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Edelfalter im Palmengarten und Botanischen Garten Alfred Westenberger, Marco Schmidt und Hilke Steinecke Abstract In 2018 the Palmengarten started on iNaturalist the citizen science project “Tiere und Pilze in Frankfurts Botanischen Gärten“. This article describes the twelve observed species of brush-footed butterflies (Nymphalidae), the family with the most colourful of our indigenous butterfly species. Zusammenfassung Im Jahr 2018 initiierte der Palmengarten das Bürgerwissenschaftsprojekt „Tiere und Pilze in Frankfurts Botanischen Gärten“. Dieser Beitrag beschreibt die zwölf beobachteten Arten der Edelfalter (Nymphalidae), der Familie mit den farbenprächtigsten Arten unserer heimischen Schmetterlinge. 1. Einleitung Botanischen Garten angetroffen werden. Die in Die Edelfalter (Nymphalidae) sind weltweit mit unseren Gärten vorhandenen Kleinlebensräume, etwa 6 000 Arten verbreitet und bilden die viel- mit blumenreichen Wiesen, Waldbäumen, Sträu- fältigste Familie unter den Tagfaltern. Man kann chern und Gebüschen sorgen dafür, dass sich diese mittelgroßen bis großen, überwiegend far- sowohl einige Waldarten der Edelfalter, wie z.B. benprächtigen Schmetterlinge, praktisch auf allen der Kaisermantel, der Kleine Schillerfalter, der Erdteilen antreffen. Die meisten Arten der Familie Große Fuchs und das Waldbrettspiel, als auch ver- kommen in den südamerikanischen Tropen vor. schiedene Wiesenfalterarten, wie beispielsweise der Europa beheimatet knapp 250 dieser Falterarten Schachbrettfalter, das Große Ochsenauge und das und in Deutschland allein kommen, mit Aus- Kleine Wiesenvögelchen, wohlfühlen. Dazu ge- nahme der alpinen Arten an unserer südlichen sellen sich auf den blühenden Wiesenteppichen Landesgrenze (z.B. die vielen Mohrenfalter), etwa unserer Gärten zur Nektaraufnahme auch unse- 65 Edelfalterarten vor. Frankfurt am Main, mit re heimischen Brennnesselfalter, wie der Kleine der näheren Umgebung und dem Taunus ein- Fuchs, das Tagpfauenauge und der C-Falter. Auch bezogen, beherbergt aktuell 28 dieser schönen die als Wanderfalter bekannten Arten, der Distel- Tagfalterarten. falter und der Admiral, können hier bis zum Spät- sommer beobachtet werden. Mit gewissem Stolz Ein Großteil der Edelfalterarten imponiert können wir daher feststellen, dass seit Beginn unse- durch sehr bunte Flügeloberseiten, wie beispiels- res im Jahre 2018 auf der iNaturalist-Plattform ins weise der Kleine Fuchs und das Tagpfauenauge. Leben gerufenen Bürgerwissenschaftsprojekts in Die Unterseiten der Flügel sind bei diesen Arten unseren Gärten insgesamt zwölf Edelfalterarten oftmals nur einfarbig oder unauffällig gefärbt. beobachtet und fotografisch festgehalten wurden. Edelfalter erreichen eine Flügelspannweite von Um diese schönen Tagfalterarten näher kennen- etwa 4 bis 10 cm, haben aber im Gegensatz zu zulernen, stellen wir sie nachstehend in Wort und anderen Tagfalterfamilien ein markantes Unter- Bild vor. scheidungsmerkmal: Ihr erstes Beinpaar ist zu Putzpfoten verkümmert (daher der englische 2. Kleiner Fuchs (Aglais urticae) Name „brush-footed butterflies“!) und in Ruhe- Der Kleine Fuchs, auf den Flügeloberseiten mit stellung oder bei der Nahrungsaufnahme sitzen sie einer rötlich-orangebraunen Grundfarbe, schwar- nur auf vier Beinen. zen Punkten, gelblichen und weißen Bereichen sowie mit leuchtend blauen, mondförmigen Bei sonnigem Wetter und Temperaturen über Randflecken versehen, ist einer unserer schönsten 20°C können einige der heimischen Edelfalter- heimischen Tagfalter. Er ist mit keiner anderen arten auch regelmäßig im Palmengarten und im Tagfalterart zu verwechseln und gehört zu den vier Der Palmengarten 84/2 147
heimischen „Nesselfalterarten“, deren Raupen aus- linge geschützte Überwinterungsverstecke auf. schließlich die Blätter der Großen Brennnessel als Dachböden, Kellerräume, Gartenhäuser, Schup- Nahrung aufnehmen. pen, Fels- und Erdhöhlen sind hier willkommene Plätze. Hier setzen sich die Überwinterer vor- Im Frankfurter Raum kommt der Kleine Fuchs wiegend an den Decken fest, fahren ihren Stoff- in zwei bis drei Generationen vor. In unseren Bota- wechsel herunter, produzieren das körpereigene nischen Gärten kann man ihn in klimabegünstigt Frostschutzmittel Glycerin und fallen dann in eine warmen Jahren sogar bis in den Oktober hinein Art Kältestarre. In diesem Zustand überwintern bei der Nektaraufnahme an den letzten noch blü- die Falter dann ca. 5 Monate und können so selbst henden Pflanzen beobachten. Bei der Nahrungs- -20 °C schadlos überstehen. aufnahme ist der Kleine Fuchs nicht wählerisch. Im Frühling kann man ihn in unseren Gärten Im Frühjahr, meistens an den ersten sonnigwar- z.B. an Huflattich, Löwenzahn, Seidelbast und men Frühlingstagen im April, beenden die Falter Weidenkätzchen beobachten. Der nächsten Ge- ihre Winterruhe. Ab dieser Zeit können sie dann neration im Frühsommer stehen dann eine Viel- bei der Suche nach den ersten Nektarpflanzen auch zahl anderer Blütenpflanzen, wie beispielsweise die in unseren Gärten beobachtet werden. Wenn sich Wiesen-Flockenblume, Witwenblume, Skabiose, die Geschlechter im Frühling begegnen, kommt es Gewöhnlicher Dost, Blaue Luzerne, Rotklee und bald zur Paarung. Dann dauert es nicht lange, bis die Acker-Kratzdistel als Nahrungspflanze zur Ver- die Weibchen ihre Eier, meist in Paketen von bis zu fügung. Bei den Nektar spendenden Pflanzen darf 200 Eiern, an der Blattunterseite der noch jungen keinesfalls der ab Juli bis in den Oktober blühen- Brennnesseltriebe ablegen. Etwa zehn Tage später de Schmetterlingsflieder vergessen werden. Wegen schlüpfen die Räupchen. Diese leben zunächst seiner außergewöhnlich guten Nektargabe wirken gesellig in „Raupennestern“. Ab dem 3. Larven- seine Blüten bekanntermaßen auf Schmetterlinge stadium verteilen sich die Raupen auf dem Brenn- und auch andere Insekten, wie Bienen, Hummeln nesselbestand und leben dann nur noch einzeln und Käfer, wie ein Magnet. an der Futterpflanze. Nach dem 4. Larvenstadium verpuppen sich die adulten Raupen und etwa acht Die letzte Generation des Kleinen Fuchses über- bis zehn Tage später schlüpft der neu entwickelte wintert als Falter. Hierzu suchen die Schmetter- Schmetterling der 1. Generation. 3. Tagpfauenauge (Aglais io) Auch das Tagpfauenauge, das auf den Flügelober- seiten eine rotbraune Grundfärbung aufweist und mit schwarz-blau-rot-gelb gefärbten Augenfle- cken versehen ist, gehört zu unseren schönsten heimischen Edelfalterarten. Eine Verwechslung mit anderen heimischen Tagfalterarten ist auszu- schließen. Mit zusammengefalteten Flügeln sieht der Falter schwärzlichbraun aus, erinnert an ein verwelktes Blatt und schützt sich so in Sträuchern und Gebüschen vor räuberischen Vögeln. Bei dieser Tarnungsform kann daher zu Recht von „Phytomimese“ gesprochen werden. Beobachtet hat man beim Tagpfauenauge auch, dass beim Öffnen der Flügel wegen der dann sichtbaren Augenflecke Vögel schnell wegfliegen, weil sie Abb. 1: Kleiner Fuchs auf einer Acker-Witwenblume. annehmen, ein angreifendes Tier vor sich zu (Foto: A. Westenberger) haben. 148 Der Palmengarten 84/2
mit einem dunkelbraunen Rand versehen. Die Unterseiten der Flügel sind graubraun gefärbt, rindenartig gezeichnet und auf den Hinterflügeln ist das namensgebende Merkmal, ein deutliches weißes „C“ zu sehen. Die Lebensräume des C-Falters, der zweibrütig ist, sind lückige Wälder, Waldränder, -schneisen, -lichtungen und Gartenanlagen. Hier ist er oft- mals bei der Nahrungsaufnahme an Disteln und Wasserdost zu beobachten. Er ist aber auch bei Abb. 2: Tagpfauenauge auf blühenden Weidenkätzchen. (Foto: G. Hawickhorst) Das Tagpfauenauge gehört wie der Kleine Fuchs, der Zitronenfalter, der Faulbaumbläuling und der Aurorafalter zu unseren ersten Frühlings- boten. Es kann an vielen blumenreichen Stellen unserer Gärten beobachtet werden. Sowohl beim Blütenbesuch im Frühjahr und Sommer, als auch bei der im Herbst beginnenden Überwinterung hat es die gleiche Strategie wie der Kleine Fuchs. Selbst die Paarungszeit und die häufchenartige Eiablage (in Paketen bis zu 200 Eiern) an den Blattunterseiten von Brennnesseln ist identisch Abb. 3: Auf den Flügelunterseiten ist jeweils ein weißes C zu mit dem Verhalten des Kleinen Fuchses. Klare erkennen. Dunkle überwinternde Generation. Unterschiede beider Arten gibt es nur im Aussehen (Foto: A. Westenberger) der Schmetterlinge und bei den erwachsenen Raupen. Während die Grundfarbe der bedornten Raupen des Kleinen Fuchses schwärzlich und mit zwei gelben Rückenstreifen und je einem gelben Seitenstreifen versehen sind, weisen die ebenfalls bedornten Raupen des Tagpfauenauges eine tief- schwarze Farbe auf und sind zudem zahlreich mit kleinen weißen Punkten gesprenkelt. Das Tag- pfauenauge erscheint in Raum Frankfurt in ein bis zwei Generationen. 4. C-Falter (Polygonia c-album) Dieser attraktiv aussehende Edelfalter hat zwar nicht die Farbenpracht vom Kleinen Fuchs und Tagpfauenauge, fällt aber besonders durch seine auffällig gezackten Flügelränder auf. Aus diesem Grund ist er von anderen Tagfalterarten gut zu unterscheiden. Flügeloberseits ist der C-Falter Abb. 4: Die Raupe des C-Falters imitiert Vogelkot und wird orangebraun gefärbt, hat dunkle Flecken und ist somit für Fressfeinde uninteressant. (Foto: H. Steinecke) Der Palmengarten 84/2 149
der Mineralienaufnahme auf feuchten Waldwegen oder an tierischen Exkrementen saugend anzu- treffen. Mit etwas Glück kann man in unseren Gärten im Frühjahr überwinterte Falter bei der Nektaraufnahme an Huflattich und Weidenkätz- chen (Salweide) beobachten. Außer der Großen Brennnessel nutzt der C-Falter u.a. Hasel, Ulme und Salweide als Eiablage- und Raupennahrungspflanze. Die imposante, be- dornte Raupe, deren mittlerer und hinterer Teil des Rückens blütenweiß ist und damit Vogelkot nachahmt (sogenannte Vogelkot-Mimese) ist in Obstgärten sogar an Stachel- und Johannisbeere festgestellt worden. Der C-Falter überwintert als Abb. 5: Admiral auf einem Birkenzweig. fertig entwickelter Falter. Als Überwinterungsplatz (Foto: A. Westenberger) nimmt er allerdings keine menschlichen Behau- sungen an, sondern sucht hierzu Baumhöhlungen, Lebensräume. Er ist sowohl in lichten Wäldern, an aufgeschichtete Baumstämme, Erdhöhlen und Waldwegen und –rändern, als auch in verschie- dergleichen auf. Bei fast vollständig herunter- denen Offenlandbiotopen anzutreffen. Oft hält gefahrenem Stoffwechsel übersteht so der Falter er sich auf Obstbaumgrundstücken und in Haus- selbst extrem kalte Winter schadlos. gärten auf, wobei für ihn der in Hausgärten vor- handene Schmetterlingsflieder eine willkommene 5. Admiral (Vanessa atalanta) Nahrungsquelle ist. Auch der als Wanderfalter bekannte Admiral kann oft in unseren Gärten beobachtet werden. Er ist Im Spätsommer und Herbst sieht man die Fal- eine Augenweide unter den Edelfaltern und zählt ter bei sonnigem Wetter oft an überreifem Fallobst zu den schönsten Tagfaltern Mitteleuropas. Die sitzen, um sich an den gärenden Säften zu laben. farbliche Kombination auf den Flügeloberseiten, Wenn er sich zur Überwinterung nicht in südliche, mit der schwarzen Grundfärbung, den roten Bin- wärmere Gefilde im Mittelmeerraum zurückzieht, den und den Weißanteilen, sieht prächtig aus. Die überwintert er hier wie unsere heimischen Nessel- roten Flügelbinden auf den Vorder- und Hinter- falterarten. Langanhaltender, starker Frost ist für flügeln sorgen u. a. dafür, dass der Admiral mit den Admiral allerdings tödlich. keiner unserer heimischen Tagfalterarten verwech- selt werden kann. In früheren Jahren flog der Ad- 6. Distelfalter (Vanessa cardui) miral bei Hochdruckwetter jährlich im Mai/Juni, Auch Deutschlands bekanntester Wanderfalter, aus dem mediterranen Süden kommend, bei uns der Distelfalter, kann im Sommer im Palmen- ein. Mit der Klimaerwärmung und den milden garten und dem Botanischen Garten beobach- Wintern der letzten Jahre gilt es mittlerweile als tet werden. Erste Wellen dieser schön ausse- gesichert, dass der Falter in geschützten Lagen in henden Schmetterlinge fliegen bereits im Mai/ Deutschland (z.B. der Freiburger Gegend, Kai- Juni aus dem südeuropäischen Mittelmeerraum serstuhl; jetzt aber auch im Rhein-Main-Gebiet) und Nordafrika in unsere Gegend ein. Im Juli/ überwintert. Das gibt ihm die Möglichkeit, jähr- August folgen dann weitere Wellen von Zu- lich drei Generationen hervorzubringen. Eiablage- wanderern. Da die Falter bei der Wanderung oft und Raupennahrungspflanze ist die Große Brenn- weite Strecken zurücklegen, sind sie an günstige nessel, in deren Fruchtstände die Weibchen ihre Hochdruckwetterlagen gebunden. Die einge- Eier, jeweils aber nur einzeln (ein Ei pro Pflanze), wanderten Distelfalter entwickeln bei uns zwei ablegen. Der Admiral besiedelt die verschiedensten Nachfolgegenerationen. Ein Großteil der zweiten 150 Der Palmengarten 84/2
Generation fliegt dann im Spätsommer wieder in den Süden zurück. Die hier verbliebenen Falter oder die, die den Rückzug nicht rechtzeitig vor- nehmen, überleben das kalte Herbst- und Win- terwetter nicht. Fröste sind für die Distelfalter absolut tödlich. Der Distelfalter ist eine Offenland-Art, der in blumenreichen Biotopen, wie Wiesen, Gärten und Parkanlagen, aber auch auf Ruderal- und Feldflächen mit Distelarten beobachtet werden kann. Neben verschiedenen Distelarten, vor- zugsweise der Acker-Kratzdistel, wird auch die Große Brennnessel von den Weibchen zur Ei- ablage genutzt. Die Eier werden jeweils einzeln an den Blättern der Nahrungspflanze abgelegt. Die schwärzlich gefärbte, dornige Raupe ist mit ockergelben bis grünlich gelbbraunen Zeichnun- gen versehen. Man findet sie in einem lockeren Gespinst an der jeweiligen Futterpflanze. Abb. 6: Distelfalter an Patagonischem Eisenkraut. 7. Großes Ochsenauge (Maniola jurtina) (Foto: H. Steinecke) Das Große Ochsenauge ist in Mitteleuropa und auch im Frankfurter Raum einer der häufigsten Tagfalter. Obwohl er nicht die Farbenpracht an- derer Edelfalterarten zeigt, kann man ihm eine gewisse Attraktivität trotzdem nicht absprechen. Die Männchen sind auf den Flügeloberseiten dunkelbraun gefärbt und weisen nahe der Vorder- flügelspitzen einen schwärzlichen, weißgekernten Augenfleck auf. Die etwas größeren Weibchen haben im Gegensatz dazu auf den braunen Vor- derflügeloberseiten eine deutliche, hellbraune Binde, auf der die Augenflecke zu sehen sind. Die Flügelunterseiten beider Geschlechter sind braun gefärbt, wobei die Weibchen zum Außen- rand hin mit hellbeigen bis hellgrauen Binden gemustert sind. Sie wirken dadurch viel heller als die Männchen. Lebensräume des einbrütigen Großen Ochsen- auges sind blumenreiche Wiesen, Ruderalflächen, Luzerne- und Rotkleeäcker, Waldränder, Park- anlagen und Hausgärten. Man kann es von Juni bis September an den verschiedensten blühenden Blumen bei der Nektaraufnahme beobachten. Abb. 7: Eine erwachsene Raupe des Distelfalters auf einer Eine klare Präferenz liegt dabei für blaue und Gewöhnlichen Kratzdistel. (Foto: A. Westenberger) lilafarbene Blütenköpfchen vor. Der Palmengarten 84/2 151
Abb. 8: Großes Ochsenauge an einer Acker-Witwenblume. Abb. 9: Kleines Wiesenvögelchen. (Foto: H. Steinecke) (Foto: A. Westenberger) Hauptsächlich die Weibchen des Großen hen nahezu gleich aus. Die Weibchen sind meis- Ochsenauges sind sehr langlebig. Sechs Wo- tens etwas größer und fallen (wegen des Eivorrates) chen Lebenszeit sind keine Seltenheit. Zur durch das dickere Abdomen auf. Verwechslungen Fortpflanzung legen die Weibchen ihre Eier an mit anderen Tagfalterarten können in unserer Ge- verschiedenen Grasarten, wie Rot-Schwingel, gend ausgeschlossen werden. Fieder-Zwenke und besonders Wiesen-Rispen- gras ab. Beim Großen Ochsenauge überwintert Lebensräume des Kleinen Wiesenvögelchen die Raupe, und zwar im zweiten bis vierten sind offene, blumenreiche Graslandbiotope, wie Larvenstadium. z. B. ungedüngte Mähwiesen, Glatthaferwiesen, Straßen- und Waldränder sowie Parkanlagen. 8. Kleines Wiesenvögelchen Im Frankfurter Raum tritt das Kleine Wiesen- (Coenonympha pamphilus) vögelchen in zwei bis drei Generationen auf. Das Kleine Wiesenvögelchen, früher Kleiner Heu- Auf den Wiesen in unseren Gärten kann es von falter genannt, zählt zu den häufigsten Tagfaltern Mai bis September, manchmal sogar bis in den Deutschlands. Auch in Frankfurt ist der kleine Oktober hinein, beobachtet werden. Die klei- Edelfalter (Flügelspannweite: 23 – 33 mm) noch nen Falter flattern dabei langsam und setzen sich zahlreich anzutreffen. Mit seinen gelblichbraunen oft an höherstehende Grashalme. Zur Nektar- Flügeloberseiten, kaum sichtbaren dunklen Rand- aufnahme werden z. B. Margerite, Hahnenfuß, binden und durchleuchtenden Augenflecken an Thymian, Schafgarbe, Weiß-Klee, Schnecken- den Vorderflügelspitzen hat er ein recht unschein- klee, Vogelknöterich, Wiesen-Flockenblume und bares Erscheinungsbild. In Ruhestellung und bei auch der Schmetterlingsflieder aufgesucht. Zur der Nektaraufnahme sieht man ihn fast nur mit Fortpflanzung legen die Weibchen ihre Eier an zusammengefalteten Flügeln. Hierbei kann die Gräsern wie Rot-Schwingel, Straußgrasarten und graubraune, leicht gemusterte Hinterflügelunter- Wiesen-Rispengras ab. Die Jungraupe des Kleinen seite gut erkannt werden. Beide Geschlechter se- Wiesenvögelchens überwintert in der Bodenstreu. 152 Der Palmengarten 84/2
9. Schachbrettfalter (Melanargia galathea) Larvenstadium. Wie an den „Augenflecken“ er- Der Schachbrettfalter mit seiner schwarz-weißen kennbar, gehört er wie das Große Ochsenauge, schachbrettartigen Flügelzeichnung ist unverwech- das Kleine Wiesenvögelchen und das Waldbrett- selbar. Da die Weibchen des Schachbrettfalters spiel der Unterfamilie Satyrinae, den Augenfaltern, meist etwas größer als die Männchen sind und an. Die erwähnten Augenfalterarten werden auch deren Zeichnungen auf den Hinterflügelunter- „Grasfalter“ genannt, weil sich ihre Raupen aus- seiten ins ockerfarbene gehen, kann man die Ge- nahmslos von Gräsern ernähren. schlechter gut unterscheiden. 10. Waldbrettspiel (Pararge aegeria) Im Frankfurter Raum ist der Schachbrettfalter Auch das in den baumbestandenen Bereichen des noch recht gut vertreten. Ungedüngte blumige Palmengartens und Botanischen Gartens anzutref- Wiesen, Brachflächen, Wald- und Wegsäume, Bö- fende Waldbrettspiel gehört zu den Edelfaltern. In schungen etc. sind seine zu schützenden Lebens- ganz Mitteleuropa und auch in der Frankfurter räume. Der Schachbrettfalter fliegt jährlich in nur Region ist es einer der häufigsten Augenfalter. Die einer Generation. Ab etwa Mitte Juni bis in den Flügeloberseiten haben eine braune bis dunkel- August hinein kann er auf den blühenden Wiesen braune Grundfarbe, die auf den Vorderflügeln im Palmengarten und dem Botanischen Garten mit mehreren weißen und hellbeigen Flecken und beobachtet werden. Bei der Nektaraufnahme einem weiß gekernten Augenfleck versehen sind. bevorzugen die Falter blauviolette Blüten, wie Auf der Oberseite der Hinterflügel sind parallel z.B. Wiesen-Flockenblume, Witwenblume und zum Flügelaußenrand drei bis vier Augenflecke Skabiosenarten. zu sehen, die teilweise auch weiß gekernt sind. Diese markanten Befleckungen sollten eine Ver- Zur Fortpflanzung legen die Weibchen ihre Eier wechslung mit anderen heimischen Tagfalterarten nicht an den Raupennahrungspflanzen, den Grä- ausschließen. Das Waldbrettspiel ist ein typischer sern ab, sondern sie lassen sie während des Flugs Waldrandbewohner. Man trifft den Falter bei son- einfach in die Vegetation fallen (sogenannte Eier- nigem Wetter im Licht-Schatten-Bereich grasiger streuer). Rot-Schwingel, Aufrechte Trespe und Laubwälder und Waldwege, aber auch in Park- Pfeifengras sind einige der Gräser, die von den anlagen und Gärten an. Raupen verzehrt werden. Die erste Generation des Waldbrettspiels fliegt Die Überwinterung erfolgt als Raupe. Das schon im zeitigen Frühjahr. Mit etwas Glück geschlüpfte Eiräupchen überwintert im ersten können in unseren Gärten bereits ab Mitte April Abb. 10: Schachbrettfalter. (Foto: B. Jakobus) Abb. 11: Waldbrettspiel. (Foto: H. Steinecke) Der Palmengarten 84/2 153
frisch geschlüpfte Falter beobachtet werden. Zur Nektaraufnahme saugt das Waldbrettspiel nur selten an Blüten. Häufiger sieht man den Falter bei der Mineralienaufnahme an feuchten Wegstellen. Auch beim Saugen an Wunden ver- schiedener Baumarten, reifen Früchten wie Him- beere und Brombeere und sogar an Fallobst wurde er beobachtet. Bekannt ist das Revierverhalten der Männ- chen, die von einer erhöhten Sitzwarte aus an- dere in ihr Gebiet eindringende männliche Falter vertreiben. Vorbeifliegende Weibchen hingegen werden akzeptiert, wobei die Falter dann oftmals das umkreisende Liebesspiel beginnen. Zur Ei- ablage und damit zur Fortpflanzung nutzen die Weibchen etwa 20 verschiedene grasartige Arten. Einige wichtige davon sind z. B. Wald-Segge, Wald-Zwenke und Wiesen-Knäuelgras. In unse- Abb. 12: Großer Fuchs. (Foto: A. Westenberger) rer Region ist das Waldbrettspiel in zwei bis drei Generationen zu sehen. Die Überwinterung er- Obstbaumanlagen und Streuobstwiesen auch folgt im Puppenstadium oder als halb erwachsene offene Wälder und sonnenexponierte Wald- Raupe. ränder. Zur Eiablage bevorzugen die Weibchen in Waldbereichen Weidenarten (z.B. Salweide), 11. Großer Fuchs (Nymphalis polychloros) Ulmen- und Pappelarten (z.B. Zitterpappel). Die Der Große Fuchs ähnelt in der Farbzusammen- Eier werden dabei in ringförmigen Gelegen um setzung und seiner Zeichnungen sehr dem Klei- dünne Zweige abgelegt. Die geschlüpften Räup- nen Fuchs. Vergleicht man die beiden Arten aber chen leben zunächst gesellig in einem lockeren untereinander, kann man doch deutliche Abwei- Gespinst. Die größeren, dornenartig aussehenden chungen bei den Farben und Zeichnungen fest- Raupen vereinzeln sich später. stellen. Auch ist die Flügelspannweite (50-60 mm) beim Großen Fuchs größer (Kleiner Fuchs nur Die überwinternden Falter des Großen Fuchses 40-50 mm). In unserer Region galt der Große sind mit die ersten Schmetterlinge, die man bei Fuchs lange Zeit als verschollen. Die Gründe für sonnigwarmem Wetter im Frühjahr beobachten das vorübergehende Verschwinden sind mannig- kann. Bereits im März/April, zur Blütezeit von faltig. Unter anderem führt man hier die zeitwei- Schlehdorn, Kirsche und Zwetschge, kann sie lige, übermäßige Anwendung von Pestiziden im der aufmerksame Naturfreund bei der Nektar- Obstbau an, weil die Weibchen des Großen Fuch- aufnahme an den Blüten beobachten. Auch der ses zur Fortpflanzung auch Birne und Süßkirsche im Frühling blühende Huflattich und blühende mit Eiern belegen. Weidenkätzchen werden als Nahrungsquelle gerne aufgesucht. An feuchten Stellen der Waldwege Seit mittlerweile etwa zehn Jahren werden je- oder den Wegen von Parkanlagen kann der Falter doch im Frühjahr sowohl im Frankfurter Raum oftmals bei der Mineralienaufnahme beobachtet als auch im Taunus-Gebiet wieder überwinterte, werden. Hierzu werden von ihm auch auf Wegen und im Sommer, zwischen Juni und August, Fal- liegende tierische Exkremente mit Vorliebe auf- ter der ersten Generation festgestellt. Diese Be- gesucht. Der einbrütige Große Fuchs überwintert obachtungen sind äußerst positiv zu bewerten. als Falter in Baumhöhlen, aufgestapeltem Holz, Lebensräume des Großen Fuchses sind neben Schuppen, Brücken und dergleichen. 154 Der Palmengarten 84/2
12. Kaisermantel (Argynnis paphia) flügeloberseits eine deutlich dunklere Grundfär- Der Kaisermantel ist der größte Perlmutterfalter bung und sind an den Adernbereichen, wo die Europas. Er ist ein typischer Vertreter der „Wald- Männchen mit Duftschuppenstrichen versehen schmetterlinge“ und ist in unseren heimischen sind, mit runden schwarzen Flecken gezeichnet. Waldgebieten, z.B. auf Waldwegen, -schneisen, Erwähnenswert ist, dass bei den Weibchen des -lichtungen und Waldsäumen, erfreulicherwei- Kaisermantels neben der normalen Weibchen- se noch häufig anzutreffen. Bei sonnigem Som- form auch die seltene, stark verdunkelte graue merwetter kann der imposante Edelfalter in den Weibchenform „valesina“ auftreten kann. Sie wird Monaten Juli und August beobachtet werden, auch in unseren heimischen Wäldern immer wie- wenn er entlang der Waldwege die weißen Blüten der mal beobachtet. Raupennahrungspflanzen des der Brombeere, die purpurroten des Wasserdos- Kaisermantels sind verschiedene Veilchenarten, tes oder die bläulichroten Blüten verschiedener wie beispielsweise das Wald-Veilchen und das Distelarten zur Nektaraufnahme aufsucht. Der März-Veilchen. Kaisermantel ist eine einbrütige Art. Wegen der silberfarbenen Längsbinden auf den Rückseiten Die Eier werden nicht wie bei anderen Arten seiner Hinterflügel wird er deshalb mancherorts üblich, an den Fraßpflanzen der Raupen abgelegt, auch „Silberstrich“ genannt und kann mit keiner sondern an der Rinde von Baumstämmen in den anderen heimischen Tagfalterart verwechselt wer- mit Veilchen bewachsenen Saumbereichen. Dabei den. Männchen und Weibchen des Kaisermantels werden die Eier einzeln im unteren Bereich der sind auf den Flügeloberseiten unterschiedlich ge- Stämme in rissige Vertiefungen der Rindenteile färbt und gezeichnet. Die Männchen des Kaiser- abgelegt. Die im Herbst schlüpfenden Räupchen mantels weisen auf den Flügeloberseiten eine verkriechen sich anschließend in den Rinden- leuchtend orangebraune Farbe auf und haben auf ritzen der Bäume und überwintern dort. Nach den Vorderflügeln runde schwarze Flecken und Beendigung der Winterruhe im Frühjahr be- kleinere Binden. Entlang der Flügeladern sind geben sich die winzigen Räupchen dann zur ers- außerdem sehr deutlich vier längliche, schwarze ten Nahrungsaufnahme an die austreibenden Veil- Duftschuppenstriche zu sehen, dort werden Phe- chen. Tagsüber leben die Raupen meist versteckt. romone abgegeben. Die Weibchen haben dagegen In der Nacht gehen sie auf Nahrungssuche. Abb. 13: Männchen des Kaisermantels mit „Duftschuppen- Abb. 14: Kopula des Kaisermantels auf einem Faulbaum, strichen“. (Foto: A. Westenberger) links das Weibchen. (Foto: A. Westenberger) Der Palmengarten 84/2 155
13. Kleiner Schillerfalter (Apatura ilia) entweder helle Punkte oder helle, schmale Bän- Auch der Kleine Schillerfalter, hier insbesonde- der. Diese hellen Flecken, Punkte und Bänder sind re das blau schillernde Männchen der rötlichen bei f. ilia weiß und bei f. clytie ockergelb, ins röt- Form clytie, ist ein herrlicher Tagfalter. Vom Aus- liche gehend. Etwa in der Mitte der Vorderflügel sehen steht er den prächtigsten Schmetterlingen und am Ende der Hinterflügel ist bei den Faltern tropischer Wälder nicht nach. Er hat eine Flügel- außerdem ein leicht rötlich umrandeter schwarzer spannweite von 64–72 mm. Auch er gehört zu Augenfleck zu sehen. unseren heimischen Waldarten. Bei sonnigem Wetter, hauptsächlich in den Monaten Juni und Die Männchen des Kleinen Schillerfalters, die Juli, kann er auf den Wegen lichter Laub- oder mit ihrem „Blauschiller“ auf den Flügeloberseiten Mischwälder mit Zitter- und Schwarzpappelbe- von besonderer Schönheit sind, können auf Wald- ständen beobachtet werden. Heiße und langan- wegen am günstigsten bei sonnigem Wetter in den haltende Sommer können begünstigen, dass sich Vormittagsstunden beobachtet werden. Besonders beim Kleinen Schillerfalter eine partielle zweite nach vorangegangen Regennächten kann man in Generation entwickelt. Diese Falter fliegen dann entsprechenden Habitaten oft mehrere Falter bei im August und September. der Nahrungsaufnahme beobachten, wie sie mit ihrem gelben Saugrüssel Mineralien von feuchten Interessant ist, dass er in Mitteleuropa und Wegstellen aufnehmen. Auch tierische Exkre- auch im Frankfurter Raum in zwei verschiedenen mente auf den Wegen werden hierzu aufgesucht. Farbmorphen vorkommt. Zum einen ist das die blau schillernde Form (A. ilia f. ilia), zum ande- Die Weibchen sind im Gegensatz dazu nur ren die blau schillernde rötliche Form (A. ilia f. selten auf den Waldwegen anzutreffen. Sie halten clytie). Diesen prachtvollen Schillerglanz haben sich vor allem im Kronenbereich der Waldbäume bei beiden Formen aber nur die Männchen, den auf und ernähren sich vorwiegend vom Saft blu- Weibchen fehlt die Schillerfärbung; sie sind auf tender Bäume, dem Honigtau der Blattläuse, und den Flügeloberseiten mit einer matten, dunkel- dem Saft überreifer Früchte, wie Brombeere und braunen bzw. rötlichbraunen Grundfärbung ver- Kirsche. Bei einer Zucht konnte der Mitautor sehen. Beide Formen des Kleinen Schillerfalters dieses Artikels zudem feststellen, dass Weibchen haben flügeloberseits zudem eine Binde aus hellen bei der Nahrungsaufnahme auch an Regen- Flecken sowie an den Außenrändern der Flügel tropfen (auf Blättern) und mit Vorliebe auch Abb. 15: Kleiner Schillerfalter (A. ilia f. ilia), Männchen. Abb. 16: Kleiner Schillerfalter (A. ilia f. clytie), Männchen. (Foto: A. Westenberger) (Foto: A. Westenberger) 156 Der Palmengarten 84/2
Abb. 17: Auf dieser Insektenwiese im Palmengarten sind viele Insekten, darunter auch einige Schmetterlinge, zu beobachten. (Foto: H. Steinecke) Mark, H. G., Peuder, W. & Westenberger, A. 2017: an aufgeschnittenen Teilen einer Honigmelone Tagfalter und Widderchen der Stadt Frankfurt am Main, der saugten. Blütenpflanzen werden zur Nektarauf- Kreisgebiete Hochtaunus, Main-Taunus und der näheren Um- nahme weder von männlichen noch von weib- gebung. – Königstein am Taunus, Frankfurt am Main, Hof- lichen Faltern besucht. Eine Verwechslungsgefahr heim-Marxheim. beim Kleinen Schillerfalter besteht nur mit dem Westenberger, A. & Fabian, J. 2010: Die Tagfalter des Großen Schillerfalter, der aber größer und etwas Main-Taunus-Kreises und der näheren Umgebung, ihre Rau- pen und Futterpflanzen: Eine Bestandsaufnahme und Bild- anders gezeichnet ist. Beim Kleinen Schiller- illustration aus den Jahren 2004-2009. – Hofheim-Marxheim. falter überwintert die kleine Raupe (im zweiten Larvenstadium) an den Ästen von Zitter- und Schwarzpappeln. Internetseiten https://www.inaturalist.org/projects/tiere-und-pilze-in-frank- Die Beobachtung und Förderung der Insekten- furts-botanischen-garten vielfalt sind Bausteine des Leitthemas „Blütenbio- http://www.apollo-frankfurt.de/ logie“ im Palmengarten. Ein besonderes High- Entomologischer Verein Apollo light zu dieser Thematik wird im Jahr 2021 die https://www.ufz.de/tagfalter-monitoring/index.php?de=41776 Eröffnung des Blüten- und Schmetterlingshauses sein. In diesem wird es einen Warmhausbereich mit frei fliegenden tropischen Schmetterlingen Anschrift der Autoren und der Autorin und ihren Nahrungspflanzen sowie einen Kalt- Alfred Westenberger, Wilhelmstr.3, hausbereich mit einer Blütenbiologie-Daueraus- 65779 Kelkheim, E-Mail: apwestenberger@aol.com stellung geben. Dr. Marco Schmidt: Palmengarten Frankfurt, Siesmayerstr. 61, 60323 Frankfurt, E-Mail: marco.schmidt@stadt-frankfurt.de Weiterführende Literatur Dr. Hilke Steinecke, Palmengarten Frankfurt, Siesmayerstr. 61, 60323 Frankfurt, Ebert, G. 1991: Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. E-Mail: hilke.steinecke@stadt-frankfurt.de Band 1. Tagfalter. – Stuttgart. Der Palmengarten 84/2 157
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