Unternehmerverbände fordern von der Politik die Sicherstellung international wettbewerbsfähiger Strompreise
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Unternehmerverbände fordern von der Politik die Sicherstellung international wettbewerbsfähiger Strompreise Die Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Rhein- Wupper e. V. sowie der Unternehmerschaft Rhein-Wupper e. V. wollen eine erfolgreiche Energiewende. Zugleich sind die Unternehmen jedoch auch auf eine sichere, umweltverträgliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung angewiesen. Aktuell jedoch verfehlt die Energiewende alle drei Kriterien. So gibt es offensichtlich nicht zu wenig, sondern viel zu viel Wind- und Solarstrom. Ende März drohte sogar ein Kollaps, wie Berichte der Bundesnetzagentur zeigen. Und auch ökologisch ist die Energiewende momentan nur bedingt erfolgreich. So stagniert die Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen und das mangelnde Sanierungstempo im Gebäudebestand führt jeden Tag zu einer ganz erheblichen Verschwendung von Heizenergie. Wettbewerbsfähig schließlich war der Strom schon in der Vergangenheit nicht. Im Gegenteil: die Industriestrompreise hinken im internationalen Vergleich in den letzten Jahren um rund 40 % Frankreich und den Niederlanden hinterher und waren doppelt so hoch wie in den USA. Im Vergleich zu den direkten europäischen Nachbarn weist Deutschland die höchsten Industriestrompreise auf. Dabei hebt sich insbesondere die Entwicklung von Steuern und Abgaben, allen voran die sog. EEG-Umlage, deutlich von den Entwicklungen in den restlichen EU-Ländern ab. Mittlerweile machen staatliche Komponenten beinahe die Hälfte des Industriestrompreises aus. Die EEG-Umlage erweist sich dabei als wahres Kostenmonster für die Unternehmen, weil sich zusätzliche Kostenbelastungen in fünf-, sechs- oder sogar siebenstelliger Höhe aufsummieren. Vor allem in der Politik muss endlich die Erkenntnis wachsen, dass für die Unternehmen Entlastungen angesichts der im europäischen und weltweiten Vergleich sehr hohen deutschen Industriestrompreise und der internationalen Wettbewerbsintensität essenziell sind. Derzeit steigen die Strompreise jedoch kontinuierlich, die Versuchung politischer Kurzschlüsse leider auch. Angeblich soll es dabei vornehmlich um eine rasche Lösung des zunehmenden Kostendrucks infolge eines ausufernden Förderregimes gehen. Tatsächlich jedoch werden weitere Preiserhöhungen angekündigt. Wichtig ist deshalb in erster Linie, langfristig tragfähige Marktregeln zu schaffen, die ordnungspolitisch konsistent sind. Ein marktbasiertes Design der komplexen Teilmärkte im Stromsektor zu entwerfen und zu etablieren stellt die zentrale Herausforderung der Energiewende dar. Dabei muss allen klar sein, dass sich der Umbau der gesamten Energieversorgung eines Industrielandes als Generationenprojekt nur mit einem vorwärts gewandten parteiübergreifenden Projektmanagement erfolgreich bewältigen lässt. Der Systemumbau erfordert deshalb eine vorausschauende Projektsteuerung und ein gut abgestimmtes Handeln aller Akteure, auch und vor allem aus 1
Bund und Ländern. An einer konzertierten Aktion von Energieversorgern, Industrie und Staat führt kein Weg vorbei. Die negativen Erfahrungen aus dem Flughafenbau in Berlin und Stuttgart 21 haben deutlich gezeigt, dass es ohne ein professionelles Projektmanagement nicht geht. Bei der Projektsteuerung von Großprojekten gilt es deshalb verlorene internationale Alleinstellungsmerkmale zurück zu gewinnen, um Vertrauen und Planungssicherheit für ein positives Investitionsklima zu schaffen, was notwendig ist, um die großen Chancen, die sich für Erzeuger, Technologierhersteller und Verbraucher aus der Energiewende in den nächsten Jahren ergeben werden, zu realisieren. Handlungsempfehlung 1. Kurzfristige Maßnahmen: Bildung eines Projektmanagements, das vom Kanzleramt autorisiert wird, ein Leitbild zu einem Strommarkt zu entwickeln, welches ein wettbewerbliches und marktbasiertes Stromsystem ermöglicht. Diesem Projektmanagement muss zugleich auch eine Steuerungsfunktion zwischen Bund und Ländern übertragen werden für die Erstellung eines dringend notwendigen Netzentwicklungsplanes. Aufgrund der international vielfältigen Verflechtungen der Strommärkte, muss darüber hinaus eine Integration des europäischen Strombinnenmarktes erfolgen. Unverzügliche Vereinbarung einer Stromkostenbremse: sie muss die Wettbewerbssituation aller Marktteilnehmer berücksichtigen und so gestaltet werden, dass Arbeitsplätze nicht verloren gehen. Statt Abschaffung, die Ausnahmetatbestände zur EEG-Umlage für energieintensive Betriebe reformieren: derzeit hat ein Unternehmen, dessen Stromkosten bei 13,9 % der Wertschöpfung liegen, die volle EEG-Umlage zu tragen; bei 14,1 % wird ein Betrieb dagegen deutlich entlastet. Dies lässt sich sachlich nicht begründen. Deshalb ist die EEG-Umlage für die Unternehmen steigenden Stromkosten schrittweise abzusenken, und zwar bereits ab einem niedrigeren Stromkostenanteil an der Wertschöpfung als bisher. Die Abschaffung der Ausnahmen würde die EEG-Umlage für die anderen Stromverbraucher im Übrigen gerade einmal um rund 1 Cent je Kilowattstunde verringern, wie das Institut der deutschen Wirtschaft Köln jüngst berechnete. An dieser Stelle könnte man die Frage stellen, ob eine Ausweitung der Ausnahmetatbestände zu Lasten der Privatverbraucher sozial gerechtfertigt ist. Richtig dürfte aber auch sein, dass es noch unsozialer wäre, diesen Standort über steigende Energiekosten schleichend zu deindustrialisieren: Die Politik muss bei der Stromkostenbremse einen Eigenbeitrag leisten: Sie hat bei der Herstellung von wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen eine Bringschuld auch und insbesondere gegenüber den Unternehmen. Begründung: Der Staat verursacht über die Hälfte des Strompreises durch Steuern und Abgaben. Das Aufkommen aus der Stromsteuer beträgt pro Jahr 7 Mrd. Euro (2012). Das Aufkommen aus der Mehr- 2
wertsteuer allein auf die EEG-Umlage zusätzlich rund 2 Mrd. Euro pro Jahr (2012), damit verdient der Staat ein zweites Mal an den steigenden Strompreisen mit. Bei dieser Gemengelage muss die Politik bei der dringend notwendigen Stromkostenbremse einen eigenen angemessenen Beitrag leisten. Die Belastungsgrenze bei den Unternehmen ist jedenfalls schon lange erreicht bzw. überschritten. Ein Beitrag der Politik ist umso mehr in Zeiten angezeigt, in denen das Steueraufkommen und die Abgaben in Deutschland so hoch liegen wie nie zuvor und sich darüber hinaus abzeichnet, dass die Steuereinnahmen auch in den nächsten Jahren steigen werden. Zudem wird der Ausbau der erneuerbaren Energien bislang vollständig außerhalb des Bundeshaushalts gefördert, was eine Reihe politökonomischer Konsequenzen nach sich zieht. Entscheidend ist, dass eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt den Kostendruck erhöht und die EE-Förderung in den Wettbewerb politischer Ziele setzt. Ohne eine (parlamentarische) Kontrolle fehlt bislang eine (politische) Kraft, die sich dafür einsetzt, die Ausgaben in Zaum zu halten. Schnellstmögliche Umsetzung bei der energetischen Gebäudesanierung durch ein attraktives steuerliches Anreizsystem: die Energieeffizienz im Gebäudesektor spielt angesichts des 40%-igen Anteils dieses Sektors am Gesamtenergieverbrauch (für den Stromendverbrauch sind es etwa 24 Prozent) eine Schlüsselrolle bei der Energiewende. Sie hat deshalb das Potenzial zu einer ganz wesentlichen Kosten- und Preissenkungswirkung. 2. Strukturelle Maßnahmen: Leitlinie: Entwicklung eines Marktdesigns, das einerseits eine marktnähere Integration erneuerbarer Energien und ausreichender regelbarer Kapazitäten gewährleistet sowie beide intelligent mit dem erforderlichen Netzausbau synchronisiert. Dazu gehört auch, dass die wachsenden Lasten der Energiewende nicht länger allein auf den Stromverbrauch umgelegt werden, sondern sich Förderung und Preisbildung stärker nach den Kriterien Verursachergerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit orientieren (vgl. Handlungsempfehlungen an die Politik des BDI, März 2013). Kernpunkte: Eine systematische Überarbeitung des EEG muss zwingend Angebots- und Nachfragemechanismen enthalten. Es bedarf einer rechts- und damit planungssicheren Finanzierung, die derzeit mit der EEG-Umlage nicht gewährleistet wird. So ist die EEG-Umlage in wesentlichen Punkten nichts anderes als der sog. „Kohlepfennig“ – und der wurde 1994 vom Bundesverfassungsgericht bekanntlich verboten, weil er die Stromkunden belastete, die keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Steinkohle aus Deutschland hatten. Ebenso wenig sind die Stromverbraucher für die Finanzierung der erneuerbaren Energien verantwortlich, weil es sich um eine Gemeinwohlaufgabe handelt. Mit der jetzt gewählten Form der ausschließlich privatrechtlichen 3
Finanzierung, nämlich zwischen juristischen Personen des Privatrechts, hat man diese Gemeinwohlaufgabe im Ergebnis „outgesourced“ und sich damit dem restriktiven Ordnungsrahmen der Finanzverfassung entzogen, also dem parlamentarischen Budgetrecht, dem Finanzausgleich, der Rechnungsprüfung sowie der Stabilitätspolitik. Außerdem bestehen erhebliche Zweifel, ob Ausnahmetatbestände für energieintensive Betriebe überhaupt europarechtskonform sind. Eine rechtswidrige Praxis aber hätte für die Unternehmen fatale Folgen, weil nicht nur Entlastungen entfallen, sondern auch noch Rückzahlungen anfallen würden. Es bedarf einer grundlegenden Überarbeitung des bisherigen Förderregimes mit dem Ziel eines Ausstiegszenarios aus der Förderung der erneuerbaren Energien. So sind die Kosten für die Förderung des Ökostroms – von anfangs 0,9 Milliarden pro Jahr auf nunmehr 20 Milliarden Euro gestiegen mit aktuell sogar noch steigender Tendenz. Kritisch ist dabei nicht nur die enorme Kostenbelastung der Industrie zu sehen, sondern auch die mit dem EEG verbundene Verteilungswirkung, die einkommensschwache Haushalte stark überproportional belastet. Stattdessen ist die Förderung stärker an Effizienzaspekten und Bedarfsgerechtigkeit zu orientieren. Die Einführung von Anreizen zur Direktvermarktung (beispielsweise Marktprämien oder Quotenmodelle) waren bereits erste Verbesserungen. Begründung: Das EEG ist seinerzeit als Instrument konzipiert worden, um neue, regenerative Technologien zu etablieren. Dieses Ziel ist bereits erreicht worden: aufgrund der Förderung über die EEG-Umlage ist in den letzten Jahren der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung stetig gewachsen. Mittlerweile hat der Zubau jedoch eine Größenordnung erreicht, der die für die Etablierungsphase positiven Eigenschaften des Instruments ins Gegenteil verkehrt. So wird durch das EEG mit seinen garantierten Einspeisetarifen und der Vorrangregelungen für erneuerbare Energien eine bedarfsgerechte Stromerzeugung mit Angebots- und Nachfragestrukturen im Ergebnis verhindert. Subventions- bzw. Systemkosten sind die Folge, da eine effiziente Allokation der Ausbaumengen hinsichtlich verschiedener Dimensionen (wie z. B. Regionen, Bedarfen und Netzcharakteristika) mit Hilfe des derzeitigen Förderregimes nicht möglich ist. Richtig sind deshalb Regulierungen bzw. eine Degression mit klar definierten Zielausbaukorridoren, um Subventions- bzw. zusätzliche Systemkosten zu vermeiden. Der bereits eingeschlagene Weg zur Einführung von Marktprämien ist richtig; dieser Weg muss konsequent weiter ausgebaut werden. Ziel muss dabei sein, den EEG-Strom zunehmend in das marktliche System zu integrieren. Die Anlagebetreiber sollten sich dabei stärker nach dem Preissignal des Marktes richten. Insgesamt sollte ein Vergütungssystem so ausgelegt sein, dass sich Anlagebetreiber durch einen Wechsel von der Einspeisevergütung in die Direktvermarktung besserstellen. Auktions-/bzw. Versteigerungsmodelle wie zuletzt vom BDI sind deshalb richtige Optionen, weil sie grundlegender ansetzen. Nach dem BDI-Modell sollen die Betreiber ihren Strom selbst vermarkten. Gefördert wird der Strom durch 4
eine Prämie, die die Stromerzeuger ersteigern müssen. Bei Versorgungsengpässen sollen darüber hinaus künftig Gas- und Kohlekraftwerke eine sog. strategische Reserve bilden. Der Zuschlag für diese Leistung soll dabei ebenfalls über eine Auktion ermittelt werden. Nach einem Vorschlag des Instituts der Deutschen Wirtschaft könnten darüber hinaus auch Anlagenhersteller bei den Auktionen zum Zuge kommen und dann im Paket ihre Technik zusammen mit dem Bezugsrecht für Einspeisevergütungen über maximal 20 Jahre verkaufen. Nutzer und zumindest mittelbarer Käufer der Rechte wären die Anlagenbetreiber. Eine Versteigerung des Bezugsrechts für Einspeisevergütungen an die Anlagenhersteller hätte den Charme, dass ein Teil der Förderkosten an die Stromverbraucher zurück flösse, beispielsweise durch eine entsprechende Senkung der EEG-Umlage. Dies würde Stromkunden entlasten, ohne die Leistung der geförderten Anlagen weiter zu begrenzen. Entscheidend bei der entsprechenden Umsetzung wird sein, am Strommarkt die Flexibilität der Elemente zu steigern – seien es Importe, Back-up-Kraftwerke, Quoten- /Marktprämien oder Auktionsmodelle, Speicher oder die Nachfrage. Darüber hinaus gilt es ausreichend Anreize zur Investition für dargebotsunabhängige, konventionelle Kraftwerkskapazitäten zu schaffen. Da deren Einsatzzeiten und Erlöspotenziale durch die Einspeisung von erneuerbaren Energien zunehmend sinken, könnte eine Reihe von Kraftwerksprojekten in Frage gestellt sein. Perspektivisch muss die Frage beantwortet werden, inwiefern sich die Bereitstellung von Kapazitäten und damit von Versorgungssicherheit bepreisen lässt. Dabei ist zwingend darauf zu achten, tatsächlich einen Markt zu gestalten, statt ein neues enges Regulierungsregime zu schaffen. Im schlechtesten Fall würde nämlich auch für den konventionellen Kraftwerkspark die Rückkehr zur Welt der kostenbasierten Preisregulierung drohen., bei der Kosten erstattet und nicht Marktpreise erwirtschaftet werden. Insofern wäre das Optionsmodell des BDI hinsichtlich der strategischen Reserven bei konventionellen Kraftwerken eine richtige Alternative. Langfristig muss ein Marktdesign geschaffen werden, dass einen technologieoffenen Wettbewerb unter Erzeugungstechnologien wie auch unter Nachfrageflexibilitäten ermöglicht und so den Zielen einer wirtschaftlichen, sicheren und umweltverträglichen Stromversorgung gleichermaßen gerecht wird. Die Energiewende muss sich in den europäischen Energiebinnenmarkt einfügen, denn nur so entsteht mehr Wettbewerb, mehr Diversifizierung und größere Versorgungssicherheit. Hierzu ist eine ganz enge Abstimmung mit den europäischen Partnern erforderlich durch gemeinsame Formulierungen konsistenter, widerspruchsfreier energie- und klimapolitischer Ziele. Leverkusen, den 04. Oktober 2013 5
Sie können auch lesen