Digitales Lehren und Lernen - NEXUS IMPULSE FÜR DIE PRAXIS - Ausgabe 12 | Dezember 2016 - HRK nexus
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2 nexus IMPULSE FÜR DIE PRAXIS | Ausgabe 12 Einführung Digitalisierung greift zunehmend in alle Bereiche un- Die Studierenden sollen mit Hilfe der Kommunikations- seres Alltags ein und konfrontiert die Hochschulen mit anwendungen, die sie auch privat nutzen (Vornberger vielfältigen strukturell-strategischen Aspekten und an- 2002-2016), die nötigen Medienkompetenzen im wendungsbezogenen Herausforderungen und Chancen. Studium erlangen. Digitale Technologien sind allerdings Neben der Möglichkeit, neue Wege der Kommunikation kein Selbstzweck. Sie erlangen ihren Mehrwert erst durch – zum Teil in Echtzeit – zu nutzen, Wissensbestände zu die Einbettung in didaktische Konzepte, die bereits seit bewahren und zur Verfügung zu stellen, haben digitale den 1990er Jahren Eingang in die Präsenzlehre finden Technologien auch zu einer Neustrukturierung vieler (Wannemacher 2016). Lernsituationen beigetragen. Die vorliegende Publikation konzentriert sich auf das Potenzial digitaler Medien für die Bereiche Lehre und Studium. Lernen ist nicht mehr BLENDED LEARNING zwangsläufig an einen Ort, an eine Zeit oder an in der Bibliothek vorhandene Bücher und Materialien gebun- Im Kontext von Modularisierung und lebenslangem den. Lernen sowie bei Veranstaltungen ohne Präsenzpflicht kommt Selbstlernphasen in einem zeit- und ortsunab Über den Mehrwert einer Integration digitaler Formate in hängigen Lernprozess eine besondere Bedeutung zu. die Lehre herrscht weitgehend Einigkeit (Stifterverband Nach Schulmeister et al. (2012) besteht die Heterogenität 2014; Means et al. 2010). Digitale Formate erlauben auf- der Studierendenschaft vorwiegend im unterschiedlichen grund einer veränderten Kommunikation und Interaktion individuellen Lernverhalten während des Selbststudiums zwischen Menschen eine stärkere Lernendenorientie- und bestimmt maßgeblich den Studienerfolg. Die Ge- rung, wodurch die Studierenden an der Gestaltung des staltung der Selbstlernphasen wird damit immer wichti- Lernprozesses und der Lernumgebung beteiligt werden. ger und rückt in den Mittelpunkt der Konzeption einer Lernende und Lehrende übernehmen gemeinsam Verant- Lehrveranstaltung. Andererseits machen Studien auch wortung für den Lernprozess (Mayrberger i.E.). Verände- deutlich, dass gerade festgelegte Präsenzzeiten, die von rungsprozesse benötigen Pioniere – aus diesem Grund den Studierenden aktiv genutzt werden, zu besseren erkennen die HRK und der Stifterverband innovative Abschlussergebnissen führen als die Bearbeitung von Leistungen der Lehrenden in einer sich wandelnden Lehr- Online-Materialien allein (Schulmeister i.E.). Die Konse- und Lernkultur mit der Verleihung des Ars legendi-Lehr- quenz für die Erstellung von digitalen Lehrformaten liegt preises 2015 zum Digitalen Lehren und Lernen an. auf der Hand: Entscheidend für den Lernerfolg ist der gelungene Mix aus Online- und Präsenzphasen, dem DIGITALE MEDIEN IN sogenannten Blended Learning, welches die didaktisch sinnvolle Verknüpfung von E-Learning Elementen mit LEHRVERANSTALTUNGEN – WOZU? Präsenzphasen zu Lernarrangements bezeichnet und Die stetig steigende Zahl und die damit einhergehende die heute verfügbaren Möglichkeiten der Vernetzung Heterogenität der Studierenden stellen die Hochschulen über das Internet optimal nutzt (Sauter et al. 2004). vor die Herausforderung, sowohl die Studienpläne als Bereits seit dem ersten Einsatz von „Lernmaschinen“ auch die Veranstaltungen stärker auf individuelle Be- durch B. F. Skinner in den 1950er Jahren eröffnen sich dürfnisse abzustimmen. Multimediaanwendungen und Lehrenden heute zahlreiche Möglichkeiten, die eigene E-Learning sind elementare Bausteine, die dazu beitragen Lehre mit digitalen Medien anzureichern oder gezielt können, die akademische Lehre weiter zu flexibilisieren Selbstlernphasen in ihre Veranstaltungen – unabhängig und qualitativ zu verbessern, da durch die Digitalisierung, ob Vorlesung, Seminar oder Übung – zu integrieren und „die Auswahl an didaktischen Möglichkeiten schlicht grö- unter Zuhilfenahme digitaler Formate zu unterstützen. ßer und vielfältiger“ wird (Mayrberger i.E.): Lerninhalte Hierdurch erhöht sich sowohl die methodische Vielfalt und Wissen werden leicht einer großen Hörerschaft als auch die organisatorische Flexibilität in der Nutzung zugänglich gemacht, zeit- und ortsunabhängiges Lernen von Lehrangeboten. Blended Learning kommt somit den kann realisiert werden, Lernräume werden verbunden Bedürfnissen der Studierenden nach individuellen Lern- sowie inhaltliche und soziale Vernetzung ermöglicht. möglichkeiten entgegen.
Kapitelname nexus IMPULSE FÜR DIE PRAXIS | Ausgabe 12 33 Vermittlung – Aktivierung – Betreuung Der Dreiklang aus der Vermittlung von Inhalten, der in die eigene Veranstaltung ist eine gewisse technische Aktivierung der Studierenden und deren Betreuung ist Infrastruktur unverzichtbar. Diese kann – muss aber nicht sowohl in klassischen Lehrformaten als auch in Blended zwingend – ein schon vielfach an Hochschulen genutztes Learning-Formaten notwendig, um die festgelegten Lehr- Lernmanagementsystem sein, welches die Einbindung und Lernziele in Veranstaltungen zu erreichen (Rein- von digitalen Medien in die Veranstaltung unterstützt. mann 2013). Die Abbildung verdeutlicht dies grafisch Lernmanagementsysteme dienen als Plattformen, um und zeigt Gestaltungsmöglichkeiten auf, an denen Inhalte bereitzustellen, zur Organisation von Lehre (bspw. digitale Formate ansetzen können – entweder als ver- Kursverwaltung und Administration der Teilnehmer) und einzelte Maßnahmen innerhalb eines didaktischen Kon- als Kommunikationstools. Am weitesten in Deutschland zepts oder im Zusammenwirken mehrerer Aspekte. Die verbreitet sind das ILIAS-System, das Stud.IP-Portal oder funktional aufeinander abgestimmte Kombination von Moodle. Alle drei Systeme sind Open Source-Anwendun- Präsenzlehre und digitalen Elementen erlaubt es, in allen gen, welche Hochschulen kostenlos nutzen und nach drei Gestaltungsbereichen die Vorteile der jeweiligen eigenen Vorstellungen weiterentwickeln können, sodass Lernmodi zu nutzen und Nachteile zu mindern (Wan- es heute viele hilfreiche Ergänzungen als Plug-Ins (bspw. nemacher 2016). Zur Integration von E-Learning-Tools STACK; s. u.) gibt (e-teaching.org 2016). Integrationsmöglichkeiten von digitalen Elementen zur Gestaltung von Lehrveranstaltungen; eigene Darstellung in Anlehnung an Reinmann (2013).
4 nexus IMPULSE FÜR DIE PRAXIS | Ausgabe 12 Die Lernplattform k-MED beispielsweise ist eine Anpas- sung des ILIAS-Systems an die Bedarfe von Medizin- LERNPLATTFORM K-MED KNOWLEDGE- studierenden und zeigt, dass Online-Lernplattformen BASED MEDICAL EDUCATION Studierenden auch die Möglichkeit bieten, ihren Kommi- Diese bietet Lerninhalte für das Studium der Human- litonen Materialien zur Verfügung zu stellen und als sog. medizin an und wird vor allem von den Medizinstu- „Prosumenten“, d. h. nicht nur als Nachfrager nach Ma- dierenden der Gießener und Marburger Universität terialien, sondern auch als deren Anbieter, aufzutreten. genutzt. LERNINHALTE VERMITTELN Über die Lernplattform werden fachliche Inhalte in diversen medizinischen Bereichen (bspw. Allgemein- Vorlesungen und Vorträge können mittels unterschied- medizin, Biochemie, Zahnheilkunde) zum curricula- licher Hard- oder Softwarelösungen als audiovisuelle ren Bestandteil von Lehrveranstaltungen. Jeder Lern- Mitschnitte aufgezeichnet werden, um zeit- und orts kurs wird fachlich überprüft, didaktisch aufbereitet und grafisch optimiert. In abschließenden Testfragen unabhängig angeschaut oder in einzelnen Sequenzen können Lernende ihren Lernstand überprüfen. von den Studierenden erneut nachvollzogen zu werden. Im Vergleich zum klassischen Abfilmen der Veranstal k-MED bietet darüber hinaus die Möglichkeit, Foren tungen ermöglicht der Einsatz der digitalen Technologie zur Kommunikation zwischen Teilnehmenden und qualitativ bessere Ergebnisse: Die Präsentation wird vom Dozenten zu verwenden [1]. Computer aus aufgezeichnet, sodass die Folien gut lesbar sind; das Bild des Sprechers und der Ton werden separat aufgenommen und mit der Präsentation synchronisiert. Im fertigen Video kann z. B. die PowerPoint-Präsentation den Großteil des Bildes einnehmen, während der Redner VIRTUELLE PATIENTEN DER in einem kleinen Bild-im-Bild-Fenster zu sehen ist (Claus- MEDIZINISCHEN FAKULTÄT HEIDELBERG sen 2010). Derartige Mitschnitte lassen sich beispiels- (RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT weise über Anwendungen des internationalen Netzwerks Opencast [2] oder über Lecture2Go [3] realisieren. Beide HEIDELBERG) Versionen sind kostenlos erhältlich, erfordern jedoch Auf Grundlage eines interaktiven und fallbasierten Ressourcen für Administration und Wartung. Lernprogramms erarbeiten sich die Studierenden den Lernstoff in unterschiedlichen medizinischen Von dem Vortrags- oder Vorlesungsmitschnitt zu unter Fachrichtungen. Der Nutzer betreut einen virtuellen Patienten von der Anamnese bis zur Therapie und scheiden sind Lehr-/ Lernvideos, die genutzt werden muss dabei viele Entscheidungen selbst treffen; können, um komplexe Sachverhalte kompakt darzu dabei erhält er jeweils Feedback zu seinen Entschei- stellen und anschaulicher zu erläutern, als dieses in tradi- dungen. tionellen Lehrbüchern und Vorlesungen möglich ist. Die Videos werden zu einem bestimmten Thema geplant und Ziel von virtuellen Patienten ist es, die Studierenden ohne Publikum mithilfe einer Screencastsoftware [4a/4b] auf den wirklichen Patienten vorzubereiten. Im Re- produziert. Im Gegensatz zum hohen Aufwand für die gelbetrieb einer Universitätsklinik fehlt es oftmals an Produktion von etwa 20-minütigen E-Lectures, hält sich geeigneten Patienten für den Unterricht, da über- dieser bei kurzen Micro-Lectures in Grenzen. So können wiegend akute Fälle behandelt werden, saisonale solche Lernvideos z. B. Diagramme darstellen und Ver- Krankheitsbilder unter Umständen unberücksichtigt änderungen einzelner Parameter eingängig erläutern bleiben oder die Studierenden nicht den gesamten (Handke 2015, 151 ff.). Patientenverlauf begleiten können. Zudem lassen sich anhand virtueller Patienten bereits INHALTLICHE PRAXISBEZÜGE STÄRKEN in der vorklinischen Phase des Studiums relevante kli- nische Inhalte einüben. Darüber hinaus können die Lernen als ein Prozess der Informationsverarbeitung und virtuellen Patienten auch sehr gut im Blended Lear- Bedeutungskonstruktion mit dem Ziel, Probleme und ning Bereich eingesetzt werden, insbesondere in der Fragestellungen zu lösen (Reinmann 2013) kann durch Vorbereitung für z. B. „Skills Lab“-Einheiten u. ä. [5]. Lehrende begleitet und mithilfe digitaler Formate
Kapitelname nexus IMPULSE FÜR DIE PRAXIS | Ausgabe 12 55 umgesetzt werden (Arnold 2005). So ermöglichen digi- tale Formate die Herstellung von echten Praxisbezügen, VERBUNDPROJEKT OPEN MINT LABS z. B. durch die Verbindung unterschiedlicher Lernräume, DER HOCHSCHULEN KAISERSLAUTERN, um Lerninhalte in multiple Anwendungskontexte zu set- KOBLENZ UND TRIER zen. Die Studierenden können ortsunabhängig Arbeits In OPEN MINT LABS-Projekten werden interaktive prozesse beobachten, daran teilnehmen und Entschei- E-Learning-Einheiten, sogenannte virtuelle Labore, dungen nachvollziehen. Ermöglicht wird der virtuelle zur Ergänzung der Präsenzlehre in den ingenieur- Ortswechsel – sei es in ein virtuelles Labor oder in einen und naturwissenschaftlich-technischen Fächern virtuellen Behandlungsraum – bspw. durch interaktive eingesetzt. Studierende können sich anhand von Online-Lernprogramme wie den Virtuellen Patienten oder Lernvideos, Online-Simulationen und weiteren Lern interaktive Videos. applikationen eigenständig auf reale Laborversuche vorbereiten. Alternativ können webbasierte Videokonferenzen Einbli- cke in die alltägliche Berufspraxis geben [7]: So können Im Bereich der Grundlagenpraktika werden insbe- zum Beispiel Lehramtsstudierende live am Unterricht an sondere interaktive Elemente dazu genutzt, einen Schulen hospitieren, um eine enge Verzahnung des fach- Versuchsablauf zur Vorbereitung bereits durchzu didaktischen Wissens mit der schulpraktischen Anwen- spielen und einzelne Schritte des Experiments er- dung zu ermöglichen (Böttger et al. 2016). fahrbar zu machen. Beispielsweise in (interaktiven) Lernvideos werden so Inhalte vermittelt, die sich von Die jüngste Entwicklung auf dem Gebiet der Verbindung Studierenden einfacher von einem Film abstrahieren unterschiedlicher Lernorte und -situationen ist „Seamless und auf ihr eigenes Handeln übertragen lassen als Learning“: Ziel ist es, die Grenzen zwischen hochschuli- durch eine rein textliche und/oder bildliche Darstel- schen Lernsituationen und dem Alltag der Studierenden lung [6]. verschwinden zu lassen, um Lernen jederzeit und überall zu ermöglichen. Der Umstand, dass nahezu alle Studie- renden einen Zugang zu Smartphones und/oder Tablets haben, wird hierbei gezielt genutzt, um bspw. eine er- HÖRSAAL-UMFRAGEN MIT weiterte Realität („Augmented Reality“) zu erschaffen. FREEQUIZDOME So erhalten Studierende bei einem GPS-gesteuerten Rundgang über den Hohenheimer Campus an unter- FreeQuizDome ist eine kostenlose „bring your own device (BYOD)“-Anwendung, die es – ohne viel Auf- schiedlichen Lernorten Lernmaterialien (z. B. Texte, Fotos wand – ermöglicht, Abstimmungergebnisse, oder Tests) bereitgestellt (Forster und Hoffmann 2016). Wissenstests, Meinungsbilder und inhaltliche Beiträge von großen Gruppen zu erfassen und AKTIVIERUNG UND FEEDBACK auszuwerten. Es werden QR-Codes oder Kurzlinks auf dem PC des Dozenten generiert, die von den In Abhängigkeit von den gewählten Zielen kann der Studierenden ohne vorherige Anmeldung auf PCs Aktivierungsanteil innerhalb eines Lehrszenarios variieren oder mobilen Endgeräten aufgerufen werden kön- (Reinmann 2013). Digitale Medien unterstützen hierbei nen. Der Vortragende oder Moderator tritt aktiv mit sowohl den Einsatz kleiner und fokussierter Elemente der Gruppe in Kontakt und kann die Ergebnisse als wie Abstimmungssysteme (Clicker), aber auch umfang- didaktisches Instrument oder zur inhaltlichen Ergän- reichere Selbstlernanwendungen. zung seiner Lehre nutzen. Die an der Universität Bielefeld entwickelte Soft- Clicker dienen der Aktivierung der Studierenden, ins ware stellt unterschiedliche Fragentypen bereit, besondere innerhalb großer Auditorien, und geben ihnen die fast alle grundlegenden didaktischen Szenarien ein unmittelbares Feedback über ihren Kenntnisstand; abdecken: Ja/Nein-Fragen, Single Choice, Multiple selbst zögerliche Studierende können mit Kurzumfragen Choice, Freitextantworten oder Ratingskala-Fragen erreicht und zur Mitarbeit angeregt werden. Lehrenden (von 1-100%). Zur direkten Nutzung der Ergebnisse gibt das Clicker-System Hinweise darüber, ob die ange- liefert FreeQuizDome eine statistische Interpretation strebten Lernergebnisse mithilfe der gewählten Lernform der Antworten und eine visualisierte Darstellung [8]. erreicht werden. Die Anwendungen liefern – unabhängig
6 nexus IMPULSE FÜR DIE PRAXIS | Ausgabe 12 davon, ob es sich um „bring your own device (BYOD)“- Anwendungen mit dem eigenen Smartphone [8] oder E- PORTFOLIOS eigens bereitgestellte Abstimmungsgeräte handelt – E-Portfolios ergänzen als persönliche Arbeitsbe- umgehend die Kurzumfrageergebnisse für alle sichtbar reiche, die z. B. mit Mahara angeboten werden, im Präsentationsformat. Das Stellen von Verständnis- Lernplattformen wie Moodle optimal. Eigene Do- fragen, kombiniert mit Kleingruppendiskussionen nach kumente können erstellt, geteilt, kommentiert und bspw. der Methode der „Peer-instruction“ von Mazur in Verbindung mit unterschiedlichen multimedialen (2006), deckt Verständnisschwierigkeiten auf und gibt Elementen wie Videos gestaltet werden. Lehrenden die Möglichkeit, diese gezielt zu adressieren. In einem E-Portfolio kann – ähnlich einer digitalen Sammelmappe – die Entwicklung der zu bearbeiten- Selbstlernanwendungen ermöglichen individuell ange- den Aufgabe, die Präsentation der Ergebnisse und passte Übungsaufgaben und Hilfestellungen durch auto- das Feedback festgehalten und einem ausgewählten matisierte Feedbacks, die den Lernfortschritt für die Stu- Personenkreis zugänglich gemacht werden [9]. dierenden unmittelbar sichtbar machen und inhaltliche Hinweise liefern. Die technische Umsetzung kann mit Plug-Ins für Lernplattformen wie Moodle realisiert wer- den, z. B. lassen sich mit der Anwendung „STACK“ ma- thematische Aufgaben generieren und auswerten [9]. Die persönliche Betreuung der Studierenden kann, dadurch entlastet, auf tiefergehende Fachinhalte fokussieren. INVERTED CLASSROOM AM INSTITUT FÜR ANGLISTIK UND AMERIKANISTIK BETREUUNG UND PEER-TO-PEER- DER PHILIPPS-UNIVERSITÄT MARBURG FORMATE Das Inverted Classroom-Modell wird durch den „Virtual Linguistics Campus“ (VCL), der größten Gruppenbasierte Textarbeiten werden durch virtuelle E-Learning Plattform für Lingusitik weltweit, unter- Gruppenarbeitsräume organisatorisch stark vereinfacht stützt. Es wird in Marburg zunehmend innovativ und stehen online auf diversen Plattformen unkompliziert eingesetzt. In dem 2-in-1 Format können z. B. unter- zur Verfügung. Zusätzlich bieten Chats und Foren die schiedliche Kurse in einer zeitgleichen Präsenzphase Möglichkeit, Verständnisfragen zu stellen und zu diskutie- betreut werden oder die Studierenden können im ren sowie bearbeitete Themengebiete in Wikis öffentlich FLOCK-Format (flexibler on-campus-Kurs) zwischen zugänglich zu machen. Dadurch wird eine neue Grund- drei Kursrhythmen – drei, fünf oder sieben Tage lage für Peer-to-peer-Formate geschaffen, die begleitet – wählen und in individuellen Geschwindigkeiten arbeiten. von geschulten E-Tutoren eine wesentliche Säule der Studierendenbetreuung ausmachen (Peetz 2016). Wem In der Präsenzzeit arbeiten die Studierenden – mit die dynamische Struktur von Wikis und Hypertexten zu individueller selbstständiger Vorbereitung – an ver ungewohnt erscheint, kann auch auf Hardware-Lösun- schiedenen Übungsmaterialien. Die Lehrenden kön- gen wie die mobile „Team Box“ der Hochschule Fulda nen den Bearbeitungsfortschritt von Online-Materia- (Lingelbach 2016) zurückgreifen, die einen Arbeitsplatz lien der Studierenden über den sog. „Mastery Level“ mit lokalem Netzwerk zur Verfügung stellt, auf dem alle nachvollziehen und einschätzen, wie vorbereitet die Gruppenmitglieder Dokumente erstellen, bearbeiten und Studierenden in die Präsenzphasen kommen [10]. kommentieren können. E-ASSESSMENTS Das Lernverhalten der Studierenden orientiert sich maß- besondere Bedeutung zu. Komplettiert wird daher das geblich an den konkreten Prüfungsanforderungen der facettenreiche Potenzial von digitalen Informations- und Veranstaltung – gelernt wird, was geprüft wird (Schaper Kommunikationstechnologien erst durch ihre Anwen- und Hilkenmeier 2013, S. 27). Aus diesem Grund kommt dung in digitalen Prüfungen und in der elektronischen Prüfungen bei der Konzeption von Lehrveranstaltun- Leistungsbewertung (E-Assessments). gen und der Unterstützung des Lernprozesses eine
Kapitelname nexus IMPULSE FÜR DIE PRAXIS | Ausgabe 12 77 E-Assessments können sowohl zur Studienorientierung MEHRWERTE UND als auch für Einstufungstests eingesetzt werden und fle- HERAUSFORDERUNGEN xibilisieren summative Assessments, die das Endergebnis des Lernprozesses zum Abschluss eines Moduls, häufig in Die Digitalisierung kann als Verstärker didaktischer Quali- einer Klausur, abfragen. Insbesondere bei hohen Studie- tät fungieren, indem die Lehre individuell auf die Studie- rendenzahlen versprechen Automatisierungseffekte eine renden ausgerichtet werden kann und deren Selbstlern- Verringerung des Korrekturaufwands, aber auch zeitna- kompetenzen gestärkt werden. Eine gute und kontinuier- hes, individuelles Feedback. liche Anleitung ist hierfür unabdingbar, denn die Studie- renden suchen und nutzen die Medien in der Hochschule Formative Prüfungsformen, die semesterbegleitend den nicht selbstständig (Persike und Friedrich 2016). Durch Lernprozess abbilden, zur Reflexion anregen und Wis den Einsatz digitaler Elemente können gezielt Studieren- sensinhalte verknüpfen, sind besonders geeignet, um dengruppen angesprochen werden, um so den Umgang einen nachhaltigen Erkenntnisgewinn jenseits des mit studentischer Diversität zu unterstützen. Zusätzlich „Bulimie-Lernens“ zu fördern. Formatives Prüfen kann ist der Einsatz digitaler Medien im Studium ein wichtiger digital optimal umgesetzt werden, wie z. B. durch die Faktor, wenn es um die Vorbereitung von Studierenden wöchentliche Bearbeitung von Übungsaufgaben über auf eine digitalisierte Arbeitswelt geht (Beuth Hochschule Moodle-Plug-Ins oder das Erstellen von Lerntagebüchern für Technik Berlin 2016). mit E-Portfolios. Allerdings haben digitale Lehrformen ihren Preis. Dieser INVERTED CLASSROOM drückt sich vor allem im höheren zeitlichen Aufwand für Lehrende und Studierende sowie in gesteigerten Anfor- Im Konzept des Inverted Classroom findet die Wissens- derungen an die technische und räumliche Infrastruktur vermittlung zeitlich gesehen vor der Präsenzphase statt aus. Bedarfe an Coachings und Weiterbildung aufseiten und muss von den Studierenden selbstständig geleistet der Lehrenden, die weiterhin die inhaltliche Umsetzung werden. Hierbei können unterschiedliche E-Learning- ihrer Veranstaltungen verantworten, werden steigen, Instrumente die Studierenden beim individuellen Wis- könnten aber durch den Aufbau von Servicestellen ge- senserwerb unterstützen: Die Inhalte können über Lern- deckt werden. Gepaart mit individuellen Anreizstrukturen videos zeitlich flexibel und ortsunabhängig vermittelt, kann so eine Weiterentwicklung der Lehre gefördert in Chats und Foren diskutiert und in Online-Selbsttests werden. überprüft und eingeübt werden. Mithilfe formativer Assessments (z. B. der Abfrage von Grundlagenwissen Die fortschreitende Digitalisierung verändert nicht nur und Definitionen) wird sichergestellt, dass die Studieren- unsere Lebens- und Arbeitswelt, sondern auch das Leh- den die Einheiten erfolgreich bearbeitet haben. ren und Lernen an den Hochschulen. Digitale Medien rücken vermehrt in den Fokus von Wissenschaft und Die Präsenzzeit kann nun für Übungen und Anwen- Hochschulpraxis, die Aufmerksamkeit für die Entwicklung dungen oder zur Reflexion und Klärung offener Fragen und Verbreitung innovativer Lerntechnologien nimmt zu. genutzt werden. Zur Gestaltung der Präsenzphase treten So prognostiziert auch der Horizon Report 2015, der die studierendenzentrierte Lehrformen, wie beispielsweise Auswirkungen neuer Technologien auf Bildungseinrich- das aktive Plenum, eine Gruppenmethode nach dem tungen aus aller Welt in den kommenden fünf Jahren Konzept „Lernen durch Lehren“ (Martin 2000), oder erfasst, bis 2018 einen zunehmenden Einsatz von Blen- gemeinsame Aufgabenbearbeitung nach „Think-Pair- ded Learning-Formaten an Hochschulen (Johnson et al. Share“-Methode in den Vordergrund (Spannagel 2013). 2015). Der klassische Frontalunterricht stellt eher die Ausnahme dar. Der Lehrende tritt in diesen Szenarien in den Hinter- grund und nimmt die Rolle eines Lernbegleiters ein. WEITERE INFORMATIONEN UND LINKS Alle Links ([1] - [10]) sowie elektronisch verfügbaren Quellen sind unter: http://www.hrk-nexus.de/impulse/ Digitales-Lehren-und-Lernen zu finden.
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In: HRK nexus (Hg.): Digitale Autorinnen: Lehrformen für ein studierendenzentriertes und kompetenzorientiertes Studium. Tagungs- Dr. Stephanie Grabowski, band. Berlin, 16./17.06.2016. Hochschulrektorenkonferenz Projekt nexus. Dr. Annika Pape Mazur, Eric (2006): Peer Instruction: Wie man es schafft, Studenten zum Nachdenken zu Gestaltung: bringen. In: Praxis der Naturwissenschaften; Physik in der Schule 4 (55), S. 11–15. Gabriele Hentschel Means, Barbara; Toyama, Y.; Murphy, R.; Bakia, M.; Jones, K. (2010): Evaluation of evidence based practices in online learning. A meta analysis and review of online learning studies. Dezember 2016 Peetz, Angela (2016): Virtuelle Kompetenzen - vom eLearner zum eTutor. Posterpräsentation. 1. Auflage ISSN: 2195-3615 Digitale Lehrformen für ein studierendenzentriertes und kompetenzorientiertes Studium. Hochschulrektorenkonferenz Projekt nexus. Freie Universität Berlin, 16.06.2016. 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Bonn in elektronischen Systemen – (Fachgutachten). auch auszugsweise – nur mit Schulmeister, Rolf (im Erscheinen): Präsenz und Selbststudium im eLearning. Indizien für vorheriger schriftlicher Ge- eine besondere Rolle der Präsenz. In: HRK nexus (Hg.): Digitale Lehrformen für ein studieren- denzentriertes und kompetenzorientiertes Studium. Tagungsband. Berlin, 16./17.06.2016. nehmigung durch die Hoch- Hochschulrektorenkonferenz Projekt nexus. schulrektorenkonferenz. Die Schulmeister, Rolf; Metzger, Christiane; Martens, Thomas (2012): Heterogenität und Studien HRK übernimmt keine Ge- erfolg. Lehrmethoden für Lerner mit unterschiedlichem Lernverhalten. 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Hochschul forum Digitalisierung. Bonn (Arbeitspapier, 15).
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