DIREKTVERMARKTUNG VON BIOGAS-STROM - Hinweise und Empfehlungen für Anlagenbetreiber und Kreditgeber

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DIREKTVERMARKTUNG VON BIOGAS-STROM - Hinweise und Empfehlungen für Anlagenbetreiber und Kreditgeber
INNOVATIONS-INKUBATOR

DIREKTVERMARKTUNG
VON BIOGAS-STROM
Hinweise und Empfehlungen für Anlagenbetreiber und Kreditgeber

» www.leuphana.de/biogas
DIREKTVERMARKTUNG VON BIOGAS-STROM - Hinweise und Empfehlungen für Anlagenbetreiber und Kreditgeber
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // VORWORT                                                                                            1

VORWORT

Dieser Leitfaden richtet sich an Betreiber von Biogasanlagen und          auch Erkenntnisse ein, die aus der Analyse von 22 Direktvermark-
kreditgebende Banken und Sparkassen. Er soll Anlagenbetreiber             tungsverträgen und Expertenbefragungen mit Stromhändlern und
dabei unterstützen, sich in einem geänderten Marktumfeld betriebs-        Kreditinstituten stammen. Es wurden Interviews mit Experten von
und finanzwirtschaftlich optimal aufzustellen und analysiert die          acht Stromhandelsunternehmen durchgeführt: Energy2market, EnBW
Veränderungen von Finanzierungsbedingungen bei einem Eintritt             Trading, EWE Energie, Grundgrün Energie, Hamburg Energie, Next
in die Direktvermarktung.                                                 Kraftwerke, Stadtwerke München (SWM) und ein lokaler Stromhändler
                                                                          (NewSmartPower). Die Einschätzungen dieser Direktvermarkter wur-
Der Leitfaden besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil wendet sich an      den von Experten zweier Erzeugergemeinschaften ergänzt – der GDGE
die Biogasanlagenbetreiber, der zweite Teil an die kreditgebenden         eG und der GeLa eG. Unter den in der Finanzierung von Biogasanla-
Banken und Sparkassen. Im ersten Teil wird auf die Märkte einge-          gen führenden Kreditinstituten wurden Experten von acht Banken
gangen, die für die Vermarktung von Biogas-Strom relevant sind. Es        und Sparkassen befragt: Bremer Landesbank, Deutsche Kreditbank,
werden außerdem Hintergrundinformationen zu den Kostenfaktoren            DZ Bank, Landessparkasse zu Oldenburg, NORD/LB, Oldenburgische
beim flexiblen BHKW-Betrieb gegeben. Des Weiteren werden die Ver-         Landesbank, Südwestbank und Umweltbank. Ergänzend interviewten
marktung über Erzeugergemeinschaften analysiert und die Vor- und          die Lüneburger Forscher den Anlagenbauer Dreyer & Bosse sowie zwei
Nachteile verschiedener Vergütungsmodelle von Direktvermarktern           der im Biogas-Bereich führenden Hersteller von BHKWs, GE Jenbacher
beleuchtet. Im zweiten Teil wird auf die Risiken eingegangen, die sich    und 2G.
für ein Kreditinstitut beim Wechsel einer Bestandsanlage in die Direkt-
vermarktung ergeben können. Am Ende jedes Kapitels werden die             Der Leitfaden soll Anlagenbetreiber und kreditgebende Banken und
wesentlichen Punkte in Handlungsempfehlungen zusammengefasst.             Sparkassen unterstützen, bei der Direktvermarktung von Biogas-
                                                                          Strom die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Der Leitfaden stellt die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Direkt-
vermarktung von Biogas-Strom“ der Leuphana Universität Lüneburg
vor. Der Professor für Finanzierung und Finanzwirtschaft Heinrich
Degenhart und sein Team führten es 2013 bis 2015 als Teil des
EU-geförderten Regionalentwicklungsprojektes Innovations-Inkubator
der Leuphana durch. Das Hauptaugenmerk des Projektes richtete sich
auf Kooperationen von Biogasanlagenbetreibern sowie auf die Ver-
marktung über Zwischenhandelsorganisationen. Neben Ergebnissen
aus eigenen Modellen und Berechnungen flossen in diesen Leitfaden
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DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // INHALT        2

INHALT

 1   Vorwort

 3   HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER
 4   Märkte
13   Kosten der flexiblen Fahrweise
15   Organisationsmodelle
17   Vergütungsmodelle

24 HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR KREDITGEBENDE BANKEN
		 UND SPARKASSEN
29 Literatur
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DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER   3

HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN
FÜR ANLAGENBETREIBER
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DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                                4

MÄRKTE

Seit der Einführung des EEG 2012 steht Biogasanlagenbetreibern                SPOTMÄRKTE
neben der Möglichkeit der Veräußerung des von ihnen produzierten              Der Spotmarkt stellt den zentralen Handelsplatz für die Direktver-
Stroms an den Übertragungsnetzbetreiber gegen den Erhalt einer                marktung von Strom aus erneuerbaren Energien dar. Der für Deutsch-
fixen EEG-Einspeisevergütung auch die Alternative zur Verfügung,              land wichtigste Spotmarkt befindet sich an der EPEX SPOT in Paris.
den Biogas-Strom im Rahmen der Direktvermarktung zu verkaufen.                An der EPEX SPOT gibt es den Day-Ahead-Markt und den noch kurz-
Nach dem EEG 2014 besteht für geförderte Neuanlagen in der Regel              fristigeren Intraday-Markt.
eine Pflicht zur Direktvermarktung.
                                                                              DAY-AHEAD-MARKT
Unter dem Begriff „Direktvermarktung“ versteht man die Veräußerung            Als Day-Ahead-Markt wird der Markt für den Handel von Strom mit
von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas an Dritte,             Lieferung am nächsten Tag bezeichnet. Mit einem Handelsvolumen
wobei der Strom entweder im Rahmen der geförderten oder der sons-             von rund 263 TWh im Jahr 2014 im Marktgebiet Deutschland/Öster-
tigen Direktvermarktung verkauft werden kann. Bei der geförderten             reich ist der Day-Ahead-Markt der wichtigste Börsenmarkt für erneu-
Direktvermarktung wird implizit angenommen, dass der produzierte              erbare Energien in Deutschland.
Strom an der Strombörse, genauer gesagt am Day-Ahead-Markt,
verkauft wird. Der Anlagenbetreiber erhält zusätzlich die sogenannte          Für die täglich, also ganzjährig einschließlich gesetzlicher Feiertage,
„Marktprämie“, welche die Differenz zwischen dem durchschnitt-                stattfindende Auktion müssen die Gebote bis 12:00 Uhr am Tag vor
lichen monatlichen Börsenpreis und dem „anzulegenden Wert“ – der              dem Liefertag übermittelt werden. Im Day-Ahead-Handel können
früheren Einspeisevergütung – darstellt. Bei der sonstigen Direkt-            sowohl Einzelstunden als auch Blockgebote, in denen verschiedene
vermarktung fehlt die Förderung über die Marktprämie. Die sonstige            Einzelstunden zusammengefasst sind, gehandelt werden. So gibt es
Direktvermarktung spielt derzeit bei der Direktvermarktung von                neben klassischen Blockgeboten wie „Baseload“ (für die Stunden 1
Biogas-Strom jedoch keine Rolle. Dies zeigen auch die Daten eines             bis 24) und „Peakload“ (für die Stunden 9 bis 20) auch ausgefallenere
Monitoringberichts zur Direktvermarktung aus erneuerbaren Energien:           Blöcke wie „High Noon“ (für die Stunden 11 bis 14) oder „Sun-Peak“
Demnach wurden im August 2014 Strom aus Biomasse-Anlagen mit                  (für die Stunden 11 bis 16).
einer Gesamtleistung von 4.269 MWel unter Inanspruchnahme des
Marktmodells und nur etwa 0,4 MWel mittels sonstiger Direktver-               Da der Monatsmittelwert der Stundenkontrakte für die Preiszone
marktung vermarktet (Schäfer-Stradowsky et al., 2014).                        Deutschland/Österreich am Day-Ahead-Markt die Basis für die Be-
                                                                              rechnung der Marktprämie darstellt, können mit Strom-Verkäufen, die
Die verpflichtende Direktvermarktung, die das EEG 2014 für alle               über dem Monatsmittelwert an der Börse liegen, Erlöse erzielt werden,
Neuanlagen ab einer bestimmten installierten Leistung vorsieht, wird          welche die fixe EEG-Vergütung übersteigen. Da die Spannen zwischen
sich nicht wesentlich auf das Direktvermarktungs-Volumen auswirken,           den Tages-Hoch- (HT) und –Niedrigpreisphasen (NT) in den letzten
da in den nächsten Jahren nur mit geringen Zubau-Raten gerechnet              Jahren kontinuierlich abgenommen haben, sind mit der klassischen
wird. So geht der Fachverband Biogas e.V. in einer Branchenzahlen-            HT/NT Fahrweise jedoch keine hohen Zusatzerlöse mehr zu erzielen.
prognose von nur 94 Neuanlagen im Jahr 2014 und 61 Neuanlagen im
Jahr 2015 aus. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass es sich              Um höhere Erlöse erzielen zu können, müsste ein auf die Börsenpreise
bei den Neuanlagen vorwiegend um „Gülleanlagen“ mit nur geringer              abgestimmter Fahrplan erstellt und die Biogasanlage wesentlich
installierter Leistung handelt.                                               flexibler betrieben werden. Ob jedoch die dafür notwendigen Aufwen-
                                                                              dungen unter den zu erzielenden Erlösen liegen ist fraglich und muss
Grundsätzlich kann auch im Rahmen der geförderten Direktvermark-              individuell betrachtet werden. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der
tung der erzeugte Strom auf jedem Strommarkt veräußert werden,                monatlichen HT/NT-Durchschnittswerte von Januar 2010 bis Dezember
ohne dass der Anspruch auf die Marktprämie verloren geht. Da jedoch           2014. Die Abnahme der Spannen zwischen HT- und NT-Preisen ist im
der durchschnittliche monatliche Börsenpreis am Day-Ahead-Markt               geringer werdenden Abstand der Trendlinien erkennbar.
die Basis für die Berechnung der Marktprämie bildet, stellt die
Vermarktung auf anderen Strommärkten ein zusätzliches Risiko
dar. Zudem ist der Spotmarkt, auf dem Strommengen mit maxi-
malen Lieferzeiträumen von 1,5 Tagen gehandelt werden, für die
Vermarktung der nur kurzfristig planbaren erneuerbaren Energien
besser geeignet.
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    Abbildung 1

                                 Monatliche Durchschnittswerte HT/NT
                            70

                            60

                            50

                            40
                  EUR/MWh

                            30

                            20

                            10

                             0
                              Jan.10                  Jan.11           Jan.12                 Jan.13                   Jan.14

                                            HT                 NT        Trend (HT)                Trend (NT)

    Entwicklung der monatlichen Durchschnittswerte HT und NT, eigene Darstellung nach Daten der EPEX SPOT

    Abbildung 2

                                  Leistungspreise PRL

                     10.000
                      9.000
                      8.000
                      7.000
                      6.000
        EUR/MWh

                      5.000
                      4.000
                      3.000
                      2.000
                      1.000
                          0
                                 03.07.2011
                                 14.08.2011
                                 25.09.2011
                                 06.11.2011
                                 18.12.2011
                                 29.01.2012
                                 11.03.2012
                                 22.04.2012
                                 03.06.2012
                                 15.07.2012
                                 26.08.2012
                                 07.10.2012
                                 18.11.2012
                                 30.12.2012
                                 10.02.2013
                                 24.03.2013
                                 05.05.2013
                                 16.06.2013
                                 28.07.2013
                                 08.09.2013
                                 20.10.2013
                                 01.12.2013
                                 05.01.2014
                                 16.02.2014
                                 30.03.2014
                                 11.05.2014
                                 29.06.2014
                                 10.08.2014
                                 21.09.2014
                                 02.11.2014
                                 14.12.2014

                                       Maximale Leistungspreise PRL               Mittlere Leistungspreise PRL                        Trend

    PRL-Leistungspreise – Maximum und gewichtetes Mittel, eigene Darstellung nach Daten von Übertragungsnetzbetreibern (www.regelleistung.net)
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INTRADAY-MARKT                                                                Erlösmöglichkeit für Biogasanlagenbetreiber seit Beginn der Direkt-
Der Intraday-Handel bezeichnet den Handel von Strom, der noch am              vermarktung ständig zugenommen hat, ist der Regelleistungsmarkt.
selben Tag geliefert wird. Im Jahr 2014 belief sich das Handels-
volumen auf dem deutsch/österreichischen Intraday-Markt der EPEX              REGELLEISTUNGSMARKT
SPOT auf 26 TWh und macht damit nur rund 10 % des Handels-                    Regelleistung wird unter anderem eingesetzt, um die Frequenz im
volumens des Day-Ahead-Marktes aus.                                           Stromnetz bei 50 Hertz halten zu können und so Stromausfälle
                                                                              zu vermeiden, die sich aufgrund einer erhöhten oder verminderten
Im Gegensatz zum Day-Ahead-Markt findet am Intraday-Markt keine               Ein- bzw. Ausspeisung im Netz ergeben. Als steuerbare Erzeugungs-
Auktion statt, sondern die Strommengen werden kontinuierlich                  anlagen sind Biogasanlagen in der Lage, das Netz zu stabilisieren,
gehandelt. Der Handel erfolgt an sieben Tagen pro Woche und 24                indem sie bei Frequenzabweichungen die Stromproduktion über einen
Stunden pro Tag. Dabei können Stundenkontrakte/15-Minuten-                    bestimmten Zeitraum erhöhen (positive Regelleistung) oder vermin-
Kontrakte ab 15:00/16:00 des Vortages und bis zu 45 Minuten vor               dern (negative Regelleistung). Von Biogasanlagen werden im Regelfall
Lieferbeginn gehandelt werden. Zudem können auch am Intraday-                 nur zwei der drei Arten von Regelleistung erbracht: Sekundärregel-
Markt Blockkontrakte gehandelt werden. Die beiden vordefinierten              leistung (SRL) und Minutenreserveleistung (MRL). Jedoch gibt es
Blockkontrakte sind „Baseload“ (für die Stunden 1 bis 24) und                 auch schon einige Biogasanlagen, die Primärregelleistung (PRL)
„Peakload“ (von Montag bis Freitag für die Stunden 9 bis 20).                 erbringen. Nach abgeschlossener Präqualifikation (= Prüfung und
                                                                              Zulassung) der Anlage durch den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)
Aufgrund der Möglichkeiten, bis kurz vor Lieferung und viertelstunden-        kann die Biogasanlage am Regelleistungsmarkt teilnehmen. Da die
genau zu handeln, dient der Intraday-Markt Stromhändlern zum kurz-            Mindestangebotsgröße für positive und negative MRL bzw. für positive
fristigen Ausgleich ihrer Bilanzkreise. Auf diese Weise kann beim             und negative SRL jeweils 5 MW beträgt, muss die überwiegende
Direktvermarkter der Einsatz von Ausgleichsenergie reduziert werden.          Anzahl der Biogasanlagen als Teil eines Anlagenpools an den Regel-
Die zunehmende Relevanz des Intraday-Handels zeigt sich im ständig            leistungs-Ausschreibungen teilnehmen.
steigenden Handelsvolumen des Intraday-Marktes: Das Intraday-
Handelsvolumen im Marktgebiet Deutschland/Österreich stieg von                Im Rahmen der Ausschreibungen können entweder Leistungs- und
2013 auf 2014 um rund 34 %, das Handelsvolumen der 15-Minuten-                Arbeitspreis-Gebote (für bereitgestellte und zu erbringende Leis-
Kontrakte auf dem deutschen und dem schweizerischen Markt um                  tung) oder, im Fall der Primärregelleistung, nur Leistungspreis-Gebote
87 % auf fast 5 TWh (EPEX SPOT, 2015).                                        abgegeben werden. Primärregelleistung, Sekundärregelleistung und
                                                                              Minutenreserve unterscheiden sich hinsichtlich der Erlösmöglich-
Ein weiteres Marktsegment stellt der Terminmarkt für Strom an der             keiten und der Anforderungen an das BHKW aufgrund der geforderten
European Energy Exchange (EEX) in Leipzig dar. Im Gegensatz zum               Aktivierungsgeschwindigkeit, der Dauer der Bereitstellung und
Spotmarkt, an dem kurzfristig lieferbare Strommengen gehandelt                Erbringung der Leistung. Bei MRL und SRL werden positive und
werden, geht es am Terminmarkt um mittel- oder langfristige Strom-            negative Regelleistung getrennt ausgeschrieben. Die Ausschreibungen
liefervereinbarungen („Terminkontrakte“ oder „Futures“) mit Vorlauf-          sind auf der gemeinsamen Internetplattform der Übertragungsnetz-
zeiten von Wochen, Monaten, Quartalen oder Jahren. Das Handelsvolu-           betreiber unter www.regelleistung.net ersichtlich. Im Folgenden wird
men des Strom-Terminmarktes der EEX ist mit 1.570 TWh (2014) zwar             auf die einzelnen Regelleistungsarten näher eingegangen.
bedeutend größer als jenes des Day-Ahead-Marktes der EPEX SPOT,
der hier gehandelte Strom stammt in der Regel aber aus konventionel-
len Kraftwerken mit langfristig planbarer Energieproduktion.
Die meisten Strommengen in Deutschland werden allerdings nicht
an der EPEX SPOT oder der EEX, sondern im außerbörslichen, nicht
standardisierten OTC-Handel („over the counter“ = „über den
Ladentisch“) verkauft, bei dem die Vertragspartner individuelle, meist
langfristige Verträge aushandeln. Für den Handel mit Strom aus er-
neuerbaren Energien ist der OTC-Handel derzeit jedoch unwesentlich
(Graeber, 2013).

Ein Markt, an dem keine Strommengen, sondern Systemdienst-
leistungen angeboten werden und dessen Bedeutung als zusätzliche
DIREKTVERMARKTUNG VON BIOGAS-STROM - Hinweise und Empfehlungen für Anlagenbetreiber und Kreditgeber
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                             7

PRIMÄRREGELLEISTUNG (PRL)                                                     SEKUNDÄRREGELLEISTUNG (SRL)
Die Primärregelleistung ist die technisch anspruchsvollste der drei           Kann die Netzschwankung allein durch den Einsatz von Primärregel-
Regelleistungsarten und wird deshalb derzeit nur von einigen wenigen          leistung nicht behoben werden, so wird durch den Übertragungs-
Biogasanlagen erbracht. PRL wird als unmittelbare Maßnahme auf                netzbetreiber Sekundärregelleistung abgerufen. Um die PRL in
eine Abweichung der Netzfrequenz eingesetzt – sie ist somit die erste         wenigen Minuten ablösen zu können, muss die gesamte Leistung
der drei Regelleistungsarten, die aktiviert wird. Die Aktivierung der         innerhalb von 5 Minuten erbracht werden und für mindestens 15
PRL erfolgt im Gegensatz zur Aktivierung der Minutenreserve oder              Minuten zur Verfügung stehen. Außerdem muss bereits 30 Sekunden
Sekundärregelleistung nicht per Abruf der Übertragungsnetzbetrei-             nach Aktivierung der SRL eine Leistungsveränderung von 1 MW zu
ber, sondern frequenzabhängig. Das heißt, die Anlage, mit der PRL             erkennen sein. Nach Angaben von Gesprächspartnern haben SRL-
erbracht wird, muss selbständig auf eine Änderung der Netzfrequenz            Abrufe in der Regel eine Dauer von 5 bis 10 Minuten. Auch hier be-
reagieren und dieser entgegenwirken. Die Aktivierung der PRL beginnt          ziehen sich die Zeitangaben auf das einzelne Gebot, dem ein Pool
bei einer Frequenz von 49,99 bzw. 50,01 Hz und reicht bis zu einer            von Anlagen zugrunde liegen kann.
Frequenzabweichung von 200 mHz (Frequenz von 49,8 bzw. 50,2 Hz).
Die gesamte angebotene Leistung muss innerhalb von 30 Sekunden                Die Ausschreibung der Sekundärregelleistung erfolgt, wie jene
erbracht werden und für mindestens 15 Minuten zur Verfügung                   der PRL, wöchentlich (am Mittwoch der Vorwoche), jedoch werden
stehen. Dabei beziehen sich die 30 Sekunden nicht unbedingt auf die           positive und negative SRL getrennt ausgeschrieben und Gebote
einzelne Anlage, sondern auf das Angebot des gesamten Anlagenpools.           können für zwei verschiedene Produkt-Zeitscheiben abgegeben
                                                                              werden: Hauptzeit (HT) und Nebenzeit (NT). „Hauptzeit“ umfasst
Die Ausschreibung der Primärregelleistung erfolgt wöchentlich und             die Zeit Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr, „Neben-
zwar am Dienstag der Vorwoche. Positive und negative PRL werden               zeit“ die übrige Zeit werktags (also Montag bis Freitag 0:00 Uhr bis
zusammen ausgeschrieben, der Erbringungszeitraum beträgt eine                 08:00 Uhr und 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr), sowie Samstag, Sonntag
Woche (von Montag 0:00 bis Sonntag 24:00). Für Vorhaltung und Er-             und alle deutschlandweiten gesetzlichen Feiertage (von 0:00 Uhr bis
bringung der Primärregelleistung gibt der (präqualifizierte) Anbieter         24:00 Uhr). Es können somit Gebote für vier verschiedene Produkte
ein Leistungs­preis-Gebot ab. Beginnend mit dem niedrigsten                   abgegeben werden: positive SRL (HT), positive SRL (NT), negative
Leistungspreis bekommen alle Gebote einen Zuschlag, bis die aus-              SRL (HT) und negative SRL (NT).
geschriebene Menge erreicht ist.
                                                                              Für die Vorhaltung der Sekundärregelleistung muss ein Leistungs-
Abbildung 2 zeigt den Verlauf der bezuschlagten, mittleren und                preis-Gebot und für die Erbringung ein Arbeitspreis-Gebot abge-
maximalen Leistungspreise von Juli 2011 bis Jahresende 2014. Aus              geben werden. Wie im Fall der PRL, bekommen auch bei Auktion der
der Grafik ist ersichtlich, dass die mittleren Leistungspreise im Be-         SRL beginnend mit dem niedrigsten Leistungspreis alle Gebote einen
trachtungszeitraum zwischen 2.000 und 6.000 EUR/MW liegen und                 Zuschlag, bis die ausgeschriebene Menge erreicht ist.
einen leichten Aufwärtstrend aufweisen. Die maximal erreichbaren
Leistungspreise zeigen mehrere deutliche Abweichungen zu den                  Abbildung 3 zeigt den Verlauf der bezuschlagten, mittleren Leis-
mittleren Leistungspreisen mit Spitzenwerten zwischen 7.000 und               tungspreise negativer und positiver SRL von Juli 2011 bis Jahres-
9.000 EUR/MW.                                                                 ende 2014. Wie aus dem Diagramm ersichtlich ist, liegen die mitt-
                                                                              leren SRL-Leistungspreise im Betrachtungszeitraum deutlich unter
Eine Analyse der auf der Internetplattform der Übertragungsnetz-              jenen der PRL. Während die PRL-Preise den Wert von 2.000 EUR/
betreiber ausgeschriebenen Bedarfe und veröffentlichten Anbieter-             MW in den vergangenen Jahren nicht unterschritten haben, liegen
listen über den Zeitraum Mai 2011 bis März 2015 zeigt, dass sich              die mittleren SRL-Leistungspreise im Bereich zwischen 50 und
das Marktvolumen der PRL-Leistungspreise über den Zeitverlauf                 1.500 EUR/MW (für positive SRL) bzw. 100 und 3.000 EUR/MW (für
nur wenig verändert hat: Von einem Tiefstwert zu Jahresbeginn 2012            negative SRL). Hinsichtlich der Preisentwicklung weisen die mittleren
mit 567 MW stieg die ausgeschriebene Leistung kontinuierlich auf              Leistungspreise für positive SRL einen leichten Aufwärts-, die Leis-
670 MW zu Jahresende 2014 an. Die Zahl der deutschen Anbieter für             tungspreise für negative SRL einen deutlichen Abwärtstrend auf. Im
PRL hat sich im selben Zeitraum von 8 auf 13 erhöht. Die Erhöhung             Jahr 2014 lagen die mittleren Leistungspreise für negative SRL unter
der Anbieterzahl bei gleichbleibendem Marktvolumen hat jedoch, wie            jenen für positive SRL.
aus dem Diagramm ersichtlich ist, keine negative Auswirkung auf
den Trend.
DIREKTVERMARKTUNG VON BIOGAS-STROM - Hinweise und Empfehlungen für Anlagenbetreiber und Kreditgeber
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                                                                                                                                                                                                              8

    Abbildung 3

                                  Mittlere Leitungspreise SRL

                     2.500

                     2.000

                     1.500
           EUR/MWh

                     1.000

                      500

                        0
                              03.07.2011
                                            03.09.2011
                                                           03.11.2011
                                                                         03.01.2012
                                                                                       03.03.2012
                                                                                                     03.05.2012
                                                                                                                   03.07.2012
                                                                                                                                 03.09.2012
                                                                                                                                               03.11.2012
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                                                                                                                                                                                       03.05.2013
                                                                                                                                                                                                    03.07.2013
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                                                                                                                                                                                                                              03.11.2013
                                                                                                                                                                                                                                           03.01.2014
                                                                                                                                                                                                                                                        03.03.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                     03.05.2014
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                                                                                                                                                                                                                                                                                               03.09.2014
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                                                         Mittlere Leistungspreise SRL negativ                                                                                             Mittlere Leistungspreise SRL positiv
                                                         Trend (Mittlere LP SRL negativ)                                                                                                  Trend (Mittlere LP SRL positiv)

    Gewichtetes Mittel der Leistungspreise für positive und negative SRL, eigene Darstellung nach Daten von Übertragungsnetzbetreibern (www.regelleistung.net)

    Abbildung 4

                                  Mittlere Grenzarbeitspreise SRL
                      200
                      180
                      160
                      140
                      120
           EUR/MWh

                      100
                       80
                       60
                       40
                       20
                        0
                             03.07.2011
                                           03.09.2011
                                                          03.11.2011
                                                                        03.01.2012
                                                                                      03.03.2012
                                                                                                    03.05.2012
                                                                                                                  03.07.2012
                                                                                                                                03.09.2012
                                                                                                                                              03.11.2012
                                                                                                                                                            03.01.2013
                                                                                                                                                                          03.03.2013
                                                                                                                                                                                       03.05.2013
                                                                                                                                                                                                    03.07.2013
                                                                                                                                                                                                                 03.09.2013
                                                                                                                                                                                                                              03.11.2013
                                                                                                                                                                                                                                           03.01.2014
                                                                                                                                                                                                                                                        03.03.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                     03.05.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                  03.07.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                               03.09.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                                            03.11.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         03.01.2015

                                                         Mittlere Grenzarbeitspreise SRL negativ                                                                                          Mittlere Grenzarbeitspreise SRL positiv
                                                         Trend (Mittlere Grenz-AP SRL negativ)                                                                                            Trend (Mittlere Grenz-AP SRL positiv)

   Gewichtetes Mittel der Grenzarbeitspreise für positive und negative SRL, eigene Darstellung nach Daten von Übertragungsnetzbetreibern (www.regelleistung.net)
DIREKTVERMARKTUNG VON BIOGAS-STROM - Hinweise und Empfehlungen für Anlagenbetreiber und Kreditgeber
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                              9

Die Analyse der ausgeschriebenen SRL-Bedarfe und veröffentlichten             preis-Gebot und für die Erbringung ein Arbeitspreis-Gebot abge-
Anbieter von SRL über den Zeitraum Mai 2011 bis März 2015 zeigt               geben werden. Beginnend mit dem niedrigsten Leistungspreis be-
ähnliche Ergebnisse, wie im Fall der Primärregelleistung: Das                 kommen alle Gebote einen Zuschlag, bis die ausgeschriebene Menge
Marktvolumen der SRL-Leistungspreise ist über die Zeit relativ                erreicht ist.
konstant, die Anbieterzahl steigt. So bewegte sich der mittlere Bedarf
von positiver und negativer SRL im Betrachtungszeitraum meist im              Abbildung 5 zeigt den Verlauf der bezuschlagten, mittleren Leistungs-
Bereich von 2.050 bis 2.150 MW, die Zahl der deutschen Anbieter               preise negativer und positiver MRL von Ende Juni 2011 bis Jahresende
stieg jedoch über das Dreifache – von 8 auf 27. Da die Trendlinien der        2014. Ein Vergleich von Abbildung 6 mit Abbildung 4 zeigt, dass die
SRL-Leistungspreise in entgegengesetzte Richtungen verlaufen, hat             mittleren MRL-Leistungspreise unter jenen der SRL liegen: Während
auch im Fall der SRL eine Erhöhung der Anbieterzahl bei gleichbleiben-        die durchschnittlichen Leistungspreise für positive SRL im Bereich
dem Marktvolumen keine klaren Auswirkungen auf die Entwicklung der            zwischen 50 und 1.500 EUR/MW liegen, übersteigen die mittleren
Leistungspreise.                                                              Leistungspreise für positive MRL die Null-Linie nicht oder nur wenig.
                                                                              Die mittleren Leistungspreise für negative MRL sind zwar höher als
Der Arbeitspreis stellt die Vergütung für die während des Angebots-           jene für positive MRL, allerdings wird auch hier die Dimension der
zeitraums tatsächlich geleistete Arbeit dar. Aus der Menge aller              SRL-Werte nicht erreicht. Die mittleren Leistungspreise für positive
bezuschlagten Leistungspreis-Gebote werden in einem zweiten                   sowie negative SRL weisen eine leicht zunehmende Tendenz auf.
Schritt die Arbeitspreise dieser Gebote aufsteigend sortiert und eine
sogenannte Merit-Order-Liste (MOL) erstellt. Anhand dieser MOL                Ein Vergleich der veröffentlichten Anbieter-Aufstellungen über den
werden die Gebote bzw. die am jeweiligen Gebot beteiligten Anlagen            Zeitraum Mai 2011 bis März 2015 zeigt, dass die Zahl der deutschen
im Fall eines Sekundärregelleistung-Abrufes nacheinander abgerufen.           MRL-Anbieter nicht so stark gestiegen ist, wie jene der deutschen
Der Grenzarbeitspreis ist der Arbeitspreis der letzten Anlage der             Anbieter von SRL. So hat sich die Anzahl nicht verdreifacht, sondern
Merit-Order-Liste, die noch abgerufen wurde.                                  stieg von 25 auf 40 an. Eine Analyse der ausgeschriebenen MRL-
                                                                              Bedarfe zeigt, dass das Marktvolumen der MRL-Leistungspreise
Abbildung 4 zeigt den Verlauf der mittleren Grenzarbeitspreise                über die Zeit zwar schwankt, grundsätzlich aber relativ konstant ist.
negativer und positiver SRL von Juli 2011 bis Jahresende 2014. Die            So bewegte sich der mittlere Bedarf von positiver und negativer MRL
dargestellten mittleren Grenzarbeitspreise SRL sind die Wochen-               im Betrachtungszeitraum meist im Bereich zwischen 2.100 und
Mittelwerte der Grenzarbeitspreise pro viertelstündigen Abruf in der          2.500 MW bzw. 2.400 und 2.800 MW. Somit hat auch im Fall der MRL
betrachteten Woche. Die Grafik zeigt, dass sich die mittleren Grenz-          die Erhöhung der Anbieterzahl bei gleichbleibendem Marktvolumen
arbeitspreise für erbrachte positive SRL um einen Wert von 80 EUR/            keine ersichtlichen Auswirkungen auf die Entwicklung der Leistungs-
MWh bewegen – mit absteigender Tendenz. Die mittleren Grenzar-                preise.
beitspreise für negative SRL sind niedriger und liegen größtenteils bei
einem Wert von rund 10 EUR/MWh bei leicht zunehmender Tendenz.                Abbildung 6 zeigt den Verlauf der mittleren Grenzarbeitspreise
                                                                              negativer und positiver MRL von Ende Juni 2011 bis Jahresende
MINUTENRESERVELEISTUNG (MRL)                                                  2014. Die dargestellten mittleren Grenzarbeitspreise MRL sind die
Dauert die Störung im Netz länger als 15 Minuten, so wird die Sekun-          Tages-Mittelwerte der Grenzarbeitspreise pro viertelstündigen Abruf
därregelleistung von der Minutenreserve abgelöst. Dafür muss die              am betrachteten Tag. Die mittleren Grenzarbeitspreise für positive
gesamte gebotene Leistung bei Aktivierung der MRL innerhalb von 15            MRL liegen bis Ende 2011 und ab April 2013 meist um Null EUR/MWh,
Minuten erbracht werden und bis zu einer Stunde bzw. bei mehreren             dazwischen vorwiegend um 25 oder 50 EUR/MWh, mit mehreren Spit-
Störungen bis zu mehreren Stunden zur Verfügung stehen.                       zenwerten über 100 EUR/MWh. Die mittleren Grenzarbeitspreise für
                                                                              negative MRL bewegen sich in einer ähnlichen Größenordnung, weisen
Die Ausschreibung der Minutenreserve erfolgt, im Gegensatz zu                 aber ein wenig mehr und höhere Spitzenwerte auf. Im Vergleich mit
jener der PRL und SRL, (arbeits-)täglich am Vortag bzw. freitags für          den mittleren SRL-Grenzarbeitspreisen ist festzustellen, dass die mitt-
Samstag, Sonntag und Montag. Wie im Fall der SRL werden auch                  leren Grenzarbeitspreise für positive SRL mit Werten um 80 EUR/MWh
positive und negative MRL getrennt ausgeschrieben. Gebote können              höher sind als jene für positive MRL, und die mittleren Grenzarbeits-
für sechs Zeitscheiben zu je 4 Stunden (z.B. 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr,           preise für negative SRL mit Werten um 10 EUR/MWh niedriger als jene
4:00 Uhr bis 8:00 Uhr) abgegeben werden. Insgesamt kann man also              für negative MRL. Die Trendlinien beider MRL-Grenzarbeitspreis-
Gebote für 12 verschiedene Produkte abgeben. Wie im Fall der SRL              Kurven weisen auf eine leicht rückläufige Tendenz hin.
muss für die Vorhaltung der Sekundärregelleistung ein Leistungs-
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    Abbildung 5

                               Mittlere Leistungspreise MRL

                100
                 90
                 80
                 70
                 60
      EUR/MWh

                 50
                 40
                 30
                 20
                 10
                  0
                      27.06.2011

                                   27.08.2011

                                                27.10.2011

                                                             27.12.2011

                                                                          27.02.2012

                                                                                       27.04.2012

                                                                                                    27.06.2012

                                                                                                                 27.08.2012

                                                                                                                              27.10.2012

                                                                                                                                           27.12.2012

                                                                                                                                                        27.02.2013
                                                                                                                                                                     27.04.2013

                                                                                                                                                                                   27.06.2013

                                                                                                                                                                                                 27.08.2013

                                                                                                                                                                                                               27.10.2013

                                                                                                                                                                                                                             27.12.2013

                                                                                                                                                                                                                                           27.02.2014
                                                                                                                                                                                                                                                         27.04.2014

                                                                                                                                                                                                                                                                       27.06.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                     27.08.2014

                                                                                                                                                                                                                                                                                                   27.10.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 27.12.2014
                                                    Mittlere Leistungspreise MRL negativ                                                                               Mittlere Leistungspreise MRL positiv
                                                    Trend (Mittlere LP MRL negativ)                                                                                    Trend (Mittlere LP MRL positiv)

    Gewichtetes Mittel der Leistungspreise für positive und negative MRL, eigene Darstellung nach Daten von Übertragungsnetzbetreibern (www.regelleistung.net)

    Abbildung 6

                               Mittlere Grenzarbeitspreise MRL
                300

                250

                200
      EUR/MWh

                150

                100

                 50

                  0
                      27.06.2011

                                   27.08.2011

                                                27.10.2011

                                                             27.12.2011

                                                                          27.02.2012

                                                                                       27.04.2012

                                                                                                    27.06.2012

                                                                                                                 27.08.2012

                                                                                                                              27.10.2012

                                                                                                                                           27.12.2012

                                                                                                                                                        27.02.2013

                                                                                                                                                                      27.04.2013

                                                                                                                                                                                    27.06.2013
                                                                                                                                                                                                  27.08.2013

                                                                                                                                                                                                                27.10.2013

                                                                                                                                                                                                                              27.12.2013

                                                                                                                                                                                                                                            27.02.2014
                                                                                                                                                                                                                                                          27.04.2014

                                                                                                                                                                                                                                                                        27.06.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                      27.08.2014

                                                                                                                                                                                                                                                                                                    27.10.2014
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  27.12.2014

                                                    Mittlere Grenzarbeitspreise MRL negativ                                                                            Mittlere Grenzarbeitspreise MRL positiv
                                                    Trend (Mittlere Grenz-AP MRL negativ)                                                                              Trend (Mittlere Grenz-AP MRL positiv)

    Mittlere Grenzarbeitspreise für positive und negative MRL, eigene Darstellung nach Daten von Übertragungsnetzbetreibern (www.regelleistung.net)
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                                11

Hinsichtlich der Erbringung von MRL oder SRL sollte auch beachtet             ATTRAKTIVITÄT DER MÄRKTE
werden, dass Sekundärregelleistung, welche ja schon bei kürzer                Nach einhelliger Aussage der befragten Experten können Strom­hän-
andauernden Netzschwankungen aktiviert wird, wesentlich häufiger              dler – und Anlagenbetreiber – mit der Managementprämie allein der-
abgerufen wird, als Minutenreserve. Eine Auswertung der Abruf­                zeit kaum Geld verdienen. Der Regelleistungsmarkt sei im Moment
statistik zeigt, dass vom 1.1.2011 bis 31.12.2014 rund 8 TWh negative         eine attraktive Möglichkeit, Zusatzerlöse zu generieren. Die Sekun-
MRL und 4,3 TWh positive MRL abgerufen wurden. Die Mengen abge-               därregelleistung wird dabei als das interessanteste Produkt gesehen.
rufener Sekundärregelleistung im selben Zeitraum betragen 34,7 TWh
negativer SRL und 21,8 TWh positiver SRL. Sekundärregelleistung wird          Die zuvor dargestellten Daten zum Regelenergiemarkt zeigen, dass
fast jede Viertelstunde abgerufen, MRL jedoch nur einige Male am              sich die mittleren Leistungspreise, die mit den verschiedenen
Tag. Jedoch werden bei SRL-Aktivierung teilweise weniger als 1 MW             Regelleistungsarten erzielt werden können, in unterschiedlichen
pro Viertelstunde nachgefragt. Bei Aktivierung der Minutenreserve,            Größenordnungen befinden. So gibt es für Anbieter der Primärregel-
welche längere Störungen ausgleichen soll, bewegen sich die abgeru-           leistung die höchsten mittleren Leistungspreise, jedoch stellt die
fenen Mengen eher im dreistelligen MW-Bereich. Abruf-Daten sind auf           PRL auch die höchsten Anforderungen an die BHKWs. Aber auch
www.regelleistung.net unter „Daten zur Regelenergie“ ersichtlich.             in der Sekundärregelleistung können hohe Leistungspreise erzielt
                                                                              werden. Zudem sind die technischen Anforderungen für die SRL-
Da die Feststellung des Bedarfes an MRL und SRL (im Gegensatz zur             Präqualifikation geringer als für PRL. Die mittleren Leistungspreise in
PRL) in jeder der vier deutschen Regelzonen separat erfolgt, können           der Minutenreserveleistung haben sich als die niedrigsten erwiesen.
sich sowohl die Abrufhäufigkeit als auch das Arbeitspreisniveau               Jedoch kann die Minutenreserveleistung für Anlagen mit nicht so
in den einzelnen Regelzonen unterscheiden. Mögliche Ursachen                  reaktionsschnellen BHKWs eine gute Möglichkeit darstellen, zusätz-
solcher Unterschiede sind nach Expertenangaben z.B. das Ausmaß                liche Erlöse zu generieren. Zudem können – und sollen laut befragten
der Windeinspeisungen in der Regelzone oder die Aktivierungsstrate-           Stromhändlern – MRL und SRL einerseits, und Regelleistungser-
gie der Übertragungsnetzbetreiber – ob vorsorglich MRL aktiviert wird         bringung und Vermarktung am Spotmarkt andererseits, kombiniert
oder vorrangig SRL.                                                           werden. So besteht die Möglichkeit, MRL z.B. dann anzubieten, wenn
                                                                              in einer Woche aufgrund von Wartungsarbeiten keine SRL angeboten
DIREKTVERMARKTER                                                              werden kann oder in der SRL-Auktion kein Zuschlag erteilt wurde.
Nach Expertenangaben ist davon auszugehen, dass die bereits                   Auch HT/NT-Fahrweise kann technisch und wirtschaftlich sinnvoll mit
begonnene Konsolidierung des Marktes in den nächsten Jahren                   SRL-Vermarktung kombiniert werden.
weitergeht, da eine wirtschaftliche Vermarktung nur ab einer gewis-
sen Portfoliogröße darstellbar sei. Neben der Portfoliogröße sei auch         Hinsichtlich der Arbeitspreise am Regelleistungsmarkt ist noch-
ein breites Spektrum an Dienstleistungen wichtig, welches neben               mals anzumerken, dass die mittleren Grenzarbeitspreise für SRL und
der Vermarktung verschiedener Regelleistungsarten z.B. Einspeise-             MRL relativ niedrig sind und bei der Minutenreserve die Null-Linie
management und regionale Direktvermarktung beinhaltet. Ebenso                 häufig nicht oder nur wenig überschreiten. Es stellt sich somit die
wird davon ausgegangen, dass Beratungsleistungen (hinsichtlich                Frage, ob mit der Erbringung von Sekundärregelleistung oder Minuten-
Energiemanagementsystemen, Zertifizierungen etc.) an Bedeutung                reserve genügend Einnahmen generiert werden können, um die damit
gewinnen werden. Für die Erbringung all dieser Dienst- und Bera-              verbundenen Kosten decken zu können. Es muss jedoch auch bedacht
tungsleistungen wären eigene Zugänge zu relevanten Märkten sowie              werden, dass bei einer guten Vermarktungsstrategie des Direkt-
eine eigene Handelsabteilung vorteilhaft. Im Hinblick auf die steigen-        vermarkters Preise erreicht werden können, die wesentlich über den
de Bedeutung des Intraday-Handels kann auch 24/7-Stromhandel                  mittleren Grenzarbeitspreisen liegen. Dies gilt allerdings auch für die
sinnvoll sein.                                                                mittleren Leistungspreise.

Des Weiteren wird nach Expertenangaben eine Selektion der Direkt-             Aus den vorangegangenen Angaben zum Regelenergiemarkt lässt sich
vermarkter über deren Bonität bzw. deren Absicherung durch eine               auch ablesen, dass sich die Preisentwicklung am Regelleistungs-
Bankbürgschaft stattfinden. Einerseits steigt der Bedarf an Bank-             markt nur schwer vorhersagen lässt. Obwohl im Betrachtungszeit-
bürgschaften, wenn immer mehr Anlagen in die Direktvermarktung                raum die Anzahl der deutschen Anbieter bei relativ gleichbleibenden
gehen. Andererseits verschlechtert sich die Bonität der Direktver-            Bedarfsmengen zugenommen hat (z.B. stieg die Zahl der deutschen
markter und damit die Möglichkeit, Bankbürgschaften zu erhalten,              SRL-Anbieter über das Dreifache), weisen die Leistungspreise, abgese-
aufgrund des steigenden Wettbewerbs unter den Direktvermarktern               hen von den mittleren Leistungspreisen für negative SRL, keinen Ab-
und des damit verbundenen und bereits erkennbaren Margenverfalls.             wärtstrend auf. Die mittleren PRL-Leistungspreise zeigen sogar einen
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                           12

recht deutlichen Aufwärtstrend. Mit weiter zunehmendem Angebot –              dafür gegeben sind, muss individuell geprüft werden. Dabei kann die
durch zusätzliche Biogasanlagen, aber auch andere Technologien, wie           regionale Direktvermarktung
z.B. Speicher - kann jedoch ein Preisverfall nicht ausgeschlossen             —— ­	auf Basis der geförderten Direktvermarktung erfolgen – wobei
werden. Dabei sind die technischen Barrieren bei der negativen MRL                 der Strom dann nicht als „Grünstrom“ verkauft werden kann, aber
am niedrigsten. Diese Form der Regelleistung kann z.B. bereits von                 die Marktprämie erhalten bleibt, oder
Windkraftanlagen erbracht werden. Welche Möglichkeiten und Proble-            —— ­	auf Basis der sonstigen Direktvermarktung – in deren Rahmen
me die Erbringung von Primärregelleistung für Biogasanlagenbetreiber               der Strom als „Grünstrom“ bezeichnet werden könnte, sobald das
wirklich mit sich bringt, wird sich erst in den nächsten Monaten                   Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine Durchfüh-
zeigen, wenn die ersten Biogasanlagenbetreiber, die PRL vermarkten,                rungsverordnung erlassen hat (eine Verordnungsermächtigung ist
von ihren Erfahrungen berichten können.                                            bereits in § 95 Nr. 6 EEG 2014 enthalten), die Marktprämie jedoch
                                                                                   wegfällt und auch die EEG-Umlage in voller Höhe bezahlt werden
Hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens der Anlagenbetreiber                       muss. In diesem Fall sollte allerdings die Zahlungsbereitschaft
gehen die befragten Experten davon aus, dass mit der verpflichtenden               für regionalen Grünstrom hinlänglich hoch sein, um ausreichende
Fernsteuerbarkeit für Bestandsanlagen ab 01.04.2015 Anlagen-                       Erlöse generieren zu können.
betreiber verstärkt Regelleistung anbieten, da dann die Infrastruktur
vorhanden ist. Es sei auch zu erwarten, dass Anlagenbetreiber, die            HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
derzeit MRL vermarkten, zur Vermarktung von SRL wechseln werden.              —— ­	Der Regelleistungsmarkt bietet derzeit interessante Erlös- und
Eine Datenerhebung unter Stromhändlern zeigt, dass bisher Bioga-                    gute Kombinationsmöglichkeiten – so können z.B. die Kombina-
sanlagen vorwiegend negative Regelleistung erbringen. So waren                      tion von HT/NT-Fahrweise und SRL-Vermarktung sowie von MRL-
bis zum 30. Juli 2014 290 MWel Biogasanlagenleistung für negative                   und SRL-Vermarktung vorteilhaft sein.
MRL und 15 MWel für positive MRL präqualifiziert. Für negative SRL            —— ­	Die Vermarktung von Sekundärregelleistung bietet derzeit
waren es 127 MWel Biogasanlagenleistung und für positive 7,2 MWel                   für Biogasanlagen das größte Erlöspotential, weil die mittleren
(Schäfer-Stradowsky et al., 2014).                                                  Leistungspreise höher sind als bei der Minutenreserve, die tech-
                                                                                    nischen Anforderungen an das BHKW jedoch geringer als bei der
Die flexible Fahrweise, in Form der Teilnahme am Regelleistungsmarkt                Primärregelleistung.
und/oder einer an die Börsenpreise angepassten Fahrweise, wird nach           —— Da die Entwicklung der Preise am Regelleistungsmarkt nur
Aussagen von Marktteilnehmern in Zukunft eine wichtige Rolle                        schwer abzuschätzen ist und das Angebot von Regelleistung
spielen. Zudem führe mittelfristig aufgrund des politischen Drucks                  ergänzend zum eigentlichen Stromverkauf stattfindet, sollten
und auch als Möglichkeit der Erhöhung der Akzeptanz von Biogas-                     auch andere Vermarktungsformen betrachtet werden, wie z.B.
anlagen bei der Bevölkerung kein Weg an der zunehmenden Flexibili-                  die bedarfsgerechte Stromerzeugung und Veräußerung am Day-
sierung und damit der Übernahme der eigentlichen Aufgabe der Bio-                   Ahead- oder Intraday-Markt.
gasanlagen bei der Energiewende, des Ausgleichs der fluktuierenden            —— ­	­Die regionale Direktvermarktung könnte mittel- bis langfristig
erneuerbaren Energien, vorbei.                                                      eine interessante Erlösmöglichkeit darstellen, jedoch bleibt noch
                                                                                    die weitere Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen und
Der Regelleistungsmarkt bietet derzeit interessante Erlös- und auch                 Geschäftsmodelle abzuwarten.
gute Kombinationsmöglichkeiten. Aufgrund der genannten Unsicher-              —— Welche Form der Direktvermarktung unter wirtschaftlichen
heiten im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Regelleistungs-               Aspekten zu wählen ist, hängt auch von den erforderlichen
marktes sollte jedoch auch eine Ausrichtung auf andere Ertrags-                     Investitionen sowie der unterschiedlichen Anlagenfahrweise
möglichkeiten, wie der gezielteren Vermarktung auf den Spotmärkten                  und den dadurch bestimmten Betriebskosten und der Lebens-
– Day-Ahead- und Intraday-Markt – in Betracht gezogen werden.                       dauer der Anlage ab.

Eine weitere interessante Vermarktungsmöglichkeit, vor allem auf
mittel- und langfristige Sicht, könnte auch die regionale Direkt-
vermarktung darstellen, also der Verkauf des erzeugten Stroms
an Letztverbraucher (Betriebe, Haushalte) in räumlicher Nähe. Die
regionale Direktvermarkung bietet den Vorteil, dass unter bestimm-
ten Bedingungen Stromsteuer eingespart werden kann sowie die
Möglichkeit der längerfristigen Preisbindung. Ob die Voraussetzungen
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                             13

KOSTEN DER FLEXIBLEN FAHRWEISE

Eine flexible Anlagenfahrweise erfordert zum einen Zusatzinvesti-             die Hersteller die Wartungskosten nicht mehr nach Betriebsstunden
tionen und bewirkt zum anderen eine Veränderung der Betriebs-                 abrechnen werden. Der zuvor genannte Abrechnungsvorteil ist bei
kosten. Zusatzinvestitionen können unter anderem bei der BHKW-                Teillastbetrieb von vornherein nicht gegeben, da sich bei dieser Be-
Leistung, beim Gasspeicher und beim Netzanschluss notwendig sein.             triebsweise die Anzahl der Betriebsstunden nicht verändert. Deshalb
Der Umfang der Zusatzinvestitionen ist dabei sehr anlagenspezifisch,          wäre es aus Perspektive der Anlagenbetreiber bei Teillastbetrieb von
da er vom bestehenden Flexibilitätspotential abhängig ist. So                 Vorteil, wenn die Wartungskosten anhand der tatsächlich erbrachten
kommt es vor, dass Gasspeicherkapazitäten bereits vorhanden sind              Arbeitsleistung abgerechnet würden.
oder dass die Netzanschlusskapazität für eine Anlagenerweiterung
Reserven enthält. Grundsätzlich fallen die Anschaffungskosten bei             TEILLASTBETRIEB
einer Anlagenerweiterung pro installierte Leistung, ähnlich wie bei           Der Teillastbetrieb ist für das BHKW gegenüber dem Start-Stopp-
der Errichtung einer Biogasanlage, mit zunehmender Anlagengröße               Betrieb grundsätzlich schonender, da dieser geringere Temperatur-
(KTBL, 2013). Für die Flexibilisierung notwendige Investitionen sind          unterschiede und eine geringere Anlaufreibung verursacht. Der
anlagenspezifisch zu überprüfen, ob sie wirtschaftlich sinnvoll sind.         wesentliche Nachteil des Teillastbetriebs ist, dass der Wirkungsgrad-
Nähere Informationen zu den erforderlichen Investitionen sind in ein-         verlust bei einer Leistungsreduzierung von 50 % je nach Aggregat
schlägigen Leitfäden (DLG, 2014; FNR, 2014) enthalten. Die folgenden          sechs bis sieben Prozent betragen kann. Bei derartig hohen Wirkungs-
Aussagen konzentrieren sich auf die Veränderung der Betriebskosten.           gradverlusten ist ein dauerhafter Teillastbetrieb unwirtschaftlich.
Dabei stehen die Auswirkungen auf das BHKW im Fokus.                          Ein weiteres Problem, das zu zusätzlichen Kosten führen kann, ist
                                                                              Korrosion: Aufgrund der gegenüber dem Volllastbetrieb tieferen
Grundsätzlich können bei der Flexibilisierung zwei Anlagenfahrweisen          Abgastemperatur kommt es zum verstärkten Ausfall von Kondensat.
unterschieden werden: der Teillastbetrieb, bei der die Einspeiseleistung      Diesem Problem kann begegnet werden, indem das Biogas vor dem
 temporär um bis zu 50 % reduziert wird und der Start-Stopp-Betrieb,          Verbrennungsprozess zusätzlich gereinigt wird, wobei die Reinigung
bei dem die Einspeiseflexibilität durch das Ein- und Ausschalten des          mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Zudem ist im Teillastbetrieb
BHKWs hergestellt wird. Die Kosten der flexiblen Anlagenfahrweise             eine umfassendere „Ölpflege“ notwendig, also häufigere Ölwechsel
sind aktuell nur schwer kalkulierbar bzw. prognostizierbar, weil mit          sowie die Verwendung von qualitativ hochwertigem Öl. Hinsichtlich
diesem Anlagenbetrieb bisher kaum Erfahrungswerte existieren                  der maximalen Dauer des Teillastbetriebes gibt es unterschiedliche
und die Folgen bzw. der Verschleiß nicht unmittelbar, sondern erst            Auffassungen. So gehen einige der befragten Experten davon aus,
nach einiger Zeit in Erscheinung treten. Ein weiteres Problem                 dass ein BHKW spätestens nach 2 bis 3 Stunden wieder in Volllast
besteht darin, dass die Ursache eines festgestellten Verschleißes im          fahren sollte. Auf der anderen Seite haben viele Betreiber im Zuge
Praxisbetrieb nicht eindeutig bestimmt werden kann. So können ver-            der knappen Substratversorgung zum Jahresende 2013 ihre Bio-
mehrt auftretende Korrosion und Ablagerungen auch die Folge einer             gasanlagen über mehrere Monate nur in Teillast betrieben. Daraus
ungenügenden Wartung bzw. Anlagenpflege sein oder aber auch die               resultierende Probleme sind bisher nicht bekannt, wobei Spätfolgen
Folge des Einsatzes stark schwefelhaltiger Gärsubstrate. Die Exper-           nicht ausgeschlossen werden können. Aufgrund der Fähigkeit zur
tenbefragung ergab zudem, dass die befragten Hersteller die Folgen            schnellen Leistungsregulierung ist der Teillastbetrieb insbesondere für
der flexiblen Anlagenfahrweise bisher nicht systematisch getestet             die Erbringung von Primär- und Sekundärregelleistung geeignet.
haben. Denn bestehende BHKWs seien technisch auf Volllastbetrieb,             Ein dauerhafter Teillastbetrieb, also z.B. für die Verschiebung der
nicht auf flexible Anlagenführung ausgelegt gewesen. Derzeit wird             Stromeinspeisung in die Hochtarifphase, ist nur dann sinnvoll, wenn
bei der flexiblen Stromeinspeisung laut den befragten Experten als            der Teillastbetrieb nur einen geringen Wirkungsgradverlust verursacht.
allgemeiner Richtwert davon ausgegangen, dass sich bei zwei bis               Dies muss anlagenspezifisch geprüft werden.
drei Start-Stopp-Vorgängen pro Tag 15 % höhere Wartungskosten
gegenüber dem Grundlastbetrieb ergeben. Die tatsächlichen Kosten              START-STOPP-BETRIEB
können aber je nach Hersteller, Aggregat und Wartungsvertrag deut-            Im Gegensatz dazu kommt es im Start-Stopp-Betrieb zu keinem
lich davon abweichen.                                                         Wirkungsgradverlust, da in dieser Fahrweise die Biogasanlagen
                                                                              entweder im optimalen Wirkungsgrad betrieben oder bei Bedarf
Da die Abrechnung der Wartung nach Betriebsstunden erfolgt,                   ausgeschaltet werden. Hier ergibt sich nur während des Hoch- und
können im Start-Stopp-Betrieb unter Umständen die Wartungskosten              Herunterfahrens ein zeitlich befristeter niedrigerer Wirkungsgrad.
aufgrund der geringeren Anzahl von Stunden, in dem das BHKW im                Allerdings verursacht der Start-Stopp-Betrieb gegenüber dem
Betrieb ist, sinken. Sofern Biogasanlagen vermehrt im Start-Stopp-            Teillastbetrieb einen noch größeren Verschleiß an bestimmten
Betrieb gefahren werden, ist allerdings davon auszugehen, dass                Teilen des BHKWs. Das Hauptproblem ist dabei die Lagerbelastung,
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                             14

da die Lager einer erhöhten Anlaufreibung ausgesetzt sind. Durch              —— ­	Der Teillastbetrieb eignet sich vor allem für die Erbringung von
die Nutzung von Sputter-Lagern (Technologie aus dem Automobil-                     Primär- und Sekundärregelleistung. Hier sollten Anlagenbetreiber
sektor) und hochwertigen Schmierstoffen kann dieser Verschleiß                     die spezifische Wirkungsgradkurve ihres BHKWs vom Hersteller
nach Ansicht von Herstellern reduziert werden, sodass die geplante                 abfragen und diesen im Arbeitspreis berücksichtigen. Weiterhin
Anzahl der BHKW-Überholungen nicht erhöht werden muss, sofern                      sind insbesondere der Ölzustand und die Bildung von Korrosion
nur wenige Startzyklen am Tag vorgenommen werden. Zudem wird                       intensiv zu beobachten.
laut den befragten Experten dringend empfohlen, häufigere Ölwechsel           —— ­	Der Start-Stopp-Betrieb sollte nur dann genutzt werden, wenn
durchzuführen, um die Bildung von Ölkohle zu vermeiden. Außerdem                   damit erhebliche Mehreinnahmen erzielt werden können. Da diese
ist ein deutlich höherer Verbrauch von Zündkerzen zu erwarten, was je              Fahrweise in der Betriebsführung mit nicht zu vernachlässigbaren
nach Aggregat zu erheblich höheren Kosten führen kann. Hinsichtlich                Zusatzkosten verbunden ist und das Startverhalten noch zu
der möglichen Maximalanzahl an BHKW-Startzyklen pro Tag liegen                     unzuverlässig ist, eignet sie sich vor allem für die Verlagerung der
unterschiedliche Auffassungen vor, die zwischen 1,5 (aufgrund der                  Stromeinspeisung in die Hochtarif-Zeit. Sofern im Regelleis-
Reglementierung in den Wartungsverträgen und der damit verbunde-                   tungsmarkt die Anzahl der Abrufe begrenzt ist und die Anfahrzeit
nen Gewährleistungsansprüche) bis 3-4 Start-Stopp-Zyklen variieren.                ausreichend lang ist, wie im Fall der Minutenreserve, kann auch
Nach jeder Startphase sollte zudem eine gewisse Mindestbetriebszeit                in diesem Anwendungsgebiet der Start-Stopp-Betrieb eingesetzt
eingehalten werden – die Herstellerangeben dazu reichen von 1,5                    werden.
bis 10 Betriebsstunden. Um besonders „schädliche“ Kaltstarts zu               —— Wird ein Start-Stopp-Betrieb angestrebt, sollten vorab die
verhindern, sollte der Motor vor jedem Start vorerwärmt werden,                    Wartungsverträge auf mögliche Restriktionen überprüft werden
was allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Hierzu eignen                (z.B. empfohlene Anzahl von Start-Stopp-Zyklen und Mindestlauf-
sich Umluftanlagen, die elektrische Motorvorerwärmung oder die                     zeit). Zudem sollten alle Möglichkeiten bzw. Anlagenmodifizie-
Nutzung der Wärme eines anderen BHKWs. Zudem wird die Aufrecht-                    rungen zur Reduzierung des Anlagenverschleißes in Erwägung
erhaltung von Minimalspannungen einzelner Bauteile empfohlen. So                   gezogen werden (z.B. Motorvorerwärmung, Austausch der Lager).
sollte insbesondere der Gasmischer dauerhaft unter Spannung stehen,
um den zeitaufwändigen Kalibrierungsvorgang zu vermeiden. Kritisch
ist weiterhin, dass das Startverhalten der BHKWs noch nicht sehr
zuverlässig ist.

Für Anwendungsgebiete, bei denen eine hohe Anzahl von schnellen
und zuverlässigen Leistungsregulierungen erforderlich ist, z.B. Primär-
und Sekundärregelleistung, ist der Start-Stopp-Betrieb nicht geeignet.
Unter Einsatzbedingungen, bei denen es keiner schnellen Leistungs-
regulierung bedarf und sich die Anzahl der Schaltungen auf eine
geringe Zahl beschränkt, ist die Nutzung des Start-Stopp-Betriebs
denkbar. Typische Anwendungsfälle dafür sind die HT-NT-Fahrweise
(Stromeinspeisung nur in den Stunden 9 bis 20) sowie die Erbringung
von Minutenreserveleistung. Bei der HT-NT-Fahrweise hat der Start-
Stopp-Betrieb gegenüber dem Teillastbetrieb den Vorteil, dass dieser
keinen Wirkungsgradverlust verursacht.

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
—— ­	Für die Flexibilisierung notwendige Investitionen sind anlagen-
   spezifisch zu überprüfen, ob sie wirtschaftlich sinnvoll sind. Die
   technischen Anpassungen sind zudem von der Art der flexiblen
   Fahrweise abhängig (Teillastbetrieb oder Start-Stopp-Betrieb).
—— ­	Da die Betriebskosten des flexiblen Anlagenbetriebs nicht exakt
   vorhergesagt werden können, sollte in der Wirtschaftlichkeits-
   betrachtung mit deutlichen Sicherheitsaufschlägen gerechnet
   werden.
DIREKTVERMARKTUNG VON STROM AUS BIOGAS // HINWEISE UND EMPFEHLUNGEN FÜR ANLAGENBETREIBER                                                          15

ORGANISATIONSMODELLE

Nach Auswertung von 21 Stromlieferverträgen und auf Basis von                 Abrechnung und Verteilung der Einnahmen zuständig, sofern die Ein-
Interviews mit Experten von acht Stromhandelsunternehmen konnte               nahmen aus der Stromvermarktung nicht direkt an die Anlagenbetrei-
festgestellt werden, dass sich bei der Direktvermarktung von Biogas-          ber weitergeleitet werden. In anderen Rechtskonstruktionen schließen
Strom im Wesentlichen folgende drei Vermarktungsstrukturen                    die Anlagenbetreiber den Stromliefervertrag direkt mit einem zuvor
etabliert haben:                                                              ausgewählten Stromhändler ab. Die Vertragsverhandlung dazu führt
                                                                              aber das Vermarktungsunternehmen (bzw. die Erzeugergemeinschaft),
    (1) direkte Zusammenarbeit zwischen einem einzelnen                       an welche die Erzeuger zuvor ihre Vermarktungsrechte abgetreten
    Anlagenbetreiber und dem Stromhändler,                                    haben. Die formellen Erzeugergemeinschaften sind überregional
    (2) Vermarktung innerhalb einer informellen Erzeuger-                     tätig. Um die Geschäftstätigkeiten der Vermarktungsgesellschaften
    gemeinschaft sowie                                                        finanzieren zu können, müssen hinzukommende Anlagenbetreiber
    (3) Vermarktung innerhalb einer formellen Erzeuger-                       eine Pooleintrittsgebühr bezahlen und zudem gegebenenfalls, je
    gemeinschaft.                                                             nach Unternehmensform, Geschäfts- oder Genossenschaftsanteile
                                                                              zeichnen. Durch diese Regelung ist gewährleistet, dass die Mitglieder
Im ersten Modell schließt jeder einzelne Anlagenbetreiber für die             diesem Organisationsmodell längerfristig verbunden sind. Daneben
Stromvermarktung einen eigenen Stromliefervertrag unmittelbar mit             verbleibt in der Regel ein kleiner Teil der Zusatzeinnahmen, die durch
einem von ihm ausgewählten Stromhändler ab.                                   die Vermarktungsmöglichkeiten in der Direktvermarktung erzielt
                                                                              werden können, beim Vermarktungsunternehmen.
ERZEUGERGEMEINSCHAFTEN
In informellen Erzeugergemeinschaften haben sich mindestens zwei              ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN DEN AKTEUREN
Anlagenbetreiber zusammengetan, um einen einheitlichen Strom-                 In allen Organisationsmodellen ist die Zusammenarbeit zwischen
liefervertrag bei einem Stromhändler zu verhandeln. Neben dem                 den Akteuren so gestaltet, dass die Biogasanlagenbetreiber weiter-
Vertragsverhältnis zu einem Stromhändler besteht hier die Absprache           hin für den regulären Anlagenbetrieb zuständig sind, während die
zwischen den Anlagenbetreibern, gemeinsam einen Stromhändler                  Stromhändler alle Aufgaben übernehmen, die im Zusammenhang mit
auszuwählen und gegenüber diesem als eine Erzeugergemeinschaft                der Stromvermarktung anfallen (Bilanzkreismanagement etc.). Eine
aufzutreten. Trotz dieser Absprache schließt dabei jeder Betreiber            weitere Gemeinsamkeit aller Organisationsformen besteht darin, dass
seinen eigenen Stromliefervertrag mit dem Stromhändler ab. Die Ab-            alle Parteien ihre wirtschaftliche Selbständigkeit bewahren. Die
sprache zwischen den Anlagenbetreibern erfolgt dabei formlos. Diese           Verträge, die ein Stromhändler einzelnen Anlagenbetreibern anbietet
losen Erzeugergemeinschaften haben häufig einen regionalen Bezug              und solche, die derselbe Stromhändler Erzeugergemeinschaften
und werden in der Regel durch einen Koordinator (z.B. Regionalvertre-         offeriert, sind in ihren wesentlichen Bestimmungen identisch. Die Er-
ter des Fachverbands Biogas) betreut. Der Koordinator ist dabei u.a.          zeugergemeinschaften dienen vor allem dazu, die internen Vermark-
für die Vertragsverhandlungen mit den Stromhändlern zuständig.                tungskosten zu reduzieren (die Vertragsverhandlung führt nicht
                                                                              mehr jeder einzelne Anlagenbetreiber) sowie die Marktposition ihrer
Im Gegensatz dazu haben Anlagenbetreiber, die sich einer formellen            Mitglieder zu verbessern, um gegenüber Stromhändlern bessere
Erzeugergemeinschaft angeschlossen haben, ihre Zusammen-                      Vergütungskonditionen einfordern zu können. Eine darüber hinaus-
arbeit in Form einer speziellen rechtlichen Vereinbarung geregelt.            gehende Übernahme der Direktvermarkterfunktion durch Erzeugerge-
Kennzeichnend für dieses Organisationsmodell ist die Gründung                 meinschaften selbst ist bisher nicht bekannt.
eines Unternehmens (z.B. einer Vermarktungsgenossenschaft),
dessen Geschäftsaktivitäten sich exklusiv auf die Vermarktungsauf-            Die Mehrheit der Anlagenbetreiber vermarktet ihren Strom ohne eine
gaben beschränken. In diesem Modell schließen die Anlagenbetreiber            Erzeugergemeinschaft. Formelle Erzeugergemeinschaften wurden
einen Stromliefervertrag mit dem gemeinschaftlich geführten                   bisher nur in einer geringen Anzahl gegründet. Deren durchschnittli-
Vermarktungsunternehmen ab, welches anschließend die gesamte                  che Portfolios sind aber deutlich größer als die der losen Erzeuger-
Strommenge bzw. gesamte Anlagenleistung aller Anlagenbetreiber an             gemeinschaften. Drei dieser formellen Gemeinschaften haben einen
einen ausgewählten Stromhändler verkauft. Wesentliche Aufgaben der            überregionalen Bekanntheitsgrad (GDGE eG, GFDE eG und Gela
Vermarktungsgesellschaften sind die Marktanalyse, die Auswahl eines           Energie GmbH). Die Verbreitung der informellen Erzeugergemeinschaf-
Stromhandelsunternehmens, die Verhandlung und der Abschluss des               ten kann nicht eindeutig bestimmt werden, da sie nicht öffentlich in
Stromliefervertrages, die Akquise neuer Mitglieder sowie die Förde-           Erscheinung treten. Laut den befragten Stromhändlern ist allerdings
rung des Wissenstransfers zwischen den Anlagenbetreibern. Darüber             eine Tendenz im Markt zu erkennen, dass sich Anlagenbetreiber
hinaus sind diese Vermarktungsgesellschaften zum Teil für die                 zunehmend in formlosen Zusammenschlüssen organisieren. Ein
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