Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe - STUDIE

 
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Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe - STUDIE
Die zukünftigen Kosten strombasierter
synthetischer Brennstoffe
STUDIE
IMPRESSUM

Die zukünftigen Kosten strombasierter
synthetischer Brennstoffe

ERSTELLT IM AUFTRAG VON                      DURCHFÜHRUNG DER STUDIE

Agora Energiewende                           Frontier Economics Ltd.
www.agora-energiewende.de                    Im Zollhafen 24 | 50678 Köln
info@agora-energiewende.de
                                             Dr. Jens Perner, Dr. Michaela Unteutsch,
Agora Verkehrswende                          Andrea Lövenich
www.agora-verkehrswende.de
info@agora-verkehrswende.de

Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin   DANKSAGUNG
T +49. (0) 30 700 14 35-000
F +49. (0) 30 700 14 35-129                  Wir danken Marius Backhaus, Jonathan Beierl,
                                             Tobias Bischof-Niemz, Christian Breyer, Mahdi
Projektleitung:                              ­Fasihi, Andreas Graf, Peter Kasten, Alexandra
Dr. Matthias Deutsch, Agora Energiewende      Langenheld, Kerstin Meyer, Christoph ­Pellinger,
matthias.deutsch@agora-energiewende.de       Frank Peter, Christoph Podewils, Stephanie
                                             Ropenus, Oliver Schmidt, Lambert Schneider,
Dr. Urs Maier, Agora Verkehrswende           Stephanie Searl, Oliver Then, Georg Thomaßen,
urs.maier@agora-verkehrswende.de             Fritz Vorholz für hilfreiche Kommentare und allen
                                             Teilnehmern des Expertenworkshops für die
                                             Beiträge zur Diskussion. Die Verantwortung für
                                             die Ergebnisse liegt ausschließlich bei Frontier
Satz:                                        Economics und für die Schlussfolgerungen bei
INFOTEXT – Content & Grafikdesign            Agora Energiewende und Agora Verkehrswende.
Lindenstraße 76 | 10969 Berlin

Titel: istock.com/surachetkhamsuk

                                             Bitte zitieren als:
                                             Agora Verkehrswende, Agora Energiewende
                                             und Frontier Economics (2018): Die zukünftigen
                                             ­Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe.
Fassung vom 12.02.2018
                                             Die Zitationsempfehlungen für die Schlussfolge-
129/04-S-2018/DE                             rungen und für den Hauptteil finden Sie auf den
07-2018-DE                                   Seiten 7 und 43.
Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,                             benötigten erneuerbaren Stroms im In- und Ausland
                                                         zu untersuchen. Die Ergebnisse finden Sie in dem
gasförmige und flüssige synthetische Brennstoffe aus     vorliegenden Bericht und in dem begleitenden Excel-
erneuerbar erzeugtem Strom stellen eine Ergänzung        Tool auf unseren Webseiten. Mit dieser Veröffentli-
zu den energieeffizienteren direkt-erneuerbaren          chung möchten wir außerdem eine Diskussion um
und direkt-elektrischen Dekarbonisierungsansätzen        die Nachhaltigkeitsanforderungen an die Produktion
dar. Die Zahl der Szenarien mit einem umfangreichen      synthetischer Brennstoffe und um mögliche Förder-
Einsatz solcher Brennstoffe und einer zugrunde-          instrumente anstoßen.
gelegten massiven Kostensenkung nimmt gegen-
wärtig zu. Aber welche Annahmen stehen hinter            Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!
dieser Kostensenkung? Um die weitere Diskussion
darüber möglichst transparent führen zu können,          Ihr
haben Agora Verkehrswende und Agora Energie-             Dr. Patrick Graichen,
wende Frontier Economics damit beauftragt, Kosten­       Direktor Agora Energiewende
senkungspfade für synthetische Brennstoffe und           Christian Hochfeld,
mögliche günstige Standorte für die Produktion des       Direktor Agora Verkehrswende

           Synthetische Brennstoffe werden eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung von Chemie,
           Industrie und Teilen des Verkehrs spielen. Neben chemischen Grundstoffen und Hochtemperatur-
           Prozesswärme geht es dabei um Flug- und Schiffsverkehr sowie möglicherweise um Teile des
     1
           Straßenverkehrs. Da synthetische Brennstoffe immer teurer sein werden als direkt genutzter
           Strom, ist offen, wie groß ihre Bedeutung in anderen Sektoren sein wird.

           Power-to-Gas- und Power-to-Liquid-Anlagen brauchen für einen wirtschaftlichen Betrieb günstigen
           Erneuerbaren-Strom und hohe Volllaststunden. Sie können daher nicht mit Überschussstrom
           betrieben werden. Stattdessen werden explizit für diesen Zweck Erneuerbare-Energien-Anlagen
           gebaut werden müssen – entweder in Deutschland (Offshore-Windkraft) oder zum Beispiel in
     2
           Nordafrika beziehungsweise im Nahen Osten (Onshore-Windkraft und/oder Photovoltaik). Dies
           würde Erdöl und Erdgas exportierenden Staaten auch eine Perspektive für ein postfossiles
           Geschäftsmodell ermöglichen.

           Synthetisches Methan und Öl kosten anfänglich in Europa etwa 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde.
           Die Kosten können bis 2050 auf etwa 10 Cent je Kilowattstunde sinken, wenn die global
           installierte Power-to-Gas-/Power-to-Liquid-Kapazität auf etwa 100 Gigawatt steigt. Die
           avisierten Kostensenkungen bedingen erhebliche frühzeitige und kontinuierliche Investitionen
     3
           in Elektrolyseure und CO2-Absorber. Diese sind ohne politische Intervention oder eine hohe CO2-
           Bepreisung nicht zu erwarten, denn die Herstellungskosten für synthetische Brennstoffe sind
           dauerhaft höher als die Förderkosten ihrer fossilen Alternativen.

           Wir brauchen einen Öl- und Gaskonsens, der den Ausstieg aus den Fossilen festlegt, effiziente
           Substitution priorisiert und über verpflichtende Nachhaltigkeitsregeln sowie Anreizinstrumente
           den Einstieg in synthetische Brennstoffe ermöglicht. Strombasierte Brennstoffe sind keine
           Alternative, sondern eine Ergänzung zu Anwendungen mit geringeren Umwandlungsverlusten
    4
           wie Elektroautos oder Wärmepumpen. Anwendungsspezifi-sche Ziele tragen dem Rechnung.
           Verbindliche Nachhaltigkeitsregeln sichern den Klimavorteil von Power-to-Gas-/Power-to-Liquid-
           Brennstoffen und schaffen Planungssicherheit.

                                                                                                             3
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Inhalt

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Inhalt
Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe:
Schlussfolgerungen aus Sicht von Agora Verkehrswende und Agora Energiewende

1. Schlussfolgerungen                                                                 9
2. Quellen                                                                           35

Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe
Frontier Economics

3. Kurzfassung                                                                       45

4. Hintergrund, Zielsetzung und methodischer Ansatz der Studie                       51
   4.1 Hintergrund der Studie                                                        51
   4.2 Zielsetzung der Studie                                                        53
   4.3	Methodisches Vorgehen und Aufbau des Berichts                                53

5. Stromerzeugung                                                                    55
   5.1	Betrachtete Länder und Stromerzeugungstechnologien                           55
   5.2	Annahmen zu Kosten, Volllaststunden und Lebensdauer von
        Erneuerbaren Energien                                                        56
   5.3 Stromgestehungskosten                                                         60

6. Umwandlungsprozesse                                                               61
   6.1 Wasserstoffelektrolyse                                                        62
   6.2 Methanisierung                                                                66
   6.3	Herstellung flüssiger Kraft­stoffe
        (Methanolsynthese und ­Fischer-Tropsch-Synthese)                             72

7.   Transport, Beimischung und Verteilung                                           77
     7.1 Transport                                                                   77
     7.2 Beimischung und Verteilung                                                  78

8.	Zusammenfassung der Kostenschätzung impor­tierter synthetischer
    Brennstoffe bis 2050                                                             81
    8.1 Übersicht der Kostenschätzungen                                              81
    8.2 Wesentliche Kostentreiber                                                    86

9. Diskussion von Nachhaltigkeitskriterien für die betrachteten Erzeugungsoptionen   91

10. Fazit und Ausblick                                                               95

11. Quellen                                                                          96

                                                                                       5
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

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Die zukünftigen
­Kosten ­strombasierter
 synthetischer
 ­Brennstoffe
Schlussfolgerungen aus Sicht von
Agora Verkehrswende und
Agora Energiewende

Bitte zitieren als:
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende
(2018): Die zukünftigen Kosten strombasierter
synthetischer Brennstoffe: Schlussfolgerungen
aus Sicht von Agora Verkehrswende und Agora
Energiewende. In: Agora Verkehrswende, Agora
Energiewende und Frontier Economics (2018): Die
zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer
Brennstoffe.
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

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STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

              Synthetische Brennstoffe werden eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung von Chemie,
    1         Industrie und Teilen des Verkehrs spielen.

Steigende Klimaschutzanforderungen machen den                  Bundesregierung sind erstmalig auch sektorenspe-
Einsatz von synthetischen Brennstoffen notwendig.              zifische Emissionsminderungsziele bis 2030 formu-
                                                               liert: Im Gebäudesektor wird demnach eine Verrin-
Die Energieversorgung weiter Teile unserer Volks-              gerung von 119 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten
wirtschaft ist heute noch durch fossile Brennstoffe            (2014) auf 70 bis 72 Millionen Tonnen CO2-Äquiva-
geprägt. Wie Abbildung 1 illustriert, wird Öl insbe-           lente bis 2030 und im Verkehrssektor von 160 Milli-
sondere in den Bereichen Verkehr und Wärme sowie               onen Tonnen CO2-Äquivalenten (2014) auf 95 bis 98
für nicht energetische Anwendungen in der Industrie            Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erforderlich.1 Die
benötigt. Der größte Einzelposten ist dabei der Stra-          wichtigsten energiepolitischen Strategien zur Zie-
ßenverkehr. Gas kommt vor allem in den Bereichen               lerreichung bis 2030 bestehen für den Gebäude- und
Wärme und Stromerzeugung zum Einsatz.                          Verkehrssektor darin, die systemische und spezi-
                                                               fische Energieeffizienz zu steigern, die Sektoren zu
Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhaus-          elektrifizieren, den Anteil Erneuerbarer Energien aus-
gasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent                zubauen sowie den Einsatz besonders CO2-intensiver
und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990
zu verringern. Mit dem Klimaschutzplan 2050 der                1 Bundesregierung (2016)

 Verwendung von fossilem Öl und Gas in Deutschland im Jahr 2015 in Terawattstunden                        Abbildung 1

        TWh
  800
              745                                                                                          Öl      Gas
                    sonstiger Verkehr

                    Luftverkehr                     599
  600

                    Straßenverkehr

  400
                                                          Industrie

                                                          Gewerbe
                                                                        232
                                 Industrie   205           Haushalte
  200                                                                                                           152
                                Gewerbe
                               Haushalte
                                                                                  31                  14
                          2
    0
               Verkehr*                       Wärme:                       Industrie:              Stromerzeugung
                                        Haushalte, Gewerbe,           nichtenergetischer               und KWK
                                             Industrie                    Verbrauch
  * inklusive Kraftanwendungen im Gewerbe sowie Seeschifffahrt (Bunkerungen)

 eigene Darstellung nach AGEB (2017)

                                                                                                                         9
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

fossiler Energieträger wie Kohle und Öl zu mindern.2           Strombasierte synthetische Brennstoffe5 – im Fol-
Damit kommt Erdgas als CO2-emissionsärmsten fos-               genden kurz: synthetische Brennstoffe – tragen dann
silen Energieträger bis 2030 für einige Anwendungen            zur Dekarbonisierung bei, wenn sie aus erneuerbarem
eine wichtige Rolle als Brückentechnologie zur Errei-          Strom erzeugt werden und gegebenenfalls benötigter
chung der Klimaschutzziele zu.3                                Kohlenstoff klimaneutral bereitgestellt wird.6 Beson-
                                                               ders relevant sind dabei Wasserstoff als Ausgangsba-
Für den Zeitraum 2030 bis 2050 spielen in vielen               sis sowie – darauf aufbauend – Methan und syn-
Szenarien, die eine Erreichung der Klimaschutzziele            thetische Flüssigkraftstoffe. Offen ist jedoch, welche
modellieren, synthetische Brennstoffe eine wichtige            Rolle sie spielen werden. Die Antwort auf diese Frage
Rolle. Je höher das Ambitionsniveau wird, desto mehr           hängt in hohem Maße davon ab, zu welchen Kosten
Power-to-Gas (PtG) und Power-to-Liquid (PtL) wird              Brennstoffe bis wann wie CO2-arm werden können.7
benötigt – aber schon ein mittlerer Zielpfad, der auf          Technische Fortschritte lassen es möglich erscheinen,
eine Emissionsminderung um 87,5 Prozent zusteuert,             synthetische Brennstoffe in großem Maßstab zu ver-
erfordert signifikante Mengen. Hinzu kommen noch               tretbaren Kosten zu produzieren, sodass sie ein signi-
jene Mengen, die der internationale Luft- und See-             fikanter Teil der Lösung sein könnten.
schiffsverkehr benötigt.
                                                               Die Vorteile dieser Brennstoffe gegenüber der direk-
Der wesentliche Grund für die Bedeutung von PtG/PtL            ten Nutzung von Strom bestehen in ihrer hohen
liegt darin, dass es nicht genügend nachhaltig erzeugte        Energiedichte, der Speicherbarkeit und der zum Teil
Biomasse gibt, um überall da, wo Verbrennungs-                 bereits vorhandenen Infrastruktur – Eigenschaf-
prozesse eine Rolle spielen, die eingesetzten Ener-            ten also, die sie mit fossilen Brennstoffen gemeinsam
gieträger Kohle, Öl oder Gas durch Holz, Biogas oder           haben. Über entsprechende Technologien und damit
Biokraftstoffe zu ersetzen. Denn das Potenzial der             verbundene Anwendungsmuster entstanden in den
Biomasse zur energetischen Nutzung in Deutschland              Industriegesellschaften über einen langen Zeitraum
sowie global ist angesichts der Flächenkonkurrenz mit          weitreichende Routinen im Alltag. Synthetische, kli-
Nahrungs- und Futtermitteln stark limitiert. Zudem             maneutrale Brennstoffe würden es also ermöglichen,
ist das Mengenpotenzial von Biomasse aus Abfällen              die Anwendungsroutinen und Energiestrukturen im
und Reststoffen, bei denen die Flächenkonkurrenzen             Wesentlichen so zu belassen wie heute.
nicht auftreten, viel zu gering, um in ausreichender
Menge Kraftstoff für den Verkehr liefern zu können.4           Synthetische Brennstoffe haben einen großen
                                                               Nachteil: Die geringe Energieeffizienz. Erhebliche
                                                               Umwandlungsverluste erfordern große Strommen-
2 Agora Energiewende (2017b). Im Verkehrssektor ist zudem      gen für ihre Produktion.
  die Mobilitätswende erforderlich, die eine Stärkung
  von Bahn, Bus und Shared Mobility beinhaltet (Agora
  Verkehrswende 2017). Zur Rolle der Energieeffizienz siehe
  Langenheld/Graichen (2017).                                  5 Synthetische Heizstoffe werden zur Erzeugung von Wärme
                                                                 eingesetzt, Kraftstoffe zum Antrieb von Kraftmaschinen.
3 Zu den nicht zu ignorierenden Methanemissionen bei der
                                                                 Sowohl im Heiz- als auch Kraftstoffbereich können flüssige
  Erdgasförderung siehe IEA (2017b).
                                                                 Brennstoffe (wie Heizöl, Benzin, Diesel) als auch gasförmige
4 Weltweit können Biokraftstoffe der zweiten Generation          Brennstoffe (Wasserstoff, Erdgas, synthetisches Methan)
  aus land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen maximal        eingesetzt werden.
  zwischen 13 und 19 Exajoule Energie zur Verfügung stellen.
                                                               6 Solarthermische Prozesse ohne Stromerzeugung (DLR 2017)
  Demgegenüber wird der weltweite Endenergieverbrauch
                                                                 werden hier nicht betrachtet.
  des Verkehrs auf 100 bis 170 Exajoule im Jahr 2050
  geschätzt (INFRAS, Quantis 2015).                            7 BDEW et al. (2016)

10
STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

Verglichen mit der direkten Nutzung von Strom ist               den im Verhältnis besonders ineffizienten Verbren-
die Herstellung synthetischer Brennstoffe mit hohen             nungsmotor bei einem Gesamtwirkungsgrad von
energetischen Umwandlungsverlusten verbunden.                   13 Prozent landet. Zwischen dem verbrennungsmoto-
Dies hat zwei unmittelbare Folgen: Zum einen wer-               rischen Konzept und dem batteriebetriebenen Elekt-
den die Kosten für Power-to-Gas und Power-to-Li-                roauto liegt also ein Faktor fünf. Anders ausgedrückt:
quid immer deutlich höher sein als die für die direkte          Für die gleiche Fahrstrecke benötigt das Auto mit
Stromnutzung, zum anderen entsteht ein deutlich                 Verbrennungsmotor rund fünfmal so viel erneuer-
höherer Bedarf an Stromproduktion aus Wind und                  baren Strom wie das batteriebetriebene Elektroauto.
Sonne, verbunden mit dem damit einhergehenden                   Dies bedeutet, dass deutlich mehr Anlagen zur Erzeu-
Flächenbedarf.8 Daher ist klar: Sollen synthetische             gung von EE-Strom gebaut werden müssen als bei
Heiz- und Kraftstoffe in großem Umfang zum Einsatz              direkter Stromnutzung, verbunden mit entsprechend
kommen, können die dafür benötigten Strommengen                 höheren Kosten der benötigten Umwandlungsanlagen
aus Erneuerbaren Energien (EE) nicht in Deutschland             und einem größeren Flächenbedarf.
produziert werden, sie sind dann zu importieren. Das
globale Mengenpotenzial synthetischer Brennstoffe               Abbildung 3 zeigt Einzel- und Gesamtwirkungs-
ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung.9                      grade unterschiedlicher Heizungssysteme ausge-
                                                                hend von erneuerbar erzeugtem Strom. Den höchs-
Abbildung 2 illustriert die Umwandlungsverluste                 ten Gesamtwirkungsgrad erzielt mit 285 Prozent die
beziehungsweise Wirkungsgrade anhand von Pkw                    elektrische Wärmepumpe, die anders als viele andere
mit unterschiedlichen Antriebskonzepten, die alle               Technologien eine besondere Hebelwirkung aufweist:
von erneuerbar erzeugtem Strom ausgehen:10 batte-               Mit ihr kann Umweltwärme (aus Luft, Boden, Was-
riebetriebenes Elektroauto, Brennstoffzellenauto und            ser) eingebunden werden, deren Menge größer ist als
Auto mit Verbrennungsmotor. Mit der Umwandlung                  der zum Betrieb der Wärmepumpe benötigte Strom,
in jedem weiteren Einzelprozess verringert sich der             sodass Werte über 100 Prozent erreicht werden. Im
jeweilige Gesamtwirkungsgrad. Der höchste Gesamt-               hier gewählten Beispiel stellt die Wärmepumpe eine
wirkungsgrad ergibt sich für das batteriebetriebene             Wärmemenge zur Verfügung, die dreimal11 so groß ist
Elektroauto mit 69 Prozent, da die Verluste ver-                wie die dazu benötigte Strommenge. Danach folgt der
gleichsweise gering ausfallen. An zweiter Stelle folgt          Gasbrennwertkessel mit 50 Prozent. Hier ist die che-
das Brennstoffzellenauto mit 26 Prozent. Hier macht             mische Umwandlung verlustbehaftet, wohingegen der
sich die Wasserstofferzeugung mittels Elektrolyse als           Transport verlustarm ist. Am Ende steht die Brenn-
Zwischenschritt deutlich bemerkbar. Am wenigsten                stoffzellenheizung mit 45 Prozent, deren Endprodukte
effizient ist das Auto mit der Nutzung von syntheti-            sich allerdings zu etwa gleichen Anteilen in die zwei
schen Kraftstoffen im Verbrennungsmotor, welches                Komponenten Wärme (24 Prozent) und Strom (21 Pro-
durch die doppelte chemische Umwandlung sowie                   zent) aufteilen. Zwischen dem Gesamtwirkungsgrad
                                                                der elektrischen Wärmepumpe und der Brennstoff-
8 FENES et al. (2015). Im Fall von Power-to-Gas werden aus      zellenheizung steht ein Faktor sechs. Bezieht man sich
  einer Kilowattstunde erneuerbar erzeugtem Strom nur
                                                                auf die reine Wärmeproduktion der Brennstoffzelle
  0,24 bis 0,84 Kilowattstunden Brennstoff erzeugt. Diese
  Bandbreite deckt unterschiedliche Prozessketten (von
                                                                (24 Prozent), beträgt dieser Faktor sogar etwa zwölf.
  der reinen Elektrolyse bis hin zur Methanisierung) und
  Gasnetz-Druckstufen ab. Abwärmenutzung in Power-to-
  Gas-Anlagen kann dabei helfen, die Ausbeute zu verbessern
  (dena 2016).

9 Hier besteht Forschungsbedarf. Vgl. Fh-IWES (2017).
                                                                11 Angenommen wird eine Jahresarbeitszahl von 3 abzüglich 5
10 Beispielhafte Werte ohne Berücksichtigung der Vorketten.        Prozent Leitungsverlusten = 2,85.

                                                                                                                         11
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

Beide Abbildungen verdeutlichen die vergleichsweise                      wo eine effiziente, direkte Nutzung von Strom nicht
hohen Umwandlungsverluste beim Einsatz syntheti-                         möglich ist.
scher Brennstoffe.
                                                                         Im Verkehrssektor stellt die Elektromobilität hin-
Solange nicht klar belegt ist, dass dieser unstrittige,                  sichtlich Effizienz und Kosten den Maßstab für
auf der Physik beruhende Nachteil der synthetischen                      Antriebe auf der Schiene, bei Pkw und leichten Nutz-
Brennstoffe durch andere Vorteile – zum Beispiel bei                     fahrzeugen, bei Bussen im ÖPNV sowie bei Lkw im
Infrastrukturkosten – überkompensiert werden kann,                       Stadtverkehr sowie auf kurzen Strecken und mit
ist es naheliegend, zunächst technische Lösungswege                      guten Lademöglichkeiten dar. Etwas differenzier-
mit geringeren Umwandlungsverlusten zu verfolgen.12                      ter ist die Situation bei schweren Lkw im Fernver-
                                                                         kehr zu betrachten. Sie lassen sich nach heutigem
Synthetische Brennstoffe sollten im Verkehrs- und                        Kenntnisstand nicht ausschließlich mit den Batte-
Wärmesektor vorrangig dort zum Einsatz kommen,                           rien betreiben, die sich heute und in den nächsten
                                                                         Jahren in der Massenproduktion befinden werden.
12 Die Rolle insbesondere der Infrastrukturkosten sollte weiter          Sie benötigen daher mindestens zusätzlich Oberlei-
   untersucht werden. Ein erster Beitrag hierzu wurde vom                tungen für die Versorgung mit Strom – oder einen
   FNB Gas (2017) vorgelegt.

  Einzel- und Gesamtwirkungsgrade von Pkw mit unterschiedlichen
  Antriebskonzepten ausgehend von erneuerbar erzeugtem Strom                                                     Abbildung 2

         Batteriebetriebenes                              Brennstoffzellen-                           Auto mit
             Elektroauto                                       Auto                              Verbrennungsmotor

          Erneuerbaren-Strom                            Erneuerbaren-Strom                        Erneuerbaren-Strom
                100 %                                         100 %                                     100 %

            Übertragung (95 %)                              Übertragung (95 %)                      Übertragung (95%)
                                                            Elektrolyse (70%)                       Elektrolyse (70%)

          Batterienutzung                               Wasserstoff                              Wasserstoff
               86 %                                       67 %                                     67 %
            Elektromotor (85 %)                             Kompression/                            Power-to-Liquid (70 %)
            Mechanik (95 %)                                 Transport (80 %)                        Ferntransport (95 %)

                                                     32 %        Brennstoff-                     44 %        Flüssig-
                                                                 zelle (60 %)                                kraftstoff
                                                            Elektromotor (85 %)                     Verbrennungsmotor (30 %)
                                                            Mechanik (95 %)                         Mechanik (95 %)

                                 ins-
              69 %               gesamt             26 %        insgesamt                 13 %     insgesamt

  Hinweis: Einzelwirkungsgrade in Klammern. Durch Multiplikation der Einzelwirkungsgrade ergeben sich die kumulierten
  Gesamtwirkungsgrade in den Kästen.

  eigene Berechnung auf der Grundlage von acatech et al. (2017a), Abbildung 5

12
STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

  Einzel- und Gesamtwirkungsgrade unterschiedlicher Heizungssysteme
  ausgehend von erneuerbar erzeugtem Strom                                                                                   Abbildung 3

               Elektrische                                  Brennstoffzellen-                                Gasbrennwert-
              Wärmepumpe                                        Heizung                                          kessel

           Erneuerbaren-Strom                              Erneuerbaren-Strom                               Erneuerbaren-Strom
                 100 %                                           100 %                                            100 %

             Übertragung (95 %)                               Übertragung (95 %)                              Übertragung (95%)
                                                              Elektrolyse (70 %)                              Elektrolyse (70%)

                                                          Wasserstoff                                      Wasserstoff
                                                            67 %                                             67 %
                                                              Kompression/Transport/                          Power-to-Gas (80 %)
                                                              Brennstoffzelle*                                Transport (99 %)

                                                     Wärme Strom                                           Methan
                                                      24 % 21 %                                             53 %
                  insgesamt                                                                                   Gasbrennwert-
                    285 %                                                                                     kessel (95 %)

                                                       insgesamt                                          insgesamt
                                                          45 %                                               50 %

  * Wirkungsgrade: 80 Prozent (Kompression/Transport) und 85 Prozent (Brennstoffzelle insgesamt, davon 45 Prozent
  		 Wärme, 40 Prozent Strom)

  Hinweis: Einzelwirkungsgrade in Klammern. Durch Multiplikation der Einzelwirkungsgrade ergeben sich die kumulierten
  Gesamtwirkungsgrade in den Kästen. Für die Wärmepumpe wird eine Jahresarbeitszahl von drei angenommen.

  eigene Berechnung auf der Grundlage von acatech et al. (2017 a,b), Köppel (2015), FENES et al. (2015)

Verbrennungsmotor beziehungsweise eine Brenn-                               für Brennstoffzellen oder CO2-basiertes syntheti-
stoffzelle. Auch die Kombination verschiedener                              sches Methan beziehungsweise Flüssigkraftstoff
Antriebssysteme für die Strecken abseits eines noch                         für Verbrennungsmotoren (siehe Spalten 2 und 3 in
zu errichtenden Oberleitungssystems ist denkbar. In                         Tabelle 1). Vergleichbares gilt für Baumaschinen oder
diesen Fällen wären schwere Lkw im Fernverkehr in                           schwere Landmaschinen, die auch in Zukunft ver-
einem dekarbonisierten Verkehrssystem auf synthe-                           mutlich nur in Einzelfällen direkt-elektrisch betrie-
tische Brennstoffe angewiesen. Auch für den Flug-                           ben werden können14 und daher auf synthetische
und Seeschiffsverkehr kommt eine direkte Strom-                             Kraftstoffe angewiesen sein werden.
nutzung nach derzeitigem Stand der Diskussion nur
sehr eingeschränkt infrage.13 Sie benötigen deshalb                         Im Gebäudewärmesektor sind der direkte Einsatz
klimaneutrale synthetische Kraftstoffe: Wasserstoff                         Erneuerbarer Energien (das heißt vor allem die

13 Agora Verkehrswende (2017), S. 60; Umweltbundesamt
   (2016), S. 1; vgl. Flugrevue (2017), Maritime Journal (2017);
   acatech et al. (2017b).                                                  14 Vgl. Electrive (2017).

                                                                                                                                        13
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

Nutzung von Tiefengeothermie und Solarthermie)15                  Anwendung kommen können, verbleibt doch auch ein
sowie die Wärmepumpe, die mit erneuerbarem Strom                  großer industrieller Wärmebedarf, der nur über Ver-
versorgt wird, aus Effizienzgesichtspunkten das Mit-              brennungsprozesse gedeckt werden kann.20 Hierfür
tel der Wahl. Die Einschränkung für ihren Einsatz                 werden synthetische Brennstoffe erforderlich sein.
besteht darin, dass Bestandsgebäude vor dem Ein-
satz von Wärmepumpen hinreichend gedämmt wer-                     Angesichts der hohen Umwandlungsverluste kom-
den müssen, um eine Wärmepumpe sinnvoll einset-                   men synthetische Brennstoffe in den bisher vorlie-
zen zu können. Ist dies – aus welchen Gründen auch                genden Klimaschutzszenarien für das Energiege-
immer – nicht möglich, können synthetische Brenn-                 samtsystem, die die Zielerreichung unterstellen, bis
stoffe eine Alternative sein; entweder als alleini-               zum Jahr 2050 typischerweise dann zum Einsatz,
ger Energieträger – mit Brennstoffzellen-KWK oder                 wenn keine realistischen effizienteren Alternativen
Brennwertkessel – oder im Verbund mit Wärmepum-                   absehbar sind.
pen als Hybridheizungen.16
                                                                  Tabelle 1 bietet einen Überblick zu direkt-elektri-
Der Wärmebedarf der Industrie bezieht sich vor                    schen Ansätzen und synthetischen Brennstoffen
allem auf Prozesswärme. Für niedrige Temperaturen                 nach Sektoren und Anwendungen.
(nach aktuellem Stand bis etwa 75 Grad Celsius, pers-
pektivisch mit neuen Kältemitteln bis etwa 140 Grad               Neben der Nutzung für Verkehr und Wärme sind
Celsius)17 können auch hier Wärmepumpen den Wär-                  synthetische Brennstoffe wichtig als Langzeitstrom-
mebedarf am effizientesten decken. Allerdings wur-                speicher und um chemische Grundstoffe klimaneu­
den im Jahr 2014 rund 60 Prozent der industriellen                tral herstellen zu können.
Wärme auf einem Temperaturniveau über 200 Grad
Celsius nachgefragt,18 für die Wärmepumpen dann                   In der Industrie gibt es eine Vielzahl von Wasser-
nicht mehr infrage kommen. Auch wenn hier teil-                   stoffanwendungen wie die Ammoniakherstellung
weise andere Verfahren für direkt-elektrische                     oder die Direktreduktion von Eisenerz in der Stahl­
Prozesswärmeanwendungen in der Industrie19 zur                    erzeugung.21 Bisher wird der dafür benötigte Wasser­
                                                                  stoff meist auf Basis von fossilen Brennstoffen
15 Der direkte Einsatz Erneuerbarer Energien wird im
                                                                  gewonnen. In einer dekarbonisierten Zukunft muss
   Folgenden nicht mehr explizit angesprochen, ist aber –         dieser durch erneuerbaren Strom hergestellt werden.
   wo relevant – immer auch als prioritäre Alternative zum        Zudem sind organische chemische Grundstoffe wie
   Einsatz von erneuerbarem Strom und synthetischen               Methanol oder Ethylen auf Kohlenstoff als Ausgangs-
   Brennstoffen zu prüfen.
                                                                  material angewiesen. Dieser wird bisher vor allem
16 Ein schlecht isoliertes Bestandsgebäude ohne weitere           aus Erdöl und Erdgas gewonnen und wird langfristig
   Dämmung mit 100 Prozent synthetischen Brennstoffen zu          klimaneutral bereitgestellt werden müssen. Kohlen-
   beheizen dürfte allerdings langfristig sehr unwirtschaftlich
                                                                  stoff aus synthetischen Brennstoffen könnte hierfür
   werden – insbesondere, wenn die Nachfrage aus zahlungs-
   kräftigeren Sektoren den Brennstoffpreis ansteigen lässt.      die Ausgangsbasis bieten. Für die wichtigsten Grund-
   Eine weitere Vertiefung der möglichen Bedeutung von            stoffe der chemischen Industrie wurde in der Euro-
   Power-to-Gas im Gebäudewärmesektor im Zusammenhang
   mit Gebäudeeffizienz analysieren ifeu et al. (in Arbeit).
                                                                     Plasmen auf. So werden beispielsweise im Elektrostahlofen
17 Dies ist insbesondere für die Nahrungsmittel-, Papier- und        Temperaturen von bis zu 3.500 Grad Celsius erzeugt (VDE-
   Chemieindustrie relevant (VDE-ETG 2015).                          ETG 2015).
18 Fh-IWES/IBP (2017)                                             20 Nach Blesl et al. (2015) kann dieser auf etwa 200 Terawatt­
19 Diese Verfahren bauen auf physikalische Effekte wie               stunden im Jahr 2050 geschätzt werden.
   Widerstandserwärmung, Induktion, Strahlung und                 21 IEA (2017)

14
STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

Priorisierung von Optionen zur Dekarbonisierung nach Sektoren und Anwendungen                                                                  Tabelle 1

 Dekarboni­               Prioritär                                     Ergänzend
 sierungs­                direkte Stromnutzung*                         synthetische Brennstoffe**
 optionen

                                                                        Wasserstoff***                             CO2-basiertes PtG und PtL

 Verkehr                  Züge und Bahnen, Busse                        Fernverkehrs-Lkw und                       Luft- und Seeschiffsverkehr,
                          und Lkw auf kürzeren Stre-                    -Busse abseits von Ober-                   Fernverkehrs-Lkw und Busse
                          cken, Oberleitungs-Lkw und                    leitungen, Binnenschiffe                   abseits von Oberleitungen,
                          -Reisebusse auf längeren                      (je nach Verwendungs-                      Binnenschiffe (je nach Ver-
                          Strecken, Pkw, Zweiräder,                     zweck)                                     wendungszweck)
                          Binnenschiffe (je nach Ver-
                          wendungszweck)

 Wärme                    Niedertemperaturwärme mit                     Brennstoffzellen-KWK in                    Bestandsgebäude mit erheb-
                          Wärmepumpen in hinrei-                        Bestandsgebäuden mit                       lichen Dämmrestriktionen
                          chend gedämmten Gebäu-                        erheblichen Dämmrestrik-                   und Hybridheizungen mit
                          den und in der Industrie                      tionen                                     unterstützendem Kessel

                          Hochtemperaturprozess-                        Hochtemperaturprozess-                     Hochtemperaturprozess-
                          wärme mit direkt-elektri-                     wärme für schwer elektri-                  wärme für schwer elektrifi-
                          schen Verfahren (Wider-                       fizierbare Anwendungen                     zierbare Anwendungen
                          standsheizung, Plasma etc.)

 Industrie                                                              Ammoniakherstellung;                       Kohlenstoffquelle für organi-
                                                                        Direktreduktion von Ei­                    sche chemische Grundstoffe
                                                                        senerz in der Stahlherstel-
                                                                        lung

 Strom                    Kurzzeitspeicherung                           Langzeitspeicherung und                    Langzeitspeicherung und
                                                                        Rückverstromung in Gas-                    Rückverstromung in Gastur-
                                                                        turbinen und Wasserstoff-                  binen
                                                                        verbrennungsmotoren

 Gewerbe,                 stationäre und zum Teil mo-                   mobile Kraftanwendungen                    mobile ­Kraftanwendungen
 Handel,                  bile Kraftanwendungen in                      in Bau, Landwirtschaft,                    in Bau, Landwirtschaft,
 Dienst­                  Bau, Landwirtschaft, Logistik                 ­Logistik, Militär                         ­Logistik, Militär
 leistungen

* oder zum Teil direkte Erneuerbare-Energien-Nutzung wie Solarthermie
** oder zum Teil direkte Erneuerbare-Energien-Nutzung über Biomasse
*** in der Regel zur Verwendung in Brennstoffzellen, sofern nicht anders spezifiziert

Hinweis: Einige Ansätze befinden sich noch in der Entwicklung. Diese Übersicht beinhaltet nicht alle denkbaren Anwendungen.

Eigene Zusammenstellung basierend auf acatech et al. (2017b); Blesl et al. (2015); DECHEMA (2017a); dena (2017a:8); dena (2017c); IEA (2015);
IEA (2017); ifeu et al. (2016); Larfeldt et al. (2017); Öko-Institut et al. (2015); Steward et a. (2009); FENES et al. (2014); Fh-ISI et al. (2017a); Fh-ISI
et al. (2017b); Fh-IWES/IBP (2017); UBA (2016).

                                                                                                                                                               15
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

päischen Union bis 2050 ein Bedarf an CO2 als Roh-         voltaikanlagen sehr wichtig. 23 Die Rückverstromung
stoff im Bereich von 50 bis 300 Millionen Tonnen CO2       mit Wasserstoff in Gasturbinen wird bisher vor allem
pro Jahr ermittelt. Hinzu kommt ein ähnlicher großer       als Wasserstoff-Beimischung zu Erdgas und in Form
Bedarf zur Anwendung in Brennstoffen, sodass sich          von Ammoniak als Brennstoff diskutiert.24 Darüber
insgesamt ein Bedarf von bis zu 670 Millionen Ton-         hinaus ist die Nutzung im Wasserstoffverbrennungs-
nen CO2 pro Jahr ergibt.22                                 motor denkbar.25

Im Stromsektor wird bei hohen Anteilen Erneuerba-
rer Energien die Langzeitspeicherung von syntheti-         23 FENES et al. (2014)
schem Methan zur Rückverstromung in Zeiten mit             24 Diskutiert werden bisher Wasserstoffbeimischungen im
geringer Einspeisung aus Windenergie- und Photo-              Bereich von – je nach Gasturbinentechnologie – 25 Prozent
                                                              bis 45 Prozent. Siehe dazu Larfeldt et al (2017).

22 DECHEMA (2017b)                                         25 IEA (2017); Steward (2009).

              Power-to-Gas- und Power-to-Liquid-Anlagen brauchen für einen wirtschaftlichen Betrieb günstigen
     2        Erneuerbaren-Strom und hohe Volllaststunden. Sie können daher nicht mit Überschussstrom
              betrieben werden.

Power-to-Gas- und Power-to-Liquid-Anlagen                     heißt bei Strombezugskosten von fünf Cent je Kilo-
müssen für einen wirtschaftlichen Betrieb zwei                wattstunde hat synthetisches Methan Energiepro-
Bedingungen erfüllen: hohe Volllaststunden und                duktionskosten von zehn Cent je Kilowattstunde.
günstigen Erneuerbaren-Strom.                                 Hierzu müssen neben den Kapitalkosten für die
                                                              Anlagen noch die Kosten für Wasser und CO2 hin-
→→ Hohe Volllaststunden: PtG/PtL-Anlagen sind                 zugefügt werden. Um wirtschaftlich betrieben
   kapitalintensive Güter mit hohen Fixkosten. Jede           werden zu können, brauchen Power-to-Gas- und
   zusätzlich erreichbare Betriebsstunde ist folg-            Power-to-Liquid-Anlagen daher zwingend günsti-
   lich für die Kosten der synthetischen Brennstoffe          gen Erneuerbaren-Strom.
   zentral, denn je höher die Auslastung der Anlagen,
   desto günstiger der Brennstoff. Um wirtschaftlich       Nimmt man diese Bedingungen zusammen, dann
   betrieben werden zu können, brauchen Power-­to-         brauchen PtG-/PtL-Anlagen für einen wirtschaftli-
   Gas- und Power-to-Liquid-Anlagen daher eine             chen Betrieb kostengünstigen Erneuerbaren-Strom
   Volllaststundenzahl von mindestens 3.000 bis            an mindestens 3.000 bis 4.000 Stunden pro Jahr.
   4.000 Stunden pro Jahr.26                               Die Konsequenz ist, dass die in der Diskussion oft
→→ Günstigen Erneuerbaren-Strom: Die variablen             geäußerte Hoffnung, PtG-/PtL-Anlagen könnten mit
   Kosten einer PtG/PtL-Anlage werden aufgrund             erneuerbarem „Überschussstrom“ betrieben werden,
   der Umwandlungsverluste von den Stromkos-               nicht trägt.27 Denn weder systemweite Stromüber-
   ten dominiert. So kann man als grobe Faustformel        schüsse noch Abregelungen Erneuerbarer-Energien-­
   sagen, dass die Energiekosten zur Herstellung von
   synthetischem Methan doppelt so hoch sind wie
                                                           27 Shell (2017) schreibt zum Beispiel in der Zusammenfassung:
   die jeweiligen Kosten der Stromproduktion. Das
                                                              „Große Zukunftspotenziale werden in der Elektrolyse aus
                                                              überschüssigem erneuerbaren Strom gesehen.“ Siehe auch
26 acatech et al. (2015)                                      DVGW (2017), GP JOULE (2017), VKU (2017).

16
STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

Anlagen aufgrund lokaler beziehungsweise regionaler                  das Übertragungsnetz noch nicht hinreichend aus-
Netzengpässe sind in dieser Größenordnung in der                     gebaut ist. Stattdessen werden die entsprechenden
absehbaren Zukunft zu erwarten:                                      EE-Anlagen, die zumeist an das Verteilnetz ange-
                                                                     schlossen sind, häufig abgeregelt. Die Gründe für
→→ Im Fall eines systemweiten Bilanzüberschusses                     die Abregelungen liegen allerdings überwiegend im
   wird im gesamten Marktgebiet zu einem bestimm-                    Übertragungsnetz. Die damit zusammenhängende
   ten Zeitpunkt mehr Strom aus Erneuerbaren Ener-                   Ausfallarbeit ist in den letzten Jahren stark gestie-
   gien produziert, als verbraucht werden kann. Die                  gen und betrug 2015 deutschlandweit knapp 4,4
   Residuallast – die Differenz aus Last und fluktu-                 Terawattstunden, davon etwa 3 Terawattstunden
   ierender Erneuerbare-Energien-Erzeugung – ist                     allein in Schleswig-Holstein.31 Würden bis 2025 die
   also negativ.28 Eine hundertprozentige Deckung                    Ziele der Schleswig-Holsteinischen Landesregie-
   der Nachfrage mit Erneuerbaren Energien wurde                     rung für den Windenergieausbau umgesetzt, ohne
   bisher in Deutschland zu keiner Stunde erreicht.29                das Übertragungsnetz weiter auszubauen, so würde
   Mit zunehmendem Anteil von Stromerzeugung                         es in maximal 1.600 Stunden pro Jahr in Schles-
   aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien wer-                     wig-Holstein zu Abregelungen aufgrund von nicht
   den allerdings in Zukunft öfter Stunden mit mehr                  transportierbaren Strommengen kommen.32
   als 100 Prozent Erneuerbare-Energien-Abdeckung
   auftreten: Bis zu einem Anteil von knapp 55 Pro-                Der oft genannte „Überschussstrom“ stellt also schon
   zent Wind- und Solarenergie sind weniger als                    in dieser Ausgangsbetrachtung rein mengenmäßig
   1.000 Stunden pro Jahr an Überschüssen zu erwar-                keine ausreichende Basis für den wirtschaftlichen
   ten. Ab etwa 65 Prozent Wind- und Solarenergie                  Betrieb von PtG-/PtL-Anlagen in Deutschland dar.33
   steigt die Zahl auf rund 2.000 Stunden pro Jahr und             Hinzu kommt, dass diese Anlagen lokal mit weiteren,
   bei etwa 90 Prozent Wind- und Solarenergie auf                  oft erheblich kostengünstigeren zuschaltbaren Las-
   knapp 4.000 Stunden pro Jahr (siehe Abbildung 4).30             ten im Markt für Flexibilität konkurrieren werden,
→→ Im Fall von lokalen und regionalen Netzengpäs-                  wie Power-­to-Heat, Speichern und Industrieanwen-
   sen kann erzeugter Erneuerbare-Energien-Strom                   dungen.34
   nicht komplett vor Ort verbraucht und auch nicht in
   weiter entfernte Regionen übertragen werden, weil

                                                                   31 Agora Energiewende (2017c)
28 Als Indikator hierfür werden oft negative Strompreise
   herangezogen. Allerdings ist es bisher so, dass nega-           32 Nach Umsetzung der erwarteten Netzausbaumaßnahmen
   tive Strompreise in Deutschland vor allem aus einer                würden diese Abregelungen allerdings nicht mehr auftre-
   Inflexibilität konventioneller Kraftwerke und dem soge-            ten. GP JOULE (2017); Ecofys/Fh-IWES (2014); vgl. auch
   nannten Must-run-Sockel resultieren (Energy Brainpool              ChemCoast (2013).
   2014).
                                                                   33 Die ergänzende Nutzung von Graustrom oder zertifizier-
29 Im Jahr 2016 (2017) gab es zwar 97 (146) Stunden mit               tem EE-Strom aus Altanlagen würde die systemische
   negativen Strompreisen; der höchste Anteil Erneuerbarer            Klimabilanz synthetischer Brennstoffe deutlich verschlech-
   Energien am Stromverbrauch lag allerdings bei 86 (88,6)            tern (vgl. Ausführungen weiter unten).
   Prozent (Agora Energiewende 2017a, 2018).
                                                                   34 GP JOULE (2017); acatech et al. (2015); Michaelis et al. (2016).
30 acatech et al. (2015) ziehen die Anteile an fl
                                               ­ uktuierenden         Nichtsdestotrotz werden im Stromsystem perspektivisch
   Erneuerbaren Energien direkt aus acht existierenden                hohe Leistungen an Flexibilitäten erforderlich. Inwieweit
   Szenarien heran und berechnen für diese für ein einheitliches      und unter welchen Bedingungen PtG-Anlagen hier eine
   Wetterjahr (2008) mit einheitlicher Lastcharakteristik die         Rolle spielen können – gegebenenfalls in Multi-Use-
   jeweilige Anzahl an Stunden mit Überschussstrom. Ein euro-         Anwendungen (BTU 2017) –, sollte noch weiter untersucht
   päischer Stromaustausch wird dabei nicht berücksichtigt.           werden.

                                                                                                                                  17
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

  „Überschussstrom“ in Deutschland versus Volllaststunden der EE-Stromerzeugung                                             Abbildung 4

                                                                                                           Anzahl der Stunden pro Jahr

                                                                       0           2.000           4.000           6.000         8.000
                                           2025 (bis 40 % Wind & PV)
                      deutschland-
                                         2030 (40 - 50 % Wind & PV)                         ~1.500 Stunden pro Jahr
                         -

                      weit*
           „Über-                        2035 (50 - 60 % Wind & PV)
           schuss-
           strom“
                      Schleswig-
                                                           bis 2025
                      Holstein**
                              .

                                                 Nordafrika – PV ***

                                               Naher Osten – PV ***
       Erneuerbare                     Nord-/Ostsee – Wind offshor e                                         ~4.000 Stunden pro Jahr
       Energien
                                             Naher Osten – PV/Wind
       (Volllaststunden)
                                               Nordafrika – PV/Wind

                                    Island – Geothermie/Wasserkraft

     *     Systembilanzüberschuss (negative Residuallast) abgeleitet aus Simulationsrechnungen ohne europäischen Strom-
     		    austausch für acht Szenarien von acatech et al. (2015); zu den Anteilen an Windenergie und Photovoltaik kommen noch
     		    Erneuerbare Energien aus Biomasse und Wasserkraft hinzu, um die EEG-Ausbauziele im jeweils angegebenen Zeitraum
     		    zu erreichen.
     **    Maximale Abregelung aufgrund von Netzengpässen bis 2025 bei einem Windenergieausbau entsprechend der Ziele der
     		    Landesregierung von Schleswig-Holstein. Nach Umsetzung der erwarteten Netzausbaumaßnahmen würden diese
     		    Abregelungen allerdings nicht mehr auftreten. (ecofys/IWES 2014)
     ***   Nachgeführte Photovoltaik

  Quelle: eigene Darstellung

Die Nutzung von Erneuerbare-Energien-Über-                                  Für eine vollständige, umfassende Energiewende
schüssen allein ist noch keine ausreichende Dekar-                          müssen aber alle Sektoren dekarbonisiert werden. Die
bonisierungsstrategie.                                                      zentrale Annahme dieser Studie ist, dass die Produk-
                                                                            tion synthetischer Brennstoffe nur im Zusammen-
Wenn erneuerbarer Strom mittels Sektorenkopplung                            hang mit zusätzlichen Investitionen in Erneuerba-
zur Dekarbonisierung von Wärme und Verkehr bei-                             re-Energien-Anlagen gedacht werden kann. Diese
tragen soll, muss dieser Strom zusätzlich erzeugt wer-                      Brennstoffe haben damit immer auch die entspre-
den. Andernfalls handelt es sich um eine reine Ver-                         chenden Vollkosten der benötigten Stromerzeugung
schiebung erneuerbar erzeugter Energie von einem                            aus Erneuerbaren Energien zu tragen.
Sektor in den anderen: Der im Wärme- oder Ver-
kehrssektor genutzte „Überschuss“ ginge dann einher                         Für die Erzeugung synthetischer Brennstoffe wer-
mit einem Erneuerbaren-Defizit im Stromsektor.35                            den explizit für diesen Zweck Erneuerbare-Energi-
                                                                            en-Anlagen gebaut werden müssen – entweder in
35 Fh-IWES/IBP (2017); Schill (2016); Öko-Institut et al. (2016);           Deutschland (Offshore-Windkraft) oder beispiels-
   acatech et al. (2015); Brunner et al. (2016).

18
STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

weise in Nordafrika beziehungsweise im Nahen                     Die meisten Volllaststunden sind mit kombinierten
Osten (Onshore-Windkraft und/oder Photovoltaik).                 Geothermie-/Wasserkraft-Anlagen in Island möglich,
                                                                 die beinahe das ganze Jahr über betrieben werden.
Abbildung 4 zeigt die Bandbreiten an jährlichen Voll-
laststunden, die mit Erneuerbare-Energien-Anla-                  Hinreichend viele Volllaststunden für den Anla-
gen in Deutschland und an Standorten im Ausland                  genbetrieb sind grundsätzlich in unterschiedlichen
erreicht werden können. Während nachgeführte                     Teilen der Welt durch Photovoltaik/Windkraft-Kom-
Photovoltaik in Nordafrika und im Nahen Osten mehr               binationen erreichbar. Über den in dieser Analyse
als 2.000 Volllaststunden erreicht, können kombi-                vertieft untersuchten Mittelmeerraum hinaus gibt es
nierte Photovoltaik-/Windenergieanlagen in die-                  zum Beispiel sehr gute Standorte in Brasilien, Pata-
sen Regionen rund 4.000 bis 5.000 Volllaststunden                gonien oder Somalia.37 Neben der Transportentfer-
gewährleisten. In einem ähnlichen Bereich liegt mit              nung nach Deutschland insgesamt stellt sich dabei für
3.500 bis 4.400 Volllaststunden die Offshore-Win-                jeden Standort auch die Frage nach dem Zugang zu
denergie in der Nord- und Ostsee. Diese Anlagen                  Infrastruktur.
laufen also mehr als doppelt so viele Stunden, wie in
den nächsten 10 bis 15 Jahren an Stunden mit „Über-
schussstrom“ in Deutschland insgesamt oder lokal
in Schleswig-Holstein erwartet werden können.36

36 Zum Vergleich: Elektrolyseure werden in zwei aktuellen
   Szenarien für das Jahr 2050 mit 3.457 beziehungsweise
   4.131 Volllaststunden betrieben (Szenarien „Strom und
   grünes Gas“ des FNB Gas (2017) sowie „90 offen“ von aca-      37 Fh-IWES (2017); für eine globale Übersichtskarte siehe
   tech et al. (2017)).                                             Fasihi et al. (2016).

             Synthetisches Methan und Öl kosten anfänglich in Europa etwa 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde.
     3       Diese Kosten können bis 2050 auf etwa 10 Cent je Kilowattstunde sinken, wenn die global
             installierte PtG-/PtL-Kapazität auf etwa 100 Gigawatt steigt.

Die Herstellung von synthetischem Methan und Öl                  anlagen in Nord- und Ostsee. Damit würden synthe-
in Europa kostet anfänglich etwa 20 bis 30 Cent pro              tisches Methan und Öl bei heute geplanten Anlagen
Kilowattstunde.                                                  etwa 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde (vgl. Abbil-
                                                                 dung 3) kosten. Würde man diese Anlagen schon heute
Wenn heute neue Power-to-Gas- oder Power-to-­                    mit Photovoltaik und Photovoltaik/Windkraft-Kom-
Liquid-Anlagen mit einem Realisierungszeitraum von               binationen in Nordafrika und im Nahen Osten an
drei bis vier Jahren errichtet werden, so sind diese im          Standorten mit einer hohen Strahlungsintensität und/
Jahr 2022 am Netz. Solche Investitionsentscheidun-               oder einem hohen Windaufkommen errichten, lägen
gen zu einem frühen Zeitpunkt der Technologie fallen             die Kosten rund 40 Prozent niedriger.38 Viel günstiger
in die Kategorie der Pilot- und Demonstrationsanla-
gen im Rahmen eines Markteinführungsprogramms
                                                                 38 Wobei hier unterstellt wird, dass für Anlagen in Nordafrika
und dürften primär in Europa stattfinden – das heißt                und im Nahen Osten die gleichen Kapitalkosten gelten wie
auf der Basis von Strom von Offshore-Windenergie-                   für Anlagen in Europa. Da bisher keine konkreten Projekte

                                                                                                                             19
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

  Kosten von synthetischem Methan und synthetischen Flüssigkraftstoffen
  (ohne Netzentgelte und Vertriebskosten) in Cent2017 je Kilowattstunde Endprodukt                                         Abbildung 5

       ct/kWh                                                   Bandbreite          Referenz             Erdgas               Superbenzin
  35
                                                                                                         Nord-/Ostsee*
                                                                                                         Nordafrika/Naher Osten**
  30
                                                                                                         Island***

  25
             24

  20                                                      19
                            18
  15                                                                      14
                                                                                                    13
                                            11                                                                        11
  10                                                                                     10
                                                                                                                                   9

   5

   0

                          2022                                          2030                                         2050

  Hinweise: Die Preisentwicklungen bei Erdgas und Superbenzin sind angelehnt an Mittelwerte aus Weltbank- und IEA-Szenarien. Mögliche
  weitere Kostensenkungen bei PtG-/PtL ergeben sich aus der Entwicklung von Photovoltaik und gegebenenfalls Batteriespeichern zur Er-
  höhung der Volllaststunden sowie besonders großen Elektrolyseanlagen. Mögliche Kostensteigerungen können aus höheren Kapitalkosten
  aufgrund von höheren Länderrisiken resultieren.

  * Offshore-Windenergie,
  ** Photovoltaik- und Photovoltaik/Windenergie-Systeme,
  *** Geothermie/Wasserkraft (begrenztes Potenzial von insgesamt 50 Terawattstunden)

  Hinweis: 10 Cent je Kilowattstunde entsprechen etwa 90 Cent je Liter bei flüssigem Kraftstoff.

  eigene Berechnungen auf Basis von Frontier Economics (2018) mit gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten von sechs Prozent
  (Werte gerundet)

werden die Brennstoffe nur, wenn man sie auf Basis                         Das Potenzial der Erzeugung synthetischer Brenn-
von Geothermie und Wasserkraft in Island erzeugt.                          stoffe in Island ist allerdings auf insgesamt 50 Tera-
Dann sind auch 2022 schon etwa zehn Cent je Kilo-                          wattstunden beschränkt.
wattstunde möglich. Grund hierfür sind die ver-
gleichsweise niedrigen Stromerzeugungskosten und                           Die Kosten können bis 2030 auf etwa 15 Cent je
eine hohe Auslastung der Umwandlungstechnologien.                          Kilowattstunde und bis 2050 auf etwa 10 Cent je
                                                                           Kilowattstunde sinken.
  mit dem Ziel eines PtG-Methan- oder PtL-Exports nach
  Deutschland bekannt sind (vgl. Reuters 2017), sind dies eher             Die Kosten synthetischer Brennstoffe können im
  theoretische Werte.                                                      betrachteten Zeitraum deutlich sinken. Dies liegt in

20
STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

erster Linie an den angenommenen Degressionen der                mit Photovoltaik/Windenergie-Kombination im
Investitionskosten für EE-Erzeugungsanlagen und                  Referenzfall 2050 nicht bei 11 Cent je Kilowattstunde,
Umwandlungsanlagen aufgrund der Lerneffekte, die                 sondern bei etwa 15 Cent je Kilowattstunde – und
bei einer kontinuierlichen globalen Marktsteigerung              damit über dem mittleren Wert für die Herstellung
entstehen. Zusätzlich sind Kostensenkungen dadurch               synthetischer Brennstoffe in Europa auf der Basis von
zu erwarten, dass die Wirkungsgrade der Wasser-                  Offshore-Windenergie mit Kapitalkosten von sechs
stoffelektrolyse über die Zeit ansteigen.                        Prozent.40

Mittelfristig, aber auch langfristig ist der Import              Die avisierten Kostensenkungen können erreicht
synthetischer Brennstoffe aus allen ­betrachteten                werden, wenn die global installierte PtG-/PtL-­
Ex­portregionen mit geringeren Kosten verbun-                    Kapazität auf etwa 100 Gigawatt steigt – was erheb-
den als die Erzeugung solcher Brennstoffe auf Basis              liche frühzeitige und kontinuierliche Investitionen
von Offshore-­Windenergie in Deutschland. Aller-                 in Elektrolyseure und CO2-­Absorber erfordert.
dings nähern sich die Kosten deutlich an. Wie groß
der potenzielle Kostenvorteil durch Importe ist, hängt           Die wichtigsten Einflussgrößen für die zukünftigen
maßgeblich davon ab, wie sich die Investitionskos-               Kosten synthetischer Brennstoffe sind die Stromer-
ten für Offshore-Windenergie entwickeln und wel-                 zeugungskosten und die Auslastung sowie die Inves-
che Volllaststunden an den einzelnen Standorten                  titionskosten der Umwandlungsanlagen. Weniger
erreicht werden können.39 Hinzu kommen mögliche                  relevant sind dagegen Transportkosten, was insbe-
Unterschiede bei den Kapitalkosten: Während den                  sondere im Fall der Flüssigkraftstoffe gilt.
hier angestellten Rechnungen der Einfachheit hal-                Während die Investitionen in Erneuerbare Ener-
ber gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten von               gien weltweit zunehmen41, womit ein weiteres Sin-
pauschal sechs Prozent zugrunde liegen, kommen in                ken der Kosten für Solar- und Windenergie absehbar
der Realität in den möglichen Exportländern länder-              ist, sind ähnlich große Investitionen in Power-to-
spezifische Risikoschläge aufgrund politischer oder              Gas- und Power-to-Liquid-Anlagen überhaupt noch
regulatorischer Instabilität hinzu, welche die Kos-              nicht absehbar. Zur Realisierung von Skalen- und
ten importierter synthetischer Brennstoffe potenziell            Lerneffekten zur Kostensenkung42 sind aber auch in
noch erhöhen. So lägen bei Kapitalkosten von zwölf               diesen Bereichen erhebliche Investitionen notwen-
Prozent die Kosten von Power-to-Gas aus Nord­afrika              dig. Um zukünftig die in dieser Studie unterstellten
                                                                 Kostenreduktionen zu erzielen, bedarf es der welt-

39 Auf der Importseite kommen weitere absehbare
   Kostensenkungen bei Photovoltaik und gegebenenfalls           40 Die angenommenen Kapitalkosten sind entscheidend für die
   Batteriespeichern zur Erhöhung der Volllaststunden hinzu,        Wirtschaftlichkeitsannahmen. Sie können im Excel-Tool
   die zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Analyse nicht mehr       auf der Agora-Website angepasst werden. Ondraczek et al.
   berücksichtigt werden konnten. Ähnlich verhält es sich           (2015) ermitteln gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten
   mit dem möglichen kostensenkenden Einfluss beson-                von 11,8 Prozent für Marokko, 10,5 Prozent für Algerien
   ders großer Elektrolyseanlagen. Während die vorliegende          und 8,6 Prozent für Saudi-Arabien. In der Praxis las-
   Analyse spezifische Investitionskosten von rund 660 bis          sen sich Kapitalkosten mithilfe staatlicher Bürgschaften
   770 Euro pro Kilowatt für 2020 annimmt, sind für beson-          senken (Temperton 2016) – wie zum Beispiel Hermes-
   ders große Anlagen im Bereich von 100 Megawatt und               Bürgschaften. Aktuelle Analysen zum Import synthetischer
   größer auch heute schon Investitionskosten von etwa              Brennstoffe nehmen in der Regel weniger als acht Prozent
   400 bis 500 Euro pro Kilowatt erreichbar (DLR et al. 2014;       Kapitalkosten an, so zum Beispiel zwei Prozent und sieben
   IEA 2017a). Überwiegt bei einer 5-Megawatt-Anlage                Prozent (MWV et al. 2017) oder vier Prozent (dena 2017b).
   noch der Anteil der sonstigen (Nicht-Elektrolysestack-)
                                                                 41 IRENA (2016)
   Kosten mit 58 Prozent, so verringert sich dieser bei einer
   100-Megawatt-Anlage auf 23 Prozent (DLR et al. 2014).         42 Schmidt et al. (2017a)

                                                                                                                           21
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | Schlussfolgerungen

  Installierte Leistung an PtG-/PtL-Elektrolyseuren in Szenarien für Deutschland
  und weltweit benötigte Elektrolyseurs-Leistung zur Kostensenkung in Gigawatt                                                Abbildung 6

           GW                                   Deutschland                                                                Die Welt
     400

                                                                                             INES et al. (2017)

     300
                                                                                                                         benötigt zur
                                                                                              FNB Gas (2017)          Kostensenkung
                                                                                                                     bei Elektrolyseuren
     200
                                                                                              ZSW et al. (2017)

     100                                                                                                                   100 GW *
                       acatech et al. (2017b)
                                                                                     Öko-Institut et al. (2015)
                                                     ZSW et al. (2017)               acatech et al. (2017b)
       0
                   2020                  2030                    2040                   2050                          globaler Bestand
                                                                                                                       heute: ~ 20 GW

  Deutschland-Szenarien: acatech et al (2017b): „90 offen“ mit Treibhausgasminderung bis 2050 um 90 Prozent gegenüber 1990 und keinerlei
  Importen von Brennstoffen; FNB Gas (2017): „Strom und Grünes Gas“ mit Treibhausgasminderung bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990
  und vollständigem Import von flüssigen synthetischen Kraftstoffen; INES et al. (2017): „Optimiertes System“ mit vollständiger Treibhausgasneu-
  tralität und ohne Energieimporte oder -exporte im Jahr 2050; Öko-Institut et al. (2015): „Klimaschutzszenario-95“ mit Treibhausgasminderung
  bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 und 143 Terawattstunden importierten synthetischen Brennstoffen; ZSW et al. (2017): „DE_95 % max“

  *e
    igene Berechnungen auf Basis des optimistischen Kostenpfades von Frontier Economics (2018); Ausgangswert 2014:
   0,03 Gigawatt Power-to-Gas-Anlagen in Deutschland; Lernrate: 13 Prozent (FENES et al. 2014)

  eigene Darstellung

weiten Installation von Elektrolyseursleistung in                          35 Gigawatt Elektrolyseuren 2030 den Beginn einer
der Größenordnung von 100 Gigawatt (Abbildung 6).                          neuen Phase der Energiewende sehen.44
Zum Vergleich: Für Deutschland kommen acatech et
al. (2017b) in einem Szenario mit 90 Prozent Treib-                        Der zur Kostensenkung benötigte Anstieg auf rund
hausgasreduktion gegenüber 1990 im Jahr 2050 mit                           100 Gigawatt Elektrolyseursleistung weltweit ent-
etwa 108 Gigawatt Elektrolyseuren aus, wohinge-                            spricht etwa einer Verfünffachung gegenüber der
gen das Szenario „Optimiertes System“ mit vollstän-                        heute weltweit installierten Leistung von etwa 20
diger Treibhausgasneutralität von INES et al. (2017)                       Gigawatt45. Die damit verbundenen Investitionskos-
etwa 350 Gigawatt Leistung aus Elektrolyseuren                             ten für Elektrolyseure liegen in einer Größenordnung
impliziert. Für das Jahr 2030 erwarten viele Szena-
rien für Deutschland noch keine größere PtG-Was-                           44 Siehe auch ZSW et al. (2017) mit einem Bedarf von 5 bis 10
serstoff-Nutzung43, während acatech et al. (2017b)                            Gigawatt im Jahr 2030 sowie dena (2017a) mit einem Bedarf
in der großskaligen Wasserstoffherstellung mit etwa                           von etwa 40 Terawattstunden.

                                                                           45 Hierbei handelt es sich überwiegend um alkalische
43 Siehe AEE (2016)                                                           Elektrolyseure.

22
STUDIE | Die zukünftigen Kosten strombasierter synthetischer Brennstoffe

von 10 bis 100 Milliarden Euro bis 2050. Die große                absehbar keinen signifikanten Beitrag dazu leisten.
Bandbreite verdeutlicht die mit der Technologieent-               Denn die Kostensenkungen ergeben sich in erster
wicklung heute noch verbundenen großen Unsicher-                  Linie aus der größer werdenden kumulierten Leis-
heiten.46 Zu den Kosten der Elektrolyseure kommen                 tung der weltweit produzierten Elektrolyseure.
die Investitionskosten für Methanisierungs- und
Power-to-Liquid-Anlagen hinzu. Für eine Metha-                    Die avisierten Investitionen und damit verbunde-
nisierung beziehungsweise Power-to-Liquid-Her-                    nen Kostensenkungen bei synthetischen Brennstof-
stellung mit nachhaltiger CO2-Quelle muss außerdem                fen sind ohne politische Intervention oder eine hohe
die CO2-Abscheidung aus der Luft zur Marktreife                   CO2-Bepreisung nicht zu erwarten, denn die Her-
gebracht werden.47 Angesichts des frühen Pilotanla-               stellungskosten für synthetische Brennstoffe sind
gen-Stadiums sind die hier zugrunde gelegten Kos-                 dauerhaft höher als die Förderkosten ihrer fossilen
tenannahmen für diese Technologie mit den größten                 Alternativen.
Unsicherheiten behaftet. Insgesamt ist das Erreichen
der benötigten Kostensenkungen eine internatio-                   Power-to-Gas und Power-to-Liquid sind Dekarbo-
nale 100-Gigawatt-Herausforderung. Neben den hier                 nisierungstechnologien für die Bereiche, in denen
betrachteten technischen und finanziellen Dimensi-                flüssige oder gasförmige Brennstoffe gegenüber einer
onen spielen für die Größe der Herausforderung vor                Nutzung von erneuerbarem Strom überlegen sind. Im
allem politische Aspekte eine Rolle, die in den folgen-           Gegensatz zu Strom aus Windenergie- und Photovol-
den Abschnitten beschrieben werden.                               taikanlagen, der jetzt schon in vielen Gegenden der
                                                                  Welt günstiger ist als Strom aus fossilen Kraftwerken,
Kleinere und dezentralere48 Ansätze zur Erzeugung                 werden PtL und PtG trotz der möglichen Kostensen-
synthetischer Brennstoffe in Deutschland stehen                   kungen jedoch ohne entsprechende politische Rah-
nicht im Mittelpunkt dieser Analyse. Sie dürften                  menbedingungen voraussichtlich nie günstiger sein
mittel- bis langfristig von Kostensenkungen bei den               als Erdöl und Erdgas, wie Abbildung 5 anhand von
Umwandlungstechnologien profitieren, werden aber                  gemittelten Weltbank- und IEA-Preisszenarien zeigt.
                                                                  Der Grund: Es gibt nach wie vor große Erdöl- und
                                                                  Erdgasvorräte, die zu niedrigen Kosten gefördert wer-
46 Die Bandbreite an Entwicklungspfaden und Kosten kommt
   unter anderem deswegen zustande, weil unterschiedliche         den können. Steigt die globale Nachfrage an Erdöl und
   Lernraten auf unterschiedliche Ausgangswerte bezogen           Erdgas nicht mehr an, sondern sinkt sogar im Zuge
   werden. Während in der deutschen Diskussion typi-              der weltweiten Elektrifizierung mit Windenergie-
   scherweise die noch sehr geringe Zahl der in Deutschland       und Photovoltaikanlagen, dann ist auch nicht mehr zu
   installierten PtG-Elektrolyse-Anlagen als Ausgangswert
                                                                  erwarten, dass Erdöl und Erdgas knapp werden.
   herangezogen wird (< 0,1 Gigawatt), vergleichen Schmidt et
   al. (2017b) globale Lernkurven und nutzen als Ausgangswert
   den globalen Bestand an Elektrolyseuren (~ 20 Gigawatt).       Power-to-Gas und Power-to-Liquid werden daher
   Fraglich ist außerdem, inwieweit eine aus historischen         nur dann breitflächig zum Einsatz kommen, wenn
   Daten zur alkalischen Elektrolyse gewonnene Lernrate auch      politische Maßnahmen dafür sorgen. Dies kann
   auf neuere Technologien wie die PEM-Elektrolyse (vgl.
                                                                  entweder über eine Bepreisung des CO2-Ausstoßes
   Schmidt 2017a) oder gegebenenfalls zukünftig auch mem-
   branlose Elektrolyseure (Esposito 2017) angewandt werden       durch die Nutzung von Erdöl und Erdgas entspre-
   kann.                                                          chend den tatsächlichen Schadenskosten erfolgen –
47 Vgl. Abschnitt 4.                                              das heißt derzeit etwa 80 bis 100 Euro pro Tonne
                                                                  CO2 – oder über andere Instrumente, wie etwa über
48 Dieser unscharfe Begriff kann sich auf sehr unterschiedli-
   che Größenordnungen beziehen und damit tendenziell bis
                                                                  Vorgaben zur Beimischung49 oder über Marktein-
   hin zu sehr kleinen PtG-Anlagen für Einfamilienhäuser
   reichen (Energiezukunft 2015; vgl. dena 2016).                 49 Vgl. Kapitel 7.2 „Beimischung und Verteilung“.

                                                                                                                          23
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