Eggo Müller / Hans J. Wulff Aktiv ist gut, interaktiv noch besser: Anmerkungen zu einigen offenen Fragen der Cultural Studies

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Eggo Müller / Hans J. Wulff
Aktiv ist gut, interaktiv noch besser: Anmerkungen zu einigen offenen
Fragen der Cultural Studies
Eine erste Fassung dieses Artikels erschien in: Kultur - Medien - Macht. Cultural Studies und Medienwissenschaft.
Hrsg. v. Andreas Hepp u. Rainer Winter. Opladen: Westdeutscher Verlag 1997, S. 171-176.
Bibliographische Angabe der Online-Fassung: http://www.derwulff.de/2-70.

   Popular culture is not consumption, it is culture –       und "subversiven" Strategien der Aneignung entfal-
   the active process of generation and circulation          ten und so aus kulturindustriell produzierter Ware
   meanings and pleasures within a social system:            Populärkultur im eigentlichen Sinne herzustellen.
   culture, however industrialized, can never be
   adequately described in terms of buying and sel-          Doch insbesondere empirische Rezeptionsuntersu-
   ling of commodities. (Fiske 1989a, S.23)                  chungen im Rahmen der Cultural Studies tendieren
                                                             dazu, allein den Alltag oder die spezifische Subkul-
So sehr John Fiske mit diesem Argument, das in der           tur von Rezipienten als Kontext und Determinanten
deutschen Rezeption der Cultural Studies begierig            für eine "aktive" Bedeutungsproduktion in den Blick
aufgenommen worden ist, recht hat, sosehr ist sein           zu nehmen, ohne dies auf die Rezeptionsgegenstän-
bekanntes Argument in der deutschsprachigen Re-              de zu vermitteln und in einem gesellschaftlichen
zeption zu einem normativen Statement geworden,              Prozess der medialen Kommunikation zu verorten.
das allenfalls polemischen Wert hat. Denn wenn po-           Damit wird eine der politischen Grundfragen der
puläre Kultur per definitionem einen "aktiven" Pro-          British Cultural Studies fallengelassen und schlicht
zess beschreibt, ist diese Aussage ebenso nichtssa-          im Sinne des theoretischen Postulats beantwortet,
gend und inhaltsleer wie alle althergebrachten elitär-       dass Populärkultur und die Taktiken des Alltags sub-
en Urteile über die Kulturindustrie und ihre manipu-         versiv seien: die Frage nach der sozialen Auseinan-
lierende Macht über das Publikum, das per definitio-         dersetzung um Macht und Bedeutung, nach der Ver-
nem zu ideologischer Hörigkeit und Passivität ver-           mittlung von Macht und Bedeutung in kulturellen
dammt sei. Auch wenn die Dominanz des kulturkri-             Prozessen.
tischen Denkens in der Tradition der Frankfurter
Schule im deutschsprachigen Raum vielfach produk-            Auf dieses Problem ist in der angloamerikanischen
tive Perspektiven auf populäre Kultur verstellt hat,         Diskussion verschiedentlich hingewiesen worden
kann daraus keinesfalls auf immer und ewig gefol-            (vgl. Seaman 1992, Gripsrud 1995 und insbes. Mor-
gert werden, dass die kulturindustriell produzierten         ley 1992, S.230ff.; 1996, S.49). Unsere knappen
"Rezeptionsvorgaben" keine Rolle für den Prozess             Thesen greifen diese Kritik auf und konzentrieren
der Bedeutungsproduktion und -zirkulation" spielen.          sich auf einige Postulate "der" Cultural Studies, die
Selbst in den Texten John Fiskes, der 2004 in                auf ganz unterschiedlichen Ebenen Probleme, die
Deutschland sogar zum "Klassiker der Kulturtheo-             mit der Vermitteltheit medialer Kommunikationspro-
rie" und Mitgliedes eines erlesenen "Culture Club"           zesse zusammenhängen, unberücksichtigt lassen.
(vgl. Hofmann, Korta, Niekisch 2004) erhoben wor-            Wir meinen, dass darüber in der Medienwissenschaft
den ist, hat selbst zuweilen darauf hingewiesen, dass        Diskussionsbedarf besteht, zumal sich derzeit in der
populäre Kultur als "the art of making do" verstan-          Diskussion über die Neue Medien und deren interak-
den werden muss, als eine Überlebensstrategie von            tives Potenzial derselbe argumentative Kurzschluss
Individuen im Spannungsfeld von materieller und              zu wiederholen und zuzuspitzen scheint: "Interakti-
symbolischer gesellschaftlicher Macht, die die struk-        vität" ist noch besser und – wiederum per definitio-
turellen Voraussetzungen der gesellschaftlichen Re-          nen – subversiv, wie es "The Interactive Book" ver-
produktion im alltäglichen Leben produziert. In die-         meldet: "Interactivity is inherently subversive."
sem Sinne ist es fraglich, ob Alltag und Lebenswelt,         (Pearce 1997).
die selbst gesellschaftlich produziert und medial
durchdrungen sind, umstandslos als Rückhalt und
Gegenwelten konzipiert werden können, in denen
Individuen ihre vielbeschworenen "widerspenstigen"
1. Textuelle Rahmen der Rezeptionsaktivität              reichbare) Extrem auf der Bandbreite der Möglich-
                                                         keiten abgeben. Zudem ist die Konfrontation von
Dass Rezeption prinzipiell ein aktiver und produkti-     Aktivitäts- und Passivitätspostulaten theoretisch in-
ver Prozess sei, mag nach wie vor eine sinnvolle po-     sofern gegenstandslos, als beide Paradigmen gänz-
lemische Feststellung sein, theoretisch ist sie wert-    lich unterschiedliche Gegenstände konstruieren:
los, weil sie nicht die geringste Unterscheidungs-       Konzepte "starker" Medien beschäftigen sich mit
möglichkeit produziert. Zu untersuchen wäre viel-        medialen Strukturen, sei es ihrer institutionellen Ver-
mehr, welche Formen der Aktivität und Produktivität      fasstheit, ihrer Ökonomie oder ihrer Programme und
sich unter welchen spezifischen Bedingungen – tex-       Sendungen. Wirkungen auf Zuschauer werden ge-
tuellen wie kontextuellen – ergeben bzw. ergeben         setzt, sie selbst sind aber kein Gegenstand der Unter-
können.                                                  suchung oder werden allenfalls im Sinne einer tradi-
                                                         tionellen "Wirkungsästhetik" abgeleitet. Dagegen
So genießt ein Rezipient zwar die Freiheit, einem        widmen sich Studien im Sinne des "Active Au-
Text Bedeutungen zuzuweisen und ihn in die Sinn-         dience-Approach'" in der Regel tatsächlichen Zu-
horizonte einzuspannen, die in seiner Verantwortung      schaueraktivitäten [1].
stehen. Dennoch ist es nicht beliebig, was ein Rezi-
pient mit einem Text anstellt. Seine Aktivität ist ge-
bunden an die Bedingung der Möglichkeit von viel-        2. Alltagswelt und ihre Mediatisierung
fältigen Bedeutungen, daran, das Texte "offen" und
"polysem" strukturiert sind. Mit diesen beiden Kenn-     Alltag gilt den rezeptionsorientierten Textanalysen
zeichnungen wird die Autorität des Textes spezifi-       im Feld der Cultural Studies als Kontext der Rezep-
ziert, aber nicht, wie häufig missverstanden, zurück-    tion oder – wollte man es traditionell ausdrücken –
genommen oder sogar ausgesetzt. Umberto Eco zum          als Interpretationshorizont. Zugleich stellt er im Sin-
Beispiel hat die Offenheit ästhetischer Codes mit ei-    ne de Certeaus (1988) den Garanten des abweichen-
ner kommunikationstheoretischen Begründung fun-          den, widerspenstigen, wenn nicht gar subversiven
diert: Die ästhetische Botschaft habe eine leere         Gebrauchs von kulturindustriellen Produkten dar.
Form, in die der Rezipient Bedeutungen einfließen        Angesichts einer medialen Durchdringung des Alltag
lasse. Dem Aspekt der "Freiheit der Interpretation"      erscheint dieses Postulat nicht nur theoretisch (vgl.
auf Seiten der Rezeption stellt er jedoch eine "Treue    Honneth 1994, S.14), sondern auch empirisch pro-
zum strukturierten Kontext der Botschaft" gegen-         blematisch. So belegt beispielsweise Angela Kepp-
über, so dass die Offenheit des Rezeptionsprozesses      lers (1994) Untersuchung von alltäglichen Tischge-
nur in einem dialektischen Spannungsverhältnis zur       sprächen die hervorragende Bedeutung von Me-
"Logik der Signifikanten" bestimmt werden kann.          dienthemen in der alltäglichen Konversation (vgl.
Eine Interpretation ist demzufolge keineswegs belie-     auch Hepp in diesem Band). Oder Mark Andrejevic
big, sondern in klar umschreibbaren formalen Rah-        zeigt in seinen Studien zu interaktiven Formen des
men fixiert (vgl. Eco 1972, S.162ff., bes. S.163).       Fernsehens und der Neuen Medien wie Reality TV
                                                         oder Webcams und Weblogs, dass gerade dort, wo
Auch die Polysemie der Texte darf nicht als Pluralis-    Aktivität und Produktivität im Prozess der Aneig-
mus ihrer Bedeutungen missverstanden werden, wie         nung von Medien und Medieninhalten am größten
Stuart Hall es einmal ausdrückte. Sinnvollerweise        zu sein scheint, die Kolonisierung von Rezeptions-
sollte die Rede von der Vieldeutigkeit der Texte auf     aktivitäten durch die Kulturindustrie keine Grenzen
die Tatsache eingegrenzt werden, dass Texte mehre-       gesetzt zu sein scheinen:
re, strukturell-systematisch verschiedene Bedeutun-
gen haben können (vgl. Wulff 1992). Alle subjekti-          The promise of the emerging, interactive, mass-
ven Abschattungen von Verständnissen interessieren          customized economy is that consumers can gain
nicht (oder nur am Rande), wenn die Rolle textueller        control by submitting to comprehensive monito-
Strukturen in medialer Kommunikation untersucht             ring of the rhythms of their daily lives. The more
werden soll.                                                details w divulge about our shopping and view-
                                                            ing habits, ore lifestyle and even our movements
"Aktivität" der Rezeption muss also als eine beding-        during the day, the more we can have goods and
te und deshalb vermittelte aufgefasst werden, "Passi-       services crafted to meet our individual needs.
vität" dürfte dabei das eine (und praktisch nie er-         The possibility of total surveillance is portrayed
as power sharing: by providing information about      Handlungen liefern" (Morley 1996, S.38). Es hat nur
   ourselves, we supply valuable inputs into the pro-    wenige Versuche gegeben, dieses Bezugsfeld als
   duction process and thereby help to shape it.         theoretisches Problem anzugehen und sich nicht so-
   (2003, S. 6)                                          fort auf die Untersuchung des "aktiven" Publikums
                                                         zu konzentrieren.
Das heißt, dass auch in dieser Hinsicht die Vermitt-
lungsproblematik zwischen Medien und Alltagswelt
nicht zu umgehen ist – und zwar in doppelter Hin-        3. „Diskurs“ als metaphorischer Ausweg
sicht: Zum ersten sind Rezeptionen bezogen auf Ge-
genstände, sind also selbst vermittelnde und vermit-     In seinem vielzitierten Buch "Television Culture"
telte Tätigkeiten; zum zweiten ist der alltagsweltli-    von 1987 hatte Fiske, noch stärker von semiotischen
che Reproduktions- und Interpretationshorizont           und strukturalistischen Modellen beeinflusst als von
selbst ein medial durchdrungener. Gerade mit Blick       ethnologischen, die Idee einer Diskursanalyse zur
auf die fortschreitende Kommerzialisierung interak-      Lösung des Vermittlungsproblems vorgeschlagen,
tiven Medientechnologie muss auf die politische Di-      wie Textuelles und Soziales miteinander kombiniert
mension dieses Problems um so nachdrücklicher            oder integriert werden. Der Vorschlag ist wohl mehr
hingewiesen werden.                                      Metapher denn Konzept. "Diskurs" fungiert in der
                                                         Theorie als das tertium comparationis im Verhältnis
John Fiske hat – allerdings ohne weitere Konsequen-      von Texten und Rezipienten:
zen – auf dieses Problem hingewiesen: "the relation
between textual experience and social experiences           The production of meaning from a text follows
are perhaps the most methodologically inaccessibles;        much the same process as the construction of
but theoretically and politically, they are amongst         subjectivity within society. The reader produces
the most important" (Fiske 1989b, S.76). Interessan-        meanings that derive from the intersection of his/
terweise spricht Fiske hier von Erfahrungen, nicht          her social history with the social forces structu-
von Bedeutungen. Diese Verschiebung deutet darauf           red into the text. The moment of reading is when
hin, dass das Verhältnis, das im Verstehen, Interpre-       the discourses of the reader meet the discourses
tieren und Handhaben von Texten zwischen Subjekt,           of the text. When these discourses bear different
lebensweltlichem Horizont und Bedeutung entsteht,           interests reading becomes a reconciliation of this
kompliziert ist und sich gegen eine unmittelbare In-        conflict. (Fiske 1987, S.82f.)
tegration in ein Modell sinnbezogenen Handelns
sperrt. Zumindest die folgenden Bezugsgrößen tre-        Nun ist die Rede vom "Diskurs" gleich in mehrfa-
ten in eine Beziehung:                                   cher Weise auf das Vermittlungsproblem bezogen:
                                                         "Diskursanalyse" ersetzt die Untersuchung von ideo-
(1) Das Subjekt in seinen besonderen Erfahrungen,        logischen Bewegungen und Brüchen, umfasst oft
gegeben durch Wissen, Wollen und Praxis;                 jene Richtungen der gesellschaftskritischen Untersu-
(2) das Subjekt als Element des gesellschaftlichen       chung symbolischer Produktion, die "Ideologiekri-
Zusammenhangs und in seinen Orientierungen auf           tik" genannt wurde. "Diskursanalyse" ist zugleich in
die übergreifenden sozialen Formationen von Sinn         einem eher kognitiv-empirischen Sinne die Untersu-
und Sein;                                                chung von Weltwissen und seiner Interaktion mit
(3) der Horizont gesellschaftlich vermittelter und       medialen Produkten und sozialen Praktiken; "Dis-
konventionalisierter Bedeutungen und Artikulations-      kursivität" ist entsprechend eine Eigenschaft von
weisen, von Symbol- und Wertsystemen;                    Texten, die sie an die symbolischen Wissenshorizon-
(4) schließlich die besonderen Aneignungs- und Nut-      te der Kultur und deren konsensuelle Grundlagen
zungshandlungen des Subjekts – bezogen auf das           und konventionellen Bedeutungen zurückbindet.
Subjekt selbst und auf sein soziales Umfeld.             Schließlich ist "Diskursanalyse" – in dem Sinne, in
                                                         dem Foucault das Konzept eingeführt hat – die Un-
Der eigentlich problematische Punkt konzentriert         tersuchung von Institutionalisierungsprozessen, die
sich in der Frage, ob die Rezipienten als "atomisierte   einen Fluchtpunkt gesellschaftlicher Auseinanderset-
Menge von Individuen gedacht [werden], losgelöst         zung bilden. Abgesehen davon, dass die Vorstellung
von ihren Gruppenbezügen und Subkulturen, die            von "Diskurs" und von "Diskursivität" oft unklar ist
doch erst den Rahmen für die Bedeutung ihrer             oder zwischen verschiedenen Auffassungen chan-
giert, entsteht die Frage, ob die Vermittlungsproble-     Es ist deutlich, dass Diskurs und Wissen nicht allein
matik damit ausreichend scharf erfasst werden kann.       empirisch ins Verhältnis zu setzen sind, sondern
Fiske nimmt "Diskursivität" in einem sowohl sozia-        auch als kategoriale Elemente einer hermeneutischen
len wie individualpsychologischen Sinne – und die         Kommunikationstheorie dienen müssen. Dabei gilt
Frage, ob Diskursanalyse ein Modell der Historio-         das Prinzip der wechselseitigen Voraussetzung: Das
graphie langfristiger gesellschaftlicher Veränderun-      Wissen ist eine Voraussetzung für die Diskursivie-
gen ist oder ob sie die hermeneutische Differenz von      rung des Wissens, welches wiederum eine Voraus-
Text- und Leserhorizont neu fassen soll, ist dabei        setzung bildet für die Entstehung und Veränderung
ganz ungeklärt.                                           von Wissen. Huhn und Ei, die eine und die andere
                                                          Seite des Blatts Papier, Voraussetzung und Implikati-
In späteren Texten ist Fiske auf den Diskursbegriff       on zugleich.
zurückgekommen, aber er verwendet ihn weiterhin
eher als orientierendes Konzept denn theoretisch          Gerade weil der Akzent der Untersuchung diskursi-
ausgearbeitet. In "Power Plays, Power Works"              ver Strukturen auf die kommunikative Verfasstheit
(1993) bringt er den Begriff in Zusammenhang mit          der gesellschaftlichen Verhandlung von "Sinn" ge-
dem des Wissens ("knowledge"):                            richtet ist, ist Diskursivität auf der anderen Seite
                                                          aber nicht allein als nur kognitives Fundament des
   Discourse circulates knowledge and carries its         Handelns und Verstehens bestimmbar, sondern an
   power into specific and particular situations. We      soziale Realität und an die Realität des Handelns ge-
   can only trace different knowledges through the        bunden, gleich in einem mehrfachen Sinne:
   discourses by which they are put into practice
   and through which their power is applied. Know-        (1) Zum einen sind alle Institutionalisierungen der
   ledge and discourse are totally interdependent.        Kommunikation und deren Rückbindung an die
   Knowledge and discourse, then, inform all cultu-       Sphäre politischer, ökonomischer und sozialer
   ral systems and should not be understood as            Macht für die Diskursanalyse bedeutsam, weil Dis-
   being limited to verbal and visual languages. Dis-     kurse sich nicht allein wildwüchsig verŠndern, son-
   course constantly transgresses, if it doesn't ac-      dern in einem Feld gesellschaftlicher Interessen ste-
   tually destroy, the boundary between material          hen.
   and cultural conditions, because discourse,            (2) Zum zweiten sind Diskurse eng mit der Praxis
   through the specifity of its practices, always has     sozialen Handelns verbunden, bilden deren Sinn-
   a material dimension (Fiske 1993, S.14)                und Legitimierungs-Voraussetzung. Wiederum sind
                                                          die Institutionalisierungen von besonderem Interes-
Die Diskursivität kulturell-symbolischer Gegenstän-       se, weil sie die Geltung und die Realität des Diskur-
de bindet sie unmittelbar zurück auf die Horizonte        siven par excellence unter Beweis stellen.
von Sinn und Bedeutung, würde die hermeneutische
Theorie formulieren und einer ähnlichen Argumenta-        Abgesehen davon, dass die theoretische Fundierung
tionsfigur Ausdruck geben. Nun ist die theoretische       dieser Wirkgrößen bislang kaum geleistet wurde,
Fassung des Diskurs-Konzepts bei Fiske aber durch-        stellt sich auch die Frage nach der Operationalisie-
aus widersprüchlich. Auf der einen Seite stellt er – in   rung des Diskurskonzepts in exemplarischer For-
einem durchaus empirischen Sinne – dem Diskurs            schung. Völlig zu Recht hat Gripsrud neuerlich seine
die Größe des Wissens gegenüber.                          empirische Zugänglichkeit angezweifelt:

(1) Das Diskursive betrifft dann die Zirkulation, die        I also hope to show that studies of audiences,
Tätigkeit des Sprechens (oder der Symbolproduktion           their verbal and non-verbal responses and relati-
in einem weiteren Sinne), den lebendigen Verkehr             ons to particular texts, can never provide all the
zwischen den Menschen.                                       answers to the questions of what these texts
(2) "Wissen" ist dagegen die Sphäre der Wirklich-            mean. Text also carry meanings that are of no im-
keitsannahmen, der Geltungen und Geltungsbedin-              mediate interest to us as ordinary, everyday
gungen von Aussagen und Meinungen. Die Geltung               members of audiences. They work in ways we
des Wissens muß sich im kommunikativen Verkehr               cannot talk about in interviews and in ways we
unter Beweis stellen.                                        do not betray in our observable behavior. (Grips-
                                                             rud 1995, S.9; Herv. im Original)
Dem ist nichts hinzuzufügen: Auch die Rede vom                 Hofmann, M.L., Korta, T.F., Niekisch, S. (Hrsg.) (2004):
                                                               Culture Club. Klassiker der Kulturtheorie. Frankfurt.
"Diskurs" eröffnet ein theoretisches Problem, dessen
Lösung eng mit der Frage nach der Validität und der            Honneth, A. (1994): Desintegration. Bruchstücke einer
empirischen Handhabbarkeit des Cultural-Studies-               soziologischen Zeitdiagnose. Frankfurt.
Paradigmas zusammenhängt.
                                                               Katz, E.; Liebes, T. (1986): Mutual Aid in the Decoding
                                                               of Dallas. Preliminary Notes from a Cross-Cultural Study.
                                                               In: Drummond, P.; Patterson, R. (Hrsg.): Television in
Anmerkungen                                                    Transition. London, S.187-198.
[1] Deutlich ist dies insbesondere bei den Studien in der      Jäckel, M. (1996): Wahlfreiheit in der Fernsehnutzung.
kommunikationswissenschaftlichen Tradition des "Uses           Eine soziologische Analyse zur Individualisierung in der
and Gratifications-Approach" (vgl. dazu Jäckel 1996,           Massenkommunikation. Opladen.
S.94ff.; Morley 1996, S.38ff.), so z.B. bei Katz & Liebes
1986, aber auch bei größer angelegten Studien im Feld          Keppler, A. (1994): Tischgespräche. Über Formen der
der Cultural Studies wie z.B. bei Lull 1990 oder Morley        kommunikativen Vergemeinschaftung am Beispiel der
1992.                                                          Konversation in Familien. Frankfurt.

                                                               Lull, J. (1990): Inside Family Viewing. Ethnographic Re-
Literatur                                                      search on Television's Audiences. New York, London.
Andrejevic, M. (2003): Reality TV. The Work of Being           Morley, D. (1992): Television, Audiences and Cultural
Watched. Lanham, Boulder,New York, Toronto, Oxford.            Studies. New York, London.
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