E-Government in Entwicklungsländern

Die Seite wird erstellt Mats Schreiner
 
WEITER LESEN
E-Government in Entwicklungsländern
ZiiK-Report Nr. 31

      E-Government in Entwicklungsländern

                Ergebnisse der Veranstaltung
            "Informatik und Entwicklungsländer"
         an der TU Berlin im Sommersemester 2012

                            Oktober 2012

Herausgeber: Nazir Peroz, Saskia Steinbeck

Technische Universität Berlin
Zentrum für internationale und interkulturelle Kommunikation (ZiiK)
Fakultät Elektrotechnik und Informatik
Fraunhoferstr. 33-36, 10587 Berlin
www.ziik.tu-berlin.de                                     ISSN 1619-3660
E-Government in Entwicklungsländern
Inhaltsverzeichnis
1   Einleitung                                                                                   1

2   E-Government                                                                                2
    2.1   Entwicklung des Internets     . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      2
    2.2   Einführung in die Thematik E-Government . . . . . . . . . . . . . . . . .              3
    2.3   Entwicklungsstufen des E-Government           . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    5
    2.4   Akteure des E-Government . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .           6
    2.5   Technologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          7

3   E-Government in Deutschland                                                                  9
    3.1   Vorgeschichte   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      9
    3.2   Erste Phase: Einführung des Internet in den Verwaltungen            . . . . . . . .   10
    3.3   Zweite Phase: Die Schaung von Standards . . . . . . . . . . . . . . . . .            11
    3.4   Dritte Phase: Deutschland-Online . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          12
    3.5   Vierte Phase: Verwaltungs-IT im Grundgesetz           . . . . . . . . . . . . . . .   14
    3.6   Der IT-Planungsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        15
    3.7   Gegenwart und Zukunft       . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     17

4   E-Government in China                                                                       20
    4.1   Entwicklung des Internets in China        . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   20
          4.1.1   Politische Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     21
          4.1.2   Voraussetzungen für E-Government . . . . . . . . . . . . . . . . .            21
          4.1.3   E-Government Survey 2012 , China im Vergleich . . . . . . . . . .             21
    4.2   E-Government in China       . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     22
          4.2.1   The Golden Projects     . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     22
          4.2.2   The Government Online Project . . . . . . . . . . . . . . . . . . .           23
          4.2.3   Government Online, Enterprise Online, Family Online . . . . . . .             24
    4.3   Entwicklung und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .           26

5   E-Government in Afrika                                                                      27
    5.1   Südafrika als Regionalmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         27
    5.2   Projekte in Südafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       28
          5.2.1   Regionale und nationale Informationsseiten . . . . . . . . . . . . .          28
          5.2.2   eNaTiS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      29
          5.2.3   SARS eFiling    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     29
    5.3   Probleme und mögliche Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            30
          5.3.1   Management von Softwareprojekten . . . . . . . . . . . . . . . . .            30
          5.3.2   Infrastruktur   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     30
          5.3.3   Bildung der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         31
    5.4   Aussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      31

6   Zusammenfassung                                                                             32

                                                i
E-Government in Entwicklungsländern
Literatur        39

            ii
E-Government in Entwicklungsländern
1 Einleitung
Die Informationstechnologie (IT) ist zum wichtigsten Mittel für die Modernisierung
von Staat und Politik geworden. Die öentliche Verwaltung in Städten und Gemein-
den muss mit der Entwicklung von IT, vor allem dem Internet, Schritt halten, um ihre
Gestaltungsaufgabe auch zukünftig wahrnehmen zu können. Die Verbreitung neuer Tech-
niken ist ein langer kultureller Aneignungsprozess, der durch bestimmte Infrastrukturen
gefördert werden kann und in dessen Verlauf sich bestimmte Nutzungsschwerpunkte
durch Versuch und Irrtum herausbilden.
  Die Erwartungen, die an das neue Leitbild des Electronic Government (E-Government)
gestellt werden, wie etwa die Verbesserung der Dienstleistungsqualität, Steigerung der
Ezienz, Unterstützung von Demokratie und Partizipation, Wirtschaftsförderung und
Standortsicherung, Beseitigung von Korruption sowie Schaung eines breiten Zugangs
zum Internet sind für einige Länder aus verschiedenen Gründen jedoch eine zu groÿe
Herausforderung.
  Im Rahmen der Veranstaltung Informatik und Entwicklungsländer an der Fakultät
Elektrotechnik und Informatik der TU Berlin beschäftigten sich im Sommersemester
2012 internationale Studierende mit dieser Thematik. So wurde die Frage erörtert,
wie man die Leistungsfähigkeit der Behörden vor allem in armen Ländern mittels des
Einsatzes von IT verbessern kann, um zwischen staatlichen Dienstleistungen und Un-
ternehmen sowie Bürgern mehr Ezienz, Eektivität und Transparenz in den Arbeit-
sprozessen zu schaen. Zudem wurde die Frage gestellt, welche strukturellen Anforderun-
gen für den Einsatz eines E-Government-Projekts von Bedeutung sind und wie die Ar-
beitsabläufe in armen Ländern, die sich meist noch an einer manuellen und papierge-
bundenen Abwicklung orientieren, durch elektronische Bearbeitung optimiert werden
können.
  Es erfordert eine neue Strategie, um diese völlige Umstrukturierung der verschiede-
nen Prozessketten zu ermöglichen. Dieser Vorgang setzt bei der Realisierung politis-
che Rahmenbedingungen, eine solide IT-Infrastruktur, reichlich Potenzial an praktisch-
er Erfahrung und Fachpersonal, Bewusstsein der Mitarbeiter, Kompetenz und Verant-
wortlichkeit sowie eine gut funktionierende Managementstruktur voraus. E-Government
lässt sich nicht nur auf die Verbesserung der Beziehungen zwischen Bürger und Verwal-
tung über neue Zugangswege beschränken, vielmehr geht es darum, völlig neue Struk-
turen in diesem Bereich zu schaen und deren Nutzung nachhaltig zu sichern.
  Der vorliegende Report liefert zunächst einen geschichtlichen Überblick über die Entste-
hung von E-Government, was in dem Beitrag von Herrn Sven Lünser zu lesen ist. Herr
Daniel Gunnar Staegemann beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Entwicklung von
E-Government in Deutschland. Im dritten Beitrag betrachtet Herr Xin Guang Gong
die E-Government-Situation in China. Herr Tom Landvoigt stellt die Situation von E-
Government in Afrika am Beispiel von Südafrika vor. In der Zusammenfassung wird
eine Strategie für den Einsatz von E-Government formuliert, um die Bewältigung der
alltäglichen Aufgaben der Verwaltung in armen Ländern zu verbessern.

                                           1
2 E-Government
Sven Lünser

2.1 Entwicklung des Internets
Das Internet ist das gröÿte globale Kommunikationsnetz der Welt. Es verbindet einzelne,
von einander unabhängige Rechner beziehungsweise Netzwerke. Dadurch ist ein weltweit-
er Datenaustausch und eine weltweite elektronische Kommunikation möglich. Die Verbin-
dungen der einzelnen Rechner werden über nachrichtentechnische Kommunikationsme-
dien wie zum Beispiel Telefonleitungen, Glasfaserkabel, Richtfunk, Satelliten usw. herge-
stellt.
  In den Zeiten des "Kalten Krieges" und dem damit verbundenen Wettrüsten der
Groÿmächte USA und der Sowjetunion, welche 1957 ihre technologische Überlegenheit
mit dem ersten Satelliten namens "Sputnik" demonstrierten, begann die Geschichte des
Internets. Daraufhin wurde der Forschergeist der USA geweckt und es wurde 1958 vom
Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten eine Behörde namens ARPA
                                                                                          1   von
Dwight D. Eisenhower gegründet. Diese beschäftigte sich ab 1962 mit dem Vorläufer des
heutigen Internets namens ARPANET (vgl. [31]).
  Das ARPANET war ein dezentrales Computernetzwerk, welches aus nur vier Com-
putern an unterschiedlichen Universitäten bestand. Es wurde 1969 fertiggestellt und im
Laufe der Zeit zu einem gröÿeren Netzwerk mit mehreren Rechnern ausgebaut. Ebenso
wurden auch mehr Anwendungen für dieses Netzwerk programmiert u.a. auch der Dienst
Email. Auch in anderen Ländern wurden im Laufe der Zeit ähnliche Netzwerke entwick-
elt, so wurde Anfang der 1980er Jahre beschlossen, diese Netze zusammenzuführen zu
einem groÿem Netzwerk. Dazu wurden Tiefseekabel, aber auch Satelliten im Weltall be-
nutzt. So entstanden die       interconnected networks,    die wir heute unter der Abkürzung
"Internet" kennen. Das Internet war bis 1989 für die Allgemeinheit der Bevölkerung
recht unbekannt. Vor allem von Fachleuten wurde es benutzt und weiterentwickelt. Ein-
er dieser Fachleute war Tim Berners-Lee, Informatiker am Genfer Institut für Teilchen-
physik (CERN). Dieser schlug 1989 vor, eine Art Intranet mit grascher Benutzerober-
äche zu etablieren, denn bis dato waren alle Internetanwendungen konsolenbasiert, d.h.
alle Informationen lagen in einer reinen, unformatierten Textform vor. Er schrieb dazu
ein Programm namens "WorldWideWeb", mit dem Hypertextseiten (HTML-Seiten) er-
stellt und angezeigt werden konnten. Zur Bedienung wurde ein Browser benötigt, der
das   hypertext transfer protocol    versteht und in der   hypertext markup language   verfasste
Dokumente interpretieren und darstellen kann (vgl. [26]). Mit der Fertigstellung des er-
sten populären Browsers namens MOSAIC im Jahre 1993 begann der Boom des World
Wide Web (vgl. [20]). So gab es im Oktober 1993 bereits 500 bekannte Webserver, die
Informationen bereitstellten und der Anteil der Internetkommunikation am weltweit-
en Informationsuss der Telekommunikationsmedien betrug schon 1%. Bereits 14 Jahre
später lag dieser bei circa 97%. Die Abbildung 1 verdeutlicht diese rasante Entwicklung

 1 advanced   research projects agency

                                                2
des Internets für die Industrieländer (  blau ), als auch für die Entwicklungsländer (rot ) und
die gesamte Welt (   gelb ) eindrucksvoll. Heute ist das Internet für fast alle Menschen in den
Industriestaaten zugänglich, aufgrund dessen schöpfen auch die staatlichen Verwaltung-
sorgane immer mehr Nutzen aus dem Internet. Der Startschuss der Idee des sogenannten
E-Governments begann bei den meisten Industrieländern um die Jahrtausendwende.

               Abbildung 1: Internetnutzung pro 100 Einwohner 1997 bis 2012
                                                                                  2

2.2 Einführung in die Thematik E-Government
Unter dem Namen E-Government werden eine Vielzahl von Anwendungen gebündelt,
die die elektronische Bereitstellung und Unterstützung von Regierungs- und Verwal-
tungsaufgaben ermöglichen. Diese Anwendungen beziehen insbesondere moderne Web-
2.0-Technologien ein und zum anderen Instrumente zur Unterstützung von Verwal-
tungsaufgaben. Bis jetzt hat sich im Schrifttum noch keine dominante Abgrenzung und
Interpretation des Begris etabliert. Zum einen wird E-Government auf den Teilbere-
ich des E-Business reduziert, zum anderen wird der Begri aus der Sicht der Infor-
matik
        3   zu sehr technisch aufgefasst und im Sinne der Kommunikationswissenschaften

 2 Quelle:
         International Telecommunication Union (www.itu.int/ict/statistics)
 3 "UntereGovernment wird im Folgenden verstanden die Durchführung von Prozessen der öentlichen
   Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Politik, Staat und Verwaltung

                                               3
als neuartiges Interaktionskonzept zwischen Verwaltung und Bürgern verstanden. Eine
umfassende Denition, die die Kernaussagen vieler anderer Denitionen einschlieÿt, ist
die nachfolgende Speyerer Denition.

       Unter Electronic Government verstehen wir die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang
       mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken
       über elektronische Medien. Auf Grund der technischen Entwicklung nehmen wir an, dass diese Prozesse
       künftig sogar vollständig elektronisch durchgeführt werden können. Diese Denition umfasst sowohl die
       lokale oder kommunale Ebene, die regionale oder Landesebene, die nationale oder Bundesebene sowie die
       supranationale und globale Ebene. Eingeschlossen ist somit der gesamte öentliche Sektor, bestehend aus
       Legislative, Exekutive und Jurisdiktion sowie öentlichen Unternehmen. ([37], S.1)

E-Government ist nicht ausschlieÿlich nur für den Staat und die Verwaltung relevant,
sondern umfasst genauso die Bürger und die Wirtschaft, indem diese eine ausgezeichnete
Rolle einnehmen, nämlich die des Kunden (vgl. Abschnitt 2.4). Diese protieren vom
E-Government in dem Sinne, dass sich für sie eine exiblere und transparente Verwal-
tung sowie ein umfangreicheres Leistungsangebot, welches direkt im Internet abrufbar
ist, ergibt. Für den Staat stellt somit das E-Government ein Instrument dar, um Kun-
denzufriendenheit und die Produktivität der Verwaltung zu erhöhen. Durch die Bereit-
stellung von Onlineservices auf Internetportalen werden dadurch die Geschäftsprozesse
beschleunigt und es kommt weiterhin zu einer Kosteneinsparung auf seitens des Staates
(vgl. [40], S.8f ). Es ist zu erkennen, dass mittels E-Government zwei grundsätzlich ver-
schiedene Bereiche elektronisch abgebildet werden sollen: einerseits der Geschäftsverkehr
mit und zwischen staatlichen Stellen, andererseits neue Formen der politischen Par-
tizipation. In der von Aichholzer/Schmutzer für das Österreichische Bundeskanzleramt
durchgeführten Studie wird ein dritter Bereich unterschieden, der sich mit elektronischen
Dienstleistungen zu alltäglichen Lebenssituationen befasst (vgl. [1], S.13).

   •   eAdministration          - elektronische Unterstützung der Abwicklung von Verwaltungs-
       angelegenheiten (Behördenwegweiser und Informationen zu Amtswegen, E- mail-
       Kommunikation mit Beamten, Abrufen und Ausfüllen von Formularen, etc.)

   •   eDemocracy          - elektronische Unterstützung politischer Prozesse der Meinungs-
       bildung und Entscheidungsndung (Hintergrundinformationen, Diskussionsforen,
       Meinungsumfragen oder Abstimmungen, etc.)

   •   eAssistance       - elektronische Unterstützung der alltäglichen Lebensgestaltung (Ge-
       sundheits- und Bildungsinformationen, Job- oder Wohnungsbörse, Kartenreservie-
       rung für Kulturveranstaltungen, etc.)

   unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik." (Gesellschaft für Informatik e.V. 2000)

                                                         4
2.3 Entwicklungsstufen des E-Government
Man unterscheidet E-Government Anwendungen hinsichtlich ihrer Interaktionskomplex-
ität, sowie der Ausgestaltung ihrer Kommunikationsbeziehungen. Im Schrifttum haben
sich fünf prototypische Anwendungsphasen durchgesetzt (vgl. [40], S.12). Die Abbil-
dung 2 stellt die verschiedenen Entwicklungsstufen von E-Government Anwendungen
im Kontext ihrer Komplexität und ihrer Wertschöpfungstiefe dar. Die Informationsphase
weist den geringsten Grad der Komplexität hinsichtlich der Interaktion mit ihren Kun-
den auf. Bei dieser Art der E-Government-Anwendungen werden lediglich Informatio-
nen in elektronischer Form den Kunden zur Verfügung gestellt. Es ndet hierbei keine
weiterführende Interaktion statt. Beispielsweise sind dies Internetseiten von staatlichen
Einrichtungen oder Behörden auf denen lediglich amtliche Informationen veröentlicht
werden. Die Kommunikationsphase ist geprägt durch ein höheres Interaktionsniveau, bei
der es zum Austausch von Informationen kommt, dabei kann es sich beispielhaft um eine
Anfrage sowie Antwort per elektronischem Anfrageformular handeln. Bei Anwendungen
der Transaktionsphase werden verwaltungsbezogene Geschäftsprozesse angestoÿen und
Leistungen vollständig elektronisch bezogen. Als Beispiel für diese Phase soll die On-
linereservierung eines KFZ-Kennzeichens vor der Fahrzeuganmeldung dienen.

                 Geschäftstätigkeit/
                 Wertschöpfung

                                                                                     Integration

                                                                     Partizipation

                                                       Transaktion

                                       Kommunikation

                  Präsentation /
                   Information

                                                                                     Komplexität

                      Abbildung 2: Entwicklungsstufen des E-Governments
                                                                                          4

  In der Partizipationsphase wird der Kunde vollständig integriert, so kann er nicht nur
einen Verwaltungsprozess anstoÿen, wie in der Transaktionsphase, sondern darüber hin-
aus aktiv in den Gestaltungsprozess mit einbezogen werden. Beispielsweise sollen hier die

 4 In   Ahnlehnung an [40], S.12 Abb. 3-1

                                                           5
E-Partizipations-Anwendungen dienen, in denen die Nutzer in den politischen Gestal-
tungsprozess mit einbezogen werden, z.B. bei der Namensndung einer Straÿe oder der
Verabschiedung eines Gesetzes. Das höchste Interaktionsniveau stellen Anwendungen der
Integrationsphase dar. In dieser Phase werden die Nutzerdaten bzw. das Nutzerverhalten
und die notwendigen elektronischen Verwaltungsprozesse integriert. Die Anwendung er-
bringt und bündelt Leistungen, die über verschiedene öentliche Einrichtungen erbracht
und zusammengeführt werden müssen. Die Koordination des Datentransfers übernimmt
die Anwendung dabei für den Nutzer. Das führt zu einer Steigerung der Ezienz inner-
halb der Verwaltung und des Kundennutzens.

2.4 Akteure des E-Government
Im Kontext des E-Governments treten nicht nur der Staat und die Verwaltung, sondern
auch die Wirtschaft, Non-Prot-Organisationen sowie Non-Government-Organisationen
als auch die Bürger als wesentliche Akteursgruppen auf. Bezüglich dieser Akteursgruppen
gibt es vier mögliche Beziehungskombinationen (vgl. [37] S.1f ).

  1. Citizen to Government (C2G)

  2. Business to Government (B2G)

  3. NPO /NGO
             5       6   to Government (N2G)

  4. Government to Government (G2G)

Nachfolgend werden die einzelnen Akteursgruppen anhand kurzer Beispiele illustriert.
Ein typisches Beispiel der C2G-Interaktion stellt die Onlineterminreservierung der Bürg-
erämter per Internet dar, bei der sich der Nutzer einen für sich maÿgeschneiderten Ter-
min reservieren kann, um dann im Bürgeramt selbst nur geringe Wartezeiten (unter 15
Minuten) einplanen zu müssen. Die B2G-Kommunikation kann hingegen durch die "Elek-
tronische Lohnsteuerkarte" verdeutlicht werden. Dabei wird es Arbeitgebern möglich
sein, die maÿgeblichen Steuerdaten der Arbeitnehmer direkt dem Finanzamt zu über-
mitteln. Durch die Einbindung in entsprechende betriebliche Software-Lösungen kön-
nen auf Unternehmensseite so erheblich Ezienzgewinne erzielt werden. Eine Beziehung
zwischen NPO/NGO und Staat liegt beispielsweise dann vor, wenn durch den Staat
eine Ausschreibung im sozialen Bereich getätigt und die NPO/NGO als Adressat ange-
sprochen wird. Im Fall von G2G-Interaktion kommunizieren schlieÿlich zwei Einrichtun-
gen des öentlichen Sektors direkt miteinander. Der elektronische Abgleich von Doku-
mentendaten zwischen Kommunen und anderen Behörden, wie z.B. das Kraftfahrtbun-
desamt, kann in diesem Kontext als Praxisbeispiel dienen. Die Abbildung 3 stellt die
unterschiedlichen Akteursgruppen und Beziehungsmöglichkeiten des E-Governments im
Überblick dar.

 5 Non   Prot Organisation
 6 Non   Government Organisation

                                               6
Abbildung 3: Akteure & Interaktionsstruktur des E-Governments
                                                                               7

2.5 Technologische Grundlagen
Um E-Government nutzen zu können, müssen einige grundlegende technische Voraus-
setzungen erfüllt sein. Auf Seiten des Bürgers muss ein PC oder Laptop sowie ein Inter-
netzugang und die entsprechende Software vorhanden sein. Bei der Kommunikation mit
den Behörden über E-Mail muss ein entsprechender Account für das Senden, Empfan-
gen und Verwalten der Nachrichten zur Verfügung stehen. Beim E-Government über das
Internet werden auf Seiten der Behörden Dienste auf Servern bereitgestellt. Dabei ist es
möglich, dass Bürger über Internetformulare Daten direkt an die Behörden senden. Dy-
namische Webseiten bieten dabei die Möglichkeit, Nutzern Inhalte zu präsentieren, die
genau auf die jeweiligen Bedürfnisse passen. Die Webseite verarbeitet bestimmte, vorher
eingegebene Selektionskriterien wie Wohnort oder Anliegen sofort und zeigt dann die
gewünschten Informationen oder Formulare an. Ein entscheidender Punkt bei allen For-
men der elektronischen Kommunikation ist die Sicherheit. Damit sie mit der Verwaltung
über das Internet kommunizieren können, müssen die bisher abgeschotteten behördenin-
ternen IT-Systeme nach auÿen "geönet" werden. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten
zu Recht, dass ihre Daten sowohl bei den staatlichen Stellen als auch bei privaten Un-
ternehmen sicher sind und nicht in unbefugte Hände fallen. Wenn Verbraucher kein
Vertrauen haben, dass ihre Kreditkartendaten im Internet sicher sind, können sich wed-
er E-Government noch E-Business langfristig etablieren. Die Behörden müssen jederzeit
sicherstellen, dass unberechtigte Anfragen durch unterschiedliche technische Maÿnah-
men, wie zum Beispiel den Einsatz von Firewalls, zuverlässig unterbunden werden. Bevor
ein Kunde personalisierte Angebote in Anspruch nehmen kann, muss geprüft werden:

 7 vgl.   [40], S.15 Abb. 3-2

                                             7
Inwiefern ist er berechtigt, gewisse Aktionen zu veranlassen oder auf gewisse Daten
zuzugreifen? Diesen Vorgang nennt man Authentisierung. In vielen Fällen wird dafür
ein chipkartenbasiertes Signaturverfahren mit Zertikaten genutzt. So kann die Behörde
sicher sein, dass am heimischen Computer auch der tatsächlich Berechtigte sitzt. Inzwis-
chen bietet auch der elektronische Personalausweis diese Möglichkeiten. Werden wichtige
Unterlagen wie etwa Steuererklärungen per Post übermittelt, so schützt ein verschlossen-
er Briefumschlag die Dokumente vor den Blicken Unbefugter. Werden persönliche Daten
über das Internet übertragen, so muss auch die Vertraulichkeit der Daten sichergestellt
werden (Datenschutz). Im E-Government übernimmt die Verschlüsselung die Rolle des
Umschlags, während der Übertragung sind die Inhalte für Dritte unverständlich. Nur jen-
er Empfänger, der über den richtigen digitalen Schlüssel verfügt, kann die Daten wieder
lesen. Aufgrund der Signatur kann der Empfänger zudem sicher sein, dass die Daten
während der Übermittlung nicht verändert wurden. In dem Maÿe, wie die Prozesse in
Wirtschaft und Verwaltung immer stärker vom Funktionieren der Informations- und
Kommunikationstechnik abhängig werden, steigt auch die Zahl potenzieller Bedrohun-
gen. Gefährdet sind insbesondere die Verfügbarkeit, die Integrität und die Vertraulichkeit
von Daten und IT-Systemen. Um den Bedrohungen wirksam entgegenzutreten, muss eine
zeitgemäÿe Politik neue IT-basierte Sicherheitstechnologien nutzen und weiterentwickeln
(vgl. [43], S.36-40).

                                            8
3 E-Government in Deutschland
Daniel Gunnar Staegemann

  Die grundlegende Entwicklung des E-Government in Deutschland verlief in vier Phasen
[39]. Während diese durchlaufen wurden, entwickelten sich sowohl die Strukturen des E-
Government als auch die Anforderungen und Bedürfnisse fortwährend weiter. Doch bevor
der Entwicklung des E-Government Beachtung geschenkt werden kann, ist es notwendig
zu beleuchten, wie sich die Situation vor diesen Entwicklungen darstellte, um in der
Lage zu sein, die Motivation für die Entstehung zu verstehen. Einen weiteren Aspekt,
der groÿe Auswirkungen in diesem Zusammenhang hat, stellt die technologische En-
twicklung innerhalb Deutschlands dar. Groÿe Teile des E-Government beruhen auf der
Interaktion zwischen Bürgern und Behörden. Diese ist jedoch nur dann möglich, wenn
innerhalb der Bevölkerung sowohl die technischen Mittel als auch die Akzeptanz vorhan-
den sind. Dabei ist zu beachten, dass es beinahe unmöglich ist, die Akzeptanz ohne die
technischen Möglichkeiten zu schaen, da die Vorteile, die durch die Nutzung des E-
Government entstehen dadurch wieder aufgehoben werden, dass der potentielle Nutzer
sich vor seiner ursprünglich beabsichtigten Handlung zuerst darum bemühen muss, Zu-
gang zu der entsprechenden Technologie zu erhalten.

3.1 Vorgeschichte
Der Einsatz des Internet stellte für die deutschen Behörden den Beginn einer neuen
Zeitrechnung dar. Nie zuvor war es möglich, so schnell und direkt auf die Bedürfnisse der
Bürger einzugehen. Vergessen werden darf jedoch, bei aller Wertschätzung für das neue
Medium, nicht, dass die Geschichte des Computereinsatzes in der Verwaltung bedeutend
weiter zurück reicht. Zwar erfolgte die direkte Kommunikation mit dem Bürger persönlich
oder auf postalischem Wege, bei der Realisierung der internen Prozesse wurde jedoch
seit den 1950er Jahren mit der Nutzung von Computern experimentiert [39].
  War das Einsatzgebiet der Computer zu Anfang die Bewältigung von rechenbaren
Teilaufgaben, so wurde dieses Aufgabenfeld im Laufe der Zeit, und des technologischen
Fortschritts, erweitert. Vor der Nutzung des Internets gab es jedoch keine Möglichkeit,
Daten schnell, aufwandsarm und sicher von einer Stelle zu einer anderen zu übertragen.
Daher wurden die zu übermittelnden Daten ausgedruckt, auf dem Postweg versandt und
am Zielort wieder per Hand eingegeben [39].
  Eine weitere Folge der mangelnden Möglichkeiten zur damaligen Zeit, Daten automa-
tisiert auszutauschen, bestand darin, dass sich die Systeme innerhalb der verschiedenen
Behörden und Regionen groÿteils unabhängig voneinander entwickelten, da es keinen
praktischen Grund dafür gab, auf eine Vereinheitlichung zu drängen. Seine Ursprünge
hat dieses Phänomen jedoch in der deutschen Verwaltungsstruktur. Diese ist, bedingt
durch die Historie Deutschlands, dezentral organisiert [29]. Die Intention hinter dieser
Idee bestand darin, dass eine aufwandsarme und vollständige Akquise aller eine Person
betreenden behördlichen Daten, wie sie zu Zeiten des dritten Reiches möglich war,
und damit die Verfolgung eben dieser Person, unmöglich gemacht oder zumindest stark

                                           9
erschwert werden sollte.
  Diese heterogene Struktur war aus damaliger Sicht zwar sinnvoll oder zumindest nicht
schädlich, ist aber rückblickend die Ursache für einen erheblichen Mehraufwand auf dem
Weg zum modernen E-Government.

      Die dezentrale Zuständigkeit für organisatorische Fragen und Verwaltungsakte hat in den letzten Jahrzehn-
      ten eine entsprechend heterogene IT-Landschaft in Deutschlands Verwaltungen entstehen lassen, die
      weltweit vermutlich ihresgleichen sucht. Für identische Aufgaben wird eine Vielzahl unterschiedlicher
      Produkte eingesetzt, die untereinander meist inkompatibel sind. [24]

Zeigen sollten sich die Probleme dieser heterogenen Struktur jedoch erst in späteren
Phasen der Entwicklung des E-Government.

3.2 Erste Phase: Einführung des Internet in den Verwaltungen
Die erste Phase des E-Government in Deutschland lässt sich zeitlich ungefähr zwischen
den Jahren 1995 und 1999 einordnen [1]. Der Fokus der Behörden lag zu dieser Zeit
noch nicht darauf, behördenübergreifenden Datenaustausch zu realisieren, daher elen
die negativen Aspekte der dezentralen Organisationsstruktur auch nicht sonderlich stark
ins Gewicht, stattdessen ging es darum, Internetpräsenzen zu erstellen und zu pegen.
Weiterhin wurde die Nutzung von Internetstandards wie TCP/IP forciert [38], und die
bisherigen, regional unterschiedlichen Lösungen (ob herstellerspezisch, wie zum Beispiel
in Baden-Württemberg, wo auf die von IBM angebotene Netzwerkarchitektur SNA ver-
traut wurde, oder herstellerneutral, wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen), wurde
durch diese ersetzt [39].
  War die Anzahl der potentiellen Nutzer von Onlineangeboten im Jahr 1997 laut ein-
er gemeinsam von ARD und ZDF beauftragten Studie mit rund 4,1 Millionen Inter-
netnutzern ab vierzehn Jahren (diese Zahl entspricht einem Anteil von 6,5 Prozent
der Bevölkerung) noch gering, so stieg diese Zahl in den Folgejahren explosionsartig
[36]. Bereits ein Jahr später lag die Zahl der gelegentlichen Internetnutzer bei rund 6,6
Millionen. Dies entspricht einem Zuwachs von 61 Prozent und einem Anteil von 10,4
Prozent aller Deutschen ab einem Alter von vierzehn Jahren. Im darauolgenden Jahr
war das Wachstum mit 68 Prozent sogar noch stärker. Der Nutzeranteil lag bei 17,7
Prozent, was einer absoluten Nutzerzahl von rund 11,2 Millionen entsprach. Besonders
hervorzuheben ist die Internetanität des männlichen Geschlechts, sowie der hohe An-
teil jüngerer Nutzer. So lag der Anteil der 14-39 Jährigen unter den Internetnutzern in
den Jahren 1997 bis 1999 bei 65 bis 85 Prozent.
  Diese Daten belegen das Interesse der Bevölkerung am neuen Medium und zeigen
die Notwendigkeit, den Aufbau eines Onlineangebots der öentlichen Einrichtungen zu
forcieren. Ersichtlich wird dies zum Einen am starken Wachstum der Nutzerzahlen, zum
Anderen aber auch daran, dass, wie es bei neuen Technologien üblich ist, die Akzeptanz
in jüngeren Bevölkerungsschichten am gröÿten war. Im Laufe der Zeit würde das Internet
somit immer fester in der Gesellschaft verankert werden. Der geringe Anteil von neun
bis siebzehn Prozent der über Fünfzigjährigen an den Internetnutzern im betrachteten
Zeitraum lässt jedoch auch vermuten, dass innerhalb der Beamtenschaft eine gewisse
Skepsis gegenüber dem neuen Medium herrschte.

                                                        10
3.3 Zweite Phase: Die Schaung von Standards
Die zweite Phase der Entwicklung des E-Government in Deutschland legte den Fokus
auf die Entwicklung von Standards zur Kommunikation für die Verwaltungen [39]. Das
prominenteste Resultat dieser Bemühungen war das Online Services Computer Inter-
face (OSCI). Ziel von dessen Schaung war es, der Verwaltung eine sichere Datenüber-
tragung im Internet zu erlauben um somit die Abwicklung von Geschäften und Verwal-
tungsakten über das Internet zu ermöglichen.

      Zwischen öentlicher Verwaltung, Bürgern und Wirtschaft sollen rechtsverbindliche Dienstleistungen
     und Transaktionen vollelektronisch ohne Medienbrüche getätigt werden können . . . um so Ezienz und
     Transparenz von Verwaltungs- und Geschäftsvorgängen zu verbessern. [42]

OSCI selbst ist kein Protokoll, stattdessen handelt es sich um eine Sammlung mehrerer
verschiedener Protokolle, welche an die Anforderungen des fachlichen Austausches zwis-
chen Behörden und Bürgern innerhalb der verschiedenen Fachbereiche angepasst sind.

     Der Name OSCI: Online Services Computer Interface steht für eine Menge von Protokollen, deren
     gemeinsames Merkmal die besondere Eignung für das E-Government ist:

        •   ein Protokoll für die sichere und vertrauliche Übertragung digital signierter Dokumente über das
            Internet (OSCI-Transport) und

        •   verschiedene Protokolle, über die der Austausch fachlicher Inhaltsdaten zwischen den beteiligten
            Behörden und ihren Kunden beschrieben wird, so dass die übermittelten elektronischen Daten
            medienbruchfrei und ezient verarbeitet werden können (OSCI-XÖV-Standards).

     Die genannten Protokolle werden unter dem Oberbegri OSCI (Online Services Computer Interface)
     zusammengefasst, weil die Implementierung dieser Standards als Interface auf seiten der beteiligten
     Verwaltungen die Vereinbarung und Durchführung automatisisierter [sic] elektronischer Transaktionen
     zwischen diesen Vewaltungen [sic] (und ihren Kunden) ermöglicht und so eine medienbruchfreie Über-
     mittlung und Weiterverarbeitung elektronischer Daten im E-Government ermöglicht. [41]

Begleitet war die Entwicklung von OSCI von Auseinandersetzungen um Einuss bei der
Ausgestaltung [39]. Besonders die IT-Industrie und die zugehörigen Verbände äuÿerten
sich kritisch gegenüber den Bemühungen der Verwaltungen, Standards zu schaen. Statt-
dessen forderten sie dazu auf, lieber internationale Standards zu nutzen. Diese Forderung
ignorierte jedoch, dass es sich bei OSCI im Grunde genommen lediglich um eine Kom-
bination und Anpassung von eben jenen internationalen Standards handelte. Auch das
deutsche Institut für Normung (DIN) bemühte sich darum, an der Schaung der Stan-
dards zu partizipieren und versuchte diese an die Strukturen der internationalen Nor-
mung anzupassen. Auf Grund mehrerer Faktoren scheiterten die Bemühungen jedoch:
so wollten die Behörden die von ihnen zu nutzenden Standards selbst formulieren und
auch das Geschäftsmodell des DIN, welches den Verkauf der Dokumentation vorgesehen
hätte, widersprach dem verwaltungsinternen Prinzip der allgemeinen Gegenseitigkeit.
Dieses besagt, dass die von einer Verwaltung getätigten Entwicklungen anderen Verwal-
tungen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Somit kam es niemals zu einer DIN-
zertizierten Normung des OSCI. Auch wenn der Fokus in dieser Phase verstärkt auf
den internen Prozessen lag, wuchs die Anzahl der Deutschen, die Online waren weiter-
hin stark [5]. Das Internet hatte seinen festen Platz in der Gesellschaft gefunden, selbst
der Anteil der über 60-Jährigen, welche zumindest eine gelegentliche Onlinenutzung
vorzuweisen hatten, erreichte zweistellige Werte und somit stieg auch der Bedarf nach
Inhalten weiterhin an.

                                                       11
3.4 Dritte Phase: Deutschland-Online
Die dritte Phase auf dem Weg zu einer vernetzten Behördenlandschaft war die Initiative
Deutschland-Online       [39]. Ziel dieser Initiative war es, die Zusammenarbeit von Bund,
Ländern und Kommunen zu stärken. Um dies umzusetzen, wurden fünf Schwerpunkt-
themen festgelegt. Um der wachsenden Bedeutung des Mediums Internet Rechnung zu
tragen, sollte das Angebot an online verfügbaren Dienstleistungen ausgebaut werden.
Weiterhin sollten die verschiedenen Verwaltungsportale aufeinander abgestimmt und
verknüpft werden. So war beispielsweise ein Zuständigkeitsnder geplant um Verwal-
tungskunden die Suche nach der richtigen Anlaufstelle zu ersparen. Passend zu diesen
Abstimmungsbemühungen war auch der Aufbau einer gemeinsamen Infrastruktur zur
Vermeidung von Doppelentwicklungen und zum Erleichtern von Datentransfers vorgese-
hen. Die vierte Säule von Deutschland-Online war die Fortführung der bereits bestehen-
den Strategie der Schaung gemeinsamer Standards und Verfahren um eine reibungslose
Zusammenarbeit der verschiedenen IT-Systeme zu gewährleisten. Der letzte Programm-
punkt war allgemeinerer Natur und betonte den Willen, die Bemühungen von Bund,
Ländern und Kommunen bezüglich der Entwicklung des E-Government besser zu koor-
dinieren und erfolgreiche Lösungen ächendeckend einzusetzen.

     Bestehende und neue Vorhaben sollten durch eine gemeinsame Strategie zu einem koordinierten, ver-
     netzten Vorgehen zusammengeführt werden, um die Ergebnisse dann in der Fläche verfügbar machen zu
     können. [39]

Waren die Vorhaben in der Theorie sinnvoll, so war die Umsetzung wenig überzeugend
gestaltet [25]. Weder besaÿ Deutschland-Online ein eigenes Budget zur Umsetzung von
Projekten, noch gab es, was im Kontext der Projektziele besonders ins Auge fällt, eine
Onlineplattform zur Kommunikation zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen.
  Aufgrund dieser Mängel kam es im Jahr 2006 zu einer Neuausrichtung in Form eines
Aktionsplans [39, 8]. Neben einer Verschlankung der organisatorischen Strukturen bein-
haltete dieser die konkrete Benennung und nanzielle Unterstützung priorisierter Pro-
jekte. Zusätzlich wurde die federführende Verantwortung für diese Projekte klar zwis-
chen den Ländern und dem Bund deniert. Besondere Priorität galt dem Kfz-Wesen
unter Führung von Hamburg, dem Personenstandswesen koordiniert von Bayern, dem
Meldewesen, dessen Leitung dem Bund zugesprochen wurde, der Standardisierung, für
die der Bund gemeinsam mit Bremen verantwortlich zeichnete und dem Aufbau eines
nationalen Waenregisters unter gemeinsamer Leitung von Baden-Württemberg und
dem Bund. Weiterhin trug der Bund in Kooperation mit Hessen die Verantwortung für
eine Kommunikationsinfrastruktur, welche der Verwaltung dienen sollte. Diese Schwer-
punkte bildeten in den nächsten Jahren den Kern von Deutschland-Online und auch die
Verteilung der Zuständigkeiten wurde in den folgenden Jahren beibehalten.
  Doch nicht nur die Bundesrepublik Deutschland engagierte sich bei der Einführung
und dem Ausbau von E-Government, auch die Europäische Union (EU) befasste sich
mit dieser Thematik und versuchte sie zu forcieren [7].

     Die Erfolge und das Potenzial elektronischer Behördendienste sind bereits in mehreren EU-Mitgliedstaaten,
     die zur Weltspitze zählen, deutlich zu sehen. Dank elektronischer Rechnungslegung sparen in Dänemark
     die Steuerzahler 150 Millionen   e   und die Unternehmen 50 Millionen   e   pro Jahr. Bei einer allgemeinen
     EU-weiten Einführung könnten bis zu 50 Milliarden    e   eingespart werden. Behinderte in Belgien erhalten

                                                         12
Sozialleistungen nun in wenigen Sekunden über das Internet bewilligt, wogegen die Bearbeitung früher
      34 Wochen dauerte. Derartige Einsparungen sowie die schnelle und bequeme Abwicklung können zum
      Nutzen der Bürger bei vielen öentlichen Diensten in Europa zur Regel werden. [7]

Die Intention des Aktionsplans war es, schnell für den Bürger sichtbare Erfolge zu erzielen
und zu gewährleisten, dass eine Interoperabilität zwischen den nationalen elektronischen
Behördendiensten besteht. Weiterhin sollten elektronische Behördendienste nicht nur
auf nationaler Ebene angeboten werden, stattdessen sollte kooperiert und verstärkt an
Lösungen für die gesamte Europäische Union gearbeitet werden. Um diesen Ansprüchen
zu genügen, wurden fünf konkrete Hauptziele formuliert, welche bis 2010 erreicht werden
sollten.

      Kein Bürger bleibt zurück  Vorantreibung der digitalen Integration durch elektronische Behördendienste,
      damit bis 2010 allen Bürgern vertrauenswürdige, innovative Dienste mit einfachem Zugang für alle zur
      Verfügung stehen. [7]

Besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen können von der Einführung von E-Govern-
ment stark protieren. Damit dieser Gewinn an Lebensqualität jedoch nicht nur rein the-
oretischer Natur bleibt, ist es notwendig, den Zugang zu elektronischen Dienstleistungen
möglichst einfach zu gestalten und einen barrierefreien Zugang sicherzustellen. Dieser
schlieÿt besondere Anforderungen sowohl an die Bedienung als auch an die Präsentation
von Webseiten ein und soll somit auch Bürgern mit körperlichen Beeinträchtigungen die
Nutzung der Webangebote ermöglichen [6].

      Echte Ezienz und Eektivität  Leistung eines wesentlichen Beitrags, damit bis 2010 eine hohe Nutzerzufrieden-
      heit, Transparenz und Verantwortlichkeit sowie ein geringerer Verwaltungsaufwand und Ezienzgewinne
      erreicht werden. [7]

Zu diesem Zweck sah der Plan vor, dass die EU-Kommission die vornehmlich national
und regional ablaufende Arbeit am E-Government durch die Bereitstellung und Bew-
ertung von statistischen Daten unterstützen sollte [7]. Weiterhin sollte innerhalb der
Europäischen Union ein reger Erfahrungsaustausch stattnden und europaweite Projek-
te sollten der Ausnutzung von Skaleneekten dienen.

      Einführung sichtbarer Schlüsseldienste für Bürger und Unternehmen  bis 2010 soll die Vergabe öentlich-
      er Aufträge zu 100 % elektronisch möglich sein und zu 50 % auch tatsächlich elektronisch abgewickelt
      werden, auÿerdem soll Einigung über die Zusammenarbeit bei weiteren sichtbaren Schlüsseldiensten für
      die Bürger erzielt werden. [7]

Einige der bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichten E-Government-Dienstleistungen wur-
den als gesamteuropäisch realisierbar angesehen und sollten daher eine Vorbildfunk-
tion für die Umsetzung grenzübergreifender elektronischer Behördendienste übernehmen.
Zusätzlich sollten diese gemeinsamen Dienste als Motivation der nationalen Regierun-
gen dienen, eine europäische Interoperabilität der elektronischen Behördendienste zu
gewährleisten. Priorität zugemessen wurde dabei einer groÿächigen Nutzung und mess-
baren Wirkung, nicht einer theoretischen Verfügbarkeit. Ein Beispiel für einen Dienst,
auf dem groÿe Honungen ruhten, war die elektronische Vergabe öentlicher Aufträge,
welcher ein jährliches Sparpotential in zweistelliger Milliardenhöhe zugeschrieben wurde.
Zusätzlich erhote sich die Europäische Kommission dadurch einen Anreiz für kleine und
mittlere Unternehmen, ihre Kompetenzen im Bereich Informations- und Kommunika-
tionstechnologie zu verbessern und somit die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

                                                        13
Als weitere Schlüsseldienste galten die Gewerberegistereintragung und die Mehrwerts-
teuererstattung für Unternehmen. Einen weiteren Schwerpunkt stellten Dienste zu Ver-
besserung der Mobilität der Bürger wie beispielsweise europaweite Stellensuchdienste,
Sozialversicherungsdienste und Bildungsdienste für das Auslandsstudium dar.

     Schaung der Voraussetzungen  den Bürgern und Unternehmen soll bis 2010 europaweit ein bequemer,
     sicherer, interoperabler und authentizierter Zugang zu öentlichen Diensten zur Verfügung stehen. [7]

Als eine der wichtigsten Maÿnahmen auf dem Weg zu einem intensiv genutzten, um-
fassenden Angebot elektronischer Behördendienste identizierte die Europäische Kom-
mission die Schaung eines interoperablen elektronischen Identitätsmanagementsystems
(eIDM) um den Zugang zu ihren Dienstleistungen und oziellen Dokumenten zu Ver-
walten.

     Die Mitgliedstaaten sind sich bewusst, wie wichtig eIDM ist, damit die europäischen Bürger und Un-
     ternehmen bis 2010 über sichere und bequeme elektronische Mittel verfügen, die auf lokaler, regionaler
     oder nationaler Ebene ausgegeben werden und den Datenschutzvorschriften genügen, um sich gegenüber
     öentlichen Diensten im eigenen Land und jedem anderen EU-Mitgliedstaat zu identizieren. [7]

Bei der Entwicklung der elektronischen Identitätsmanagementsysteme schlug die Eu-
ropäische Kommission jedoch keine eigene Lösung vor, stattdessen empfahl sie, die ver-
schiedenen nationalen Ansätze weiter zu verfolgen, betonte aber auch, dass dieser Um-
stand nicht die grenzübergreifende Nutzung öentlicher Dienste behindern dürfte.

     Stärkung der Bürgerbeteiligung und der demokratischen Entscheidungsprozesse  Demonstration von Mit-
     teln zur eektiven öentlichen Diskussion und Beteiligung an der demokratischen Entscheidungsndung.
     [7]

Um das Interesse der Bürger an der Politik zu wecken und zu bewahren, ist es notwendig,
möglichst einfache Wege der Information, der Diskussion und der Partizipation anzubi-
eten. Einen groÿen Schritt in diese Richtung stellte das Internet dar, welches einer groÿen
Anzahl von Bürgern aus den verschiedensten Regionen und Gesellschaftsschichten die
Möglichkeit bietet, sich aus einem vielfältigen Angebot von Quellen zu informieren, die
eigene Meinung beispielsweise in Blogs zu publizieren, sich in Foren mit anderen Inter-
essierten auszutauschen oder auch mit Akteuren des politischen Lebens direkt in Kontakt
zu treten. Diesen eingeschlagenen Weg fortzusetzen und neue Möglichkeiten der Bürger-
beteiligung gangbar zu machen, galt daher als eines der Hauptanliegen des Aktionsplans
und sollte den Zusammenhalt der europäischen Gemeinschaft auf Grund einer besseren
Übereinstimmung von Volkswillen und tatsächlicher Politik stärken. Neben den eigenen
im Rahmen von Deutschland-Online vorangetriebenen Projekten gehörten auch diese
von der Europäischen Union festgelegten Ziele zu den priorisierten Vorhaben im Zuge
der deutschen E-Government-Bemühungen [39].

3.5 Vierte Phase: Verwaltungs-IT im Grundgesetz
Im Jahr 2009 fand in Form des neuen Artikels 91c die Verwaltungs-IT ihren Weg in das
Grundgesetz. Bestandteil dieser neuen Gesetzesgrundlage waren vier Aspekte, welche
die Voraussetzungen für die Schaung einer leistungsfähigen E-Government-Struktur
betrafen. Darin wurden sowohl die Zusammenarbeit von Bund und Ländern als auch die
Möglichkeit der Kooperation zwischen den Ländern geregelt.

                                                      14
1.   Bund und Länder können bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgaben-
               erfüllung benötigten informationstechnischen Systeme zusammenwirken.

          2.   Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen die für die Kommunikation zwischen
               ihren informationstechnischen Systemen notwendigen Standards und Sicherheitsanforderungen
               festlegen. Vereinbarungen über die Grundlagen der Zusammenarbeit nach Satz 1 können für einzelne
               nach Inhalt und Ausmaÿ bestimmte Aufgaben vorsehen, dass nähere Regelungen bei Zustimmung
               einer in der Vereinbarung zu bestimmenden qualizierten Mehrheit für Bund und Länder in Kraft
               treten. Sie bedürfen der Zustimmung des Bundestages und der Volksvertretungen der beteiligten
               Länder; das Recht zur Kündigung dieser Vereinbarungen kann nicht ausgeschlossen werden. Die
               Vereinbarungen regeln auch die Kostentragung.

          3.   Die Länder können darüber hinaus den gemeinschaftlichen Betrieb informationstechnischer Sys-
               teme sowie die Errichtung von dazu bestimmten Einrichtungen vereinbaren.

          4.   Der Bund errichtet zur Verbindung der informationstechnischen Netze des Bundes und der Länder
               ein Verbindungsnetz. Das Nähere zur Errichtung und zum Betrieb des Verbindungsnetzes regelt
               ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates. [3]

Um diese Zielstellungen zu errichten, schlossen Bund und Länder im Januar 2010 einen
Staatsvertrag, welcher unter anderem die Einrichtung eines IT-Planungsrates vorsah [39,
4]. Zu seinem Verantwortungsbereich gehörten die Koordination der Zusammenarbeit
von Bund und Ländern, der Beschluss von fachunabhängigen und fachübergreifenden
IT-Interoperabilitäts- und IT-Sicherheitsstandards, die Steuerung von ihm zugewiesenen
E-Government-Projekten sowie die Übernahme von Aufgaben für das im Grundgesetz
geforderte Verbindungsnetz. Zusätzlich wurde der IT-Planungsrat zum Rechtsnachfolger
von Deutschland-Online erklärt, welches er somit ersetzte.

3.6 Der IT-Planungsrat
Im Gegensatz zu der bisher vorherrschenden Praxis wurde der IT-Planungsrat nicht
mit reinen IT-Fachleuten besetzt [39, 4]. Stattdessen bestand das Gremium aus jew-
eils einem für IT-Fragen zuständigen Staatssekretär pro Bundesland sowie dem Beauf-
tragten der Bundesregierung für Informationstechnik. Auf diese Weise erhote man sich
sowohl eine strategischere Denkweise als auch eine Durchsetzung der Beschlüsse sicher-
stellen zu können. Unterstützung erhalten sollte der IT-Planungsrat durch eine gemein-
sam von Bund und Ländern unterhaltene und räumlich beim Bundesinnenministerium
angesiedelte Geschäftsstelle. Im September 2010 beschloss der IT-Planungsrat eine Na-
tionale E-Government-Strategie (NEGS), welche Ziele in Bezug auf Wirtschaftlichkeit,
Datenschutz, zukünftige Zielsetzungen, technische Aspekte und die Partizipation der
Bürger formulierte.

       Zielbereich   A: Orientierung am Nutzen für Bürger, Unternehmen und Verwaltung

  1.   Der Zugang wird allen potenziellen Nutzern eines Dienstes ermöglicht.

  2.   Der Zugang ist barrierefrei, die Bedienung nutzerfreundlich.

  3.   Die Nutzer haben einfachen Zugang zur Verwaltung.

  4.   Alle geeigneten Verwaltungsangelegenheiten lassen sich über das Internet abschlieÿend elektronisch erledigen.

  5.   Die Verwaltung verfügt über Kompetenz im E-Government.

                                                         15
Zielbereich   B: Wirtschaftlichkeit/Effizienz

  6.   Prozessketten sind ebenenübergreifend und kundenorientiert optimiert sowie durchgängig digitalisiert.

  7.   Unternehmen erledigen ihre Verwaltungsangebote elektronisch.

  8.   Die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen erfolgt regelmäÿig über Mittel der IKT.

       Zielbereich   C: Transparenz und Datenschutz

  9.   Datensparsamkeit

 10.   Die Nutzer erhalten Transparenz über die Verarbeitung ihrer Daten.

 11.   Handeln der Verwaltung, Durchführung von Verfahren und Gesetzgebung sind transparent und sicher.

       Zielbereich   D: Gesellschaftliche Teilhabe

 12.   Die Mitwirkung von Bürgern und Unternehmen wird gefördert.

 13.   Die Wirkung der Teilhabe der Bürger und Unternehmen wird deutlich.

       Zielbereich   E: Zukunftsfähigkeit/Nachhaltigkeit

 14.   Bund, Länder und Kommunen unterstützen Innovationsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft.

 15.   Deutschland strebt eine führende Rolle in der E-Government-Forschung an.

 16.   E-Government leistet einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit.

       Zielbereich   F: Leistungsfähige IT-Unterstützung

 17.   Der Aufbau der IT ist angemessen modular und einfach.

 18.   Inhalte, Basisdienste, Anwendungen und Infrastruktur lassen sich bündeln und wiederverwenden.

 19.   Internationale Standards, insbesondere zur Interoperabilität, werden angewandt und in der EU sowie international
       aktiv mitgestaltet.

 20.   Das E-Government ist auch in Krisensituationen funktionsfähig. [9]

Auällig bei diesen Zielen ist, dass sie sehr allgemein gehalten wurden und keiner-
lei konkrete Maÿnahmen zu ihrem Erreichen benannt wurden. Weiterhin beschäftigte
sich der IT-Planungsrat in seiner Anfangszeit damit, die bereits laufenden, durch seine
Vorgänger betreuten Projekte in sein Tätigkeitsfeld zu integrieren.
  Die verschiedenen, vom IT-Planungsrat betreuten Projekte werden seit seiner Grün-
dung in drei Kategorien unterteilt [39, 13]:
  Steuerungsprojekte sind Projekte von herausragender Bedeutung für Bund, Länder
und Kommunen [14], deren Konzeption entscheidend vom IT-Planungsrat beeinusst
wird [16]. Er besitzt Entscheidungsverantwortung in Bezug auf die Grundlagen der Pro-
jekte und übt Einuss auf die Gestaltung ihrer Inhalte aus.
  Koordinierungsprojekte  sind E-Government- oder IT-Projekte, die eine wesentliche
Komponente zur Weiternutzung im föderativen E-Government darstellen [12] und deren
Steuerung und Finanzierung, im Gegensatz zu Steuerungsprojekten, bei den ursprünglich

                                                         16
Verantwortlichen (z.B. Bund oder Länder) verbleibt [12]. Die Aufgabe des IT-Planungs-
rats beschränkt sich darauf, die entsprechenden Projekte zusammenzuführen und zu
koordinieren.
  Die dritte Projektkategorie Anwendungen sind

     IT-Lösungen mit Querschnittsfunktion bzw. übergreifenden Nutzungsmöglichkeiten, die aus Projekten oder
     projektähnlichen Strukturen hervorgegangen sind und sich zu einer Daueraufgabe entwickelt haben bzw.
     dauerhaft genutzt bzw. betrieben werden. [11]

Als Anwendung werden somit E-Government-Lösungen bezeichnet, welche eine regel-
mäÿige, praktische Nutzung in der öentlichen Verwaltung erfahren [11]. Eines der
Steuerungsprojekte und eine wichtige Grundlage für die Harmonisierung der deutschen
Verwaltungs-IT war der Ausbau der Standardisierung im Bereich Daten- und Doku-
mentenaustausch [15]. Zu diesem Zweck hat bereits im Oktober 2009 der Arbeitskreis
der E-Government-Staatssekretäre (dieser entsprach in der personellen Zusammenset-
zung dem später gegründeten IT-Planungsrat) die Schaung der Koordinierungsstelle
für IT-Standards (KoSIT) beschlossen [39, 10]. Aufgrund der bisherigen Vorherrschaft
des Landes Bremen in der IT-Standardisierung, wurde im April 2010 beschlossen, den
Sitz der KoSIT dort einzurichten. Im September 2010 beschloss der IT-Planungsrat die
organisatorischen Eckpunkte und Aufgaben der KoSIT. Zusätzlich wurde eine Experten-
gruppe mit der Ausarbeitung der Details betraut und das aus dieser Arbeit entstandene
Errichtungskonzept im März 2011 beschlossen. Finanziell bedeutete die Einrichtung der
KoSIT jedoch keine Veränderung, da ihr Budget dem Betrag entspricht, der in den Vor-
jahren für die Bearbeitung der nun von ihr übernommenen Aufgaben vorgesehen war.

3.7 Gegenwart und Zukunft
Im Jahr 2012 sind die gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine breite Nutzung von
E-Government-Angeboten geschaen. Die Versorgung mit Strom ist beispielhaft in der
EU [32], der Anteil der Internetnutzer unter allen Deutschen ab 14 Jahren ist mit 75,6%
hoch und diese Tendenz ist weiter steigend [34]. Es ist zu vermuten, dass dieser Trend
auch in Zukunft anhalten wird, da die ältere, unterdurchschnittlich internetane Gen-
eration (so hatte die Generation 60+ im Jahr 2010 einen Anteil von rund 30% an der
Zahl der Einwohner über 14, aber nur einen Anteil von rund 14,35% an der Zahl der
Internetnutzer über 14) im Laufe der Zeit durch eine neue und aufgrund der Tatsache,
dass sie bereits in früheren Lebensjahren mit dem Internet konfrontiert wurde, weniger
skeptische Generation 60+ ersetzt werden wird [16, 35, 33]. Auch das allgemeine Bil-
dungsniveau ist hoch, so hatten im Jahr 2011 von den Deutschen über 15 Jahren 95,6%
einen Schulabschluss oder steckten noch inmitten ihrer schulischen Ausbildung [17]. Von
der in der Erhebung berücksichtigten Gruppe der über 15-Jährigen wiesen 13,1% einen
Fachhochschulabschluss oder einen höherwertigen Abschluss auf. Somit verfügt Deutsch-
land neben der groÿächigen allgemeinen Schulbildung, welche aufgrund der erworbenen
Grundfertigkeiten wie beispielsweise Lesen und Schreiben wichtig für das Nutzerpoten-
tial von E-Government-Lösungen ist, auch über eine akademische Bildungselite, welche
eine essentielle Voraussetzung für die eigenständige Weiterentwicklung ebendieser Lö-
sungen darstellt.

                                                      17
Doch auch wenn die grundsätzlichen Voraussetzungen geschaen sind, mangelt es dem
E-Government in Deutschland an Akzeptanz [23]. So liegt der Anteil der E-Government-
Nutzer unter den das Internet nutzenden Deutschen bei 45%. Dies ist zwar eine Steigerung
um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, verglichen mit Ländern wie Schweden (70%),
Österreich (67%), deren Zahlen jedoch stagnieren, oder der erstmalig erfassten Schweiz
(58%) wird deutlich, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht. Zu den auf potentielle
Nutzer besonders abschreckenden Problemen zählen die mangelnde Durchgängigkeit
der verschiedenen Anwendungen, die undurchschaubare Struktur, Bedenken bezüglich
des Datenschutzes, zu komplizierte Verfahren und unzureichende Hilfestellung bei der
Benutzung der E-Government-Angebote [23]. Diese Probleme sind jedoch nicht auf
Deutschland beschränkt, auch in den anderen im Rahmen des E-Government-Monitor
untersuchten Ländern stellten sie ein Hindernis für eine intensivere Nutzung der Online-
Behördendienste dar.
  Um den Nutzwert des E-Government sowohl für Bürger und Unternehmen als auch für
Behörden und die Umwelt zu steigern, entwickelte die Europäische Union den im Dezem-
ber 2010 veröentlichten         Europäischen E-Government-Aktionsplan 2011-2015.                            Dieser
beinhaltet vier Schwerpunkte, welche die Herausforderungen der Gegenwart und der
näheren Zukunft denieren.

     Stärkung der Bürger und Unternehmen durch elektronische Behördendienste, die ganz auf die Bedürfnisse
     der Nutzer abgestimmt sind und in Zusammenarbeit mit Dritten entwickelt wurden, sowie durch einen
     verstärkten Zugang zu öentlichen Informationen, gesteigerte Transparenz und wirksame Mittel zur ak-
     tiven Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen;

     Erleichterung der Mobilität im Binnenmarkt durch nahtlose elektronische Behördendienste, um Un-
     ternehmensgründungen, das Studieren, Arbeiten, Wohnen und das Leben für Rentner in der Europäischen
     Union zu vereinfachen;

     Ezienz und Eektivität durch das stetige Bemühen, mit Hilfe elektronischer Behördendienste die Ver-
     waltungslasten zu verringern, organisatorische Abläufe zu verbessern und eine nachhaltige, kohlenstof-
     farme Wirtschaft zu fördern;

     Umsetzung der politischen Schwerpunkte durch Schaung geeigneter Schlüsselvoraussetzungen sowie rechtlich-
     er und technischer Voraussetzungen. [19]

Waren einige dieser Punkte in ähnlicher Form bereits in früheren Aktionsplänen vorhan-
den, so ist das Ziel der nachhaltigen und kohlenstoarmen Wirtschaft besonders her-
vorzuheben, da erstmals Umweltaspekte eine explizite Erwähnung nden. Dies belegt
sowohl ein steigendes Umweltbewusstsein der Politik als auch eine Weiterentwicklung
des E-Government, da sich die Zielsetzungen von rein nutzungsspezischen Anforderun-
gen zu einem Mix aus nutzungsspezischen und komplexeren, weniger dem Selbstzweck
dienenden Zielen entwickelt haben.
Zusätzlich zu diesem europäischen Aktionsplan hat auch die Bundesregierung eine eigene,
bis ins Jahr 2015 reichende Strategie entwickelt. Diese trägt den Namen Deutschland
Digital 2015 und hat sechs Schwerpunkte, die Teilweise mit denen des Europäischen
E-Government-Aktionsplan übereinstimmen.

     Die IKT-Strategie Deutschland Digital 2015 beschreibt die Schwerpunkte, Aufgaben und Projekte für
     den Zeitraum bis 2015. Sie ist darauf ausgerichtet,

      die Wettbewerbsfähigkeit durch Einsatz von IKT in allen Abschnitten des Wirtschaftsprozesses zu stärken,

      digitale Infrastrukturen und Netze auszubauen, um den künftigen Anforderungen gerecht zu werden,

                                                        18
Sie können auch lesen