Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"

Die Seite wird erstellt Ulrich Junker
 
WEITER LESEN
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
Dokumentation zum Projekt „9+12
Gemeinsam gesund in Schwanger-
schaft und erstem Lebensjahr“
Das Leuchtturmprojekt zur Entwicklung und Erforschung
von Kooperationsstrukturen zur Übergewichtsprävention
durch Frauenärzte, Hebammen sowie Kinder- und Jugend-
ärzte im Rahmen der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen
im Landkreis Ludwigsburg.

                               www.in-form.de
                              www.pebonline.de
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
Impressum
    Herausgeber                                    Plattform Ernährung und Bewegung e.V.
    Plattform Ernährung und Bewegung e.V.          (peb)
    Wallstr. 65                                    peb ist ein Zusammenschluss von Ver­
    10179 Berlin                                   tretern aus öffentlicher Hand, Wirtschaft,
    Telefon: 030 27 87 97-67                       Wissenschaft, Sport, Eltern und Ärzten.
    Telefax: 030 27 87 97-69                       Über 100 Mitglieder setzen sich bei peb
    plattform@pebonline.de                         aktiv für eine ausgewogene Ernährung
    www.pebonline.de                               und mehr Bewegung als wesentliche
                                                   Bestandteile eines gesundheitsförder-
    Vertretungsberechtigte:                        lichen Lebensstils bei Kindern und
    Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich               Jugendlichen ein.

    Eintrag Vereinsregister: VR 24014 Nz           www.pebonline.de

    Autoren                                        Das Projekt „9+12 Gemeinsam gesund in
    Maria Flothkötter, Dr. med. Thomas             Schwangerschaft und erstem Lebensjahr“
    Kauth, Prof. Dr. med. Berthold Koletzko,       wird gefördert im Rahmen der Initiative
    Prof. Dr. med. Ulrike Korsten-Reck,            IN FORM durch das Bundesministerium
    Wiebke Kottenkamp, Dr. Andrea Lambeck,         für Ernährung und Landwirtschaft auf-
    Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich,              grund eines Beschlusses des Deutschen
    Cornelia Wäscher                               Bundestages.

    Redaktion: Cornelia Wäscher (V.i.S.d.P.)       www. in-form.de

    Satz & Gestaltung: www.haas-images.de
    1. Auflage Dezember 2014

    Fotos
    Matthias Martin: S. 6, 7, 12, 17, 19,
    22, 23, 30, 35
    BMEL/photothek.net/Thomas Köhler: S.4
    Bundesregierung/Steffen Kugler: S. 4
    Romy Kaa: Titel, S. 8, 11, 31, 33, 34
    Christine Haas, haas|images: S. 13, 32
    Autorenfotos privat: S. 5, 6, 16, 19, 21,
    22, 31

    Abbildungen
    Plattform Ernährung und Bewegung e.V.
    (peb): S. 9, 10, 15, 29
    aid infodienst e.V., Gesund ins Leben: S. 20
    com.X: S. 27, 28

2
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
Inhaltsverzeichnis
1.      Grußwort der Bundesminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

        Grußwort der peb-Vorstandsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 5

2.      Projektbeschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6

              – Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8

              – Fokus Risikogruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8

              – Planung und Ablauf des Projekts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8

              – „9+12“-Materialien und -Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 9

              – Beratungsprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 11

3.      Der „9+12“-Expertenbeirat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14

4.      Die Modellregion Ludwigsburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15

5.      Gespräch unter Ludwigsburger Fachakteuren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

6.      Wissenschaftlicher Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18

7.      Ernährung in der Schwangerschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 19

8.      Bewegung in der Schwangerschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21

9.      Mütterliche Ernährung in der Stillzeit und Säuglingsernährung. . . . . Seite 22

10. Bewegung von Mutter und Kind im ersten Lebensjahr. . . . . . . . . . . . . . Seite 24

11. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 25

12. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 27

13. Ausblick und Vision. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 31

14. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 33

15. Weiterführende Informationen und Links. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 34

                                                                                                                                       3
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
1. Grußwort der Bundesminister
                                                                           Liebe Leserinnen und Leser,                  Ernährung und Bewegung e.V. (peb) hat
                                                                                                                        sich zum Ziel gesetzt, Gynäkologen, Heb-
    BMEL / photothek.net / Thomas Köhler

                                                                           ob Junge oder Mädchen, die meisten wer-      ammen sowie Kinder- und Jugendärzte in
                                                                           denden Eltern wünschen sich vor allem        den Bereichen Ernährung und Bewegung
                                                                           eines: Gesundheit – und die für Eltern       im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen
                                                                           und Kind. Der Grundstein für ein späteres    zu unterstützen. Dazu wurden auch die
                                                                           gesundes Leben wird bereits während der      Handlungsempfehlungen und Materialien
                                                                           Schwangerschaft und im ersten Lebens-        des IN FORM Projektes „Gesund ins Leben –
                                                                           jahr gelegt. Zahlreiche wissenschaftliche    Netzwerk Junge Familie“ eingesetzt.
                                                                           Ergebnisse belegen: Eine ausgewogene
                                           Christian Schmidt,              Ernährung und ausreichend Bewegung           Durch die gelungene Zusammenarbeit
                                           Bundesminister für Ernährung
                                           und Landwirtschaft              sind nicht nur für Wohlbefinden und          und Vernetzung der Beteiligten konnten
                                                                           Gesundheit der Mutter wichtig, sondern       Eltern in der Pilotregion Ludwigsburg von
                                                                           verhelfen auch dem Kind zu einem opti-       der Feststellung der Schwangerschaft an
                                                                           malen Start ins Leben.                       bis zum Ende des ersten Lebensjahres des
                                                                                                                        Kindes umfassend beraten und unter-
    © Bundesregierung / Steffen Kugler

                                                                           Gynäkologinnen und Gynäkologen,              stützt werden. Die Broschüre gibt Ihnen
                                                                           Hebammen sowie Kinder- und Jugend-           einen Überblick über die Hintergründe,
                                                                           ärztinnen und -ärzte sind eine wichtige      Ziele und Ergebnisse von „9+12“.
                                                                           Begleitung für werdende und junge
                                                                           Eltern. Die medizinische Betreuung, die      Wir danken allen Beteiligten für ihre Mit-
                                                                           wir im Gesundheitssystem im Rahmen           arbeit und Unterstützung des Projektes
                                                                           der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen      und wünschen weiterhin viel Erfolg!
                                           Hermann Gröhe,                  anbieten, hat sich bewährt. Allerdings
                                           Bundesminister für Gesundheit
                                                                           finden vorbeugende Aspekte rund um die       Ihr Christian Schmidt MdB
                                                                           Themen Ernährung und Bewegung noch           Bundesminister für Ernährung und
                                                                           zu wenig Beachtung. Angesichts der gro-      Landwirtschaft
                                                                           ßen Zahl übergewichtiger Kinder und den
                                                                           damit verbundenen nachteiligen Folgen        Ihr Hermann Gröhe MdB
                                                                           für den Einzelnen und die Gesellschaft ist   Bundesminister für Gesundheit
                                                                           die frühzeitige Vermittlung eines gesun-
                                                                           den Lebensstils von zentraler Bedeutung
                                                                           für die Zukunft. Gerade in der Zeit um die
                                                                           Geburt sind junge Eltern offen für einen
                                                                           gesunden Lebensstil, so dass sich mit
                                                                           hilfreichen Informationen und alltags­
                                                                           naher Unterstützung nachhaltige Erfolge
                                                                           erzielen lassen.

                                                                           Das im Rahmen des Nationalen Aktions-
                                                                           plans IN FORM - Deutschlands Initiative
                                                                           für gesunde Ernährung und mehr
                                                                           Bewegung geförderte Projekt „9+12 Ge-
                                                                           meinsam gesund in Schwangerschaft und
                                                                           erstem Lebensjahr“ der Plattform

4
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
Grußwort der
peb-Vorstandsvorsitzenden
Gesund von Anfang an! Danach handeln           von Frauenärzten, Hebammen sowie
Hebammen sowie Kinder- und Jugendärz-          Kinder- und Jugendärzten in Ludwigs-
te schon immer. Die wissenschaftlichen         burg aus, die gemeinsam etwas für den
Erkenntnisse zur perinatalen Prägung           gesunden Lebensstil der Ludwigsburger
aus den letzten Jahren zeigen jedoch,          Kinder tun wollten. Genau so sind nach-
dass nicht nur die ersten Lebensmonate,        haltig wirkende Veränderungen möglich:
sondern bereits die Zeit im Mutterleib         gemeinsam mit den Verantwortlichen vor
prägend für die gesunde Entwicklung            Ort Probleme identifizieren und Lösungen
eines Menschen ist. Und diese Prägung ist      entwickeln!
nicht genetisch festgelegt, sondern lässt
sich durch den Lebensstil der Mutter (und      Unser Wissen und Inhalte aus „9+12           Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich,
                                                                                            peb-Vorstandsvorsitzende
im ersten Lebensjahr durch beide Eltern        ­Gemeinsam gesund in Schwangerschaft
und das soziale Umfeld) positiv beein-          und erstem Lebensjahr“ teilen wir ger-
flussen. Bewegt sich die Mutter während         ne mit anderen Akteuren und Regionen
der Schwangerschaft ausreichend und er-         deutschlandweit. Viel zu oft wird das
nährt sie sich ausgewogen, hat sie schon        Rad neu erfunden, ohne auf vorliegende
viel Gutes für die gesunde Entwicklung          Erfahrungen aufzubauen. Die Plattform
ihres Kindes getan. Das Gleiche gilt für die    Ernährung und Bewegung wird sich für
Ernährungs- und Bewegungserziehung              eine Verbreitung von „9+12“ einsetzen
des Kindes in den ersten Lebensmonaten,         und versuchen, diese erfolgreiche Initia-
hier werden Grundlagen für die gesund-          tive auch in anderen Teilen Deutschlands
heitliche Entwicklung gelegt, die lebens-       bekannt und nutzbar zu machen.
lang Einfluss haben.
                                               Ihre
Diesem Zusammenhang und der Beob-              Ulrike Ungerer-Röhrich
achtung, dass junge Eltern in der Phase        peb-Vorstandsvorsitzende
der Schwangerschaft und in den ersten
Lebensmonaten ihres Kindes besonders
offen für Lebensstilveränderungen sind ­–
und dabei Frauenärzten, Hebammen
sowie Kinder- und Jugendärzten in beson-
derer Weise vertrauen – wird das Projekt
„9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-
schaft und erstem Lebensjahr“ gerecht.

„9+12“ steht exemplarisch für die Ar-
beitsweise der Plattform Ernährung und
Bewegung e.V. (peb). peb baut seine Maß-
nahmen der Gesundheitsförderung und
Übergewichtsprävention sorgfältig auf
wissenschaftlichen Erkenntnissen auf und
nutzt bestehende und verlässliche Struk-
turen – hier die Vorsorgeunter­suchungen
in Schwangerschaft und erstem Lebens-
jahr. Die Initiative für dieses Projekt ging

                                                                                                                                5
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
2. Projektbeschreibung
                                              Mit dem Projekt „9+12 Gemein-                         Themen und Verhaltensänderungen sind.
                                              sam gesund in Schwangerschaft                         Daher setzt „9+12“ bereits mit Feststel-
                                              und erstem Lebensjahr“ erwei-                         lung einer Schwangerschaft bis zum Ende
                                              tert die Plattform Ernährung                          des ersten Lebensjahres eines Kindes an.
                                              und Bewegung e.V. (peb) die zur
                                             Krankheitsfrüherkennung vorge-                         Das Projekt zielt darauf ab, kindliches
                                           sehenen Vorsorgeuntersuchungen                           Übergewicht und Adipositas bei Mutter
                                          während der Schwangerschaft und                           und Kind zu reduzieren bzw. zu vermei-
                                        des ersten Lebensjahres um präventive                       den. Die Ursachen von Übergewicht und
                                     Elemente. Werdende und junge Eltern                            Adipositas sind komplex und werden
                                     werden vom Zeitpunkt der Feststellung                          sowohl durch genetische Veranlagung als
                                     der Schwangerschaft bis zum Ende des                           auch durch das äußere Umfeld begün­
                                     ersten Lebensjahres bei der Umsetzung                          stigt. Eine Intervention, die ausschließlich
                                     eines gesunden Lebensstils für sich und                        auf der Ebene der Verhaltensänderung
                                     das Kind unterstützt. Ziel ist es, den                         ansetzt, kann deshalb kaum eine nach-
                                     Nutzen dieser Maßnahme mit einer                               haltige Wirkung haben. Ein gesundheits-
                                     einschlägigen externen Evaluation und                          förderliches Verhalten kann nur dann
                                     Quantifizierung zu prüfen. Die daraus                          aufrechterhalten werden, wenn die Ver-
                                     gewonnenen Erkenntnisse sollen als Basis                       hältnisse dieses unterstützen. Aus diesem
                                     für eine generelle Implementierung von                         Grund verfolgt „9+12“ sowohl verhaltens-
                                     Präventionsmaßnahmen in das bestehen-                          auch als verhältnispräventive Ansätze:
                                     de Vorsorgesystem bzw. Krankheitsfrüher-
                                     kennungssystem deutschlandweit dienen.                         1. Verhaltenspräventiver Ansatz:
     Cornelia Wäscher,               Dabei stehen in der Modellregion im                            Die Förderung des Gesundheitsbewusst-
     Master of Public Health,
     „9+12“- Projektkoordinatorin    Landkreis Ludwigsburg sowohl eine nach-                        seins und -verhaltens junger Eltern gilt
                                     haltige Veränderung des Ernährungs- und                        als ein sehr gut geeigneter und bisher
                                     Bewegungsverhaltens der (werdenden)                            wenig erprobter Ansatz der kindlichen
                                     Familien, als auch die Entwicklung und Er-                     Übergewichtsprävention. Durch standar-
                                     forschung von Kooperationsstrukturen zur                       disierte Beratungen von medizinischen
    Verhaltensprävention
    verfolgt das Ziel, Krankheits-   Adipositasprävention durch Frauenärzte,                        Akteuren (Frauenärzte, Hebammen sowie
    risiken durch die Beein-         Hebammen sowie Kinder- und Jugend­                             Kinder- und Jugendärzte) sollen werdende
    flussung des individuellen       ärzte1 im Fokus.                                               und junge Familien frühzeitig für einen
    menschlichen Verhaltens                                                                         gesunden Lebensstil mit ausgewogener
    abzubauen.
                                     Das Ziel, möglichst früh im Leben mit                          Ernährung und viel (Alltags-) Bewegung
                                     gesundheitsförderlichen und präventiven                        motiviert werden. Hierfür werden die
                                     Strategien anzusetzen und dadurch die                          Vorsorgeuntersuchungen in der Schwan-
                                     Entstehung von Übergewicht und Adi-                            gerschaft und im ersten Lebensjahr durch
                                     positas zu vermeiden, ist unter Experten                       präventive Elemente ergänzt.
                                     Konsens. Die Schwangerschaft gilt als eine
                                     besonders sensible Phase, in der Personen                      Die Schaffung einer verbesserten Bera-
                                     offen und motiviert für gesundheitliche                        tung durch konsistente und widerspruchs-

                                     1
                                       Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden die Kurzform „9+12“ verwendet. Ebenfalls zur Verbesserung der Lesbarkeit wurde
                                     darauf verzichtet, durchgehend die weibliche und männliche Geschlechtsform zu verwenden. Es gilt, dass beide Formen das
                                     jeweils andere Geschlecht einschließen, ohne dieses immer explizit zu nennen.

6
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
freie Informationen, vermittelt durch        Versorgungsstruktur für die jungen Fa-
Frauenärzte, Hebammen sowie Kinder-          milien im Landkreis Ludwigsburg bereit-
und Jugendärzte, sowohl im persönlichen      zustellen und die medizinischen Akteure
Beratungsgespräch als auch durch die         in einen aktiven Austausch zu bringen.
Weitergabe von Informationsmaterialien       So wird die Konsistenz der vermittelten
unterstützt die Familien gleichermaßen       Informationen gefördert – die vor Projekt-
bei der Umsetzung eines gesunden             start sowohl in Ernährungs- als auch in
Alltags. Eine Sammlung bestehender           Bewegungsfragen keineswegs einheitlich
gesundheitsfördernder Angebote vor Ort       waren – und zugleich eine ­verbesserte
ergänzt diese Beratungen und erleichtert     Betreuung der Patienten sowie ein
die unmittelbare Umsetzung des ange-         gemeinschaftliches Engagement gegen
strebten Verhaltens.                         kindliches Übergewicht gewährleistet.

2. Verhältnispräventiver Ansatz:             Zusätzlich zu der Vernetzung der medizi-     Mittels Verhältnis-
Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist   nischen Akteure baut „9+12“ auf bereits      prävention sollen Gesund-
zudem die Vernetzung der beteiligten Be-     bestehende Aktivitäten auf, bündelt und      heitsrisiken durch die
                                                                                          Gestaltung der Lebens-,
rufsgruppen, durch die eine Verbesserung     ergänzt diese sinnvoll. So wird die Ver­
                                                                                          Arbeits- und Umwelt­
der Verhältnisse angestrebt wird. „9+12“     netzung der Berufsgruppen gefördert und      bedingungen gemindert
setzt hierbei an wichtigen Stellschrauben    die Nutzung existierender Angebote spe-      werden.
vor Ort an und fördert den Austausch und     ziell für die Zielgruppe der Schwangeren
die Kooperationsstrukturen unterschiedli-    (Sportvereine, Ernährungsberatung etc.)
cher Beteiligter. Als besonders bedeutsam    verbessert. Zusammengefasst hat „9+12“
zeigen sich hierbei die medizinischen
Akteure vor Ort. Das Projekt zielt
darauf ab, eine bessere

                                                                                                                      7
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
in der Region Ludwigsburg (Sport­
                                                                                   vereine, Ernährungsberatung etc.)

                                                                                   Sekundärzielgruppe:
                                                                              Frauenärzte, Hebammen, Kinder- und
                                                                              Jugendärzte im Landkreis Ludwigsburg

                                                                              Fokus Risikogruppen
                                                                              Wie der Versorgungsbericht der Kassen-
                                                            somit zum Ziel,   ärztlichen Vereinigung Baden-Württem-
                                                       eine Verhaltens-       berg (KV 2009) zeigt, nehmen nahezu
                                                veränderung in Richtung       alle Schwangeren in Baden-Württemberg
                                   eines gesundheitsförderlichen Verhal-      an dem Mutterschaftsvorsorgesystem
                                tens in jungen Familien zu initiieren und     beim Frauenarzt teil. Zwischen 90 und
                                aufrechtzuerhalten sowie die Koopera-         100 Prozent der jungen Eltern beanspru-
                                tionsstrukturen beteiligter Akteure im        chen im wei­teren Verlauf die Vorsorge­
                                Landkreis Ludwigsburg zu optimieren.          untersuchungen im Säuglingsalter beim
                                Dabei werden neue Erkenntnisse bzgl.          Kinder- und Jugendarzt (U-Untersuchun-
                                der Effekte der verschiedenen Interven-       gen). Damit unterscheidet sich „9+12“
                                tionen auf die Übergewichtsprävention         grundsätzlich von anderen Präventions-
                                gewonnen.                                     maßnahmen, die vorrangig die Mittel-
                                                                              schicht erreichen und die für die Überge-
                                Zielgruppen                                   wichtsprävention besonders relevanten
                                Das Projekt „9+12“ erreicht mit seinen        Zielgruppen somit verfehlen. Durch die
                                gesundheitsfördernden Maßnahmen wer-          Dokumentation der Beratungen werden
                                dende und junge Familien bevölkerungs-        Risikopatienten aufgrund konkreter me-
                                weit und sieht darüber hinaus bei der         dizinischer Indikatoren oder ihres Verhal-
    Prävention (Krankheits­     Identifikation von verhaltensbedingten        tens identifiziert. Damit wird das Problem
    verhütung) versucht durch
                                Risikofaktoren adäquate Unterstützungen       der stigmatisierenden Wirkung risikogrup-
    vorbeugende Maßnahmen
    einen Krankheitseintritt
                                im Sinne der Prävention vor. Damit un-        penorientierter Präventionsmaßnahmen
    abzuwenden, zu verzögern    terscheidet sich „9+12“ maßgeblich von        vermieden.
    bzw. Krankheitsfolgen       Ansätzen, die auf soziale Risikogruppen
    abzumildern.                fokussieren und damit oft den Neben­          Planung und Ablauf des Projekts
                                effekt der Stigmatisierung haben.             Das Projekt „9+12“ erweitert die ge-
                                                                              setzlich vorgesehenen Vorsorgeunter-
                                Die Zielgruppen von „9+12“ sind               suchungen in der Schwangerschaft und
                                                                              im Säuglingsalter, welche vornehmlich
                                   Primärzielgruppe:                          der Krankheitsfrüherkennung dienen, um
                                Werdende und junge Eltern im Landkreis        präventive Elemente. Frauenärzte, Heb-
                                Ludwigsburg von der Feststellung der          ammen sowie Kinder- und Jugendärzte
                                Schwangerschaft an bis zum ersten Ge-         beraten Schwangere und junge Eltern im
                                burtstag des Kindes                           Rahmen der ärztlichen Vorsorgeunter-
                                  - Identifikation von Personen mit           suchungen systematisch zu den Themen
                                      be­sonderem Unterstützungsbedarf        Ernährung und Bewegung. peb kooperiert
                                      durch Scores (siehe Kapitel 1.1.) und   in dem Projekt eng mit dem aid-Netzwerk
                                      konkrete Empfehlungen entspre-          „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge
                                      chender Maßnahmen wie z.B. die          Familie“, welches in Abstimmung mit füh-
                                      Nutzung von Präventionsangeboten        renden Institutionen, Fachgesellschaften

8
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
Schwangerschaft                                                                                 1. Lebensjahr

    S1               S2                   S3              S4                H1                       H2                  U3                      U4               U                    U6

                                      Frauenarzt                                        Hebamme                                         Kinder- und Jugendarzt

                                                                                                                                                                                      Lebensalter ca. 1 Jahr
                                                                            Kurz vor der Geburt

                                                                                                    Nach der Geburt
                                        28. bis 32. SSW

                                                          37. bis 40. SSW
                    18. bis 22. SSW

                                                                                                                      3. bis 8. Woche

                                                                                                                                                               . bis 6. Monat
                                                                                                                                            3. bis 4. Monat
   8. bis 12. SSW

                                                                                                     Checkliste H2

                                                                                                                      Checkliste U3
                                                                              Checkliste H1

                                                                                                                                            Checkliste U4

                                                                                                                                                                                         Checkliste U6
                                         Checkliste S3

                                                           Checkliste S4
                     Checkliste S2
   Checkliste S1

                                                                                                                                                              Checkliste U
Abbildung 1: Das Projekt „9+12“ nutzt insgesamt zehn Untersuchungszeitpunkte zur präventiven Beratung.

und Verbänden einheitliche Handlungs-                                                       Mütter zu dokumentieren und eine be-
empfehlungen für die Ernährung in der                                                       darfsgerechte und motivierende Beratung
Schwangerschaft und im ersten Lebens-                                                       zu ermöglichen. Die Scores beinhalten
jahr entwickelt hat.                                                                        u.a. Fragen zur Gewichtsentwicklung von
                                                                                            Mutter und Kind, zur Ernährung (Stillen,
Im Projekt werden vier Schwangerschafts-                                                    Milchauswahl, Beikost, Getränke, Mahlzei-
Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt                                                      ten, Lebensmittelauswahl), zur Bewegung
für die präventiven Beratungen genutzt.                                                     (Fitnessgrad, Alltagsaktivität, Intensität,
Die Hebammen sind mit zwei ergänzen-                                                        Dauer), zur erweiterten Prävention (Jodid,
den Interventionszeitpunkten kurz vor                                                       Mikronährstoffe, Nikotin, Alkohol) und
und nach der Entbindung in das Projekt                                                      zu medizinischen Parametern (Blutzucker,
eingebunden. Nach der Geburt folgen die                                                     Blutdruck). Sie wurden in enger Zusam-
Kinder- und Jugendärzte mit vier weiteren                                                   menarbeit mit dem „9+12“-Expertenbei-                                      Abbildung 2: Beispiel einer
                                                                                                                                                                       Präventions-Checkliste (S2)
Interventionszeitpunkten in den ersten                                                      rat entwickelt (siehe Kapitel 3).
zwölf Lebensmonaten (Abb. 1). Ideal­
typisch arbeiten Frauenärzte, Hebammen                                                      Außerdem erhalten die werdenden
sowie Kinder- und Jugendärzte Hand in                                                       Mütter einen Präventionspass, in dem
Hand und begleiten Eltern und Kind auf                                                      Arzt bzw. Hebamme im Rahmen der
dem Weg zu einer gesunden Lebensweise.                                                      gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen die
                                                                                            jeweiligen Präventionsscores nach einem
„9+12“-Materialien und -Medien                                                              persönlichen Beratungsgespräch doku-
Für die Umsetzung in der Praxis hat peb                                                     mentieren (Abb. 3).
für die medizinischen Akteure passge-
naue Instrumente entwickelt: „Präven-                                                       Der im Präventionspass dokumentierte
tionsscores“ (in Form von Präventions-                                                      Score zeigt im Verlauf für die nachfolgen-
Checklisten – siehe Abb. 2) dienen der                                                      den Vorsorgeuntersuchungen, in welchem
konkreten Bedarfsermittlung, um das                                                         Maß die Empfehlungen zu Ernährung und
Gesundheitsverhalten der (werdenden)                                                        Bewegung durch die Patientinnen umge-

                                                                                                                                                                                                               9
Dokumentation zum Projekt "9+12 Gemeinsam gesund in Schwanger-schaft und erstem Lebensjahr"
setzt werden konnten und ob ein zusätz­            Untersuchungszeitpunkt passende
                                       licher Beratungsbedarf besteht.                    Botschaften vermitteln. Die innovativen,
                                                                                          alltagsnahen Filme ergänzen das persön-
                                       Zudem erhalten die (werdenden) Eltern              liche Gespräch und wirken zu Hause nach.
                                       Informationen zu bedarfsgerechten und              Dabei ersetzt das Filmmaterial ausdrück-
                    Präventionspass
                    Ernährung und
                                       konkreten Angeboten der Gesundheitsför-            lich nicht das Beratungsgespräch, sondern
                    Bewegung
                                       derung im Landkreis Ludwigsburg. Speziell          dient zur Illustration und Vertiefung des
                                       erstellte Listen führen neben örtlichen            Besprochenen zu Hause (Abb. 4).
                                       Sportangeboten auch Ernährungs- und
                                       Laktationsberater und deren Kursange­              Ziel der Kurzfilme ist es auch, die (werden-
     Abbildung 3: Präventionspass      bote auf, so dass die teilnehmenden Eltern         den) Väter als Nutzergruppe emotional
                                       bei Bedarf schnell und unkompliziert               anzusprechen und darüber hinaus die
                                       Ansprechpartner finden können.                     Medienauswahl zu komplettieren.

                                       Da schriftliches Informationsmaterial              Die acht kurzen Filme (auf DVD), die
                                       (insbesondere gegenüber sozialen Risiko­           auch auf dem YouTube-Kanal (https://
                                       gruppen) in seiner Wirkung begrenzt                www.youtube.com/user/Gemeinsamge-
                                       bleibt, wurden zusätzlich kurze Filmse-            sund) abrufbar sind, sprechen die Eltern
                                       quenzen entwickelt, die zum jeweiligen             ­emotional an und sensibilisieren mit

                                       Informationsfilme 9+12 Gemeinsam gesund
                                       Die Zeit in der Schwangerschaft                          Die Zeit nach der Geburt

                                        Film 1                                                  Film 5
                                        8.-12. Schwangerschaftswoche                            Lebensalter 3.-8. Woche
                                        Der Anfang                                              Die Familie wächst zusammen

                                        Film 2                                                  Film 6
                                        18.-22. Schwangerschaftswoche                           Lebensalter 3.-4. Monat
                                        Die ersten kindlichen Bewegungen sind zu spüren         Baby in Bewegung

                                        Film 3                                                  Film 7
                                        28.-32. Schwangerschaftswoche                           Lebensalter 5.-6. Monat
                                        Das Baby wächst und wächst                              Das Baby entdeckt die Welt

                                        Film 4                                                  Film 8
                                        37.-40. Schwangerschaftswoche                           Lebensalter ca. 1 Jahr
                                        Der Bauch ist eine richtige Kugel                       Vom Baby zum Kleinkind, erste Schritte

                  Abbildung 4: Übersicht der „9+12“- Informationsfilme (8 Kurzfilme)

10
verständlichen Informationen und
Handlungsempfehlungen zu den
Themen Ernährung und Bewegung.
Die Empfehlungen zur Bewegungs-
förderung und zur Prävention von
Bewegungsmangel lassen sich
sehr gut alltagsnah durch bewegte
Bilder vermitteln.

Des Weiteren gehören Informa­
tionsbroschüren für medizinische
Akteure und andere Projektma­
terialien wie Flyer mit spezifischen    für eine ganz-
Empfeh­lungen zum jeweiligen            heitliche und
Untersuchungszeitpunkt sowie            interdisziplinäre
Aufkleber und Poster zur Aus-           Versorgungsqualität.
stattung des Projekts. Ergänzend
werden Medien und Inhalte von           Die gesamten „9+12“- Projekt-
„Gesund ins Leben – Netzwerk            medien und insbesondere die
­Junge ­Familie“ verwendet.             Präventionsscores wurden in enger     steigern und an für Schwangere
                                        Abstimmung mit dem „9+12“ Ex-         geeigneten Bewegungsangeboten
In Kooperation mit den beteiligten      pertenbeirat (Abb. 5) entwickelt.     im Sportverein o. ä. vor Ort teilzu-
Experten wurden ein Flyer zum Be-                                             nehmen. Sie orientieren sich hierbei
wegungsverhalten in der Schwan-         Beratungsprozess                      an den im Rahmen des Projekts
gerschaft und eine Broschüre mit        Durch die Integration der präventi-   erarbeiteten Listen mit wohnort­
Bewegungstipps für das erste            ven Beratungen in die gesetzlichen    nahen Sport- und Bewegungsange-
Lebensjahr erstellt. Neben wichti-      Vorsorgeuntersuchungen werden         boten im Landkreis Ludwigsburg.
gen Informationen erhalten Ärzte        auch junge Familien mit ausge-
und Hebammen somit auch Materi­         prägten Risikofaktoren (wie z.B.         Zusätzlich empfehlen Frauen-
alien, um ihre Praxen als Teilneh-      Übergewicht und Diabetes melli-       ärzte Schwangeren an einer
mer von „9+12“ zu kennzeichnen          tus Typ 2) angesprochen. Da über      Ernährungsberatung bei einer
und gegenüber ihren Mitbewerbern        „9+12“ sowohl die normalgewich-       Ernährungsfachkraft (gemäß der
auszuzeichnen. Die Ärzte und Heb-       tigen als auch die übergewichtigen    im Leitfaden Prävention des GKV
ammen stehen im Wettbewerb zu           Schwangeren, Mütter und Kinder        Spitzenverbandes geforderten
Anbietern außerhalb des Landkrei-       erreicht werden, umfasst das Pro-     Anbieterqualifikation sind das
ses Ludwigsburg und die Kinderärz-      jekt sowohl Aspekte der Primär- als   Oecotrophologen, Ernährungswis-
te sehen sich zusätzlich im Wett-       auch der Sekundärprävention. Im       senschaftler, Diätassistenten und
bewerb zu Allgemeinärzten, die z.T.     Zuge der Empfehlungen durch Arzt      Ernährungsmediziner mit entspre-
ebenfalls Kinder behandeln.             bzw. Hebamme können u.a. folgen-      chender Zusatzqualifikation) teilzu-
                                        de primärpräventive Maßnahmen         nehmen. Dabei berücksichtigen die
Nicht zuletzt entsteht durch die        initiiert werden:                     Frauenärzte die aktuellen Leitlinien
„9+12“- Kennzeichnung auch eine                                               des Institute of Medicine (IOM) zur
Verbindlichkeit für eine langfristige      Frauenärzte empfehlen überge-      erwünschten Gewichtszunahme
Beteiligung an der Zusammenar-          wichtigen bzw. adipösen Schwan-       der Schwangeren während der
beit und gleichzeitig ein Indikator     geren ihre Alltagsaktivität zu        Schwangerschaft in Abhängigkeit

                                                                                                                     11
zum Ausgangs-BMI (Rasmussen et         der Schwangeren. Fehlernährung        Konsums gesundheitsgefährdender
     al. 2009).                             und Bewegungsmangel gefähr-           Suchtmittel wie Alkohol, Zigaretten
                                            den nicht nur die Gesundheit der      und Drogen. Hier wirken Frauenarzt
        Bei allen Schwangeren hat der       Schwangeren, sondern erhöhen          und Hebamme darauf hin, dass auf
     Bewegungsmangel in der Schwan-         auch das Risiko für ein späteres      Alkohol, Zigaretten und Drogen
     gerschaft negative Konsequenzen,       Übergewicht des Kindes.               während der Schwangerschaft und
     nicht nur bei übergewichtigen bzw.                                           in der Stillzeit (und darüber hinaus)
     adipösen Schwangeren. Daher               Frauenärzte, Hebammen sowie        komplett verzichtet werden soll.
     fragen Frauenarzt und ­Hebamme         später Kinder- und Jugendärzte        Die Beratungsstellen vor Ort ergän-
     im Rahmen der Vorsorgeuntersu-         verweisen bei schwerwiegenden         zen dabei die individuelle Beratung.
     chungen gezielt nach der Alltags-      Ernährungsstö­rungen auf das Be-
     aktivität der Schwangeren. Bei         ratungsangebot bei den gelisteten         Das ausschließliche Stillen des
     einem festgestellten Bewegungs-        qualifizierten Er­nährungsberatern.   Säuglings in den ersten 4–6 Lebens-
     mangel wird auf die vorhandenen                                              monaten hat einen wichtigen
     Bewegungsangebote hingewiesen             Bei einer zu starken Gewichts-     präventiven Effekt bezogen auf das
     und eine Teilnahme ausdrücklich        zunahme während der Schwanger-        Risiko des Kindes, später überge-
     empfohlen.                             schaft verweisen Frauenarzt bzw.      wichtig oder adipös zu werden, und
                                            Hebamme auf die Möglichkeit der       wird aus diesem Grund empfohlen.
        Die standardisierte Beratung zu     Ernährungsberatung und die Stei-
     Ernährung und Bewegung (Doku-          gerung der Alltagsaktivität durch        Säuglinge übergewichtiger
     mentation mittels Score-System) er-    geeignete Angebote vor Ort.           Mütter, die ein erhöhtes Risiko für
     möglicht frühzeitig die Feststellung                                         Übergewicht bzw. Adipositas auf-
     einer Fehl-, Unter- und Überernäh-        Gegenstand der Beratung ist        weisen, profitieren besonders vom
     rung und eines Bewegungsmangels        auch die Abfrage bezüglich des        ausschließlichen Stillen. Kann oder

12
möchte nicht gestillt werden, sollte nach   Darüber hinaus fördert „9+12“ die Ver­
den Empfehlungen des „Netzwerk Junge        netzung unter den Fachakteuren und bün-
Familie“ ggf. zu Ersatzmilch mit geringem   delt bereits bestehende Angebote ­speziell
Eiweißgehalt geraten werden (Koletzko       für die Zielgruppe (­Ernährungsberatungs-
2011).                                      und Bewegungsangebote vor und nach
                                            der Schwangerschaft im Landkreis
Die Aussagen zur Verhaltensprävention       Ludwigsburg), um bedarfsgerechte neue        Perinatal
durch Arzt bzw. Hebamme haben aus-          Angebote aus dem Gebiet der perinatalen      bezeichnet die Zeit vor
drücklich empfehlenden Charakter und        Prävention ins Leben zu rufen.               und nach der Geburt.
werden nicht nachgeprüft (was auch bei
therapeutischen Maßnahmen nicht ge-
währleistet werden kann); die Umsetzung
der Empfehlungen wird beim Folgetermin
erfragt.

Anschließend nutzen Arzt bzw. Hebamme
das persönliche Gespräch, um die Eltern
bei der Umsetzung der Empfehlungen zu
unterstützen und ihnen Hilfen vor Ort zu
vermitteln. Junge Eltern erhalten durch
die persönlichen Beratungen praxis-
nahe, fundierte und individuelle
Hilfestellungen für den Alltag und
lernen Wege kennen, einen ge-
sundheitsförderlichen Lebens-
stil für sich und ihre Kinder zu
entwickeln.

Damit unterscheidet sich
„9+12“ mit dem primär­
präventiven Ansatz in-
haltlich grundsätzlich
vom Mutterpass und
dem Kindervor­sorgeheft,
welche die Krankheitsfrüh­
erkennung zum Ziel haben.

Mit dem verhältnispräven-
tiven Ansatz verfolgt „9+12“
zudem das Ziel, die Kooperati-
on zwischen den medizinischen
Akteuren und somit die Versor-
gungsstrukturen für werdende
und junge Eltern zu verbessern.
­Mittels aktiven Austauschs zwischen
 den verschiedenen Berufsgruppen soll
 ein optimales Umfeld geschaffen wer-
 den, um die Vermittlung von einheit­
 lichen Botschaften zu gewährleisten.

                                                                                                                   13
3. Der „9+12“- Expertenbeirat
     Die Informationen und Scores für          Sportwissenschaften, der Frauen-      durch ca. vierteljährige Meetings
     die Beratungen hat peb mit Unter­         heilkunde, der Kinder- und Jugend-    sowie durch regelmäßige telefo­
     stützung eines Expertenteams              medizin sowie der Sport- und          nische Kontakte und per E-Mail.
     entwickelt (Abb. 5).                      Ernährungsmedizin ein. Dafür brin-
                                               gen die Experten fachliche Kom­pe­
     Hierbei fließen insbesondere Er-          tenz und zeitliche ­Ressourcen ein.
     kenntnisse der Ernährungs- und            Die Projektabstimmung erfolgte

          Mitglieder des „9+12“- Expertenbeirats

                  Maria Flothkötter
                  Diplom-Oecotrophologin, aid Infodienst e.V.,
                  „Gesund ins Leben - Netzwerk Junge Familie“

                  Dr. med. Thomas Kauth
                  Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ),
                  Mitglied des Erweiterten Vorstands der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb),
                  niedergelassener Kinder- und Jugendarzt / Sport- und Ernährungsmediziner in Ludwigsburg

                  Prof. Dr. med. Berthold Koletzko
                  Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ),
                  Mitglied des Erweiterten Vorstands der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb),
                  Dr. von Haunersches Kinderspital, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München

                  Prof. Dr. med. Ulrike Korsten-Reck
                  Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP),
                  Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb),
                  Medizinische Universitätsklinik Freiburg

                  Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich
                  Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs),
                  Vorstandsvorsitzende der Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb),
                  Universität Bayreuth

      Abbildung 5: Der „9+12“-Expertenbeirat

14
4. Die Modellregion Ludwigsburg
Das Projekt „9+12“ baut auf den                         Die Feldphase des Projekts „9+12“                mentiert werden konnte. Die teil-
Erkenntnissen des ebenfalls durch                       in der Modellregion Ludwigsburg                  nehmenden medizinischen Akteure
peb umgesetzten Vorläuferprojekts                       erstreckte sich von Januar 2012                  nehmen mit dem Modell­projekt
„Information und Unterstützung                          bis September 2014. Insgesamt                    eine Vorreiterstellung ein und
für junge Eltern“ auf. In dessen Rah-                   1.005 (werdende) Mütter nahmen                   konnten mit ihrem Engagement für
men wurde u. a. eine Studie zum                         zum Teil zu allen Interventionszeit-             „9+12“ zeigen, dass eine vernetzte
Ernährungs- und Bewegungsver-                           punkten, zum Teil nur temporär                   und kooperative interdisziplinäre
halten in jungen Familien durch-                        am Projekt teil. Zu insgesamt rund               Zusammenarbeit aller beteiligten
geführt, deren Schlussfolgerungen                       3.300 Interventionszeitpunkten                   Akteure nicht nur aus Sicht der
auch in die Konzeption des Modell-                      wurden Beratungen durchgeführt                   ­Patienten lohnend ist.
projekts einflossen. So zeigte sich                     und Daten erhoben (Abb. 6).
beispielsweise, dass Gynäkologen,
Hebammen sowie Kinder- und Ju-                          Die Teilnehmerzahlen und die vor-
gendärzte (Rheingold Institut 2009)                     liegenden Evaluationsergebnisse
wichtige und oft konsultierte Ver-                      zeigen, dass das Projekt erfolgreich
trauenspersonen junger Eltern sind.                     im Landkreis Ludwigsburg imple-

               Teilnehmerinnen nach Untersuchungszeitpunkt
                                 (absolut)
                                                                             528
     464 442                                                                              481
                             395                                                                   409

                                         271                                                             252

                                                       47          47

      S1          S2          S3          S4          H1           H2          U3             U4   U5     U6
  Abbildung 6: Anzahl der Interventionszeitpunkte von 02/2012 bis 09/2014 (ntotal  = 1.005)

                                                                                                                                              15
5. Gespräch unter Ludwigsburger
                                 Fachakteuren
                                Irmfriede Pilz-Buob (Hebamme), Dr. med. Thomas Rummel (Frauenarzt) und Dr. med.
                                Thomas Kauth (Kinder- und Jugendarzt) haben als Vertreter ihrer Berufsgruppen mit
                                viel Engagement das peb-Projekt „9+12 Gemeinsam gesund“ in Ludwigsburg voran­
                                getrieben und in die Praxis umgesetzt.

                                Frau Pilz-Buob, Sie als Hebamme sind ja      ment der drei Fachgruppen wäre ein er-
                                sehr nah dran an den jungen Müttern. Wo      folgreiches Projekt, das auch in Zukunft an
                                sehen Sie die Besonderheit des Projekts?     Bedeutung gewinnt, nicht möglich.

     Irmfriede Pilz-Buob        Pilz-Buob: Das Hauptelement des Projekts     Kauth: Das sehe ich auch so. Das Problem
                                ist die persönliche Ansprache der Eltern.    der ambulanten Versorgung ist, dass die
                                Die ist extrem wichtig, denn so hat man      drei Fachgruppen der Frauenärzte, Heb-
                                die Möglichkeit, individuell und gezielt     ammen sowie Kinder- und Jugendärzte
                                auf die persönlichen Bedürfnisse und die     zwar mit den gleichen Familien arbeiten,
                                jeweilige Lebenssituation einzugehen.        es aber bisher in der Regel keine etablierte
                                Wir konnten so im persönlichen Gespräch      Kooperation im Sinne eines gegenseitigen
                                Ernährungsabläufe miteinander durch­         Austauschs zum einzelnen Patienten gibt.
                                gehen oder gemeinsam überlegen, welche       Durch die gemeinsamen Fortbildungen
                                Form der Bewegung passend wäre. Dabei        und Verwendung der gleichen Materialien
                                hat sich auch die Adressenliste mit Kurs-    ist die Übereinstimmung der ­Botschaften
                                angeboten als enorm praktisch erwiesen,      deutlich größer als früher. In diesem Fall
                                mit der wir den jungen Müttern gezielt       hat „9+12“ wirklich Pionierarbeit ge­
     Dr. med. Thomas Rummel     Angebote in ihrem Umkreis empfehlen          leistet, die Kooperation zwischen den
                                konnten.                                     Fach­gruppen zu verbessern.

                                Das Projekt „9+12“ zielt insbesondere        War es schwierig, die Eltern für die Teil­
                                darauf ab, die Vermittlung von einheit­      nahme an dem Projekt zu gewinnen? Wie
                                lichen Botschaften sicherzustellen. Welche   haben Sie es geschafft, in so hohem Maße
                                Lücke hat das Projekt damit geschlossen      auch sozial benachteiligte Familien zu
                                und wie ist es gelungen, den werdenden       erreichen?
                                Müttern konsistente Botschaften an die
                                Hand zu geben?                               Kauth: Frauen- und Kinderärzte stehen
                                                                             im Rahmen der Vorsorge in einem sehr
                                Rummel: Die Grundlage von „9+12“ war         engen Kontakt zu den Familien. Die
                                es ja, die wissenschaftlichen Erkenntnisse   ärztlichen Empfehlungen zur Gesund-
     Dr. med. Thomas Kauth      zu den Themen Ernährung und Bewegung         heit ­haben für die meisten Eltern hohes
                                auf den Prüfstand zu bringen und zu          Gewicht und werden auch angenommen.
                                bündeln. Es ist unglaublich wichtig, den     Daher war es eigentlich nicht ­schwierig,
                                Müttern widerspruchsfreie Botschaften zu     die Eltern davon zu überzeugen, an „9+12“
                                vermitteln, die sie motivieren und sensi-    teilzunehmen. Auch bei den ­Familien, die
                                bilisieren, ihre persönlichen Einstellun-    sozial schwächer gestellt sind, war die
                                gen zu Ernährung und Bewegung in der         Zustimmung groß.
                                Schwangerschaft zu überdenken und zu
                                ändern. Ohne das gemeinsame Engage-

16
Warum ist gerade die Schwangerschaft die        bedeutet, der nicht vergütet
beste Phase für Präventionsmaßnahmen?           werden konnte. Aber für die
                                                Nachhaltigkeit des Modell-
Rummel: Der Schutz des ungeborenen Kin-         projekts war die Evalua­tion des
des ist für Arzt und Eltern oberstes Gebot      Projekts ungemein wichtig. Ohne
und bedarf einer ständigen Begleitung           eine ausführliche Evaluation wäre
und Beratung. Deshalb sollte alles getan        das Projekt weder für Kranken­kassen
­werden, um dem Kind einen gesunden             relevant noch für gesundheits­politische
 Start ins Leben zu ermöglichen. Eine unaus-    Entscheidungen tauglich.
 gewogene Ernährung oder der Genuss von
 Alkohol oder Nikotin kann im Verlauf der       Was wünschen Sie sich für das Roll-Out des
 Schwangerschaft schwere gesundheitliche        Projekts „9+12“, wo kann die Reise
 Schädigungen (wie z.B. Hirnschädigung          hingehen?
 oder Alkoholembryopathie) hervorrufen.
                                                Pilz-Buob: Der Ansatz, die einzelnen Berufs-
Übergewichtige Schwangere leiden z.B.           gruppen stärker miteinander zu verbinden,
häufiger unter einem Gestationsdiabetes         sollte unbedingt weitergeführt werden. Für
oder Bluthochdruck als normalgewichtige         die Zukunft könnte ich mir gut vorstellen,
Frauen. Das ist nicht nur ein Risiko für die    dass man noch mehr neue Technologien
Zeit der Schwangerschaft, sondern kann          miteinbezieht wie Bewegungs- oder Ernäh-
auch schwerwiegende (Spät-) Folgen für          rungs-Apps für junge Eltern, z.B. eine App,
Mutter und Kind haben. Durch gezielte           die Müttern Übungen für die Rückbildung
und sinnvolle Präventionsmaßnahmen im           zeigt. Insbesondere bildungsferne Familien
Bereich Ernährung und Bewegung können           könnten so sicherlich gut erreicht werden.
viele Risiken minimiert und ein gesunder
Lebensstil von Anfang an gefördert werden.      Kauth: „9+12“ hat sehr viel Potenzial. Wir
                                                hatten bereits Gespräche mit der Kassen-
Pilz-Buob: Wir sehen in unserer Arbeit          ärztlichen Vereinigung, die in den persön­
immer wieder, dass in der Schwangerschaft       lichen und individuellen Beratungen großes
und der Stillzeit das emotionale Fenster        Potenzial für die Prävention sieht. In dem
zum Thema Gesundheit sehr weit offen ist        Moment, in dem diese Beratungen auch
und die Eltern empfänglich sind für Infor-      vergütet werden wie andere kassenärzt-
mationen. Natürlich wollen alle Eltern das      liche Leistungen, wird „9+12“ ein großer
Beste für ihr Kind und ihren Beitrag leisten,   Erfolg und kann auch flächendeckend ein-
dass das Kind gut durch die Schwanger-          gesetzt werden. Nur so lange die Vergütung
schaft und gesund zur Welt kommt.               für die Ärzte und Hebammen nicht geregelt
                                                ist, wird dies nur den besonders Engagier-
Was waren aus Ihrer Sicht die größten           ten vorbehalten bleiben. Aber wir wollen ja
Hürden und Herausforderungen, die das           für solche Präventionsmaßnahmen alle im
Projekt zu bestehen hatte?                      Boot haben – sonst ist es ja keine richtige
                                                Prävention!
Kauth: Die größte Hürde für die Fach­
akteure war sicherlich die Evaluation.          Das Gespräch führte Wiebke Kottenkamp.
Die Fragebögen haben für die Ärzte und
Hebammen einen enormen Zeitaufwand

                                                                                               17
6. Wissenschaftlicher Hintergrund
                                              der werdenden Mutter als bedeut-       valenz an Gestationsdiabetes auf.
                                              same Determinante der prä- und         Darüber hinaus kann eine geringere
                                              postnatalen Entwicklung des Kindes.    Inzidenz von Adipositas und Diabe-
                                                                                     tes mellitus Typ 2 bei Mutter und
                                              Die „Weichen“ für ein gesundes         Kind festgestellt werden, wenn sich
                                              Leben werden somit in der Schwan-      die Mutter in der Schwangerschaft
                                              gerschaft und im ersten Lebensjahr     viel bewegt (Korsten-Reck 2010).
                                              gestellt. Nach aktuellem wissen-
                                              schaftlichen Erkenntnisstand bieten        Ein Lebensstil der durch fortdau-
                                              eine ausgewogene Ernährung             ernde Überernährung und Bewe-
      Cornelia Wäscher,                       und ausreichende Bewegung der          gungsmangel geprägt ist, betrifft
      Master of Public Health,
      „9+12“- Projektkoordinatorin            Mutter beste Voraussetzungen für       einen hohen Anteil der Bevölkerung
                                              einen optimalen Start ins Leben        in den industrialisierten Gesell-
     Metabolische Programmierung              (Koletzko et al. 2010, Korsten-Reck    schaften und ist die Hauptursache
     Das Ernährungs- und Bewegungs-           2010). Die medizinische Betreuung      für die Ausbildung des metabo-
     verhalten während der Schwanger-         der (werdenden) Eltern und des         lischen Syndroms (Joost 2010).
     schaft und im Säuglingsalter hat         heranwachsenden Kindes während         Damit wirkt „9+12“, neben dem Ziel
     einen dauerhaften und prägenden          dieser Lebensphase ist in unserem      der Prävention für Übergewicht und
     Einfluss auf die spätere (Über-)         Gesundheitssystem fest verankert.      Adipositas, ebenso der Entwick-
     Gewichtsentwicklung sowie auf            Allerdings dienen die dafür genutz-    lung des metabolischen Syndroms
     das Risiko assoziierter Erkrankun-       ten Vorsorgeuntersuchungen bisher      entgegen.
     gen wie Diabetes mellitus Typ 2          ausschließlich der Krankheitsfrüh-
     und kardiovaskuläre Erkrankungen         erkennung. Elemente der Überge-           Broschüren alleine helfen jun-
     (Brands et al. 2012, Harder et al.       wichtsprävention werden kaum be-       gen Familien nicht, ihren Lebensstil
     2010, Koletzko et al. 2010, Korsten-     rücksichtigt. Genau an dieser Stelle   zu verändern. Der persönliche und
     Reck 2010). Bereits im Mutterleib        setzt das Modellprojekt „9+12“ an.     möglichst konkrete Expertenrat
     wirken metabolische Faktoren auf         Zunehmend leiden bereits Kinder        (Gynäkologe, Hebamme sowie
     den Fetus, die den Organismus            und Jugendliche unter Übergewicht      Kinder- und Jugendarzt) ist von
     somit langfristig beeinflussen           und Adipositas (Lobstein 2004).        entscheidender Bedeutung (Köhler
     (­Schellong et al. 2009). Die Entwick-   Laut bundesweitem Kinder- und          2006).
     lung des Kindes wird neben geneti-       Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)
     schen Faktoren auch durch externe        des Robert Koch Instituts sind 15 %    Die Evaluation der Bundeszentrale
     Einflüsse wie mütterliche Ernäh-         der jungen Menschen im Alter           für gesundheitliche Aufklärung
     rung, Hormone und Neurotransmit-         von 3–17 Jahren in Deutschland         (BZgA) von Kinospots zur Tabakprä-
     ter bestimmt. Das Geburtsgewicht         übergewichtig (Kurth et. al 2007       vention zeigen die Wirksamkeit und
     des Kindes wird unter anderem            und 2010).                             besondere emotionale Ansprache,
     durch das Ernährungs- und Bewe-                                                 die sich durch Bewegtbilder in der
     gungsverhalten sowie durch den           Die Kernelemente von „9+12“ ba-        gesundheitlichen Prävention errei-
     Body-Mass-Index (BMI) der Mutter         sieren auf aktuellen wissenschaft-     chen lassen (BZgA 2007).
     beeinflusst. Sowohl ein hohes als        lichen Erkenntnissen und Daten, die
     auch ein niedriges Geburtsgewicht        im Folgenden zusammenfassend           BMI: Body-Mass-Index (BMI=Körpergewicht/
     können das Risiko für späteres           dargestellt werden:                    Körperlänge²)
     Übergewicht erhöhen (Brands et al.                                              Prävalenz: Krankheitshäufigkeit
     2012, Harder et al. 2011). Demzu-           Frauen mit hoher körperlicher       Inzidenz beschreibt die Anzahl der
     folge gilt das Gesundheitsverhalten      Aktivität weisen die geringste Prä-    Neuerkrankungen.

18
7. Ernährung in der Schwangerschaft
Für die Gesundheit von Mutter und Kind         Der Flüssigkeitsbedarf steigt in der
ist eine ausgewogene und abwechslungs-         Schwangerschaft proportional zum
reiche Ernährung von großer Bedeutung.         Energiebedarf nur leicht an – um etwa
Grundsätzlich sollten sich Schwangere          300 ml pro Tag in den letzten Schwanger-
an den auch sonst gültigen Empfehlun-          schaftsmonaten und sollte möglichst über
gen für eine ausgewogene und gesunde           kalorienfreie bzw. kalorienarme Getränke
Ernährung orientieren (vgl. „10 Regeln der     gedeckt werden.
DGE“ oder aid-Ernährungspyramide). Auf
den Speiseplan gehören neben Obst und          Sparsam sollten Fette mit einem hohen
Gemüse auch Vollkornprodukte, fettarme         Anteil gesättigter Fettsäuren sowie
Milch(-produkte), fettarmes Fleisch und        Süßigkeiten und Snackprodukte verzehrt        Maria Flothkötter,
                                                                                             Diplom-Oecotrophologin beim
fettreicher Meeresfisch. Um gefährliche        werden.                                       aid Infodienst e.V., Projekt-
Lebensmittelinfektionen zu vermeiden,                                                        leitung „Gesund ins Leben –
                                                                                             Netzwerk Junge Familie“
sollten tierische Produkte ausschließlich in   Eine übermäßige Koffeinaufnahme
ausreichend erhitzter Form verzehrt wer-       während der Schwangerschaft kann die
den. Darüber hinaus werden regelmäßige         Gesundheit des Ungeborenen nachteilig
Mahlzeiten empfohlen, um das Wohlbe-           beeinflussen. Sie wird mit spontanen
finden der werdenden Mutter zu erhöhen.        Frühgeburten, einer verkürzten Schwan-
                                               gerschaftsdauer und niedrigerem Ge-
Ein oft überschätzter Faktor ist der           burtsgewicht in Verbindung gebracht.
Kalorienmehrbedarf während der                 Koffeinhaltige Getränke sollten daher
Schwangerschaft. Tatsächlich erhöht sich       während der Schwangerschaft insgesamt
der Kalorienbedarf erst zum Ende der           nur in moderaten Mengen (< 300 mg
Schwangerschaft um lediglich 10 Prozent.       Koffein/Tag bzw. < 5–6 mg Koffein/kg Kör-
Das sind umgerechnet etwa 250 kcal pro         pergewicht, d. h. bis zu drei Tassen Kaffee
Tag mehr. Hingegen benötigt der Kör-           täglich) aufgenommen werden.                  „Ernährung in der Schwanger-
                                                                                             schaft“, Handlungsempfeh-
per der Schwangeren mit der rasanten                                                         lungen des Netzwerks „Gesund
Entwicklung des Kindes im Uterus von           Alkohol ist fruchtschädigend und kann die     ins Leben – Netzwerk Junge
                                                                                             Familie“ (2012)
Anfang an eine erhöhte Zufuhr von Mikro-       Entwicklung des Ungeborenen negativ
nährstoffen. Dieser Mehrbedarf kann mit        ­beeinflussen. Als Symptome können
einer abwechslungsreichen und gesunden          Wachstumsstörungen, Fehlbildungen
Ernährung gedeckt werden. Lediglich zur
Deckung des Bedarfs an Folat/Folsäure
und Jod ist stets eine Supplementierung
nötig: 400 μg Folsäure mindestens 4 Wo-
chen vor der Konzeption und mindestens
bis zum Ende des ersten Trimenons, 100
(–150) μg Jod/d für die gesamte Schwan-
gerschaft und Stillzeit.

                                                                                                                             19
und/oder Störungen des zentralen Nerven­                     zu verzichten. Rauchen in der Schwanger-
     systems auftreten, die sich langfristig in                   schaft führt u. a. zu einem erhöhten Risiko
     Verhaltensstörungen und intellektuellen                      für Fehl­bildungen, Früh- und Totgeburten,
     Beeinträchtigungen äußern. Aufgrund                          Plazenta­ablösungen sowie zu geringerem
     des vorsorglichen Gesundheitsschutzes                        Geburtsgewicht und sollte daher unbe-
     wird daher empfohlen, auf Alkoholgenuss                      dingt vermieden werden.
     während der Schwangerschaft komplett

        Ausgewogene Ernährung in der Schwangerschaft –
        Beispiel für eine empfehlenswerte Lebensmittelauswahl

              REICHLICH

              Getränke:
                zu jeder Mahlzeit 1 bis 2 Gläser/Tassen                                  Portionsgrößen:
                auch zwischendurch trinken
                                                                                                   Handmaß für
                möglichst kalorienfreie oder -arme Getränke (Wasser, ungesüßte                     kleinteiliges
                Kräuter- und Früchtetees, stark verdünnte Fruchtsäfte) trinken                     Gemüse, Obst
                                                                                                   und für Salat
              Gemüse und Obst:                                                                    Handmaß für
                pro Tag 5 Portionen                                                               großstückiges
                                                                                                  Gemüse und
                                                                                                  Obst
              Getreideprodukte und Kartoffeln:
                                                                                                  1 Becher Joghurt
                zu jeder Hauptmahlzeit Getreideprodukte, bevorzugt als Vollkorn,
                oder fettarm zubereitete Kartoffeln

                                                                                                  1 Glas Milch
              MÄSSIG
              Milch und Milchprodukte:
                                                                                                  1 Scheibe Käse
                pro Tag mindestens 3 Portionen
                fettarme Milch(-produkte) bevorzugen

              Fleisch und Fisch:                                                                  Handmaß für
                pro Woche 3 bis 4 Portionen mageres Fleisch oder magere Wurst/                    Fisch
                Fleischerzeugnisse
                pro Woche 2 Portionen Fisch (vor allem Meeresfisch, mindestens
                                                                                                  Handmaß für
                1 x davon fettreicher Fisch, z. B. Hering, Makrele, Lachs)                        Süßigkeiten

              SPARSAM

              Öle und Fette:
                bevorzugt Pflanzenöle verwenden: pro Tag mindestens 2 Esslöffel Pflanzenöl
                (zur Zubereitung von Speisen)
                pro Tag maximal 1 bis 2 Esslöffel „feste“ Fette
                (als Streichfett für Brot oder zur Zubereitung von Speisen)

              Süßigkeiten und Snackprodukte:
                nur gelegentlich, pro Tag maximal 1 kleine Portion

      Abbildung 8: Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung in der Schwangerschaft,
      aid infodienst e.V., Gesund ins Leben

20
8. Bewegung in der Schwangerschaft
Prä- und postnatale Bewegung der             fähigkeit. Dies sind Faktoren, die sich
(werdenden) Mutter                           positiv auf den Geburtsvorgang auswirken
Körperliche Aktivität in der Schwanger-      und das Risiko für Geburtskomplikationen
schaft wirkt sich sowohl in psychosozialer   senken können.
als auch in physiologischer Hinsicht posi-
tiv auf Wohlbefinden und Gesundheit von      Die subjektive Körperwahrnehmung sollte
Mutter und Kind aus. Besonders geeignet      Beachtung finden: Durch körperliche
sind folgende Sportarten:                    Aktivität ausgelöste Uteruskontraktionen
                                             oder Bauchspannungen sind wichtige
                                             Zeichen und sollten als Grenze der Be­
     Radfahren in der Ebene                  lastung verstanden werden. Das subjek­       Prof. Dr. med. Ulrike Korsten-Reck,
     (keine Gewichtsbelastung                tive Gefühl der Schwangeren ist somit von
                                                                                          Medizinische Universitätsklinik
                                                                                          Freiburg
     durch Bergauffahren)                    entscheidender Wichtigkeit und entlastet
     Schwimmen, Wassergymnastik,             aus juristischen Gründen alle anderen
     Wasserfitness                           Beteiligten.

     Moderates Wandern, Walking,
                                             Die Trainingsintensität sollte im aeroben
     Nordic Walking, Gymnastik,
                                             Bereich liegen. Als eine einfache Methode,
     Jogging
                                             um eine Überanstrengung zu vermeiden,
     Sportliche Aktivität in der Höhe        gilt der sogenannte „Talk Test“, bei dem
     (diese sollte höhenangepasst            eine normale Unterhaltung während der
     sein)                                   Belastung möglich ist. Alternativ kann
     Dynamisches Krafttraining               auch die Borg Skala verwendet werden,
     an Geräten (keine freien 		             bei der das Belastungsempfinden zwi-
     Gewichte!)                              schen 12 und 14 liegen sollte. Für untrai-
                                             nierte oder übergewichtige Frauen ist dies
                                             zu empfehlen.
Positiv hervorzuheben ist, dass sportlich
aktive Frauen seltener von emotionalen       Der optimale Bewegungsgrad richtet sich
Stimmungsschwankungen und post­              jedoch nach individueller Konstitution
partalen Depressionen (Wochenbett-­          vor und während der Schwanger­schaft.
Depressionen) betroffen sind (Korsten-       Zu welchem Zeitpunkt eine Frau das volle
Reck et al. 2009, Vega et al. 2011).         Training wieder aufnehmen kann, hängt
                                             vom individuellen Fitness­zustand ab und
Ausreichende Bewegung beeinflusst            davon, ob die Frau ihr Kind stillt oder
außerdem den Fettstoffwechsel positiv,       nicht stillt. Im Allgemeinen kann mit dem
senkt das Risiko für Gestationsdiabetes      Training (z.B. moderates Wandern, Wal-
(Korsten-Reck 2010), wirkt einer starken     king, Radfahren in der Ebene etc.) etwa 4
Gewichtszunahme während der Schwan-          Wochen nach der Geburt wieder begon-
gerschaft entgegen und erleichtert die       nen werden. Im Vordergrund der ersten 6
Gewichtsnormalisierung nach der Geburt       Monate nach der Entbindung steht jedoch
(Haakstad et al. 2007). Darüber hinaus       ein gezieltes Beckenbodentraining bzw.
verbessern regelmäßige sportliche Akti-      Rückbildungsgymnastik (Korsten-Reck
vitäten die eigene Körperwahrnehmung         2011, www.dgsp.de/Ständige Kommission
und erhöhen die körperliche Leistungs-       Frauensport).

                                                                                                                                21
9. Mütterliche Ernährung in der Stillzeit
        und Säuglingsernährung
                                         Stillzeit                                     Brust- und Eierstockkrebs (Koletzko et al.
                                         Stillen ist mit vermindertem Risiko für       2010). Zur Bildung von 100 ml Mutter-
                                         Übergewicht und Adipositas im späteren        milch verbraucht der Körper der Mutter
                                         Lebensalter verbunden. Auch aus vielen        etwa 70 – 80 kcal. Der größte Teil des um
                                         anderen Gründen ist Stillen die erste         insgesamt 500 – 600 kcal pro Tag erhöhten
                                         Wahl für die Säuglingsernährung. Säug-        Energiebedarfs für Vollstillen wird durch
                                         linge sollten im ersten Lebensjahr gestillt   Abbau von in der Schwangerschaft an-
                                         werden, mindestens bis zum Beginn des         gelegten Fettdepots gedeckt. Stillen hilft
                                         5. Monats ausschließlich. Das gilt auch       Frauen also, nach der Schwangerschaft
                                         für Kinder mit erhöhtem Allergierisiko        wieder ihr Ausgangsgewicht zu erreichen.
     Prof. Dr. med. Berthold Koletzko,   (bei Allergien in der Familie). Die Mutter-   Eine strenge Reduktionsdiät in der Stillzeit
     Dr. von Haunersches Kinder­-
     spital, Ludwig-Maximilians-         milch deckt den Bedarf an Flüssigkeit und     wird nicht empfohlen, da durch verstärk-
     Universität München                 Nährstoffen des Kindes optimal, ist gut       ten Fettabbau freigesetzte fettlösliche
                                         verdaulich, hygienisch einwandfrei, gut       Schadstoffe in die Muttermilch übergehen
                                         temperiert, enthält schützende Abwehr-        können. Auch während der Stillzeit sollten
                                         stoffe, ist jederzeit und überall verfüg-     sich Mütter ausgewogen ernähren. Alle
                                         bar und kostengünstig. Darüber hinaus         stillenden Frauen sollten mit einem
                                         unterstützt Stillen die Bindung zwischen      Supplement täglich 100 Mikrogramm
                                         Mutter und Kind, fördert die Rückbildung      Jodid einnehmen. Bei nicht regelmäßiger
                                         der Gebärmutter und senkt das Risiko für      Sonnenexposition sollte zusätzlich Vita-
                                                                                       min D, und bei seltenem Verzehr von fett-
                                                                                       reichen Meeresfischen auch die omega-3
                                                                                       Fettsäure DHA eingenommen werden.

                                                                                       Während Schwangerschaft und Stillzeit
                                                                                        soll auf Rauchen verzichtet werden, da
                                                                                          erhebliche Risiken für die kindliche
                                                                                            Gesundheit wie gehäufte Allergien,
                                                                                              Übergewicht und der plötzliche
                                                                                              Kindstod drohen.

22
Sie können auch lesen