Vergleichende Untersuchungen zum Reproduktionserfolg von Labor- und Wild-Goldhamstern (Mesocricetus auratus)

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Vergleichende Untersuchungen zum Reproduktionserfolg von Labor- und Wild-Goldhamstern (Mesocricetus auratus)
„Vergleichende Untersuchungen zum Reproduktionserfolg von Labor-
          und Wild-Goldhamstern (Mesocricetus auratus)“

                           Diplomarbeit
                angefertigt am Institut für Zoologie
                       Fachbereich Biologie
             Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

                                zur
                Erlangung des akademischen Grades

                          Diplom-Biologe
                           (Dipl.-Biol.)

                           vorgelegt von

                          Karsten Nasdal

                  geboren am 09.11.1976 in Berlin

                          eingereicht am:

                        15. Dezember 2004
Vergleichende Untersuchungen zum Reproduktionserfolg von Labor- und Wild-Goldhamstern (Mesocricetus auratus)
Gewidmet meiner Mutter
   Ute Dunja Menzel
      † 7.12.2003

           2
Vergleichende Untersuchungen zum Reproduktionserfolg von Labor- und Wild-Goldhamstern (Mesocricetus auratus)
INHALTSVERZEICHNIS

I. Inhaltsverzeichnis

I.        Inhaltsverzeichnis
II.       Abkürzungsverzeichnis……………………………….…………………………….3
III.      Hauptteil
       1. Einleitung…………………………………………………………….……………..4
       2. Material und Methoden
          2.1 Versuchstiere und Haltungsbedingungen…………………………….………....7
              2.1.1 Tiere………………………………….………………………….……..…7
              2.1.2 Haltungsbedingungen…………….…………………………….……..….7
          2.2 Verpaarung……………………..…………………………………….…………8
          2.3 Vaterschaftsnachweis…………..…………………………………….…………9
          2.4 Genetische Distanzen………….………………………………………………10
          2.5 Female choice………………...………………………………………………..10
          2.6 Ovarialzyklus…………………………………………………………………..11
          2.7 Sexualverhalten…………………………………………………...…………...13
          2.8 Auswertung und Statistische Analyse……………………...………………….15
       3. Ergebnisse
          3.1 Reproduktionserfolg………………………………………..………….………16
          3.2 Female choice………………………………………………………………….17
          3.3 Genetische Distanzen…………………………………………...……………..18
          3.4 Aktivität im Zyklus………………………………...………………………….19
          3.5 Sexualverhalten…………………………………………………...…………...19
             3.5.1 Weibchen………………………………………………...………………19
             3.5.2 Männchen…………………………………………………..…...……….21
          3.6 First male advantage…………...………………………………………………22
       4. Diskussion…………………………………………………………...…………….23
       5. Zusammenfassung…………………………………………………………...…….34
IV. Literaturverzeichnis……………………………………………………..……………..35
V. Anhang……………………………………………………………………...…...……..43

                                     3
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

II. Abkürzungsverzeichnis:

Abb.                     Abbildung
Bd.                      Band
D                        Dunkelzeit
ed.                      edited
et al.                   et alii
L                        Lichtzeit
Lan                     Licht an
Laus                     Licht aus
Maurµ                   Mesocricetus auratus - Mikrosatelliten-Loci
MEZ                      Mitteleuropäische Zeit
n                        Probenumfang
PCR                      Polymerasekettenreaktion
S.                       Seite
Tab.                     Tabelle
vs.                      versus

                                      4
EINLEITUNG

1. Einleitung

CHARLES DARWIN postulierte 1899, dass sich Arten durch einen Mechanismus entwickeln,
welchen er „natürliche Zuchtwahl“ nannte. Er belegte einen Selektionsprozess für
variierende Merkmale in der Natur, welcher zu einer Bevorzugung von positiven,
lebensnützlichen Variationen führt. Diese Merkmale werden dann an die Nachkommen
vererbt, welche wiederum in diesen Merkmalen variieren und für das Überleben optimal
selektiert werden. DARWIN prägte den Begriff „Fitness“ als eine Umschreibung von allem,
was ein Individuum im „Kampf ums Dasein“ besonders geeignet und tauglich macht.
DAWKINS (1974) beschreibt die Maximierung des individuellen Reproduktionserfolges
durch jedes einzelne Individuum als „Motor“ der Evolution. Merkmale werden positiv
selektiert, wenn sie einen positiven direkten oder indirekten Einfluss auf den
Reproduktionserfolg eines Individuums haben. Ebenso werden Merkmale negativ
selektiert, wenn sie einen negativen Einfluss auf dessen Reproduktionsfähigkeit ausüben.
DAWKINS reduziert das Individuum an sich auf einen kurzlebigen Träger der genetischen
Information, welcher dem Zweck dient, ein optimales Medium für die Genreplikation zu
bieten. Dieses Prinzip ist durch die Formulierung “Theorie vom egoistischen Gen“
beschrieben. Die Fortpflanzung und damit die Replikation und Weitergabe der eigenen
Gene nimmt also eine zentrale Stellung im Mechanismus der Evolution und damit im
Leben eines jeden Individuums ein. Eine „Reproduktive Fitnessmaximierung“ ist ein
entscheidendes Lebensprinzip aller Organismen (VOLAND 2000).
Zur Umwelt eines Organismus gehören weitere Organismen. Ein Individuum ist
demzufolge gezwungen, auch auf diesen Teil der Umwelt zu reagieren. Gehört der andere
Organismus zur eigenen Art, kann es sich zum einen um eine Konkurrenzsituation
handeln, z.B. eine Konkurrenz um Ressourcen. Zum anderen bedingt eine sexuelle
Fortpflanzung die Notwendigkeit, Geschlechtspartner zu finden, auszuwählen und mit
ihnen in dem erforderlichen Maße zu kooperieren, um einen Fortpflanzungserfolg zu
erreichen. Diese Notwendigkeiten verlangen soziale Verhaltensweisen und Mechanismen.
Dabei sind sowohl die sozialen Systeme als auch die dazugehörigen Verhaltensweisen den
jeweiligen   Lebensumständen    und   Bedürfnissen   der   einzelnen   Individuen   oder
Fortpflanzungsgemeinschaften angepasst (HENDRICHS 1978; SACHSER 1994). Die
Soziobiologie ist „eine moderne Wissenschaftsdisziplin, die das Sozialverhalten und die
Gruppenstrukturen der Tiere und des Menschen auf eine spezielle evolutionsbiologische
Grundlage stellt. Hauptgegenstand ist der Anpassungswert der sozialen Phänomene und

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EINLEITUNG

die Frage nach ihrem Wert für das Überleben und die Fortpflanzung, für die Fitness ihrer
Träger“ (LUNDBERG 1993). Ein wichtiges Forschungsfeld der Soziobiologie sind Problem-
oder Konfliktsituationen. Im Falle der sexuellen Fortpflanzung eines Individuums ergeben
sich solche Situationen z.B., wenn dem Weibchen mehrere Partner zur Verfügung stehen.
Zum einen muss das Weibchen den für seine Nachkommen möglichst optimalen Partner
finden und auswählen (intrasexuelle Selektion). Zum anderem müssen verschiedene
Männchen miteinander um das Weibchen konkurrieren (intersexuelle Selektion) (DARWIN
1871; BIRKHEAD & MOLLER 1998).
Weibchen sind in der Regel der Teil einer Fortpflanzungspartnerschaft, welcher die
meisten Investitionskosten trägt. Bei solitären Tieren wie dem Goldhamster (Mesocricetus
auratus) wird die Aufzucht der Jungtiere meist allein vom Weibchen übernommen. Durch
dieses hohe Investment ist die Anzahl möglicher Nachkommen für das Weibchen begrenzt.
Es strebt daher qualitativ hochwertige, also optimal angepasste oder anpassungsfähige
Nachkommen an (BIRKHEAD & PARKER 2003).
Für das Weibchen gibt es hierbei zwei wichtige Kriterien. Zum einen sollte das gewählte
Männchen möglichst vorteilhafte Merkmale aufweisen, welche dann auf die Jungen
vererbt werden können. Bei diesen Merkmalen kann es sich z.B. um eine große
Körpermasse, das Erreichen eines hohen reproduktionsfähigen Alters oder um einen
geringen Parasitenbefall handeln. Zum anderen sollte der Partner einen möglichst optimal
kompatiblen Genotyp besitzen, um eine hohe Heterozygotie der Nachkommen zu
gewährleisten, sie damit anpassungsfähiger zu machen, Inzuchteffekte zu vermeiden und
so ihre reproduktive Fitness zu erhöhen (HANSSON & WESTERBERG 2002).
Für ein Männchen spielt die Qualität der Jungtiere in der Regel eine untergeordnete Rolle.
Vor allem wenn es, wie beim Goldhamster, kaum Investitionskosten beim Austragen und
der Aufzucht der Jungen trägt. Goldhamstermännchen können sehr viel mehr
Nachkommen produzieren als Weibchen, indem sie mit möglichst vielen Partnern zur
Fortpflanzung gelangen. Da alle Männchen diese Strategie der Quantität verfolgen, gibt es
zwischen ihnen einen sehr großen Konkurrenzdruck (BIRKHEAD & PARKER 2003).
Wählt ein Weibchen den Fortpflanzungspartner, so müssen die Männchen im Vorfeld
versuchen, die Wahl für sich zu entscheiden. Dies kann, je nach Art, mit Hilfe von
komplizierten   Balzritualen,   Kommentkämpfen      oder   anderen   Möglichkeiten    von
Werbeverhalten geschehen. Ist eine Mehrfachverpaarung eines Weibchens nicht
ausgeschlossen, sollte ein Männchen versuchen, einen möglichst alleinigen Anspruch zu
verteidigen. Die Soziobiologie kennt viele Mechanismen, mit denen Männchen versuchen,

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EINLEITUNG

die Kopulation „ihres Weibchens“ mit weiteren Kontrahenten zu verhindern oder deren
Effekte zu verringern. Sie kennt aber auch ebenso viele Gegenstrategien (BIRKHEAD &
MOLLER 1992; TAGGART ET AL. 1998; VOLAND 2000).
Werden Goldhamsterweibchen nacheinander mit zwei Goldhamstermännchen verpaart,
können in einem Wurf sowohl Junge des einen als auch des anderen Männchens
vorkommen. Es gibt also die Möglichkeit einer multiplen Vaterschaft (HUCK et al. 1989).
Die   in     der     vorliegenden     Arbeit     beschriebenen     Versuche    wurden       an      zwei
Goldhamsterstämmen durchgeführt. Dabei handelt es sich zum einen um einen
Wildtypstamm, zum anderen um einen Laborstamm. Seit 70 Jahren wird der Laborstamm
in menschlicher Obhut gezüchtet. Als Begründer dieses Stammes dienten nur zwei Tiere,
welche zudem Geschwister waren (GATTERMANN 2000). Der Laborstamm ist eine
Inzuchtlinie mit hohem Inzuchtgrad, also geringer genetischer Diversität. Inzucht, also die
Verpaarung         von   Individuen       mit   hohen    Verwandtschaftskoeffizienten,      führt     zu
Inzuchtlinien, welche sich durch eine große genetische Einheitlichkeit auszeichnen. Oft
treten Inzuchtdepressionen auf. Diese Inzuchtschäden können unerwünschte, vorerst
rezessive Anlagen hervorbringen (CHARLESWORTH & CHARLESWORTH 1987). Des weiteren
setzen sie durch eine Verringerung der genetischen Variabilität die Anpassungsfähigkeit an
sich verändernde Umweltverhältnisse herab. Die Folgen sind vielfältig. Oft sind Größe,
Gewicht und Widerstandsfähigkeit verringert, Leistungsfähigkeit, sexuelles Interesse und
Fertilität nehmen mit zunehmendem Inzuchtgrad ab. Es kommt öfter zu Missbildungen und
einer retardierten Entwicklung der Jungtiere (BREWER et al. 1990). Bisher galt der
Goldhamster als weitgehend inzuchtresistent. Trotz eines hohen Inzuchtgrades und einer
langen Inzuchtlinie sind kaum Inzuchtdepressionen beschrieben. Die in dieser Arbeit
verwendeten Begriffe „Inzuchtdepression“ und „Inzuchtdefekte“ bezeichnen alle negativen
Effekte,     welche      infolge    der    genetischen    Verarmung     in    einem   aus     Inzucht
hervorgegangenen Tierstamm auftreten.
Der Wildtypstamm existiert seit 1999 in menschlicher Obhut. Vergleiche zwischen Wild-
und Laborstamm zeigen keine deutlichen Unterschiede in der Morphologie (Körpergröße,
Färbung, Fußlänge) und im Sexualrhythmus. Lediglich Ohrlänge (21,9 vs. 21,3 mm) und
Schwanzlänge (7,8 vs. 8,3 mm) unterscheiden sich signifikant, aber minimal.
Laborhamster sind schwerer (141 vs. 117 g), doch die relative fettfreie Masse ist identisch
(GATTERMANN et al. 2000). Wilde Goldhamster zeichnen sich durch eine signifikant
höhere Lokomotion und ein erhöhtes Explorationsverhalten aus (HOLLAK 2000; FRITZSCHE
et al. 2000). Die Wurfgröße ist bei beiden Stämmen gleich, wenn die Weibchen innerhalb

                                                    7
EINLEITUNG

ihres Stammes verpaart werden (GATTERMANN, FRITZSCHE - unpublizierte Daten). Der
Laborstamm zeigt eine Abnahme der genetischen Diversität. Die Allelanzahl pro Genort
und die mittlere Heterozygotie sind beim Laborgoldhamster signifikant geringer als bei
den Wildfängen (FRITZSCHE et al. 2000, NEUMANN et al. 2004 eingereicht).
Es ist anzunehmen, dass ein gefundener Unterschied im Reproduktionserfolg von Wild-
und Laborgoldhamstern auf die unterschiedliche Heterozygotie und Allelanzahl der beiden
Stämme zurückzuführen wäre.
Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass Inzuchtdepressionen versteckt existieren können
und nur unter ganz bestimmten Situationen zur Ausprägung kommen (JORON &
BRAKEFIELD 2003). Solch eine Situation wurde in der vorliegenden Arbeit durch die
direkte Konkurrenz der Männchen herbeigeführt.
Ziel dieser Diplomarbeit war es, die Männchen beider Stämme auf Unterschiede im
Reproduktionserfolg zu untersuchen. Des Weiteren sollten Sexualverhalten und
Wahlverhalten (female choice) experimentell, und weitere mögliche Ursachen dieser
Unterschiede theoretisch betrachtet werden.

                                              8
MATERIAL UND METHODEN

2. Material und Methoden

2.1 Versuchstiere und Haltungsbedingungen

2.1.1 Tiere

Für die Untersuchungen wurden adulte, sexuell naive Weibchen (n=20) und adulte, sexuell
naive   Männchen       (n=20)   vom   Goldhamster    (Mesocricetus     auratus)   aus   dem
institutseigenen Aufzuchtstock ZOH:GOHA verwendet. Diese Tiere werden im Folgenden
als „Labortiere“ bzw. als „Labormännchen/Laborweibchen“ bezeichnet. Des Weiteren
wurden adulte, sexuell naive Weibchen (n=20) und adulte, sexuell naive Männchen (n=20)
verwendet, deren Aufzuchtstock ebenfalls institutseigen ist, aber durch 14 Wildfänge aus
dem natürlichen Verbreitungsgebiet (Aleppo – Nordsyrien 1999) etabliert wurde. Diese
Tiere werden im Folgenden als „Wildtiere“ bzw. als „Wildmännchen/Wildweibchen“
bezeichnet.

2.1.2 Haltungsbedingungen

Die Männchen wurden einzeln in Standard-Makrolonkäfigen Typ IV (54x33x20cm) mit
Drahtabdeckung und Futterraufe, die Weibchen in älteren Standard-Schalenkäfigen (47cm
x 28cm Grundfläche) mit Drahtaufsatz und Futterraufe gehalten. Als Einstreu dienten
Sägespäne     (Firma    ALLSPAN).     Die   Tiere   erhielten   pelletiertes   Standardfutter
(ALTROMIN GmbH – Zuchtfutter für Hamster) und Wasser (Leitungswasser) ad libitum.
Während der Trächtigkeit und Laktation der weiblichen Tiere bekamen diese zusätzlich
Apfelstückchen und Magerquark.
Der Haltungsraum war fensterlos und klimatisiert. Die Temperatur betrug 22±2 °C bei 55 –
65 % relativer Luftfeuchte. Das Lichtregime war auf L:D 14:10 mit Licht an um 5.00 Uhr
MEZ eingestellt. Die Schleusenapparatur für den Wahlversuch befand sich im
Haltungsraum, die für die Verpaarungen verwendete Paarungsarena in einem separaten
Raum. Dort wurden die Tiere nur für die Dauer des Verpaarungsversuches (zwei Stunden
ab Licht aus) aufbewahrt.
MATERIAL UND METHODEN

2.2 Verpaarung

Die Verpaarungen erfolgten in einem separaten Raum in einer Paarungsarena aus Plexiglas
mit den Abmessungen 70x70x30 cm. Als Bodengrund dienten Sägespäne (Abb.1). Die
Verpaarungen begannen bei Licht aus (19.00 Uhr MEZ) in völliger Dunkelheit. Mittels
Infrarotkamera und Infrarotscheinwerfer wurden die Verpaarungen zur späteren
Auswertung auf Video aufgezeichnet. Die Weibchen wurden nacheinander mit zwei
Männchen verpaart, je einem Wild- und einem Labormännchen. Das erste Männchen
wurde nach      einer kurzen Eingewöhnungszeit des Weibchens (3 min) in die Arena
zugesetzt. Nach einer Stunde wurde das erste Männchen herausgenommen und das zweite
hinzugesetzt. Das zweite Männchen wurde ebenfalls eine Stunde beim Weibchen belassen.
Danach wurden die Tiere zurück in ihre Heimkäfige und in den Haltungsraum
zurückgebracht. Jedes Weibchen wurde zweimal mit denselben Männchen verpaart, wobei
die Reihenfolge der Männchen in der zweiten Paarung vertauscht wurde.

Abbildung 1: Paarungsarena mit Infrarotkamera und Videoaufzeichnungsgeräten

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MATERIAL UND METHODEN

2.3 Vaterschaftsnachweis

Zum Nachweis der Vaterschaft wurden Stücke vom Ohr verwendet, die den Jungen und
den Elterntieren nach dem Abtöten entnommen wurden. Die Identifizierung der Väter
erfolgte unter Verwendung der Mikrosatelliten Maurµ6 und Maurµ10.
Genomische DNA wurde mit einem standardisierten DNA-Kit (E.Z.N.A. Tissue DNA Kit
II, Peqlab Biotechnologie GmbH) extrahiert. Die PCR-Amplifikation der Loci wurde mit
dem puRE Taq Ready-To-Go System (Amersham Biosciences) durchgeführt. Ein 25µl
Reaktionsansatz enthielt ungefähr 50-100 ng genomische DNA und je 12.5 pmol
„forward“ und „reverse“ Primer. Das PCR-Profil wurde mit einer Vorinkubation, 180 s bei
94°C, gestartet. Es folgten 30 Zyklen mit folgendem Programm: 60 s bei 94°C, 60 s bei
einer primer-spezifischen Temperatur und 120 s bei 72°C. Dafür wurde ein Thermocycler
UNO II von Biometra verwendet. Die PCR-Produkte wurden anschließend auf
6 %igen Poly-Acryl-Amid-Gelen aufgetrennt und detektiert. Dies geschah mit dem
automatischen Sequenzer ALFexpress, gesteuert durch das ALFexpress II DNA analysis
system (Amersham Pharmacia Biotech). Die Größe der detektierten Banden (Allele) und
deren Abstände zueinander an den jeweiligen Loci wurde mittels gerätespezifischer
Fragmentanalyse-Software ermittelt (GeneScan© 2.1.). Die Vaterschaft konnte schließlich
durch den Vergleich der Allele von Jungtieren und Eltern bestimmt werden.

2.4 Genetische Distanzen

Für die Bestimmung der genetischen Distanzen zwischen Weibchen und Männchen
wurden 11 Loci verwendet (siehe Anhang). Die labortechnische Vorgehensweise entsprach
den Arbeitsschritten bei der Ermittlung der Vaterschaft (siehe 2.3). Die zwischen jeweils
zwei Tieren übereinstimmenden Allele wurden gezählt. Das gewählte Maß für die
genetische Distanz war die „Allelic shared distance“ nach CHAKRABORTY:

                                         ∑ S
                                           r

DSA = 1 − PSA
     1            1   (1) mit   PDA 1   = j      (2)
                                          2r
DSAI- genetische Distanz
S – die Anzahl der gemeinsamen Allele
r – Anzahl der Loci
(JIN & CHAKRABORTY 1994)

                                           11
MATERIAL UND METHODEN

2.5 Female choice

Bei diesem Versuch wurde eine Schleusenapparatur verwendet (Abb.2). Die Schleuse
bestand   aus    drei   Standard-Makrolonkäfigen       Typ   IV,   die   durch   Plastikröhren
(lichtundurchlässig, Länge 18cm, Durchmesser 5cm) miteinander verbunden waren. Die
Röhren konnten mittels zweier Metallstäbe verschlossen werden, um den Zugang der
Hamster in andere Käfige zu blockieren. Die Käfige waren mit Sägespänen als Einstreu,
Futter (Pellets) und Wasserflasche ausgestattet.

Abbildung 2: Schleusenapparatur mit Bewegungsmeldern

Jedes Weibchen wurde für 7 Tage in der Schleuse belassen. Zu Versuchsbeginn wurde die
Schleuse geöffnet. Das Weibchen blieb für zwei Tage allein in der Anlage und konnte
jeden Käfig betreten. Am dritten Tag wurden die Röhren verschlossen. Das Weibchen
blieb im mittleren Käfig. Links und rechts wurde je ein Labor- und ein Wildmännchen für
die Dauer der Lichtphase eingesetzt. Während dieser Zeit waren olfaktorische, visuelle und
naso-taktile Kontakte durch die Sperre in den Röhren zwischen Weibchen und Männchen
möglich. Vor Licht aus wurden die Männchen entnommen und in ihre Käfige
zurückgesetzt, die Schleusen wurden geöffnet und dem Weibchen der Zugang zu den

                                               12
MATERIAL UND METHODEN

Männchenkäfigen ermöglicht. Nach Licht an wurden die Männchen wieder eingesetzt und
die Apparatur wieder geschlossen (siehe Abb.3). Die Aktivität der Weibchen wurde durch
passive Infrarot-Bewegungsmelder erfasst. Über jedem Käfig befand sich ein
Bewegungsmelder, dessen Daten separat gespeichert wurden.
Nach      Beendigung    des    Versuches     wurde    die    Einstreu      entfernt,   die   gesamte
Schleusenapparatur mit Seifenwasser ausgewaschen, mit einprozentiger Essigsäure
ausgewischt und desinfiziert. Danach wurde die Schleuse neu besetzt. Dieser Versuch
wurde zwei Wochen später mit denselben Tieren, aber mit vertauschter Männchenposition
wiederholt.
Die Weibchen wurden mit denselben Männchen getestet, mit denen sie im Laufe des
Versuches verpaart wurden (siehe 2.2). Nach jedem Durchgang wurde der Ovarialzyklus
der Weibchen bestimmt.

1. Schleusendurchgang                                    2. Schleusendurchgang

Tag                                                      Tag

   Wild                                                     Labor
                   ♀             Labor
                                                              ♂
                                                                              ♀              Wild
    ♂                             ♂                                                           ♂

 Nacht                                                      Nacht

                   ♀                                                          ♀

Abbildung 3: Schema des Schleusenversuches. Jeder Schleusendurchgang dauerte 7 Tage, zwischen dem
Ende des ersten und dem Anfang des zweiten Durchgangs lagen zwei Wochen.

2.6 Ovarialzyklus

Zur    Bestimmung      des    Ovarialzyklus     wurden      Verhaltenstests       durchgeführt      und
Vaginalabstriche der Goldhamsterweibchen angefertigt.

Verhaltenstests: Dem Goldhamsterweibchen wurde gegen Ende der Lichtzeit ein
Männchen zugesetzt. Kam es danach zu Auseinandersetzungen, wurde das Männchen

                                                13
MATERIAL UND METHODEN

wieder entfernt und der Versuch am nächsten Tag zur gleichen Zeit wiederholt. Nahm das
Weibchen dagegen die Lordosestellung ein, konnte davon ausgegangen werden, dass sich
das Weibchen im Östrus befand (GATTERMANN et al. 1985).

Abstriche: Bei vielen Nagetieren finden zyklusabhängig Proliferation und Apoptose des
Epithels von Uterus und Vagina statt (SATO et al. 1997). Durch Abstriche kann der Verlauf
dieser Vorgänge nachvollzogen und in Beziehung zum Zyklus gesetzt werden. Die
Abstriche wurden jeden Tag zur selben Zeit (8.00 Uhr – 9.00 Uhr) und über mindestens
fünf aufeinander folgende Tage pro Tier getätigt.
Die Abstriche wurden nach einem Schema von FRITZSCHE (1980) angefertigt:
   •   Sterilisieren einer Abstrichöse (2mm Durchmesser) durch Ausglühen
   •   Vorbereiten eines Objektträgers durch Beschriften und Aufbringen eines Tropfens
       aqua dest.
   •   Einführen der abgekühlten Abstrichöse in die Vagina des Goldhamsterweibchens
   •   Verteilung des Abstrichs im aqua dest. – Tropfen auf dem Objektträger
   •   Trocknung des Abstriches
   •   Hämatoxylin-Eosin-Färbung des Abstriches nach ROMEIS (1948):
                      10 min färben in Hämatoxylin
                      5 min abspülen unter fließendem Leitungswasser
                      5 min färben in Eosin
                      5 min abspülen unter fließendem Leitungswasser

Nach der Färbung kann man drei Zellarten im Mikroskop unterscheiden:
                      1. Leukozyten: runde Zellform, kernhaltig, blau gefärbt
                      2. Schollen: verschiedenartig geformt, groß, kernlos, farblos bis
                         leicht rot gefärbt
                      3. Epithelzellen: ovale, spindelförmige oder runde Zellform,
                         kernhaltig, rot gefärbt
Aus der Zellzusammensetzung im Abstrichbild kann man das jeweilige Zyklusstadium des
Weibchens    bestimmen     (GATTERMANN         et   al.   1985).   Der   Sexualzyklus   des
Goldhamsterweibchens hat eine Periodendauer von vier Tagen, man unterscheidet vier
Phasen, die fließend ineinander übergehen:
                      1. Proöstrus: Schollen herrschen vor, trotzdem nur vereinzelt und
                         amorph. Keine oder kaum Leukozyten und Epithelzellen.

                                              14
MATERIAL UND METHODEN

                        2. Östrus: Epithelzellen herrschen vor. Schollen und Leukozyten
                            sind nicht nachzuweisen.
                        3. Metöstrus: Alle drei Zellarten treten auf. Leukozyten sind in
                            großer Menge vorhanden. Auch die Anzahl der Schollen nimmt
                            zu. Das Abstrichbild wirkt „kompakter“ als die der anderen
                            Phasen.
                        4. Diöstrus: Die Zahl der Leukozyten und Epithelzellen nimmt ab.
                            Schollen dominieren das Bild.

2.7 Sexualverhalten

Die Videos wurden mit dem Programm Observer©5.0 (NOLDUS) ausgewertet. Die
gewonnenen Daten wurden in das Programm Excel 8.0 der Firma Microsoft überführt und
bearbeitet. Es wurden folgende Komponenten des Paarungsverhaltens aufgenommen:

Tabelle 1: Untersuchte Verhaltenskomponenten
Verhaltensweise          aufgenommene
                             Größe
Weibchen
Lordose                     Dauer in s
Männchen
Aufreiten                     Anzahl
Intromission                  Anzahl
Ejakulation                   Anzahl
Longintromission              Anzahl

Im Folgendem werden diese Verhaltensweisen kurz charakterisiert (nach BUNNELL et al.
1976):

Lordosestellung: Das Weibchen signalisiert Paarungsbereitschaft, indem es den Rücken
nach unten durchdrückt, auf der Stelle verharrt, das Becken hebt und somit seine
Geschlechtsorgane präsentiert.

Aufreiten: Das Männchen reitet dem Weibchen auf. Dabei vollzieht es schnelle, kurze
Beckenstöße, bei denen es nicht zur Einführung des Penis in die Vagina kommt und somit
auch nicht zur Übertragung von Sperma. Diese Verhaltensweise wird in kurzen Abständen
wiederholt.

                                               15
MATERIAL UND METHODEN

Intromission: Das Männchen reitet dem Weibchen auf und beendet die kurzen, schnellen
Beckenstöße der Verhaltensweise „Aufreiten“ mit einem tiefen, 3-5 Sekunden dauernden
Beckenstoß. Dabei wird der Penis in die Vagina eingeführt, es kommt allerdings nicht zu
einer Übertragung von Sperma. Diese Verhaltensweise wird in kurzen Abständen
wiederholt, in der Regel bis es zu einer Ejakulation kommt.

Ejakulation: Das Männchen reitet dem Weibchen auf und vollzieht eine Intromission.
Diese dauert aber länger als 5 Sekunden (bis 8 Sekunden) und es kommt dabei zu einer
Ejakulation und Übertragung von Sperma in den weiblichen Geschlechtstrakt. Das
Männchen rudert dabei mit einem Hinterbein. Nach einer Ejakulation beginnt das
Männchen mit einem längerem „Genitalputzen“ (ca. 15 Sekunden), bevor es mit der
Paarung fortfährt.

Longintromission: Diese Verhaltensweise tritt vor allem gegen Ende der Paarung auf. Das
Männchen reitet dem Weibchen auf und es kommt zu einer Intromission. Diese wird
begleitet von mehreren tiefen, langen Beckenstößen und hat eine Dauer von 12-28
Sekunden. Hierbei kommt es zu keiner Übertragung von Sperma in den weiblichen
Genitaltrakt.

Zur Beurteilung der eigenen Fehleranfälligkeit wurden sechs Blind-Versuche durchgeführt.
Dafür wurden Verpaarungen ausgewertet, ohne dass die Stammeszugehörigkeit der
Männchen und Weibchen bekannt war. Es konnte im Vergleich zu den übrigen
Auswertungen des Versuches kein subjektiver Fehler bemerkt werden.
Die aufgenommenen Daten wurden durch die Auswertungsfunktion des Observer-
Programmes zusammengefasst und anschließend in eine Excel-Tabelle übertragen.

Abbildung 4: Computerarbeitsplatz zur Auswertung der Videos per OBSERVER

                                               16
MATERIAL UND METHODEN

2.8 Auswertung und Statistische Analyse

Die von den Bewegungsmeldern erfassten Daten wurden mit dem Programm
CHRONOKIT registriert und mit Hilfe des Programms ACTCNT.EXE in Textdateien
umgewandelt. Die Daten zu den aufgenommenen Verhaltenskomponenten wurden von der
Auswertungsfunktion des Observers zusammengefasst.
Diese Daten der Bewegungsmelder und des Paarungsverhaltens wurden als Rohdaten in
EXCEL 8.0 weiter bearbeitet. Die statistischen Tests erfolgten mit dem als AddIn in
EXCEL integrierten Statistikprogramm WINSTAT (Version 2001/1).
Zur Untersuchung von Unterschieden zwischen zwei Stichproben wurde in der Regel der
U-Test (Mann-Whitney) verwendet. Die statistische Untersuchung der Östrus-
Aktivitätsdaten konnte mit dem Friedmann-Test erfolgen. Die für die Identifizierung der
Signifikanzen zwischen den einzelnen Zyklusphasen verwendete Formel lautete:

                          Nk (k + 1)
 Sa − Sb ≥ z k ( kα−1)                     (3)
                              6
(aus ENGEL 1997)
α – Signifikanzniveau
Sa/b- zwei auf Unterschiede hin zu untersuchende Datenreihen
z – Tabellenwert „Einzelvergleiche Friedmann-Test (ENGEL 1997)
N – Anzahl untersuchter Individuen
k - Stichprobenanzahl
Die Unterschiede gelten als signifikant, wenn die Ungleichung erfüllt ist.

Als statistisch abgesichert galten Unterschiede mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von
p
ERGEBNISSE

3. Ergebnisse:

3.1 Reproduktionserfolg

Es wurde die Vaterschaft von insgesamt 275 Jungen aus 47 Würfen ermittelt. Hierbei
handelte es sich um die Würfe von 20 Labor- und 16 Wildweibchen. Von einigen
Weibchen konnten mehrere Würfe bearbeitet werden, hier gingen die Mittelwerte in die
Berechnungen ein. Wie in Abb.5 erkennbar, wurden hoch signifikant mehr
Wildnachkommen als Labornachkommen geboren. 84,1 % aller Nachkommen waren
Wildtiere. Die Irrtumswahrscheinlichkeit lag bei p
ERGEBNISSE

                8

                7

                6
  Junge/Wurf

                5

                4

                3

                2

                1

                0
                           Wildweibchen   Laborweibchen

Abbildung 6: Vergleich der mittleren Wurfgröße
von Labor- und Wildweibchen in Junge pro Wurf.
n(♀♀ Labor)=20; n(♀♀ Wild)=16

3.2 Female choice

Der Schleusenversuch wurde mit 20 Goldhamsterweibchen durchgeführt (Wild-♀♀: n=10;
Labor-♀♀: n=10). Die Daten der zwei Wahlversuche pro Tier gingen gemittelt in die
Auswertung ein. Wildweibchen zeigten keinen Unterschied bei der Aufenthaltszeit in den
Käfigen der Labor- und Wildmännchen. Laborweibchen präferierten die Käfige der
Wildmännchen (Abb.7). Dieser Unterschied war signifikant (U=25, p=0,029).

                                                          Wildmännchen
                          350                             Labormännchen
  counts/Aktivitätszeit
  Aufenthaltsdauer in

                          300
                          250                                   *
                          200
                          150
                          100
                           50
                            0
                                 Wildweibchen        Laborweibchen

Abbildung 7: Vergleich der mittleren Aufenthaltsdauer von Labor- und
Wildweibchen bei Wild- und Labormännchen. n(♀♀ Wild)=10 ; n(♀♀ Labor)=10

                                                           19
ERGEBNISSE

3.3 Genetische Distanzen

Die errechnete mittlere genetische Distanz, basierend auf 11 Mikrosatelliten zwischen
Laborweibchen und Labormännchen, ist 0. Alle Laborhamster erwiesen sich als
homozygot für dieselben Allele. Die genetische Distanz zwischen Laborweibchen und
Wildmännchen dagegen betrug 0,82 - 1. Die genetische Distanz von Wildweibchen zu
Labormännchen variierte zwischen 0,82 und 1, die von Wildweibchen zu Wildmännchen
zwischen 0,41 und 0,77.

Dieser Unterschied ist aufgrund der Versuchsbedingungen (geringe Anzahl geprüfter Loci)
nicht signifikant abzusichern.
   Laborweibchen Wildweibchen

                                Labormännchen

                                 Wildmännchen

                                Labormännchen

                                 Wildmännchen

                                                0   0,2     0,4     0,6         0,8   1
                                                           genetische Distanz

Abbildung 8: genetische Distanzen zwischen Weibchen und Männchen, n(Wild-♀♀)=9;

n(Labor-♀♀)=8; n(Wild-♂♂)=10; n(Labor-♂♂)=7

Tabelle 2: mittlere genetische Distanzen zwischen Männchen und Weibchen

                                          Wildmännchen    Labormännchen
Laborweibchen                                 0,92               0
Wildweibchen                                  0,56             0,94

                                                              20
ERGEBNISSE

3.4 Aktivität im Zyklus

Die Weibchen zeigen im Östrus eine zu den übrigen Phasen des Zyklus erhöhte Aktivität
(p
ERGEBNISSE

                                           35
                                                                              **
                                           30

                                           25                                                                **
                        Lordose in min/h

                                           20                                                                             Wildweibchen
                                           15                                                                             Laborweibchen

                                           10

                                            5

                                            0
                                                         1.Stunde                   2.Stunde

                   Abbildung 10: Vergleich der mittleren Lordosedauer von Wild- und Laborweibchen in der ersten und
                   zweiten Stunde. n(Labor-♀♀ 1.Stunde)=17; n(Wild-♀♀ 1.Stunde)=18; n(Labor-♀♀ 2.Stunde)=16; n(Wild-
                   ♀♀ 2.Stunde)=14

                   Wildweibchen zeigten keine Unterschiede im Lordose-Verhalten gegenüber Wild- und
                   Labormännchen (Abb.11).
                   In der ersten Stunde einer Verpaarung zeigten Laborweibchen signifikant (p=0,018, U=34)
                   eine längere Lordosedauer bei Labormännchen. In der zweiten Stunde einer Verpaarung
                   wurde kein Unterschied gefunden (Abb.12).

                                                                    Wildmännchen
                   35                                               Labormännchen
                                                                                                             35                                  Wildmännchen
                   30                                                                                        30
                                                                                                                      *                          Labormännchen

                   25
                                                                                          Lordose in min/h
Lordose in min/h

                                                                                                             25

                   20                                                                                        20

                   15                                                                                        15

                   10                                                                                        10

                    5                                                                                        5

                    0                                                                                        0
                                            1.Stunde             2.Stunde                                           1.Stunde          2.Stunde

                                                Verpaarung Wildw eibchen                                            Verpaarung Laborw eibchen

                   Abbildung 11: Vergleich der Lordosedauer von                                  Abbildung 12: Vergleich der Lordosedauer von
                   Wildweibchen bei Labor- und Wildmännchen                              von Laborweibchen bei Labor- und Wildmännchen
                   n(Verpaarung mit ♂♂ Wild)=12                                                              n(Verpaarung mit ♂♂ Wild)=10

                   n(Verpaarung mit ♂♂ Labor)=13                                                             n(Verpaarung mit ♂♂ Labor)=13

                                                                                    22
ERGEBNISSE

3.5.2 Männchen

Es wurden 104 Verpaarungen von insgesamt 38 Männchen (Labor-♂♂: n=20; Wild-♂♂
n=18) ausgewertet. In Abb.13 sind die Daten der ersten und der zweiten Stunde der
Verpaarungen zusammenfasst. In den Verhaltensweisen Aufreiten, Intromission und
Ejakulation wurden keine Unterschiede zwischen Wild- und Labormännchen gefunden.
Wildmännchen zeigten aber signifikant (p=0,0017, U=100,5) mehr Longintromissionen.
Betrachtet man die erste und zweite Stunde einer Verpaarung separat, so gibt es in der
ersten Stunde der Verpaarung keinen Unterschied zwischen Wild- und Labormännchen in
einer der aufgenommenen Verhaltensweisen (Aufreiten, Intromission, Ejakulation,
Longintromission). In der zweiten Stunde der Verpaarung werden in den Verhaltensweisen
Aufreiten, Intromission und Ejakulation ebenfalls keine Unterschiede gefunden.
Wildmännchen zeigen in der zweiten Stunde einer Verpaarung signifikant mehr
Longintromissionen (p=0,007; U=50).

                   70

                   60                                                        Wildmännchen
                                                                             Labormännchen
                   50
   Anzahl/Stunde

                   40

                   30

                   20

                   10                                                                 *
                   0
                        Aufreiten   Intromission          Ejakulation      Longintromission
                                             Verhaltensweise

Abbildung 13: Vergleich der Verhaltensweisen Aufreiten, Intromission, Ejakulation und Longintromission
von Wild- und Labormännchen. n(♂♂ Wild)=20; n(♂♂ Labor)=18

                                                   23
ERGEBNISSE

3.6 First male advantage

Zur Untersuchung der Abhängigkeit des Reproduktionserfolges von der ersten oder
zweiten Position in einer Verpaarung wurden Reproduktionserfolge von 31 Männchen
betrachtet. Es wurden keine Unterschiede im Reproduktionserfolg zwischen in der ersten
und zweiten Stunde einer Verpaarung eingesetzten Männchen festgestellt (Abb.14).
   Anzahl Nachkommen der Männchen

                                    5

                                    4

                                    3

                                    2

                                    1

                                    0
                                        Verpaarung in   Verpaarung in
                                          1.Stunde        2.Stunde

Abbildung 14: mittlere Anzahl der Nachkommen der Wild- und Labormännchen
gesamt, dargestellt nach der Paarungsposition. n(♂♂ 1.Stunde)=29; n(♂♂ 2.Stunde)=31

                                                           24
DISKUSSION

5. Diskussion

Ob im natürlichen Lebensraum des Goldhamsters Mehrfachverpaarungen eines Weibchens
mit mehreren Männchen vorkommen, ist nicht bekannt. Beim Feldhamster (Cricetus
cricetus) sind bisher keine multiplen Vaterschaften sicher nachgewiesen worden
(mündliche Mitteilung MUNDT und NEUMANN 2004). Verpaarungen eines Weibchens mit
mehreren Männchen sind aber möglich, da Verpaarungen an der Erdoberfläche
vorkommen       (FRANCESCHINI et al. 2004) und mehrere Männchen die Baue eines
Weibchens aufsuchen (KAYSER & STUBBE 2003). Die Ähnlichkeit von Cricetus cricetus
und Mesocricetus auratus in Bezug auf Verhalten und Physiologie und der ökologischen
Daten (Populationsdichte, Abstand der Baue) lassen auch beim Goldhamster die
Möglichkeit von Mehrfachverpaarungen im natürlichen Lebensraum vermuten. Im
Laborversuch wiesen LISK et al. (1989) Paarungen von Goldhamsterweibchen mit
mehreren Männchen innerhalb einer Östrusphase nach. Hierfür hielten sie ein Weibchen
mit drei Männchen unter Semifreiland-Bedingungen zusammen. Obwohl das Weibchen
deutlich mehr mit dem dominanten Männchen kopulierte, kam es zu Verpaarungen mit
allen drei Männchen. Das dominante Männchen zeigte zudem nach der erfolgreichen
Kopulation „mate guarding“. Es versuchte aktiv folgende Verpaarungen mit den
subdominanten Männchen zu verhindern und folgte hierfür dem Weibchen für eine Dauer
von zwei Stunden. WRIGHT (1998) beschreibt mate guarding als Männchen-Strategie, um
weitere Verpaarungen eines bereits begatteten Weibchens zu verhindern. Die beobachteten
Verpaarungen von Goldhamsterweibchen mit                mehreren Männchen und das
Vorhandensein einer Gegenstrategie (mate guarding), deutet          ebenfalls auf     das
Vorkommen von Mehrfachverpaarungen im natürlichen Lebensraum hin.

In der vorliegenden Arbeit wurden nacheinander Wild- und Laborgoldhamstermännchen
mit   einem   Weibchen    verpaart.   Das    Ergebnis   zeigt   einen   Unterschied   im
Reproduktionserfolg der Männchen. Es werden signifikant mehr Junge des wilden Vaters
geboren (vergleiche FRITZSCHE et al. 2002). Bei dieser direkten Konkurrenz der Männchen
unterliegt der Laborstamm, also der Stamm mit typischer „Inzuchtlinien-Genetik“. Dieses
Ergebnis der vorliegenden Arbeit deutet auf eine „versteckte“, nur unter besonderen
Bedingungen zum Tragen kommende Inzuchtdepression hin. Diese kann als Folge der
genetischen Verarmung des Laborstammes gewertet werden. In der Literatur sind ähnliche
Beispiele bei anderen Arten und Tiergruppen beschrieben. SHAWN et al. (2000) gründeten

                                            25
DISKUSSION

beispielsweise aus wild gefangenen Mäusen (Mus musculus) zwei Linien. Eine der beiden
Linien bestand aus Tieren, welche aus Inzuchtverpaarungen hervorgingen und besaß eine
sehr geringe Heterozygotie. In der anderen Linie wurde Inzucht vermieden. In
Semifreiland-Versuchen wurden Tiere beider Linien zusammen gehalten. Männchen der
Inzuchtlinie eroberten signifikant seltener Territorien. Männchen und Weibchen dieser
Linie zeigten einen signifikant kleineren Reproduktionserfolg. Die Autoren werteten diese
Ergebnisse als Inzuchtdepression. Diese würde in Laborhaltung nicht bemerkt werden.
JORON & BRAKEFIELD (2003) verpaarten Schmetterlingslinien (Bicyclus anynana) mit
verschiedenen Inzuchtfaktoren unter Labor- und Semifreiland-Bedingungen. Dabei
verglichen sie Wild- und Laborlinien. Unter Laborbedingungen war ein Freiflug der
Schmetterlinge   nicht   möglich.   Im    Labor     gab   es   keinen   Unterschied   im
Reproduktionserfolg zwischen den Männchen der verschiedenen Linien. Unter Freiflug-
Bedingungen im Semifreiland wiesen JORON & BRAKEFIELD (2003) einen signifikant
höheren Reproduktionserfolg der Wild-Linie nach. Auch bei Bicyclus anynana gibt es
einen Inzuchtdefekt, welcher nur unter Freiland-, nicht aber unter Laborbedingungen
ermittelt werden kann.

Im Folgenden werden mehrere Mechanismen genannt, welche bei der Verpaarung eines
Weibchens mit mehreren Männchen Einfluss auf deren Reproduktionserfolg haben
können:

   •   Female choice
   •   Unterschiede im weiblichen Sexualverhalten
   •   Unterschiede im männlichen Sexualverhalten
   •   Verschiedene Spermienqualitäten und –quantitäten
   •   Besondere Mechanismen der Spermienkonkurrenz
   •   Selektive Bevorzugung bestimmter Spermien durch das Weibchen (cryptic female
       choice)
   •   Selektive Resorption von Embryonen im Uterus
   •   Selektives Töten der Jungtiere nach dem Wurf

Partnerwahlentscheidungen (male- oder female choice) werden von vielen Faktoren
beeinflusst. Das können Ressourcen und Investment anzeigende Merkmale am Partner
sein, wie Futtergaben oder der Besitz eines Territoriums. So gibt es beispielsweise eine

                                           26
DISKUSSION

signifikante Korrelation zwischen dem Umfang des Werbefütterns und Parametern des
Bruterfolges   bei   Küstenseeschwalben    (Sterna    hirundo)   (NISBET   1971).    Bei
Ochsenfröschen (Rana catesbeiana) korreliert die Körpergröße der Männchen mit der
Territoriumsgröße. Weibchen bevorzugen große Männchen zur Paarung (HOWARD 1978).
Der Autor konnte zeigen, dass die Embryonalsterblichkeit in Territorien der größeren
Männchen signifikant kleiner war. Einen weiteren Einfluss auf Partnerwahlentscheidungen
haben Vitalität anzeigende      geschlechtsgebundene (epigame) Merkmale. Hierbei kann
es sich sowohl um morphologische Eigenschaften als auch um Verhaltensweisen handeln.
Diese Merkmale lassen in der Regel direkt auf die Qualität der Gene bzw. die biologische
Fitness ihres Trägers schließen (VOLAND 2000). PETRIE (2002) fand einen Zusammenhang
zwischen der Überlebenswahrscheinlichkeit und Wachstumsrate von Jungen des Pfaus
(Pavo cristatus) und der Prächtigkeit und Länge des Schwanzes der Väter. COLTMAN et al.
(2001) zeigten eine positive Korrelation zwischen Körpergröße und Parasitenresistenz von
Schafen (Ovis aries). Oft beeinträchtigen solche Merkmale die Überlebenswahrschein-
lichkeit (MAGNHAGEN 1991). MOLLER (1994) untersuchte an Rauchschwalben (Hirundo
rustica) den Einfluss der Schwanzlänge der Männchen auf deren Reproduktionserfolg und
Überlebenswahrscheinlichkeit. Er stellte fest, dass künstlich verlängerte Schwanzfedern
attraktiv auf Weibchen wirkten. Männchen mit diesem Merkmal erreichten auf Grund von
außerpaarlichen Kopulationen einen erhöhten Reproduktionserfolg. Allerdings wurden
diese Männchen durch die Schwanzfedern so sehr im Flug behindert, dass ihre
Überlebenswahrscheinlichkeit sank. Es handelte sich um eine Selektion von Merkmalen,
welche die Attraktivität und damit den Reproduktionserfolg der Träger erhöhten und
zugleich deren Überlebenswahrscheinlichkeit senkten. Dies wurde von ZAHAVI (1975) als
„Handicap-Prinzip“ beschrieben. Ein Individuum, welches sich ein Handicap leisten kann
und trotzdem erfolgreich überlebt, muss ZAHAVI & ZAHAVI (1994) zufolge besonders
„gute Gene“ besitzen.
Ein dritter Aspekt einer Partnerwahlentscheidung ist eine Wahl gemäß der genetischen
Kompatibilität. Hierbei wählt das Weibchen einen Partner, dessen genetische Merkmale
sich möglichst von den eigenen unterscheiden. Ziel ist eine große Heterozygotie der
Nachkommen.      Solche      Nachkommen    besitzen   ein   überdurchschnittlich    gutes
Immunsystem, eine bessere Überlebensfähigkeit und einen größeren Reproduktionserfolg.
HOGLUND et al. (2002) wiesen einen Zusammenhang zwischen der Heterozygotie und dem
Revierbesitz und damit der Anzahl der Kopulationen bei männlichen Birkhühnern (Tetrao

                                          27
DISKUSSION

tetrix) nach. Einen Zusammenhang zwischen Heterozygotiegrad und der Anzahl geborener
Jungtiere beim Europäischen Feldhasen (Lepus europaeus) beschrieb LUDESCHER (2002).
Des weiteren wird bei der Wahl genetisch besonders verschiedener Partner die
Wahrscheinlichkeit von Inzucht herabgesetzt, da Partner mit ähnlichem Genotyp gemieden
werden. Bei diesem Aspekt der Wahl sind für die verschiedenen Weibchen, abhängig von
deren eigenen Allelkombinationen verschiedene Partner „optimal“ (WEDEKIND 1999).
Notwendig für diesen Mechanismus ist die Fähigkeit, die individuelle genetische
Information eines potentiellen Partners erkennen zu können. PENN & POTTS (1998) und
WEDEKIND (1995) wiesen einen Zusammenhang zwischen auf olfaktorischer Basis
bevorzugten       Sexualpartnern      und        der     Kompatibilität          der      Haupt-
Histokompatibilitätskomplex-Gene (MHC-Gene) nach. Dieser Abschnitt im Genom ist für
die Immunabwehr auf zellularer Ebene sehr bedeutend und so variabel, dass es kaum zwei
Individuen mit demselben Genotyp gibt. Ein Männchen, welches sich in der Sequenz
seiner    MHC-Gene     stark   vom   Weibchen       unterscheidet,   hat   mit     sehr   großer
Wahrscheinlichkeit auch einen zum Weibchen stark verschiedenen Genotyp. Somit ist eine
Einschätzung der genetischen „Verschiedenheit“ mittels Geruch möglich. Wie genau
dieser Mechanismus funktioniert, ist nicht bekannt.

Die Frage nach female choice beim Goldhamster bearbeiteten LISK et al. (1989). Die
Autoren       untersuchten     im    Semifreiland      das     Markierungsverhalten          der
Goldhamsterweibchen. Hierzu hielten sie ein Weibchen mit mehreren Männchen, welche
untereinander eine Dominanzhierarchie etabliert hatten. Es stellte sich heraus, dass die
Weibchen vor und während der Paarungsbereitschaft hoch signifikant häufiger in der Nähe
des Baus des dominanten Männchens markierten als bei den subdominanten Tieren. Es
lässt sich also ein Wahlverhalten der Weibchen postulieren, wobei das dominante
Männchen präferiert wird.
Im Wahlversuch der vorliegenden Diplomarbeit hatte das Weibchen Zugang zu den
Käfigen der Männchen. Um Aggressionen und Kopulationen zu verhindern, musste eine
Begegnung der Tiere ausgeschlossen werden. Die für diesen Versuch entwickelte Schleuse
erlaubte eine derartige Trennung der Tiere. Goldhamster sind dämmerungs- bzw. nacht-
aktive Tiere (AHARONI 1932, WEINERT et al. 2001). Am Tag, also in der Ruhephase,
wurden die Männchen in den Wahlkäfigen belassen. Während dieser Zeit konnten sie zum
einen ihren Käfig mit ihrem Individualgeruch markieren und zum anderen naso-taktilen
Kontakt zum Weibchen aufnehmen. Das Weibchen hatte also die Möglichkeit, die beiden

                                            28
DISKUSSION

potentiellen Kopulationspartner sowohl durch individuellen Kontakt, als auch (nachts)
anhand der Duftmarkierungen in den Männchenkäfigen kennen zu lernen. In der
Aktivitätszeit wurden die Männchen entfernt und die Weibchen hatten Zugang zu deren
Käfigen. Die Aufenthaltsdauer des Weibchens im Männchenkäfig wurde als Maß für die
Präferenz des Weibchens für das betreffende Männchen gewertet. Dabei wurde davon
ausgegangen, dass sich ein paarungsbereites Weibchen die meiste Zeit bei dem Männchen
aufhalten würde, welches auch als Paarungspartner bevorzugt wird. Mögliche
Fehlerquellen waren hier Richtungs- oder Käfigpräferenzen der Weibchen. Dies wurde
durch eine zweimalige Durchführung des Tests mit vertauschter Männchenposition
ausgeschlossen. Laborweibchen hielten sich signifikant länger bei Wildmännchen auf als
bei Labormännchen.
Labormännchen und Laborweibchen sind genetisch identisch. Wildmännchen dagegen
verfügen über zu den Labortieren sehr verschiedene Genotypen, die genetische Distanz ist
relativ groß. Wählt ein Laborweibchen ein Wildmännchen, so zeichnen sich ihre Jungen
durch eine hohe Heterozygotie aus.
Innerhalb des Wildstammes existiert ein hoher Heterozygotiegrad, eine große Allelzahl,
also eine große genetische Diversität. Ein Wildweibchen wird also sowohl mit Männchen
des Wildstammes als auch mit Männchen des Laborstammes eine hohe Heterozygotie der
Jungtiere erreichen. Es sollte also keinen der beiden Stämme präferieren, die genetischen
Distanzen unterscheiden sich nur geringfügig. Im Versuch präferierten die Wildweibchen
weder den Wild- noch den Laborstamm.
Zur Untermauerung dieser Ergebnisse wurden die genetischen Distanzen der beteiligten
Tiere bestimmt. Aus den gemessenen genetischen Distanzen zwischen Männchen und
Weibchen lassen sich vor allem qualitative Rückschlüsse ziehen. Die ermittelten
individuellen genetischen Distanzen zeigen zwischen Labor- und Wildtieren oft einen
maximalen Wert, d.h. keines der Allele der 11 untersuchten Loci stimmt zwischen zwei
untersuchten Individuen überein (DSA= 1). Um eine sichere quantitative Aussage zur
genetischen Distanz zwischen den Tieren machen zu können, müssten viel mehr Loci
untersucht werden. Jedes Tier müsste mit jedem anderen in mindestens einem Allel
übereinstimmen. Des Weiteren ist es unwahrscheinlich, dass sich unter den betrachteten
Loci diejenigen befinden, nach denen das Weibchen wirklich wählt. Eine genaue
Korrelation des Wahlverhaltens mit der ermittelten genetischen Distanz ist ob dieser
Probleme also nicht möglich.

                                           29
DISKUSSION

Wegen der relativ kleinen Differenzen zwischen den Distanzen von Wildweibchen zu
Wild- und Labormännchen (DSA= 0,41 – 0,77 vs. DSA= 0,82 - 1) darf man hier keinen
deutlichen Unterschied und damit eine Präferenz für Labormännchen postulieren. Dagegen
lässt der große Unterschied zwischen den genetischen Distanzen von Laborweibchen zu
Wild- bzw. Labormännchen (DSA= 0,82 - 1 vs. DSA= 0,00) eine solche Aussage zu. Die
Ähnlichkeit im Genotyp zwischen Männchen und Weibchen des Laborstammes ist deutlich
größer als zwischen Laborweibchen und Wildmännchen.
Bei der Partnerwahl scheint die genetische Distanz eine wichtige Rolle zu spielen. Das im
Versuch ermittelte Wahlverhalten entspricht den durch die Beachtung der genetischen
Distanz      aufgestellten   Erwartungen.    Dass    Wildmännchen      einen     höheren
Reproduktionserfolg und damit die „besseren Gene“ haben, scheint keine Rolle zu spielen.
Die Weibchen wählen scheinbar nicht nach der „genetischen Qualität“ der Männchen.
In der Frage des Wahlverhaltens ist es wichtig, ob die Männchen die Weibchen aufsuchen
oder umgekehrt. WEIDLING (1996) zeigt, dass Territorien von Feldhamstermännchen
(Cricetus cricetus) größer sind als die von Weibchen und dass sich diese mit mehreren
Weibchenterritorien überlappen. Außerdem zeigen die Männchen eine im Vergleich zu den
Weibchen erhöhte Lokomotion und Exploration im Feld. Baue von Feldhamsterweibchen
werden von mehreren Männchen aufgesucht, Männchenbaue aber kaum von Weibchen. Es
ist auf Grund der vielen Ähnlichkeiten der Arten Cricetus cricetus und Mesocricetus
auratus denkbar, das auch beim Goldhamster Männchen die östrischen Weibchen mit dem
Zweck einer Verpaarung aufsuchen. Gestützt wird diese Vermutung durch HUCK et al.
(1986). Sie beschreiben, dass Männchen in der Nacht vor dem Östrus oft in der Nestbox
der Weibchen schlafen.

Die Weibchen zeigten in der vorliegenden Arbeit am Tag des Östrus signifikant mehr
Aktivität als an den Tagen der übrigen Zyklusphasen. Pro-, Met- und Diöstrus
unterschieden sich nicht in Bezug auf die Aktivität. Ein Aktivitätsmaximum im Östrus bei
Goldhamstern wurde schon von FRITZSCHE (1985) gefunden. In der Literatur ist der
Zusammenhang zwischen dem Sexualzyklus und der Aktivität oft beschrieben.
Beispielsweise findet WEINANDY (2002) einen um vier Stunden vorverlagerten
Aktivitätsbeginn von östrischen Weibchen der mongolischen Wüstenrennmaus (Meriones
unguiculatus). LABYAK & LEE (1995) beschreiben eine ähnliche Verschiebung des
Aktivitätsbeginns und eine erhöhte Aktivität im Östrus bei Degus (Octodon degus). Die

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DISKUSSION

Weibchen der untersuchten Goldhamsterstämme unterschieden sich nicht in ihrer Aktivität
am Tag des Östrus.

Das Sexualverhalten wurde im vorliegenden Versuch auf Grund verschiedener Ergebnisse
für die erste und zweite Stunde einer Verpaarung getrennt betrachtet.
Als Sexualverhalten der Weibchen während einer Paarung wurde die Einnahme der
Lordosestellung   registriert.   Betrachtet   man   die   Lordosedauer   von   Wild-   und
Laborweibchen, so findet in der ersten Stunde einer Verpaarung man keine Unterschiede
zwischen den beiden Stämmen. In der zweiten Stunde zeigen die Wildweibchen längere
Lordosezeiten als die Laborweibchen.
Vergleicht man innerhalb des Wildstammes die beiden Stunden einer Verpaarung
miteinander, findet man keinen Unterschied in der Lordosedauer der Wildweibchen.
Laborweibchen halten in der zweiten Stunde die Lordosestellung kürzer als in der ersten
Stunde. Laborweibchen scheinen also in der zweiten Hälfte des Experiments ein, im
Vergleich zu den Wildweibchen geringeres sexuelles Interesse an den Männchen zu
zeigen. Dies könnte ein weiterer Hinweis auf eine Inzuchtdepression sein. BREWER et al.
(1990) sprechen von einem abnehmenden sexuellen Interesse bei Inzuchtstämmen. Auch
dieser Inzuchteffekt ließ sich nur durch einen direkten Vergleich mit Wildtyp-Tieren
finden.
Es gibt keine Unterschiede in der Lordosedauer von Wildweibchen zwischen den
Verpaarungen mit Labor- und Wildmännchen. Dagegen zeigen Laborweibchen in der
ersten Stunde einer Verpaarung eine kürzere Lordosedauer bei Wildmännchen. Dies ist mit
der erhöhten Lokomotion und Exploration der Wildmännchen (HOLLAK 2000) zu erklären,
wodurch es häufiger Unterbrechungen im Sexualverhalten gibt. In der zweiten Stunde
einer Verpaarung gibt es diesen Unterschied nicht. Allerdings zeigen die Laborweibchen
hier, wie oben erwähnt, generell eine kürzere Lordosedauer. Wildweibchen scheinen
weniger von Unterbrechungen durch das Männchen im Lordoseverhalten gestört zu
werden.

Der Vergleich der Verhaltensweisen Aufreiten, Intromissionen und Ejakulationen von
Wild- und Labormännchen ergibt keinen Unterschied zwischen beiden Stämmen. Die vier
beschriebenen Verhaltensweisen sind deutlich voneinander abtrennbar (BUNNELL et al.
1976).

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