Du bist gut, so wie du bist! - Wie Jugendleiter_innen auf Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen reagieren ...

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Du bist gut, so wie du bist! - Wie Jugendleiter_innen auf Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen reagieren ...
Du bist gut,
 so wie du bist!
Wie Jugendleiter_innen auf Diskriminierung von lesbischen,
schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen reagieren können.

                                                                  1
Du bist gut,
                                                                                                                      so wie du bist!
                                                                                                                      Wie Jugendleiter_innen auf Diskriminierung von lesbischen,
                                                                                                                      schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen reagieren können.

                                                                                                                      INHALT

Impressum
                                                                                                                      Vorwort                                                           5
Du bist gut, so wie du bist!
Wie Jugendleiter_innen auf Diskriminierung von lesbischen,
                                                                                                                      Diskriminierung von queeren Jugendlichen                          6
schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen reagieren können.                                                       Was ist Diskriminierung?                                          7
Herausgeber                                                                                                             Ist ja voll schwul!                                             8
Landesfachstelle Hessen „Queere Jugendarbeit“
Bleichstraße 11                                                                                                         Psychische und physische Gewalt und sexuelle Übergriffe         9
65183 Wiesbaden
www.queere-jugendarbeit.de                                                                                              Zuhause, in der Schule und dann noch im Verein?                 10
Redaktion                                                                                                               Alltägliche Diskriminierung                                     10
Klaus Bechtold, Chris Hey-Nguyen
                                                                                                                        Wenn Diskriminierung unerträglich wird                          11
Autor_innen
Chris Hey-Nguyen                                                                                                      Sternchen*, Unterstrich_ und „innen“?!                            11
Sabine Knöß
Oliver Delto                                                                                                          Diskriminierung in verschiedenen Zusammenhängen                   14
Satz und Layout                                                                                                         Wenn man Diskriminierung beobachtet                             14
Rocky Beach Studio
2. Auflage: 2.000 Exemplare                                                                                           		 Bedachtes Einschreiten                                         14
Wiesbaden, November 2020
Besonderer Dank für die Unterstützung bei der inhaltlichen Ausgestaltung gilt Jana Ammann, Marc Melcher,                  Aufmerksamkeit und Zeit                                       15
Simon Merz, Julia Niedermayer und Heike Zimmermann.
                                                                                                                        Wenn man angesprochen wird                                      15
Die Landesfachstelle Hessen „Queere Jugendarbeit“ ist ein Projekt des Hessischen Jugendrings und wird durch das
Hessische Ministerium für Soziales und Integration im Rahmen des Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt gefördert.
                                                                                                                      		 Die Situation ernst nehmen                                     15

   		                          Gefördert aus Mitteln des Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt
                                                                                                                      		 Diskriminierung verstehen                                      16
                                                                                                                        Orte der Diskriminierung                                        16
                                                                                                                      		 Kontext Elternhaus                                             16
                                                                                                                          Kontext Schule                                                21
                                                                                                                      		 Kontext Verband, Verein und Organisation                       22
                                                                                                                        Meldepflichtige Ereignisse & Kindeswohlgefährdung               24
Informationspflicht nach Art. 13 und 14 DSGVO unter www.hessischer-jugendring.de/datenschutz
                                                                                                                        Praxistipps kurz und knapp                                      26

                                                                                                                                                                                             3
Vorwort
    Lesbische, schwule, bisexuelle und trans* Jugendliche sind regelmäßig Diskriminierung
    ausgesetzt und stehen damit vor der Herausforderung, mit diesen Erfahrungen um-
    zugehen. Dabei können Ausgrenzung und Diskriminierungserfahrungen die Partizi-
    pations- sowie Teilhabechancen der Jugendlichen negativ beeinflussen und zu tiefen
    Einschnitten in der Persönlichkeitsentwicklung führen. Für die Jugendarbeit und für
    Jugendverbände ist es neben der Arbeit gegen Diskriminierung eine zentrale Aufgabe,
    von Diskriminierung betroffene Jugendliche zu unterstützen und ihnen Schutzräume
    zu bieten, in denen ihre Bedarfe eine besondere Beachtung finden. So entstehen Be-
    dingungen, in denen queere Jugendliche, wie andere Jugendliche auch, selbstbestimmt
    ihre Interessen entwickeln und umsetzen können.

    Die folgende Broschüre bietet einen Leitfaden für die Jugendarbeit im Umgang mit
    Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen. Sie
    soll Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und die Handlungssicherheit in der Arbeit
    mit den entsprechenden Formen der Diskriminierung sowie mit betroffenen jungen
    Menschen erhöhen. Damit richtet sie sich an Jugendleiter_innen aber auch an Funktio-
    när_innen in Jugendverbänden. Die Broschüre verdeutlicht das Potential, das Jugendar-
    beit und Jugendverbände besitzen, um queere Jugendliche aufzufangen, die Diskrimi-
    nierung in der Schule, der Freizeit oder im Elternhaus erleben. Sie gibt einen Überblick
    über die Formen, Ursachen und Wirkungsweisen von Diskriminierung und liefert
    gleichzeitig zahlreiche Ansätze zur Unterstützung. So kann sie sowohl im konkreten
    Konfliktfall als auch zur Sensibilisierung der Jugendarbeit genutzt werden.

    Zur Erstellung der Broschüre konnten wir auf die vielschichtige Expertise von
    unterschiedlichen Multiplikator_innen der Queeren Community und Fachkräften
    der Queeren Jugendarbeit zurückgreifen, wofür wir sehr dankbar sind.

    Jan Schmitz
    Stellvertretender Vorsitzender
    des Hessischen Jugendrings

4                                                                                           5
geschlechtlichen oder sexuellen Identität
                                              zu bekennen.                                    Was ist                                     Zudem sind queere Jugendliche fast im-
                                                                                                                                          mer in der Unterzahl und die Gesellschaft

                                              Eindrucksvoll machen das Claudia Krell          Diskriminierung?                            ist auf heterosexuellen Vorstellungen ba-
                                                                                                                                          sierend organisiert. Homosexualität oder
                                              und Kerstin Oldemeier in der Jugendstu-                                                     Transidentität werden im Schulunterricht
                                              die „Coming-out – und dann…?!“ (2017)                                                       kaum thematisiert und es gibt außerdem
                                              deutlich. Sie bietet einen guten Einblick      Wenn Menschen benachteiligt, beleidigt       kaum Orte, an denen sich queere Jugend-
                                              in die Coming-out-Verläufe von queeren         oder herabgewürdigt werden, weil sie         liche in Sicherheit untereinander treffen
                                              Jugendlichen und zeigt, wie groß die           einer bestimmten Personengruppe zuge-        können; dies gilt insbesondere für den
                                              Sorgen immer noch sind:                        hören, dann nennt man das Diskriminie-       ländlichen Raum.
                                                                                             rung. Für die Jugendarbeit sind Situati-
                                              •   74 Prozent fürchten sich vor               onen, in denen ein_e Jugendliche_r z. B.     Von „interaktioneller Diskriminierung“
                                                  Ablehnung durch Freund_innen               beleidigt wird immer relevant. Fachkräfte    spricht man z. B., wenn in der Handlung
                                                                                             und Ehrenamtler_innen sollten immer          einer Person die strukturelle Diskriminie-
    Diskriminierung                           •   69 Prozent fürchten sich vor               darum bemüht sein, dass in der Jugend-       rung zum Ausdruck kommt. Die Auswir-
                                                  Ablehnung durch die Familie                gruppe oder im Verein ein respektvoller      kungen, die Diskriminierung haben kann,
    von queeren                                                                              Umgang gepflegt wird.                        sind auch abhängig davon, wie, wie oft
                                                  20 Prozent fürchten sich vor                                                            und auf welche Weise Diskriminierung
    Jugendlichen
                                              •
                                                  körperlicher Gewalt                        Mit Blick auf z. B. queere Jugendliche,      stattfindet.
                                                                                             weibliche Jugendliche oder Jugendliche
                                              Auch wie begründet diese Ängste sind,          of Color, lohnt es sich aber darüber
Lesben und Schwule dürfen heiraten,           kann man der Jugendstudie entnehmen:           nachzudenken, was „strukturelle Diskrimi-
es gibt nun neben „männlich“ und „weib-                                                      nierung“ und „interaktionelle Diskriminie-             Beispiel
lich“ auch den Eintrag „divers“, in Filmen    •   56 Prozent wurden nach dem Coming-         rung“ bedeutet. „Strukturell“ betont, dass
sieht man immer mehr Homosexuelle und             out an Bildungs- und Arbeitsorten          der Grund für die Diskriminierung nicht      •   Moritz will nichts mit Tim zu tun haben
in manchen Serien sogar trans* Personen.          beschimpft, beleidigt oder ausgelacht      in einer individuellen Abneigung einer           und beleidigt ihn, weil er die falsche
Noch dazu erzählte die Bekannte, wie das                                                     einzelnen Person begründet ist, sondern          Fußballmannschaft mag und deren
Coming-out ihres Sohnes ganz einfach          •   knapp 10 Prozent wurden dort               gesellschaftlich verankert ist.                  Trikot trägt. Tim kommt das etwas
und problemlos war: „Mama, ich bin                körperlich angegriffen                                                                      übertrieben vor und er hat trotzdem
schwul“ und damit war alles geklärt.                                                         Queere Jugendlichen leben in einer               viele Freund_innen.
                                              Die hier vorliegende Broschüre richtet         Gesellschaft, in der Schwulen-, Lesben-,
Jetzt könnte man meinen, dass LSBT*IQ         sich an Haupt- und Ehrenamtliche in der        Bi- und Transfeindlichkeit weit verbreitet   •		Leon   will nichts mit Kim zu tun haben,
zu sein heute kaum noch Probleme berei-       Jugendarbeit in Hessen, soll einen ersten      sind und eine lange Geschichte haben.            weil Kims Körper ihm „jungenhaft“
tet oder zumindest „die schwierigen Fälle“    Überblick über das Thema Diskriminierung       Lesben wird z. B. abgesprochen „richtigen        vorkommt, Kim aber Mädchenkleidung
die Ausnahme bilden. Aussagen wie „was        liefern und den Blick für die Diskrimi­nier­   Sex“ haben zu können, weil Frauen als            trägt und Kim sich seiner Meinung nach
wollen die denn noch alles“ oder „das ist     ung von queeren Jugendlichen schärfen.         passives Sexualobjekt wahrgenommen               „komisch“ verhält. Leon beleidigt Kim.
doch heute kein Problem mehr“ bekommt         So können haupt- und ehrenamtlich Aktive       werden und das Wort „Schwul“ wird                Kim erlebt häufig solche Situationen
man regelmäßig zu hören. Während es           zu wichtigen Unterstützer_innen für queere     gerne als Schimpfwort genutzt. „Jungs“,          und hat wenige Freund_innen.
richtig ist, dass es heute deutlich mehr      Jugendliche werden, die Diskriminierung        die sich „mädchenhaft“ kleiden oder ver-
Vorbilder für queere Jugendliche gibt, als    erfahren oder vor dem Coming-out stehen.       halten werden als „schwach“, „lächerlich“,
noch vor einigen Jahren, fällt es Jugendli-                                                  „krank“ oder „eklig“ wahrgenommen und
chen dennoch sehr schwer, sich zu ihrer                                                      gemieden oder sogar verprügelt.

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Neben diesen sehr direkten Formen kann                                                        Psychische und
         Reflexionsfragen                                                                              Beispiel
                                              Diskriminierung aber auch indirekt erfolgen.                                                  physische Gewalt und
                                              Wird eine Jugendliche immer gefragt,                                                          sexuelle Übergriffe
•   Wie fühlt sich Tim nach diesem            ob sie „schon einen Freund hat“, ist auch      •   Moritz wird 18 und feiert groß Geburts-
    Erlebnis?                                 das diskriminierend, weil von vornherein           tag. Er hat alle aus der Jugendgruppe
                                                                                                                                           Körperliche Angriffe bedrohen im Ernstfall
•   Und wie fühlt sich Kim?                   ausgeschlossen wird, dass sie vielleicht           eingeladen außer Kim. Als die Betreu-
                                                                                                                                           Leib und Leben und sind extreme Formen
•   Welche Auswirkungen kann das auf          lesbisch oder bisexuell ist und demnach            erin der Jugendgruppe fragt, wieso er
                                                                                                                                           der Erniedrigung. Fast 20 Prozent aller
    die beiden haben?                         keinen Freund, sondern eine Freundin hat.          Kim nicht eingeladen hat, meint er nur,
                                                                                                                                           queeren Jugendlichen fürchten sich vor
•   Was könnte Kim in Zukunft befürchten                                                         dass er Kim nicht mag. Warum er Kim
                                                                                                                                           körperlicher Gewalt. Bei trans* und gender-
    und wovor könnte Kim in Zukunft ggf.      Weiterhin ist es möglich, dass queere              nicht mag, will er nicht sagen.
                                                                                                                                           ­­diversen* Jugendlichen liegen diese Zahlen
    Angst haben?                              Jugendliche zwar nicht ausgelacht oder                                                       sogar noch höher.
                                              beleidigt werden, durch Gruppen jedoch
Diskriminierung ist also die Benachteili-     Ausschluss erfahren, indem sie z. B. in                  Reflexionsfragen
                                                                                                                                           Körperliche Gewalt heißt unter ande-
gung und/oder Abwertung einer Person          Gespräche und Aktivitäten von anderen                                                        rem angespuckt, geschlagen, getreten,
oder Personengruppe, basierend auf            Jugendlichen immer wieder nicht ein-           •   Ist es in Ordnung von Moritz, Kim so
                                                                                                                                           geschubst oder vergewaltigt zu werden.
Wertvorstellungen, Vorurteilen, Einstel-      bezogen oder mitgedacht oder sogar                 auszuschließen?
                                                                                                                                           Physische Gewalt kann Menschen lan-
lungen, etc. Diskriminierung kann dabei       absichtlich ausgeschlossen werden.             •   Warum will Moritz nicht sagen, warum
                                                                                                                                           ganhaltend traumatisieren und Menschen
bewusst oder auch unterbewusst ausge-                                                            er Kim nicht mag?
                                                                                                                                           das Vertrauen nehmen, sich sicher zu
übt werden. Die Schwere von Diskrimi-                                                        •   Was könnten Personen aus der Gruppe
                                                                                                                                           fühlen. Auch, wenn Ärzt_innen und Psy-
nierung wird auch maßgeblich mit davon                  Beispiel                                 unternehmen, die eingeladen sind aber
                                                                                                                                           chotherapeut_innen queeren Menschen
beeinflusst, wie stark die Auslöser/Hinter-                                                      wollen, dass Kim auch kommen darf?
                                                                                                                                           mit Vorurteilen begegnen, kann das ne­
gründe gesellschaftlich verankert sind.       •   Tim, Jenny und Moritz stehen vor dem                                                     gative Auswirkungen auf die Gesundheit
                                                  Jugendzentrum und unterhalten sich                                                       der queeren Menschen haben.
Denn strukturelle Diskriminierung …               über die neuste Musik. Als Kim aus der
                                                  Ferne hört, wie die anderen gut von
•   geschieht wiederholt                          Kims Lieblingsband sprechen, geht
•   geschieht auch Personen mit gleicher          Kim auf sie zu und will mitreden. So-
    Zugehörigkeit regelmäßig                      bald Kim näher kommt, beenden die
•   benachteiligt Personen umfassend,             anderen ihr Gespräch, wenden sich
    nachhaltig und in verschiedenen               von Kim ab, tuscheln und kichern.
    Lebensbereichen

                                                        Reflexionsfragen
    Ist ja voll schwul!
                                              •   Wie fühlt sich Kim in dem Moment, in dem
Verbale und nonverbale Diskriminierung            sich die anderen von Kim abwenden?
kommen einerseits sehr häufig vor und         •   Was könnten die anderen tuscheln und
sind andererseits auch etwas, wovor sich          wieso kichern sie?
sehr viele queere Jugendliche fürchten,       •   Was kann Kim dagegen tun?
insbesondere vor dem und im Coming-           •   Was können die Betreuer_innen aus dem
out. Hierzu zählen Beleidigungen, Witze,          Jugendzentrum tun, um Kim zu helfen?
Auslachen, verletzende Blicke, usw.

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Ständige Beleidigungen, Ausgrenzung          lichkeit tief verankert sind, sind queere      mit Situationen, von denen sie berichten,        Befinden sich queere Jugendliche in
oder Bloßstellung können sich jedoch         Jugendliche Tag für Tag Diskriminierun-        umzugehen und inwiefern davon auszu-             Extremsituationen, ist sofortiges Handeln
auch nachteilig auf die Gesundheit aus-      gen ausgesetzt. „Alltäglich“ bedeutet also     gehen ist, dass ihr körperliches und geisti-     angeraten, um eine weitere Eskalation zu
wirken. Man nennt diese Form der Gewalt      nicht, dass Diskriminierungen verharmlost      ges Wohlbefinden gefährdet ist. Max              vermeiden oder um Gefahren abzuwen-
auch „psychische Gewalt“.                    werden können, sondern regelmäßig              und Annabelle befinden sich hier beide           den. Auch wenn wir über Jugendliche
                                             geschehen und verletzen können. Je             in Situationen, denen sie kaum aus dem           reden, ist hier der Begriff der Kindeswohl-
Eine besonders schlimme Form psychi-         nachdem, wie schwerwiegend sich Situ-          Weg gehen können.                                gefährdung passend: Queere Jugendliche
scher Gewalt sind sogenannte „Konver-        ationen alltäglicher Diskriminierung auf                                                        in Not benötigen häufig die Unterstüt-
sionstherapien“. Mit ihnen wird versucht,    die Jugendlichen auswirken, können sie         Eltern/Sorgeberechtigte und Schule               zung von anderen. Wie wichtig das ist,
den queeren Menschen einzureden, dass        – oft auch über einen längeren Zeitraum        können sich Jugendliche häufig nicht             zeigt die 4 bis 6 mal höhere Suizidrate von
sich Homosexualität und Transidentität       hinweg – in Extremsituationen enden.           aussuchen, den Verein hingegen schon.            queeren Jugendlichen. Extremsituationen
überwinden lassen oder dass sie nicht                                                       Vereine und Verbände haben die Mög-              zu handhaben, ist eine große Herausfor-
schwul, lesbisch oder trans* sind, son-                                                     lichkeit, eine große Ressource für queere        derung, die von niemandem alleine be-
dern stattdessen z. B. „von einem Dämon      				Beispiele für alltägliche                  Jugendliche zu sein und tragen damit eine        wältigt werden kann. Es ist hier unbedingt
besessen“ sind. Es ist selbstverständlich        Diskriminierung                            große Verantwortung. Gerade durch eine           angeraten, pädagogische Fachkräfte und/
nicht möglich, die sexuelle Orientierung                                                    geschlechter- und sexualitätssensible all-       oder z. B. die Vereinsleitung umgehend
oder geschlechtliche Identität eines         •   Die Eltern von Annabelle nehmen nach       tägliche Praxis können Räume geschaffen          einzubeziehen. Viele Jugendverbände und
Menschen zu verändern. Verfahren wie             Annabelles Coming-out als Bisexuelle       werden, in denen sich queere Jugendliche         Vereine haben Ansprechpartner_innen
„Konversionstherapien“ führen dazu,              ihre sexuelle Orientierung nicht ernst     sicher fühlen können und wo es ihnen             für Verdachtsfälle der Kindeswohlgefähr-
dass sich betroffene Personen schlecht           und behaupten langanhaltend, dass es       leichter fällt, zu ihrer sexuellen Orientie-     dung benannt. Diese sollten einbezogen
fühlen, weil ihnen eingeredet wird, dass         nur eine Phase sei. Sie fordern sie auf,   rung und ihrer geschlechtlichen Identität        werden, wenn extreme und belastende
Transgeschlechtlichkeit und/oder Homo-           „den Unsinn sein zu lassen“.               zu stehen.                                       Situationen bei queeren Jugendlichen
und Bisexualität verwerflich sind. Solche                                                                                                    wahrgenommen werden.
Verfahren haben dann häufig zur Folge,       •   In der Schule wird Max über Monate
dass Personen ihre Gefühle, Identität und        von anderen Schülern gemobbt, weil er       Wenn Diskriminierung
ihr Begehren unterdrücken. In Verbindung         Moritz einen Liebesbrief geschrieben        unerträglich wird
mit der Abwertung, welche von Betroffe-          hat.
nen oft aufgenommen bzw. internalisiert                                                     Extreme Formen von Diskriminierung ha-
wird, gefährden „Konversionstherapien“       •   Kim wird auf öffentlichen Toiletten        ben ein großes Potential für Traumatisie-
die psychische Gesundheit von LSBT*IQ-           stets angestarrt, weil ihr_sein Ge-        rung. Was genau extrem ist und was nicht,
Personen stark.                                  schlecht nirgendwo als zugehörig           hängt davon ab, wie es erlebt wird. Und
                                                 angesehen wird. Zudem vermeiden die        nicht nur körperliche Gewalt kann extrem
                                                 anderen Jugendlichen den Kontakt.          sein, sondern auch psychische, z. B. in
 Zuhause, in der Schule                                                                     Form von Mobbing. Beachten sollte man             Sternchen*, Unterstrich_
 und dann noch im Verein?                    •   Paul wird von einigen Lehrer_innen und     zudem, was zuvor erlebt wurde, inwiefern          und „innen“?!
 Alltägliche Diskri­minierung                    Schüler_innen immer noch mit „Sophie“      sich bereits Diskriminierungserfahrungen
                                                 angesprochen, obwohl er ihnen sagte,       angestaut haben und wie die betreffende          Um sprachliche Diskriminierung zu ver-
Der Begriff des „Alltäglichen“ macht deut-       dass er transgeschlechtlich ist und mit    Person in der Lage ist, mit etwas umzuge-        meiden bietet es sich an, u. a. das Gen-
lich, dass im Alltag von queeren Jugendli-       „Paul“ angesprochen werden möchte.         hen. So versteht man in einem bestimmten         der-Sternchen (*) oder einen Unterstrich
chen häufig Diskriminierungen verborgen                                                     Moment ggf. besser, wieso ein_e Jugend-          (_) zu benutzen. Dadurch kann kenntlich
liegen. Dadurch, dass in der Gesellschaft    Jugendleiter_innen sollten hier im Blick       liche_r von etwas, dass zunächst nur wie         gemacht werden, dass nicht nur Männer
unter anderem Homo- und Trans*feind-         haben, ob die Jugendlichen es schaffen,        eine „Kleinigkeit“ wirkt, stark getroffen ist.   angesprochen sein sollen, sondern auch

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Frauen und genderdiverse Personen. Gerade                                                         nicht geoutet. Es spielt dabei auch keine   Nicht-binär, Nonbinary,
Dokumente wie Einladungen zu Veran-                                                               Rolle, ob sich eine trans* Person (schon)   Genderqueer, Genderfluid
staltungen haben so auf mögliche queere                                                           einer geschlechtsangleichenden Maß-
Teilnehmende schon eine Signalwirkung.                                                            nahme wie einer Operation unterzogen        •   Es gibt Menschen, die sich nicht
                                                                                                  hat oder Hormone einnimmt.                      weiblich oder männlich verorten.
Wichtig ist es dabei jedoch, nicht nur auf                                                                                                        Begriffe dafür sind z. B. „genderqueer“,
die Sprache zu achten, sondern im Ver-                                                        •   Trans* Personen sollten immer mit dem           „nicht-binär“ oder „genderfluid“. Viele
ein/Verband oder der Organisation auch       Lesbe, Homosexuelle                                  Namen angesprochen werden, mit                  dieser Menschen identifizieren sich
dementsprechend zu handeln. Spricht          Schwuler, Homosexueller                              dem sie sich vorgestellt haben. Es ist          zudem auch als trans*, also z. B. als
man also genderdiverse Jugendliche                                                                unnötig und verletzend, wenn trans*             „nicht-binäre trans* Person“
durch die Verwendung von Sternchen an,       •   Wenn eine ein_e Jugendliche_r darauf             Personen nach Namen gefragt werden,
sollten diese im Verband auch auf Offen-         besteht nicht als „homosexuell“, sondern         mit denen sie vor ihrer Transition oder     •   Wünschen sie sich, mit einem anderen
heit und Berücksichtigung treffen. Dies          als Lesbe oder als Schwuler bezeichnet           ihrem Coming-out gerufen wurden.                Pronomen angesprochen zu werden
kann z. B. bedeuten, dass es in Vereins-         zu werden, sollten Jugendleiter_innen                                                            (z. B. „sier“ statt „sie“ oder „er“ und
räumen geschlechterneutrale Toiletten            das respektieren und umsetzen. Wichtig       Transsexuelle, Transsexueller,                      „ihrm“ statt „ihr“ oder „ihm“), sollte man
und ein Konzept zur Unterbringung auf            ist immer zu beachten, ob es denn            Transsexualität                                     sich Mühe geben, dies auch umzuset-
Ferienfreizeiten gibt. Jugendleiter_innen        überhaupt in einer Situation relevant ist,                                                       zen, um ein misgendern zu vermeiden.
sollten zudem darauf vorbereitet sein,           die sexuelle Orientierung einer Person       •   Diese Begriffe sollten nur verwendet
souverän mit Konflikten umgehen zu               zu benennen. Viele queere Jugendliche            werden, wenn sich Jugendliche selbst
können, welche sexuelle Orientierung             erleben nach ihrem Coming-out, dass              so bezeichnen oder so bezeichnet wer-
und geschlechtliche Identifikation zum           ihre sexuelle Orientierung entweder              den wollen. Viele transidente Personen
Thema haben.                                     ignoriert oder überbetont wird. Hier gilt        finden die Begriffe unzutreffend oder
                                                 es, das richtige Gleichgewicht zu finden.        problematisch, weil die geschlechtliche
Häufig herrscht einerseits Unsicherheit          Mitdenken ja, zur Schau stellen nein.            Identifikation nichts mit „Sexualität“ zu
darüber, wie genau über geschlechtliche                                                           tun hat. Gerade unter jüngeren trans*
und sexuelle Vielfalt gesprochen wer-        Trans*, Transgender, Transgeschlecht-                Personen gibt es weitere Kritik an den
den kann und andererseits existiert das      liche Person, trans* Person, trans*                  Begriffen, weil sie aus der Medizin und
Bewusstsein, dass Sprache diskriminieren     Mann, trans* Junge, trans* Frau, trans*              der (veralteten) Rechtsprechung stam-
kann. Doch auch wenn niemand ger-            Mädchen oder einfach „Mann“ oder                     men. Gleichzeitig gibt es aber auch
ne jemandem auf die Füße tritt, ist das      „Frau“                                               trans* Personen, denen die Begriffe
Schweigen die falsche Lösung. Für ein                                                             sehr wichtig sind und für die diese
offenes Umfeld, in dem Coming-outs leicht    •   Es sollte immer das Geschlecht be-               Begriffe eine große Bedeutung haben.
fallen, muss auf positive und wertschät-         nannt werden, mit dem sich die die_der
zende Weise über sexuelle und ge-                Jugendliche identifiziert. Eine Person       „Transition“
schlechtliche Vielfalt gesprochen werden.        der bei ihrer Geburt von Eltern, Sorge-
                                                 ­berechtigten und Ärzt_innen das             •   Dies ist der korrekte Begriff für den
Zur einfachen Orientierung finden sich            männlich Geschlecht zugewiesen                  Prozess in dem trans* Personen ihr
folgend einige Begriffe und Sprechwei-            wurde, sich aber z. B. als Frau identi-         Auftreten und in vielen Fällen auch den
sen, die von queeren Menschen selbst              fiziert, ist demnach immer eine Frau.           Körper an ihr empfundenes Geschlecht
häufig verwendet werden und daher klar            Es ist anzunehmen, dass sie auch vor            anpassen. Begriffe wie „Geschlechts-
zu bevorzugen sind:                               ihrem Coming-out eine Frau war und              umwandlung“ sollten unbedingt ver-
                                                  in der Kindheit ein Mädchen, eben nur           mieden werden.

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Diskriminierung in                                                                      sehr stärkend empfunden werden, sich zu
                                                                                             wehren und sich durchzusetzen.
                                                                                                                                           liegen, die diskriminierendes Verhalten
                                                                                                                                           ausgeübt haben, sondern bei der Person,
     verschiedenen Zusammenhängen                                                            Abhängig davon, wie in eine Situation
                                                                                                                                           die von diesem Verhalten betroffen wur-
                                                                                                                                           de. Es ist zwar sinnvoll, dafür zu sorgen,
                                                                                             eingeschritten wird und wie die Situation     dass alle etwas aus dem Konflikt lernen,
                                                                                             ist, kann es für andere Hinweise auf die      man sollte aber als allererstes schauen,
                                                                                             sexuelle oder geschlechtliche Orientie-       was die Person, die diskriminiert wurde,
Diskriminierung ist nicht gleich Diskrimi-
                                                                                             rung von beteiligten Jugendlichen geben.      braucht und wie es ihr geht.
nierung. Neben dem Merkmal und der
                                                                                             Man muss immer darauf achten, queere
Zugehörigkeit bzw. der Ablehnung durch
                                                                                             Jugendliche durch ein Einschreiten nicht      Dies schafft ggf. sogar Zeit, in der dieje-
die Gesellschaft muss für die Jugendarbeit
                                                                                             unfreiwillig zu outen.                        nigen, die das Verhalten ausgeübt haben,
auch immer der jeweilige Kontext berück-
                                                                                                                                           darüber nachdenken können. Nach einer
sichtigt werden.
                                                                                             Sieht man, dass die_der betroffene            ersten Auseinandersetzung mit ihrem
                                                                                             Jugendliche mit der Situation überfordert     eigenen Verhalten, lässt sich ggf. gut an
Situationen, in denen Diskriminierung
                                                                                             ist, empfiehlt es sich, die Situation abzu-   die Gedanken anknüpfen, die sie sich
stattfindet, können unterschiedlichste
                                                                                             brechen und die_den betroffene_n Jugend-      gemacht haben.
Akteur_innen beinhalten (Jugendliche,         Wenn man Diskrimi­nierung                      liche_n aus der Situation herauszuholen.
Erwachsene, Betreuer_innen, Eltern/           beobachtet                                     Grundsätzlich ist es sinnvoll, den Jugend-    Die Zeit, in der man sich um die_den
Sorgeberechtigte) und in verschiedensten
                                                                                             lichen im Verein klar zu verstehen zu         Jugendliche_n kümmert, kann gut genutzt
Kontexten auftreten (Verein/Verband, El-     Bedachtes Einschreiten                          geben, dass man in der eigenen Gruppe         werden, um herauszufinden, wie man der
ternhaus, Schule, auf der offenen Straße).
                                                                                             keine Homo- und Trans*feindlichkeit dul-      betroffenen Person wirklich helfen kann.
Während es oft, gerade bei extremen          Manchmal beobachtet man direkt eine
                                                                                             det. Dies gibt queeren Jugendlichen dann
Situationen, sinnvoll ist, erfahrene Fach-   Situation und ist sich unsicher, inwiefern
                                                                                             wiederum zu verstehen, dass der Verein
kräfte zu involvieren, sollen im nächsten    man einschreiten soll und kann.
                                                                                             hinter ihnen steht.
Abschnitt einige Anhaltspunkte zu einer
ersten Orientierung geliefert werden,        Bei gefährlichen Situationen, wie einer
                                                                                             Ist man sich doch mal unsicher wie man
wenn diskriminierendes Handeln beob-         physischen Auseinandersetzung, muss
                                                                                             reagieren soll, ist es angeraten, sich mit
achtet wird oder Jugendliche auf einen       selbstverständlich unmittelbar eingeschrit-
                                                                                             den queeren Jugendlichen abzusprechen
zukommen und auf diskriminierendes           ten werden. Und auch wenn Jugendliche
                                                                                             und gemeinsam Strategien zu entwickeln.
Verhalten aufmerksam machen.                 homo- und transfeindliche Dinge sagen,
                                                                                             Es ist gerade bei weniger extremen Fällen
                                             sollte man direkt eingreifen und deutlich
                                                                                             manchmal besser, einmal nicht direkt zu
Es soll damit beispielhaft aufgezeigt        zeigen, dass solche Aussagen nicht in
                                                                                             intervenieren, als dabei gegen die Inter-      Wenn man
werden, wie mit verschiedenen diskrimi-      Ordnung sind. Ist ein_e queere_r Jugend-
                                                                                             essen der betroffenen Person zu handeln.       angesprochen wird
nierenden Vorfällen in unterschiedlichen     liche_r (oder ein_e Jugendliche_r, der_dem
                                                                                             Im Zentrum sollte immer die Frage stehen,
Zusammenhängen umgegangen werden             zugeschrieben wird, queer zu sein) jedoch
                                                                                             wie die von Diskriminierung betroffene        Die Situation ernst nehmen
kann. Da die hier angeführten Situationen    direkt in einen verbalen Konflikt involviert,
                                                                                             Person das Verhalten der Betreuer_innen
nur beispielhaft sind, sollten immer auch    empfiehlt es sich, bedacht einzuschreiten.
                                                                                             empfinden wird.                               Wenn sich ein_e Jugendliche_r an Jugend-
die eigenen und bereits vorhandenen
                                                                                                                                           leiter_innen wendet und von Diskriminie-
Kompetenzen einbezogen werden.               Wehrt sich die_der betroffene Jugendliche
                                                                                             Aufmerksamkeit und Zeit                       rung berichtet, kann es sein, dass sie_er
                                             und wirkt handlungsfähig, ist es sinnvoll
                                                                                                                                           sich bloß Frust von der Seele reden will,
                                             sie_ihn eher zu unterstützen, als den Kon-
                                                                                             Nach einem Konflikt oder Vorfall sollte die   ohne dass ein Einschreiten gewünscht ist.
                                             flikt direkt abzubrechen, denn es kann als
                                                                                             Aufmerksamkeit nicht zunächst auf denen       Insgesamt ist es zunächst als Vertrauens-

14                                                                                                                                                                                  15
beweis zu verstehen, wenn ein_e Jugendli-      Blick positiv erscheinen mögen, können         			       Solche Aussagen können                sich anvertrauen können. Oftmals stellt
che_r eine_n Jugendleiter_in dazu auswählt,    diskriminierend sein. Aussagen wie „Ich                  in diesem Moment helfen:              diese Situation eine der wenigen Möglich-
denn sie wird sich mit großer Wahrschein-      wollte schon immer einen besten schwu-                                                         keiten dar, sich außerhalb der Schule oder
lichkeit jemanden aussuchen, bei dem           len Freund“ mögen sich auf den ersten          •   „Nein, du bist gut, so wie du bist!         Familie an eine_n Gesprächspartner_in zu
sie glaubt verstanden zu werden. Es ist        Blick positiv anhören, verkörpern aber be-         Die anderen haben einfach noch              wenden. Der Vertrauensbeweis, den ein_e
daher sehr wichtig zuzuhören, mitzufühlen      stimmte Vorurteile, mit denen in diesem            einiges zu lernen!“                         Jugendliche_r durch das Suchen eines
und sich Zeit zu nehmen. Etwas Direktes        Beispiel Schwule, regelmäßig konfrontiert                                                      Gesprächs erbringt, ist daher zunächst im-
unternehmen sollte man nur in Absprache        sind. Ob sich eine Person als „bester          •   „Du sollst dich so verhalten, wie du        mer einmal wertzuschätzen und vor allen
mit der_dem betroffenen Jugendlichen,          Freund“ eignet hängt schließlich nicht             es für richtig hältst, ob feminin oder      Dingen ernst zu nehmen.
denn nicht immer wird gewünscht, dass          davon ab, welche sexuelle Orientierung             maskulin ist doch ganz egal. Es ist
überhaupt etwas unternommen wird.              die Person hat. Solchen Zuschreibungen             nicht deine Schuld, dass die anderen        Wird man von einer_einem Jugendlichen
                                               kann z. B. das Vorurteil unterliegen, dass         solche Vorurteile haben!                    angesprochen, ist es wichtig, sich einen
Man kann die_den Jugendliche_n aber gut        sich Schwule grundsätzlich gut mit Mode                                                        Überblick über die Sachlage zu verschaffen,
unterstützen, indem man sie fragt, wie         auskennen und es lieben, mit Mädchen                                                           um die Situation gemeinsam mit der_dem
man ihr helfen kann. Es ist auch sinnvoll,     über Jungs zu sprechen.                                                                        Jugendlichen einschätzen zu können.
anzubieten, dass sich die_der Jugendliche                                                         Orte der Diskriminierung
in Zukunft gerne wieder an einen wenden        Falls man nicht versteht, warum sich                                                           Wesentlich für diese Einschätzung ist
kann und man der_dem Jugendlichen              ein_e queere_r Jugendliche_r in einer          Kontext Elternhaus                              eine Schilderung dessen, wie sich die
einen sicheren Rahmen bietet, in dem           Situation diskriminiert fühlt, ist es beson-                                                   Probleme aus der Sicht des_der Jugend-
sie_er sich weiter öffnen kann.                ders wichtig, die Schuld nicht bei der von     Ein unterstützendes Klima hinsichtlich der      lichen darstellen. Hier sollte zunächst
                                               Diskriminierung betroffenen Person zu          Themen sexueller Orientierung und ge-           einmal Raum gegeben werden, sich zu
In keinem Fall sollte man versuchen, die       suchen. Wenn die_der Jugendliche sich auf      schlechtlicher Identität im eigenen Verband     äußern. Oft ist diese Möglichkeit, sich
Situation klein zu reden oder versuchen,       Einwände hin anfängt zu rechtfertigen, ist     vermittelt Jugendlichen ein positives Selbst-   jemandem Außenstehenden zu öffnen
der_dem Jugendlichen zu vermitteln, dass       dies ein guter Hinweis darauf, dass man        bild und gibt ihnen ausreichend Rückhalt,       und gehört zu werden, bereits eine große
es „doch gar nicht so schlimm war“.            sie_ihn gerade nicht gut unterstützt.          um sich z. B. auch im Elternhaus zu outen       Entlastung für die Jugendlichen.
                                                                                              oder outen zu wollen. Mag diese Erfahrung
Diskriminierung verstehen                                                                     bereits im Verband überwiegend positiv          Im Gespräch kann geklärt werden,
                                               			       Solche Aussagen sollte man           gewesen sein, kann es an anderer Stelle         woran sich die Ängste des_der
Manchmal ist es nur eine Kleinigkeit, die                unbedingt vermeiden:                 anders verlaufen: Die Eltern reagieren ab-      Jugendlichen festmachen, und
das Fass zum Überlaufen bringt und                                                            lehnend, äußern sich teilweise trans*- und      wo sie_er zurzeit steht:
Kleinigkeiten werden gerne übersehen.          •   „Es ist halt auch nicht einfach für die    homofeindlich oder sind im ersten Moment
Ist man in einer Situation, in der nicht           anderen, du musst sie auch verstehen“      distanziert und mehr mit sich selbst be-
nachvollzogen werden kann, wieso sich                                                         schäftigt. Jugendliche sind sich dieses Risi-   •   Hat ein Coming-out in der Familie
ein_e Jugendliche_r diskriminiert fühlt oder   •   „Wenn du dich mal wie ein richtiger        kos bewusst und so stehen in vielen Fällen          bereits stattgefunden?
nicht versteht, warum sie_er reagiert, wie         Junge verhalten würdest, hättest du        einem Coming-out in der Familie Ängste
sie_er reagiert, sollte man sich zurück-           auch diese Probleme nicht“                 vor negativen Reaktionen im Weg.                •   Wird das Bedürfnis, sich zu outen
nehmen und zuhören. Es sollte bedacht                                                                                                             zurzeit so stark erlebt, dass ein
werden, dass das auslösende Ereignis ggf.      Falls die_der von Diskriminierung be-          Ein offener, vertrauensvoller und respekt-          Coming-out im Elternhaus unaus-
nur eines von vielen war. Es hilft, sich die   troffene Jugendliche jedoch anfängt, die       voller Umgang im eigenen Verband ist ins-           weichlich erscheint?
alltägliche Diskriminierung von queeren        Fehler bei sich zu suchen ist es ratsam,       besondere in solchen Situationen hilfreich:
Jugendlichen vor Augen zu führen.              sie_ihn darin zu bekräftigen, dass es          Den Jugendlichen wird vermittelt, dass sie      •   Was steht dem Coming-out im
Auch Situationen, die auf den ersten           nicht ihre_seine Schuld ist.                   hier Bezugspersonen finden, denen sie               Wege?

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•    Haben sich die Eltern allgemein          Oft ist es hilfreich, zunächst einmal zu       Es gibt verschiedene Arten von                 halten ist: Auf welche Äußerungen kann
     negativ über Homosexualität oder         versuchen, die Perspektive der Eltern          Strategien, die Jugendlichen                   wie reagiert werden und wann nimmt die
     Transiden­tität geäußert?                einzunehmen, ohne dabei die Erfahrungen        dabei helfen können, ihre Lage                 Situation soweit überhand, dass ein_e
                                              und Erlebnisse der_des Jugendlichen zu         im Elternhaus zu verbessern.                   Jugendliche_r sie abbrechen will oder aus
•    Hat ein Coming-out im Freundeskreis      übergehen. Ist das Coming-out erst vor         Diese Strategien können dabei un-              ihr herausgeholt werden möchte? Wie
     oder Verband bereits stattgefunden       Kurzem geschehen, brauchen oft auch die        terschiedliche Ziele verfolgen:                lassen sich Gespräche abbrechen und
     und hat die_der Jugendliche somit        Eltern Zeit, diese Neuigkeit zu verarbeiten                                                   kann im Ernstfall z. B. der Raum verlassen
     bereits Erfahrung mit Coming-outs?       und zu verstehen, dass ihr Kind nach wie       •   Damit umgehen:                             werden oder eine_n Freund_in, ein ande-
                                              vor dieselbe Person ist. In diesem Sin-            Es kann sehr hilfreich sein, wenn          res Familienmitglied oder eine qualifizierte
•    Hat die_der Jugendliche einen Freun-     ne gibt es durchaus Ähnlichkeiten zum              Jugendliche Strategien haben, mit          Fachkraft angerufen werden?
     deskreis, der sie_ihn unterstützt und    eigenen, inneren Coming-out: Während               denen sie sich eigenständig aus dis-
     auf den sie_er sich verlassen kann?      Jugendliche selbst viel Zeit und Kraft in          kriminierenden Situationen heraus­         Wichtig ist es hierbei, eine gute Balance
                                              den Prozess der Selbstfindung haben ste-           bewegen können.                            zwischen der Einstellung auf das Worst-
•    Wird der Umgang mit Freund_innen         cken müssen, fallen Eltern nicht selten aus                                                   Case-Szenario und einem optimistischen
     verboten, von denen die Eltern glau-     allen Wolken. Steht ein Coming-out noch        •   Verständnis aufbauen:                      Ausblick zu schaffen. Haben sich Jugendli-
     ben, sie seien queer?                    bevor, kann es dementsprechend hilf-               Gerade längerfristig kann es sehr loh-     che z. B. bereits im Verband geoutet, kann
                                              reich sein, sich gemeinsam zu überlegen,           nend sein, den Eltern Verständnis für      dies als mutiger Schritt hervorgehoben
•    Ist die_der Jugendliche persönlich       welche Reaktion seitens der Eltern denn            sexuelle und geschlechtliche Vielfalt      werden, der die Stärke und Selbstwirk-
     angegriffen worden?                      überhaupt wünschenswert wäre, und wie              zu vermitteln.                             samkeit der Jugendlichen unterstreicht.
                                              mit anderen Reaktionen umgegangen
•    Sind diskriminierende Äußerungen         werden kann: Was wäre beispielsweise           •   Rückhalt sichern:                          Stehen mögliche unerwünschte Folgen zu
     seitens der Eltern bewusst gewählt       das Schlimmste/                                    Für queere Jugendliche ist es sehr wich-   sehr im Zentrum, kann dies den Jugendli-
     worden oder handelt es sich mög­lich­    Beste, was geschehen könnte? Was                   tig, Unterstützung im eigenen Freun-       chen den Mut nehmen, ein Coming-out zu
     er­weise um unreflektiertes Verhalten?   müsste geschehen, damit ein_e Jugendli-            deskreis zu finden. Dementsprechend        verwirklichen. Gleichzeitig sollten sie nicht
                                              che_r diesen Schritt machen kann?                  ist es wichtig, diesen auch zu erhalten,   unvorbereitet in Coming-out Gespräche
•    Gibt es Personen in der Familie                                                             wenn Eltern versuchen, den Kontakt         gehen, wenn es Anzeichen gibt, dass die
     (Tanten, Onkel, ältere Geschwister)      Letztlich bleibt aber der_die Jugendliche          zu anderen queeren Jugendlichen zu         Eltern es nicht gut aufnehmen könnten.
     oder im Freundeskreis der Familie,       Expert_in für die eigene Situation und je-         untersagen, weil sie diesen z. B. unter-   Auch wenn Jugendleiter_innen oft keine
     die ein Gespräch begleiten und die       mand, der die Eltern nicht kennt, kann dem         stellen, ihr Kind „queer zu machen“.       Expert_innen für Antidiskriminierung sind,
     Entwicklung des Gesprächs positiv        Kind mit Hinweisen loyal zur Seite stehen,                                                    können sie dennoch den Jugendlichen
     beeinflussen können?                     sollte aber mit konkreten Ratschlägen um-      Oft kann in solchen Fällen Faktenwissen        dabei helfen, ihre individuelle Problemlage
                                              sichtig umgehen. Dennoch können in Ge-         die Jugendlichen in ihrer Situation stärken;   zu sortieren.
                                              sprächen gemeinsam Strategien erarbeitet       Broschüren können ausgegeben werden,
                                              werden, so lange sie lediglich als Option im   die vielleicht auch die Eltern lesen. Diese    Zusammengefasst kann sich
Achtung: Sollten im Gespräch Schilder­        Raum stehen und der_die Jugendliche sie        können, wenn die Angst, sie persönlich zu      folgendermaßen auf Coming-out-
ungen von meldepflichtigen Vorkomm-           auch zurück­weisen kann.                       übergeben, zu groß ist, auch im Wohn-          Gespräche vorbereitet werden:
nissen zu Tage treten oder sich ein                                                          zimmer auf dem Esstisch „liegen gelas-
Verdacht auf Kindeswohlgefährung              Ähnlich wie bei Diskriminierung im eige-       sen“ werden, so dass die Eltern sie sehen
erhärten, ist dies in besonderer Weise        nen Verband ist dabei immer das Wohler-        und möglicherweise lesen. Es können            •   Was ist das Schlimmste, was
zu behandeln (siehe Seite 24).                gehen der_des Jugendlichen im Fokus.           auch Szenarien erprobt werden, wann im             passieren kann?
                                                                                             Elternhaus eine Situation auftritt, die für
                                                                                             den_die Jugendliche nicht mehr auszu-          •   Was ist das Beste, was passieren kann?

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•    Wie können Eltern auf ein Gespräch              nicht hinter ihrem_seinem Rücken Ge-           wenn Jugendliche nicht selbstbewusst           der gleichen Situation befinden, zur
     vorbereitet werden (z. B. Broschüre             spräche mit den Eltern/Sorgeberechtig-         zu sich selbst stehen.                         Seite stellen.
     auslegen)?                                      ten zu führen. Das könnte sonst nämlich
•    Mögliche erwartete Situationen können           das Vertrauensverhältnis zu der_dem        •   Keine Schuld einreden:                     •   Weitere Gespräche:
     durchgespielt werden – Was antwor-              Jugendlichen verletzen. Zudem könnte           Vorwürfe sollten vermieden werden!             Für eine Besserung der Situation, kann
     ten die Jugendlichen auf bestimmte              es sein, dass die Eltern/Sorgeberech-          Es bringt nichts, den Eltern Schuld            es notwendig und hilfreich sein, meh-
     Aussagen und Einwände?                          tigten bloß versuchen, die Betreuer_in-        einzureden. Dies würde nur die Chance          rere Gespräche zu führen. Den Eltern/
                                                     nen auszufragen. Es ist sinnvoll, mit          erhöhen, dass sie sich einem gegen-            Sorge­berechtigten kann z. B. angebo-
•    Wer kann bei einem Gespräch helfen              der_dem Jugendlichen abzusprechen,             über schließen und nicht mehr mit sich         ten werden, in einigen Wochen erneut
     (Freund_innen, andere Familienmit­              was erzählt werden darf und was nicht.         reden lassen. Besser ist es stattdessen,       zu sprechen. Dies sollte so auch prak-
     glieder, Jugendleiter_in)?                                                                     das vorhandene Potential zu betonen            tiziert werden, wenn man im ersten
                                                 •   Eine klare Linie:                              und Mut zu machen, offen mit dem               Gespräch nur auf Ablehnung gestoßen
•    Wer kann den Jugendlichen akut                  Es ist sinnvoll, klar auszudrücken,            Thema umzugehen.                               ist. Manche Eltern brauchen mehr Zeit
     helfen, nachdem ein Gespräch schief-            wie der Verband mit sexueller und                                                             als andere.
     gelaufen ist (Nummer gegen Kummer,              geschlechtlicher Vielfalt umgeht und       •   Die richtige Atmosphäre:
     Fachberatungsstelle)?                           warum. Wenn Unsicherheit besteht,              Ein gutes Gespräch lebt von dem Set-       •   Informationen:
                                                     dass das Thema nicht gut vertreten             ting, in dem es stattfindet. Die Atmo-         Abschließend ist es auch möglich, –
                                                     oder argumentiert werden kann, ist             sphäre während des Gesprächs sollte            bei schwierigen Eltern eigentlich uner­
Selbstverständlich werden diskriminie-               es sinnvoll, weitere Personen wie z. B.        den Eltern/Sorgeberechtigten vermit-           lässlich – den Eltern/Sorgeberechtigten
rendes Verhalten oder unreflektierte                 Hauptamtliche zu involvieren.                  teln, dass sie ernstgenommen werden            noch weiterführende Informationen
Äußerungen seitens der Eltern nicht                                                                 und Vertraulichkeit herrscht. Störungen,       zukommen zu lassen, wie Adressen
durch ein Gespräch sofort verschwinden.          •   Eltern ernst nehmen:                           wie andere Personen, die nichts mit            und Telefonnummern von Fachbera-
Dies muss im Gespräch mit Jugendlichen               Es ist wichtig, die Bedenken der Eltern/       der Situation zu tun haben und z. B.           tungsstellen. Es ist hierbei allerdings
ebenfalls deutlich werden. Ziel sollte es            Sorgeberechtigten ernst zu nehmen. In          an die Tür klopfen, sollten unbedingt          sehr wichtig, mit den Angeboten, Ma-
sein, die_den Jugendliche_n handlungs-               erster Linie sollte davon ausgegangen          vermieden werden. Es kann zudem in             terialien und Anlaufstellen vertraut zu
fähig zu machen in Situationen, in denen             werden, dass die hauptsächliche Mo-            manchen Fällen sinnvoll sein, in Rück-         sein, da es leider auch ungeeignete An-
sie_er Diskriminierung im Elternhaus aus-            tivation der Eltern/Sorgeberechtigten          sprache mit den Eltern und der_dem             gebote gibt. Bei Unsicherheiten steht
gesetzt ist und so, auch mit langem Atem,            die echte Sorge um ihr Kind ist. Wie           Jugendlichen, anerkannte Expert_innen          die Landesfachstelle Hessen „Queere
dagegen anzugehen.                                   begründet diese Bedenken sind, ist             zu involvieren. Dies kann einerseits           Jugendarbeit“ im hjr gerne beratend
                                                     zunächst unerheblich.                          die Qualität des Gesprächs verbessern          zur Seite.
Sollten die Eltern/Sorgeberechtigten                                                                und andererseits hören manche Eltern /
z. B. selbst Teil des Vereins sein und               Es ist oft notwendig, zunächst auch            Sorgeberechtigten ausgewiesenen            Kontext Schule
auf eine_n Jugendleiter_in zukom-                    unbegründete Bedenken ernst zu                 Expert_innen noch mal anders zu und
men und das Thema ansprechen                         nehmen, um über die Arbeit mit den             glauben ihnen eher. Manchmal hilft es      Berichten Jugendliche davon, wie sie in
oder die_der Jugendliche explizit ein                Eltern zu einem positiven Ergebnis für         auch z. B. ein hochrangiges Verbands-      der Schule Diskriminierung wegen ihrer
Gespräch zwischen Jugendleiter_in                    die_den Jugendliche_n zu kommen.               mitglied, wie ein Vorstandsmitglied, zu    geschlechtlichen Identität oder sexuellen
und Eltern wünschen, kann sich an                                                                   involvieren, wenn davon ausgegangen        Orientierung erfahren, können Aktive in
folgenden Punkten orientiert werden:             •   Begründete Sorgen:                             werden kann, dass die Eltern /Sorgebe-     der Jugendarbeit die Jugendlichen dabei
                                                     Den Eltern kann deutlich gemacht wer-          rechtigte das Urteil dieser Person sehr    unterstützen, passende Hilfe in Anspruch
•    Selbstbestimmung:                               den, dass ihre Kinder nicht in Gefahr          schätzen. Ggf. kann man den Eltern /       zu nehmen. Wichtig ist es hierbei, sich
     Es ist wichtig, bei einer solchen Anfrage       schweben, weil sie z. B. lesbisch sind.        Sorgeberechtigten auch gelassene           als Jugendleiter_in nicht zu überschätzen
     die_den Jugendliche_n zu involvieren und        Die größte Gefahr entsteht stattdessen,        Eltern/Sorgeberechtigte, die sich in       und die eigene Verantwortung sowie

20                                                                                                                                                                                        21
die eigenen Grenzen zu kennen. Nimmt               Vertrauenslehrer_innen, Beratungsstel-     kommen. Sei es, dass es z. B. zu Vorfällen    darauf, was der eigene Verband auf der
man wahr, dass Jugendliche von Diskri-             len für queere Menschen oder queere        zwischen Jugendlichen in der Jugend-          Bundesebene macht.
minierung in der Schule erzählen, kann             Jugendangebote in der Nähe. Falls          gruppe kommt oder aber ältere Vereins-
das folgende Vorgehen eine Orientierung            keine Angebote bekannt sind, kann          mitglieder vorurteilsbehaftet mit queeren     Ganz wichtig ist, dass man sich nicht
bieten:                                            man recherchieren und den Jugend-          Jugendlichen umgehen. Wie man akut            mit Aussagen wie „das spielt bei uns
                                                   lichen etwas Passendes raussuchen.         mit Situationen umgeht, in denen man          keine Rolle“ abspeisen lässt. Queere
•    Zuhören:                                      Hierbei hilft entweder die Webseite        diskriminierendes Verhalten beobachtet,       Jugendliche gibt es überall und wo man
     Vielleicht will die_der Jugendliche           der Landesfachstelle Hessen „Queere        ist schon auf Seite 14 geschildert worden.    sie nicht sieht, trauen sie sich nicht, sich
     einfach über die eigenen Erfahrungen          Jugendarbeit“ oder ein Anruf bei dieser.   Und auch wie man queere Jugendliche,          zu zeigen!
     reden und braucht jemanden, der ihr_                                                     die das Ziel von Diskriminierung gewor-
     ihm zuhört. Berichten Jugendliche von     •   Auffangen:                                 den sind, am besten unterstützt, lässt sich   Im Verband etwas zu bewegen, muss aber
     Diskriminierung in der Schule, sollte         Man kann sich im Verein umso mehr          dort nachlesen. Will man jedoch langfris-     nicht nur heißen, auf Fehlverhalten zu achten
     man sich also die Zeit nehmen zuzuhö-         Mühe geben, ein diskriminierungsar-        tig etwas gegen diskriminierendes Ver-        und Personen für homofeindliche Sprüche zu
     ren und das Gesagte ernst nehmen.             mes Umfeld zu schaffen, in dem sich        halten im Verband unternehmen und geht        ermahnen. Stattdessen lässt sich auch mit
                                                   auch queere Jugendliche wohlfühlen.        es (auch) von Erwachsenen aus, ist die        Jugendlichen und oder anderen Personen
•    Solidarität:                                                                             Problemlage eine andere. Hier sind gera-      aus dem Verein auf positive Weise zu dem
     Man sollte den Jugendlichen zu verste-    Insgesamt sollte man versuchen, die            de auch die Jugendleiter_innen gefragt,       Thema arbeiten. Gerade für die Bildungs-
     hen geben, dass sie nicht damit allein    Jugendlichen bei einer Anfrage bzgl. der       die konkret mit Jugendlichen im Kontakt       arbeit gibt es eine Hülle und Fülle an
     gelassen werden und Bereitschaft exis-    Schule nicht abzuweisen, ihnen aber auch       stehen und deren Probleme daher gut           queeren Materialien und Methoden.
     tiert, zu helfen. Aber auch hier sollte   nicht mehr zu versprechen, als man leis-       wahrnehmen können. Insgesamt haben
     man nichts versprechen, was man nicht     ten/beeinflussen kann. Besonders hilfreich     Jugendleiter_innen, Ehrenamtliche und         Nähere Informationen gibt es auf der Seite
     halten kann.                              ist es, die Jugendlichen bei ihrem Prozess     Hauptamtliche einen direkten Einfluss         der Landesfachstelle Hessen „Queere
                                               des sich-Wehrens zu unterstützen. Hatte        auf verbandliche Werte und Strukturen         Jugendarbeit“.
•    Helfen:                                   die_der Jugendliche z. B. ein Gespräch mit     und können auch eine Kultur der Akzep-
     Man kann sich als Jugendleiter_in nur     der_dem Schulsozialarbeiter_in, kann man       tanz fördern. Während das nicht heißt,        Bemerkt man diskriminierendes
     sehr bedingt direkt in das Geschehen      nachhaken, wie dieses Gespräch gelaufen        dass sich alle Probleme über Nacht lösen      Verhalten ausgehend von erwach-
     in der Schule einmischen. Während es      ist und versuchen, den Jugendlichen ggf.       lassen, besteht hier trotzdem Handlungs-      senen Mitgliedern, sind mehrere
     oft hilfreich ist, die Jugendlichen auf   auch noch auf andere Weise zu helfen.          spielraum und Verantwortung.                  Schritte sinnvoll und möglich:
     die richtigen Ansprechpartner_innen                                                      Bemerkt man beispielweise, dass sich
     aufmerksam zu machen, kann man sie                                                       Personen im Verband vermehrt unsen-
     aber ggf. auch zur_zum Schulsozial-                                                      sibel zu queeren Personen oder Themen         •   Man kann anregen und selbst dafür
     arbeiter_in und anderen Angeboten/                                                       äußern, kann man sie entweder direkt              sorgen, dass im Verein/Verband über
     Ansprechpartner_innen oder Bera-                                                         darauf ansprechen oder das Thema                  das Thema sexuelle und geschlecht-
     tungsstellen begleiten, wenn sie sich                                                    gegenüber dem Vorstand ganz allgemein             liche Vielfalt und Diskriminierung
     alleine nicht trauen.                                                                    einbringen. Vielleicht hat der eigene Ver-        gesprochen wird.
                                                                                              band auch bereits eine Position zum The-
•    Informationen finden und teilen:          Kontext Verband, Verein                        ma „geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“    •   Es ist sinnvoll, andere Vereins- und
     Die Jugendlichen können auf verschie-     und Organisation                               entwickelt und unterstützt einen dabei,           Verbandsmitglieder für geschlechtliche
     dene Angebote aufmerksam gemacht                                                         sich für Vielfalt im Verband einzusetzen.         und sexuelle Vielfalt zu sensibilisieren
     werden, die ihnen direkte Hilfe anbie-    Auch in Verbänden kann es zu Diskrimi-         Und falls sich im eigenen Verein oder             und sie als Mitstreitende zu gewinnen.
     ten. Dazu gehören die Schulsozialar-      nierung aufgrund der geschlechtlichen          Verband noch nicht viel mit dem Thema
     beiter_innen, die es an Schulen gibt,     Identität oder der sexuellen Orientierung      beschäftigt wurde, lohnt sich oft ein Blick   •   Kontakt zu anderen Ortsgruppen auf-

22                                                                                                                                                                                         23
zunehmen, die Erfahrung mit dem          Kindeswohlgefärdung sichtbar werden,          All dies kommt bei queeren Jugendlichen        Kinderschutzbund oder ein Kinder- und
     Thema haben ist sinnvoll. Man kann       die ein besonderes Vorgehen erfordert.        auf Grund von Traumatisierung durch            Jugendnotruftelefon weiterhelfen.
     auch in Erfahrung bringen, was der                                                     zum Teil extreme Formen der Diskrimi­
     Verband auf Bundesebene bereits                                                        nierung gehäuft vor. Solche Fälle kann         Bekommt ein_e Gruppenhelfer_in Kennt-
     macht und anbietet.                                Beispiele dafür könnten sein:       und darf niemand allein lösen. Viele Ver­      nis von einer möglichen Kindeswohlge-
                                                                                            eine und Jugendverbände haben mittler-         fährdung, ist vor allem die zeitnahe Kon-
•    Infomaterial kann auch für Erwachsene    •   Psychische Gewalt in Form von fortge-     weile spezielle Anlaufstellen mit geschulten   taktaufnahme mit den Ansprechpersonen
     ausgelegt werden.                            setzten Abwertungen/Demütigungen/         Ansprechpartner_innen für sexualisierte        wichtig! Die Situation könnte für die_den
                                                  Verhöhnung durch Eltern, Lehrer_in-       Gewalt und Kindeswohlgefährdung. In            Jugendliche_n dramatisch sein und ein
•    Man kann den Vorstand ins Boot               nen, Mitschüler_innen, im Sportverein     Zeltlagern oder Ferienfreizeiten gibt es in    sofortiges Handeln nötig machen!
     holen und ggf. sogar einen Beschluss         usw.                                      aller Regel sog. Awarenessteams, die dann
     anregen.                                                                               Ansprechpartner_innen sind.
                                              •   Der Entzug von Liebe (… du bist nicht                                                              Weitere wichtige Hinweise:
•    Schulungen für queere Jugendliche            mehr mein Sohn, meine Tochter)            Schon bei dem Verdacht, dass eine
     können langfristig ihr Selbstvertrauen                                                 Kindeswohlgefährdung vorliegen könnte,         •   Ruhe bewahren: Wenn ein_e Jugend-
     stärken und damit auch ihre Position     •   Fortgesetzte physische Gewalt             ist es zwingend erforderlich, Kontakt mit          liche_r von Übergriffen berichtet, kann
     im Verein/Verband stärken.                                                             diesen Ansprechpersonen aufzunehmen.               unbedachtes Handeln negative Folgen
                                              •   Rausschmiss durch die Eltern und          Die Awarenessteams bzw. Ansprechper-               haben. Voreilige kopflose Handlungen
•    Schulungen für Multiplikator_innen           damit Obdachlosigkeit                     sonen für Kindeswohlgefährdung sollten             können die Situation der_des Jugendli-
     sensibilisieren nicht nur z. B. andere                                                 mit dem Schutzkonzept des Vereins/                 chen verschlimmern.
     Jugendleiter_innen, sondern geben        •   Demütigung durch sexualisierte            Verbandes sowie mit den gesetzlichen
     ihnen auch die Mittel effektiver Dinge       Übergriffe z. B. durch Mitschüler_innen   Vorgaben bei Kindeswohlgefährdung              •   Angemessen reagieren: Niemals Vor-
     im Verband verändern zu können.              oder im Sportverein                       vertraut sein und können und werden                würfe machen (… das hättest Du doch
                                                                                            dann dementsprechend aktiv werden.                 viel eher erzählen müssen …), nicht
                                              •   Bericht, dass eine Konversionstherapie                                                       „gut gemeint“ verharmlosen (… das
                                                  gemacht werden soll                       Jede_r Jugendgruppenleiter_in sollte sich          war doch sicher nicht so gemeint …)
                                                                                            vor der Übernahme einer Gruppenstunde
    Meldepflichtige                           Auch wenn sich ein_e Jugendliche_r            oder dem Beginn einer Freizeitmaßnahme         •   Bedacht agieren: Die_den Jugendli-
    Ereignisse & Kindes­                      nicht vertrauensvoll und hilfesuchend an      erkundigen, wer die entsprechenden An-             che_n nicht drängen, sondern zuhören.
    wohlgefährdung                            die_den Jugendgruppenleiter_in wendet,        sprechpersonen sind. Gibt es im Verein /           Ihr_ihm glauben und sie_ihn ernst
                                              kann durch aufmerksame und sensible           Verband noch keine dementsprechende                nehmen aber keine Versprechungen
Wenn queere Jugendliche in der Ju-            Gruppenleiter_innen eine Kindeswohl­          Anlaufstelle, so ist die Hauptamtlich-             machen, die man nicht halten kann
gendverbandsarbeit einen respektvollen        gefährdung bemerkt werden, wenn z. B.         keit oder bei Freizeiten die Lagerleitung          (… ich erzähle das keinem weiter). Eine
Umgang und geschützten Raum erleben,                                                        Ansprechpartner_in. In diesem Fall sollte          Kindeswohlgefährdung darf nicht „ein
können sie diese Sicherheit nutzen, und       •   Selbstverletzungen bemerkt werden         nun gemeinsam das weitere Vorgehen                 Geheimnis“ bleiben! Vielmehr die_den
beginnen von extremen Diskriminie-                                                          besprochen werden und unbedingt eine               Jugendliche_n darauf hinweisen, dass
rungen und Übergriffen zu berichten,          •   Essstörungen auffällig werden             Kinderschutzfachkraft (auch IseF – Inso-           es Ansprechpersonen gibt, die sich in
die weit über die üblichen alltäglichen                                                     fern erfahrene Fachkraft) hinzugezogen             der Thematik auskennen und helfen
Diskriminierungen hinausgehen. Dies ist       •   Drogenmissbrauch sichtbar wird            werden. Dies ist im Falle einer möglichen          können. Die_den Jugendliche_n über-
darin begründet, dass es viel Vertrauen                                                     Kindeswohlgefährdung zwingend vorge-               zeugen gemeinsam die Ansprechper-
erfordert, über solche Ereignisse zu spre-    •   Depressionen oder gar Selbstmord­         schrieben! Gibt es keine bekannte IseF,            son aufzusuchen.
chen. Hier kann eine latente oder akute           äußerungen im Raume stehen                die zur Verfügung steht, kann sicher der

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