Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
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Dokumentation zum Projekt „9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger- schaft und erstem Lebensjahr“ Das Leuchtturmprojekt zur Entwicklung und Erforschung von Kooperationsstrukturen zur Übergewichtsprävention durch Frauenärzte, Hebammen sowie Kinder- und Jugend- ärzte im Rahmen der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen im Landkreis Ludwigsburg. www.in-form.de www.pebonline.de
Impressum Herausgeber Plattform Ernährung und Bewegung e.V. Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb) Wallstr. 65 peb ist ein Zusammenschluss von Ver 10179 Berlin tretern aus öffentlicher Hand, Wirtschaft, Telefon: 030 27 87 97-67 Wissenschaft, Sport, Eltern und Ärzten. Telefax: 030 27 87 97-69 Über 100 Mitglieder setzen sich bei peb plattform@pebonline.de aktiv für eine ausgewogene Ernährung www.pebonline.de und mehr Bewegung als wesentliche Bestandteile eines gesundheitsförder- Vertretungsberechtigte: lichen Lebensstils bei Kindern und Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich Jugendlichen ein. Eintrag Vereinsregister: VR 24014 Nz www.pebonline.de Autoren Das Projekt „9+12 Gemeinsam gesund in Maria Flothkötter, Dr. med. Thomas Schwangerschaft und erstem Lebensjahr“ Kauth, Prof. Dr. med. Berthold Koletzko, wird gefördert im Rahmen der Initiative Prof. Dr. med. Ulrike Korsten-Reck, IN FORM durch das Bundesministerium Wiebke Kottenkamp, Dr. Andrea Lambeck, für Ernährung und Landwirtschaft auf- Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich, grund eines Beschlusses des Deutschen Cornelia Wäscher Bundestages. Redaktion: Cornelia Wäscher (V.i.S.d.P.) www. in-form.de Satz & Gestaltung: www.haas-images.de 1. Auflage Dezember 2014 Fotos Matthias Martin: S. 6, 7, 12, 17, 19, 22, 23, 30, 35 BMEL/photothek.net/Thomas Köhler: S.4 Bundesregierung/Steffen Kugler: S. 4 Romy Kaa: Titel, S. 8, 11, 31, 33, 34 Christine Haas, haas|images: S. 13, 32 Autorenfotos privat: S. 5, 6, 16, 19, 21, 22, 31 Abbildungen Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb): S. 9, 10, 15, 29 aid infodienst e.V., Gesund ins Leben: S. 20 com.X: S. 27, 28 2
Inhaltsverzeichnis 1. Grußwort der Bundesminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4 Grußwort der peb-Vorstandsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 5 2. Projektbeschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6 – Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8 – Fokus Risikogruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8 – Planung und Ablauf des Projekts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8 – „9+12“-Materialien und -Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 9 – Beratungsprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 11 3. Der „9+12“-Expertenbeirat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14 4. Die Modellregion Ludwigsburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15 5. Gespräch unter Ludwigsburger Fachakteuren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16 6. Wissenschaftlicher Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18 7. Ernährung in der Schwangerschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 19 8. Bewegung in der Schwangerschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21 9. Mütterliche Ernährung in der Stillzeit und Säuglingsernährung. . . . . Seite 22 10. Bewegung von Mutter und Kind im ersten Lebensjahr. . . . . . . . . . . . . . Seite 24 11. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 25 12. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 27 13. Ausblick und Vision. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 31 14. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 33 15. Weiterführende Informationen und Links. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 34 3
1. Grußwort der Bundesminister Liebe Leserinnen und Leser, Ernährung und Bewegung e.V. (peb) hat sich zum Ziel gesetzt, Gynäkologen, Heb- BMEL / photothek.net / Thomas Köhler ob Junge oder Mädchen, die meisten wer- ammen sowie Kinder- und Jugendärzte in denden Eltern wünschen sich vor allem den Bereichen Ernährung und Bewegung eines: Gesundheit – und die für Eltern im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen und Kind. Der Grundstein für ein späteres zu unterstützen. Dazu wurden auch die gesundes Leben wird bereits während der Handlungsempfehlungen und Materialien Schwangerschaft und im ersten Lebens- des IN FORM Projektes „Gesund ins Leben – jahr gelegt. Zahlreiche wissenschaftliche Netzwerk Junge Familie“ eingesetzt. Ergebnisse belegen: Eine ausgewogene Christian Schmidt, Ernährung und ausreichend Bewegung Durch die gelungene Zusammenarbeit Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft sind nicht nur für Wohlbefinden und und Vernetzung der Beteiligten konnten Gesundheit der Mutter wichtig, sondern Eltern in der Pilotregion Ludwigsburg von verhelfen auch dem Kind zu einem opti- der Feststellung der Schwangerschaft an malen Start ins Leben. bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes umfassend beraten und unter- © Bundesregierung / Steffen Kugler Gynäkologinnen und Gynäkologen, stützt werden. Die Broschüre gibt Ihnen Hebammen sowie Kinder- und Jugend- einen Überblick über die Hintergründe, ärztinnen und -ärzte sind eine wichtige Ziele und Ergebnisse von „9+12“. Begleitung für werdende und junge Eltern. Die medizinische Betreuung, die Wir danken allen Beteiligten für ihre Mit- wir im Gesundheitssystem im Rahmen arbeit und Unterstützung des Projektes der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen und wünschen weiterhin viel Erfolg! Hermann Gröhe, anbieten, hat sich bewährt. Allerdings Bundesminister für Gesundheit finden vorbeugende Aspekte rund um die Ihr Christian Schmidt MdB Themen Ernährung und Bewegung noch Bundesminister für Ernährung und zu wenig Beachtung. Angesichts der gro- Landwirtschaft ßen Zahl übergewichtiger Kinder und den damit verbundenen nachteiligen Folgen Ihr Hermann Gröhe MdB für den Einzelnen und die Gesellschaft ist Bundesminister für Gesundheit die frühzeitige Vermittlung eines gesun- den Lebensstils von zentraler Bedeutung für die Zukunft. Gerade in der Zeit um die Geburt sind junge Eltern offen für einen gesunden Lebensstil, so dass sich mit hilfreichen Informationen und alltags naher Unterstützung nachhaltige Erfolge erzielen lassen. Das im Rahmen des Nationalen Aktions- plans IN FORM - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung geförderte Projekt „9+12 Ge- meinsam gesund in Schwangerschaft und erstem Lebensjahr“ der Plattform 4
Grußwort der peb-Vorstandsvorsitzenden Gesund von Anfang an! Danach handeln von Frauenärzten, Hebammen sowie Hebammen sowie Kinder- und Jugendärz- Kinder- und Jugendärzten in Ludwigs- te schon immer. Die wissenschaftlichen burg aus, die gemeinsam etwas für den Erkenntnisse zur perinatalen Prägung gesunden Lebensstil der Ludwigsburger aus den letzten Jahren zeigen jedoch, Kinder tun wollten. Genau so sind nach- dass nicht nur die ersten Lebensmonate, haltig wirkende Veränderungen möglich: sondern bereits die Zeit im Mutterleib gemeinsam mit den Verantwortlichen vor prägend für die gesunde Entwicklung Ort Probleme identifizieren und Lösungen eines Menschen ist. Und diese Prägung ist entwickeln! nicht genetisch festgelegt, sondern lässt sich durch den Lebensstil der Mutter (und Unser Wissen und Inhalte aus „9+12 Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich, peb-Vorstandsvorsitzende im ersten Lebensjahr durch beide Eltern Gemeinsam gesund in Schwangerschaft und das soziale Umfeld) positiv beein- und erstem Lebensjahr“ teilen wir ger- flussen. Bewegt sich die Mutter während ne mit anderen Akteuren und Regionen der Schwangerschaft ausreichend und er- deutschlandweit. Viel zu oft wird das nährt sie sich ausgewogen, hat sie schon Rad neu erfunden, ohne auf vorliegende viel Gutes für die gesunde Entwicklung Erfahrungen aufzubauen. Die Plattform ihres Kindes getan. Das Gleiche gilt für die Ernährung und Bewegung wird sich für Ernährungs- und Bewegungserziehung eine Verbreitung von „9+12“ einsetzen des Kindes in den ersten Lebensmonaten, und versuchen, diese erfolgreiche Initia- hier werden Grundlagen für die gesund- tive auch in anderen Teilen Deutschlands heitliche Entwicklung gelegt, die lebens- bekannt und nutzbar zu machen. lang Einfluss haben. Ihre Diesem Zusammenhang und der Beob- Ulrike Ungerer-Röhrich achtung, dass junge Eltern in der Phase peb-Vorstandsvorsitzende der Schwangerschaft und in den ersten Lebensmonaten ihres Kindes besonders offen für Lebensstilveränderungen sind – und dabei Frauenärzten, Hebammen sowie Kinder- und Jugendärzten in beson- derer Weise vertrauen – wird das Projekt „9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger- schaft und erstem Lebensjahr“ gerecht. „9+12“ steht exemplarisch für die Ar- beitsweise der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb). peb baut seine Maß- nahmen der Gesundheitsförderung und Übergewichtsprävention sorgfältig auf wissenschaftlichen Erkenntnissen auf und nutzt bestehende und verlässliche Struk- turen – hier die Vorsorgeuntersuchungen in Schwangerschaft und erstem Lebens- jahr. Die Initiative für dieses Projekt ging 5
2. Projektbeschreibung Mit dem Projekt „9+12 Gemein- Themen und Verhaltensänderungen sind. sam gesund in Schwangerschaft Daher setzt „9+12“ bereits mit Feststel- und erstem Lebensjahr“ erwei- lung einer Schwangerschaft bis zum Ende tert die Plattform Ernährung des ersten Lebensjahres eines Kindes an. und Bewegung e.V. (peb) die zur Krankheitsfrüherkennung vorge- Das Projekt zielt darauf ab, kindliches sehenen Vorsorgeuntersuchungen Übergewicht und Adipositas bei Mutter während der Schwangerschaft und und Kind zu reduzieren bzw. zu vermei- des ersten Lebensjahres um präventive den. Die Ursachen von Übergewicht und Elemente. Werdende und junge Eltern Adipositas sind komplex und werden werden vom Zeitpunkt der Feststellung sowohl durch genetische Veranlagung als der Schwangerschaft bis zum Ende des auch durch das äußere Umfeld begün ersten Lebensjahres bei der Umsetzung stigt. Eine Intervention, die ausschließlich eines gesunden Lebensstils für sich und auf der Ebene der Verhaltensänderung das Kind unterstützt. Ziel ist es, den ansetzt, kann deshalb kaum eine nach- Nutzen dieser Maßnahme mit einer haltige Wirkung haben. Ein gesundheits- einschlägigen externen Evaluation und förderliches Verhalten kann nur dann Quantifizierung zu prüfen. Die daraus aufrechterhalten werden, wenn die Ver- gewonnenen Erkenntnisse sollen als Basis hältnisse dieses unterstützen. Aus diesem für eine generelle Implementierung von Grund verfolgt „9+12“ sowohl verhaltens- Präventionsmaßnahmen in das bestehen- auch als verhältnispräventive Ansätze: de Vorsorgesystem bzw. Krankheitsfrüher- kennungssystem deutschlandweit dienen. 1. Verhaltenspräventiver Ansatz: Cornelia Wäscher, Dabei stehen in der Modellregion im Die Förderung des Gesundheitsbewusst- Master of Public Health, „9+12“- Projektkoordinatorin Landkreis Ludwigsburg sowohl eine nach- seins und -verhaltens junger Eltern gilt haltige Veränderung des Ernährungs- und als ein sehr gut geeigneter und bisher Bewegungsverhaltens der (werdenden) wenig erprobter Ansatz der kindlichen Familien, als auch die Entwicklung und Er- Übergewichtsprävention. Durch standar- forschung von Kooperationsstrukturen zur disierte Beratungen von medizinischen Verhaltensprävention verfolgt das Ziel, Krankheits- Adipositasprävention durch Frauenärzte, Akteuren (Frauenärzte, Hebammen sowie risiken durch die Beein- Hebammen sowie Kinder- und Jugend Kinder- und Jugendärzte) sollen werdende flussung des individuellen ärzte1 im Fokus. und junge Familien frühzeitig für einen menschlichen Verhaltens gesunden Lebensstil mit ausgewogener abzubauen. Das Ziel, möglichst früh im Leben mit Ernährung und viel (Alltags-) Bewegung gesundheitsförderlichen und präventiven motiviert werden. Hierfür werden die Strategien anzusetzen und dadurch die Vorsorgeuntersuchungen in der Schwan- Entstehung von Übergewicht und Adi- gerschaft und im ersten Lebensjahr durch positas zu vermeiden, ist unter Experten präventive Elemente ergänzt. Konsens. Die Schwangerschaft gilt als eine besonders sensible Phase, in der Personen Die Schaffung einer verbesserten Bera- offen und motiviert für gesundheitliche tung durch konsistente und widerspruchs- 1 Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden die Kurzform „9+12“ verwendet. Ebenfalls zur Verbesserung der Lesbarkeit wurde darauf verzichtet, durchgehend die weibliche und männliche Geschlechtsform zu verwenden. Es gilt, dass beide Formen das jeweils andere Geschlecht einschließen, ohne dieses immer explizit zu nennen. 6
freie Informationen, vermittelt durch Versorgungsstruktur für die jungen Fa- Frauenärzte, Hebammen sowie Kinder- milien im Landkreis Ludwigsburg bereit- und Jugendärzte, sowohl im persönlichen zustellen und die medizinischen Akteure Beratungsgespräch als auch durch die in einen aktiven Austausch zu bringen. Weitergabe von Informationsmaterialien So wird die Konsistenz der vermittelten unterstützt die Familien gleichermaßen Informationen gefördert – die vor Projekt- bei der Umsetzung eines gesunden start sowohl in Ernährungs- als auch in Alltags. Eine Sammlung bestehender Bewegungsfragen keineswegs einheitlich gesundheitsfördernder Angebote vor Ort waren – und zugleich eine verbesserte ergänzt diese Beratungen und erleichtert Betreuung der Patienten sowie ein die unmittelbare Umsetzung des ange- gemeinschaftliches Engagement gegen strebten Verhaltens. kindliches Übergewicht gewährleistet. 2. Verhältnispräventiver Ansatz: Zusätzlich zu der Vernetzung der medizi- Mittels Verhältnis- Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist nischen Akteure baut „9+12“ auf bereits prävention sollen Gesund- zudem die Vernetzung der beteiligten Be- bestehende Aktivitäten auf, bündelt und heitsrisiken durch die Gestaltung der Lebens-, rufsgruppen, durch die eine Verbesserung ergänzt diese sinnvoll. So wird die Ver Arbeits- und Umwelt der Verhältnisse angestrebt wird. „9+12“ netzung der Berufsgruppen gefördert und bedingungen gemindert setzt hierbei an wichtigen Stellschrauben die Nutzung existierender Angebote spe- werden. vor Ort an und fördert den Austausch und ziell für die Zielgruppe der Schwangeren die Kooperationsstrukturen unterschiedli- (Sportvereine, Ernährungsberatung etc.) cher Beteiligter. Als besonders bedeutsam verbessert. Zusammengefasst hat „9+12“ zeigen sich hierbei die medizinischen Akteure vor Ort. Das Projekt zielt darauf ab, eine bessere 7
in der Region Ludwigsburg (Sport vereine, Ernährungsberatung etc.) Sekundärzielgruppe: Frauenärzte, Hebammen, Kinder- und Jugendärzte im Landkreis Ludwigsburg Fokus Risikogruppen Wie der Versorgungsbericht der Kassen- somit zum Ziel, ärztlichen Vereinigung Baden-Württem- eine Verhaltens- berg (KV 2009) zeigt, nehmen nahezu veränderung in Richtung alle Schwangeren in Baden-Württemberg eines gesundheitsförderlichen Verhal- an dem Mutterschaftsvorsorgesystem tens in jungen Familien zu initiieren und beim Frauenarzt teil. Zwischen 90 und aufrechtzuerhalten sowie die Koopera- 100 Prozent der jungen Eltern beanspru- tionsstrukturen beteiligter Akteure im chen im weiteren Verlauf die Vorsorge Landkreis Ludwigsburg zu optimieren. untersuchungen im Säuglingsalter beim Dabei werden neue Erkenntnisse bzgl. Kinder- und Jugendarzt (U-Untersuchun- der Effekte der verschiedenen Interven- gen). Damit unterscheidet sich „9+12“ tionen auf die Übergewichtsprävention grundsätzlich von anderen Präventions- gewonnen. maßnahmen, die vorrangig die Mittel- schicht erreichen und die für die Überge- Zielgruppen wichtsprävention besonders relevanten Das Projekt „9+12“ erreicht mit seinen Zielgruppen somit verfehlen. Durch die gesundheitsfördernden Maßnahmen wer- Dokumentation der Beratungen werden dende und junge Familien bevölkerungs- Risikopatienten aufgrund konkreter me- weit und sieht darüber hinaus bei der dizinischer Indikatoren oder ihres Verhal- Prävention (Krankheits Identifikation von verhaltensbedingten tens identifiziert. Damit wird das Problem verhütung) versucht durch Risikofaktoren adäquate Unterstützungen der stigmatisierenden Wirkung risikogrup- vorbeugende Maßnahmen einen Krankheitseintritt im Sinne der Prävention vor. Damit un- penorientierter Präventionsmaßnahmen abzuwenden, zu verzögern terscheidet sich „9+12“ maßgeblich von vermieden. bzw. Krankheitsfolgen Ansätzen, die auf soziale Risikogruppen abzumildern. fokussieren und damit oft den Neben Planung und Ablauf des Projekts effekt der Stigmatisierung haben. Das Projekt „9+12“ erweitert die ge- setzlich vorgesehenen Vorsorgeunter- Die Zielgruppen von „9+12“ sind suchungen in der Schwangerschaft und im Säuglingsalter, welche vornehmlich Primärzielgruppe: der Krankheitsfrüherkennung dienen, um Werdende und junge Eltern im Landkreis präventive Elemente. Frauenärzte, Heb- Ludwigsburg von der Feststellung der ammen sowie Kinder- und Jugendärzte Schwangerschaft an bis zum ersten Ge- beraten Schwangere und junge Eltern im burtstag des Kindes Rahmen der ärztlichen Vorsorgeunter- - Identifikation von Personen mit suchungen systematisch zu den Themen besonderem Unterstützungsbedarf Ernährung und Bewegung. peb kooperiert durch Scores (siehe Kapitel 1.1.) und in dem Projekt eng mit dem aid-Netzwerk konkrete Empfehlungen entspre- „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge chender Maßnahmen wie z.B. die Familie“, welches in Abstimmung mit füh- Nutzung von Präventionsangeboten renden Institutionen, Fachgesellschaften 8
Schwangerschaft 1. Lebensjahr S1 S2 S3 S4 H1 H2 U3 U4 U U6 Frauenarzt Hebamme Kinder- und Jugendarzt Lebensalter ca. 1 Jahr Kurz vor der Geburt Nach der Geburt 28. bis 32. SSW 37. bis 40. SSW 18. bis 22. SSW 3. bis 8. Woche . bis 6. Monat 3. bis 4. Monat 8. bis 12. SSW Checkliste H2 Checkliste U3 Checkliste H1 Checkliste U4 Checkliste U6 Checkliste S3 Checkliste S4 Checkliste S2 Checkliste S1 Checkliste U Abbildung 1: Das Projekt „9+12“ nutzt insgesamt zehn Untersuchungszeitpunkte zur präventiven Beratung. und Verbänden einheitliche Handlungs- Mütter zu dokumentieren und eine be- empfehlungen für die Ernährung in der darfsgerechte und motivierende Beratung Schwangerschaft und im ersten Lebens- zu ermöglichen. Die Scores beinhalten jahr entwickelt hat. u.a. Fragen zur Gewichtsentwicklung von Mutter und Kind, zur Ernährung (Stillen, Im Projekt werden vier Schwangerschafts- Milchauswahl, Beikost, Getränke, Mahlzei- Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt ten, Lebensmittelauswahl), zur Bewegung für die präventiven Beratungen genutzt. (Fitnessgrad, Alltagsaktivität, Intensität, Die Hebammen sind mit zwei ergänzen- Dauer), zur erweiterten Prävention (Jodid, den Interventionszeitpunkten kurz vor Mikronährstoffe, Nikotin, Alkohol) und und nach der Entbindung in das Projekt zu medizinischen Parametern (Blutzucker, eingebunden. Nach der Geburt folgen die Blutdruck). Sie wurden in enger Zusam- Kinder- und Jugendärzte mit vier weiteren menarbeit mit dem „9+12“-Expertenbei- Abbildung 2: Beispiel einer Präventions-Checkliste (S2) Interventionszeitpunkten in den ersten rat entwickelt (siehe Kapitel 3). zwölf Lebensmonaten (Abb. 1). Ideal typisch arbeiten Frauenärzte, Hebammen Außerdem erhalten die werdenden sowie Kinder- und Jugendärzte Hand in Mütter einen Präventionspass, in dem Hand und begleiten Eltern und Kind auf Arzt bzw. Hebamme im Rahmen der dem Weg zu einer gesunden Lebensweise. gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen die jeweiligen Präventionsscores nach einem „9+12“-Materialien und -Medien persönlichen Beratungsgespräch doku- Für die Umsetzung in der Praxis hat peb mentieren (Abb. 3). für die medizinischen Akteure passge- naue Instrumente entwickelt: „Präven- Der im Präventionspass dokumentierte tionsscores“ (in Form von Präventions- Score zeigt im Verlauf für die nachfolgen- Checklisten – siehe Abb. 2) dienen der den Vorsorgeuntersuchungen, in welchem konkreten Bedarfsermittlung, um das Maß die Empfehlungen zu Ernährung und Gesundheitsverhalten der (werdenden) Bewegung durch die Patientinnen umge- 9
setzt werden konnten und ob ein zusätz Untersuchungszeitpunkt passende licher Beratungsbedarf besteht. Botschaften vermitteln. Die innovativen, alltagsnahen Filme ergänzen das persön- Zudem erhalten die (werdenden) Eltern liche Gespräch und wirken zu Hause nach. Informationen zu bedarfsgerechten und Dabei ersetzt das Filmmaterial ausdrück- Präventionspass Ernährung und konkreten Angeboten der Gesundheitsför- lich nicht das Beratungsgespräch, sondern Bewegung derung im Landkreis Ludwigsburg. Speziell dient zur Illustration und Vertiefung des erstellte Listen führen neben örtlichen Besprochenen zu Hause (Abb. 4). Sportangeboten auch Ernährungs- und Laktationsberater und deren Kursange Ziel der Kurzfilme ist es auch, die (werden- Abbildung 3: Präventionspass bote auf, so dass die teilnehmenden Eltern den) Väter als Nutzergruppe emotional bei Bedarf schnell und unkompliziert anzusprechen und darüber hinaus die Ansprechpartner finden können. Medienauswahl zu komplettieren. Da schriftliches Informationsmaterial Die acht kurzen Filme (auf DVD), die (insbesondere gegenüber sozialen Risiko auch auf dem YouTube-Kanal (https:// gruppen) in seiner Wirkung begrenzt www.youtube.com/user/Gemeinsamge- bleibt, wurden zusätzlich kurze Filmse- sund) abrufbar sind, sprechen die Eltern quenzen entwickelt, die zum jeweiligen emotional an und sensibilisieren mit Informationsfilme 9+12 Gemeinsam gesund Die Zeit in der Schwangerschaft Die Zeit nach der Geburt Film 1 Film 5 8.-12. Schwangerschaftswoche Lebensalter 3.-8. Woche Der Anfang Die Familie wächst zusammen Film 2 Film 6 18.-22. Schwangerschaftswoche Lebensalter 3.-4. Monat Die ersten kindlichen Bewegungen sind zu spüren Baby in Bewegung Film 3 Film 7 28.-32. Schwangerschaftswoche Lebensalter 5.-6. Monat Das Baby wächst und wächst Das Baby entdeckt die Welt Film 4 Film 8 37.-40. Schwangerschaftswoche Lebensalter ca. 1 Jahr Der Bauch ist eine richtige Kugel Vom Baby zum Kleinkind, erste Schritte Abbildung 4: Übersicht der „9+12“- Informationsfilme (8 Kurzfilme) 10
verständlichen Informationen und Handlungsempfehlungen zu den Themen Ernährung und Bewegung. Die Empfehlungen zur Bewegungs- förderung und zur Prävention von Bewegungsmangel lassen sich sehr gut alltagsnah durch bewegte Bilder vermitteln. Des Weiteren gehören Informa tionsbroschüren für medizinische Akteure und andere Projektma terialien wie Flyer mit spezifischen für eine ganz- Empfehlungen zum jeweiligen heitliche und Untersuchungszeitpunkt sowie interdisziplinäre Aufkleber und Poster zur Aus- Versorgungsqualität. stattung des Projekts. Ergänzend werden Medien und Inhalte von Die gesamten „9+12“- Projekt- „Gesund ins Leben – Netzwerk medien und insbesondere die Junge Familie“ verwendet. Präventionsscores wurden in enger steigern und an für Schwangere Abstimmung mit dem „9+12“ Ex- geeigneten Bewegungsangeboten In Kooperation mit den beteiligten pertenbeirat (Abb. 5) entwickelt. im Sportverein o. ä. vor Ort teilzu- Experten wurden ein Flyer zum Be- nehmen. Sie orientieren sich hierbei wegungsverhalten in der Schwan- Beratungsprozess an den im Rahmen des Projekts gerschaft und eine Broschüre mit Durch die Integration der präventi- erarbeiteten Listen mit wohnort Bewegungstipps für das erste ven Beratungen in die gesetzlichen nahen Sport- und Bewegungsange- Lebensjahr erstellt. Neben wichti- Vorsorgeuntersuchungen werden boten im Landkreis Ludwigsburg. gen Informationen erhalten Ärzte auch junge Familien mit ausge- und Hebammen somit auch Materi prägten Risikofaktoren (wie z.B. Zusätzlich empfehlen Frauen- alien, um ihre Praxen als Teilneh- Übergewicht und Diabetes melli- ärzte Schwangeren an einer mer von „9+12“ zu kennzeichnen tus Typ 2) angesprochen. Da über Ernährungsberatung bei einer und gegenüber ihren Mitbewerbern „9+12“ sowohl die normalgewich- Ernährungsfachkraft (gemäß der auszuzeichnen. Die Ärzte und Heb- tigen als auch die übergewichtigen im Leitfaden Prävention des GKV ammen stehen im Wettbewerb zu Schwangeren, Mütter und Kinder Spitzenverbandes geforderten Anbietern außerhalb des Landkrei- erreicht werden, umfasst das Pro- Anbieterqualifikation sind das ses Ludwigsburg und die Kinderärz- jekt sowohl Aspekte der Primär- als Oecotrophologen, Ernährungswis- te sehen sich zusätzlich im Wett- auch der Sekundärprävention. Im senschaftler, Diätassistenten und bewerb zu Allgemeinärzten, die z.T. Zuge der Empfehlungen durch Arzt Ernährungsmediziner mit entspre- ebenfalls Kinder behandeln. bzw. Hebamme können u.a. folgen- chender Zusatzqualifikation) teilzu- de primärpräventive Maßnahmen nehmen. Dabei berücksichtigen die Nicht zuletzt entsteht durch die initiiert werden: Frauenärzte die aktuellen Leitlinien „9+12“- Kennzeichnung auch eine des Institute of Medicine (IOM) zur Verbindlichkeit für eine langfristige Frauenärzte empfehlen überge- erwünschten Gewichtszunahme Beteiligung an der Zusammenar- wichtigen bzw. adipösen Schwan- der Schwangeren während der beit und gleichzeitig ein Indikator geren ihre Alltagsaktivität zu Schwangerschaft in Abhängigkeit 11
zum Ausgangs-BMI (Rasmussen et der Schwangeren. Fehlernährung Konsums gesundheitsgefährdender al. 2009). und Bewegungsmangel gefähr- Suchtmittel wie Alkohol, Zigaretten den nicht nur die Gesundheit der und Drogen. Hier wirken Frauenarzt Bei allen Schwangeren hat der Schwangeren, sondern erhöhen und Hebamme darauf hin, dass auf Bewegungsmangel in der Schwan- auch das Risiko für ein späteres Alkohol, Zigaretten und Drogen gerschaft negative Konsequenzen, Übergewicht des Kindes. während der Schwangerschaft und nicht nur bei übergewichtigen bzw. in der Stillzeit (und darüber hinaus) adipösen Schwangeren. Daher Frauenärzte, Hebammen sowie komplett verzichtet werden soll. fragen Frauenarzt und Hebamme später Kinder- und Jugendärzte Die Beratungsstellen vor Ort ergän- im Rahmen der Vorsorgeuntersu- verweisen bei schwerwiegenden zen dabei die individuelle Beratung. chungen gezielt nach der Alltags- Ernährungsstörungen auf das Be- aktivität der Schwangeren. Bei ratungsangebot bei den gelisteten Das ausschließliche Stillen des einem festgestellten Bewegungs- qualifizierten Ernährungsberatern. Säuglings in den ersten 4–6 Lebens- mangel wird auf die vorhandenen monaten hat einen wichtigen Bewegungsangebote hingewiesen Bei einer zu starken Gewichts- präventiven Effekt bezogen auf das und eine Teilnahme ausdrücklich zunahme während der Schwanger- Risiko des Kindes, später überge- empfohlen. schaft verweisen Frauenarzt bzw. wichtig oder adipös zu werden, und Hebamme auf die Möglichkeit der wird aus diesem Grund empfohlen. Die standardisierte Beratung zu Ernährungsberatung und die Stei- Ernährung und Bewegung (Doku- gerung der Alltagsaktivität durch Säuglinge übergewichtiger mentation mittels Score-System) er- geeignete Angebote vor Ort. Mütter, die ein erhöhtes Risiko für möglicht frühzeitig die Feststellung Übergewicht bzw. Adipositas auf- einer Fehl-, Unter- und Überernäh- Gegenstand der Beratung ist weisen, profitieren besonders vom rung und eines Bewegungsmangels auch die Abfrage bezüglich des ausschließlichen Stillen. Kann oder 12
möchte nicht gestillt werden, sollte nach Darüber hinaus fördert „9+12“ die Ver den Empfehlungen des „Netzwerk Junge netzung unter den Fachakteuren und bün- Familie“ ggf. zu Ersatzmilch mit geringem delt bereits bestehende Angebote speziell Eiweißgehalt geraten werden (Koletzko für die Zielgruppe (Ernährungsberatungs- 2011). und Bewegungsangebote vor und nach der Schwangerschaft im Landkreis Die Aussagen zur Verhaltensprävention Ludwigsburg), um bedarfsgerechte neue Perinatal durch Arzt bzw. Hebamme haben aus- Angebote aus dem Gebiet der perinatalen bezeichnet die Zeit vor drücklich empfehlenden Charakter und Prävention ins Leben zu rufen. und nach der Geburt. werden nicht nachgeprüft (was auch bei therapeutischen Maßnahmen nicht ge- währleistet werden kann); die Umsetzung der Empfehlungen wird beim Folgetermin erfragt. Anschließend nutzen Arzt bzw. Hebamme das persönliche Gespräch, um die Eltern bei der Umsetzung der Empfehlungen zu unterstützen und ihnen Hilfen vor Ort zu vermitteln. Junge Eltern erhalten durch die persönlichen Beratungen praxis- nahe, fundierte und individuelle Hilfestellungen für den Alltag und lernen Wege kennen, einen ge- sundheitsförderlichen Lebens- stil für sich und ihre Kinder zu entwickeln. Damit unterscheidet sich „9+12“ mit dem primär präventiven Ansatz in- haltlich grundsätzlich vom Mutterpass und dem Kindervorsorgeheft, welche die Krankheitsfrüh erkennung zum Ziel haben. Mit dem verhältnispräven- tiven Ansatz verfolgt „9+12“ zudem das Ziel, die Kooperati- on zwischen den medizinischen Akteuren und somit die Versor- gungsstrukturen für werdende und junge Eltern zu verbessern. Mittels aktiven Austauschs zwischen den verschiedenen Berufsgruppen soll ein optimales Umfeld geschaffen wer- den, um die Vermittlung von einheit lichen Botschaften zu gewährleisten. 13
3. Der „9+12“- Expertenbeirat Die Informationen und Scores für Sportwissenschaften, der Frauen- durch ca. vierteljährige Meetings die Beratungen hat peb mit Unter heilkunde, der Kinder- und Jugend- sowie durch regelmäßige telefo stützung eines Expertenteams medizin sowie der Sport- und nische Kontakte und per E-Mail. entwickelt (Abb. 5). Ernährungsmedizin ein. Dafür brin- gen die Experten fachliche Kompe Hierbei fließen insbesondere Er- tenz und zeitliche Ressourcen ein. kenntnisse der Ernährungs- und Die Projektabstimmung erfolgte Mitglieder des „9+12“- Expertenbeirats Maria Flothkötter Diplom-Oecotrophologin, aid Infodienst e.V., „Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie“ Dr. med. Thomas Kauth Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Mitglied des Erweiterten Vorstands der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb), niedergelassener Kinder- und Jugendarzt / Sport- und Ernährungsmediziner in Ludwigsburg Prof. Dr. med. Berthold Koletzko Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Mitglied des Erweiterten Vorstands der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb), Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München Prof. Dr. med. Ulrike Korsten-Reck Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP), Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb), Medizinische Universitätsklinik Freiburg Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs), Vorstandsvorsitzende der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb), Universität Bayreuth Abbildung 5: Der „9+12“-Expertenbeirat 14
4. Die Modellregion Ludwigsburg Das Projekt „9+12“ baut auf den Die Feldphase des Projekts „9+12“ mentiert werden konnte. Die teil- Erkenntnissen des ebenfalls durch in der Modellregion Ludwigsburg nehmenden medizinischen Akteure peb umgesetzten Vorläuferprojekts erstreckte sich von Januar 2012 nehmen mit dem Modellprojekt „Information und Unterstützung bis September 2014. Insgesamt eine Vorreiterstellung ein und für junge Eltern“ auf. In dessen Rah- 1.005 (werdende) Mütter nahmen konnten mit ihrem Engagement für men wurde u. a. eine Studie zum zum Teil zu allen Interventionszeit- „9+12“ zeigen, dass eine vernetzte Ernährungs- und Bewegungsver- punkten, zum Teil nur temporär und kooperative interdisziplinäre halten in jungen Familien durch- am Projekt teil. Zu insgesamt rund Zusammenarbeit aller beteiligten geführt, deren Schlussfolgerungen 3.300 Interventionszeitpunkten Akteure nicht nur aus Sicht der auch in die Konzeption des Modell- wurden Beratungen durchgeführt Patienten lohnend ist. projekts einflossen. So zeigte sich und Daten erhoben (Abb. 6). beispielsweise, dass Gynäkologen, Hebammen sowie Kinder- und Ju- Die Teilnehmerzahlen und die vor- gendärzte (Rheingold Institut 2009) liegenden Evaluationsergebnisse wichtige und oft konsultierte Ver- zeigen, dass das Projekt erfolgreich trauenspersonen junger Eltern sind. im Landkreis Ludwigsburg imple- Teilnehmerinnen nach Untersuchungszeitpunkt (absolut) 528 464 442 481 395 409 271 252 47 47 S1 S2 S3 S4 H1 H2 U3 U4 U5 U6 Abbildung 6: Anzahl der Interventionszeitpunkte von 02/2012 bis 09/2014 (ntotal = 1.005) 15
5. Gespräch unter Ludwigsburger Fachakteuren Irmfriede Pilz-Buob (Hebamme), Dr. med. Thomas Rummel (Frauenarzt) und Dr. med. Thomas Kauth (Kinder- und Jugendarzt) haben als Vertreter ihrer Berufsgruppen mit viel Engagement das peb-Projekt „9+12 Gemeinsam gesund“ in Ludwigsburg voran getrieben und in die Praxis umgesetzt. Frau Pilz-Buob, Sie als Hebamme sind ja ment der drei Fachgruppen wäre ein er- sehr nah dran an den jungen Müttern. Wo folgreiches Projekt, das auch in Zukunft an sehen Sie die Besonderheit des Projekts? Bedeutung gewinnt, nicht möglich. Irmfriede Pilz-Buob Pilz-Buob: Das Hauptelement des Projekts Kauth: Das sehe ich auch so. Das Problem ist die persönliche Ansprache der Eltern. der ambulanten Versorgung ist, dass die Die ist extrem wichtig, denn so hat man drei Fachgruppen der Frauenärzte, Heb- die Möglichkeit, individuell und gezielt ammen sowie Kinder- und Jugendärzte auf die persönlichen Bedürfnisse und die zwar mit den gleichen Familien arbeiten, jeweilige Lebenssituation einzugehen. es aber bisher in der Regel keine etablierte Wir konnten so im persönlichen Gespräch Kooperation im Sinne eines gegenseitigen Ernährungsabläufe miteinander durch Austauschs zum einzelnen Patienten gibt. gehen oder gemeinsam überlegen, welche Durch die gemeinsamen Fortbildungen Form der Bewegung passend wäre. Dabei und Verwendung der gleichen Materialien hat sich auch die Adressenliste mit Kurs- ist die Übereinstimmung der Botschaften angeboten als enorm praktisch erwiesen, deutlich größer als früher. In diesem Fall mit der wir den jungen Müttern gezielt hat „9+12“ wirklich Pionierarbeit ge Dr. med. Thomas Rummel Angebote in ihrem Umkreis empfehlen leistet, die Kooperation zwischen den konnten. Fachgruppen zu verbessern. Das Projekt „9+12“ zielt insbesondere War es schwierig, die Eltern für die Teil darauf ab, die Vermittlung von einheit nahme an dem Projekt zu gewinnen? Wie lichen Botschaften sicherzustellen. Welche haben Sie es geschafft, in so hohem Maße Lücke hat das Projekt damit geschlossen auch sozial benachteiligte Familien zu und wie ist es gelungen, den werdenden erreichen? Müttern konsistente Botschaften an die Hand zu geben? Kauth: Frauen- und Kinderärzte stehen im Rahmen der Vorsorge in einem sehr Rummel: Die Grundlage von „9+12“ war engen Kontakt zu den Familien. Die es ja, die wissenschaftlichen Erkenntnisse ärztlichen Empfehlungen zur Gesund- Dr. med. Thomas Kauth zu den Themen Ernährung und Bewegung heit haben für die meisten Eltern hohes auf den Prüfstand zu bringen und zu Gewicht und werden auch angenommen. bündeln. Es ist unglaublich wichtig, den Daher war es eigentlich nicht schwierig, Müttern widerspruchsfreie Botschaften zu die Eltern davon zu überzeugen, an „9+12“ vermitteln, die sie motivieren und sensi- teilzunehmen. Auch bei den Familien, die bilisieren, ihre persönlichen Einstellun- sozial schwächer gestellt sind, war die gen zu Ernährung und Bewegung in der Zustimmung groß. Schwangerschaft zu überdenken und zu ändern. Ohne das gemeinsame Engage- 16
Warum ist gerade die Schwangerschaft die bedeutet, der nicht vergütet beste Phase für Präventionsmaßnahmen? werden konnte. Aber für die Nachhaltigkeit des Modell- Rummel: Der Schutz des ungeborenen Kin- projekts war die Evaluation des des ist für Arzt und Eltern oberstes Gebot Projekts ungemein wichtig. Ohne und bedarf einer ständigen Begleitung eine ausführliche Evaluation wäre und Beratung. Deshalb sollte alles getan das Projekt weder für Krankenkassen werden, um dem Kind einen gesunden relevant noch für gesundheitspolitische Start ins Leben zu ermöglichen. Eine unaus- Entscheidungen tauglich. gewogene Ernährung oder der Genuss von Alkohol oder Nikotin kann im Verlauf der Was wünschen Sie sich für das Roll-Out des Schwangerschaft schwere gesundheitliche Projekts „9+12“, wo kann die Reise Schädigungen (wie z.B. Hirnschädigung hingehen? oder Alkoholembryopathie) hervorrufen. Pilz-Buob: Der Ansatz, die einzelnen Berufs- Übergewichtige Schwangere leiden z.B. gruppen stärker miteinander zu verbinden, häufiger unter einem Gestationsdiabetes sollte unbedingt weitergeführt werden. Für oder Bluthochdruck als normalgewichtige die Zukunft könnte ich mir gut vorstellen, Frauen. Das ist nicht nur ein Risiko für die dass man noch mehr neue Technologien Zeit der Schwangerschaft, sondern kann miteinbezieht wie Bewegungs- oder Ernäh- auch schwerwiegende (Spät-) Folgen für rungs-Apps für junge Eltern, z.B. eine App, Mutter und Kind haben. Durch gezielte die Müttern Übungen für die Rückbildung und sinnvolle Präventionsmaßnahmen im zeigt. Insbesondere bildungsferne Familien Bereich Ernährung und Bewegung können könnten so sicherlich gut erreicht werden. viele Risiken minimiert und ein gesunder Lebensstil von Anfang an gefördert werden. Kauth: „9+12“ hat sehr viel Potenzial. Wir hatten bereits Gespräche mit der Kassen- Pilz-Buob: Wir sehen in unserer Arbeit ärztlichen Vereinigung, die in den persön immer wieder, dass in der Schwangerschaft lichen und individuellen Beratungen großes und der Stillzeit das emotionale Fenster Potenzial für die Prävention sieht. In dem zum Thema Gesundheit sehr weit offen ist Moment, in dem diese Beratungen auch und die Eltern empfänglich sind für Infor- vergütet werden wie andere kassenärzt- mationen. Natürlich wollen alle Eltern das liche Leistungen, wird „9+12“ ein großer Beste für ihr Kind und ihren Beitrag leisten, Erfolg und kann auch flächendeckend ein- dass das Kind gut durch die Schwanger- gesetzt werden. Nur so lange die Vergütung schaft und gesund zur Welt kommt. für die Ärzte und Hebammen nicht geregelt ist, wird dies nur den besonders Engagier- Was waren aus Ihrer Sicht die größten ten vorbehalten bleiben. Aber wir wollen ja Hürden und Herausforderungen, die das für solche Präventionsmaßnahmen alle im Projekt zu bestehen hatte? Boot haben – sonst ist es ja keine richtige Prävention! Kauth: Die größte Hürde für die Fach akteure war sicherlich die Evaluation. Das Gespräch führte Wiebke Kottenkamp. Die Fragebögen haben für die Ärzte und Hebammen einen enormen Zeitaufwand 17
6. Wissenschaftlicher Hintergrund der werdenden Mutter als bedeut- valenz an Gestationsdiabetes auf. same Determinante der prä- und Darüber hinaus kann eine geringere postnatalen Entwicklung des Kindes. Inzidenz von Adipositas und Diabe- tes mellitus Typ 2 bei Mutter und Die „Weichen“ für ein gesundes Kind festgestellt werden, wenn sich Leben werden somit in der Schwan- die Mutter in der Schwangerschaft gerschaft und im ersten Lebensjahr viel bewegt (Korsten-Reck 2010). gestellt. Nach aktuellem wissen- schaftlichen Erkenntnisstand bieten Ein Lebensstil der durch fortdau- eine ausgewogene Ernährung ernde Überernährung und Bewe- Cornelia Wäscher, und ausreichende Bewegung der gungsmangel geprägt ist, betrifft Master of Public Health, „9+12“- Projektkoordinatorin Mutter beste Voraussetzungen für einen hohen Anteil der Bevölkerung einen optimalen Start ins Leben in den industrialisierten Gesell- Metabolische Programmierung (Koletzko et al. 2010, Korsten-Reck schaften und ist die Hauptursache Das Ernährungs- und Bewegungs- 2010). Die medizinische Betreuung für die Ausbildung des metabo- verhalten während der Schwanger- der (werdenden) Eltern und des lischen Syndroms (Joost 2010). schaft und im Säuglingsalter hat heranwachsenden Kindes während Damit wirkt „9+12“, neben dem Ziel einen dauerhaften und prägenden dieser Lebensphase ist in unserem der Prävention für Übergewicht und Einfluss auf die spätere (Über-) Gesundheitssystem fest verankert. Adipositas, ebenso der Entwick- Gewichtsentwicklung sowie auf Allerdings dienen die dafür genutz- lung des metabolischen Syndroms das Risiko assoziierter Erkrankun- ten Vorsorgeuntersuchungen bisher entgegen. gen wie Diabetes mellitus Typ 2 ausschließlich der Krankheitsfrüh- und kardiovaskuläre Erkrankungen erkennung. Elemente der Überge- Broschüren alleine helfen jun- (Brands et al. 2012, Harder et al. wichtsprävention werden kaum be- gen Familien nicht, ihren Lebensstil 2010, Koletzko et al. 2010, Korsten- rücksichtigt. Genau an dieser Stelle zu verändern. Der persönliche und Reck 2010). Bereits im Mutterleib setzt das Modellprojekt „9+12“ an. möglichst konkrete Expertenrat wirken metabolische Faktoren auf Zunehmend leiden bereits Kinder (Gynäkologe, Hebamme sowie den Fetus, die den Organismus und Jugendliche unter Übergewicht Kinder- und Jugendarzt) ist von somit langfristig beeinflussen und Adipositas (Lobstein 2004). entscheidender Bedeutung (Köhler (Schellong et al. 2009). Die Entwick- Laut bundesweitem Kinder- und 2006). lung des Kindes wird neben geneti- Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) schen Faktoren auch durch externe des Robert Koch Instituts sind 15 % Die Evaluation der Bundeszentrale Einflüsse wie mütterliche Ernäh- der jungen Menschen im Alter für gesundheitliche Aufklärung rung, Hormone und Neurotransmit- von 3–17 Jahren in Deutschland (BZgA) von Kinospots zur Tabakprä- ter bestimmt. Das Geburtsgewicht übergewichtig (Kurth et. al 2007 vention zeigen die Wirksamkeit und des Kindes wird unter anderem und 2010). besondere emotionale Ansprache, durch das Ernährungs- und Bewe- die sich durch Bewegtbilder in der gungsverhalten sowie durch den Die Kernelemente von „9+12“ ba- gesundheitlichen Prävention errei- Body-Mass-Index (BMI) der Mutter sieren auf aktuellen wissenschaft- chen lassen (BZgA 2007). beeinflusst. Sowohl ein hohes als lichen Erkenntnissen und Daten, die auch ein niedriges Geburtsgewicht im Folgenden zusammenfassend BMI: Body-Mass-Index (BMI=Körpergewicht/ können das Risiko für späteres dargestellt werden: Körperlänge²) Übergewicht erhöhen (Brands et al. Prävalenz: Krankheitshäufigkeit 2012, Harder et al. 2011). Demzu- Frauen mit hoher körperlicher Inzidenz beschreibt die Anzahl der folge gilt das Gesundheitsverhalten Aktivität weisen die geringste Prä- Neuerkrankungen. 18
7. Ernährung in der Schwangerschaft Für die Gesundheit von Mutter und Kind Der Flüssigkeitsbedarf steigt in der ist eine ausgewogene und abwechslungs- Schwangerschaft proportional zum reiche Ernährung von großer Bedeutung. Energiebedarf nur leicht an – um etwa Grundsätzlich sollten sich Schwangere 300 ml pro Tag in den letzten Schwanger- an den auch sonst gültigen Empfehlun- schaftsmonaten und sollte möglichst über gen für eine ausgewogene und gesunde kalorienfreie bzw. kalorienarme Getränke Ernährung orientieren (vgl. „10 Regeln der gedeckt werden. DGE“ oder aid-Ernährungspyramide). Auf den Speiseplan gehören neben Obst und Sparsam sollten Fette mit einem hohen Gemüse auch Vollkornprodukte, fettarme Anteil gesättigter Fettsäuren sowie Milch(-produkte), fettarmes Fleisch und Süßigkeiten und Snackprodukte verzehrt Maria Flothkötter, Diplom-Oecotrophologin beim fettreicher Meeresfisch. Um gefährliche werden. aid Infodienst e.V., Projekt- Lebensmittelinfektionen zu vermeiden, leitung „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ sollten tierische Produkte ausschließlich in Eine übermäßige Koffeinaufnahme ausreichend erhitzter Form verzehrt wer- während der Schwangerschaft kann die den. Darüber hinaus werden regelmäßige Gesundheit des Ungeborenen nachteilig Mahlzeiten empfohlen, um das Wohlbe- beeinflussen. Sie wird mit spontanen finden der werdenden Mutter zu erhöhen. Frühgeburten, einer verkürzten Schwan- gerschaftsdauer und niedrigerem Ge- Ein oft überschätzter Faktor ist der burtsgewicht in Verbindung gebracht. Kalorienmehrbedarf während der Koffeinhaltige Getränke sollten daher Schwangerschaft. Tatsächlich erhöht sich während der Schwangerschaft insgesamt der Kalorienbedarf erst zum Ende der nur in moderaten Mengen (< 300 mg Schwangerschaft um lediglich 10 Prozent. Koffein/Tag bzw. < 5–6 mg Koffein/kg Kör- Das sind umgerechnet etwa 250 kcal pro pergewicht, d. h. bis zu drei Tassen Kaffee Tag mehr. Hingegen benötigt der Kör- täglich) aufgenommen werden. „Ernährung in der Schwanger- schaft“, Handlungsempfeh- per der Schwangeren mit der rasanten lungen des Netzwerks „Gesund Entwicklung des Kindes im Uterus von Alkohol ist fruchtschädigend und kann die ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ (2012) Anfang an eine erhöhte Zufuhr von Mikro- Entwicklung des Ungeborenen negativ nährstoffen. Dieser Mehrbedarf kann mit beeinflussen. Als Symptome können einer abwechslungsreichen und gesunden Wachstumsstörungen, Fehlbildungen Ernährung gedeckt werden. Lediglich zur Deckung des Bedarfs an Folat/Folsäure und Jod ist stets eine Supplementierung nötig: 400 μg Folsäure mindestens 4 Wo- chen vor der Konzeption und mindestens bis zum Ende des ersten Trimenons, 100 (–150) μg Jod/d für die gesamte Schwan- gerschaft und Stillzeit. 19
und/oder Störungen des zentralen Nerven zu verzichten. Rauchen in der Schwanger- systems auftreten, die sich langfristig in schaft führt u. a. zu einem erhöhten Risiko Verhaltensstörungen und intellektuellen für Fehlbildungen, Früh- und Totgeburten, Beeinträchtigungen äußern. Aufgrund Plazentaablösungen sowie zu geringerem des vorsorglichen Gesundheitsschutzes Geburtsgewicht und sollte daher unbe- wird daher empfohlen, auf Alkoholgenuss dingt vermieden werden. während der Schwangerschaft komplett Ausgewogene Ernährung in der Schwangerschaft – Beispiel für eine empfehlenswerte Lebensmittelauswahl REICHLICH Getränke: zu jeder Mahlzeit 1 bis 2 Gläser/Tassen Portionsgrößen: auch zwischendurch trinken Handmaß für möglichst kalorienfreie oder -arme Getränke (Wasser, ungesüßte kleinteiliges Kräuter- und Früchtetees, stark verdünnte Fruchtsäfte) trinken Gemüse, Obst und für Salat Gemüse und Obst: Handmaß für pro Tag 5 Portionen großstückiges Gemüse und Obst Getreideprodukte und Kartoffeln: 1 Becher Joghurt zu jeder Hauptmahlzeit Getreideprodukte, bevorzugt als Vollkorn, oder fettarm zubereitete Kartoffeln 1 Glas Milch MÄSSIG Milch und Milchprodukte: 1 Scheibe Käse pro Tag mindestens 3 Portionen fettarme Milch(-produkte) bevorzugen Fleisch und Fisch: Handmaß für pro Woche 3 bis 4 Portionen mageres Fleisch oder magere Wurst/ Fisch Fleischerzeugnisse pro Woche 2 Portionen Fisch (vor allem Meeresfisch, mindestens Handmaß für 1 x davon fettreicher Fisch, z. B. Hering, Makrele, Lachs) Süßigkeiten SPARSAM Öle und Fette: bevorzugt Pflanzenöle verwenden: pro Tag mindestens 2 Esslöffel Pflanzenöl (zur Zubereitung von Speisen) pro Tag maximal 1 bis 2 Esslöffel „feste“ Fette (als Streichfett für Brot oder zur Zubereitung von Speisen) Süßigkeiten und Snackprodukte: nur gelegentlich, pro Tag maximal 1 kleine Portion Abbildung 8: Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung in der Schwangerschaft, aid infodienst e.V., Gesund ins Leben 20
8. Bewegung in der Schwangerschaft Prä- und postnatale Bewegung der fähigkeit. Dies sind Faktoren, die sich (werdenden) Mutter positiv auf den Geburtsvorgang auswirken Körperliche Aktivität in der Schwanger- und das Risiko für Geburtskomplikationen schaft wirkt sich sowohl in psychosozialer senken können. als auch in physiologischer Hinsicht posi- tiv auf Wohlbefinden und Gesundheit von Die subjektive Körperwahrnehmung sollte Mutter und Kind aus. Besonders geeignet Beachtung finden: Durch körperliche sind folgende Sportarten: Aktivität ausgelöste Uteruskontraktionen oder Bauchspannungen sind wichtige Zeichen und sollten als Grenze der Be Radfahren in der Ebene lastung verstanden werden. Das subjek Prof. Dr. med. Ulrike Korsten-Reck, (keine Gewichtsbelastung tive Gefühl der Schwangeren ist somit von Medizinische Universitätsklinik Freiburg durch Bergauffahren) entscheidender Wichtigkeit und entlastet Schwimmen, Wassergymnastik, aus juristischen Gründen alle anderen Wasserfitness Beteiligten. Moderates Wandern, Walking, Die Trainingsintensität sollte im aeroben Nordic Walking, Gymnastik, Bereich liegen. Als eine einfache Methode, Jogging um eine Überanstrengung zu vermeiden, Sportliche Aktivität in der Höhe gilt der sogenannte „Talk Test“, bei dem (diese sollte höhenangepasst eine normale Unterhaltung während der sein) Belastung möglich ist. Alternativ kann Dynamisches Krafttraining auch die Borg Skala verwendet werden, an Geräten (keine freien bei der das Belastungsempfinden zwi- Gewichte!) schen 12 und 14 liegen sollte. Für untrai- nierte oder übergewichtige Frauen ist dies zu empfehlen. Positiv hervorzuheben ist, dass sportlich aktive Frauen seltener von emotionalen Der optimale Bewegungsgrad richtet sich Stimmungsschwankungen und post jedoch nach individueller Konstitution partalen Depressionen (Wochenbett- vor und während der Schwangerschaft. Depressionen) betroffen sind (Korsten- Zu welchem Zeitpunkt eine Frau das volle Reck et al. 2009, Vega et al. 2011). Training wieder aufnehmen kann, hängt vom individuellen Fitnesszustand ab und Ausreichende Bewegung beeinflusst davon, ob die Frau ihr Kind stillt oder außerdem den Fettstoffwechsel positiv, nicht stillt. Im Allgemeinen kann mit dem senkt das Risiko für Gestationsdiabetes Training (z.B. moderates Wandern, Wal- (Korsten-Reck 2010), wirkt einer starken king, Radfahren in der Ebene etc.) etwa 4 Gewichtszunahme während der Schwan- Wochen nach der Geburt wieder begon- gerschaft entgegen und erleichtert die nen werden. Im Vordergrund der ersten 6 Gewichtsnormalisierung nach der Geburt Monate nach der Entbindung steht jedoch (Haakstad et al. 2007). Darüber hinaus ein gezieltes Beckenbodentraining bzw. verbessern regelmäßige sportliche Akti- Rückbildungsgymnastik (Korsten-Reck vitäten die eigene Körperwahrnehmung 2011, www.dgsp.de/Ständige Kommission und erhöhen die körperliche Leistungs- Frauensport). 21
9. Mütterliche Ernährung in der Stillzeit und Säuglingsernährung Stillzeit Brust- und Eierstockkrebs (Koletzko et al. Stillen ist mit vermindertem Risiko für 2010). Zur Bildung von 100 ml Mutter- Übergewicht und Adipositas im späteren milch verbraucht der Körper der Mutter Lebensalter verbunden. Auch aus vielen etwa 70 – 80 kcal. Der größte Teil des um anderen Gründen ist Stillen die erste insgesamt 500 – 600 kcal pro Tag erhöhten Wahl für die Säuglingsernährung. Säug- Energiebedarfs für Vollstillen wird durch linge sollten im ersten Lebensjahr gestillt Abbau von in der Schwangerschaft an- werden, mindestens bis zum Beginn des gelegten Fettdepots gedeckt. Stillen hilft 5. Monats ausschließlich. Das gilt auch Frauen also, nach der Schwangerschaft für Kinder mit erhöhtem Allergierisiko wieder ihr Ausgangsgewicht zu erreichen. Prof. Dr. med. Berthold Koletzko, (bei Allergien in der Familie). Die Mutter- Eine strenge Reduktionsdiät in der Stillzeit Dr. von Haunersches Kinder- spital, Ludwig-Maximilians- milch deckt den Bedarf an Flüssigkeit und wird nicht empfohlen, da durch verstärk- Universität München Nährstoffen des Kindes optimal, ist gut ten Fettabbau freigesetzte fettlösliche verdaulich, hygienisch einwandfrei, gut Schadstoffe in die Muttermilch übergehen temperiert, enthält schützende Abwehr- können. Auch während der Stillzeit sollten stoffe, ist jederzeit und überall verfüg- sich Mütter ausgewogen ernähren. Alle bar und kostengünstig. Darüber hinaus stillenden Frauen sollten mit einem unterstützt Stillen die Bindung zwischen Supplement täglich 100 Mikrogramm Mutter und Kind, fördert die Rückbildung Jodid einnehmen. Bei nicht regelmäßiger der Gebärmutter und senkt das Risiko für Sonnenexposition sollte zusätzlich Vita- min D, und bei seltenem Verzehr von fett- reichen Meeresfischen auch die omega-3 Fettsäure DHA eingenommen werden. Während Schwangerschaft und Stillzeit soll auf Rauchen verzichtet werden, da erhebliche Risiken für die kindliche Gesundheit wie gehäufte Allergien, Übergewicht und der plötzliche Kindstod drohen. 22
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