Ein NATO-Raketenabwehrschild in Europa: Ambitioniertes Abrüstungsprojekt oder Auslöser eines neuen Rüstungswettlaufs?
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FOKUS | 7/2011 Ein NATO-Raketenabwehrschild in Europa: Ambitioniertes Abrüstungsprojekt oder Auslöser eines neuen Rüstungswettlaufs? Velina Tchakarova Beim NATO-Gipfel im November 2010 die Entwicklung und den Einsatz von er- sprengköpfen (Multiple Independently einigten sich die Mitgliedstaaten der laubter strategischer Raketenverteidigung, targetable Re-entry Vehicle, MIRV). Der Allianz und Russland darauf, bei der Statio d.h. jedem Vertragspartner waren nur zwei START-II-Vertrag war 1993 von den USA nierung einer Raketenabwehr der NATO lokal begrenzte Raketenabwehranlagen und Russland unterzeichnet worden und in Europa zusammenzuarbeiten. Russ- erlaubt. trat 1996 in den USA in Kraft Die russische land fordert in diesem Zusammenhang Duma ratifizierte den START-II-Vertrag, rechtlich bindende Garantien, dass ein In den 1980er Jahren wurde die sogenann- aufgrund des Militäreinsatzes der NATO in solches System das strategisch-nukleare te „Star-Wars“ Initiative diskutiert, die die Kosovo und der NATO-Osterweiterungs Gleichgewicht zwischen Russland und der Stationierung eines Raketenabwehrsys- politik, erst im Jahr 2000. NATO nicht beeinträchtigen soll. Während tems im Weltall vorsah. Die Sowjetunion Russland gleichberechtig involviert sein war zu jener Zeit strikt gegen die Stationie- Anfang der 1990er Jahre wurde der START- will, strebt die NATO die Errichtung von rung von Teilen eines weltraumbasierten Verhandlungsprozess vom ABM-Vertrag zwei separaten Abwehrschirmen an. Vor Raketenabwehrsystems. Während in den entkoppelt, weil die USA und die Sowje- diesem Hintergrund stellt sich die Frage Folgejahren Fortschritte im Bereich der tunion unterschiedliche Ziele verfolgten. nach den politischen Implikationen dieses Reduzierung von Offensivwaffen ver- Die Sowjetunion wollte die Umsetzung der ambitionierten NATO-Projekts und der zeichnet wurden, bot das Thema einer START-Vereinbarungen weiterhin an den potentiellen Gefahr eines neuen nuklearen Raketenabwehr (Defensivwaffen) in den ABM-Vertrag knüpfen. Die USA hingegen Wettrüstens. amerikanisch-sowjetischen Beziehungen verfolgten das Ziel, die taktischen Atom- weiterhin Anlass zu Kontroversen. 1987 waffen abzubauen und gleichzeitig ihre Historischer Hintergrund unterzeichneten die USA und die Sowje- Pläne über eine Raketenabwehr zu forcie- tunion im Sinne der Entspannungspolitik ren. Ende 1991 wurde das Raketenabwehr- Die Pläne der USA über ein Raketenab- den Intermediate Range Nuclear Forces gesetz vom US-Präsidenten George Bush wehrsystem reichen in die Zeit des Kalten (INF)-Vertrag über die Vernichtung aller unterzeichnet. Es setzte den Aufbau eines Krieges zurück. In den 1960er Jahren nuklearen Mittelstreckensysteme mit mitt- Raketenabwehrsystems in Anlehnung an verkündeten die USA ihr Vorhaben, ihre lerer und kürzerer Reichweite von 500 bis den ABM-Vertrag fest. Die Konsultationen Atomwaffen gegen Raketenangriffe schüt- 5500 Kilometer. Im Juli 1991 führten die über eine Zusammenarbeit zwischen den zen zu wollen. Hierbei wurde zwischen Strategic Arms Reduction Treaty (START)- USA und dem Nachfolger der Sowjetunion strategischen Defensiv- und Offensivwaf- Verhandlungen zur Unterzeichnung des Russland dauerten im Bereich der Raketen- fen unterschieden. Anfang der 1970er START-I-Vertrags, der jedoch erst 1994 in abwehr im darauffolgenden Jahr weiter an. Jahre unterschrieben die USA und die Kraft trat. Dieses Abkommen regelte die Nach der Präsidentschaftswahl in den USA Sowjetunion den Strategic Arms Limita- Reduzierung von Trägersystemen und 1993 unterstrich der neue amerikanische tion Talks (SALT)-I zur Begrenzung dieser von Nukleargefechtsköpfen. Auch für die Präsident Bill Clinton die Absicht der USA, Waffen und bis zum Ende des Jahrzehnts Atomsprengköpfe auf Interkontinental- am ABM-Vertrag festzuhalten. In Zusam- wurde der Prozess zur Verringerung von raketen (Intercontinental Ballistic Missile, menhang damit stand die Ankündigung Defensiv- und Offensivwaffen im Rahmen ICBM) und U-Boot-gestützten ballistischen des amerikanischen Interesses an dem der SALT-I/II-Verträge vorangetrieben. Mit Raketen (Submarine Launched Ballistic Raketenabwehrsystem für das Gefechts- dem Anti-Ballistic Missiles (ABM)-Vertrag Missile, SLBM) wurde ebenso eine Oberst- feld. Dieses Interesse teilte auch Russland. verpflichteten sich die USA und die grenze festgesetzt. Parallel dazu liefen die Sowohl die USA wie auch Russland waren Sowjetunion, keine landesweiten Verteidi- Verhandlungen über den START-II-Vertrag mit der Abgrenzung vom ABM-Vertrag gungssysteme gegen ballistische Raketen zur Deaktivierung aller landgestützten und dem Abwehrsystem für das Gefechts- aufzubauen. Der ABM-Vertrag begrenzte Interkontinentalraketen mit Mehrfach- feld einverstanden, und dies führte zu 1
FOKUS | 7/2011 einer entsprechenden gemeinsamen Das ambitionierte US-Projekt einer tem auf dem europäischen Territorium der vertraglichen Festlegung mit der Ukraine, Raketenabwehr in Europa NATO-Mitglieder als Schutzschild gegen Kasachstan und Belarus. Laut dem 1997 feindliche ballistische Raketen in vier Pha- im US-Senat zur Abstimmung vorgelegten Vor dem Hintergrund des strategischen sen bis 2020 aufbauen werden. Russland Raketenabwehrgesetz war die Errichtung nuklearen Gleichgewichts zwischen war zu diesem NATO-Gipfel eingeladen eines Raketenabwehrschildes bis 2003 vor- den USA und der Sowjetunion, welches und gab, unter der Bedingung einer gesehen. 1999 begannen schließlich die aufgrund der wechselseitig zugesicherten gleichberechtigten Beteiligung, grünes Verhandlungen über den START-III-Vertrag Zerstörung (Mutual Assured Destruction, Licht für die Aufstellung der europäischen und die Zukunft des ABM-Vertrags. MAD) während des Kalten Krieges als Raketenabwehr. Im Rahmen des NATO- „Gleichgewicht des Schreckens“ bekannt Gipfels diskutierten die NATO-Mitglieder Allerdings nahmen die USA zu Beginn des war, wird seit 2002 ein Paradigmenwechsel und Russland die Zuordnung des Irans neuen Jahrhunderts unter Präsident George in der amerikanischen Sicherheitspolitik als potentieller Angreifer, gegen den das W. Bush einen drastischen Kurswechsel beobachtet und dies kam durch den Raketenabwehrsystem gerichtet sein soll. in der Außen- und Sicherheitspolitik vor, Rückzug der USA aus dem ABM-Vertrag Letztendlich fand dieser Verweis keinen was sich unmittelbar negativ auf den endgültig zum Vorschein. Die Idee eines Eingang in die offizielle Gipfelerklärung. START-III-Verhandlungsprozess und den Raketenabwehrsystems wurde nach ABM-Vertrag auswirkte. Der erste entschei- 2002 vor allem mit Blick auf sogenannte Kernstück des Raketenschutzschildes dende Schritt fand 2002 mit dem Austritt Schurkenstaaten (wie Iran und Nordkorea) der NATO soll das land- und seegestützte der USA aus dem ABM-Vertrag statt, von den USA deutlich forciert, um diese Warn- und Feuerleitsystem Aegis sein, das woraufhin Russland mit dem Rückzug aus Staaten von der Entwicklung von Nukle- zum Abfangen gegnerischer ballistischer dem START-II-Vertrag drohte. Dies hatte arwaffen abzuhalten. Die ursprüngliche Raketen bis zu einer Reichweite von 5000 zur Folge, dass der START-II-Vertrag trotz Idee des Raketenschildes stammt aus dem km geeignet ist. Im Zuge des Aufbaus der der Ratifizierung nicht in Kraft trat. 2002 NATO-Programm Active Layered Theatre Raketenabwehr wird die NATO überprüfen, wurde er durch den Strategic Offensive Re- Ballistic Missile Defence (ALTBMD), wel- welche nuklearen und konventionellen ductions Treaty (SORT)-Vertrag abgelöst, ches der Nordatlantikrat zur Raketenab- Waffen sie noch brauchen wird. Die NATO welcher nun die Mehrfachsprengköpfe wehr in Europa bis zu einer Reichweite von hat bereits die ersten praktischen Schritte (MIRV) nicht mehr verbot. Im Unterschied 3000 km im September 2005 beschlossen in Richtung des Aufbaus des amerikan zum START-II-Vertrag regelte der SORT- hatte. Unter US-Präsident George W. Bush ischen Raketenschildes getan und dem Vertrag nicht die Reduzierung der Träger- wollten die USA den Raketenabwehrschild System sind in Europa bislang die Türkei, systeme, sondern nur die einsatzbereite in Osteuropa (in Polen und Tschechien) Polen, Rumänien und Spanien offiziell Sprengköpfe. errichten. Für Russland bedeutete dieses beigetreten. Am 13. September 2011 Projekt angesichts der fortschreitenden unterschrieben Rumänien und die USA ein Erst 2009 wurde in Folge des Präsident- NATO-Erweiterung im Baltikum und Regierungsabkommen, welches die Stati- schaftswechsels von George W. Bush zu Zentral- und Osteuropa eine weitere onierung bodengestützter Abfangraketen Barack Obama ein „Reset“ in den START- schwerwiegende Bedrohung der eigenen SM-3 und des Systems Iges im ehemaligen Verhandlungen möglich. Parallel dazu unmittelbaren Sicherheitsinteressen. Mit Luftstützpunkt Deveselu regelt. Einige begann Präsident Obama seine Initiative dem Präsidentschaftswechsel 2009 modi- Tage später stimmte die Türkei dem Bau über weltweite Nuklearsicherheit (Global fizierten die USA dieses Programm, indem einer Radar-Frühwarnstation vom Typ AN/ Zero). Im März 2010 erklärten der russi- nun die Stationierung mobiler Abwehrsys- TPY-2 auf ihrem Territorium zu. So haben sche Präsident und der amerikanische teme statt ortsfester Elemente favorisiert sich beide Länder, neben Polen, an die Präsident die Bereitschaft beider Staaten wurde. Außerdem wurde die Idee von der Errichtung des europäischen Abwehr- zur weiteren Reduzierung der Anzahl von russischen Beteiligung an dem amerika- systems der NATO angeschlossen. Polen Nuklearwaffen und zur Begrenzung der nischen Projekt eines Raketenabwehrsys- und die USA hatten bereits 2008 einen strategischen Offensivwaffen. Im April tems wiederbelebt. Russland eignete sich Raketenabwehrvertrag unterschrieben, 2010 wurde der neue START-III-Vertrag mit aufgrund seiner strategisch-geografischen der Mitte September 2011 in Kraft trat und einer Laufzeit bis 2020 unterzeichnet. Die- Lage, seiner militärisch-technischen Mög- der die Aufstellung der Abfangraketen in ser Vertrag trat 2011 in Kraft und er regelt lichkeiten und des Besitzes von Nuklear- Polen bis 2013 festlegte. Letztendlich wur- für die sieben Folgejahre die Reduzierung waffen als ein wesentlicher Bestandteil für de der Termin zur Aufstellung der Raketen der Anzahl der Sprengköpfe von 2200 auf den Aufbau des Raketenabwehrsystems in bis 2018 verlängert, weil eine neue und je 1550, und jener der Trägersysteme von Europa. größere Rakete vom Typ SM-3 Block IIIB 1600 auf 800. getestet und in der letzten Phase des Plans Beim NATO-Gipfeltreffen in Lissabon wur- bis 2020 stationiert werden soll. Spanien de im November 2010 festgelegt, dass die hat der Stationierung von Teilen des Rake- USA ein umfassendes Raketenabwehrsys- tenabwehrschildes in der Hafenstadt Rota 2
FOKUS | 7/2011 zugestimmt, da dieser Ort aufgrund seiner Raketenabwehrschilds der NATO. Russland hinaus (4) beauftragte er die russischen geostrategischen Lage, die einen leichten wirft den USA des Weiteren vor, Teile des Streitkräfte, bei Bedarf Raketenabwehr- und schnellen Zugang zum Atlantik und Raketenabwehrsystems zu nahe an der systemdaten und Steuerungssysteme der zugleich zum Mittelmeer durch Gibral- russischen Grenze installieren zu wollen. NATO auszuschalten. Abschließend (5) tar bietet, für die Stationierung von vier So könnten modifizierte Abfangraketen, verkündete Medwedew, dass Russland Of- amerikanischen Zerstörern mit dem Aegis die von Militärstützpunkten in Polen abge- fensivwaffensystem im Westen und im Sü- System besonders geeignet ist (und in schossen werden, aufgrund ihrer Flughöhe den des Landes installieren werde, wenn Rota hat die amerikanische Marine bereits und Reichweite das russische Territorium Notwendigkeit bestünde. Ein Beispiel einen Stützpunkt). Holland gilt vermeint- treffen. Russland geht es primär darum, dafür wäre die Stationierung von Raketen lich als das nächste europäische Land, dass sein strategisches Nuklearpotential des Typs Iskander in der Region um Kali- das dem Raketenabwehrschild der NATO durch die Installierung der Raketenab- ningrad. Diese letzte Maßnahme soll die eventuell beitreten könnte. wehr der NATO in Europa nicht bedroht US-Raketenabwehr in Europa bei Bedarf oder in ein Ungleichgewicht gebracht neutralisieren und sogar ausschalten. Der Die russischen Vorwürfe werden könnte. Auch bestehen russische erste konkrete Schritt in diese Richtung Befürchtungen dahingehend, dass Teile war die Aufstellung eines Radars in Kalinin- Russland und die NATO-Mitglieder hatten des Raketenabwehrsystems der NATO grad in Dezember 2011. Zwar unterstrich sich, wie erwähnt, im Jahr 2010 dar- im Schwarzen Meer, der Barenz- oder der russische Präsident, dass eine solche auf geeinigt, bei der Stationierung des der Nord- und Ostsee stationiert werden Entwicklung unerwünscht sei, aber der amerikanischen Raketenabwehrsystems könnten und sich somit auch bedrohlich fehlende Konsens und die gegenwärtig in Europa zusammenzuarbeiten. Aller- nahe an den russischen Grenzen befin- ergebnislosen Bemühungen erschweren dings belastet das amerikanische Projekt den würden. Solange es keine rechtlich die Fortsetzung des Dialogs zwischen der die sicherheitspolitischen Beziehungen verbindlichen Garantien für Russland gibt, NATO und Russland. Die Fortführung der zwischen Russland und den USA bezie- dass der Raketenabwehrschild nicht gegen bislang erfolglosen bilateralen Gespräche hungsweise zwischen Russland und der Russland gerichtet sei, sind die Chancen wurde auf den nächsten NATO-Gipfel in NATO. Russland besteht auf dem Ausbau für eine Kompromisslösung mit den USA Chicago im Mai 2012 verlegt. eines einheitlichen europäischen Rake- eher gering. tenabwehrsystems, das auch Russland Mögliche Szenarien für die Zukunft auf gleichberechtigter Basis mitein- Infolge der stockenden Verhandlungen schließt. Aus russischer Perspektive kann droht Russland den USA und den NATO- Aus kurz- bzw. mittelfristiger sicherheits- die Sicherheit Russlands nur durch ein Mitgliedstaaten mit militärtechnischen politischer Perspektive ist die Frage nach gemeinsames Raketenabwehrsystem mit Gegenmaßnahmen gegenüber dem ge- der Errichtung eines Raketenabwehrsys- gleicher Teilhabe gewährleistet werden. planten Raketenabwehrsystem. In diesem tems der NATO in Europa von höchster Die USA hingegen verfolgen das Ziel der Zusammenhang verkündete Russland im Relevanz für die russisch-amerikanischen Stationierung von zwei separaten Raketen- November 2011 die Mobilisierung seiner Beziehungen, das globale strategische abwehrsystemen. Zwar wird von den USA Streitkräfte. In seiner Rede an das russische Gleichgewicht und die Zukunft einer unterstrichen, dass der Raketenschild der Volk stellte der russische Präsident Medwe- wirksamen nuklearen Abschreckung. Wie NATO gegen den Iran und nicht gegen die dew fünf zu ergreifende Gegenmaßnah- das Raketenabwehrsystem der NATO in Sicherheitsinteressen Russlands gerichtet men vor, sollten die russischen Interessen Europa die internationalen Beziehungen sei, doch der größte Schwachpunkt an bei den Verhandlungen mit den USA über in nächster Zukunft prägen wird, ist noch dem amerikanischen Projekt ergibt sich die Aufstellung der Raketenabwehr der schwer vorauszusehen. Die Erwartungen aus den fehlenden rechtlich verbindlichen NATO in Europa weiterhin vernachlässigt und die sicherheitspolitischen Ansätze Sicherheitsgarantien für die russischen bleiben. Medwedew ordnete (1) die Ins- der beiden Akteure weichen stark von- Sicherheitsinteressen. In der russischen tallierung einer Radarstation als Raketen- einander ab. Russland will kein passiver Perzeption bedeutet dies, dass Russlands frühwarnsystem in der russischen Enklave Beobachter bei der Installierung des Rake- strategisch-nukleares Abschreckungspo- Kaliningrad an. Des Weiteren (2) kündigte tenabwehrsystems bleiben, und die USA tential durch den NATO-Raketenabwehr- er die intensive Förderung der Luft- und wollen Russland keine allzu aktive Rolle schild bedroht werde. Weltraumverteidigung an, denn der beim amerikanischen Projekt gewähren. Schutz der russischen Nuklearwaffen soll Die ohnehin schleppend vorangehenden Darüber hinaus fordert Russland auch als höchste Priorität gelten. Medwedew Verhandlungen sind in eine Sackgasse wirksam bindende Maßnahmen zur Schaf- kündigte (3) auch das Vorhaben an, die geraten. fung von mehr Transparenz, Vorausschau- russischen ICBM und SLBM mit modernen barkeit und Vertrauen zwischen Russland und hocheffektiven Sprengköpfen zu Die Gegensätze zwischen den USA und und den NATO-Mitgliedstaaten mit Blick bestücken und die russische Raketenab- Russland wegen des Raketenabwehr- auf die Errichtung des europäischen wehr modernisieren zu lassen. Darüber systems der NATO in Europa werden 3
FOKUS | 7/2011 wiederum durch die aktuellen sicher- systems der NATO ist, mit in Südkorea und Deutschland, sehen keinen Widerspruch heitspolitischen Entwicklungen in Bezug Taiwan zu installierenden Elementen zu zwischen der Raketenabwehr und der auf Irans Atomprogramm verstärkt. einem quasi globalen Rakentenabwehrsys- nuklearen Abrüstung. In anderen EU-Län- Die Sanktionsmaßnahmen von Seiten tem führen. Dies wiederum würde China dern, wie beispielsweise Frankreich, wird der internationalen Gemeinschaft sind dazu veranlassen, über mögliche Gegen- vor einer neuen Spirale des Wettrüstens allmählich erschöpft und die ergriffenen maßnahmen nachzudenken und neue gewarnt. Gegenmaßnahmen Großbritanniens, Isra- Verbündete zu suchen. In einer derartigen els und der USA deuten auf eine Eskalation Konstellation könnte der Iran einer even- Es erscheint wichtig, dass die Umsetzung der Iran-Krise hin. Russland spricht sich tuellen sicherheitsstrategischen Allianz der START-III-Vereinbarung parallel zu dem weiterhin für eine diplomatische Lösung zwischen China und Russland beitreten. Aufbau des Raketenabwehrschilds vor- der Iran Krise im Rahmen der Sechser- angetrieben wird. Die USA und Russland Vermittlungsgruppe (China, Russland, USA, Politische Implikationen für die EU könnten sich im Rahmen der START-III-Ver- Frankreich, Großbritannien und Deutsch- einbarungen auf geeignete Maßnahmen land) aus. Das Eskalationspotenzial der Grundsätzlich bleibt noch unklar, ob zu wirksamer Vertrauensbildung und mehr Irankrise wird von vielen Beobachtern als das Projekt der NATO-Raketenabwehr in Transparenz einigen und dadurch die hoch eingeschätzt und es kann in einer Europa technisch ausführbar ist. Sicher potentielle Gefahr eines neuen nuklearen kurz- und mittelfristigen Perspektive nicht ist jedoch, dass die Mitgliedstaaten der Wettrüstens deutlich reduzieren. Diese mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen EU hinsichtlich des sicherheitspolitischen Entwicklung würde sich positiv auf den werden, dass die diplomatische Krise zu Dialogs zwischen den USA und Russland Konsultationsprozess zwischen den USA einer militärischen Auseinandersetzung keine wesentliche Rolle spielen. Dies und Russland bezüglich der Stationierung mit dem Iran führen könnte. In diesem mag nicht in ihrem Interesse sein, da das des europäischen Raketenabwehrschilds Zusammenhang könnte der Aufbau der Raketenabwehrsystem auf europäischem der NATO auswirken. Umgekehrt könnte Raketenabwehr der NATO in Europa einen Territorium installiert wird und somit im Fall einer fehlenden Einigung zwischen negativen Effekt haben. zur Konfrontation zwischen der EU und der NATO und Russland ein möglicher Russland wie auch der EU und dem Iran Rückzug Russlands aus dem START-III- Aus heutiger Sicht kann angenommen beitragen und insgesamt betrachtet zu Vertrag ein neues nukleares Wettrüsten werden, dass die europäische Raketenab- einer Destabilisierung des alten Konti- auslösen. wehr der NATO hochwahrscheinlich ohne nents führen könnte. Jedoch interpretiert russische Beteiligung aufgebaut wird. Ein die EU den Aufbau eines gemeinsamen solches Abwehrsystem könnte allerdings Raketenabwehrsystems in Europa nicht als Velina Tchakarova ist wissenschaftliche als eine Vorbereitungsmaßnahme für ei- Zukunftsfrage von globalpolitischer Rele- Mitarbeiterin am AIES. nen Angriff auf den Iran interpretiert wer- vanz, sondern als bilaterales sicherheits- den. Diese Befürchtung wird vor allem von politisches Problem zwischen Russland Russland geäußert, aber auch China zeigt und den USA. Das Nichtzustandekommen sich verstärkt besorgt. Eine unerwünschte einer Einigung zwischen Russland und den Entwicklung wäre, wenn der Iran, Russland USA, könnte Russland zur erneuen Auf- und China sich gezwungen sehen würden, rüstung statt zur Abrüstung provozieren. einen gemeinsamen Raketenabwehrschild Hilfreich erschiene es, nach einer von allen als Gegengewicht gegen die Raketenab- beteiligten Akteuren akzeptierten Lösung © Austria Institut für Europa- wehr der NATO in Europa zu errichten. des Problems zu suchen, denn noch sind und Sicherheitspolitik, 2011 In Russland und in China finden sich zwischen den USA und Russland nicht alle Alle Rechte vorbehalten. Stimmen die dahingehend argumentieren, Wege in Richtung von Kooperation und Nachdruck oder vergleichbare Verwendungen dass die USA die Errichtung einer Raketen- Vertrauensbildung blockiert. Beide Partner von Arbeiten des Austria Instituts für Europa- und abwehr gegen potentielle feindliche Rake zeigen nach wie vor Bereitschaft zum Sicherheitspolitik (AIES) sind auch in Auszügen ten aus dem Iran nur als Vorwand nutzen, Dialog, wenngleich nicht zu Kompromis- nur mit vorheriger Genehmigung gestattet. Die im AIES-Fokus veröffentlichten Beiträge geben um ein wirksames Raketenabwehrsystem sen, was wiederum auf die mangelhafte ausschließlich die Meinung der jeweiligen Auto- gegen Russland und China zu installieren. sicherheitspolitische Kommunikation und rinnen und Autoren wieder. Es scheint unumstritten, dass die USA ihre Zusammenarbeit zurückzuführen ist. Schlossgasse 6 geopolitischen Sicherheitsinteressen mit A-2344 Maria Enzersdorf Blick auf China als aufsteigende Weltmacht Insgesamt betrachtet bleibt es fraglich, ob Tel. +43 (0)2236 411 96 nach Asien verlegen. In diesem Zusam- das amerikanische Projekt einer Raketen- Fax. +43 (0)2236 411 96-9 E-Mail: office@aies.at menhang könnte eine Verbindung des in abwehr die nukleare Abrüstung fördern www.aies.at der Türkei installierten Frühwarnsradarsys- oder doch verhindern würde. Einige tems, welches ein Teil des Raketenabwehr- Mitgliedstaaten der EU, so beispielsweise Layout: EGENCY Medienbüro Patrick Meyer 4
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