Eigenheimrente - Verband der privaten Bausparkassen eV
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IMPULSE Eigenheimrente Zum gesellschaftlichen Wert des Wohneigentums CHRISTIAN KÖNIG Geboren 1974 in Neunkirchen-Seel- bis 1948, einer „Epoche des Unheils“, scheid, Hauptgeschäftsführer, Verband „schubweise im Chaos“ versunken. Der der Privaten Bausparkassen e. V. Tag der Währungsreform markierte für Schwarz den entscheidenden Wende- punkt, von dem an die zuvor „dreivier- Der deutsche Zeithistoriker und Politik- teltote Eigentumsgesellschaft“ im Westen wissenschaftler Hans-Peter Schwarz Deutschlands wiederbelebt wurde. schrieb 2006 über die „Katastrophe und Konrad Adenauer hatte daran ent- Renaissance der deutschen Eigentums- scheidenden Anteil. War das erste Woh- gesellschaft“.1 Sie sei in den Jahren 1914 nungsbaugesetz 1950 weitgehend neutral 70 Die Politische Meinung
mit Blick auf die dort genannten Wohn- nen Hauptes vor seinem Staat, der der formen, ging es bei dessen Novelle 1953 Seine ist.“ Und das Gegenstück der hier laut Gesetzesbegründung darum, „den bewusst gewollten Individualität? Kon- Wohnungsbau in noch stärkerem Umfan- formität und Kollektivismus. Der Spiegel ge als bisher fortzusetzen und dabei in charakterisierte diesen Diskurs 2013 mit erster Linie den Bau von Eigenheimen, den Worten: „Das Reihenhäuschen sollte Kleinsiedlungen und Eigentumswohnun- zum Bollwerk im Kampf der Wirtschafts- gen zu berücksichtigen“. systeme werden. Eigenheim gegen Platte, In seiner Regierungserklärung for- Gurkenbeet gegen Gärtnerische Produk- mulierte Konrad Adenauer es so: „Die tionsgenossenschaft, Heimeligkeit gegen Schaffung von Eigenheimen muß als so- Vermassung.“ Nicht fehlen durfte der zial wertvollster und am meisten förde- Adenauer zugesprochene Satz: „Wer ein rungswürdiger Zweck staatlicher Woh- Haus baut, macht keine Revolution.“ Über nungsbau- und Familienpolitik anerkannt Ludwig Erhard hieß es, er habe mit der werden. Das Eigenheim soll und darf kein Wohnungsbauprämie eine Gesellschaft Reservat kleinerer Schichten sein, im Ge- von Hauseigentümern aufkeimen sehen, genteil soll gerade der Besitzlose durch „für die ein Sozialismus, der nicht am ei- Sparen, Selbsthilfe und öffentliche Förde- genen Lattenzaun haltmachte, jeden Reiz rungsmittel zum Eigenheim gelangen verlor“.3 und so der Proletarisierung und der Ver- massung entrissen werden.“ Zur Eigen- heimförderung war 1952 das Wohnungs- ROTE LATERNE BEI DER bauprämiengesetz verabschiedet worden. WOHNEIGENTUMSQUOTE Damit sollten besonders untere Einkom- mensgruppen angeregt werden, frühzeitig Geld zu sparen, um sich eigene vier Wän- Lässt man die letzten siebzig Jahre Revue de leisten zu können. passieren, stellt man fest: Die „dreivier- Begriffe wie „Proletarisierung“ oder teltote Eigentumsgesellschaft“ wurde in „Vermassung“ zeigen, dass es um mehr dieser Zeit zwar wiederbelebt. Von einem ging als um eine reine Wohnungsbaupoli- missionarischen Eifer ist jedoch längst tik. Sie symbolisieren einen gesellschaft- nichts mehr zu spüren. Das Wort ergreifen lichen Diskurs, dem unterschiedliche stattdessen Vertreter eines ideologischen Menschenbilder zugrunde liegen. „Life, Gegenmodells, die das Heil am Wohnungs- liberty and property“ sei der „Dreiklang markt in Enteignungen und Mietenstopp des Bürgerrechtes“, wie es der englische sehen. Ihnen gelang es, beim Volksent- Philosoph John Locke im 17. Jahrhundert scheid im September 2021 mehr als eine formuliert habe, schrieb Hans D. Barbier, Million Berlinerinnen und Berliner für früherer Wirtschaftsredakteur der Frank- eine Vergesellschaftung von Immobilien- furter Allgemeine Zeitung und ehemaliger konzernen zu mobilisieren. Die argu- Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stif- mentative Gegenwehr überließ man tung. 2 Eigentum als unveräußerliches im Wesentlichen Fachpolitikern und Recht; keines, das dem Bürger hoheitlich Wirtschaftsverbänden. Man darf gespannt gewährt werde. „Der Bürger steht erhobe- sein, welche Spuren diese Debatte über 71 Nr. 572, Januar/Februar 2022, 67. Jahrgang
Impulse Enteignung und Eingriffe in die Vertrags- normalerweise eine preiswertere Miet- freiheit in den Köpfen von Investoren, wohnung frei. Das setzt Umzugsketten in Kleinvermietern und Selbstnutzern hin- Gang, die am Ende kaum geringere Ver- terlässt. sorgungswirkungen haben als der soziale So drängt sich der Eindruck auf, dass Wohnungsbau. Solche empirischen Be- die bürgerliche Mitte ein Kernthema ver- funde finden aber viel zu wenig Widerhall. gessen hat. Dass Deutschland bei der Wohneigentumsquote in der Europäi- schen Union die rote Laterne trägt – wen DEBATTE ÜBER DEN TOD regt das auf? Im Fokus stehen jetzt Fragen DES EIGENHEIMS des bezahlbaren Wohnens, des sozialen Mietwohnungsbaus und des Mietrechts. Um die Wohneigentumsidee ist es leiser Vielmehr geht die Debatte in eine andere geworden. Richtung: Anfang 2021 wurde das angeb- Dabei sitzen Mieter und potenzielle liche Ende des Einfamilienhauses ausge- Wohneigentümer in einem Boot. In Bal- rufen. Es sei ein Energieverschwender, ein lungsräumen schießen Neuvertragsmie- Flächenfresser und verantwortlich für ten und Eigenheimpreise seit Jahren nach Zersiedelung. Anton Hofreiter hatte mit oben: Konsequenz eines Nachfrageüber- einem Spiegel-Interview die Vorlage gelie- hangs und befeuert von der Europäischen fert.4 Angesprochen wurde er zuvor auf Zentralbank, die mit ihrer Nullzinspolitik einen Beschluss des Bezirks Hamburg- Anleger scharenweise ins Betongold treibt. Nord, in neuen Bebauungsplänen keine Während Mieter lautstark demonstrieren, Einfamilienhäuser mehr auszuweisen. weichen potenzielle Wohneigentümer, Sein nachgeschobener Satz „Natürlich wenn sie können, still ins Umland aus. So wollen die Grünen nicht die eigenen vier entsteht ein Zerrbild in der öffentlichen Wände verbieten“ ging in dem unter, was Wahrnehmung, das Wirkung zeigt. Die Zeit einen „Kulturkampf“ nannte, den Dabei gibt es in Deutschland nicht die CDU angezettelt habe, um bei ihrer den einen Wohnungsmarkt. Es gibt viele Klientel zu punkten.5 Die taz erklärte Ein- regionale Wohnungsmärkte. Die Hälfte familienhäuser für „unvernünftig“ und der Menschen in Deutschland lebt auf warb für „Geschoss statt Mini schloss“.6 dem Land. Dort stellen sich andere Auf- Wiederum Der Spiegel bewertete etwa das gaben als in Ballungsräumen und soge- Verbot der Hamburger Grünen von Einfa- nannten Schwarmstädten. Um diese zu milienhäusern als einen „späten Triumph entlasten, lautet die Formel „Bauen, bau- der DDR-Wohnungspolitik“.7 en, bauen“. Gebraucht wird sie wiederum Die Aufregung legte sich erst, als klar vor allem im Kontext von Mietwohnun- wurde: Selbst Hamburg weist weiterhin gen. Warum? Weil man sich vom skizzier- Einfamilienhaus-Baugebiete aus; nicht im ten Zerrbild blenden lässt? Norden, allerdings im Süden. Auch die Pro Jahr werden mehr neue Wohnein- Bausparkassen waren um eine Versach- heiten in Ein- und Zweifamilienhäusern lichung der Debatte bemüht. Fakt ist nun gebaut als neue Mietwohnungen. Fami- einmal, dass diejenigen, die neu bauen, lien, die ins eigene Heim ziehen, machen dies oft besonders energieeffizient tun. 72 Die Politische Meinung
Eigenheimrente, Christian König Und natürlich muss es nicht immer auf die sein: „Lebt euren Traum!“ Schon deshalb, grüne Wiese gehen; wenn doch, könnten weil Wohneigentum der klassische Weg dafür woanders Flächen renaturiert wer- zur Vermögensbildung ist. den. Im Übrigen findet Wohneigentums- bildung heute überwiegend durch den Erwerb von Gebrauchtimmobilien statt. VERMÖGENSBILDUNG UND Modelle wie „Jung kauft Alt“ könnten ZUKUNFTSVORSORGE Schule machen, um alte Stadt- und Dorf- kerne lebenswert zu erhalten. In Ballungs- räumen sind Baugemeinschaften, die für Adenauers Aussage, ein Eigenheim dürfe weniger Flächenverbrauch stehen, eine „kein Reservat kleinerer Schichten“ sein, willkommene Ergänzung zur klassischen ist nach wie vor aktuell. Genauso wie sein Wohnform im Eigentum. Mietkauf- und Plädoyer, durch (gefördertes) Sparen der Erbbaurechtmodelle könnten der Wohn- „Proletarisierung“ zu entkommen, was in eigentumsbildung dort neuen Schub ver- die heutige Zeit übersetzt bedeutet: not- leihen. wendige Zukunfts- und Generationenvor- sorge betreiben zu können. Denn fehlen- des Eigenkapital ist das Haupthemmnis TRAUM DER JUNGEN bei der Wohneigentumsbildung. Niedrige GENERATION Bauzinsen gleichen den Mangel nicht aus. Sparen steht für eine Gesellschaft, die in Generationen denkt, in der diejenigen, Einfamilienhaus statt Loft, kleine Gemein- die etwas leisten können und wollen, durch de statt Millionenmetropole, Familie mit ihre Anstrengungen die Allgemeinheit ent- Kindern statt Singledasein: So stellen sich lasten. Denn erst dadurch ist der Staat in die meisten jungen Menschen im Alter von der Lage, jenen zu helfen, die nicht das vierzehn bis neunzehn Jahren vor, wie sie Glück haben, etwas leisten zu können. Die- mit Dreißig wohnen und leben wollen.8 ses Sparen gilt es stärker zu unterstützen. Drei von vier dieser Gruppe träumen vom Nur drei Gründe seien genannt: Ein familienhaus; jeden Vierten zieht es Erstens: Vermögensbildung. Haushal- auf das Dorf und nur jeden Fünften in die te, die im Eigentum wohnen, haben bei Großstadt. Ein überraschender Befund. gleichem Arbeitseinkommen im Renten- Vermutlich hängt beides zusammen: das alter deutlich mehr Vermögen als Mieter- Wie und das Wo beim Wohnen und Le- haushalte – im Schnitt das Fünffache, rund ben. In der Großstadt ist Wohneigentum 200.000 im Vergleich zu 40.000 Euro. Ei- zum Privileg Besserverdienender gewor- gentümerhaushalte sparen einfach mehr. den. Außerhalb besteht allerdings noch Zweitens: Zukunftsvorsorge. Rentner- die Chance, einen Kredit bin nen 35 Jah- haushalte im Wohneigentum sparen im ren zurückzuzahlen. Schnitt mehr als ein Drittel ihrer gesetz- Die Politik sollte sich mit den Hoff- lichen Rente – monatlich 670 Euro. Miet- nungen der jungen Generation auseinan- freies Wohnen im Alter wirkt wie eine stei- dersetzen, damit es nicht bei bloßen Zu- nerne Zusatzrente. Dabei ist Wohneigen- kunftsträumen bleibt. Die Antwort müsste tum die einzige Form der Altersvorsorge, 73 Nr. 572, Januar/Februar 2022, 67. Jahrgang
Eigenheimrente, Christian König die man schon in jungen Jahren genießen 1 Hans-Peter Schwarz: „Katastrophe und Renaissance kann. der deutschen Eigentumsgesellschaft“, in: Schwä- bisch-Hall-Stiftung (Hrsg.): Kultur des Eigentums, Drittens: Generationenvorsorge. Fast Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2006, S. 109–116. drei Viertel der an die nächste Generation 2 Hans D. Barbier: „Wenn das Eigentum fällt, so muß vererbten Vermögen beziehen sich auf der Bürger nach“, in: a. a. O., S. 3–7. 3 Ein- und Zweifamilienhäuser. Alexander Demling: „Hort der Spießer, Traum der Hipster“, in: Der Spiegel, 04.03.2013, www.spiegel. de/wirtschaft/soziales/der-traum-vom-eigenheim- wir-sind-jetzt-alle-bausparer-a-885941.html [letzter HERAUSFORDERUNG Zugriff: 08.11.2021]. DEMOGRAFISCHER WANDEL 4 „Einparteienhäuser sorgen für Zersiedelung“. Interview von Valerie Höhne und Jonas Schaible mit Anton Hofreiter, Der Spiegel, 7/2021, 12.02.2021, www.spiegel.de/politik/deutschland/anton-hofreiter- ich-finde-es-richtig-dass-die-gemeinde-enteignen- Durch die demografische Entwicklung ge- darf-a-00000000-0002-0001-0000-000175304168 rät die gesetzliche Rente ab 2030 zuneh- [letzter Zugriff: 08.11.2021]. mend unter Druck. 2050, wenn die heute 5 Frank Drieschner: „‚Einfamilienhaus‘: Schon der neu geborenen Kinder knapp dreißig Jah- Begriff ist falsch“, in: Die Zeit, 02.03.2021, www.zeit.de/hamburg/2021-03/eigenheimdebatte- re alt sind, wird das massiv spürbar sein. einfamilienhaus-gruene-cdu-klimaschutz [letzter Die Politik muss rechtzeitig gegensteuern, Zugriff: 08.11.2021]. sonst läuft sie Gefahr, die Freiheitsrechte 6 Jan Kahlcke: „Geschoss statt Minischloss“, in: taz, künftiger Generationen zu beschneiden. 08.02.2021, https://taz.de/Gruene-gegen-weitere- Einfamilienhaeuser/!5746630/ [letzter Zugriff: Gegensteuern meint: auch durch Stärkung 08.11.2021]. der privaten Zusatzvorsorge. 7 Alexander Neubacher: „Traumhaus ade“, in: Der Viele Menschen sind nicht in der Spiegel, 06.02.2021, www.spiegel.de/politik/ deutschland/hamburg-gruene-verbieten- Lage, auf zwei Wegen gleichzeitig privat einfamilienhaeuser-traumhaus-ade-kolumne-a- vorzusorgen: mit einer Geldrente und ei- 00000000-0002-0001-0000-000175196783 ner Eigenheimrente in Form der ersparten [letzter Zugriff: 08.11.2021]. 8 Miete. Der hohe Wert, den das Wohn- „Wie und wo wollen junge Menschen mit 30 wohnen und leben? Umfrage unter 14- bis 19-Jährigen eigentum für den Einzelnen und die Ge- zeigt überraschende Trends“, Forsa-Umfrage 2021 sellschaft hat, sollte deshalb für die Politik durch Institut für Zukunftspolitik im Auftrag des nur einen Schluss zulassen: Die Eigen- Verbands der Privaten Bausparkassen, 12.05.2021, www.bausparkassen.de/blog/2021/05/12/wie-und- heimrente muss eine frei wählbare und wo-wollen-junge-menschen-wohnen-und-leben/ gleichberechtigte Alternative zur Geld- [letzter Zugriff: 08.11.2021]. rente bleiben. 74 Die Politische Meinung
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