu verbessern? Welche Aktivitäten können Sie
und Ihre Gruppe durchführen, um eine humanere und gerechtere Umgebung zu
schaffen, in der Menschenrechte gefördert und menschenrechtskonformes Verhalten
praktiziert werden?
4. Betrachten Sie besonders Frage Nr. 25 unter den Gesichtspunkten
Verantwortlichkeit und Handeln. Tragen Sie anschließend als Gruppe
Handlungsmöglichkeiten zusammen, die die Menschenrechtssituation verbessern
könnten. Erarbeiten Sie eine kurze Liste von Aktionsmöglichkeiten. Diskutieren Sie die
Liste gründlich, bevor eine Entscheidung hinsichtlich Aktionen gefällt wird.

11 Wenn die Frage mit NEIN beantwortet wird, muss eine Ausweitung der Befragung ins Auge gefasst werden. Sollte dies nicht
möglich sein, stellen sich folgende Fragen: Würden Sie von einer anderen Gruppe abweichende Ergebnisse erwarten? In welcher
Hinsicht würden sich die Antworten einer anderen Gruppe unterscheiden? Und warum? Sollten diese Unterschiede Sie oder die
Schulgemeinschaft beunruhigen?
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Follow-up

Wählen Sie auf der Grundlage der Gruppendiskussion einzelne Punkte aus und
entwickeln Sie einen Aktionsplan mit festgelegten Zielen, Strategien und
Verantwortlichkeiten.
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             „MENSCHENRECHTSTHERMOMETER“
   Messen wir die „Menschenrechtstemperatur“ unserer
                 Menschenrechtsschule!
Einführung

Die folgenden Fragen basieren auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
der Vereinten Nationen (AEMR). Die für die einzelnen Fragen relevanten Artikel sind
hinter der jeweiligen Frage in Klammern angeführt. Einige der Punkte nehmen direkter
auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte Bezug als andere. Alle Punkte
haben einen Bezug zum grundlegenden Recht auf Bildung. Artikel 26 der UN-
Menschenrechtserklärung garantiert jedem Menschen ein Recht auf Bildung und
verlangt, dass Bildung auf die vollständige Entwicklung der menschlichen
Persönlichkeit und auf die Stärkung des Respekts für Menschenrechte und
fundamentale Freiheiten gerichtet sein soll.

Wenn im untenstehenden Fragebogen Diskriminierung erwähnt wird, bezieht sich der
Begriff auf einen weiten Bereich: ethnische und kulturelle Zugehörigkeit, Geschlecht,
physische und intellektuelle Fähigkeiten, freundschaftliche Beziehungen, Alter,
Behinderung, sozialer und finanzieller Status, äußere Erscheinung, sexuelle
Orientierung, Lebenswandel, Nationalität, Elternhaus und Wohnverhältnisse. Es ist
eine sehr viel umfassendere Liste als die, die in der allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte zu finden ist, aber sie ist sehr viel hilfreicher zur Bewertung der
Menschenrechtstemperatur in Ihrem schulischen Umfeld.

Die Ergebnisse sollten einen allgemeinen Überblick über das Schulklima im Lichte der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geben. Weitere Fragen können notwendig
sein und die Bewertung bereichern. Diese Fragen können helfen, Problemfelder zu
identifizieren, die angesprochen werden müssen.
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  Der Fragebogen zu UNSERER Menschenrechtsschule
Messen Sie die Menschenrechtstemperatur an Ihrer Schule. Lesen Sie jede Aussage
und beurteilen Sie, wie genau sie Ihr schulisches Umfeld beschreibt.

Berücksichtigen Sie alle Menschen an Ihrer Schule: Schulleitung, Schülerinnen und
Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Verwaltungskräfte,
Schulwart oder Schulwartin, Reinigungskräfte und sonstiges Personal.

Denken Sie dabei an das letzte Schuljahr.

Am Ende zählen Sie alle Punkte zusammen und bestimmen die Punktzahl Ihrer
Schule (Maximum 100 Punkte).

Bewertungsmaßstab
1 Punkt: NIEMALS
2 Punkte: SELTEN
3 Punkte: HÄUFIG
4 Punkte: IMMER
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                                                                                   Pkte
1.    Meine Schule ist für alle Schülerinnen und Schüler ein sicherer Ort. (Art.
      3 und 5 AEMR)
2.    Alle Schülerinnen und Schüler erhalten die Informationen und
      Unterstützung hinsichtlich Ausbildungs- und Berufswahl, die sie
      brauchen. (Art. 2 AEMR)
3.    Mitglieder der Schulgemeinschaft werden nicht aufgrund ihrer
      Lebensart, z. B. Kleidungsstil, Freundesumfeld oder außerschulische
      Aktivitäten, benachteiligt. (Art. 2 und 16 AEMR)
4.    Meine Schule bietet allen Beteiligten gleichen Zugang zu Ressourcen
      (z.B. Bibliothek, Elternverein), Aktivitäten und Kursen. (Art. 2 und 7
      AEMR)
5.    Mitglieder der Schulgemeinschaft reagieren sensibel auf
      Verunglimpfungen und benachteiligende oder erniedrigende
      Handlungen und Lehrmaterialien. (Art. 2, 3, 7, 28 und 29 AEMR)
6.    Wenn jemand die Rechte eines/einer anderen einschränkt oder verletzt,
      wird ihm/ihr geholfen, dieses Verhalten zu ändern. (Art. 26 AEMR)
7.    Mitglieder meiner Schulgemeinschaft kümmern sich um meine
      persönliche und berufliche Entwicklung und versuchen mir zu helfen,
      wenn ich Hilfe brauche. (Art. 3, 22, 26 und 29 AEMR)
8.    Wenn Konflikte auftauchen, versuchen wir, sie gewaltfrei und kooperativ
      zu lösen. (Art. 3, 28 AEMR)
9.    Einheitliche und nachvollziehbare Vorgehensweisen werden
      angewendet, falls Beschwerden über Belästigungen oder
      Benachteiligungen bekannt werden. (Art. 3 und 7 AEMR)
10.   Falls Disziplinierungsmaßnahmen (einschließlich Schulverweis) in
      Betracht gezogen werden, wird allen eine faire, unvoreingenommene
      Behandlung bei der Feststellung der Schuld und der Zuweisung von
      Strafe zugesichert. (Art. 6, 7, 8, 9 und 10 AEMR)
11.   Niemand an unserer Schule wird herabsetzender Behandlung oder
      Bestrafung ausgesetzt. (Art. 5 AEMR)
12.   Wer eines Fehlverhaltens beschuldigt wird, wird als unschuldig
      betrachtet, bis seine/ihre Schuld bewiesen ist. (Art. 11)
13.   Meine persönliche Freiheit und mein Eigentum werden respektiert. (Art.
      12 und 17 AEMR)
14.   Meine Schulgemeinschaft heißt Schülerinnen und Schüler,
      Pädagoginnen und Pädagogen, Verwaltungskräfte und sonstige
      Beschäftigte unterschiedlicher Herkunft und aus verschiedenen Kulturen
      willkommen. (Art. 2,6,13, 14 und 15 AEMR)
15.   Ich habe die Freiheit, meine Überzeugungen und Ideen (politische,
      religiöse, kulturelle und andere) ohne Angst vor Diskriminierung zu
      äußern. (Art. 19 AEMR)
16.   Mitglieder meiner Schule können ohne Angst vor Zensur oder
      Bestrafung publizieren und Publikationen verbreiten. (Art. 19 AEMR)
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              Toolbox – Wie wird unsere Schule eine Menschenrechtsschule?

17.   Unterschiedliche Stimmen und Perspektiven (z. B. hinsichtlich
      Geschlecht, Kulturkreis, Weltanschauung) werden in Kursen und
      Lehrbüchern, bei Versammlungen, in Büchereien und bei den
      Unterrichtsanweisungen berücksichtigt. (Art. 2, 19 und 27 AEMR)
18.   Ich habe die Gelegenheit, meine Kultur durch Musik, Kunst und in
      literarischer Form auszudrücken. (Art. 19, 27 und 28 AEMR)
19.   Mitglieder meiner Schule haben die Möglichkeit, (als Einzelne oder als
      Gruppen) an demokratischen Entscheidungsfindungsprozessen zur
      Entwicklung der Schulrichtlinien und Regeln teilzunehmen. (Art. 20, 21
      und 23 AEMR)
20.   Mitglieder meiner Schule haben das Recht, sich zusammenzuschließen,
      um für ihre Rechte oder die Rechte anderer einzutreten. (Art. 19, 20 und
      23 AEMR)
21.   Mitglieder meiner Schule ermutigen sich gegenseitig, sich mit
      gesellschaftlichen und globalen Problemen wie Gerechtigkeit, Ökologie,
      Armut und Frieden auseinander zu setzen. (Präambel und Art. 26 und
      29 AEMR)
22.   Mitglieder meiner Schule ermutigen sich gegenseitig, sich zu
      organisieren und hinsichtlich der in 21. genannten Probleme zu
      engagieren. (Präambel und Art. 20 und 29 AEMR)
23.   Allen Schülerinnen, Schülern und Beschäftigten ist es möglich,
      angemessene Ruhe- und Erholungspausen während des Schultages zu
      machen und unter angemessenen Bedingungen zu arbeiten. (Art. 23
      und 24 AEMR)
24.   Angestellten an meiner Schule wird genug gezahlt, um einen
      Lebensstandard zu halten, der angemessen für den Erhalt ihrer
      Gesundheit und ihres Wohlbefindens sowie der Gesundheit und des
      Wohlbefindens ihrer Familie ist. Dies umfasst Wohnung, Essen,
      Versorgung bei Krankheit und im Alter. (Art. 22 und 25 AEMR)
25.   Ich übernehme Verantwortung in meiner Schule um sicherzustellen,
      dass andere Personen nicht benachteiligt werden und dass sie sich auf
      eine Weise verhalten, die die Sicherheit und das Wohlbefinden an der
      Schule fördert. (Art. 1 und 29 AEMR)

      GESAMTPUNKTE (Bestmögliche Klimaqualität sind 100 Punkte.)
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     Der Fragebogen zu UNSERER Menschenrechtsschule
      Messen wir die „Menschenrechtstemperatur“ unserer
                    Menschenrechtschule!
Lies jede Aussage und beurteile, wie genau sie unsere Schule beschreibt. Denke
dabei an alle Menschen an unserer Schule: Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen
und Lehrer, Direktorin oder Direktor, Erzieherinnen und Erzieher, Schulwart und
Reinigungspersonal. Am Ende rechnest du alle Punkte zusammen und bestimmst die
Punktezahl unserer Menschenrechtsschule.

Alle Fragen beziehen sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (kurz
AEMR). Die Zahlen (Artikel), die am Ende jeder Frage in Klammer stehen, zeigen dir,
welche Artikel der Erklärung für diese Frage wichtig sind.

         NEIN/NIE (0 Punkte)           MANCHMAL (1 Punkt)             IMMER (2 Punkte)

1.     Unsere Schule ist ein Ort, wo alle Schülerinnen und Schüler sicher sind.
       (Art. 3 und 5 AEMR)
2.     In unserer Schule wird niemand benachteiligt, weil er oder sie anders
       angezogen ist, andere Freunde hat oder andere Interessen außerhalb
       der Schule. (Art. 2 und 16 AEMR)
3.     Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer in unserer Schule
       machen niemanden fertig. Sie vermeiden gemeine Aktionen und
       Beschimpfungen. (Art. 2, 3, 7, 28, und 29 AEMR)
4.     Wenn jemand gemein zu anderen ist, helfen wir, sein/ihr Verhalten zu
       ändern. (Art. 26 AEMR)
5.     Lehrerinnen und Lehrer kümmern sich um meine Entwicklung und
       helfen mir, wenn ich etwas brauche. (Art. 3, 22, 26 und 29 AEMR)
6.     Wenn es an unserer Schule Konflikte gibt, bemühen sich alle darum, sie
       ohne Gewalt zu lösen. (Art. 3, 28 AEMR)
7.     An unserer Schule sind alle Menschen mit unterschiedlicher Herkunft
       und unterschiedlicher Kultur willkommen. (Art. 5 AEMR)
8.     Schulordnung und Strafen (einschließlich Schulverweis) gelten für alle
       gleich und fair.
9.     Alle respektieren meine persönliche Freiheit und meine Sachen. (Art. 12
       und 17 AEMR)
10.    Alle Schülerinnen und Schülern können in der Schule Pausen machen
       und unter guten Bedingungen arbeiten. (Art. 23 und 24 AEMR)
11.    Ich übernehme Verantwortung an unserer Schule, damit alle Menschen
       gleich behandelt werden und sich so verhalten, dass sich alle in der
       Schule sicher und wohl fühlen. (Art. 1 und 29 AEMR)

       GESAMTPUNKTE (Die beste Temperatur beträgt 22 Grad.)
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2.3 Schulung, Consulting, Monitoring, Vernetzung
Eine Menschenrechtsschule zu werden und zu sein ist ein Prozess, der, um
erfolgreich zu sein, von allen Akteurinnen und Akteuren in der Schule, den
Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern, der Schulleitung und den
Eltern, getragen werden muss. Um in diesem Prozess nicht ausschließlich „im eigenen
Saft zu schmoren“, kann und sollte sich die Menschenrechtsschule Expertise von
außen und Unterstützung in Form von Prozessbegleitung sichern.

Das Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und
Demokratie - ETC Graz bietet Schulen Unterstützung in allen Phasen dieses
Prozesses, von der ersten Initiative, der Bestandsaufnahme und Evaluation des Status
quo über organisatorische und inhaltliche Begleitung des Prozesses bis hin zur
Evaluation von Fortschritten und begleitendem Monitoring. Mit seiner eigenen
Expertise und in Kooperation mit dem Grazer Menschenrechtsnetzwerk, den
zivilgesellschaftlichen Organisationen der Menschenrechtsstadt Graz, bietet das ETC
Graz auch Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte und Schulleitung sowie
Workshops in einzelnen Klassen (in diesem Konzept unter dem Arbeitstitel „Unsere
Menschenrechtsschule in der Menschenrechtsstadt“ für die dritte Schulstufe
vorgesehen). Zur Koordination mit jenen Organisationen, die sich in Graz mit
Menschenrechtsbildung auf der Primarstufe befassen, hat das ETC Graz im Jahr 2013
eine informelle Plattform ins Leben gerufen, die sich zu Informationsaustausch und
Koordination ein- bis zweimal jährlich trifft. Mitglieder dieser Plattform sind seit Anfang
2014 das ETC Graz, die Kinder- und Jugendanwaltschaft (KIJA), das Kinderbüro und
die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus als Herausgeberin des
umfassendsten einschlägigen Workshopkatalogs in der Steiermark.

Zur Unterstützung des innerschulischen Prozesses, zur weiteren Information und
Verbreitung über die Pilotschule hinaus, zur Vernetzung sowie für die leichtere
Zugänglichkeit von Literatur, Toolbox und Unterrichtsmaterialien betreibt das ETC
Graz die Website www.menschenrechtsschule.at.
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3.    Toolbox

3.1 Methodische Grundlagen der Menschenrechtsbildung
Unter Menschenrechtsbildung verstehen wir jede Form des Lernens, die Wissen über
Menschenrechte, Einstellungen und Haltungen den Menschenrechten gegenüber
sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten zu ihrer Durchsetzung entwickelt. Sie betont die
Verantwortlichkeit von Staaten wie von Individuen, die Menschenrechte aller
Menschen, ohne Unterschied von „Rasse“, Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung
ethnischem und nationalem Hintergrund oder Religion, zu achten, zu schützen und zu
fördern.

Wie jedes pädagogische Gebiet umfasst die Menschenrechtsbildung eine Vielzahl an
Methoden, welche die Intention des jeweiligen Bildungsbereiches widerspiegeln – da
das Verstehen von Rechten und Würde des Menschen im Zentrum der
Menschenrechtsbildung steht, legt die Unterrichtsmethode ihren Fokus auf Menschen:
Menschenrechtslernen und Workshops müssen sich nach den Ansprüchen und
Bedürfnissen der TeilnehmerInnen richten, sie müssen intellektuelle Anforderungen
mit der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten und dem Formen von
Einstellungen verbinden. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass dies nur durch
aktive Einbeziehung der TeilnehmerInnen und unter Zuhilfenahme ihrer persönlichen
und beruflichen Erfahrungen erreicht werden kann. Menschenrechtsbildung meint
eben gerade nicht das reine Auswendiglernen der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte.

Das „magische Dreieck“ der Menschenrechtsbildung wird klassisch von den folgenden
Eckpunkten definiert: Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Einstellungen,
Haltungen und Werte.
Die zunehmende Handlungsorientierung auch in der Menschenrechtsbildung und die
Einsicht, dass Menschenrechtslernen, welches folgenlos bleibt, eigentlich auch gleich
ganz unterbleiben kann, machte eine Erweiterung des klassischen Dreiecks um den
Handlungsaspekt notwendig, um die erfolgte Verschiebung der Akzente darzustellen:
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Diese drei Eckpunkte der Menschenrechtsbildung sollten über die ausgewählten
Methoden immer zielgruppenspezifisch vermittelt werden. Durch die Umsetzung im
Rahmen eines bestimmten Themas oder Projektes in der Schule (Aktionselement)
entfaltet die Menschenrechtsbildung ihre Wirkung und wird für die Kinder erlebbar.

In der Menschenrechtsbildung mit SchülerInnen und Schülern kommt zudem noch der
Aspekt hinzu, dass es Aufgabe der Schule ist, den Kinder und Jugendlichen
„Kompetenzen für das 21. Jahrhundert“, für das Leben in einer globalisierten Welt und
Gesellschaft, zu vermitteln. Diese Kernkompetenzen umfassen (1) Wissen über und
Achtung für universelle Schlüsselwerte wie zum Beispiel Menschenrechte und
Frieden, Demokratie, Diversität, Gerechtigkeit, Nichtdiskriminierung, Toleranz; (2)
kognitive Fähigkeiten für kritisches, kreatives und innovatives Denken,
Problemlösungs- und Entscheidungskompetenz; (3) Nichtkognitive Fähigkeiten wie
Empathie, Offenheit für Erfahrungen und andere Perspektiven, interpersonelle bzw.
kommunikative Kompetenzen und die Fähigkeit zu Networking und Interaktion mit
Menschen von unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichem Hintergrund und (4)
Haltungen und Fertigkeiten, um selbst Aktionen zu setzen beziehungsweise sich in
solchen zu engagieren.12

Im Einzelnen umfassen die Elemente der Menschenrechtsbildung etwa die folgenden
Aspekte:
Wissen - Lernen ÜBER Menschenrechte
   - Menschenrechte bieten Verhaltensnormen in der Familie, in der Schule, in der
      Gemeinschaft und darüber hinaus.
   - Menschenrechtsstandards sind universell, auch wenn es unterschiedliche
      Interpretationen und Erfahrungen damit geben kann.
   - Jedes Kind hat Menschenrechte und zugleich die Verantwortung, die Rechte
      anderer zu achten. Dazu gehören die Rechte auf Schutz, Versorgung und
      Beteiligung, also zum Beispiel das Recht, in Angelegenheiten, die die eigene
      Person berühren, die persönliche Meinung zu äußern. Diese Rechte sind in der
      Kinderrechtskonvention niedergelegt.
   - Es gibt noch weitere internationale Dokumente zur Umsetzung des
      Menschenrechtsschutzes, wie zum Beispiel die Allgemeine Erklärung der
      Menschenrechte der vereinten Nationen und die Europäische
      Menschenrechtskonvention.

Fähigkeiten/Fertigkeiten - Lernen FÜR Menschenrechte
   - Aktives Zuhören und Kommunizieren: Lernen, unterschiedliche Meinungen
      anzuhören, die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen und beides zu
      bewerten.
   - Kritisches Denken: Lernen, zwischen Tatsachen und Meinungen zu
      unterscheiden, Vorurteile und Voreingenommenheiten wahrzunehmen und
      Manipulationen zu erkennen.
   - Kooperative Zusammenarbeit und konstruktive Konfliktbewältigung erlernen.
   - Konsensfähigkeit.

12 Vgl. UNESCO (2013), Global Citizenship Education: An Emerging Perspective. Outcome document of the technical
consultation on global citizenship education. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000224115
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   -   Demokratische Beteiligung an Aktivitäten mit Gleichaltrigen.
   -   Sich selbstbewusst äußern.
   -   Probleme lösen.

Einstellungen/Werte - Lernen FÜR und DURCH Menschenrechte II
   - Wertschätzung für sich und andere.
   - Verantwortungsgefühl für das eigene Handeln.
   - Neugier, Offenheit und die Wertschätzung von Heterogenität und Vielfalt.
   - Empathie und Solidarität mit anderen und Engagement für diejenigen, denen
       die Menschenrechte vorenthalten werden.
   - Achtung der Menschenwürde, Selbstwertgefühl und Wertschätzung von
       anderen, ungeachtet sozialer, kultureller, sprachlicher, religiöser oder anderer
       Unterschiede.
   - Sinn für Gerechtigkeit und soziale Verantwortung für die gerechte Behandlung
       aller.
   - Der Wunsch, einen Beitrag zur Verbesserung der Schule oder der
       Gemeinschaft zu leisten.
   - Zuversicht für die Förderung der Menschenrechte vor Ort und in der ganzen
       Welt.

Aktionselement - Lernen DURCH Menschenrechte
Am wirkungsvollsten gestaltet sich Menschenrechtsbildung, wenn hierbei nach
Anknüpfungspunkten zwischen den Menschenrechten und der Lebenswelt der Kinder
gesucht wird. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, die Menschenrechte nicht
nur unter dem Gesichtspunkt von Verstößen zu betrachten, sondern auch Positives
hervorzuheben.

Methoden der Menschenrechtsbildung
Jede Unterrichtsmethode kann als spezifische Kombination von Faktoren wie
Gruppengröße, soziale Organisation, Tätigkeiten der Lehrenden und der
TeilnehmerInnen, Lernphasen und Medien beschrieben werden. Da die/der Lehrende
aber gewöhnlich nicht alle diese Faktoren kontrollieren kann, sollte sie/er den Fokus
auf das Layout und die Koordination derjenigen legen, die beeinflusst werden können.
Vor allem über die Auswahl geeigneter sozialer Organisation und Medien kann die/der
Lehrende den Lernprozess und die soziale Interaktion und Kommunikation im
Unterrichtsraum beeinflussen und darauf achten, bestimmte LernerInnengruppen nicht
zu übergehen. Wann immer Diversity und Genderaspekte betroffen sind, sollte man
sich vergegenwärtigen, dass im Mittelpunkt der Menschenrechtsbildung die Lernenden
stehen sollten und nicht so sehr die „ExpertInnen“ oder „Lerninhalte“. Wenn Expertise,
Einstellungen und Fähigkeiten nicht nur von den Lehrenden, sondern auch von den
TeilnehmerInnen, basierend auf ihren individuellen Erfahrungen, eingebracht werden,
so verlässt die/der Lehrende damit die traditionell dominante Rolle und schafft dadurch
mehr Raum für den Einsatz verschiedener methodischer und didaktischer Elemente,
denen Interaktivität, Kommunikation und Kompetenz jeder Teilnehmerin/jedes
Teilnehmers ohne Rücksicht auf Geschlecht, persönlichen oder kulturellen
Hintergrund gemeinsam ist.
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In der Menschenrechtsbildung haben sich partizipatorische Methoden als besonders
wirkungsvoll erwiesen. Folgende Charakteristika zeichnen die unterschiedlichen
Methoden aus:
    - Respekt vor den Erfahrungen der Kinder und Anerkennung unterschiedlicher
       Meinungen.
    - Förderung der persönlichen Weiterentwicklung, der Selbstachtung und des
       Respekts vor dem einzelnen Kind.
    - Befähigung der Kinder, selbst zu bestimmen, was sie wissen wollen, und
       eigenständig nach Informationen zu suchen.
    - Aktive Organisation des eigenen Lernprozesses durch die Kinder und möglichst
       wenig passives Zuhören.
    - Unterstützung nichthierarchischer, demokratischer, gemeinschaftlicher
       Lernumgebungen.
    - Ermunterung zu Reflexion, Analyse und kritischem Denken.
    - Integration subjektiver und emotionaler Reaktionen und des kognitiven Lernens.
    - Ermutigung zur Veränderung eigenen Verhaltens und eigener Einstellungen.
    - Schwerpunkt auf dem Erwerb von Fertigkeiten und der praktischen Anwendung
       des Gelernten.
    - Anerkennung der Bedeutung von Humor, Spaß und kreativem Spiel für das
       Lernen.

Die Anthropologin und Bildungswissenschaftlerin Vedrana Spajić-Vrkaš fasst in ihrem
PIRA-Modell eines multimethodischen Zugangs die methodischen Vorgangsweisen
der Menschenrechtsbildung anschaulich zusammen13. Besonders wichtig und
unbedingt hervorzuheben ist - wie in der Graphik dargestellt - die Notwendigkeit, sich
dem Thema der Menschenrechte und Kinderrechte auf unterschiedlichen Wegen zu
nähern - auf intellektuell-analytischem ebenso wie auf erfahrungsbasiert-
empathischem und auf kreativen Weg:

13 Vgl. Vedrana Spajić-Vrkaš ()2009), Poučavanje prava i sloboda, S. 212.
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3.3 1. Schulstufe: Vom Ich zum Du zum Wir
„Kinder sind stark, vielfältig begabt und leistungsfähig. Alle Kinder verfügen über die Bereitschaft, die
Fähigkeit, die Neugier und das Interesse, ihren Lernprozess zu gestalten und sich mit allem
auseinanderzusetzen, was ihnen in ihrer Umwelt begegnet.“ (Loris Malaguzzi, Begründer der Reggio-
Pädagogik, zitiert nach Compasito, 2009)

……………………………………………………………………………………………………………………….
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Übersichtstabelle: Übungen für die 1. Klasse

NR.   TITEL                                            DAUER           SEITE

1     Das-bin–ich-Regenbogen                           40 Minuten      3

2     Was alles in uns steckt                          50+40 Minuten   4

3     Alle sind gleich. Alle sind verschieden.         30 Minuten      5

4     Liebes Tagebuch                                  45 Minuten      6

5     Helfen statt zuschauen                           40 Minuten      7

6     Eine Verfassung für unsere Gruppe                50 Minuten      8

7     Kopiervorlagen                                                   11
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1. Das-bin-ich-Regenbogen

Dauer
40 Minuten

Material
Kopiervorlage „Das-bin-ich-Regenbogen“, Stifte

Anleitung
Jede/r SchülerIn malt in die fünf Ringe Eigenschaften über sich selbst hinein.
Wichtigere Eigenschaften gehören dabei in die unteren Ringe (je näher am „ICH“,
desto wichtiger), unwichtigere in die oberen Ringe. Über das „ICH“ kann auch ein Foto
oder eine Zeichnung des jeweiligen Schülers/ der Schülerin geklebt oder gemalt
werden.
Schließlich werden alle Regenbögen aufgehängt, verglichen und darüber diskutiert.

Diskussionsvorschläge
a. Was ist wichtiger, was weniger wichtig? Warum?
b. Findest du es eher einfach oder eher schwer zu beschreiben, welche Eigenschaften
   du an dir wichtig findest?

(Adaptiert aus: Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit, S. 46)
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2. Was alles in uns steckt

Dauer
50 + 40 Minuten

Material
Großformatiges Papier (groß genug für den Umriss eines Kindes), Marker,
Zeitschriften mit Bildern zum Ausschneiden, Scheren, Klebstoff und anderes Material
für Collagen

Anleitung
Erklären Sie den Kindern, dass sie das Menschenrecht haben, so viel wie möglich zu
lernen und sich zu entwickeln. Lassen Sie sie Dinge nennen, die sie können und die
sie mit vier oder fünf Jahren noch nicht konnten.
Anschließend zeichnet jedes Kind einen lebensgroßen Umriss eines anderen Kindes
auf das Papier. Die Kinder sollen sich überlegen, was sie am besten wissen und
können und welchen Körperteil sie dafür brauchen. Sie sollen Gegenstände, die für
diese Fähigkeit stehen, in den jeweiligen Körperteil zeichnen/malen/schreiben/kleben.
Sie können auch andere Dinge, die sie wissen oder können, auswählen, nicht nur das,
was sie am besten beherrschen.
Wenn die Kinder ihre Figuren mehr oder weniger vollständig ausgefüllt haben, bitten
Sie sie, den anderen ihr „Kind“ vorzustellen und einige Fähigkeiten zu erläutern.
In einer späteren Einheit können die Kinder darüber nachdenken, woher sie ihre
Fähigkeiten haben, wer ihnen etwas beigebracht hat, wie und wo sie etwas gelernt
haben. Sie können Pfeile von den jeweiligen Körperteilen in ihren Collagen zum
Papierrand zeichnen, wo sie die Quellen des Wissens notieren oder zeichnen.

Diskussionsvorschläge

a. Gibt es große Unterschiede zwischen den Collagen? Wisst ihr immer, wo ihr etwas
   gelernt habt? Habt ihr alles an einem Ort oder von einer Person gelernt?
b. Können alle Kinder die Dinge lernen, die ihr genannt habt? Warum oder warum
   nicht?
c. Was für Menschen oder Institutionen brauchen Kinder, damit sie diese Dinge lernen
   können? Was passiert, wenn einige dieser Lernmöglichkeiten fehlen; wenn es keine
       Schule gäbe? Wie könnten die Kinder dann Lesen und Schreiben lernen? Was
   passiert, wenn sie es nicht lernen?
d. Was passiert, wenn ein Kind behindert ist und nicht zur Schule gehen oder ein
   Körperteil nicht benutzen kann? Kennt ihr so jemanden? Unterstützt ihr ihn/sie?
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Auswahl-/Anregungsliste mit Fähigkeiten
Hand:       Völkerball, Handball, Malen, Tennis, Basteln, Schreiben, Klatschen,
            Schnippen, Ball fangen
Arm:        Schwimmen, Schwere Dinge tragen
Fuß:        Laufen, Fußball
Bein:       Springen, Schwimmen, Radfahren
Mund:       Singen, Blockflöte spielen, Geschichten erzählen, Witze erzählen,
            Pfeifen
Ohren:      Zuhören
Augen:      Genau beobachten, weit sehen, Lesen, Geld zählen, Uhrzeit ablesen
Kopf:       Rechnen, Lesen, Merken, Geld zählen, Geheimnisse bewahren,
            Freundschaft halten

(Adaptiert aus: Compasito. Handbuch zur Menschenrechtsbildung mit Kindern.
Straßburg 2009, S. 167ff)
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                          Toolbox – Aktivitäten 1. Schulstufe

3. Alle sind gleich. Alle sind verschieden.

Dauer
30 Minuten

Material
Keines

Anleitung
Die Kinder sitzen im Kreis. Reihum nennt jedes Kind ein Merkmal, das bei allen gleich
ist. Die Übung kann so lange fortgesetzt werden, bis niemandem mehr etwas Neues
einfällt [Beispiele: Alle Kinder haben Haare, Alle gehen zur Schule, Alle tragen
Schuhe,...].
Fragen Sie die Kinder:
Hättet ihr gedacht, dass ihr so viele Gemeinsamkeiten habt?

Nun sollen die Kinder Merkmale nennen, die nur sie selbst haben [Beispiel: Nur ich
habe einen Ohrstecker in Form eines Marienkäfers].
Besprechen Sie mit den Kindern:
Welches Spiel war leichter?
Warum unterscheiden wir uns in manchen Dingen von anderen Menschen? Was sind
das für Dinge?

(Adaptiert aus: DKSB/Ortsverband Karlsruhe, Aktionsideen zu den Kinderrechten,
https://www.johanniter.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/JUH/JJugend/Was_wir_
machen/Aktionsideen__Kinderrechte_DKSB_OV_Karlsruhe.pdf
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4. Liebes Tagebuch

Dauer
45 Minuten

Material
Kopiervorlage „Liebes Tagebuch“

Anleitung
Erklären Sie der Klasse, dass drei Kinder Ihnen erlaubt haben, aus ihren Tagebüchern
vorzulesen.
Nachdem Sie die drei Geschichten vorgelesen haben, sprechen Sie darüber, wie es
sein kann, dass drei Kinder dieselben Ereignisse auf so unterschiedliche Weise
erleben:
a. Warum haben diese Kinder dieselben Ereignisse so unterschiedlich erlebt?
b. Waren die Beurteilungen von den Kindern teilweise falsch?
c. Welche Beurteilungen waren falsch?
d. Meint ihr, die Kinder hätten sich anders verhalten, wenn sie mehr übereinander
   gewusst hätten?
e. Habt ihr schon mal etwas Falsches über jemand anderen gedacht?
f. Was passiert, wenn wir andere falsch beurteilen?
g. Wie können wir es vermeiden, andere Menschen falsch zu beurteilen?
h. Könnt ihr euch in eines dieser Kinder einfühlen? In welches? Warum?
i. Kann man Freundinnen und Freunde haben, auch wenn man arm ist oder nicht
   zählen/rechnen/lesen/schreiben kann?
j. Gibt es in eurer Stadt Menschen, die schlechter dran sind als andere? Wer?
h. Was können wir tun, damit sich ihre Situation ändert?

Weiterarbeit
Lassen Sie die Kinder die Situationen der Geschichten in Zeichnungen festhalten oder
lassen Sie die Kinder die Situationen nachspielen. Fragen Sie sie anschließend, wie
sie sich dabei gefühlt haben.

(Adaptiert aus: Compasito. Handbuch zur Menschenrechtsbildung mit Kindern.
Straßburg 2009, S. 130ff)
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