Einblicke 2022 Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung

 
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Einblicke 2022 Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung
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Almanach des Archivs der
deutschen Frauenbewegung
Einblicke 2022 Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung
e 2 0 2 2
Einblick
3    Editorial
4    Das Herzstück – unsere Sammlungen
8    Forschen in der Stiftung – Themen und Kooperationen
12   Das geschriebene Wort – die Publikationen
14   Wortgewandt – erkunden, entdecken, erfahren
16   Die Freundinnen – Notizen aus dem Förderverein
18   Die Stiftung – mehr als eine Organisationsform
Editorial

War es 2021 noch schwierig und ungewohnt,             begrüßen: zwei Mitarbeiterinnen verstärken
die neuen Regelungen rund um die Pandemie             das DDF-Projekt und eine Mitarbeiterin hat im
umzusetzen und uns mit dem hybriden Arbei-            Bereich Vermittlung und Öffentlichkeits­arbeit
ten zu arrangieren, nehmen wir seitdem immer          begonnen. Auch die vakanten Stellen in unse-
selbstverständlicher die Vorteile dieses Arbeits-     rem Stiftungskomitee konnten wir erfolgreich
stils in unseren Arbeitsalltag auf. Aber trotzdem     wiederbesetzen. Wir begrüßen alle neuen
haben wir uns sehr gefreut, dass das Jahr 2022        Gesichter noch einmal herzlich und freuen uns
ein Jahr zurück in die Normalität war, in dem         auf die Zusammenarbeit.
wir uns wieder mehr in Präsenz, mehr im direk-        Ein Event, das wir mit großer Freude organi-
ten Austausch und mehr in gemeinschaftlicher          sieren und durchführen konnten, war die nur
Arbeit begegnen konnten.                              alle fünf Jahre stattfindende Stifter:innenver-
So konnten wir wieder verstärkt (überregio-           sammlung. Bei bestem Wetter haben wir alte
nale) Kooperationen eingehen und uns mit              und neue Stifter:innen in unserem Lesesaal
verschiedensten Projekten – unter anderem             begrüßt und uns über den konstruktiven und
mit einer Reihe von Kasseler Institutionen, der       aufschlussreichen Austausch gefreut.
Gedenkstätte Breitenau und mit der Monacen-           Im Oktober stand dann ein besonderes Ereignis
sia im Hildebrandhaus München – vernetzen.            an: die Freundinnen, der Förderverein des AddF,
Beispielsweise die erneute Zusammenarbeit mit         feierten ihr 30-jähriges Jubiläum – und wagten
der Monacensia zu #FrauenDerBoheme wird               sich mit der Social-Media-Aktion #30Jahre-
uns bis ins Jahr 2023 begleiten.                      Freundinnen auf ein ganz neues Terrain. Wir
Ein Highlight des Jahres war nach intensiver Arbeit   gratulieren noch einmal von ganzem Herzen zum
der Relaunch unserer Website – und sie ist so         Jubiläum und sagen Danke für drei Jahrzehnte
schön geworden, dass wir gar nicht anders kön-        ehrenamtliches Engagement für das AddF!
nen, als über sie zu sprechen. Bestückt mit neu-      Und auch 2023 wartet schon mit dem nächsten
em Design, neuen Fotos, neuen Inhalten, neuen         wichtigen Jubiläum auf uns, denn es jährt sich
Informationen zu Projekten und Kooperationen ist      zum 175. Mal die Revolution von 1848. Wir
die neue Website ein gelungenes Aushängeschild        befinden uns schon lange in der Vorplanung
für die Arbeit des AddF. Schauen Sie unbedingt        diverser Formate, die wir anlässlich des Jubi-
unter addf-kassel.de vorbei und machen Sie sich       läums in die Welt tragen werden. Wie uns dies
selbst ein Bild von unserem Auftritt.                 gelungen ist, lesen Sie dann in den nächsten
Aber nicht nur die Website ist neu, auch neue         Einblicken. Nun aber erst einmal viel Spaß
Mitarbeiterinnen durften wir zum Jahresbeginn         beim Nachlesen des Jahres 2022.

                                                                                              3
H e r z s t ü c k–
 Das                gen          lun
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  unsere Sa

NEUE SICHTBARKEIT                                    AUF- UND AUSBAU DES BILDARCHIVS
Die Freude war groß als uns in der zweiten Jahres-   Von Anbeginn an war es dem AddF wichtig,
hälfte die Nachricht erreichte, dass die Bestände    neben schriftlichen auch bildliche Quellen zu
und Digitalisate des AddF nun auch in der Deut-      sammeln, um im Rahmen des historischen Bild-
schen Digitalen Bibliothek (DDB) und im Archiv­      gedächtnisses Frauenbewegungsgeschichte zu
portal D nachgewiesen und recherchierbar sind.       visualisieren.
Dies erhöht die Sichtbarkeit des Sammlungsbe-        Es wurde ein Bildarchiv aufgebaut, für das
standes an zentraler Stelle immens. Derzeit finden   gerade in den Anfangsjahren viele Repro-
sich darin über 56.000 Datensätze, davon ca.         duktionen aus zeitgenössischen Publikationen
sieben Prozent mit Digitalisat. Das enthaltene       angefertigt wurden. Denn vor allem durch
Archivgut wird gleichzeitig im Archivportal D zur    Zerstörung und Krieg, aber leider auch durch
Verfügung gestellt und in über 13.000 Nachwei-       mangelndes Bewusstsein mancher Protagonis-
sen angezeigt, wovon bereits ca. 18 Prozent mit      tinnen der Frauenbewegung und ihrer Nach-
Digitalisat angeboten werden können. Möglich         komm:innen sind in den letzten Jahrzehnten
wurde dies mit Hilfe der Servicestelle des Digi-     nicht nur wichtige Schriftzeugnisse, sondern
talen Deutschen Frauenarchivs (DDF), die einen       auch visuelle Quellen der Frauenbewegungs-
Export aus dem Verbundkatalog META heraus            geschichte verlorengegangen.
entwickeln konnte. Neben den Perio­dika, die         Inzwischen umfasst das Fotoarchiv ca. 10.000
schon seit vielen Jahren in der Zentralen Zeit-      Abbildungen aus der Geschichte von Frauen
schriften Datenbank (ZDB) nachgewiesen sind,         und Frauenbewegung in Deutschland von 1848
ist damit ein weiterer wichtiger und erfolgreicher   bis heute. Es handelt sich dabei sowohl um Ein-
Schritt in überregionale Verbundkataloge des         zelfotos, Dias, Zeitungsausschnitte, Postkarten
Archiv- und Bibliothekswesens gelungen.              und Drucke als auch um Fotosammlungen aus
                                                     Nachlässen und Aktenbeständen, die Ein­blicke
                                                     ins Private sowie auch in die Netzwerke der
  Die Bestände
  des AddF
  werden seit
  2022 auch in
  der Deutschen
   Digi­talen
   Bibliothek
   präsentiert
links: Ausschnitt einer Foto-
     grafie, die vermutlich von
     Alice Matzdorff stammt und
     Schweißerinnen im Ersten
     Weltkrieg zeigt
     rechts: Die Frauen- und
     Mädchen-­Abteilung des
    ­Deutschen Turn-Vereins
    Berlin, 1902

Bewegung erlauben. Die meisten Abbildungen             tiken aufwirft. Denn in den seltensten Fällen
stammen aus dem 20. Jahrhundert, ein kleinerer         sind Angaben zur Provenienz durch die Ver-
Teil aus dem 19., was auf die Entwicklung der          käufer:innen möglich, da die Artikel häufig aus
Fotografie als Alltagsmedium zurückzuführen            Haushaltsauflösungen oder Flohmarktkäufen
ist. Neben den Reproduktionen umfasst der              stammen. Bei Fotografien ist die Kontextin-
Bestand heute vor allem Originale – u. a. Litho-       formation wie Ort, Zeit oder Anlass jedoch
grafien, Presse- und Atelier­foto­gra­fien aber auch   von entscheidender Bedeutung, um eine his-
Privataufnahmen, etwa ein Drittel des Bestandes        torisch akkurate Weiternutzung der Fotografie
sind zur Zeit erschlossen und digitalisiert.           zu ermöglichen. Ein Foto oder Album mag
Der Ausbau erfolgt vor allem über Bildquel-            zwar ästhetisch ansprechend oder interessant
len, die durch Übernahmen von Beständen                erscheinen, ohne die Möglichkeit der Zuord-
ins Haus kommen. Lücken werden gezielt                 nung sehen wir von einem Kauf ab. Trotz dieser
über Ankäufe geschlossen. So sind wir z. B.            Schwierigkeiten gelingt es dennoch immer wie-
auf der Suche nach Fotografien von: Verei-             der interessante Bildquellen zu übernehmen.
nen, in denen F­ rauen wirkten, wie etwa Turn-,
Sing- oder Handarbeitsgruppen; interessanten           EIN GELUNGENER ANK AUF
Berufsvereinigungen wie z.B. dem Schaustel-            Im letzten Jahr konnten wir ein Foto­album erwer-
lerinnenverein; ­Frauen in männlich dominier-          ben, in dem zahlreiche Originaldokumente der
ten Berufen wie dem der Schweißerin oder               ehemaligen Besitzerin beigefügt waren, sodass
Druck­erin; Frauen bei öffentlichen Veranstal-         eine zeitliche und räumliche Einordnung mög-
tungen wie Demonstra­tio­nen, Kundgebungen,            lich ist. Die ursprüngliche Eigentümerin Gertrud
Tagungen – um einige Schwerpunkte unse-                Knecht hatte es zudem mit aufschlussreichen
rer Ankäufe zu nennen. Durch antiquarische             Beschriftungen versehen. Sie war ausgebildete
Onlineverkaufspor­tale steht ein breiter Markt         Säuglings- und Kleinkinderkrankenschwester,
zur Verfügung, der allerdings neue Problema-           Geburtsjahrgang 1914. Ihre Ausbildung erhielt

                                                                      Das gut beschriftete
                                                                      Fotoalbum mit Original­
                                                                      dokumenten der Säug­
                                                                      lings- und Kinder­kranken­­
                                                                      schwester Gertrud Knecht

                                                                                                    5
links: Johannes Ackner
                                                                            übergibt die hand-
                                                                           schriftlich festgehaltenen
                                                                           Lebens­erinnerungen der
                                                                           Frauenrechtlerin Marie
                                                                           Stritt (1855–1928) an
                                                                           Mirjam Sachse.
                                                                          unten: Diverse Zeit-
                                                                          schriften, Objekte und
                                                                          Fotos des Erschlie-
                                                                          ßungsprojekts 2022

sie Anfang der 1930er Jahre in der Säuglings-     lieferungen zu bereits bestehenden Beständen,
pflegerinnen- und -schwesternschule Cecilien­     kamen auch interessante Schenkungen ins Haus.
heim des Vaterländischen Frauen­vereins, Zweig-   So wurden uns von Johannes Ackner als Fami-
verein Hannover. 90 Fotografien dokumentieren     liennachfahre das unvollendete handschriftliche
den Privat- und Berufsalltag Gertud Knechts       Manuskript der Lebenserinnerungen der Frauen-
von ca. 1931–1933. Sie zeigen Mitschülerinnen,    rechtlerin Marie Stritt (1855–1928) sowie zahlrei-
Lehrerinnen und Unterkunft in der Schwestern-     che Fotos übergeben. Das Manuskript und die
schule, Urlaube und Sportveranstaltungen, Sil-    Fotos konnten im Rahmen des DDF-Projektes
vester- und Geburtstagsfeiern. Beigefügt sind     zugleich erschlossen und digitalisiert werden,
Unterlagen wie Führungs- und Arbeitszeugnisse     sodass sie zeitnah online zur Verfügung gestellt
sowie Lehrgangsbescheinigungen. Die Prove­        werden können. Neu ins Haus kam auch ein
nienzfrage war eindeutig und so erhält das Foto   regio­nales Konvolut von Unterlagen der am
einer Frau in Schwesterntracht eine Geschichte    1. Mai 1869 mit 226 Schülerinnen, 8 Lehrern
und einen konkreten Lebensbezug, die es in den    und 4 Lehrerinnen eröffneten Höheren Töchter­
historischen Gesamtzusammenhang einord-           schule, der „Standesschule für Töchter des geho-
net. Die persönlichen Dokumente von Gertrud       benen Bürgertums“, der späteren Kasseler Jacob-
Knecht machten einen gelungen Ankauf aus          Grimm-Schule. Ergänzend zu diesen Unterlagen
Privathand möglich.                               erhielten wir zudem durch den Sohn einer ehe-
                                                  maligen Schülerin eine als „Klassen-Rundbrief“
NEUZUGÄNGE IM ARCHIV                              gekennzeichnete Kladde mit handschriftlichen
Die Archivbestände sind erneut um 40 laufende     Erlebnisbeschreibungen der Schulzeit aus der
Meter gewachsen. Neben zahlreichen Nach-          Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre.

         NEUZU GÄNG E 2022 IN ZAHLE N

                BIBLIOTHEK          A R C H IV
                                    120 Arc
                                              hivalien
                204 Bücher                       s
                                        6 Audio
289 Zeitschrifteneinzelhefte                       estand
 40 Zeitschriftenjahrgänge               2 Aktenb
                                                     sse
                                         3 Nachlä
                                                        g
                                         4   Sammlun                    ständen
                                                    ru n g e n zu 14 Be
                                       Nachliefe                 hivkarton
                                                                           s
                                                   m t 346 Arc
6                                      Ins g e s a
links: Historische Aufnahme aus dem Konvolut der Jacob-Grimm-Schule
       rechts: „Klassen-Rundbrief“ der Kasseler Jacob-Grimm-Schule aus der
                                                                           Nachkrie  gszeit

UNSER DDF-PROJEKT                                weiterhin nur eine begrenzte Anzahl von Plät-
Die Erschließung des Bestandes der Evange­       zen zur Verfügung stand. Recherchiert wurde
lischen Frauenarbeit in Deutschland (EFD) wur-   zu Protagonistinnen der Frauenbewegung und
de erfolgreich abgeschlossen und neben dem       verschiedensten Themen, wie z. B. „Frauen­
Onlinefindbuch kann der Bestand über den         arbeit im Hotel“, „Sinti- und Roma-Frauen in
META-Katalog recherchiert werden. Darüber        der NS-Zeit“, „Jüdischen Protagonistinnen in
hinaus wurde weiter digitalisiert, so dass nun   der Sozialarbeit“ oder „Rezeptionsgeschichte
auch das „Centralblatt des Bundes Deutscher      der Frauenfriedensbewegung“. Dabei ging es
Frauenvereine“ ebenso wie die Nachfolgezeit-     sowohl um Referate und Seminararbeiten als
schrift „Die Frauenfrage“ und die Zeitschrift    auch Masterarbeiten oder Dissertationen. Die
„Die Frauenbewegung“ online zur Verfügung        Nutzer:innen kamen zu 60 % aus Deutschland,
stehen. Mit einer endgültigen Freischaltung      34 % aus Kassel und etwa 6 % waren internati-
u. a. über den META-Katalog ist ab April 2023    onale Gäste. Besonders intensiv wurde zudem
zu rechnen.                                      im Rahmen des von Dr. Kerstin Wolff an der
                                                 Universität Kassel angebotenen Seminars „Wie
NUTZUNG                                          die Gleichberechtigung ins Grundgesetz kam“
Auch 2022 war es uns ein großes Anliegen den     mit dem Nachlass von Elisabeth Selbert gear-
Lesesaal trotz der Corona-Pandemie geöffnet      beitet. Die Seminarteilnehmer:innen verbrach-
zu halten und weiterhin eine Nutzung vor Ort     ten viel Zeit jenseits des Seminars in Eigenre-
zu ermöglichen. Die Nachfrage war hoch und       cherche im Lesesaal, und beschäftigten sich
so bedurfte es einer guten Raumplanung, da       anhand unterschiedlicher Fragestellungen mit
                                                 den Originalquellen.

                                                                 N U TZ U N G EN IN
                                                                                    ZA H LE N

                                                                                       hriftl.)
                                                                 en (vor Ort, tel., sc
                                            368 Einzelnutzung
                                                                                     Nutzer:innen
                                              70 Da ten ba nk zu griffe von 11.512
                                         66.4                                              tzer:innen
                                               3 Ho  m ep ag ez ug riffe von 50.584 Nu
                                        818.06
S t i f t u n g                              –
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 Fors        chen in d    o p eratio                   nen
              en u n d Ko
    Them

„TRÜMMERFR AUEN“ IN K ASSEL                         wird Ende 2023 mit einer Publikation abge-
2022 startete im Forschungsteam des AddF das        schlossen, die im Frühjahr 2024 erscheinen wird.
Projekt „Trümmerfrauen in Kassel“. Finanziert       Die Geschichte der Trümmerräumung in Kas-
wird es für zwei Jahre von der Stadt Kassel. Ziel   sel soll am Beispiel von drei thematischen
dieses Projektes ist es, die konkrete Arbeit des    Schwerpunkten erzählt werden. Während
Trümmerns in Kassel von den ersten Luftangriffen    des Krieges sind es die Kriegsgefangenen
1942 bis zur Bundesgartenschau 1955 nachzu-         und Zwangs­arbei­ter:innen, die in den Fokus
zeichnen. Untersucht werden die Organisation        der Untersuchung rücken. In der unmittelba-
der Trümmerbeseitigung und der Beitrag, den         ren Nachkriegszeit geht es um die Kasseler
die sogenannten Trümmerfrauen und andere            Bürger:innen, die im Rahmen der Ehrennot-
Personengruppen wie Zwangsarbeiter:innen,           dienstverordnung ihren „Trümmerbeitrag“
Kriegsgefangene, ehemalige NSDAP-Mitglieder,        leisten mussten. Und wenig später gewinnen
Schüler:innen oder Firmenbelegschaften für den      die Trümmerbeseitigungs­anlage und das Bau-
Wiederaufbau der Stadt leisteten. Das Projekt       steinwerk der Stadt Kassel an Bedeutung.

                                                              f an der
                       Zerstörung durch den Bombenangrif
8                      Kass eler Scho mbu   s
                                          rg­ traße mit Ukra inischen Trümmerfrauen
Helke Dreier ­berichtet
        dem ­Forschungsteam
        von ihren Recherche­
        ergebnissen

Unsere Kollegin Helke Dreier übernahm die         „Wem gehören die Trümmer, wer darf welche
Bearbeitung des so wichtigen Themas und           Trümmer verwenden und wer hat Anspruch auf
stürzte sich sogleich in die Quellenarbeit. Die   Entschädigung?“, welche die Gemüter erhitz-
Bestände des Stadtarchivs Kassel erwiesen         ten, denn Baumaterial war vor allem in der
sich als wahre Fundgrube. Neben den Proto­        Nachkriegszeit Mangelware und die noch zu
kollen der Stadtverordnetenversammlung für        verwendenden Trümmer ein wertvolles Gut.
die Jahre 1946 bis 1952 sind es vor allem die
noch unverzeichneten Akten des Amtes für          ERLEBTE GESCHICHTE –
Wiederaufbau, die viele Facetten des Themas       ­I NTERVIEWS MIT ZEITZEUG:INNEN
aufzeigen. So geben bspw. die Unterlagen           Durch einen Artikel in der örtlichen Tages-
der Kasseler Trümmerverwertungsgesellschaft        zeitung HNA und die zeitgleiche Suche über
Auskunft über die Beschaffung, Wiederver-          die Website und die Social-Media-Kanäle des
wertung und Aufbereitung der Trümmer. In           Archivs gelang es, Zeitzeug:innen zu finden, die
anderen Akten finden sich Listen der bei der       einmalige Einblicke in die Zeit liefern konnten.
Trümmerbeseitigung eingesetzten Kasseler Bür-      Bis Ende des Jahres führte Helke Dreier 13 Inter-
ger:innen und Diskussionen darüber, wer in         views mit Menschen im Alter zwischen 91 und
welchem Umfang bei der Trümmerbeseitigung,         97 Jahren, die selbst noch aktiv bei der Trümmer-
dem sogenannten Ehrennotdienst, eingesetzt         beseitigung geholfen hatten, in der Regel die laut
werden sollte und wie dies zu organisieren sei.    Ehrennotdienst vorgeschriebenen sechs Tage.
Auch über Streitfälle zwischen einzelnen Bür-      Die meisten der Interviewten wurden als Kinder
ger:innen oder ortsansässigen Firmen und der       oder Jugendliche entweder von der S­ chule oder
Stadt Kassel wird berichtet. Es sind Fragen wie    vom Arbeitgeber zum Helfen entsandt.
                                                   In den Gesprächen mit den Zeitzeug:innen
                                                   wurden verschiedene Einstellungen zur Trüm-
                                                   merarbeit deutlich. Einige sahen es als Pflicht

                                                    Aufruf für Zeitzeug:innen
                                                    auf Social Media

                                                                                              9
Filmstill, Vortrag
                                            von Kerstin
                                            Wolff im Hessi-
                                            schen Landtag

                                                                      Karoline Balser, Gabriele Strecker und

an, die erfüllt werden musste; andere verstan-      VERSCHOBENE VORTR ÄGE UND
den es als ‚Strafe‘, die sie kritisch hinterfrag-   INTERNATIONALE KONTAKTE
ten, da sie sich für die Trümmer nicht zuständig    2022 war für die Forschung wieder ein sehr
fühlten – weder für ihre Entstehung noch für        vortragsreiches Jahr – 23 Vorträge wurden wie
ihre Beseitigung.                                   geplant gehalten. Der Rückgang der Pandemie
Und ein weiterer wichtiger Punkt zeigte sich in     war zu spüren und so wurden dieses Jahr zu
den Interviews: Die in den letzten Jahren geführ-   unserer aller Freude wieder mehr Vorträge in
ten erinnerungspolitischen Debatten, die das        Präsenz als im digitalen Raum gehalten.
Bild der Trümmerfrau als einen für bestimmte        Trotz allem blieb aber auch dieses Jahr nicht
politische Zwecke inszenierten Mythos interpre-     verschont von den Ausläufern corona­bedingt
tieren, der mit der Wirklichkeit des Nachkriegs­    verschobener Vorträge. So wurde eine für den
alltags nicht übereinstimme, konnte vor allem       November 2021 geplante Tagung des Hes-
von den Zeitzeuginnen nicht nachvollzogen           sischen Landtags auf den Juni 2022 verlegt.
werden. In ihrer Erinnerung ist die Trümmer-        Auf diesem Symposium der Kommission für
beseitigung ebenso wie ihr geleisteter Beitrag      politische und parlamentarische Geschichte
eine gelebte Realität: „Selbstverständlich haben    des Landes Hessen mit dem Titel „‚Gefühlte
wir Trümmer weggeräumt, wer sollte es denn          Demokratie‘ – Die Weimarer Erfahrung im 20.
sonst tun? Es war ja niemand da.“ So oder so        und 21. Jahrhundert“, das unter der Schirmher-
ähnlich klangen die Aussagen der interviewten       rinnenschaft der hessischen Landtagspräsiden-
Frauen. Durch die Debatte um die Wirklichkeit       tin Astrid Wallmann stand, präsentierte Kerstin
der „Trümmerfrauen“ fühlen sie sich und ihre        Wolff für das AddF drei hessische Politikerin-
Arbeit nachträglich an den Rand der Geschichte      nen: Karoline Balser, Gabriele Strecker und
gedrängt und unsichtbar gemacht. So stehen          Vera Rüdiger. Am Beispiel dieser drei Frauen
die individuellen Erfahrungen den allgemeine-       ging sie der Frage nach, wie sich die Landtags-
ren Debattenergebnissen entgegen.                   politik von Frauen zwischen Weimarer Republik

10
Vortragssaal
                                                        im Palais
                                                        du Rhin in
                                                         ­Straßburg

Vera Rüdiger – drei hessische Parlamentarierinnen

       und den 1980er Jahren verändert hat. Es war         Zeit im und ihre Arbeit für das AddF bedanken.
       schön, dass dem AddF und der Frauenbewe-            In dieser Zeit hat sie das AddF mit vielen Vor-
       gung eine Bühne wie der Hessische Landtag          trägen und Workshops nach außen vertreten
       gegeben wurde und dass wir ein so wichtiges,       und zahlreiche Artikel, Dossiers und Essays zur
       regionales Thema und faszinierende Frauen          Frauenbewegung, ihren Akteurinnen und anver-
       beleuchten konnten.                                wandten Themen geschrieben. 2022 übernahm
       Im November wurde es dann noch internatio­         sie gemeinsam mit Elisa Heinrich die Redaktion
       nal: Unsere Kollegin Mirjam Höfner konnte auf      von Heft 78 der Ariadne zum Thema „Politi-
       der deutsch-französischen Tagung: „Renou-          sche Freund:innenschaft“. Mirjam Höfner hat
       veler l’histoire du Kaiserreich? Perspectives      den Relaunch des Newsletters des Arbeitskreises
       critiques sur l’empire allemand (1871–1918)“       Historische Frauen- und Geschlechterforschung
       im Palais du Rhin in Strasbourg einen Vortrag      (AKHFG) erfolgreich umgesetzt und ihre Sou-
       mit dem Titel: „Neue Perspektiven auf alte         veränität beim Gespräch mit dem Bundespräsi-
       Frauenbewegung/en“ halten und Frauen­              denten im September 2021 wird uns Kolleginnen
       bewegungsperspektiven in die internationale        stets in allerbester Erinnerung bleiben.
       Forschungsgemeinschaft tragen.                     Wir wünschen Mirjam auf ihrem weiteren Weg
                                                          viel Freude und Erfolg und beim anstehenden
       ZUM JAHRESENDE (K)EIN ABSCHIED                     Endspurt mit ihrer Doktorarbeit über D ­ orothee
       Das ausgehende Jahr endete mit dem Abschied        von Velsen viel Kraft und alles Gute! Wie
       unserer Kollegin Mirjam Höfner. Wir freuen         ­Mirjam Höfner es an ihrem letzten Tag im Büro
       uns, dass wir ab 2023 Mette Bartels in unserem      gesagt hat, möchten wir ihr nun auch noch ein
       Forschungsteam begrüßen dürfen.                     letztes Mal sagen: Wir winken mit lachenden
       Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal        Augen und einer Träne im Knopfloch. Dies ist
       von ganzem Herzen bei Mirjam Höfner für ihre        kein Abschied. Nur ein längeres Tschüss.

          links: Akten zur Trümmer­
          beseitigung aus dem
           Stadt­archiv Kassel
           rechts: Mirjam Höfner
           im Magazin des AddF
                                                                                                   11
n e Wo r t –
                     be
 Da       s geschrie
            ationen
  die Publik

„Wenn du ein Buch lesen willst, das noch nicht     Sophie Goudstikker verfasst. Einhergehend
geschrieben wurde, musst du derjenige sein,        mit der Digitalisierung und Erschließung des
der es schreibt.“ Dieses Zitat von Toni Morrison   Bestandes der Evangelischen Frauenarbeit
haben wir 2022 sehr ernst genommen – auch,         wurden außerdem Essays zur EFD und dem
wenn es nicht um Bücher, sondern um Artikel,       Weltgebetstag der Frauen für das Portal erstellt.
Blogbeiträge, Dossiers und Essays ging. Wir        Um weibliche Akteurinnen und Themen im
haben uns an die Arbeit gemacht, um durch Wort     Zusammenhang mit der Münchner Boheme ging
und Schrift einige mehr der weißen Flecke inner-   es ab Mitte des Jahres in unseren Blogbeiträgen
halb der Frauen(bewegungs)geschichte zu füllen.    und Dossiers für das Kooperationsprojekt „Frei
Dabei waren wir thematisch in diesem Jahr          Leben! Die Frauen der Boheme 1890–1920“
etwas breiter aufgestellt als im vorangegan-       der Monacensia im Hildebrandhaus, München.
genen. Wir befassten uns mit der Münchner          Zunächst haben wir im Blog einige Fragen da­rü-
Boheme, politischen Freund:innenschaften,          ber beantwortet, wo überhaupt Schnittpunkte
betrunkenen Männern und natürlich einigen          zwischen Frauenbewegung und Boheme existie-
Akteur:innen und Organisationen der bürger-        ren und fanden diese in den Themen, mit denen
lichen Frauenbewegung.                             sich die jeweils zugehörigen Frauen beschäftigten
So wurden im Rahmen unseres geförderten            wie der Ehe, der Prostitution und dem selbst-
Erschließungsprojekts im Digitalen Deutschen       bestimmten Leben. Daher #bloggten wir im
Frauenarchiv erneut zahlreiche Essays und          Online-Magazin „mon_boheme“ über G      ­ abriele
Artikel mit Projektbezug veröffentlicht. Biogra-   Reuter, „Die ‚fast allumfassende‘ Frauenfrage
fische Portraits wurden unter anderem zu Käthe     um 1900“ und die „Die Ehe als Streitfall“. Auch
Schirmacher, Marie Stritt, Ika Freudenberg und     2023 werden wir das Magazin und unsere Web-
                                                   site mit ergänzenden Artikeln bestücken.

       Neue Essays schrieben wir unter
       anderem zu Käthe Schirmacher,
       Ika Freudenberg und Marie Stritt

12
Erwähnung verdient außerdem die Festtags-             welchen Formen wurden Freund:innenschaften
schrift zu Eva Labouvies 65. Geburtstag. Hier-        politisch? Wie waren sie mit Frauenbewegungs-
für verfassten wir einen Artikel über „Betrunke-      geschichte/n, (feminis­tischen) Bündnis­politiken
ne Männlichkeit im Wahlbüro“ und verblüfften          und alternativen Lebensmodellen im 19. und
mit Wendungen rund um eine angefochtene               20. Jahrhundert verbunden?“
Bürgermeisterwahl in Hessen 1925.                     Die Beiträge der diesjährigen Ariadne erzählten
Im Sommer erschien das Heft 78 der Ariadne            von verschiedenen Frauenfreundschaften im
zum Thema „Politische Freund:innenschaft“ –           Verlauf von knapp 100 Jahren. In diesem Heft
und auch mit dieser Ausgabe schafften wir es          ging es um feministische oder frauenpolitische
wieder, einen sehr aktuellen Bezug herzustellen.      Bewegungspolitik, um Bündnis- und Netzwerk-
Denn angeregt durch das breitere Reflektieren         praxis und wie diese auf Beruf, Karriere und
über Solidarisierungen und unterstützendes            gesellschaftliche Position einwirkte sowie um
Netzwerken angesichts der Pandemie und ihren          intime Lebenspraktiken – mit ermutigenden
sozialen Auswirkungen, beschäftigten wir uns          wie entmutigenden Aspekten für die Beteilig-
dezidiert mit ‚Frauenfreundschaften‘ als politi-      ten. Fazit dieses Heftes: Frauenfreundschaften
schem Konzept. Als Co-Redakteurin der Ausga-          waren und sind „lebenswichtig“.
be konnten wir Dr.in Elisa Heinrich, Historikerin     Abschließend gab es einen Einblick in die
am Institut für Zeitgeschichte der Universität        Arbeit des Centre des Archives du Féminisme
Wien, für eine Zusammenarbeit gewinnen.               (CAF) in Angers, das die Mitarbeiterin France
Schon früh hat die Frauen- und Geschlechter-          Chabod für die Ariadne verfasste und in die
forschung freundschaftliche Beziehungen unter         Spezifika und Herausforderungen eines fran-
Frauen* beleuchtet: als Teil einer widerständigen     zösischen Frauenarchivs einführte.
Gegenöffentlichkeit, als besondere Beziehungs-
form innerhalb von Frauenbewegungen oder
als Schauplatz von Liebe, Intimi­tät, Romantik
und Begehren. So fragten wir uns und vor allem
die Autor:innen unserer Ausgabe: „An welchen
Orten, in welchen Zusammenhängen und in

                oben v. li. n. re.: Instagram-Posts
                zur „­allumfassenden Frauenfrage“,
                zu Gabriele Reuter und zu
                „Die Ehe als Streitfall“
                rechts: Titelbild der Ariadne 78
                                                                                                13
o r t g e w a ndt – fahren
 W           entdecken
                      , er
  erkunden,

Unser Jahr 2023 stand unter dem Motto der          verhalten hatten und daher in das KZ-Ravens-
Kooperationen und Veranstaltungen – und wir        brück deportiert wurden. Die Ausstellung wur-
hatten jede Menge Freude, wieder unterwegs         de von diversen Vorträgen und Diskussionen
zu sein.                                           begleitet. In einer Exkursion in die Gedenkstätte
Eine letzte Ausgabe der queer-feministischen       Breitenau, die von der Leiterin Dr. Ann Katrin
Talk-Reihe „Butler, Butch, Beyoncé“ mit uns        Düben und Laura Schibbe organisiert wurde,
als Kooperationspartnerin fand gut besucht         konnten die Verfolgungswege der Christinnen
im März statt. Unter dem Titel „My Body,           Tona Baur und Katharina S­ taritz nach Ravens-
My Choice“ begrüßte Laura N. Junghanns             brück näher beleuchtet werden.
die Gynäkologin Nora Szász, die Ärztin und         Widerständige Frauen beschäftigten uns auch
Medizinhistorikerin Dr. Marion Hulverscheidt       in unserem nächsten Projekt: Die Ausstellung
und Melanie Lyn vom Kinokas-Filmkollektiv, um      „Deutsche und Französische Frauen im Wider-
über die umkämpfte Geschichte und Auswir-          stand 1933–1945“ war seit 2021 geplant,
kungen des Paragrafen 218 zu reden.                musste aber aufgrund des Pandemiegesche-
In Zusammenarbeit mit einem Kasseler Bündnis       hens immer wieder verschoben werden. Im Mai
konnten wir im Mai die Wanderausstellung „Reli-    2022 konnte die Ausstellung dann anlässlich
gion, Widerstand und Verfolgung. (Christliche)     des 77. Jahrestages der Befreiung endlich im
Frauen in der Zeit des Nationalsozialismus“ der    Kasseler Rathaus Eröffnung feiern. Einem gro-
Gedenkstätte Ravensbrück in Kassel eröffnen. In    ßen Publikum wurden dort zehn Frauen aus
dieser Ausstellung wurden 13 Frauen porträtiert,   dem deutschen und französischen Widerstand
die sich aufgrund ihrer Geisteshaltung kritisch    vorgestellt – darunter z. B. die Kasseler Politike-
oder oppositionell gegenüber dem NS-Regime         rin Nora Platiel und die französische Ethnologin
                                                   Germaine Tillion. Begleitet wurde die Ausstel-
                                                   lung von einem breiten Rahmenprogramm,
links: Logo der
                                  Ausstellung „Frei
                                  Leben! Die Frauen der
                                  Boheme 1890-1920“
                                  der Monacensia im
                                  Hildebrandhaus
                                  rechts: Jahresserie
                                  #100JahreCauer

unter anderem mit Vorträgen von Dr. Frauke        Boheme 1890–1920“ beleuchtet die Akteu-
Geyken zu Frauen im Widerstand und einem          rinnen der Münchner Boheme wie Fanny zu
Gespräch über das Leben von Nora Platiel.         Reventlow, Emmy Hennings und Margarete
Im Digitalen schlossen wir an unsere Erfol-       Beutler sowie Themen wie Ehe, freie Mut-
ge der letzten zwei Jahre an. So konnten wir      terschaft oder Schwangerschaftsabbrüche
sowohl die Anzahl unserer Follower:innen als      stehen im Fokus. Als Kooperationspartnerin
auch unsere Reichweite weiter ausbauen –          begleiten wir die Ausstellung während der
im September knackten wir auf Twitter die         Laufzeit bis Juli 2023 mit Blog- und Social-­
1.500 Follower:innen. Aufgrund der Reso-          Media-­Beiträgen und werfen anhand unse-
nanz unserer ersten Social-Media-Jahresserie      rer Expertisen einen eigenen Blick auf die
#125JahreSelbert – aufmerksame Leser:innen        Themen der Ausstellung unter dem Hashtag
der Einblicke erinnern sich – entschlossen wir    #FrauenDerBoheme.
uns, das Format der Jahresserie beizubehalten.    Für alle diejenigen, die keine Social-Media-­
2022 widmeten wir uns anlässlich ihres            Accounts haben, lassen sich eine Vielzahl der Bei-
100. Todestages im August der Frauenrechtlerin    träge in der „Leseecke“ unserer Website finden.
und Publizistin Minna Cauer. ­#100Jahre­Cauer     Im Dezember wurde es dann erneut unge-
beleuchtete in 14 Beiträgen unterschiedliche      halten. Die Stiftung Brückner-Kühner und
Aspekte aus dem Leben der radikalen Frauen-       der S. Fischer-Theater-Medien-Verlag wollten
rechtlerin – von ihren Anfängen in der Frauen­    mit uns gemeinsam an den Erfolg der ersten
bewegung über ihre Tätigkeit als Autorin und      Ausgabe anknüpfen. Die Jury – in der für uns
Publizistin bis hin zu ihren Korres­pondenzen     Gilla Dölle aktiv war – wählte sechs Frauen
und ihren Tagebüchern.                            aus, die am 10. Dezember im Kasseler Rat-
Im Juli begann unsere Kooperation mit der         haus ihre ungehaltene Rede vor Publikum hiel-
Monacensia im Hildebrandhaus, München.            ten. Ein fulminanter Abend im vollbesetzten
Die Ausstellung „Frei Leben! Die Frauen der       Stadtverordnetensaal.

                        links: Plakat der Ausstel­
                        lung „Religion, Widerstand            28 Vorträge
                        und Verfolgung. (Christ­                          ltungen
                                                              18 Veransta               9 Personen
                         liche) Frauen in der Zeit
                                                                9 Archivfüh
                                                                            rungen mit 7
                         des Nationalsozialismus“                                        Personen
                                                                             ngen mit 44
                         Mitte: Büchertisch zur                 4 Stadtführu
                          Ausstellung „Deutsche und
                          Französische Frauen im
                          Widerstand 1933–1945“
                          rechts: Ann Katrin Düben
                          und Laura Schibbe
                                                                                            15
                           ­während der Exkursion
e u n d i n n e n–
   Die Fr             Förderver
                                ein
                               dem
             us
   Notizen a

 DIE JAHRESVERSA MMLUNG:                              und als das AddF 2003 die gleichnamige Stif-
 ­R ÜCKSCHAU AUF 30 JAHRE                             tung gründete, kamen von den Gründungsstif-
  30 Jahre Freundinnen des Archivs der deut-          terinnen fast die Hälfte aus dem Förderverein.
  schen Frauenbewegung – das war bei der              In diesem Jahr fanden turnusmäßige Vor-
  Jahres­versammlung der Freundinnen im August        standswahlen statt: Brigitte Vogler, Gilla D
                                                                                                 ­ ölle,
  willkommener Anlass, zurückzuschauen:               Angela Wickert und Rita Malek wurden in ihren
  Am 13. Oktober 1992 haben sieben „Grün-             Ämtern bestätigt. Konstanze Liebelt wurde aus
  dungsfrauen“ den Förderverein aus der Taufe         ihrem Amt als Schriftführerin nach über 20 Jah-
  gehoben: Sabine Schott-Tannich, Ruth Neuner,        ren engagierter Mitarbeit im Vorstand des För-
  Sabine Hering, Maili Hochhuth, Rita Malek,          dervereins mit großem Dank von Brigitte Vogler
  Astrid Otto und Brigitte Vogler.                    verabschiedet. Als Nachfolgerin wurde Elke
  Der öffentlichkeitswirksame Start erfolgte 1993     Bockhorst gewählt, die dem Förderverein schon
  mit einer Lesung der Karikaturistin Marie Macks     viele Jahre angehört.
  aus ihrem Buch „Marie es brennt“. 400 begeis-
  terte Frauen füllten damals die Aula der Kasse-     DIE VER ANSTALTUNGEN
  ler Ingenieurschule. Seitdem wurden 62 Lesun-       Als Auftakt unserer Veranstaltungsreihe zeigten
  gen von Autorinnen veranstaltet, seit 2003 in       wir im Mai den wunderbaren Dokumentarfilm
  Kooperation mit den Kasseler Bali-Kinos. Auto-      „Bettina“ von Lutz Pehnert, der das spannen-
  rinnen und Publikum schätzen die besondere          de Leben der Liedermacherin Bettina Wegner
  Atmosphäre des Filmtheaters gleichermaßen.          nachzeichnet.
  Eine halbe Million Euro haben die Freundinnen       Mit Helga Schubert, Sonia Mikich und Kathe-
  in den 30 Jahren an Spenden für das AddF            rina Poladjan konnten wir im Herbst drei Auto-
  aufgebracht und mittlerweile liegt das jähr­liche   rinnen nach Kassel einladen, die auf unserer
  Spendenaufkommen bei ca. 20.000 Euro.               Wunschliste für die Lesereihe ganz oben standen.
  ­Viele Freundinnen sind schon seit Jahren dabei     Das Publikumsinteresse war groß: zur Lesung

     ZA HL EN , ZA HL EN
                         , ZA HL EN

derzeit 172 Freundinnen
Einnahmen 2022:                          22.238,36 €
davon Freundinnenspenden:                19.538,36 €

Einnahmen seit Gründung:                600.591,25 €
davon Freundinnenspenden:               503.700,26 €
Die eingeladenen Autorinnen mit den Moderatorinnen aus dem Förder-
        verein. V. li. n. re.: Elke Bockhorst mit Sonia Mikich; Helga Schubert mit
        Petra Koellreutter-Strothmann und Angela Wickert mit Katerina Poladjan

von Helga Schubert aus ihren Erzählungen „Vom        Menschenvertrauen und (fast) keine Angst“
Aufstehen“ kamen über 130 Interessierte. Die         nahm ihr das zahlreiche Publikum sofort ab.
Mitarbeiter:innen der Bali-Kinos kamen aus
dem Staunen nicht heraus, als die Schlange an        SOCIAL-MEDIA-AKTION
der Kinokasse kein Ende nehmen wollte. Helga         ZUM JUBIL ÄUM
Schubert genoss den großen Zuspruch, der den         Im Jubiläumsjahr wagten sich die Freundin-
Start der Lesung verzögerte – sie setzte spontan     nen erstmals auf Social-Media-Kanäle und
die Zugabe an den Anfang: „Man kann doch die         nutzten die jeweiligen Auftritte des AddF. Die
Pünktlichen nicht bestrafen.“ Das Publikum erleb-    Idee einer Social-Media-Aktion war auf der
te eine wunderbare Lesung einer gut aufgelegten      Jahresversammlung vorgestellt worden und
Autorin, die sichtlich Freude am Erzählen hatte.     abschließend stand der Entschluss fest: wir
Katerina Poladjan war bereits 2020 zu Gast           wollen neue, auch jüngere Zielgruppen für
mit ihrem Buch „Hier sind Löwen“, dieses Mal         den Förderverein gewinnen und wollen neben
fesselte sie das Publikum mit einer Lesung aus       den Veranstaltungen auch den Verein selbst
ihrem vielfach preisgekrönten neuen Buch             präsentieren. Es erfolgte ein Aufruf an alle
„Zukunftsmusik“. Der Roman wurde von der             Freundinnen, sich anlässlich des Jubiläums
Literaturkritik als einer der interessantesten des   einmal zu ihrer Motivation, Freundin zu sein, zu
Frühjahrs 2022 beschrieben und angesichts            äußern und warum es sich lohnt, dabei zu sein.
des Russland-Ukraine-Kriegs auch fast ein            Was für schöne Statements uns zugeschickt
„Buch der Stunde“ ist.                               wurden, darüber können Sie sich auch auf der
Auf Sonia Mikich waren alle Anwesenden               Homepage selbst ein Bild machen: https://addf-​
gespannt, denn als Fernseh-Journalistin kann-        kassel.​de/​foerder​verein/​30jahre​freundin​nen.
ten sie viele und wollten sie nun einmal live        An dieser Stelle bedanken wir uns noch einmal
erleben. Sie las aus ihren Lebenserinnerungen        sehr herzlich bei allen, die sich beteiligt haben!
„Aufs Ganze. Die Geschichte einer Tochter aus
scheckigem Haus“, erzählte aus den Kindheits-                Kontoverbindung:
und Jugendjahren, von Widerständen, die ihr
                                                             Freundinnen des Arch
als Frau in der Medienwelt begegneten und                                        ivs der deutschen
                                                             Frauenbewegung e.
von abenteuerlichen Erlebnissen als Kriegs-                                    V.
                                                            IBAN:      DE72 5205 0353 00
reporterin. Ihre Selbstbeschreibung „großes                                              01 0060 87
                                                            BIC:       HELADEF1KAS

                                                Kontakt:
Die Jahresversammlung der
Freundinnen, August 2022                        Gottschalkstr. 57 | D – 34127 Kassel
                                                Tel.: +49 (0)561-9893670
                                                E-Mail: foerderverein@addf-kassel.de
                                                Website: www.foerderverein-addf.de
S t i f t u n g –
 Di e                Or g a n i s a t i o nsform
                         ine
  mehr als e

NEUE GESICHTER UND EIN ABSCHIED                     ­ öfner aus dem Bereich Forschung hat das
                                                    H
Das Jahr 2022 begann für uns mit vielen neuen       AddF im Dezember verlassen. Wir wünschen
Gesichtern. So konnten wir im Januar unsere         ihr für die Zukunft alles Gute. Ab 2023 wird
neuen Kolleginnen Dr. Barbara Krautwald und         Mette Bartels das Forschungsteam verstärken.
Michaela Wilhelm als neue Projektmitarbei-
terinnen im DDF-Projekt „Erschließung und           RUND UM DIE GREMIEN
Digitalisierung von Sammlungsgut“ begrüßen.         Turnusmäßig fand in diesem Jahr die Stif-
Christina Soose startete im Bereich Vermittlung     ter:innenversammlung des AddF statt. Alle
und Öffentlichkeitsarbeit als neue Mitarbeiterin.   fünf Jahre kommen dabei Stifter:innen und
Wir wagten uns aber auch personell an etwas         Stiftungsvorstand zusammen, um allgemeine
Neues und dürfen freudig verkünden, dass Ida        Informationen zu teilen und sich zu beraten.
Krugmann von der Offenen Schule Waldau              Wir bedanken uns bei allen Stifter:innen für die
unsere erste FSSJlerin ist! Im Rahmen ihres         Teilnahme und den konstruktiven Austausch.
Freiwilligen Sozialen Schuljahres steht sie dem     Wer die Einblicke von 2021 aufmerksam gele-
AddF seit Oktober 2022 ein Schuljahr lang           sen hat, weiß, dass es im Stiftungskomitee zwei
zwei Stunden wöchentlich für ehrenamtliche          vakante Positionen im Bereich Kommunikation
Arbeit zur Verfügung.                               und Archiv/Bibliothek zu besetzen gab. Wir
Trotz der immer noch geltenden Auflagen             sind nun froh mitzuteilen, dass wir Claudia
zur Pandemiebekämpfung hatte sich das Lei-          Martin-­Konle (Bibliotheksdirektorin der UB
tungsteam dafür entschieden, ab Herbst wie-         Kassel) für den Bereich Archiv/Bibliothek und
der studentische Praktikantinnen anzunehmen.        Anke Buettner (Leiterin der Monacensia im
Wir sind sehr froh, dass wir damit weiter in die    Hildebrandhaus, München) für die Kommuni-
Normalität zurückkehren, auch wenn wir den          kation als neue Mitglieder gewinnen konnten.
zahlreichen Anfragen für Praktikumsplätze nicht     Sprecherin des Stiftungskomitees ist seit die-
in Gänze nachkommen können.                         sem Jahr Prof. Dr. Susanne Schötz (Professo-
Das Jahr 2022 endete für uns dann noch              rin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, TU
mit einem Abschied. Unsere Kollegin Mirjam          Dresden). Frau Prof. Dr. Susanne Kinne­brock

                                                                                                    ­
                                                                         links: Unsere neuen Mit
                                                                                     en v. li. – Ch rist ina
                                                                         arbeiterinn
                                                                                                    ut­
                                                                          Soose, Dr. Barbara Kra
                                                                          wald, Michaela Wilhelm
                                                                          rechts: Logo FSSJ Kassel
links: Der Platzmangel
                             im Depot wird immer
                             dramatischer sichtbar
                             rechts: Die neue Website
                             des AddF ist online!

(Professorin für Öffentliche Kommunikation,       Zum Abschluss des Jahres gab es dann ein
Universität Augsburg) wurde dieses Jahr in den    Ereignis, auf das wir alle im AddF mit großer
Stiftungsvorstand wiedergewählt und gleich-       Freude und Erwartung geschaut haben: unsere
zeitig als Vorsitzende benannt. Wir gratulieren   neue Homepage ging online. Unzählige Stun-
allen neuen Mitgliedsfrauen und freuen uns auf    den Arbeit flossen in den Transfer von Daten,
die gemeinsame Arbeit.                            das Einstellen von Dossiers, die Überarbeitung
                                                  von Texten, die Bildredaktion, Gespräche mit
ALTE THEMEN UND NEUE SEITEN                       dem Dienstleister und und und …
Unser ständiger Begleiter 2022 war erneut         Neben dem neuen Äußeren der Seite finden
das Thema Raumfindung. Auch dieses Jahr           sich nun auch die Social-Media Reihen des
dominierte die Suche nach geeigneten Räumen       AddF auf der Homepage sowie Querverweise
unseren Alltag. Besonders in den Depots wird      zu allen Blogs und anderen Kooperationspro-
der Platzmangel immer dramatischer sichtbar.      jekten. Wir sind glücklich, zufrieden und stolz
Trotz unseres großen Einsatzes in Gesprächen      darüber, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat
mit Angehörigen des Landtags und der Rathaus-     und das Ergebnis so großartig geworden ist.
fraktionen in Kassel, aber auch mit dem größten   Die neue Homepage ist unter der alten Adresse
Zuschussgeber, dem HMWK und einiger vielver-      addf-kassel.de abrufbar.
sprechender Termine und Besichtigungen mit
Immobilienmakler:innen haben wir auch dieses
                                                                                        EN
Jahr kein passendes Objekt gefunden.                            DIE STI FTU NG IN ZA HL
Durch die Regression der Pandemie hat sich die
Situation in den Büroräumen zunächst wieder
                                                         41 Stifter:innen
etwas entspannt, allerdings muss auch hier wei-
terhin eine langfristige Raum-Lösung gefunden            Stiftungskapital:
                                                                                 194.744,22 €
werden. Daher suchen wir auch 2023 weiterhin            Archiv- und
dringlich nach passenden Räumlichkeiten zur             Bibliotheksbeständ
                                                                           e: 6.694.001,00
                                                        Sachwerte:                         €
Unterbringung von Depot- und Büroräumen.
                                                                                265.900,00 €

                                                                       22:     774.022,75 €
                                                        Einnahmen 20
                                                        davon
                                                                         ft:    19.287,27 €
                                                         Stiftungsgeschä
                                                                               479.069,18 €
                                                         Institut:
                                                                               275.666,30 €
                                                         Drittmittel:
IMPRESSUM
AddF – Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung
Gottschalkstraße 57
D – 34127 Kassel
Tel.: +49 (0)561-989 36 70
Fax: +49 (0)561-989 36 72
E-Mail: info@addf-kassel.de
Website: www.addf-kassel.de
     facebook.com/Archiv.der.deutschen.Frauenbewegung
     instagram.com/addf_kassel
     twitter.com/addf_kassel
IBAN:      DE65 5205 0353 0002 1092 00
BIC:       HELADEF1KAS
Bildnachweise: Soweit nicht anders angegeben AddF – Archiv der deutschen Frauen­bewegung,
Kassel.
S. 4 unten: Screenshot Website Deutsche Digitale Bibliothek ■ S. 8 ­unten: Foto: Stadtarchiv Kassel,
Bild-0.005.497, Dr. Karl Paetow ■ S. 9 oben: Foto: Sonja Rode/AddF ­Kassel ■ S. 10 oben: Filmstill
aus: Hessischer Landtag, Tagung, 9.-10.6.2022, „Gefühlte Demo­kratie - Sektion 1 - Erwartungen:
Hoffnung, Träume, Visionen“, abrufbar auf YouTube unter https://youtu.be/cHDYZWQfyHY; Foto:
Karoline Balser, Stadtarchiv Darmstadt; Foto: Vera Rüdiger, beschnitten, Bundesarchiv, B 145
Bild-F083176-0020/Wegmann, Ludwig/CC-BY-SA3.0, via ­Wikimedia Commons ■ S. 10 unten:
Aktenkonvolut, Stadtarchiv Kassel ■ S. 11 unten: Sonja Rode/AddF Kassel ■ S. 14/15 oben: Logo:
Frei Leben!, Monacensia im Hildebrandhaus, München ■ S. 19 unten: Logo FSSJ-H.
Layoutkonzept: Anett Krumbein, Kassel; Gestaltung: DeinSatz Marburg | lf
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