VonWegen - (Über)Leben im Netz - Stadtmission Freiburg
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3 |19 | E 9313 von Wegen Evangelische Stadtmission Freiburg e.V. (Über)Leben im Netz www.stadtmission-freiburg.de
Editorial Leben in der digitalen Welt Als „digital natives” (digitale Eingeborene) bezeichnet man klare biblische Botschaft. Daran müssen Menschen, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind. Ihre sich digitale, christliche Projekte messen Generation ist von klein auf mit Computerspielen, WhatsApp lassen.“ und Smartphones vertraut. Auch die Stadtmission hat sich in ihrer Laut einer UN-Statistik ist die Mehrheit der Weltbevölkerung unternehmerischen Vision 2021 auf die inzwischen im Internet, das heißt rund vier Milliarden Men- Fahne geschrieben, eine offensive Aus- schen sind online. Weiter wurde festgestellt, dass sich rund einandersetzung mit der Digitalisierung zwei Milliarden Menschen mindestens einmal im Monat auf in allen Bereichen zu leben. Dabei wol- Facebook einloggen. len wir unser christliches Leitbild nicht Über das Internet lässt sich mittels der „Social-Media“ weltweit aus den Augen verlieren. kommunizieren. Es werden Infos gepostet, es finden virtuelle Das Thema Digitalisierung ist in seiner Begegnungen, Austausch und Diskussionen statt. Inzwischen Komplexität also unerschöpflich. Wir lernt sich gar jedes dritte Paar im Internet kennen. Folglich hat hoffen dennoch, Ihnen mit diesem „von- fast jeder Aspekt unseres Lebens eine digitale Komponente, um Wegen“ ein paar Erfahrungen, weiter- ihn schneller oder effizienter zu machen, ihn zu automatisie- bringende Gedanken und Anregungen ren oder zu planen. für Ihr digitales Leben geben zu können. Weil die Digitalisierung alle Ebenen der Gesellschaft durch- drungen hat, geht es nun darum, wie die Nutzung zu gestalten ist und welche Regeln eingefordert werden. Nicht nur als Christen bewegt uns die Frage, wo unsere Ethik und unsere Werte in dieser allumfassenden Digitalisierung gelebt und erhalten werden können. Vorbehalte werden laut, wenn wir an künstliche Intelligenz denken, an Roboter in Pfle- geeinrichtungen oder Kitas oder an eine immer größere Über- wachung der Privatsphäre. „Kirche im digitalen Wandel“ heißt ein Prozess, in dem sich die Evangelische Kirche Deutschland befindet. Dort wird for- muliert: „Die Digitalstrategie der EKD dient dem Auftrag der Ewald Dengler Kirche, in Gegenwart und Zukunft das Evangelium in Wort Vorstand der Evangelischen Stadtmission und Tat zu bezeugen.“ Freiburg e.V. Guido Falkenberg, einer der Initiatoren von „Gott@Digital“, einer Initiative von Christen aus der digital-medialen Ge- schäftswelt, plädiert dafür, allen digitalen Projekten das christ- liche Menschenbild zugrunde zu legen. Er sagt: „Als Christen sollen wir Menschen dienen, nicht kontrollieren. Das ist eine vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 2
r Ich habe 44 Freunde, alles ist in Butter, h darunter auch mein Kumpel und ein Nachbar meiner Mutter, und heut‘ ist wieder einer dieser wundervollen Tage: Ich bekomm ne brandneue Freundschaftsanfrage! Ich glaub, das ist das Mädel von der Supermarktkasse. Klar, dass ich mir die nicht entgehen lasse… Ist doch super, wenn man in der großen Stadt möglichst viele Freunde hat. Ich hab endlich mal Kontakt zu meinem Bruder und den Neffen. Ich brauche die nicht mal in echt zu treffen. Ich merke, dass ich mich mit vielen besser versteh‘, seit ich sie jetzt gar nicht mehr persönlich seh‘. Doch ich bin über alles bestens informiert: Ich weiß, dass Susi online gegen Walfang protestiert. Nee, was ist das schön, auf ne Demo zu gehen, ohne vom Sofa aufzustehn… Bevor ich morgens schnell bei Facebook reinguck, hab ich keine Ahnung, wie‘s mir geht. Bevor ich morgens schnell bei Facebook reinguck, weiß ich nicht, ob sich die Welt noch dreht. Ç | É Photo by CoinView App on Unsplash + * Auszug aus dem Songtext „Facebook“ von den Wise Guys; Musik & Text: Daniel „Dän“ Dickopf. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von meinsongbook Verlag GbR
#thema Mit Jesus im WorldWideWeb? Christliche Verantwortung im Digitalzeitalter Jonathan Schöps / photocase.de Seite 4 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
Ich habe sie noch: die Landkarten, als Christen heute leben wollen, können Kochbücher, Reiseführer. Wahrschein- wir nicht einfach die Bibel aufschlagen lich finde ich auch noch ein altes Le- und dort auf alles eine Antwort finden. xikon, wenn ich lange genug suche. Viele Fragen der Moderne haben sich Aber eigentlich haben all diese Bücher zu biblischen Zeiten schlicht nicht ge- nur noch nostalgischen Wert. Längst stellt! Was wir machen sollen, ist aber, sind sie alle ersetzt durch das Internet. wach durch die Welt zu laufen, anstatt Und die Apps auf meinem Smartpho- einfach nur zu tun, was alle tun. ne können auch ganz viel. Auf meiner Ein Bibelwort aus dem 1. Thessaloni- SmartWatch kann ich morgens sehen, cherbrief (1. Thess. 5,20) finde ich pas- wie viele Minuten ich im Tiefschlaf send zu unserem Thema: „Prüft alles verbracht habe, und abends, wie viele und behaltet nur das Gute! Haltet euch Schritte ich gegangen bin. Die digitale vom Bösen fern – wie auch immer es Welt kriecht in alle möglichen Winkel aussieht.“ Da geht es um eine kritische unseres Lebens. Internet am Home-PC Distanz, einen heilsamen Sicherheits- war gestern. Mobiles Internet, Web abstand: Prüft alles. Schaut euch die 2.0, Cloud Computing und Internet of Dinge genau an, macht euch ein Bild the things ist heute. Ist das gut oder von Ursachen und (Neben-)Wirkun- schlecht? Und was wird morgen? Und gen, von Chancen und Risiken - und – wie gehen wir damit um? Als Men- dann fällt ein Urteil. Behaltet und be- schen, deren Rechenleistung nicht be- nutzt das Gute, geht dem Bösen und liebig weiter gesteigert werden kann? Destruktiven aus dem Weg. Für ein Als Christen, die in der Verantwortung christliches Prüfen schlage ich als vor Gott leben wollen? Kriterium das Doppelgebot der Liebe vor: Du sollst Gott von ganzem Herzen Kein Internet in der Bibel lieben, und du sollst deinen Nächsten Eine Antwort fällt nicht leicht, denn lieben wie dich selbst. Daraus könnte die Worte Internet und Digitalisie- man einen ethischen Kompass ab- rung kommen in der Bibel gar nicht leiten: Ist das, was ich da lese, kaufe, vor. Jesus hat kein Wort über das In- schreibe oder tue ein Ausdruck der ““ Die digitale Welt ist wie ein riesiges, verlockendes All-you-can-eat-Buffet.“ ternet gesagt. Übrigens: auch nicht zur Liebe zu Gott und zu meinen Mitmen- Atomkraft, zum Autofahren oder der schen? Wird es ihnen - und ich füge Präimplantationsdiagnostik. Wenn wir noch hinzu: der Schöpfung - gerecht? >> vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 5
#thema Mit Jesus im WorldWideWeb? >> Oder ist es herabwürdigend, verlogen, diskriminierend, zer- störerisch? Und ist es ein Ausdruck von Liebe zu mir selbst? Tut mir das gut? Verantwortlich durch die digitale Welt surfen Können wir so – mit diesem prüfenden Blick – das Internet und die ganze Digitalisierung anschauen? Ich will vier Bereiche beleuchten: • Die digitale Welt ist wie ein riesiges verlockendes All-you- can-eat-Buffet. Es bietet unendlich viel mehr, als wir wirk- lich brauchen und uns gut tut. Es raubt Aufmerksamkeit und Zeit. Und nicht alles, was da im Angebot ist, ist gesund und verträglich. Ich denke, wir müssen lernen, Maß zu halten. Online-Zeiten begrenzen. Und uns von den Seiten fernhal- ten, die wohl eher ungesund sind: Spiele mit Suchtpotenzi- al, Gewaltverherrlichendes, Pornografisches und Seiten, die Menschen herabwürdigen und beleidigen. • Das Internet hat die Grenze des Privaten deutlich ver- schoben. Wir sind heute öffentlicher und durchschaubarer als früher. Jedenfalls weiß die eingeblendete Werbung of- fensichtlich, womit wir uns beschäftigen. Privatheit ist der Raum, in dem wir souverän und unbeobachtet handeln kön- nen. Der Ort, an dem eigentlich nur Gott Zugang hat. Wollen wir diesen Raum preisgeben und uns ganz veröffentlichen, z. B. in den Sozialen Medien? Da ist Vorsicht angesagt, den- ke ich! • Das Internet hat unglaublich viel Gutes bewirkt. Viel mehr Menschen haben Zugang zu viel mehr Wissen als je zuvor. Menschen, die sich nie treffen können, kommen dennoch miteinander in Verbindung. Unterdrückte finden einen Kommunikationskanal, auf dem sie sich bemerkbar ma- chen können. Digitalisierung hat aber auch hässliche Seiten: Kinderarbeit in den Coltanminen im Kongo, riesige Elektro- schrotthalden in Afrika und Asien und einen unglaublichen Energieverbrauch. Die Frage ist: Können wir nachhaltiger und fairer konsumieren, verzichten, unsere Geräte länger nutzen? An dieser Stelle auch ein paar Worte zum Online-Handel: Das Internet ist ein weltweiter Wirtschaftsstandort. Das Ge- schäft machen vor allem globale Branchenriesen. Als Chris- Seite 6 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
#thema ten sollten wir uns fragen: Wem wollen wir unser Geld geben? Dem Einzel- händler in der Innenstadt oder - aus Bequemlichkeit - dem Global Player mit seinen dubiosen Geschäftsprakti- ken? • Das Internet kann uns auch in un- serem Glauben helfen. Nie war der Zugang zu Bibelübersetzungen, On- line-Gottesdiensten, Predigten und christlichen Podcasts leichter. Aber auch hier gilt: Prüfet alles! Anders als in einer Bibliothek sind die Inhalte nicht wohlsortiert, sondern kommen bunt durcheinander: Ganz verschiede- ne Aussagen zum gleichen Suchwort. Fundamentalisten, Sekten und Kirchen äußern sich. Man braucht eine gewisse Kompetenz, um einschätzen zu kön- nen, wer mit welcher Brille und Ab- sicht was behauptet. Kritisches Prüfen ist angesagt. Für uns als Gemeinde ist das Internet ein Segen. Die Homepage ist der digi- tale Schaukasten. Podcasts liefern die Predigten nach Hause, wenn jemand den Gottesdienst verpennt hat. Auf Facebook, via Mailgruppen und News- letter kann Gemeinschaft gepflegt und Verbundenheit erlebt werden. Aber: Norbert Aufrecht Online-Angebote machen das gottes- Geschäftsbereichsleiter dienstliche Feiern und die Gemein- Missionarische Dienste schaft nur scheinbar überflüssig. Ich der Evang. Stadtmission glaube, dass das Mit- und Füreinander Freiburg in der Gemeinde elementar zu unserem Glauben gehört und dass wir mehr als eine virtuelle Gemeinschaft brauchen. // vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 7 >>
#thema Glaube im Netz Christliche Internetseiten, empfohlen von der „vonWegen“-Redaktion Christinnen und Christen finden im Inter- chen Themen aus christlicher Sicht ausein- net eine Fülle von Websites, die sich mit andersetzen. Die folgenden Seiten können dem Glauben, der Bibel und gesellschaftli- wir aus eigener Erfahrung empfehlen. ekd.de Die Website der Evangelischen Kirche in Deutschland bietet Infos rund um die Kirche, den christlichen Glauben sowie verschiedene inhaltliche Schwerpunkte. evangelisch.de Die Seite enthält Infos und Berichte zu Glaube, Kirche, Politik und Gesellschaft aus evange- lischer Perspektive. Sie will eine Orientierung im Glauben bieten, über evangelisches Leben informieren und Service-Inhalte anbieten. erf.de Andachten, Reportagen, Interviews, Rezensionen und mehr zu aktuellen Themen rund um den Glauben sowie Links zu weiteren Angeboten von ERF Medien. jesus.de Dieses Informations- und Diskussionsportal richtet sich an Christen aus allen Kirchen und Gemeindebünden und darüber hinaus an alle, die am christlichen Glauben interessiert sind. bibleserver.com Hier ist die vollständige Bibel in verschiedenen deutschen und fremdsprachlichen Überset- zungen abrufbar, außerdem der griechische und der hebräische Originaltext. Es können ein- zelne Bücher und Verse aufgerufen oder Stichworte gesucht werden. die-bibel.de/ueber-uns/unsere-uebersetzungen/basisbibel Die crossmediale BasisBibel ist eine neue, urtextnahe Bibelübersetzung - sprachlich genau, aber gut verständlich. Seite 8 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
losungen.de Hier können die Herrnhuter Losungen und der Lehrtext für jeden Tag aufgerufen werden; dazu gibt es Hintergrundinfos, Serviceangebote und eine Bestellmöglichkeit für die ge- druckten Losungen. bibletunes.de Bibletunes ist ein deutschsprachiger, kostenloser Bibelpodcast zu verschiedenen Büchern und Themen der Bibel. Fünfmal pro Woche gibt es eine neue 5-10-minütige Podcastfolge. bibeltv.de Auf der Website des Fernsehsenders Bibel TV finden sich eine Programmübersicht, eine Me- diathek und Hintergrundinfos. kirchenjahr-evangelisch.de Die Seite bietet für alle Feiertage Lesungstexte, Lieder zum Nachhören, Psalmen, Predigttexte und das vorgelesene Evangelium, außerdem Printmaterialien und Downloads zum Kirchenjahr. mindo-magazin.de Unter dem Motto „Und das Leben wird leichter“ richtet sich dieses Online-Magazin an Le- ser*innen zwischen 35 und 60, die Interesse an seelsorgerlichen und psychologischen The- men, alltagsnaher Lebenshilfe und theologischen Fragen haben. frischetheke-podcast.de Die Macher dieser Podcast-Seite sind auf der Suche nach der Kirche von morgen. Dafür in- terviewen sie Menschen quer durch die Republik, die frische Ideen haben und sie schon ganz konkret umsetzen. netzgemeinde-dazwischen.de Herzstück der Netzgemeinde „DA_ZWISCHEN“ sind ein WhatsApp-Impuls am Montag und ein Abschlussimpuls am Freitag. Wer sich registriert hat, kann seine Gedanken, Fragen und Antworten zurückmelden. worthaus.org Ziel der Seite ist es, den aktuellen Diskussionsstand der christlichen Hochschul- theologie einem breiten Publikum verständlich in Video- und Audiovorträgen zugänglich zu machen. eh-tabor.de/de/fuer-die-gemeinde/unterwegs-podcast Ein Podcast der Ev. Hochschule Tabor zu verschiedenen Themen des Glaubens und der Bibel. vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 9
Thema Mrsnikon / photocase.de Illusionen und Legenden Ein Plädoyer für digitale Mündigkeit Seit einigen Jahren herrscht viel Aufre- rorszenarien von totaler Überwachung, gung um die Digitalisierung. Die Medien vom Zusammenbruch des Arbeitsmarktes, sind einerseits voll von Paradieserzählun- wenn die Roboter uns die Arbeit wegneh- gen, dass uns Technik immer besser un- men oder wir die Kontrolle über die Algo- sere Wünsche erfüllen soll, digitalisierte rithmen verlieren. Leider enthalten beide real444 / istockphoto.com Medizin besser Krankheiten heilen kann Extrem-Erzählungen eine Menge von Spe- oder Roboter uns die lästigen Arbeiten kulationen und Übertreibungen, Illusionen abnehmen. Andererseits aber gibt es Hor- und Legenden. Seite 10 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
Die erste Legende ist, dass Digitali- tun wir gar nicht. Denn Computer sierung etwas dramatisch Neues ist. entscheiden nicht. Sie spulen ein Pro- Stimmt aber nicht, denn sie läuft seit gramm ab, das von Menschen gemacht mehr als fünfzig Jahren. PCs haben wurde, von Informatikern und Inge- die Büros bereits in den 1980er-Jahren nieuren unter Vorgaben aus Manage- erobert, das Internet verbreitete sich ment, Rechtsabteilung und vielleicht in den 1990ern. Die Digitalisierung ist keine abrupte Revo- lution, sondern eine allmähliche Trans- ““Nicht wir müssen uns fit machen für die Digitalisierung, sondern wir müssen die Digitalisierung nach unse- formation. Zweitens ren Vorstellungen gestalten lernen.“ ist die Illusion zu nennen, dass die digitalen Dienstleistungen, etwa Such- einer Ethik-Kommission. Dort wird maschinen und so genannte Soziale entschieden, nicht vom Computer. Der Netzwerke, umsonst genutzt werden ist nur ausführendes Organ. Wenn es könnten. Wenn sie wirklich umsonst Kontrollverlust gibt, dann nicht gegen- wären, wie könnte die digitale Welt über der digitalen Technik, sondern ge- Milliardäre und große Konzerne her- genüber den Menschen und Institutio- vorbringen? Weil wir nicht gewohnt nen, Unternehmen und Berufsgruppen, sind, die Preisgabe von Daten als Be- die diese Technik machen. Dort liegen zahlvorgang zu begreifen, sehen wir Macht und Verantwortung, nicht im nicht, wie teuer erkauft ihre Nutzung Computer. ist. Und die dritte Illusion: Die Digita- lisierung ist umweltfreundlich. Digita- Digitale Technik wird von le Geräte verbrauchen kaum Energie, Menschen gemacht sind klein und smart. Wenige nur den- Die fünfte Legende wird gerne aus Tei- ken an den immensen Stromverbrauch len von Wirtschaft und Wissenschaft des Internet, kaum an die ungeheuren propagiert: dass die Digitalisierung Mengen Elektronikschrott, die vor al- eine Art Naturereignis ist, an das wir lem in afrikanischen Ländern landen, uns anpassen müssen, und zwar mög- wo unter übelsten Bedingungen nach lichst rasch. Aber auch das stimmt ihren wertvollen Bestandteilen gesucht nicht, denn digitale Technik wird von wird. Und wer hat schon im Blick, dass Menschen gemacht, gemäß ihren Wer- Raubbau getrieben wird mit raren Roh- ten und Interessen, angepasst an die stoffen wie den Seltenen Erden? Vorgaben des Managements ihrer Fir- Die vierte Legende ist ebenfalls ma oder einer Behörde. Daher könnten schwerwiegend: dass wir mit autono- sie mit anderen Werten und Interessen mer Technik, etwa selbstfahrenden auch anders gemacht werden. Das Ge- Autos, Entscheidungen über Leben machtsein der Digitalisierung eröffnet und Tod an Computer delegieren. Das den Blick auf ein breites Feld möglicher >> vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 11
#thema Illusionen und Legenden >> Alternativen und Gestaltungsmög- entwickeln und vor allem dann auch lichkeiten. Wer behauptet, die Di- zu handeln. Ich wünsche mir, dass die gitalisierung sei alternativlos, ka- Nutzer der digitalen Technologien, also schiert die einfache Tatsache, dass wir alle, viel stärker unsere Konsumen- es viele und unterschiedliche Aus- ten- und Bürgermacht nutzen, um dazu prägungen der Digitalisierung gibt, beizutragen, dass die Digitalisierung den die uns Auswahl und Handlungs- Menschen dient. Hier gibt es ungeheure spielraum eröffnen. Potenziale, auch in Bezug auf den Glo- Schließlich, und in gewisser Weise balen Süden. Dazu braucht es Bildung auch zusammenfassend, wird in und Aufklärung zur Mündigkeit. Sie Prof. Dr. Armin Grunwald der öffentlichen Debatte, oft von darf sich nicht darin erschöpfen, be- Leiter des Büros für so genannten Visionären, der Ein- reits kleinen Kindern die Bedienung von Technikfolgen-Abschätzung druck erweckt, die Digitalisierung Apps zu erklären. Das können die übri- beim Dt. Bundestag, Profes- sei eine Art Zweck in sich selbst. gens meist sowieso. Sondern es geht um sor für Technikphilosophie Wir Menschen sollen für die Di- einen selbstbewussten und kritischen am Institut für Philosophie gitalisierung arbeiten und uns an Blick auf Digitalisierung, um gerade des Karlsruher Instituts für sie anpassen. Das ist eine groteske nicht den Illusionen und Legenden zum Technologie Verkehrung. Denn wir sind analoge Opfer zu fallen. Wesen und leben in einer analogen Mündigkeit kommt nicht ohne ein ge- Welt. Daran ändert sich auch durch haltvolles Menschenbild aus. Das hohe Digitalisierung nichts – diese soll das Menschenbild des Christentums, hoch analoge Leben unterstützen und besser jedenfalls als Anspruch an uns, droht machen. Digitalisierung ist Mittel zum jedoch in der digitalen Welt einem Ma- Zweck, nicht der Zweck selbst. Nicht schinenmodell des Menschen zum Op- wir müssen uns fit machen für die Di- fer zu fallen. Immer öfter werden Men- gitalisierung, sondern wir müssen die schen als Computer auf zwei Beinen Digitalisierung nach unseren Vorstel- angesehen, aber Roboter als die besse- lungen gestalten lernen. ren Menschen. Hier läuft etwas anth- Digitale Mündigkeit bedeutet für mich ropologisch schief. Die Verantwortung vor allem, nicht den genannten Legen- der christlichen Kirchen sehe ich gera- den und Illusionen hinterherzulaufen, de darin, diese Herausforderung anzu- sondern ganz im Sinne von Immanuel nehmen. Die Digitalisierung fragt uns, Kant selbst zu denken. Die Zusammen- anders als traditionelle Technologien: hänge zu durchschauen, eigene Urteile Wer bist Du, Mensch?// Zum Weiterlesen: ó Grunwald, Armin (2019): Der unterlegene Mensch. Die Zukunft der Menschheit ange- sichts von Algorithmen, Robotern und Künstlicher Intelligenz. München Seite 12 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
Hannah Fry Hello World Was Algorithmen können und wie sie unser Leben verändern Algorithmen prägen in wachsendem Ausmaß unser Leben. Sie sortieren die Welt für uns und nehmen uns Entschei- dungen ab - schnell, effektiv, gründlich. Aber sie tun das, ohne zu fragen. Das öffnet Menschen, die uns ausbeuten wollen, Tür und Tor. Es verhindert aber auch, dass wir bessere Algorithmen bekommen. Solche, die uns bei Entscheidungen unterstützen, anstatt über uns zu verfügen. Demokratische, menschliche Algorithmen. Da- Craig Groeschel für plädiert dieses Buch - zugänglich, unterhaltsam, hoch- Super vernetzt - oder informativ. doch ganz allein? € 19,95 Die Kunst, mit Smartphone klug zu leben Die vernetzte Welt formt ein Paradox: Wir leben in einer kontakt- reichen Beziehungsarmut. Aber wollen wir das wirklich? Groe- Ingrid Brodnig schel zeigt, worauf es ankommt: Wir müssen aktiv entscheiden, wann und wie wir die neuen Medien benutzen. Sonst werden Lügen im Netz wir von ihnen benutzt! Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Tech- nik uns manipulieren. € 5,- Manipulierte Bilder, erfundene Ge- schichten, üble Gerüchte: Im In- ternet wird mit unfairen Methoden Stimmung gemacht. Online-Expertin Ingrid Brodnig erklärt, wie man den Durchblick bewahrt, analysiert die Tricks der Fälscher, veranschaulicht die Me- Erik Händeler chanismen der modernen Propaganda - und wie man diese bekämpfen kann. Denn auch in digitalen Zeiten können wir Himmel 4.0 an Fakten festhalten, einen kühlen Kopf bewahren und un- Wie die digitale sere Demokratie vor unfairen Methoden verteidigen. Revolution zur Chance für das Evangelium wird € 19,90 Durch die zunehmende Digitalisierung verändern sich die Anforderungen Lars Joppich an die Menschen Willi und die digitale Welt hinter den (vernetzten) Maschinen. Gefragt sind Wie wir in 30 Jahren leben werden plötzlich ehrliche und offene Kommunikation, flache Hierarchien, Kooperationsfähigkeit sowie eine Wir schreiben das Jahr 2050 - autonom fah- effiziente Streitkultur. Daraus ergeben sich ungeahnte rende Autos sind schon lange keine Selten- Chancen für die Kirchen. Wenn sie es schaffen, die heit mehr, und auch nahezu alle anderen Be- sich daraus ergebende neue Offenheit der Menschen reiche unseres Alltags haben sich durch die zu nutzen, bekommen sie die einmalige Möglichkeit, Digitalisierung grundlegend verändert. Un- mit ihrer Botschaft ganz neu Gehör zu finden. sere Welt wird in gerade einmal 30 Jahren kaum noch so aussehen wie jetzt. Dieses Buch zeigt anhand der Geschichte des Familienvaters Willi Jenkins, welche Verän- € 10 ,- derungen die Digitalisierung uns bringen wird. € 9,95 >> www.alpha-freiburg.de Seite 13 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 13vonWegen 1|16
#thema real444 / istockphoto.com Und führe uns nicht in Versuchung Algorithmen leiten unser Schicksal. Doch wohin? Ach, hätte es Facebook im Jahre null nach tagram-Story mit ihren Followern teilen christlicher Zählung nur schon gegeben, können; der Engel hätte nicht aus dem genauso wie Instagram und Twitter, Goo- Himmel herabsteigen müssen, um die Hir- gle und Amazon! Maria und Josef hätten ten über die Ankunft des Heilands zu in- die Geburt ihres Sohnes Jesus per Ins- formieren, er hätte einfach sich und alle Seite 14 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
anderen in einem Facebook-Post mar- kieren können; Maria hätte auf ihrem Amazon-Wunschzettel etwas Prakti- ““ Die Digitalisierung hat ihre auf Optimierung programmierten scheres als Gold, Weihrauch und Myr Ordnungsprinzipien an rhe als Geschenk notieren können; Gottes Stelle gesetzt.“ und den Heiligen Drei Königen hätte Google Maps den Weg gewiesen nach Bethlehem, „noch drei Kilometer dem nehmend Algorithmen getreten, die dem Straßenverlauf folgen“. Es hätte nicht Menschen wie durch Vorbestimmung einmal des hellen Sterns am Himmel nur das zeigen, was der neue liebe Gott bedurft, nur einer guten Mobilfunk- namens Algorithmus für ihn bestimmt netzabdeckung im antiken Palästina. hat. Er weiß, was der Mensch eigentlich Moderne Technik hätte es Herodes will: immer mehr vom Gleichen, ihm auch leichter gemacht, den Kindsmord Bekannten, durch Popularität im Netz auf den GPS-Punkt genau zu befeh- Verifizierten. Er soll auf Geheiß Silicon len – er hätte nur die Smartphones Valleys jede Suche abkürzen. Nicht nur von Caspar, Melchior und Balthasar die Suche nach lokalisierbaren geogra- tracken müssen. Die halbe (eurozen- fischen Orten, sondern die Suche nach trische) Menschheitsgeschichte hätte Antworten schlechthin: Führe uns nicht umgeschrieben werden müssen: keine in Versuchung, an etwas anderes glau- Flucht nach Ägypten, keine Jünger, ben zu müssen als an Datenanalysen. (…) kein Neues Testament, kein christlicher Facebook, zählten die Rechercheure der Glaube, kein christliches Abendland, Investigativplattform ProPublica im kein Papst, keine Kreuzzüge, keine Jahr 2016, bot zu diesem Zeitpunkt sei- Inquisition, keine Reformation, kein nen Nutzerinnen und Nutzern insgesamt Weihnachten, kein „Konsumfest“, kein 52.000 Verhaltenskategorien an, für die „Last Christmas“ von Wham, nicht sie sich interessieren konnten, von „In einmal „Driving Home for Christmas“ unangenehmen Situationen so tun, als von Chris Rea. Was für eine Besche- ob man eine SMS schreibe“ bis hin zu rung. Die schlechten Seiten der Digita- „Stillen in der Öffentlichkeit“. Dahinter lisierung, ihr dual-use case sozusagen, steckte die Absicht, durch die Likes der hätten Gottes Handwerk (oder was die User die Menge der Datenpunkte zu er- Menschen christlichen Glaubens dafür höhen, die Facebook über sie besitzt. Je halten) schon im Ansatz zunichtege- mehr dieser Datenpunkte die Plattform macht. ihren Werbekunden anbieten kann, so Damit sind wir im Heute angelangt: Die die Verkaufslogik, desto wertvoller wird Digitalisierung hat ihre auf Optimierung deren Verknüpfung durch Facebook: programmierten Ordnungsprinzipien an Genauer zugeschnittene Zielgruppen für Gottes Stelle gesetzt und die Menschen Anzeigen lassen sich nirgendwo sonst mit all ihren Filterfunktionen ermäch- finden. Insgesamt 29.000 Kategorien tigt, jedenfalls war das ein Versprechen. fand ProPublica in einer Liste, die für Später sind an die Stelle der Filter zu- Anzeigenkunden bestimmt war. (…) >> vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 15
#thema >> Und führe uns nicht in Versuchung Welche Werbung hätte Facebook wohl Jesus gezeigt? Die meisten Daten, die heute über Die maßgeschneiderte mathematische Verknüpfung dieser menschliche Verhaltensmuster gesam- oft aus Mutmaßungen und statistischen Wahrscheinlichkei- melt und analysiert werden, dienen ten (wer erstes mag, mag auch zweites und wünscht sich bloß deren unmittelbarer Vermarktung vermutlich drittes und immer so weiter) bestehenden Daten- zu Werbezwecken. Sie reduzieren den punkte ist eine Annäherung an die menschliche Existenz. Menschen auf einen ökonomischen Doch sie erfasst diese selbstverständlich nicht restlos. Agenten seiner selbst (auch wenn er Facebook hat trotz der Komplexität der gesammelten Daten sich dessen nicht bewusst sein mag). eine simple Vorstellung vom Menschen als Konsument. Des- Doch selbst da, wo die Vermessung des sen möglichst genaue Zielgruppenbestimmung ist das ein- Daseins gesellschaftlichen Zwecken zige Angebot, das die Plattform Werbetreibenden am Ende dient – etwa wenn Bewegungsmuster macht: Facebook schafft den Zufall in Form des Streuver- zur Optimierung des Verkehrs analy- lusts von Werbung ab. Sonst nichts. (…) siert werden –, entsteht daraus keine Wie hätte wohl Jesu Facebook-Werbeschattenprofil aus- Beschreibung des Menschlichen. (…) gesehen? Ursprünglicher Wohnort Nazareth (in späteren Der Algorithmus kann die göttli- Jahren tendenziell wohnungslos umherziehend), männlich, che Hand als Ordnungsprinzip und Muttersprache Aramäisch, Zimmermann (genauer Aus- Sinnstifter der Welt nicht ersetzen. bildungsweg unbekannt) und Wanderprediger, arm, kein Er kann nur den Schrecken des total Wohnbesitz, Beziehungsstatus mit Maria Magdalena un- irdischen Zufalls mindern – oder sei- klar, politisch hochaktiv, keine eigene Internethistorie und nen eigenen Schrecken auf Erden of- an Autos völlig desinteressiert; Internet und Pkw waren ja fenbaren. Der Himmel auch über dem noch nicht erfunden. Silicon Valley bleibt leer. Außer für Tech-Gläubige. // Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Daten Dieses Profil beschreibt den Menschen Jesus nicht, egal wie glaubhaft man die Überlieferungen seines Wirkens findet. Ein solches Profil beschriebe auch niemanden von uns heu- tigen Sterblichen, die es nicht bis zum Messias und Religi- onsstifter schaffen. > Auszug aus dem Text „Und führe uns nicht in Versuchung“ von Dirk Peitz, erschienen bei Zeit Online am 25.12.2018, 20:22 Uhr. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages, Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG. Den vollständigen Text finden Sie hier: zeit.de/digital/internet/2018-12/algorithmen-digitalisierung-zufall-gott-schicksal/ Seite 16 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
Immer #thema mehr und länger Statistiken zur Internetnutzung Wie viele Menschen haben Zugang zum Internet? Wofür und wie lange nutzen sie diesen Zugang? Welche Unterschiede bestehen zwischen verschiedenen Regionen und Altersgruppen? Zur Nutzung des Internets kursieren eine Menge unterschiedlicher Zahlen im Netz. Im Folgenden haben wir einige aktuelle statistische Angaben für Sie zusammengestellt. Nach einer Schätzung des Statistikportals statista.de nutzten im Jahr 2018 rund 3,9 Milliarden Personen weltweit das Internet, davon 2,16 Milliarden in Asien und rund 705 Millionen in Europa. Dabei entfiel weltweit mehr als die Hälfte aller Webseitenaufrufe auf mobile Endgeräte. Am größten war der Anteil in Asien: So waren etwa in Indien 70 Prozent der Nutzer ausschließlich über mobile Endgeräte online. In Deutschland lag deren Anteil dagegen bei nur vier Prozent. > de.statista.com/themen/42/internet Dagegen gehen nach Angaben der Internetseite deutschland.de schon 66 Prozent aller deutschen Nutzer über ihr Smartphone ins Internet. Laut dieser Seite haben in Deutschland 62,4 Millionen Menschen über 14 Jahren Zu- gang zum Internet. Das sind 89,8 Prozent der Gesamtbevölkerung. 165 Minuten verbringt jeder Internetnutzer in Deutschland durchschnittlich am Tag online. 40 Millionen Menschen in Deutschland kommunizieren jede Woche über WhatsApp. Facebook verzeichnet dagegen „nur“ 21 Millionen Nutzer wöchentlich. > deutschland.de/de/topic/kultur/internetnutzung-in-deutschland-sechs-fakten Nach Angaben der ARD/ZDF-Onlinestudie 2018, die auf der Befragung von rund 2.000 Personen in Deutschland basiert, waren im vergangenen Jahr 63,3 Millionen Deutsch Sprechende ab 14 Jahren online - das entspricht einem Anteil von 90,3 Prozent. Deutlich gestiegen ist die Zahl der Menschen, die das Internet täglich nutzen: Das Plus liegt hier bei 3,8 Millionen. Auch die tägliche Nutzungszeit im Internet steigt weiter. Sie liegt bei 196 Minuten, 47 Minuten mehr als 2017. Bei den unter 30-Jährigen beträgt sie knapp sechs Stunden, während die ab 70-Jährigen nicht einmal eine Stunde pro Tag online sind. 82 Minuten werden im Schnitt für die Mediennutzung aufgewendet, 87 Minuten für die Individualkommunikation, so etwa bei WhatsApp. > ard-zdf-onlinestudie.de/ardzdf-onlinestudie-2018 Laut einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest von 2018 nutzen Jugendliche zwi- schen 12 und 19 Jahren das Internet rund 214 Minuten am Tag. Dabei steht an erster Stelle die Kommunikation mit anderen Nutzern (35 Prozent), gefolgt vom Bereich Unterhaltung (31 Prozent), Spielen (25 Prozent) und der Suche nach Informationen (rund zehn Prozent). > mpfs.de/studien/jim-studie/2018 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 17
#thema Online weniger allein? Menschliche Beziehungen im digitalen Wandel Der digitale Wandel bringt faszinierende zung und Unterhaltung als die mächtigsten Möglichkeiten mit sich: Schüler haben heute Menschen der Welt vor 100 Jahren. Zugleich größere Angebote an Informationen, Vernet- hat die schöne neue Welt auch Schattenseiten. ViewApart / istockphoto.com Seite 18 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
# Die rasante Verbrei- men, was ihr gelungen ist. tung digitaler Angebote Wer den Satz „JETZT HÖR MIR END- In den letzten vier Jahrzehnten haben LICH MAL ZU UND STARRE NICHT sich digitale Werkzeuge und Angebo- IMMER NUR AUF EIN VIERECKIGES te weltweit in hoher Geschwindigkeit DISPLAY“ hört, merkt eine Schatten- verbreitet. Mittlerweile ist die Mehrheit seite davon. Näherstehende Menschen der Weltbevölkerung im Internet. Laut fordern Aufmerksamkeit ein, die wir der ARD-/ZDF-Onlinestudie 2018 sind der Technik geben. neun von zehn Deutschen online und Wie bestimmen wir die optimale Men- verbringen im Durchschnitt über drei ge an Aufmerksamkeit für Technik? Stunden pro Tag im Netz. Ein moder- Mit dieser Frage befasst sich der Autor nes Smartphone stellt einen Funkti- Cal Newport in seinem Buch „Digital onsumfang bereit, den Sie vor 30 Jah- Minimalism“. Er schlägt Maßnahmen ren bestenfalls mit einer Schubkarre vor, wie beispielsweise Benachrichti- mit sich führen konnten. Fotoapparat, gungen auszuschalten oder ein soziales Entwicklungslabor, Fotoalbum, Fax- Netzwerk nur am Notebook zu benut- gerät, Taschenlampe, Tonbandgerät, zen, um so besser steuern zu können, Mischpult, Videokamera, Fernseher, wie viel Aufmerksamkeit wir den Bild- Mikrophon, Lautsprecher, Pulsmessge- schirmen geben. rät, Landkarten, Lexikon, Telefon, Uhr, Ein weites Meer voller Information Wecker, Telex, Wasserwaage, Kompass, kann eine dürre Wüste an Aufmerk- Sextant, Höhenmesser und noch einige samkeit sein. Lassen Sie uns bewusst weitere Geräte waren zu transportie- machen, wie wir unsere Zeit so einset- ren. Heute wiegt dieser Funktionsum- zen, dass es uns und unseren Mitmen- fang weniger als zwei Tafeln Schokola- schen guttut. de und passt in eine Hosentasche. Das ist sehr nützlich und viele von uns ha- # Beispiel digitale Partnerbörsen ben ihr Taschentelefon nahezu immer Auch Ehen finden ihren Anfang zu- dabei. nehmend online. Die Zeitschrift „The Wir sind soziale Wesen und nutzen sozi- Economist“ widmete eine ganze Aus- ale Netzwerke: 2,7 Milliarden Menschen gabe dem Thema „Modern love - Da- sind weltweit auf Facebook, Instagram, ting in the digital age“ und beschreibt, WhatsApp, über 2 Milliarden davon täg- dass digitale Verabredungen ein sozi- lich. In Deutschland sind ca. 32 Millio- ales Experiment massiver Größe sind, nen Menschen auf Facebook aktiv. das einen der intimsten und wich- Werbefinanzierte Angebote haben ein tigsten menschlichen Lebensberei- wirtschaftliches Interesse, dass die che betrifft. Sehr wenige Firmen und Nutzer möglichst viel Zeit mit diesen deren Algorithmen haben Einfluss Dienstleistungen verbringen. Die welt- auf die Partnerwahl sehr vieler Men- weit größte Videowebseite arbeitete schen. Auf die Frage „Wo haben Sie über Jahre daran, eine Milliarde Stun- sich kennengelernt?“ waren die drei den Zuschauerzeit pro Tag zu bekom- häufigsten Antworten 1940: Freun- >> vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 19
#thema Online weniger allein? >> de, Schule, Kirche und 2010: Freunde, 3.000 Orten Nachbarn zusammen, zu Bar/Restaurant, Online. Das Heft nennt kleinen und zu großen Festen. Auch Forschungsergebnisse, dass ein Paar, Kirchengemeinden nutzen dieses Fest, das online zueinander fand, mit hö- um Nachbarn einzuladen; z. B. stellte herer Wahrscheinlichkeit länger und die Jerusalemkirche in Hamburg ihren glücklicher verheiratet sein wird als Garten als Treffpunkt für Menschen der Durchschnitt an Paaren, die sich aus der Nachbarschaft zur Verfügung. offline kennengelernt haben. Die Journalistin und Lehrerin Lucy # Keiner bleibt allein Kellaway erwähnte am 12.07.2019 eine Einsamkeit nimmt zu. Neben der be- Formel dazu, wie viele Menschen man währten Praxis, einsame Menschen in auf der Straße treffen müsste, um sei- seiner Kirchengemeinde zu Weihnach- nen fast perfekten Partner nach Merk- ten zum Essen einzuladen, gibt es nun malen wie Ort, Ausbildung etc. zu fin- die digitale Initiative „#KeinerBleibt den. Ob die Formel mit z. B. 913.000 Allein“. Dort können sich Gastgeber Menschen richtig liegt, ist unklar. Das und Gemeinschaftssuchende digital diese Größenordnungen digital hand- melden, um zueinander vermittelt zu habbarer sind als auf der Straße, ist werden. 2018 haben über 24.000 Men- offensichtlich. schen eine Nachricht an dieses von Mehr Menschen nutzen diese Technik, der Evangelischen Kirche unterstützte um die Voraussetzungen für eine ge- Projekt gesendet. Diese digitale Ver- lingende Partnerschaft zu steigern. Das mittlung führte dazu, dass über 2.000 deutsche Angebot himmlisch-plau- Menschen weniger allein waren. dern.de für Christen auf Partnersuche berichtet von über 5.300 Personen, # Fazit die dort Partner gefunden haben, also Der digitale Wandel bringt Chancen etwa acht neue Paare pro Woche. und Risiken in einer großen Geschwin- digkeit. Damit wachsen die Wirkungs- # Beispiel Nachbar- möglichkeiten jedes einzelnen von uns schaftsnetzwerke an. Lassen Sie uns achtsam gegenüber Die Plattform nebenan.de vernetzt den Schattenseiten sein und die posi- Menschen in Nachbarschaften un- tiven Möglichkeiten nutzen, mit die- tereinander. Ob Nachhilfe, Baby- sen großartigen digitalen Werkzeugen sitting, Sprachenlernen, Pakete an- stimmig zu christlichen Werten den nehmen, Kochabende mit bislang Menschen zu dienen und die froh ma- fremden Nachbarn bis hin zum chende Botschaft von der Liebe Gottes Christian Sterzik Ausleihen einer Bohrmaschine – auch digital weiterzusagen. Wenn Sie Leiter der Stabsstelle Digita- so werden Nachbarschaften digital hierzu Ideen, Vernetzungsbedarf oder lisierung der Evang. Kirche gestärkt. Am „Tag der Nachbarn“ Fragen haben, schreiben Sie gerne an in Deutschland 2019 kamen bundesweit an rund digital@ekd.de. // Seite 20 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
#thema Marie Maerz / photocase.de Wenn Christen Smartphones bauen Interview mit den Gründern der Firma „Shiftphone“ Seit 2014 stellt die hessische Firma „Shiftphone“ Ursprünglich wollten wir gar kein Smartphone modulare Smartphones her. Die Firmengründer entwickeln. Vielmehr ging es uns um die Her- Carsten und Samuel Waldeck haben sich eine stellung eines Referenzmonitors für unseren da- nachhaltige Produktionsweise, faire Arbeits- maligen Kamerakran iCrane. Erst über diverse bedingungen und kundenfreundlichen Service Umwege und Kontakte sind wir in die Smart- auf die Fahnen geschrieben. Für ihre Arbeit phone-Produktion hineingerutscht. Sonderbare spielt ihr christlicher Glaube eine zentrale Rolle. Zufälle, mögen einige denken. Wir sehen es eher „vonWegen“ hat die beiden interviewt. als eine gewollte Herbeiführung bestimmter Er- Sie haben vor fünf Jahren gemeinsam mit Ih- eignisse, für die wir sehr dankbar sind. rem Vater die Firma Shift GmbH gegründet mit Plötzlich mit der Smartphone-Thematik kon- dem Ziel, „ein nachhaltiges Smartphone unter frontiert, legten wir damals relativ schnell zwei weitestgehend fairen Bedingungen herzustellen“. für uns grundlegende Voraussetzungen fest: Was hat Sie dazu motiviert? Unsere Geräte sollten richtig gut aussehen und >> vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 21
#thema Wenn Christen Smartphones bauen >> niemand – weder Mensch noch Umwelt grundsätzlich von anderen unterschei- – sollten unter unseren Geräten leiden det, ist unser Wunsch, ein 100%-Soci- müssen. al-Business zu sein. Als solches streben Teure und wertvolle Geräte werden zu wir keine Gewinn-, sondern eine Sinn- schnell durch neue ersetzt, geraten in maximierung an. Das bedeutet u.a., Schubladen in Vergessenheit oder wer- dass wir uns als Firmeninhaber keine den grundlos entsorgt. Unser Ziel war Gewinne entnehmen und mit unseren es, Geräte zu entwickeln, die, dank Gehältern im Durchschnitt der Löhne eines modularen Designkonzepts und unserer Angestellten liegen. Das Ziel dem einfachen Austauschen bzw. Re- ist demnach nicht der finanzielle Er- parieren von Modulen, möglichst lange folg, sondern der Wunsch nach Verän- halten. Lange Haltbarkeit und Repa- derung, den wir auch im Firmennamen rierbarkeit sind wichtige Aspekte in tragen (SHIFT). Ungewöhnlich ist auch der Einsparung von Elektroschrott und unsere eigene Fertigung in China, in wirken sich daher positiv auf unser al- der unsere Angestellten zu Bedingun- ler Fußabdruck aus. (…) gen und Konditionen arbeiten, die wir Ihr Firmen-Motto ist: „Wir wollen so uns für unsere eigenen Arbeitsplätze in viel Gutes wie möglich tun und dabei so Deutschland genauso vorstellen. Das wenig Schaden wie möglich anrichten.“ betrifft Gehälter, Arbeitszeiten, Ver- Was machen Sie anders oder besser als sicherungsschutz, familiäres Umfeld die „großen“ Markenfirmen (im Hin- usw. (Das PRO7-Magazin Galileo hat blick auf Rohstoffverbrauch, Produk- die Bedingungen vor Ort sehr schön in tionsbedingungen für die Mitarbeiten- Bewegtbild festgehalten. Eine YouTu- den, Haltbarkeit, Entsorgung…)? be-Suche lohnt sich.) Auch in Sachen Wir würden eher Abstand von der Rohstoffverbrauch sowie -gewinnung Haltung nehmen, etwas besser zu tun gehen wir andere Wege. Das und viele als andere Smartphonehersteller. Eher weitere Auswirkungen unseres Han- verhält es sich so, dass wir in vielen delns als Unternehmen stellen wir in Bereichen eine andere Vorgehensweise unserem kürzlich aktualisierten Wir- bevorzugen, durch die wir unsere Bran- kungsbericht vor (www.shiftphones. che, anhand von alternativen Vorge- com/impact). hensweisen und innovativen Konzep- Besteht bei vielen Smartphone-Nutzern ten, positiv verändern können. Was uns die Bereitschaft, auf umweltgerechte, > Aus Platzgründen können wir hier nur einen Teil der Fragen und Antworten abdrucken. Das vollständige Interview können Sie auf unserer Internetseite stadtmission-freiburg.de/vonwegen nachlesen. >Informationen zur Firma shiftphone und ihren Produkten gibt es auf deren Homepage unter: shiftphones.com. Seite 22 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
faire Produkte umzusteigen? Oder be- diese Warnung auch selbst? dienen Sie nur einen Nischenmarkt für Als Smartphone-Hersteller ist das die ganz besonders umweltbewussten natürlich nicht immer so einfach. Kunden? Unsere Geräte sind echte Arbeitstie- Es ist überraschend und schön für uns re, die wir im Job tagtäglich nutzen. zu erleben, wie viele Kunden sich zu- Schließlich müssen wir sie sehr nehmend für die Themen Nachhaltig- genau kennen, evtl. auftretende keit und Fairness interessieren. Aktuel- Schwachstellen ausmerzen und ihre Samuel und Carsten le Bewegungen wie #FridaysForFuture Funktionalität im permanenten Waldeck u.v.a. unterstreichen das sicherlich. Das Umgang testen. Endet allerdings Gründer der Firma SHIFTPHONE richtet sich aber nicht der Arbeitsalltag, nehmen wir uns „Shiftphone“ ausschließlich an besonders umweltbe- unseren Warnhinweis natürlich wusste Kunden. Viele zeigen auch da- auch sehr zu Herzen. Übrigens ein ran Interesse, dass das Gerät aus dem wichtiger Ansatz, der die Langle- nordhessischen Falkenberg stammt bigkeit des Gerätes fördert. und unterstützen gerne die deutsche Welche Rolle hat Ihr christlicher Smartphone-Herstellung. Aufgrund Glaube bei der Idee zur Firmengrün- der hohen Nachfrage arbeiten wir ak- dung gespielt? Und wie macht er sich tuell an einem speziell auf Senioren bei der Unternehmensführung bemerk- und Einsteiger optimierten Gerät. Auch bar? hier stehen eher Aspekte wie leichte Unser Glaube ist der entscheidende Bedienbarkeit und Sicherheit im Vor- Anker in unserem Leben. Im Kreis der dergrund. Freiheit ist uns ebenfalls ein Firmengründer und Geschäftsführer wichtiges Anliegen. Vielen technik- sind wir uns einig, dass es die SHIFT begeisterten Kunden kommt es daher GmbH ohne ihn nicht geben würde entgegen, dass sich unsere Geräte ohne und wir sind sehr glücklich darüber Garantieverlust öffnen und reparieren und dankbar dafür, dass er uns dieses lassen. Auch in der Betriebssystemaus- Unternehmen ans Herz gelegt hat. Das wahl soll der Nutzer maximale Frei- Gespräch mit Gott und seine Einbezie- heit in Anspruch nehmen können und hung in unsere Unternehmensthemen gerne alternative Systeme zu Android ist ein elementarer Bestandteil unserer auf seinem SHIFTPHONE testen und Geschäftsführer-Meetings. Allerdings installieren. Insofern handelt es sich ist es uns auch wichtig, unsere Mitar- eher um das Bedienen vieler einzelner beiter und Mitarbeiterinnen nicht un- Nischenmärkte. ter Druck zu bringen. Nicht jeder kann (…) mit unserem Glauben etwas anfangen. Sie geben Ihren Kundinnen und Kunden Was uns aber eint, ist der Wunsch, den Warnhinweis mit, dass Smartpho- Nächstenliebe zu teilen und einen re- nes Zeitfresser sein können, die sie von spektvollen Umgang miteinander zu Wichtigerem abhalten. Beherzigen Sie finden. // vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 23
#thema Mit dem Internet aufgewachsen Ein Gespräch mit Jessica Nowak, FSJlerin der Gemeinde dreisam3 Das Internet feiert dieses Jahr seinen 30. Ge- ist. Ganz selbstverständlich, als ob es schon burtstag. So alt bist du noch nicht. Das heißt: immer da gewesen wäre. Kannst du dich du bist eine sogenannte Digital Native - je- noch erinnern, wann das Internet zum ersten zettberlin / photocase.de mand, der mit dem Internet groß geworden Mal eine Rolle gespielt hat in deinem Leben? Seite 24 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
Meine erste bewusste Erfahrung mit der Schule sammeln sollte oder, nun dem Internet hatte ich in der zweiten im FSJ, Inspirationen für die Jugend- Klasse. Ich sollte mein erstes Referat arbeit. Nicht zu vergessen nimmt ei- in der Schule halten. Allerdings hat- nen großen Teil auch die Kommunika- te meine Mutter zu der Zeit eine Ver- tion mit Freunden über Soziale Medien letzung am Fuß, weshalb sie mit mir in Anspruch. Unnötig, oder besser ge- leider nicht in die Bibliothek gehen sagt, die Schwierigkeit am Internet konnte, um dort nach geeigneten Bü- finde ich, dass Fehlinformationen viel chern zu suchen. Daraufhin meinte zu schnell verbreitet werden und man mein Vater, ich könnte doch an seinem sich nie sicher sein kann wie seriös Computer nach Informationen recher- eine Quelle ist. chieren. Ganz erstaunt entgegnete Wie wäre für dich die Vorstellung, mal meine kleine Schwester, wie das denn eine Zeitlang ganz ohne Internet zu le- möglich sei? Ob in dem Kasten hinter ben? dem Bildschirm „Mini-Bücher“ ver- Das kommt ganz auf den Zeitabschnitt steckt seien. So gab mir mein Vater die an und unter welchen Bedingungen. erste Einführung für die Verwendung Auf einer Freizeit, mit einer Gruppe des Internets. oder an einem einsamen schönen Ort Seit wann bist du „selbstständig“ on- würde ich sofort ohne Internet sein line, d. h. in welchem Alter hast du wollen. Jedoch für meinen Alltag stel- dein erstes eigenes internetfähiges Ge- le ich mir die Zeit ohne Internet etwas rät bekommen? Was war das und was aufwändiger und schwieriger vor. Ich konnte es? müsste mir erst einmal viele neue Mein erstes internetfähiges Gerät Wege erarbeiten, wie ich zum Beispiel musste ich mir tatsächlich selbst von an Informationen, Kontakte usw. ge- meinem Ersparten kaufen. Ich holte langen kann. Das würde sehr viel Ge- mir ein Samsung S5 im LaFleur-Mo- duld fordern. dell, das unter uns Mädchen total an- Viele ältere Menschen sehen die digi- gesagt war. Dazu konnte ich meine tale Entwicklung mit großer Skepsis. Eltern überreden, mir zu meiner SMS- Manche schwärmen gar von den guten Flat und AldiTalk, auch eine Inter- alten Zeiten, in denen man noch Briefe net-Flat zu holen. geschrieben hat und im Fernsehen nur Wozu brauchst du das Internet? Was drei Programme hatte. Was würdest du sind dort die wichtigsten Möglichkeiten sagen, wenn du mit solchen Skeptikern / Funktionen für dich? Und was findest ins Gespräch kämst? du eher unnötig? Ich würde ihnen auf einer Seite zu- Hauptsächlich nutze ich das Internet stimmen. Sich Zeit zu nehmen, hinzu- für Recherchezwecke, seien es Infor- setzen und sich Gedanken zu machen, mationen, die ich für einen Vortrag in von Hand Worte zu schreiben und die- >> vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 25
#thema Mit dem Internet aufgewachsen >> se später auch zur Post zu bringen, ist Stichwort Datenschutz: Du schickst si- eine wunderbare Geste. Ich schätze es cherlich allerlei Information durch das sehr, Postkarten von Freunden zu be- Internet. Machst du dir Sorgen, dass kommen, anstelle von Bildern auf fa- das von irgendjemand ausgenützt wer- cebook, instagram und Co. zu sehen. den könnte? Jedoch ist meine Generation anders Ich mache mir deshalb keine Sorgen. aufgewachsen, und was man nicht Ich bin mir sicher, dass alle Daten, alle kennt, vermisst man selten. Auch sind Bewegungen meiner Maus gespeichert viele Nachteile, die Skeptiker sehen, und genutzt werden. Deshalb schicke für uns Vorteile - wie zum Beispiel, ich auch nur Informationen durch das mehrere Programme zur Auswahl zu Internet, bei denen ich keine Angst ha- haben oder sogar mit Hilfe von Netflix ben muss, später blöd dazustehen. unser individuelles Fernsehprogramm Hast du schon Erfahrungen damit ge- zu haben. macht, dass man deine persönlichen Die digitale Entwicklung geht immer Informationen missbraucht hat? Es weiter. Nach WhatsApp und Social wird auch viel über Cybermobbing ge- Media kommt jetzt das IOT (Internet redet. Hast du so etwas schon einmal of the Things). Alles Mögliche wird miterlebt? digitalisiert, von der Armbanduhr bis Leider ja. Auf meiner ehemaligen zum Kühlschrank. Autos haben WLAN Schule wurden viele peinlich bearbei- und Alexa beantwortet deine Fragen tete Fotos von Schülern und Lehrern auf Zuruf. Dazu kommen künstliche herumgeschickt. Auch die Ausgren- Intelligenz, selbstfahrende Autos und zung von Schülern in Gruppen auf anderes mehr. Was glaubst du, wird verschiedenen Sozialen Medien oder hilfreich sein, wo siehst du Risiken? das Lästern und Beschimpfen kam Ich denke, dass viele Probleme häufig vor. Das Schlimme finde ich behoben werden können, die der daran, dass man selber zu leicht zum Mensch verursacht, wobei uns die „Mittäter“ gemacht werden kann, in- digitale Entwicklung helfen kann. dem einem Bilder geschickt werden Ein Beispiel wäre die Verkehrssi- oder man Mitglied einer Gruppe wird. cherheit durch „digitale“ Autos. // Aber ebenso sehe ich die große Gefahr, wenn alles online geht. Da sind Hackerangriffe vorprogram- Jessica Nowak miert, die großen Schaden anrich- FSJlerin der Evang. Gemein- ten können. de dreisam3 Seite 26 vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz
#thema Kontakt halten und die Zeit vertreiben Seniorinnen und Senioren im Internet Ein Leben ohne Internet – für die einen ein Albtraum, für treib mit der Nutzung von Spieleapps die anderen Normalität. Die digitalisierte Welt begegnet auch auf dem Tablet. Doch auch das will den Bewohnerinnen und Bewohnern des SeniorenWohnens erstmal gelernt sein: „Ich habe gedacht, am Adelhauser Klosterplatz in ihrem Alltag. dass es viel einfacher wäre - da verliere 20 Uhr: „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Ta- ich die Lust, Neues zu lernen, weil es zu gesschau. Laut der Gesellschaftsstudie D21-Digital-Index schwierig ist. Besonders die neuen Pro- 2018/19 benutzen 45 % der Deutschen über 70 Jahren das grammversionen und Updates machen Internet. Weitere Informationen dazu finden Sie unter www. es kompliziert. Beim Online-Banking tagesschau.de.“ Und die anderen 55 %, die nicht im Netz un- habe ich große Angst, Fehler zu ma- terwegs sind, müssen sich mit den Informationen aus dem chen“, sagt eine Bewohnerin. Fernsehen zufriedengeben. Sie erzählt weiter: „Bei Fragen oder ei- Dies fällt auch den Seniorinnen und Senioren am Adelhau- nem neuen Programm helfen die En- ser Klosterplatz auf. So berichtet eine von ihnen: „Ich ver- kel gerne, sie haben es aber eilig, sind misse das Internet höchstens, wenn weitere Informationen bald verschwunden und das erlernte nur dort zu finden sind. Sonst brauche ich das Internet nicht Programm auch. Über ein seniorenge- mehr. Ich habe genug mit meinem Alltag zu tun und brauche rechtes Programm zum Kennenlernen meine Kraft, um den Tag gut zu überstehen.“ und den Umgang mit der digitalisierten Für andere ist das Internet mit seinen Möglichkeiten aber Welt würde ich mich freuen.“ doch auch attraktiv. Zum Beispiel wird über das Internet Der Text stammt von Studierenden des Inter- mit Familie und Freunden in weiter Entfernung durch das generativen Wohnprojekts der Evangelischen Verschicken von Fotos, E-Mails und Videotelefonie Kontakt Hochschule und der Evangelischen Stadtmis- gehalten. Manch eine/r nutzt das Internet auch zum Zeitver- sion Freiburg. // vonWegen 3/19 – Thema: (Über)Leben im Netz Seite 27
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