EILDIENST 4 /2017 - Aus dem Inhalt: Landkreistag NRW
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EILDIENST 4 /2017 Aus dem Inhalt: 70 Jahre Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1947-2017 entrale Forderungen des LKT NRW an den neuen Landtag Z und die neue Landesregierung Ordnung und Steuerung von Migration und Flucht
EILDIENST Heft 4/2017 Auf ein Wort Maut in Deutschland: Verursachergerechte Finanzierung von Infrastruktur oder zurück in die Zeit der Wegezölle? Es währte Jahrhunderte: Fast jede Burg am Rhein diente historisch vor allem einem Zweck – Wegezölle von vorbeifahrenden Schiffen zu erheben. Die Wegezölle bereicherten zwar den einzelnen Burgherren, volkswirtschaftlich war ein solches Verhalten jedoch kontraproduktiv und hat über lange Zeit die wirtschaftliche Entwicklung deutlich gehemmt. Anno 2017 hat indessen der Bund – mit Zustimmung der Mehrheit der Länder – beschlossen, eine Maut für Pkw auf den Bundesautobahnen und einigen autobahnähnlichen Bundes- straßen zu erheben. Dabei sollen einheimische Autofahrer weitgehend (aber nicht gänzlich) entlastet werden, so dass die Maut überwiegend von ausländi- schen Autofahrern aufzubringen sein dürfte. Das gesamte System soll zudem nach Schadstoffklassen und anderem mehr differenziert werden. Im Ergebnis droht ein administrativer Koloss, nur um einen relativ überschau- baren Einnahmeanteil von (überwiegend) ausländischen Kraftfahrern zu erzielen. Die Verwaltungskosten dieses Konstruktes werden erheblich sein: Es muss eine Infrastruktur für den Einzug der Maut bei inländischen Fahrern aufgebaut werden, voraussichtlich auch unter intensiver Mitwirkung der Kfz-Zulassungsstellen der Kreise und kreis- freien Städte. Überdies muss ein Verkaufssystem für ausländische Kraftfahrer einschließlich der Möglichkeit von zeitlich beschränkten Maut-Tickets aufgebaut werden. Darüber hinaus muss ein Kontrollsystem auf den Autobah- nen aufgebaut werden. Gerade der administrative Mehraufwand für die Kfz-Zulassungsstellen sollte bei der ganzen Angelegenheit nicht außen vor bleiben, steht doch zu erwarten, dass diese in nicht unerheblichem Umfang bei der Datenerfassung sowie beim Vollzug (Stichwort: Zulassung nur bei Nachweis der Mautzahlung) eingebunden werden. Auch der verkehrswirtschaftliche Schaden dürfte größer sein als der Nutzen, betrachtet man vor allem das Risiko von Ausweichverkehren auf Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen. Nicht zuletzt ist die Maut geeignet, speziell für unser Bundesland, Nordrhein-Westfalen, spürbare volkswirtschaftliche Nachteile auszulösen. Kein Bundesland ist mit einem benachbarten Staat wirtschaftlich so eng verflochten wie Nord rhein-Westfalen mit dem Königreich der Niederlande. Hinzu kommen die Beziehungen zwischen Nordrhein-West falen und dem Königreich Belgien. Viele niederländische Unternehmer haben regelmäßig Kunden in Nordrhein-West- falen, die touristischen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Königreich der Niederlande sind äußerst intensiv, die Flughäfen haben einen erheblichen Anteil niederländischer Fluggäste und legendär sind nicht zuletzt die vielen niederländischen Weihnachtsmarktbesucher. All dies ist für Nordrhein-Westfalen ein riesiger Wirtschaftsfaktor, und in dieser Dimension mit keiner anderen Relation zwischen einem deutschen Bundesland und einem benachbar- ten ausländischen Staat zu vergleichen – auch nicht mit dem (im Wesentlichen sprachgleichen) Verhältnis zwischen Bayern und der Republik Österreich. All diese positiven nachbarschaftlichen Aspekte werden nunmehr gefährdet, um einen relativ geringvolumigen Vorteil mit hohem administrativem Aufwand zu erzielen. Um es klar zu sagen: Eine Nutzerfinanzierung öffentlicher Verkehrsinfrastrukturen ist nicht prinzipiell falsch. Ver- kehrspolitiker haben schon seit langem die grundsätzliche Forderung aufgestellt, dass der Verkehr auch den Verkehr finanzieren soll. Der jetzt vorgesehene Vorschlag für eine Autobahn-Maut, die ganz überwiegend von Ausländern aufgebracht werden soll, bedeutet jedoch in ihrer jetzt geplanten Gestaltung eher ein verkehrspolitisches Eigentor. Eine Nutzerfinanzierung müsste in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, es müssten alle Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) hiervon partizipieren können, es müsste dann eine systematische Umorientierung vom jetzigen System der Kfz- und Energiesteuer auf Benzin und Diesel vorgenommen werden und – und das ist in einer eng besiedelten europäischen Region vielleicht die wichtigste Forderung – ein solches Konzept müsste europaweit eingebunden wer- den. Hiervon ist jedoch das jetzige Maut-Konzept meilenweit entfernt. Es dient weder der Verkehrssteuerung, noch der Finanzierung von verkehrlichen Infrastrukturen, noch einer möglichen Verlagerung vom Verkehrsträger Straße auf den Verkehrsträger Schiene, sondern bedient in erster Linie regionale Vorstellungen – in diesem Fall offenbar Vorstellungen des bayerischen Bundesverkehrsministers – von einer „Mautgerechtigkeit“. Das reale Ergebnis dieser so ausgestalteten deutschen Maut dürfte nicht so weit entfernt von den wirtschaftlichen Auswirkungen der mittelalterlichen Wegezölle am Rhein entfernt liegen. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 121
Inhalt EILDIENST Heft 4/2017 EILDIENST 4/2017 Auf ein Wort Wort 121 Thema Aktuell Kavalleriestraße 8 40213 Düsseldorf Zentrale Forderungen des Landkreistages NRW an den neuen Landtag Telefon 0211/ 300 491-0 und die neue Landesregierung 125 Telefax 02 11/ 300 491-660 E-Mail: presse@lkt-nrw.de Internet: www.lkt-nrw.de Aus dem Landkreistag Impressum EILDIENST – Monatszeitschrift Vorstand des LKT NRW am 21.03.2017 130 des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 70 Jahre Landkreistag NRW 130 Herausgeber: Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein Redaktion: Themen Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn Beigeordneter Dr. Christian v. Kraack Hauptreferent Dr. Markus Faber Ordnung und Steuerung von Migration und Flucht – Referentin Dr. Andrea Garrelmann Referentin Dorothée Heimann Kuratoriumssitzung des Freiherr-vom-Stein-Instituts Münster 156 Referent Thomas Krämer Referentin Kirsten Rüenbrink Hauptreferent Dr. Kai Zentara Land und Kommunen garantieren das hohe Niveau der Lebensmittelsicherheit in Nordrhein-Westfalen 161 Quelle Titelbild: LWL, Internetportal „Westfälische Geschichte“ Servicekonto.NRW auf den Weg gebracht 161 Redaktionsassistenz: Gaby Drommershausen Astrid Hälker Heike Schützmann Das Porträt Herstellung: Landrat Andreas Müller, Kreis Siegen-Wittgenstein – ALBERSDRUCK GMBH & CO KG Leichlinger Straße 11 Wir sind mehr als Durchschnitt! 162 40591 Düsseldorf ISSN 1860-3319 Im Fokus Kommunale Bildungs- und Kultureinrichtungen und Schulen sind Bildungspartner NRW – Gemeinsame Erklärung 2025 165 Medien-Spektrum: Aktuelle Pressemitteilungen Rückführung von Geflüchteten ohne Bleiberecht: NRW-Kreise für stärkere Rolle des Bundes 167 Kreise in Nordrhein-Westfalen Bürokratieabbau konkret – Widerspruchsverfahren abschaffen 167 122
EILDIENST Heft 4/2017 Inhalt EILDIENST 4/2017 Kurznachrichten Arbeit und Soziales Equal Pay Day: Frauen verdienten 2016 in NRW 22 Prozent weniger als Männer 167 Reallöhne in NRW im Jahr 2016 um 1,7 Prozent gestiegen 168 Bauen und Planen Regionale 2022/2025: Das ‚Bergische Rheinland‘ hat sich erfolgreich präsentiert 168 Genehmigte Wohnungen im Jahr 2016: + 21,6 Prozent gegenüber Vorjahr 169 Kommunale Boden- und Liegenschaftspolitik – Veröffentlichung des Forum Baulandmanagement NRW 170 Finanzen Zahl der Insolvenzen war 2016 in NRW bereits das sechste Jahr in Folge niedriger als im Vorjahr 170 Unternehmensumsätze in NRW stiegen 2015 auf eine neue Rekordhöhe 171 Kultur und Sport KulturScouts Bergisches Land – „Kulturorte gemeinsam entdecken“ 171 Radwanderkarte Märkischer Kreis im Buchhandel 172 Das Reitkennzeichen im Kreis Viersen online bestellen 172 Landwirtschaft Anbaufläche für Freilandgemüse in NRW im Jahr 2016 um 6,6 Prozent gestiegen 172 Neue Medien Kreis Coesfeld auf Facebook 172 Schule und Weiterbildung NRW-Hochschulen: Zahl der Studienanfänger im Bereich Informatik um fünf Prozent gestiegen 172 123
Inhalt EILDIENST Heft 4/2017 EILDIENST 4/2017 Neue Broschüre zur Berufsbildung in NRW – Schulische Vorbildung der Azubis wird immer besser 173 Jede(r) zwölfte Schüler/-in wird in NRW an einer privaten Ersatzschule unterrichtet 173 Rhein-Sieg-Kreis übernimmt Koordination eines kreisweiten MINT-Netzwerkes 174 Umwelt und Natur NRW-Umweltdatenbericht – Fläche der Naturschutzgebiete hat sich in NRW seit 1980 versechzehnfacht 174 Neue Regionalmarketing-Kampagne wird sichtbar – „Echt vielfältig“-Bus in Siegen-Wittgenstein unterwegs 174 Ökoprofit macht es möglich: Mehr Umweltschutz, weniger Ausgaben 176 Wirtschaft und Verkehr Wirtschaftswachstum in NRW 2016 bei +1,8 Prozent 176 Zahl der Gewerbeanmeldungen in NRW im Jahr 2016 um 1,1 Prozent niedriger als 2015 176 Niederlande weiterhin wichtigster Handelspartner der NRW-Wirtschaft 177 NRW-Industriebetriebe produzierten 2016 nahezu 2,4 Milliarden Liter Mineralwasser 177 Frauen gründen anders! 20 Jahre BeraterinnenNetzwerk Bonn/Rhein-Sieg 177 2016 starteten über 20 Millionen Passagiere von den sechs größten NRW-Flughäfen 178 2016 erzielten die NRW-Industriebetriebe 0,5 Prozent weniger Umsatz als ein Jahr zuvor 178 Persönliches Landrat Sebastian Schuster verabschiedet langjährigen Dezernenten Bernd Carl 178 Hinweise auf Veröffentlichungen Veröffentlichungen 179 124
EILDIENST Heft 4/2017 Thema aktuell Zentrale Forderungen des Landkreistages NRW an den neuen Landtag und die neue Landesregierung In seiner Sitzung am 21. März 2017 hat der Vorstand des LKT NRW die Kernpunkte für eine an den kommunalen Interessen aus- gerichtete Landespolitik mit Blick auf die Landtagswahl am 14. Mai 2017 beraten und einstimmig in einem Forderungskatalog beschlossen, der im Folgenden dargestellt ist: Überblick vor allem die Kreispolizeibehörde unter Infolge des Zustroms von Flüchtlingen sind Leitung des von der Bevölkerung direkt den Kommunen beträchtliche Kosten ent- 1. Sicherheit und Ordnung im kreisange- gewählten Landrats. Das bewährte Kon- standen, die nur zu einem Teil durch den hörigen Raum wahren zept der Sicherheit aus einer Hand führt Bund und das Land refinanziert werden. 2. Integrationsbedingte Kosten der Kom- wegen der organisatorischen Einbindung Allein die Kreise in NRW haben bis zum munen durch Bund und Land refinan- weiterer kommunaler Behörden und Ämter Herbst 2016 über 700 neue Vollzeitstellen zieren (Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt, (im Sozialbereich, im Schulbereich und bei 3. Benachteiligung des kreisangehörigen Ordnungsamt, Ausländerbehörde, Stra- den Ausländerbehörden) schaffen müssen, Raums durch das Gemeindefinanzie- ßenverkehrsamt, Umweltamt etc.) „unter um die zusätzlichen Aufgaben zu bewälti- rungsgesetz NRW beenden und Kreise einem Dach“ zu einer kosteneffizienten gen. Die verbleibende Finanzierungslücke an der Umsatzsteuer beteiligen und entscheidungsstarken Struktur, die es darf die ohnehin stark belasteten kommu- 4. Effektive und effiziente Aufgaben- zugleich ermöglicht, Fragen der Prävention nalen Haushalte nicht noch mehr beein- wahrnehmung der Kommunen im gezielt aufzugreifen. trächtigen. Der Landkreistag NRW fordert kreisangehörigen Raum sicherstellen Obwohl die Zahl bestimmter Deliktsarten hier auch weiterhin eine „schwarze Null“ 5. Kommunale Belange in der NRW-Lan- wie zum Beispiel Wohnungseinbrüche in für die Kommunen. Das Land, das verfas- desverfassung sichern einzelnen Landratsbehörden im Jahr 2015 sungsrechtlich eine ausreichende finan- 6. Soziale Sicherungssysteme nachhaltig um bis zu 80 Prozent angestiegen ist, ist zielle Ausstattung der Kommunen sicher- und generationengerecht umbauen die Zahl der Polizeivollzugsbeamten, die zustellen hat, und der Bund, der über die • Kindertagesbetreuung: Finanzierung den landratsgeführten Kreispolizeibehör- wesentlichen Steuerungsinstrumente der auskömmlich aufstellen den zur Verfügung gestellt werden, seit Migrationspolitik verfügt, müssen gemein- • Sozialer Arbeitsmarkt: Neue Modelle dem Jahr 2000 um 721 Stellen (-5,4 %) sam gewährleisten, dass für die wichtige praxisnah ausloten zurückgegangen, während bei den Poli- Aufgabe der Integration die erforderlichen • Bundesteilhabegesetz: Eingliederungs zeipräsidien im gleichen Zeitraum ein Mittel bereitstehen; denn nur so kann sie hilfe für Menschen mit Behinderun- Zuwachs von 1.597 Stellen (+ 6,8 %) vor Ort gelingen. Dies bedeutet, dass die gen landesrechtlich neu ausrichten verzeichnet werden konnte. Bürgerin- Anstrengungen zur Integration auf die • Unterhaltsvorschuss: Einseitige kom- nen und Bürger erwarten aber auch im Menschen mit Bleiberecht konzentriert munale Belastungen zurückbauen kreisangehörigen Raum eine angemessene werden und Menschen ohne Bleiberecht so 7. Infrastruktur und Mobilität im kreisan- Polizeipräsenz. Dem Sicherheitsbedürf- zügig wie möglich in ihre Herkunftsländer gehörigen Raum sichern und moderni- nis der Bevölkerung in den Kreisen muss zurückzuführen sind. Für geduldete Men- sieren im gleichen Maße entsprochen werden schen ist eine auskömmliche Finanzierung 8. Schulische Inklusion praxisgerecht wie dem entsprechenden Bedürfnis der mit einer Aufnahme dieser Personengrup- gestalten und Struktur der Schulauf- Bevölkerung im großstädtischen Raum. pe in das Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW sicht dezentralisieren Und das auch am Wochenende und in der durch das Land NRW sicherzustellen. Denn • Inklusion kindeswohlgerecht umset- Nacht. Dazu bedarf es einer entsprechen- die rechtlichen und tatsächlichen Vorga- zen und hochwertiges Förderschul- den Grundstärke der Polizei. Tatsächlich ben der Duldungsgründe werden ganz angebot gewährleisten betrug aber im Jahr 2016 die Polizeidichte überwiegend vom Bund und vom Land • Stärkung der Schulverantwortung in den Landratsbehörden nur zwischen 1,1 NRW (z.B. durch Verwaltungsvorschriften vor Ort – Schulaufsicht kommunali- und 1,6 Planstellen pro 1.000 Einwohner, oder die Aussetzung von Rückführungs- sieren in den Polizeipräsidien dagegen zwischen maßnahmen) geschaffen. 9. Wirtschaftliche Perspektiven des 1,9 und 4,3 (vgl. Landtags-Drucksachen kreisangehörigen Raumes bei der Flä- 16/12643 und 16/12635). Im Rahmen der 3. Benachteiligung des chenentwicklung und Infrastrukturpla- belastungsbezogenen Kräfteverteilung ist kreisangehörigen Raums nung entfalten daher sicherzustellen, dass die Polizeidich- 10. Kommunale Umweltverwaltung stär- te im kreisangehörigen Raum angehoben durch das Gemeindefinanzie- ken wird. Auch die für Schwerpunkteinsätze in rungsgesetz NRW beenden den landratsgeführten Kreispolizeibehör- und Kreise an der Umsatz- 1. Sicherheit und Ordnung den zur Verfügung stehenden Personal- steuer beteiligen im kreisangehörigen Raum stunden der Bereitschaftspolizei müssen wieder erhöht werden. Der Verfassungsgerichtshof NRW hat mit wahren Urteilen vom 10.05.2016 festgestellt, dass Bürgerinnen und Bürger haben einen das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) Anspruch auf Herstellung und Wahrung 2. Integrationsbedingte 2012 gerade noch verfassungskonform der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Kosten der Kommunen durch war, weil der damalige Gesetzgeber über Diesen Anspruch erfüllt in den Kreisen Bund und Land refinanzieren keine bessere Erkenntnislage verfügte. 125
Thema aktuell EILDIENST Heft 4/2017 Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass Die Kreise mit besonders hohen Sozial bewältigen sind. Die kleinteilige Verwal- insbesondere durch die Verortung des leistungsbelastungen erhalten die propor- tungsstruktur im Bereich der öffentlichen sogenannte Soziallastenansatzes erheb- tional höchsten Steueranteile. Damit kön- Jugendhilfe muss daher unter fachlichen liche, letztlich nicht zu rechtfertigende nen Konflikte, die mit der Refinanzierung wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten drin- Verwerfungen bei den Mittelzuweisungen über die Kreisumlage einhergehen, mini- gend korrigiert werden. insbesondere im kreisangehörigen Raum miert werden. Die kreisangehörigen Städte Obwohl die nordrhein-westfälischen Kom- bestehen. Hintergrund dieser Entwicklung und Gemeinden erhalten durch die dann munen einwohnerstark sind, führt die sind die enormen und überproportionalen eröffnete Senkung der Umlage ihrerseits derzeitige Aufgabenzuordnung (gestuftes Ausgabensteigerungen im Sozialbereich. finanzielle Spielräume. Aufgabenmodell) letztlich dazu, dass Nord Allein in den Leistungsarten Hilfe zur Pfle- rhein-Westfalen im bundesweiten Ver- ge, Eingliederungshilfe für Menschen mit 4. Effektive und effiziente gleich vielfach über die – gemessen an den Behinderungen, Hilfe zum Lebensunter- Aufgabenwahrnehmung der Einwohnerzahlen – kleinsten Aufgabenträ- halt, Hilfe zur Gesundheit, Hilfe zur Über- ger verfügt. Die aktuellen und künftigen windung besonderer sozialer Schwierigkei- Kommunen im kreisange Herausforderungen werden diese Aufga- ten und Hilfe in anderen Lebenslagen, Kin- hörigen Raum sicherstellen benträger kaum effizient und wirtschaft- der- und Jugendhilfe sowie bei den Kosten Die Aufgabenzuordnung im kreisangehö- lich bewältigen können. Die Aufgabenzu- der Unterkunft und Heizung (KdU) nach rigen Raum im Allgemeinen und die an ordnung im kreisangehörigen Raum sollte dem SGB II ist im Zeitraum der Haushalts- der Einwohnerzahl orientierte Zuweisung deshalb auf den Prüfstand gestellt und in jahre 2007 bis 2015 bei den Kreisen eine bestimmter Aufgaben an kreisangehö- Abhängigkeit davon zeitgemäß weiter- Steigerung der Nettoaufwendungen (also rige Städte und Gemeinden (gestuftes entwickelt werden. Maßstab hierfür sollte unter Berücksichtigung der Bundesbetei- Aufgabenmodell) im Besonderen bedür- sein, dass kommunale Aufgaben mit dem ligung an den KdU) um 5,856 Milliarden fen dringend einer Überprüfung. Dies gilt Ziel einer sachgerechten Aufgabenvertei- Euro, nämlich von 10,6 Milliarden Euro auf umso mehr, als mit der Reform des Kom- lung so ortsnah wie nötig und so fachlich 16,4 Milliarden Euro, festzustellen. Dies munalverfassungsrechts im Jahre 2007 die und wirtschaftlich wie möglich erledigt bedeutet eine Steigerung um 55,3 Prozent für die Aufgabenverteilung maßgeblichen werden. Zugleich sollten die im Jahre 2007 bei einer mittleren jährlichen Steigungsrate Einwohnerschwellenwerte herabgesetzt herabgesetzten Einwohnerschwellenwerte von 5,6 Prozent. wurden. Dass zugleich die Möglichkeit der und die seinerzeit eingeführte Möglichkeit Die strukturellen Finanzierungsprobleme aufgabenträgerunabhängigen Zusammen- der aufgabenträgerunabhängigen Zusam- der Kommunen und namentlich der Krei- arbeit eingeführt wurde, war ein weiterer menarbeit korrigiert werden. se als Hauptkostenträger der sozialen Lei- Schritt in die falsche Richtung. stungen müssen durch eine Neugestaltung Angesichts der nach wie vor schwierigen 5. Kommunale Belange in des GFG zügig einer angemessenen und kommunalen Haushaltslage, der zuneh- NRW-Landesverfassung nachhaltig verfassungskonformen Lösung menden Komplexität vieler Aufgaben und zugeführt werden. Der Landkreistag NRW des sich verschärfenden Fachkräfteman- sichern fordert, verschiedene Lösungselemente gels ist es nicht mehr sachgerecht, dass Die in der ablaufenden Legislaturperiode zu kombinieren: Der kommunale Anteil etwa Gemeinden ab 20.000 Einwohnern des Landtags NRW eingesetzte Verfas- an den Steuereinnahmen des Landes, der die Aufgaben der unteren Bauaufsicht sungskommission hat sich trotz des inhalt- sogenannte Verbundsatz, ist schrittweise erledigen. Gleiches gilt für das allen Städ- lich weitgehend erreichten Einvernehmens wieder auf das Niveau zu erhöhen, das er ten und Gemeinden obliegende Einsam- in den kommunalrelevanten Handlungs- Anfang der 1980er Jahre hatte (28,5 % meln und Befördern von Abfällen der pri- feldern aufgrund anderweitiger politischer statt derzeit 23 %). Dies beseitigt die vaten Haushalte sowie von Abfällen zur Dissense nicht mit der nötigen Zweidrit- wesentliche Ursache der jahrzehntelan- Beseitigung aus anderen Herkunftsberei- telmehrheit auf Verbesserungen der kom- gen strukturellen Unterfinanzierung der chen; Möglichkeiten zur Realisierung von munalen Stellung in der Landesverfassung NRW-Kommunen. Zudem ist die Teil- Synergie- und Einsparpotentialen und zur einigen können. Um Fehlentwicklungen in schlüsselmasse für die Kreise zu erhöhen; Reduzierung der Gebühren für die Bürge- der Praxis zu Lasten der Kommunen ent- hinzu kommen muss die Bildung einer rinnen und Bürger werden insoweit nur gegenzuwirken und den Stellenwert der eigenen GFG-Säule zur Finanzierung von unzureichend genutzt. Ebenso kritisch ist kommunalen Selbstverwaltung inhaltlich sozialleistungsgeprägten Aufgaben, die die Zuordnung der Aufgaben des örtlichen und verfahrensrechtlich zu stärken, bedarf nur die Kreise und kreisfreien Städte zu Jugendhilfeträgers zu beurteilen. Dass es in es folgender Ergänzungen in der Landes- schultern haben. Zudem ist die Einfüh- Nordrhein-Westfalen nicht weniger als 186 verfassung: rung progressiver Kreis- beziehungsweise Träger der öffentlichen Jugendhilfe gibt, • Absicherung der finanziellen Mindest- Landschaftsumlagen und weiterer sozial- ist im bundesweiten Vergleich beispiellos. ausstattung der Kommunen lastenorientierter Sonderansätze zu prüfen. Damit sind Kostenbelastungen verbunden, • Streichung des Leistungsfähigkeitsvor- Außerdem ist eine originäre Steuerbetei- die den kreisangehörigen Raum bei einer behalts zugunsten des Landes in Artikel ligung für die Kreise, namentlich bei der Gesamtbetrachtung des Aufwands in den 79 Satz 2 Landesverfassung Umsatzsteuer – gegebenenfalls auch bei Kreisjugendämtern und den gemeindlichen • Schutz der Kommunen bei der Umset- der Einkommensteuer – zu schaffen (vgl. Jugendämtern überproportional treffen. zung der Schuldenbremse im Land Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg Hinzu kommt, dass kleinere Gemeinden, Nordrhein-Westfalen vom Mai 2016). Insofern ist statt eines die die Aufgaben der öffentlichen Jugend- • Verankerung der Beteiligungsrechte der ansonsten bei der Umsatzsteuerverteilung hilfe wahrnehmen, schon im Regelbetrieb kommunalen Spitzenverbände bei kom- geltenden wirtschaftsbezogenen Schlüssels schnell an die Grenzen ihrer fachlichen munalrelevanten Rechtsetzungsvorha- eine sozialleistungsbezogene Verteilung Leistungsfähigkeit stoßen. Umso mehr ben statt in den Geschäftsordnungen zu Grunde zu legen. Mit dieser Maßnah- gilt das bei zusätzlichen Herausforde- von Landtag und Landesregierung me kann adäquat auf die Ausgabensteige- rungen, die etwa infolge des Zustroms • Einbeziehung bundes- und europarecht- rungen im Sozialbereich reagiert werden. unbegleiteter minderjähriger Ausländer zu licher übertragener Aufgaben in den 126
EILDIENST Heft 4/2017 Thema aktuell Schutzbereich des Konnexitätsprinzips Sozialer Arbeitsmarkt: menlegung von Arbeitslosen- und Sozial- • S chaffung eines nachgelagerten Kosten Neue Modelle praxisnah ausloten hilfe im Jahr 2005 dar. Sie betrifft einen ermittlungsverfahrens sowie Möglich- Langzeitarbeitslosigkeit bewirkt tiefgrei- Bereich, der – wie die Bruttoausgaben von keit der Verlängerung der Jahresfrist zur fende negative Folgen für die Betroffenen, inzwischen etwa 4,5 Milliarden Euro allein Erhebung einer kommunalen Verfas- ihre Familien und die öffentlichen Haus- in unserem Land zeigen – sowohl für die sungsbeschwerde halte aller Ebenen. Die Betroffenen fin- etwa 180.000 leistungsberechtigten Men- • Anpassung des Belastungsausgleichs den sich teils in einer zumindest subjektiv schen mit Behinderung als auch für die im Rahmen des Konnexitätsprinzips mit perspektivlosen Situation, sind mit dem kommunale Verwaltung, die ihn bislang Rückwirkung Gefühl der Nutzlosigkeit konfrontiert und allein bearbeitet und finanziert, von essen- • Geltung des Konnexitätsprinzips auch der Gefahr fehlender Tagesstruktur aus- tieller Bedeutung ist. Die Reform dieses für Verwaltungsvorschriften oder Richt- gesetzt, die wiederum ihre Arbeitsmarkt Bereichs tritt mit dem BTHG schrittweise linien des Landes. integrationsfähigkeit beeinträchtigt. Die in Kraft: Nach ersten Leistungsverände- möglichen Auswirkungen auf das familiäre rungen in der Eingliederungshilfe nach 6. Soziale Sicherungssysteme Umfeld sind offensichtlich. Damit besteht dem SGB XII zum 01.01.2017 werden die nachhaltig und generationen- die Gefahr der Verfestigung der Langzeit- grundlegenden Änderungen in Teil 1 des arbeitslosigkeit in der Familie über Gene- SGB IX, die für alle Rehabilitationsträger gerecht umbauen rationen hinweg. Deshalb sollten Wege gelten, und die Änderungen im Vertrags- Kindertagesbetreuung: einer deutlich verstärkten aktiven Rolle recht zum 01.01.2018 in Kraft treten. Zum Finanzierung auskömmlich aufstellen der öffentlichen Hand in der Beschäfti- 01.01.2020 schließlich wird das Herzstück Die grundlegende Gesamtreform der gungsförderung von Langzeitarbeitslosen der Reform – die Trennung von Fach- Finanzierung der Kindertagesbetreuung angestrebt werden. Solche Wege können und existenzsichernden Leistungen unter muss bis zum Kindergartenjahr 2019/2020 neben der öffentlich-geförderten Beschäf- Abschaffung der Unterscheidung zwischen stehen. Dabei gilt es, das Pauschalfinanzie- tigung auch die unmittelbar öffentliche ambulanten und stationären Leistungen – rungssystem konsequent auskömmlich zu Beschäftigung umfassen. Sie sind jedoch Geltung erlangen. Der Kern der Eingliede- gestalten. Grundlage muss eine Kindpau- nur dann sinnvoll zu beschreiten, wenn alle rungshilfe – die Fachleistung – wird dann schale sein, die die beiden gleichwertigen öffentlichen Leistungen eingebracht wer- nicht mehr über das SGB XII, sondern über Betreuungsbereiche – Kindertageseinrich- den können, die derzeit in die Finanzierung das SGB IX abgewickelt. tungen und Kindertagespflege – auch in der der Arbeitslosigkeit im Einzelfall fließen. Im Interesse der Menschen mit Behin- Finanzierung gleichstellt. Die Steuerbarkeit Die Kommunen allein wären mit der Finan- derung wie der Verwaltung müssen die durch die örtliche Jugendhilfeplanung zierung überfordert: Sie können ihren Teil Zuständigkeiten für die Umsetzung dieser muss dabei verstärkt werden. Eine Aufnah- beitragen. Damit die Maßnahmen tragen, grundlegenden Veränderung in Nord me der bestehenden fachlich-personellen müssen und können sie haushaltsneutral rhein-Westfalen frühzeitig geregelt wer- und organisatorischen Anforderungen sein. Auf kommunaler Seite stünden dabei den. Zugleich sind die Voraussetzungen und eine kindeswohlgemäße Öffnungs- in Nordrhein-Westfalen bis zu 1,5 Milliar- dafür zu schaffen, dass das Land NRW im zeitenlösung sind dabei inhaltlich ebenso den Euro aus möglichen Aufwandserspar- Rahmen des Konnexitätsprinzips („wer dringend anzugehen wie eine Neujustie- nissen bei den Kosten für Unterkunft und bestellt, bezahlt“) die den Kommunen ent- rung der Anteile der Trägergruppen. Um Heizung für etwa 350.000 Langzeitarbeits- stehenden finanziellen Mehrbelastungen diese große Gesamtreform zu schaffen, lose zur Verfügung. Würde auf eine unter ausgleicht und sich damit endlich substan- sind Einzelschritte wie zum Beispiel eine gleichbleibendem öffentlichem Mittelein- tiell an den Kosten der Eingliederungshil- alleinige Ausdehnung der Elternbeitrags- satz dauerhafte Selbstunterhaltungsbefä- fe beteiligt. Derzeit liegen auf Landes- befreiung zu vermeiden: Um diese große higung dieser Zahl an Langzeitarbeitslosen ebene keine Ausführungsbestimmungen Gesamt reform zu schaffen, sind isolierte abgezielt und würden dafür je Fall etwa zum SGB IX vor. Die jetzige Verordnung Einzelschritte zu vermeiden. Eine alleinige Bruttogehälter von 1.250 Euro monatlich zur Regelung von Zuständigkeiten nach Ausdehnung der Elternbeitragsbefreiung angestrebt, müssten hierfür jährlich 5,25 dem Sozialgesetzbuch IX würde ins Leere würde die finanziellen Spielräume des Milliarden Euro in Nordrhein-Westfalen laufen. Landes erschöpfen, ohne eine Gesamt- aufgewendet werden. Damit wären 3,75 Auch das Ausführungsgesetz zum SGB XII lösung zu erreichen. Hinzukommt, dass Miiliarden Euro von nicht kommunaler muss grundlegend angepasst werden, um eine soziale Komponente abgeschafft Seite erforderlich. Da dieses Verhältnis die Trennung von Fach- und existenzsi- würde, da einkommensstärkere Eltern von kommunaler Möglichkeit und erfor- chernden Leistungen bei Aufhebung der auch höhere Beiträge zu zahlen haben und derlichem sonstigem öffentlichem Mittel- Unterscheidung zwischen ambulanten und einkommensschwache Eltern beitragsfrei beitrag grundsätzlich auf jeden einzelnen stationären Leistungen vollziehen zu kön- gestellt werden. Eine schlichte Kompen- Fall anwendbar ist, setzt eine öffentliche nen. Es ist daher frühzeitig größtmögliche sation der ausfallenden Elternbeiträge für Beschäftigungsförderung stets die Einbrin- Klarheit für die betroffenen Menschen wie die kommunale Seite durch das Land nach gung der SGB II-Regelleistungen des Bun- auch die Verwaltung zu schaffen. dem Konnexitätsprinzip („wer bestellt, des voraus. bezahlt“) würde hier nicht ausreichen. Unterhaltsvorschuss: Denn eine auch teilweise Beitragsfreistel- Bundesteilhabegesetz: Einseitige kommunale Belastung lung gäbe den Anreiz, dass Eltern mehr Eingliederungshilfe für Menschen mit zurückbauen Stunden buchen würden. Infolge dessen Behinderungen landesrechtlich neu Durch die Reform des Unterhaltsvorschus- nähmen die absoluten Trägeranteile aller ausrichten ses werden künftig Kinder und Jugend- Trägergruppen zu, die diese wiederum Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und liche bis zum Erreichen der Volljährigkeit nicht leisten könnten. Eine isolierte Eltern- Selbstbestimmung von Menschen mit maximal 18 Jahre Unterhaltsvorschusslei- beitragsbefreiung wäre daher ein Struktur Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – stungen erhalten können. Auch wenn der eingriff, der tiefgreifende Wirkungen auf BTHG) stellt die größte Reform im Bereich künftige UVG-Anspruch im Bereich der das gesamte Finanzierungssystem hätte. der Sozialgesetzgebung seit der Zusam- 12- bis 17-Jährigen nur für qualifizierte 127
Thema aktuell EILDIENST Heft 4/2017 SGB II-Aufstocker gilt, werden sich die Lei- dem Landeshaushalt für den Wegfall der E-Bikes werden auch im kreisangehöri- stungsaufwendungen auf Ebene der kom- Entflechtungsmittel zufließenden Mittel gen Raum größere Entfernungen mit dem munalen Unterhaltsvorschusskassen ten- der Höhe und der grundsätzlichen Verwen- Fahrrad zurückgelegt. Mindestens ein Drit- denziell verdoppeln – Verwaltungssach- dung nach in verlässlicher Weise für den tel der entsprechenden Investitionssumme und Verwaltungspersonalaufwand noch Bereich der verkehrlichen Infrastrukturen sollte daher für den Ausbau von regiona- nicht mitgerechnet. Es ist nicht akzeptabel, gesichert werden. Zudem sollten die Mittel len Radschnellwegen im kreisangehörigen dass durch eine Gesetzesreform auf Bun- für die Zukunft in Höhe der Preissteigerung Raum verwendet werden. desebene, die dies bewirkt und im Zuge dynamisiert werden. Bei der Verteilung der derer der Bund seine eigene Beteiligung an Mittel für den Straßenbau und die Schiene 8. Schulische Inklusion den örtlichen Gesamtleistungsaufwendun- sollte ein möglichst transparentes Verfah- praxisgerecht gestalten und gen auf 40 Prozent erhöht, der durch das ren gewählt werden, wobei dafür Sorge Land selbstgetragene Anteil auf 12 Prozent zu tragen ist, dass die Mittel aus einem Struktur der Schulaufsicht sinkt, während die Kommunen weiter 80 solchen „Landes-GVFG“ in angemessener dezentralisieren Prozent der im Land verbleibenden 60 Pro- Weise auch dem kreisangehörigen Raum Inklusion kindeswohlgerecht umsetzen zent, also 48 Prozent, zu tragen haben. Die zu Gute kommen. und hochwertiges Förderschulangebot anderen Länder stellen ihre Kommunen Im Bereich des ÖPNV müssen die Belan- gewährleisten teils ganz frei. Selbst der Mittelwert der ge des kreisangehörigen Raums stärker Als der Landtag sich für die Einführung der kommunalen Beteiligung an den Landes- berücksichtigt werden. Nur so kann eine Inklusion im Schulbereich – dem gemein- gesamtaufwendungen bundesweit liegt angemessene Antwort auf die Herausfor- samen Unterricht von Schülerinnen und bei etwa 24,5 Prozent. Der bundesweit derungen des demografischen Wandels Schülern mit und ohne Behinderungen in einzigartige und beispiellos hohe Überwäl- gefunden werden. Dies erfordert in Orien- den Regelschulen – aussprach, tat er dies zungssatz des Landes von 80 Prozent auf tierung an §§ 7a und 7b des niedersäch- im Kontext eines großen Schulkonsenses. die kommunale Ebene muss daher bereits sischen Nahverkehrsgesetzes eine wei- Grundlage war dabei, dass Kinder und in einem ersten Schritt auf 40 Prozent hal- tere Flexibilisierung der Ausgleichsmittel Jugendliche nach ihren Bedürfnissen best- biert werden. nach § 11a ÖPNV-Gesetz NRW und eine möglich zu fördern sind. Da die Sorge für Aufstockung der landesseitig zur Verfü- die Kinder die Sorge der Eltern ist, ist das 7. Infrastruktur und Mobilität gung gestellten Ausgleichsmittel um eine diesen zustehende Wahlrecht zwischen im kreisangehörigen Raum „demografische Komponente“ zur Förde- einer Beschulung an Regelschulen und rung von Verkehrsleistungen mit einem einer solchen in den vielfältigen Förder- sichern und modernisieren speziellen Demografiebezug (Angebote schulen mit ihren hohen Spezialisierungen Das Land ist gefordert, sich weiterhin für zur Förderung der Seniorenmobilität, Aus- zu sichern. die Förderung des Breitbandausbaus ein- weitung der Angebote von Schüler- oder Würde das Förderschulangebot dadurch zusetzen. Zwar konnten über die Kofi- Auszubildendentickets, Finanzierung von ausgedünnt, dass infolge mangeln- nanzierung des Bundesprogramms für Nachtbusnetzen oder anderen Angeboten den pädagogischen Personals und einer die Breitbandförderung erste Lücken für die Randzeiten etc.). Weiterhin soll- immer restriktiveren Handhabung der geschlossen werden. Ziel muss aber sein, ten regionale Schnellbusverbindungen mit Mindestgrößenverordnung kein zumut- in Nordrhein-Westfalen eine flächendec- einem SPNV-ähnlichen Charakter (aber bares Förderschulangebot in erreichbarer kende Versorgung mit glasfaserbasierten nicht als Ersatz für SPNV-Leistungen) künf- Entfernung mehr besteht, würde das aus Breitbandanschlüssen zu erreichen. Dazu tig mit Mitteln aus einem entsprechenden Sicht der Eltern für ihr Kind Beste ausge- sollten insbesondere die Aufgreifschwelle Fördertopf des Landes in der Größenord- schlossen. Das Wahlrecht der Eltern und für eine Förderung deutlich erhöht (auf nung von rund 30 bis 50 Millionen Euro das Förderbedürfnis der Kinder verlangen, Übertragungsraten von mindestens 50 bis pro Jahr finanziert werden. die Mindestgrößen der Förderschulen im 100 Mbit/s), die symmetrische Versorgung Die kommunalen Verantwortlichkeiten Schulgesetz zu verankern, in dem auch die von Upstream und Downstream ange- und Gestaltungsspielräume im Bereich Größen der Regelschulen bestimmt sind. strebt und verstärkt Gewerbebetriebe, des SPNV haben sich bewährt und sind Der allein exekutive Weg der Mindestgrö- Bildungseinrichtungen und andere öffent- deshalb zu wahren. Die im Rahmen der ßenverordnung muss ausgeschlossen wer- liche Institutionen an das glasfaserbasierte Enquete-Kommission zu Finanzierungsop- den. Der Landtag muss sich hier zu einer Breitband angeschlossen werden. Außer- tionen des öffentlichen Personennahver- unmittelbaren Regelung im Schulgesetz dem sollten die unterschiedlichen Förder- kehrs in Nordrhein-Westfalen (Enquete- bekennen. programme auf Landesebene möglichst Kommission IV) unterbreiteten Vorschläge mit einheitlichen Regeln und Leitplanken für eine Hochzonung der Kompetenzen für Stärkung der Schulverantwortung vor Ort für die Förderkulissen ausgestattet werden. sogenannte RE-Verbindungen und lang- – Schulaufsicht kommunalisieren Schließlich sollte die Beratung durch Breit- laufende RB-Verbindungen auf die Lan- Schulen gehören zum Kernbereich der ört- band.NRW gestärkt werden (z. B. durch desebene werden abgelehnt. Eine derarti- lichen Gemeinschaft. Ihr Bestand und die die Bereitstellung von Musterformularen, ge Teil-Zentralisierung der Aufgabenver- Organisation der Schullandschaft sorgen Handreichungen und Hilfestellungen, aber antwortung und Organisationsstrukturen nicht nur in der Elternschaft, sondern auch auch das Angebot von Schulungen für die im SPNV würde potentiell zu Lasten des in Kreistagen sowie Stadt- und Gemeinde- kommunalen Breitbandkoordinatoren). kreisangehörigen Raums gehen und könn- räten für intensive Diskussionen. Die derzeit Auch für die Zeit nach dem Jahre 2019 te keinesfalls mitgetragen werden. uneinheitlich nach Schulformen getrennt bedarf es einer landesgesetzlichen Rege- Bei der künftigen Planung und Ausgestal- verorteten Schulaufsichten haben einen lung zur Sicherung der bisherigen Entflech- tung regionaler Radschnellwege müssen ineffizienten Personaleinsatz zwischen dem tungsmittel/GVFG-Mittel für den Bereich Verbindungen in den kreisangehörigen Ministerium für Schule und Weiterbildung der Verkehrsinfrastrukturen („Landes- Raum und innerhalb des kreisangehörigen NRW, den Bezirksregierungen und den GVFG“). In einem solchen „Landes-GVFG“ Raums hinreichend berücksichtigt werden. Kreisen und kreisfreien Städten, bei denen könnten die aus den Umsatzsteueranteilen Nicht zuletzt durch die Verbreitung von die unteren Schulaufsichtsbehörden ange- 128
EILDIENST Heft 4/2017 Thema aktuell siedelt sind, zur Folge. Allein eine Stärkung lung, insbesondere bei für das Kreisgebiet reform im Jahre 2008 ganz überwiegend der unteren Schulaufsicht verspricht bei bedeutsamen Planungen, sicherzustellen. eine kommunale Aufgabe. insgesamt gleichbleibendem Personalein- Durch eine entsprechende Präzisierung Dennoch ist in den letzten Jahren die satz eine der Bedeutung und der öffent des Landesplanungsgesetzes könnten Umweltverwaltung ausschließlich auf Lan- lichen Wahrnehmung entsprechende Neu- gemeindeübergreifend abgestimmte, flä- desebene mit über 300 neuen Stellen seit organisation der Schullandschaft. Dabei gilt chensparende Planungen ermöglicht wer- dem Jahr 2011 ausgestattet worden. Die es, eine schulformübergreifende, ortsnahe den. Das bisher zu diesem Zweck teilwei- kommunalen Umweltbehörden, die den Schulaufsicht zu stärken, die den Lehrkräf- se eingesetzte Instrument der Förderung weit überwiegenden Aufgabenbereich ten und Eltern als Partner zur Seite steht, interkommunaler Planungen funktioniert bearbeiten, wurden dagegen nicht unter- um für gelingende Bildungsbiografien eine nur unzureichend und insbesondere nicht stützt, was vor allem die Umsetzung von weitere Verbesserung herbeizuführen. Der in schwierigen Fällen (z. B. Outlet-Center). Überwachungsanforderungen gefährdet. Landkreistag NRW fordert deshalb eine Auch eine Flexibilisierung der aktuell sehr Darüber hinaus werden die Aufgaben in Neuorganisation der Schulaufsicht unter engen Anforderungen an die planerische der Umweltverwaltung allgemein und Schaffung einer schulformübergreifenden Entwicklung ist unbedingt notwendig, im Bereich der Umweltüberwachung im Schulaufsichtsbehörde durch Verlagerung um die wirtschaftliche Entwicklung nicht Besonderen stetig erweitert und ausge- aller diesbezüglichen Aufgabenbereiche unnötig einzuschränken und insbesondere baut, wiederum ohne dass den kommu- der Bezirksregierungen auf die Schuläm- die Existenz des Mittelstands zu sichern. nalen Umweltbehörden entsprechende ter der Kreise und kreisfreien Städte. Der Die Weiterentwicklung im Bestand muss Ressourcen zur Verfügung gestellt werden personelle Mehrbedarf ist durch freiwer- ebenso möglich bleiben wie sinnvolle Neu- (z. B. das neue System einer risikobasier- dende Kapazitäten der Bezirksregierungen ansiedlungen. Es gibt heute bereits (auch ten Planung von medienübergreifender kostenneutral zu decken. Dazu ist darauf größere) Kommunen, in denen keine einzi- Umweltüberwachung, die Verpflichtung hinzuweisen, dass auf Ebene der Bezirks- ge nutzbare Fläche für Gewerbeansiedlun- zur Dokumentation und Veröffentlichung regierungen derzeit über 1.300 Vollzeit- gen mehr zur Verfügung steht. Maßnah- der Überwachungsergebnisse sowie die äquivalente (VZÄ) und die Sachkosten für men wie die Revitalisierung von Brachflä- Umsetzung der Industrieemissions-Richt über 1.250 Arbeitsplätze im Bereich der chen oder der Tausch von Gewerbeflächen linie). Abteilungen 4 der Bezirksregierungen zur sind grundsätzlich zu begrüßen. Trotzdem Damit die kommunale Umweltverwaltung Disposition stünden. Einsparungen für das werden diese Maßnahmen vielfach nicht ihre Aufgaben weiterhin zuverlässig erfül- Land infolge der Kommunalisierung ließen ausreichen, ein hinreichendes Angebot an len kann, ist eine ausreichende Personal- sich damit prinzipiell ohne Zusatzbela- Flächen für gewerbliche Ansiedlungen zu ausstattung unbedingt notwendig. Die in stung der kommunalen Seite im Rahmen generieren. Insofern muss es auch mög- den letzten Jahren erfolgten einseitigen der konnexitätsrechtlichen Belastungsaus- lich bleiben, zukünftig neue Flächen, ins- Personalaufstockungen zugunsten des gleichspflicht darstellen. besondere für die Ansiedlung im Bereich Landes unter Missachtung der tatsächli- gewerblicher und industrieller Nutzung, chen Aufgabenverteilung haben das seit 9. Wirtschaftliche Perspek- in Anspruch zu nehmen. Deshalb verlangt vielen Jahren bestehende Überwachungs- tiven des kreisangehörigen die weitere wirtschaftliche Entwicklung der defizit nicht beseitigt; die steten Aufgaben- nordrhein-westfälischen Kommunen eine zuwächse erschweren die Arbeit zusätzlich. Raums bei der Flächenent- flexible Handhabung der grundlegenden Ohne eine ausreichende Personalausstat- wicklung und Infrastruktur- planerischen Regelwerke (insbesondere die tung der kommunalen Umweltschutz- planung entfalten Möglichkeit zur umfassenden Nutzung des behörden steigt das Risiko ernsthafter Kleinere und mittelständische Unterneh- Flexibilisierungszuschlags beim Siedlungs- Gefährdungslagen. In diesen Zusammen- men bilden gerade im kreisangehörigen flächenbedarf im Landesentwicklungs- hang gehört auch die Verantwortung des Raum das Rückgrat der Wirtschaft; der plan). Hierfür muss das Land schnellstmög- Landes, eine hinreichende Aus- und Fort- kreisangehörige Raum ist oftmals Kern- lich die Grundlagen schaffen. bildung von Fachkräften zu fördern. standort von Gewerbebetrieben und Ebenso sind rechtliche Hemmnisse bei der Eine den aktuellen Anforderungen an einen produzierenden Unternehmen. Landtag Planung und dem Bau großer verkehr vorbeugenden Umweltschutz gerecht wer- und Landesregierung sind deshalb aufge- licher Infrastrukturen (Straße und Schie- dende Umweltverwaltung, die den Belan- fordert, die Rahmenbedingungen für die ne) zu verringern. Möglich wäre dies bei- gen der Menschen und der Industriege- Wirtschaft im kreisangehörigen Raum wei- spielsweise durch eine Konzentration der sellschaft dient, muss in einem industriell terzuentwickeln. Beteiligungsverfahren, eine Straffung des wie landwirtschaftlich gleichermaßen stark Der Wettbewerb der Gemeinden um Ein- Rechtsschutzverfahrens auf grundsätzlich geprägten Land wie Nordrhein-Westfalen wohnerinnen und Einwohner und Gewer- nur eine oder maximal zwei gerichtliche mit seiner hohen Bevölkerungsdichte in der bebetriebe verhindert oftmals überörtlich Instanzen, die Erweiterung der Fälle einer Lage sein, orts- und bürgernah zu unter- abgestimmte Planungen. Dieser Wett- gesetzlich angeordneten sofortigen Voll- suchen, zu beraten, zu genehmigen und bewerb und die zugleich fehlende Koor- ziehbarkeit im Planfeststellungsrecht sowie zu überwachen. Die strukturellen Voraus- dinierung führen regelmäßig dazu, dass eine zeitliche Soll-Vorgabe des Gesetzge- setzungen wurden bereits geschaffen, die jede Gemeinde für sich eigene Flächen zur bers für die Durchführung von Planfest- Verwaltungsstrukturreform war der richti- Verfügung stellt und somit insgesamt mehr stellungsverfahren. ge Schritt; das Land muss nun die kommu- Fläche ausgewiesen wird, als für eine abge- nale Umweltüberwachung auch personell stimmte Planung notwendig wäre. Hier 10. Kommunale Umwelt in die Lage versetzen, die weiter steigen- sollte unter Wahrung der gemeind lichen verwaltung stärken den Anforderungen zu erfüllen. Planungshoheit dem Kreis eine koordinie- rende Funktion übertragen werden, um Die nordrhein-westfälische Umweltver- EILDIENST LKT NRW eine nachhaltige Gewerbeflächenentwick- waltung ist seit der Verwaltungsstruktur- Nr. 4/April 2017 10.11.04.1 129
Aus dem Landkreistag EILDIENST Heft 4/2017 Vorstand des LKT NRW am 21.03.2017 D er Vorstand des LKT NRW hat sich in seiner Sitzung am 21.03.2017, unter Vorsitz von Präsident Landrat Thomas Gemeindefinanzierungsgesetzen der Jahre 2011 bis 2015 sowie der Höhe ihrer jewei- ligen Schulpauschale/Bildungspauschale – die geplante landesseitige Verantwor- tung dafür, sicherzustellen, dass bei voll- ziehbar Ausreisepflichtigen die Erreich- Hendele, Kreis Mettmann, mit den am 14. nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz barkeit für Behörden und Gerichte sowie Mai 2017 anstehenden Landtagswahlen 2016 bestimmen. die Durchführung der Ausreise gesichert beschäftigt und zentrale Forderungen an Hinsichtlich der Rückkehrpolitik des Bun- werden muss. den neuen Landtag und die neue Landes- des begrüßte der Vorstand die Maßnah- Darüber hinaus sprachen sich die Vor- regierung aufgestellt. Die Forderungen men zur Beschleunigung der Rückführung standsmitglieder dafür aus, dass der Bund betreffen unter anderem die Sicherheit und ausreisepflichtiger Personen, auf die sich zukünftig eine ergänzende Vollzugszu- Ordnung im kreisangehörigen Raum, die die Spitzen von Bund und Ländern am ständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung Finanzierung der Kommunen, den Umbau 09.02.2017 geeinigt hatten. Begrüßt wur- übernehmen kann. Dies könne sowohl als der Sozialen Sicherungssysteme, die Infra- den insbesondere eigene, punktuelle Aufgabenzuständigkeit struktur und Mobilität im kreisangehörigen – die vorgesehene Erweiterung der des Bundes (z. B. wahrgenommen durch Raum sowie die Schulische Inklusion. Die Abschiebungshaft für Ausreisepflichtige, das BAMF) als auch in Form einer gesetz- konkreten Forderungen zu allen Themen- von denen eine erhebliche Gefahr für lichen „Amtshilfe“ erfolgen. Eine solche feldern sind in einem Forderungspapier Leib und Leben Dritter oder bedeutende eigene Verwaltungszuständigkeit des Bun- dargelegt, das einstimmig von Vorstand Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus- des sei insoweit konsequent, als nur der verabschiedet wurde (vgl. dazu S. 125 ff. geht, Bund die rechtlichen Rahmenbedingungen in diesem EILDIENST). – die Einführung der Möglichkeit einer des Asylverfahrensrechts und des Asylver- Die Vorstandsmitglieder beschäftigten sich räumlichen Beschränkung des Aufent- fahrens regeln könne. in der Sitzung zudem mit der Kommunal- halts für geduldete, ausreisepflichtige Der Vorstand stimmte in seiner Sitzung investitionsförderung des Bundes. Dieser Ausländer, die die Rückführung durch außerdem einer Rahmenvereinbarung zur will finanzschwachen Kommunen 3,5 Mil- vorsätzlich falsche Angaben, durch Täu- Inklusionskompetenz der Jobcenter zu. liarden Euro für die Förderung zusätzlicher schung der Identität oder Staatsangehö- Diese beschreibt einen kontinuierlichen Investitionen in die Schulinfrastruktur zur rigkeit oder Nichterfüllung zumutbarer Verbesserungsprozess hinsichtlich der Verfügung stellen. Der Vorstand diskutier- Anforderungen an die Mitwirkung bei beruflichen Integration von Arbeitssuchen- te über die derzeit noch ungeklärte Vertei- der Beendigung von Ausreisehindernis- den mit Behinderungen beziehungsweise lung der Mittel innerhalb von Nordrhein- sen verhindert oder verzögert haben, gesundheitlichen Einschränkungen und Westfalen und sprach sich für eine Vertei- – die deutliche Stärkung der freiwilligen zeigt in sechs Handlungsfeldern mög lung nach dem gleichen Schlüssel aus, der Rückkehr, liche Maßnahmen auf. Diskutiert wur- auch beim Programm „Gute Schule 2020“ – die Forderung, dass neu ankommende den des Weiteren aktuelle Polizeifragen, zur Anwendung gelangt ist und damit spe- und noch nicht auf die Kommunen ver- die Umsetzung des Prostituiertenschutz ziell für das Ziel der Förderung der Schulin- teilte Asylsuchende, die voraussichtlich gesetzes in Nordrhein-Westfalen sowie das frastruktur entwickelt wurde. Nach diesem keinen Anspruch auf Schutz in Deutsch- Onlinezugangsgesetz des Bundes. Schlüssel würde sich das Kontingent jeder land erlangen werden, möglichst aus der Kommune jeweils zur Hälfte nach der Erstaufnahmeeinrichtung zurückgeführt EILDIENST LKT NRW Höhe ihrer Schlüsselzuweisungen nach den werden sollen, und Nr. 4/April 2017 00.10.10 70 Jahre Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1947-2017 Von Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen Einleitung Land Nordrhein-Westfalen gebildet. Wäh- Auflösung Preußens durch das Alliierte rend das Land Nordrhein-Westfalen also Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25.02.1947 Im Jahr 2016 konnte das Land Nordrhein- eine Gründung von „oben nach unten“ überstehen. Westfalen sein 70-jähriges Bestehen feiern. war, bietet die Entstehungsgeschichte des Mit der Bildung eigenständiger Länder Die Gründung dieses Bindestrich-Landes Zusammenschlusses der Kreise im neuen in der britischen Besatzungszone waren war Folge der von der britischen Militär- Bundesland Nordrhein-Westfalen dazu das die Briten bereits faktisch über den Fort- regierung am 23.08.1946 beschlossenen Gegenbild als Gründung von „unten nach bestand Preußens hinweggegangen. An Auflösung der Provinzen des ehemaligen oben“, nämlich als Ausgangspunkt von die Spitze der Kreise waren anstelle der Landes Preußen. Unter dem Codenamen Treffen der Repräsentanten und Vertreter den alten Machthabern verpflichteten „Operation Marriage“ wurden aus dem der Kreise. Die Kreise im Rheinland und in Landräte durch die Alliierten – amerika- nördlichen Teil der preußischen Rheinpro- Westfalen, die im Jahr 2016 ihr 200-jäh- nische und britische Truppen – vom Drit- vinz mit den Regierungsbezirken Aachen, riges Bestehen feiern konnten1, hatten als ten Reich unbelastete Landräte ernannt Düsseldorf und Köln sowie der preußischen von Preußen begründete Verwaltungsbe- Provinz Westfalen mit den Regierungsbe- zirke das Ende des Zweiten Weltkrieges 1 Vgl. EILDIENST LKT NRW Nr. 10/Oktober zirken Arnsberg, Minden und Münster das überstanden und sollten auch die de-jure- 2016, S. 321 ff, S. 365 ff 130
EILDIENST Heft 4/2017 Aus dem Landkreistag beziehungsweise bestellt worden, die oft im Bereich der Kommunalverwaltung zu Gründung des Landkreistages schon kurze Zeit nach der Besetzung des erreichen und einen Primat der Politik vor – eine westfälische Initiative jeweiligen Kreisgebietes in ihr Amt als der Verwaltung durchzusetzen. Die bis Chefs der Kreisverwaltungen eingesetzt dahin dominierenden Berufsbeamten – die Bereits in der unmittelbaren Nachkriegs- wurden. Nicht selten handelte es sich früheren Bürgermeister beziehungsweise zeit, spätestens aber im Verlauf des Jahres dabei um Männer, die in der Zeit der Wei- Landräte – wurden entmachtet, während 1946 hatten die westfälischen Kreise in marer Republik bereits Landräte gewesen die gewählten Räte und Kreistage aufge- den drei westfälischen Regierungsbezirken waren, aber durch die Nationalsozialisten wertet wurden. Die Kreise – ihre damalige Arnsberg, Minden und Münster für sich seit 1933 aus ihren Ämtern gedrängt oder Bezeichnung lautete noch „Landkreise“ – jeweils regionale Landkreisvereinigungen entlassen worden waren. Die Lebens- wurden als untere rein staatliche Verwal- gebildet. Am 13.02.1947 kam es zu einer mittel- und Wohnraumbeschaffung, die tungsbezirke beseitigt und die Landräte Zusammenkunft dieser drei Landkreisver- Wiedereröffnung von Verkehrsverbin- sowie das übrige staatliche Verwaltungs- einigungen in Bad Sassendorf. Nach einer dungen, die Beseitigung von Zerstörun- personal in den Kreisverwaltungen kom- einstündigen Vorstandstagung der betei- gen sowie der Wiederaufbau standen im munalisiert. Damit wurden die Kommu- ligten Vereinigungen fand die Vollver- Mittelpunkt der Arbeit der insofern unter nalbeamten aus der früher durchgehenden sammlung, die Gründungsversammlung britischem Befehl stehenden Kreis- und Beamtenhierarchie herausgelöst. Außer- des Westfälischen Landkreistages statt, an Kommunalverwaltungen. Krisenbewälti- dem erhielten die kommunalen Vertre- der 20 Landräte, 23 Oberkreisdirektoren gung auf fast allen existenziellen Feldern, tungskörperschaften die Zuständigkeit für und sieben weitere Kreisvertreter teilnah- nicht zuletzt auch bei der gesundheitlichen staatliche Auftragsangelegenheiten. Mit men. Es fehlten lediglich drei Landkreise. und sozialen Versorgung der Bevölkerung der Herauslösung der kommunalen Selbst- Der frühere Landrat des Kreises Altena, sowie der Integration von Flüchtlingen aus verwaltung aus dem hierarchischen Instan- Dr. Karl Bubner, der Ende März 1947 zum den ehemaligen deutschen Ostgebieten zenzug der staatlichen Zentralverwaltung ersten Geschäftsführer des Westfälischen bedeuteten riesige Herausforderungen für erhielten die kommunalen Vertretungen Landkreistages bestellt werden sollte, hielt die in den Kreishäusern und Rathäusern einen größeren Verantwortungsbereich zu der Vollversammlung vom 13.02.1947 Tätigen. Nach Linderung und Bewältigung und wurden damit weiter gestärkt3. Bereits folgendes fest: der größten Notsituation kam es nach und ab September 1945 wurden die bestehen- „Landrat Baurichter (Bielefeld) berichte- nach zu Kontaktaufnahmen der Verwal- den kommunalen Beiräte zu repräsentati- te über die Gründung des Landkreistages tungsspitzen untereinander. ven Versammlungen umgebildet. Um die für die britische Zone im August 1946 Mit dem Erlass der am 01.04.1946 in Kraft Jahreswende 1945/1946 begann die Auf- in Iserlohn und über die Einrichtung der tretenden Revidierten Deutschen Gemein- teilung des traditionellen Bürgermeister- Geschäftsstelle in Bad Godesberg. Er wies deordnung und einer Instruktion von Ende und Landratsamtes in die ehrenamtlichen gleichzeitig darauf hin, dass es notwendig Juli 1946 reformierte die britische Besat- Bürgermeister- und Landratsstellen einer- sei, bei der neuen Landesregierung in Düs- zungsmacht das Kommunalverfassungs- seits und den hauptamtlichen Gemeinde- seldorf eine Geschäftsstelle für Westfalen recht2. Beabsichtigt war eine „Dezentra- direktor beziehungsweise Landrat anderer- und Nordrhein aufzubauen. Es fand eine lisierung des politischen Gefüges“ sowie seits. eingehende Debatte über die Frage statt, die „Entwicklung des Verantwortungsge- Die meisten amtierenden Bürgermeister ob ein eigener Westfälischer Landkreis- fühls der Ortsbehörden“. Dazu sollte die und Landräte entschieden sich – vor die tag gegründet werden sollte oder ob es „örtliche Selbstverwaltung … neu organi- Wahl gestellt – für die Position des Haupt- bereits anzustreben sei, den Landkreistag siert werden“. Insofern wurden Baustei- gemeindebeamten, zumal diese im Gegen- für Nordrhein-Westfalen zu gründen. Die ne des britischen Local Government auf satz zum ehrenamtlichen Ratsvorsitz ent- Vertreter der Kreise sprachen sich allge- die Gemeindeverfassung in der britischen sprechend dotiert war. Mit der Einführung mein für die Bildung eines Westfälischen Zone übertragen. Die politische Führung der Revidierten Deutschen Gemeindeord- Landkreistages aus.“ und Verwaltung lag damit ausschließlich nung kam eine Reihe neuer Bürgermeister Oberkreisdirektor Dr. Johannes Strunden, bei dem von der Bevölkerung gewählten und Landräte ins Amt, von denen viele in Kreis Borken, wurde zum ersten Vorsitzen- Rat beziehungsweise Kreistag als alleini- den folgenden Jahren als führende Politi- den gewählt und erhielt die Ermächtigung gem und zentralem Organ der Gemeinde ker im neu gegründeten Land Nordrhein- zur Führung von Verhandlungen über beziehungsweise des Kreises. Die Leitung Westfalen oder auch auf Bundesebene einen Zusammenschluss mit Nordrhein, der Verwaltung oblag nicht mehr dem Bür- Karriere machten. Mit den neuen Ämtern wobei dieser Beschluss nicht ohne Wider- germeister oder Landrat, sondern einem konnte eine gute personelle Verbindung spruch gefasst wurde. Sogar eine Satzung im Auftrag des Gemeinderats beziehungs- zwischen kommunaler Selbstverwaltung für den Westfälischen Landkreistag wurde weise Kreistags handelnden Hauptverwal- und Landespolitik geschaffen werden, bereits in dieser Sitzung beschlossen. tungsbeamten, der als Gemeinde-, (Ober-) da der Landtag eine Vielzahl von Bürger- Sechs Wochen nach der Gründungsver- Stadt- beziehungsweise Oberkreisdirek- meistern und Landräten aufwies, die sich sammlung kam es am 25.03.1947 auf der tor bezeichnet wurde und im Bereich der bei der Gesetzgebung für eine Stärkung Burg Altena zu einer weiteren Mitglieder- Kommunen nicht aktiv politisch tätig wer- der kommunalen Selbstverwaltung ein- versammlung, die unter anderem über den durfte. Die gewählten Vorsitzenden setzte. Mit den Gemeindewahlen vom Straßenunterhaltung, provinzielle Land- des Rates beziehungsweise des Kreistags 15.09.1946 und den Stadt- und Land- schaftspflege sowie über Organisationsfra- erhielten entgegen deutscher Selbstver- kreiswahlen am 13.10.1946 lösten neuge- gen des Deutschen Landkreistages beriet. waltungstradition die Bezeichnung Bürger- wählte Vertretungen die von der Militär- Die Niederschrift enthält den Satz: „Es meister in Gemeinden und Städten sowie regierung ernannten Gemeinderäte und bestand Einigkeit darüber, dass die west- Landrat in den Kreisen. Diese rein ehren- Kreistage ab. Nachdem insofern die kom- amtliche und repräsentative Funktion der munalverfassungsrechtlichen Verhältnisse 2 Vgl. Ansgar Weißer, Die „innere“ Landes- Bürgermeister beziehungsweise Landrä- konsolidiert waren, konnte zunehmend ein gründung Nordrhein-Westfalens, S. 39 te war gewollt, um eine strikte Trennung Blick über Kreis- und Gemeindegrenzen 3 Vgl. Ansgar Weißer, Die „innere“ Landes- von Entscheidungsinstanz und Exekutive hinaus getan werden. gründung Nordrhein-Westfalens, S. 41 131
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