Eine Schule für Mädchen und Jungen - Handreichung für die gendersensible Arbeit an Bremer Schulen
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Eine Schule für Mädchen und Jungen Handreichung für die gendersensible Arbeit an Bremer Schulen Die Senatorin für Bildung, Freie Wissenschaft und Gesundheit Hansestadt Bremen
Inhalt A | Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 A 1 | Begriffs- und Zielklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 A 2 | Beiträge der Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 B | Thematische Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B 1 | Berufsorientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B 2 | Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B 3 | Mode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B 4 | Sexualerziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B 5 | Sprache und Lesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B 6 | Unterrichtsbeispiele und Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6.1 Berufsausbildung und Arbeitsmarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 6.2 Eltern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6.3 Lehrerinnenrolle und Lehrerrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6.4 MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 6.5 Politik und Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 6.6 Schulprogramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6.7 Sport. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 6.8 Starke Mädchen - starke Jungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 C | Angebote von Kooperationspartnern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 C 1 | Bundesministerium für Bildung und Forschung – Komm, mach MINT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 C 2 | Das Bremer Jungen-Büro. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 C 3 | DGB-Jugend: Der Arbeitskreis „Gender“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 C 4 | GEW-Bremen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C 5 | LidiceHaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 C 6 | Schattenriss – Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen e.V.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C 7 | ZGF Bremen/ Arbeitskreis Mädchenpolitik - Kooperation von Mädchenarbeit und Schule . . . . . . . . . . 66 Mehr Mädchenarbeit an die Schulen - Steckbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 D | Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 D 1 | Linkliste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 D 2 | Literaturliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 D 3 | Literatur und Medien zu Gender-Themen und Berufsorientierung in der Schule. . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Impressum Herausgeberin: Die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit Landesinstitut für Schule Am Weidedamm 20 28215 Bremen 2. Auflage: 300 Stück Erscheinungsdatum: Oktober 2012 1
A A | Einführung A 1 | Begriffs- und Zielklärung Schicht – eine bildungspolitisch nicht mehr hinnehm- „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. . bare Anzahl von problematischen Bildungsverläufen. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Prägend für die äußere, stereotypisierende Wahr- Gleichberechtigung von Frauen und Männern und nehmung von männlichen Jugendlichen im Bildungs- wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ system ist allzu häufig die Annahme fortwährender Artikel 3, Absatz 2 des . Inszenierung einer bildungsfernen, mit Bildungsan- Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland strengungen nicht verträglichen Männlichkeit. Förderung von Gender-Kompetenz „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, die Stadtgemeinden und die anderen Träger der öf- Auf Mädchen und junge Frauen wiederum hat die fentlichen Verwaltung sind verpflichtet, für die gleich- Stilisierung von Fachkulturen, insbesondere bei den berechtigte Teilhabe der Geschlechter in Staat und mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Gesellschaft durch wirksame Maßnahmen zu sorgen.“ Fächern (MINT) eine abschreckende Wirkung. Der Auszug aus Artikel 2 der . Gleichstellungsbericht der Bundesregierung emp- Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen fiehlt: Die in Grundgesetz und Landesverfassung festge- „Gender Mainstreaming und eine geschlechterbe- schriebene gesellschaftliche Aufgabe der Gleichbe- wusste Pädagogik sollten in der Bildungspolitik und rechtigung von Frauen und Männern hat in kaum in den Bildungseinrichtungen zur Durchsetzung glei- einem gesellschaftlichen Bereich in den letzten 40 cher Bildungschancen übergreifend und systema- Jahren derartige Fortschritte gemacht wie im Bil- tisch verankert werden. Dazu gehörten eine nach- dungsbereich. Mädchen und junge Frauen waren haltige Vermittlung von Gender-Kompetenz […].“2 die scheinbaren Gewinnerinnen der Bildungsex- pansion der 1970er Jahre. Heute erreichen sie im Was ist gemeint? Die englische Sprache hat für Durchschnitt höhere und bessere schulische Ab- den Begriff „Geschlecht“ zwei Inhaltsebenen, wobei schlüsse als junge Männer. Auf dem Arbeitsmarkt der Begriff „sex“ für die biologischen Aspekte und können Frauen ihre Qualitäten allerdings noch nicht der Begriff „gender“ für die sozialen und kulturellen in angemessener Weise „ausspielen“. Ein Grund Aspekte und Prägungen von Geschlecht stehen. Der besteht darin, dass traditionell weibliche Dienstleis- ins Deutsche übernommene Begriff „Gender“ rich- tungsberufe, insbesondere im Bereich personen- tet somit den Fokus auf die gesellschaftlich-kulturell bezogener und sozialer Dienste, noch immer als geprägten Rollen, aus denen unterschiedliche In- „Zuverdienerinnen“-Berufe konzipiert sind. Dazu teressen, Bedürfnisse, Kompetenzen und Lebens- kommt, dass Berufs- und Studienwahl immer noch erfahrungen von Frauen und Männern, Mädchen stark geschlechtsbezogen erfolgen, was sich auf die und Jungen resultieren. Geschlecht im Sinne von Verdienst- und Karriere-Chancen von Frauen nach- „Gender“ ist nicht nur biologisch definiert, sondern teilig auswirkt. Schließlich reduziert Mutterschaft eine soziale und kulturelle Kategorie, die historisch während der Ausbildung und Berufseinstiegsphase gewachsen, veränderbar und politisch gestaltbar ist. noch immer die beruflichen Chancen.1 Niemand ist nur männlich oder nur weiblich. Aber wir Menschen leben in einer Welt, die maßgeblich durch Neben der gezielten Förderung von Mädchen zeigt die Zuweisung von Geschlechterrollen geprägt ist. sich heute, dass auch eine jungenspezifische Per- Daher ist es wichtig, Geschlechterdifferenzen wahr- spektive in der schulischen Bildung bezogen wer- zunehmen, sie aber nicht als tradierte Rollenzuwei- den muss. Der Blick auf die Geschicke von Jungen sungen zu verfestigen. Mit „Gender“ sind also immer und jungen Männern in Schule und Unterricht ver- auch Vorstellungen von Geschlecht und Geschlech- deutlicht – in Abhängigkeit vom Alter und sozialer terrollen gemeint, die sich ändern lassen. In der Konsequenz bedeutet „Gender“, nicht stereotyp „die 1 Vgl. Sachverständigenkommission zur Erstellung des Ersten Frauen“ oder „die Männer“ in den Blick zu nehmen, Gleichstellungsberichts der Bundesregierung (Hg.): Neue Wege – Gleiche Chancen, Gleichstellung von Frauen und Männern im Le- benslauf. Essen 2011 (Gleichstellungsbericht), S. 5f. 2 Gleichstellungsbericht, S. 13 4 Handreichung für die gender-sensible Arbeit an Bremer Schulen – Einführung | A
sondern Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit und System Schule Beteiligten ein Bewusstsein von Ge- Vielfalt zu berücksichtigen. schlechterfragen im Sinne einer Gender-Kompetenz voraus. Lehrerinnen und Lehrer sind immer auch Die Gleichstellung der Geschlechter als Staatsauf- Identifikationsfiguren. Dies erfordert den bewuss- gabe im Sinne des Grundgesetzes und der Bremer ten, reflexiven Umgang von Lehrerinnen und Leh- Landesverfassung soll in der Strategie des Gender rern mit geschlechtsspezifischem Rollenverhalten Mainstreaming sichergestellt werden, getragen ins- und geschlechterrelevanten Aspekten im eigenen besondere von allen Akteurinnen und Akteuren der Unterrichtshandeln. Daraus ergibt sich die Anforde- öffentlichen Verwaltung, zu der auch Schule gehört. rung, didaktisch-methodische und organisatorische Mit Gender Mainstreaming wird im international an- Modelle abzuleiten, die beiden Geschlechtern ge- erkannten Sprachgebrauch die Optimierung des recht werden. Unter Bezug auf die strukturellen und Verwaltungshandelns im Hinblick auf die systemati- inhaltlichen Möglichkeiten des Bremischen Schul- sche Beachtung der Lebenswirklichkeiten von Män- gesetzes, § 10 gilt: „Im Unterricht findet eine Tren- nern und von Frauen bei der Planung, Durchführung nung nach Geschlechtern nicht statt; insofern es und Bewertung des eigenen Handelns bezeichnet. pädagogisch sinnvoll ist, kann in Teilbereichen nach Geschlechtern getrennt unterrichtet werden. Lern Gender-Kompetenz beruht auf Wissen und Erfahrung interessen und Lernzugänge beider Geschlechter über das Entstehen von Gender und von Geschlech- sind angemessen zu berücksichtigen.“ terdifferenzen, über die komplexen Strukturen der Es gilt, die vielfältigen Potenziale und Kompetenzen Geschlechterverhältnisse und ihre Konstruktionen, von Jungen und Mädchen zu erkennen und diese insbesondere auch in Organisationen und Institu- wahrzunehmen als individuelle Ausprägungen von tionen. Gender-Kompetenz impliziert Kenntnisse Männlichkeit und Weiblichkeit. über die Prozesse der Aneignung einer geschlecht- Schule ist ein prägender gesellschaftlicher Lebens- lichen Identität und ermöglicht differenzierte Analy- raum, in dem die Ausgestaltung von Geschlechter- sen und Reflexionsprozesse. Sie entsteht auf der verhältnissen maßgeblich stattfindet. Die gender- persönlichen Ebene durch das Stärken von Refle- sensible Arbeit an Schulen beabsichtigt, Mädchen xion und Eigenverantwortung und auf der persona- und Jungen mit ihren individuellen sozialen und len Ebene durch die sensible, reflexive Gestaltung kulturellen Hintergründen auf dem Weg zu einer re- von Geschlechterbeziehungen, beispielsweise in flektierten Identitätsfindung zu unterstützen. Daraus der Kommunikation und Zusammenarbeit in Teams. resultieren gender-orientierte Leitprinzipien des pä- Gender-Kompetenz auf der fachlichen Ebene meint dagogischen Handelns in der Schule. Lehrerinnen die praktische Umsetzung von Gender-Wissen am und Lehrer und andere pädagogische Fachkräfte eigenen Arbeitsplatz und im eigenen Fachgebiet. Die werden sensibilisiert, Dimensionen von Gender-Kompetenz bei Lehrerin- • einerseits die eigenen gesellschaftlich-kulturell nen und Lehrern sind unter 2.2 weiter ausgeführt. geprägten Geschlechterrollen und das daraus resultierende Handeln zu reflektieren und Geschlechter-sensible Arbeit in der • andererseits die spezifischen Lebens- und Ge- Schule fühlslagen von Mädchen und Jungen differen- ziert wahrzunehmen und anzuerkennen. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass sich Gender- Fragen in allen Lebensbereichen widerspiegeln, Die individuellen Unterschiede und Bedürfnisse von nicht zuletzt im Lebensbereich Schule. Schule ist Jungen und von Mädchen innerhalb ihrer jeweiligen kein geschlechtsneutraler Raum. In der Schule wer- Geschlechtsgruppe werden bewusst berücksichtigt den Geschlechtsidentität und Geschlechtsrollen von und nicht bewertet. Jungen und Mädchen werden in Schülerinnen und Schülern gelebt, erprobt, gefestigt, ihrer Unterschiedlichkeit, mit ihren individuellen Inte- verändert, überprüft und erworben. Der Zugang zu ressen, Ressourcen und Kompetenzen wahrgenom- Fächern, das Interesse an Lerninhalten und die Ent- men, mit dem Ziel, ihre Stärken und Potenziale zu scheidung für einen Beruf bzw. ein Studium sind viel- nutzen, zu fördern und einengenden Zuschreibun- fach durch geschlechtsspezifisches Rollenverhalten gen von Geschlechtsrollen entgegenzuwirken.3 und geschlechtsspezifische Erwartungen gesteuert. Geschlechter-sensible Arbeit in der Schule hat 3 Zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Gender- Mädchen und Jungen gleichermaßen im Fokus Perspektive vgl. Karakaşoğlu, Yasemin u.a.: Wissenschaftliche und setzt bei Lehrern und Lehrerinnen und allen im Grundlage für einen „Schulentwicklungsplan Migration und Bil- dung“. Bremen 2011 5
Folgende Ziele lassen sich für das Bremer Bildungs- A 2 | Beiträge der Akteure system bestimmen: • Aufbau, Entwicklung und Förderung von Gen- 2.1 Senatorin für Bildung, Wissenschaft der-Kompetenz bei Lehrerinnen und Lehrern, und Gesundheit (SfBWG): Rahmen pädagogischen Fachkräften und Schülerinnen und Schülern setzung, Beratung und Personalakquise • Förderung von reflektierten weiblichen und Die SfBWG schafft mit der Ressourcenausstattung männlichen Rollenbildern und Identitätsmustern den personellen und materiellen Rahmen für die bezogen auf den Umgang mit der eigenen Ge- gender-sensible Arbeit mit Schülerinnen und Schü- sundheit, auf sinnerfüllte Tätigkeit, auf soziale lern an Bremer Schulen. Sie konzipiert die Berufs- Beziehungen, materielle Sicherheit, sowie auf und Studienorientierung in einer Weise, die die Werte und Normen und kulturelle und religiöse systematische Auseinandersetzung mit den individu- Prägungen ellen Lebens- und Berufsentwürfen in einer gender- • Förderung und Unterstützung von Mädchen und orientierten Perspektive einerseits und die kritische Jungen im Prozess der individuellen sexuellen Betrachtung der ungleichen Bedingungen für Frau- Identitätsfindung durch kritische Reflexion ge- en und Männer auf dem Arbeitsmarkt andererseits sellschaftlich und kulturell prägender Normen berücksichtigt. Sie steuert den jährlichen Girls’ Day so, dass dieser ein gender-orientiertes Element in • Stärkung und Ausbau von Selbstkompetenz und den schulischen Konzepten zur Berufs- und Studien sozialen Kompetenzen hinsichtlich Team-, Kom- orientierung darstellt und insbesondere dazu dient, munikations-, Empathie- und Konfliktfähigkeit das nachteilige Berufswahlspektrum von Frauen zu sowie eines reflektierten und konstruktiven Um- erweitern. gangs mit Gefühlen • Flexibilisierung und Reflexion geschlechtsbe- Die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszen- zogener Rollenbilder, die der realen Vielfalt von tren (ReBUZ) berücksichtigen in der Beratung von Partnerschafts- und Lebensmodellen für Männer Schülerinnen und Schülern im Einzelfall, ob das vor- und Frauen Rechnung tragen und die individuel- liegende Problem einen Gender-Konflikt einschließt. le Wahlmöglichkeiten erweitern • Erweiterung des Berufswahlspektrums von Mäd- Einen besonderes Augenmerk legt die Senatorin chen und Jungen jenseits geschlechtsstereoty- für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit auf den per Einengungen Gender-Aspekt in der Personalakquise: Seit Ende der 60er-Jahre geht der Anteil an männlichem Lehr- • Initiierung und Unterstützung von Forschungs- personal in den Grundschulen beständig zurück. vorhaben, die sich mit den Lebenswelten von Aktuell sind an den Bremer Grundschulen nur ca. Mädchen und Jungen unterschiedlicher sozia- 12% Lehrer beschäftigt. 16 von 74 Grundschulen ler und kultureller Herkünfte auseinandersetzen haben keinen einzigen männlichen Lehrer, 18 nur und für die schulische Praxis nutzbar gemacht einen einzigen. Gleichzeitig nimmt die Präsenz von werden können Männern in der Kindererziehung auch im familiären • Gezielte gender-orientierte Maßnahmen zur Ver- und vor- und außerschulischen Bereich ab. Ebenso besserung der Bildungschancen von Mädchen wird das Lehramtsstudium insgesamt zunehmend und Jungen mit Migrationshintergrund sowie von Frauen gewählt, so dass auch in den anschlie- von Jungen und Mädchen aus bildungsferneren ßenden Schulstufen inzwischen der Frauenanteil auf Familien über 50% gestiegen ist (im beruflichen Bereich steigt er ebenfalls ständig, liegt aber noch knapp unter 50%). Für eine ausgewogene Erziehung ist jedoch nach Ergebnissen der Gender-Forschung für Jun- gen wie für Mädchen eine Auseinandersetzung mit beiden Geschlechterrollen bzw. ein entsprechendes Identifikationsangebot unbedingt notwendig. Daher reagiert die SfBWG auf die abnehmende Präsenz von männlichen Lehrern an Grundschulen mit dem Kooperationsprojekt „Männer in die Grundschule“. 6 Handreichung für die gender-sensible Arbeit an Bremer Schulen – Einführung | A
Aus einer Auftaktveranstaltung im Dezember 2009 hören zumindest Kenntnisse über die Frau- gingen drei Arbeitsgruppen mit Interessierten aus en- und Männerbewegung, Zahlen und Fakten Senatorischer Behörde, Universität, Landesinstitut zur Situation der Männer und Frauen in der für Schule (LIS) und Schulen hervor, die in der Folge Gesellschaft sowie schulspezifisch die Ent- jeweils einen der identifizierten Schwerpunkte bear- wicklung der Koedukation in Deutschland. beiteten: • Politisch: Die Gleichberechtigung der Geschlech- • AG Ausbildung ter ist innerhalb unserer Demokratie ein Grund- Wie lassen sich Netzwerke aufbauen, die Män- recht, das aber bedeutungslos bleibt, wenn es ner im Studium und im Vorbereitungsdienst op- nicht von den Bürgerinnen und Bürgern wahr- timal ansprechen und sowohl für Nachwuchs genommen wird. Daher muss sich die Lehre- sorgen als auch helfen, die Abbrecherquote zu rin/der Lehrer nicht nur in ihrer/seiner Rolle als verringern? Vorbild und als Vermittlerin/Vermittler demokrati- scher Prinzipien unserer Gesellschaft begreifen • AG Kontakte und Projekte lernen, sondern sollte darüber hinaus von der Wie lassen sich frühzeitig Erfahrungsmöglich- grundsätzlichen Veränderbarkeit gesellschaftli- keiten für junge Männer im Berufsfeld Grund- cher (Geschlechter-)Verhältnisse überzeugt sein. schule schaffen, um Interesse zu wecken und Schwellenangst von vorneherein zu minimie- • Diagnostisch: Um auf die heterogenen Be- ren? dürfnisse der Kinder eingehen zu können, brauchen die Lehrerinnen und Lehrer fundier- • AG Imageförderung te diagnostische Kompetenzen. Dazu zählen Wie lässt sich das Image des Berufes Grund- auch die Fähigkeiten, die eigene Geschlech- schullehrer verändern, so dass auch Männer terrolle zu reflektieren und das Unterrichtsge- diesen Beruf attraktiv finden? schehen geschlechter-sensibel einschätzen zu können, über vielfältige Deutungsmuster zu 2.2 Universität Bremen und verfügen und sich der symbolischen Reprä- Landesinstitut für Schule: Aus- und sentationen von Ungleichheit bewusst zu sein. Fortbildung von Lehrerinnen und • Didaktisch und methodisch: Um den Interessen Lehrern und unterschiedlichen Fähigkeiten der Jungen und Mädchen gerecht zu werden, brauchen die Die Lehrerinnen und Lehrer gehören für ihre Schü- Lehrer/innen die Kompetenz, ihren Unterricht lerinnen und Schüler zu den wichtigsten Bezugsper- methodisch vielfältig zu gestalten. Es gilt, die sonen außerhalb der eigenen Familie, da sie nicht Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen in- nur Wissen vermitteln, sondern eine Vorbildfunktion tegrieren zu können. Dies spricht für eine Öff- übernehmen und spezifische Werte und Normen nung des Unterrichts nach innen und außen. der Institution Schule verkörpern. Daher ist für eine Lehrkräfte sollten sich über die „Dramatisie- geschlechtergerechte Bildung eine entsprechende rung“ der Geschlechter (z.B. in monoedukati- Schulung und Ausbildung der Lehrkräfte notwendig, ven Unterrichtsphasen) im Klaren sein sowie denn diese „müssen zunächst einmal ein Bewusst- Strategien zur „Entdramatisierung“ entwickeln sein davon entwickeln, dass sie als mögliche Identifi- können. Schließlich ist bei der Auswahl von kationspersonen für Mädchen bzw. Jungen entschei- Unterrichtsinhalten auf eine angemessene Prä- dende Bedeutung in deren Sozialisationsprozess senz von Frauen- und Männerrollen zu achten. gewinnen.“ 4 In der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer sollen die folgenden geschlechterspezifi- So beschriebene Gender-Kompetenz von Lehrerin- schen Kompetenzen berücksichtigen werden: 5 nen und Lehrern stärkt ein gender-sensibles, professi- • Historisch: Lehrerinnen und Lehrer sollten onelles pädagogisches Handeln. Lehrkräfte erwerben Kenntnisse von der historischen Bedeutung die Kompetenz zur reflexiven Selbstbeobachtung. von Geschlechterhierarchien und dem langen Sie nehmen Schülerinnen und Schüler in ihrer Indi- Weg zur Gleichberechtigung haben. Dazu ge- vidualität mit all ihren Potenzialen wahr und eröffnen ihnen unterschiedliche Sichtweisen und vielfältige 4 Kraul,Margret/Horstkemper, Marianne: Reflexive Koedukation Entwicklungsmöglichkeiten. Schülerinnen und Schü- in der Schule, Mainz 1999. S. 311 ler werden unterstützt und ermutigt, eine eigene Ge- 5 Die Ausführung orientiert sich an: Heinzel, Friederike/Henze, schlechteridentität in einer interkulturellen, demokra- Rabea/Klomfaß, Sabine: Eine Schule für Mädchen und Jungen, Praxishilfe mit Unterrichtsentwürfen für eine geschlechterge- tischen Gesellschaft zu entwickeln und zu leben. rechte Bildung. Publikation der GEW. Frankfurt a.M. 2007. S.56 7
Die Universität Bremen weist in ihrem Angebot für die A. Die eigene Rolle als weibliche oder Lehramtstudiengänge kontinuierlich Veranstaltungs- männliche Lehrkraft reflektieren angebote mit Gender-Bezug aus. Im Wahlpflichtbe- reich Heterogenität werden Vorlesungsbeiträge und 1. Individuelles Selbstbild – Wie verorte ich Vertiefungsseminare vorgehalten, die ausdrücklich mich als Mann oder Frau? die Differenzkategorie Gender hinterfragen und bei- spielsweise den Bereich der Rollenerwartungen und Wie nehme ich mich als männliche oder weibli- -erfahrungen von Lehrerinnen und Lehrern thema- che Identifikationsfigur für meine Schülerinnen und tisieren. Auch in fachdidaktischen Seminaren soll Schüler wahr? Wie hat meine Biografie mein Bild verbindlich die Gender-Perspektive behandelt wer- von Männlichkeit und Weiblichkeit geprägt? den, z.B. zur Leseförderung und Leseinteressen von Jungen. Neben vielfältigen Fähigkeiten, die eine gute Lehr- kraft ausmachen, spielt die Persönlichkeit eine be- Weiterhin ist die Universität Kooperationspartner im sondere Rolle. Daher sollte sich die Lehrerin bzw. Projekt „Männer in die Grundschule“ und betreibt der Lehrer auch darüber klar werden, welches Bild gezielte Informations- und Qualifizierungsarbeit für sie oder er von sich als Frau oder Mann hat, lebt männliche Studieninteressierte. und nach außen vermittelt. Diese Selbstwahrneh- mung ist auch kulturell geprägt und ein Teil der eige- Das Landesinstitut für Schule berücksichtigt den Er- nen Biografie. Auch die Wahrnehmung anderer und werb der Gender-Kompetenz in der zweiten Phase insbesonders von Menschen mit anderen kulturellen der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern und in Muster wird wesentlich dadurch geleitet. Eine geziel- seinem Fortbildungsangebot. te Selbstreflexion der eigenen Wahrnehmung von Geschlechterrollen und deren kulturellen Prägung 2.3 Schulen: Reflexiver Prozess schafft Lehrerinnen und Lehrern die Voraussetzung der gendersensiblen Schul- und dafür, sich und ihren Schülerinnen und Schülern un- Unterrichtsentwicklung terschiedliche Sichtweisen und Handlungsspielräu- me zu eröffnen. „Solche Selbstreflexionen sind ohne Die folgenden „Zehn Fragen an eine gender-sensible Gender-Kompetenz – also ein Wissen um die Ge- Bildung“ sind geeignet, die Arbeit an Schulen zu be- schlechterstereotype, um die symbolischen Reprä- gleiten. Zur Umsetzung haben Schulen die Möglich- sentationen, die sich immer wieder selbst bestätigen keit, die mit den Fragen verbundenen Anregungen – nicht zu leisten.“ zur Grundlage für Fortbildung, schulinterne Lehrer- fortbildung und Leitbildentwicklung zu machen. Die Literatur- und Surftipps Fragen bieten eine Brille zur Prüfung von schulischer Praxis und schulischen Konzepten, beispielsweise in Thies, Wiltrud/Charlotte Röhner: Erziehungsziel Geschlechterdemokratie. Weinheim (2000). S. 57-60. den Bereichen Leitung, Elternvertretung, Schülerin- nen- und Schülervertretung sowie für Konzepte zur Drogand-Strud, Michael: Train the trainer – Berufs- und Studienorientierung, Beiträge der Fä- Gendersensible Didaktik. In: Schule im Gender cher im Rahmen des schulinternen Curriculums und Mainstream, Denkanstöße – Erfahrungen – Perspektiven. Projektvorhaben. Jahrgangsteams oder Fachgrup- Hg. v. Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Landesinstitut für pen haben die Möglichkeit, den Aspekt der Gender- Schule. Düsseldorf, Soest (2005). S. 228-232. Sensibilität in ihre kollegiale Hospitation einzubezie- hen. www.learnline.schulministerium.nrw.de Die Antworten auf die zehn Fragen beschreiben Kri- terien für geschlechtergerechte Schule auf den drei Ebenen A. persönliche Haltung der Lehrkraft, B. Unterricht und Schulleben, C. Schule als Institution. Vertiefende Literatur- und Internethinweise ergänzen die einzelnen Fragen und Antworten. 8 Handreichung für die gender-sensible Arbeit an Bremer Schulen – Einführung | A
2. Professionelles Selbstbild – Wie verhalte 3. Wie unterstütze ich die Vielfalt der sozial ich mich als weibliche oder männliche und kulturell geprägten Lebensentwürfe Lehrkraft? von Schülerinnen und Schülern? Wie prägen meine persönlichen gender-bezogenen Wie kann ich Schülerinnen und Schüler motivieren Muster mein professionelles Handeln als Lehrer und unterstützen, ihre eigenen Lebensentwürfe zu oder Lehrerin? reflektieren und bewusst zu gestalten? Was genau die einzelne Lehrkraft in ihrem Unterricht Faulstich-Wieland hat darauf eine klare Antwort: und dessen schulischem Umfeld wahrnimmt und wie „Wenn man Mädchen und Frauen ebenso wie Jun- sie das Wahrgenommene bewertet, ist wesentlich gen und Männer als Subjekte ihrer Handlungen ak- davon abhängig, welche erlernten Deutungsmuster zeptiert, dann geht dies nur durch ein Ernstnehmen ihr zur Verfügung stehen. Aus der pädagogischen ihrer Einstellungen und Wünsche und durch eine Professionsforschung wissen wir, dass für diese Auseinandersetzung damit.“ Dazu ist es zunächst Aufgabe reflexive biographische Arbeit unterstüt- einmal sinnvoll, den eigenen Lebensentwurf in Be- zend ist, um „… die Möglichkeit einer Auseinander- zug auf den kulturellen Hintergrund, Familienvor- setzung mit dem eigenen Handeln, den eigenen stellungen, sexuelle Orientierung etc. in den Blick Handlungs- und Deutungsmustern, der eigenen zu nehmen. Als heterosexuelle Lehrkraft aus der bil- Person in den pädagogischen Interaktionen und dungsnahen oberen Mittelschicht, in der Regel ohne Prozessen mit den Schülerinnen und Schülern re- Migrationshintergrund, muss ich mich zum Beispiel flektieren zu können.“ (Bastian/Helsper 2000, S.182). fragen, ob ich meinen Lebensentwurf als „Norm“ Ein professionelles Selbst zu entfalten meint da- (also als „norm“-al) ansehe und andere Lebenskon- her in diesem Zusammenhang, die persönlichen zepte für mich „anders“ im Sinne von abweichend, Erfahrungen mit den Ergebnissen der Forschung bzw. weniger „richtig“ sind? Dasselbe gilt für meine in Beziehung zu setzen, um sodann das eigene Vorstellung von Familie: Welches Familienmodell ist Handlungsrepertoire in Bezug auf das Ziel einer für mich „Norm“? Respektiere ich andere Modelle geschlechtergerechten Bildung weiterzuentwickeln. tatsächlich oder transportiere ich nach außen, mein Dabei können Lehrerinnen und Lehrer natürlich Lebensentwurf sei doch der bessere für meine Schü- auch auf externe Beratung zurückgreifen, um die lerinnen und Schüler und daher das Erstrebenswerte? verschiedenen Deutungs- und Handlungsmuster zu reflektieren und mehr Sicherheit für das eigene päd- Um Intoleranz und Diffamierung zu verhindern, muss agogische Handeln zu gewinnen. Das Wissen über ich zu allererst selber von deren Unrechtmäßigkeit Ergebnisse der Koedukations- und Genderforschung bzw. von der Rechtmäßigkeit und Gleichberechti- und der Fachdidaktik einerseits, sowie Supervision gung anderer, vielfältiger Lebensentwürfe überzeugt und Reflexion über die eigenen Verhaltensweisen sein. Mache ich immer deutlich, dass sexuelle und andererseits helfen, die Interaktionen im Unterricht kulturelle Diskriminierungen und Abwertungen von bewusst zu gestalten und zu verändern. Das pro- Personen und Lebensentwürfen in meinem schu- fessionelle Selbst wird so zunehmend in die Lage lischen Umfeld und meinem Unterricht nicht er- versetzt, Unterrichts- und andere Schulsituationen wünscht sind? besser einzuschätzen und Lösungen für auftretende Probleme zu entwickeln, statt diese gewollt oder un- gewollt zu verstärken. Literaturtipp Literatur- und Surftipps Bastian, Johannes/ Werner Helsper, Sabine Reh, Carla Mit Vielfalt umgehen: Sexuelle Orientierung und Diversity Schelle (Hg.) : Professionalisierung im Lehrberuf. Von der in Erziehung und Beratung. Handbuch vom europäischen Kritik der Lehrerrolle zur pädagogischen Professionalität. Projekt TRIANGLE (Transfer of Information to Combat Opladen (2000). Discrimination Against Gays and Lesbians in Europe). . Im Internet unter: www.diversity-in-europe.org Kinderwelten – Projekt zur Verbreitung vorurteilsbewuss- KomBi (Kommunikation und Bildung) – Berliner ter Bildung und Erziehung an Kindertageseinrichtungen Bildungseinrichtung zu Diversity, Gender und Sexueller (getragen vom Institut für den Situationsansatz an der Identität: www.kombi-berlin.de Freien Universität Berlin): www.kinderwelten.net 9
B. Unterricht und Schulleben 5. Jungen und Mädchen in einer Klasse - gendergerecht gestalten wie gestalte ich den gemeinsamen Arbeits- und Lebensraum? 4. Wie erkenne und bewerte ich im Schulalltag genderorientierte Wie kann ich dazu beitragen, dass meine Schüle- Rollenzuweisungen? rinnen und Schüler die Schule als gemeinsamen Lebensraum positiv erleben? Welchen Stellenwert Was fällt mir bei der Unterrichtsbeteiligung von Jun- haben demokratische Werte (Respekt, Gleichberech- gen und Mädchen auf? Wie nehme ich das Miteinan- tigung, kulturelle Vielfalt etc.) in meinem Unterricht? der der Schülerinnen und Schüler wahr? In welchen Situationen neige ich zu geschlechterstereotypen Zu- Die Schule stellt einen gemeinsamen Lebensraum weisungen? für Schülerinnen und Schüler sowie das gesamte Schulpersonal dar, in den alle Beteiligten ihre Erfah- Wie überall, so finden auch in der Schule laufend rungen, Wünsche, Ängste etc. einbringen. Dieser Eigenschaftszuweisungen statt, die als selbstver- Ort (insbesondere die eigene Klasse) ist für die Kin- ständlich wahrgenommen werden. Sie fallen im täg- der ein erster (halb-)öffentlicher Raum, in dem sie lichen Allerlei gar nicht auf. Als Beispiel dafür eine ihre Vorstellungen von dem ausprobieren können, Unterrichtsbeobachtung: Fünfte Stunde. In der sieb- wer und wie sie sein wollen. Die Suche nach der ge- ten Klasse ist es mal wieder sehr unruhig. „Es sind schlechtlichen Identität ist dabei eine wichtige biogra- v.a. vier Schüler in der letzten Reihe, die überhaupt phische Aufgabe, die sich an gesellschaftlichen Vor- nicht bei der Sache sind und stattdessen einander bildern von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit orientiert. wechselseitig die Hefte wegnehmen und sich spaß- Im Spannungsfeld zwischen eigenen Vorstellungen haft schlagen. Die Lehrerin denkt bei sich: ‚Typisch und den unumgänglichen Eigenschaftszuweisungen Jungen! Jungen in diesem Alter schaffen es einfach der anderen entwickelt sich die Persönlichkeit: Was nicht, still zu sitzen und aufzupassen.’“ (Breidenstein/ will ich und was sehen die anderen in mir? Diese Heinzel 2001, S.16) Prozesse werden von dem pädagogischen Perso- nal einer Schule begleitet und unterstützt. Es soll- Die Lehrerin sieht in dieser Situation nur die vier „Stö- te darauf geachtet werden, dass für die individuelle rer“. Für sie bestätigt sich ein Stereotyp: Jungen stö- Entwicklung des Kindes genug Raum bleibt. Es soll- ren den Unterricht. Sie übersieht völlig die Mehrzahl ten Möglichkeiten geschaffen werden, die Wahrneh- der nicht störenden Jungen. Dieses Beispiel zeigt mungen des Selbst und der anderen zu reflektieren, nicht nur, dass die Wahrnehmung des Miteinanders ggf. zu korrigieren oder zu bestärken. Das Spiel mit im Schulunterricht selbstverständlich immer subjektiv anderen Rollen gibt den Jungen und Mädchen Gele- ist, sondern auch, dass das eigene Erleben durch ge- genheit, neue Verhaltensweisen und Gefühle zu in- sellschaftlich verbreitete und verinnerlichte Stereotype szenieren und ggf. alte Vorbehalte zu revidieren und gelenkt und bestärkt wird. Ein Stereotyp gibt letztlich bietet die Bühne für Probehandeln. nichts anderes als einfache Erklärungsmuster vor, die genau dann angewendet werden, … wenn es gerade Für Kinder soll Schule der Ort sein, an dem sie die ‚passt’, d.h. wenn es bestimmte Ausschnitte des sozi- anderen respektieren lernen und selbst als Person alen Geschehens zu erklären vermag. Im Zuge dieser Akzeptanz finden. Das heißt, der schulische Alltag situativen Aktualisierung bestätigt sich die Zuschrei- muss sich an demokratischen Werten orientieren. bung dann selbst.“ (Breidenstein/Heinzel.2001, S.16) „Ziel ist die Sensibilisierung für Abwertung und Aus- grenzung, ihre Überwindung durch gemeinsame Was kann ich also als Lehrkraft tun? Wir sind vor Ste- Aktivitäten, aber auch die Toleranz gegenüber Wün- reotypisierung nicht gefeit. Weitgehend unsichtbare schen, auch Rückzug in eigene Räume.“ (Horstkäm- stereotype Einstellungen und Verhaltenszuschrei- per 2002, S.58) bungen unterlaufen uns allen im Alltag immer wieder. Wollen wir uns davor schützen und vor allem die uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler gilt es, die ei- gene Diagnosefähigkeit und Sensibilität zu schulen. Literatur- und Surftipps „Online Fallarchiv Schulpädagogik“ mit Fällen, Fallanalysen und Handlungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Breidenstein, Georg /Helga Kelle: Geschlechteralltag Schulpädagogik sowie mit Literaturhinweisen zur in der Schulklasse. Ethnographische Studien zur pädagogischen Fallarbeit: . Gleichaltrigenkultur. Weinheim, München 1998 www.unikassel.de/fb1/heinzel/fallarchiv/ 10 Handreichung für die gender-sensible Arbeit an Bremer Schulen – Einführung | A
Insgesamt geht es aus pädagogischer Sicht darum, die Jungen fühlen sich durch den Inhalt nicht an- „dass die Jugendlichen lernen, sich selbst als Ak- gesprochen. Ebenso wird eine einseitig zugespitz- teure/innen der eigenen Biografie zu begreifen und te Thematisierung von ‚Männlichkeit’ in der Schule gesellschaftliche Bedingungen – und dazu gehören letztlich wenig dazu beitragen, eine adäquate Bear- auch die Geschlechterverhältnisse – als historisch beitung des Geschlechterthemas zu erreichen. gewordenen und deshalb veränderbaren Kontext des eigenen Handelns zu erkennen.“ (Lemmermöh- Viele Interessen der Kinder sind geschlechterspezi- le 1997, S.425) fisch gefärbt. Daher muss didaktisch weiter gefragt werden: Wie finde ich (in Physik, Tanz, Deutsch- und Literatur- und Surftipps Fremd-/ Zweitsprachenlektüre, Chemie, Mathema- tik, Biologie, Sport) Möglichkeiten, die vielfältigen Horstkemper, Marianne: . Vorlieben und Interessen der Schülerinnen und Eine Schule für Jungen und Mädchen. In: Pädagogische Führung 2/2002. S. 58-59.. Schüler ausreichend zu berücksichtigen (subjektive Lemmermöhle,Doris: Berufs- und Lebensgestaltung im Seite) und ihnen die Relevanz der Unterrichtsinhalte gesellschaftlichen Modernisierungsprozess. In: Deutsche (objektive Seite) zu verdeutlichen? Schule 89/1997. Unterrichtsmaterialien zur Arbeit an der eigenen Geschlechterrolle und sozialen Kompetenzen: www.neue- Literaturtipps wege-fuer-jungs.de: „Gute Beispiele“ Schnack, Dieter./ Neutzling,Rainer: . Kleine Helden in Not. 1990 überarbeitete Ausgabe 2011) 6. Durch welche Inhalte kann ich dazu Mörth,Anita./ Hey, Barbara: . beitragen, dass Geschlechterstereotype im Geschlecht und Didaktik. 2010 Alltagsleben und in der Berufsorientierung Ruhnau, Barbara: . reflektiert und reduziert werden? Geschlechtersensible Didaktik. 2008 Kommen in meinen Unterrichtsinhalten Männer und Frauen zu gleichen Teilen und in vielfältigen, nicht 7. Sind die Methoden in meinem Unterricht nur stereotypisierten Rollen vor? Sind meine Unter- geeignet, Schülerinnen und Schüler – richtsmaterialien so konzipiert, dass sie unterschied- auch in ihrer kulturellen Heterogenität – liche und auch ungewohnte Identifikationsmöglich- individuell zu fordern und zu fördern? keiten für Jungen und Mädchen beinhalten? Nutze ich vielfältige Methoden, um meinen Schüle- Zunächst ein Beispiel: Eine engagierte Geschichts- rinnen und Schülern unterschiedliche Zugänge zu lehrerin versucht, ihre Schülerinnen mit mühevoll den Unterrichtsinhalten zu ermöglichen? aufbereiteten, frauenspezifischen Themen anzu- sprechen, wie z.B. „Die Frau im alten Ägypten“. Von Auch methodisch gilt es, aufmerksam auf den Un- vornherein entscheiden sich die Jungen der Klasse terricht zu schauen: Es gehört zum Schulalltag wie für andere wählbare Themen. Nach anfänglicher Be- selbstverständlich in manchen Situationen von der geisterung wählen die Schülerinnen bei den nächs- Geschlechterunterscheidung Gebrauch zu machen. ten Angeboten wieder ‚richtige’ Themen und wollen Ganz pragmatisch und schnell entstehen dann doch nicht ‚für immer’ auf das Thema ‚Frauen’ festgelegt wieder zwei Gruppen, die Mädchen und die Jungen. sein. Die Lehrerin begreift nach einigen Gesprächen Aber gegen diesen (unbewussten) Automatismus mit ihren Schülerinnen, dass die Ablehnung ihrer An- muss gefragt werden: Wo, wie und mit welchem gebote darin begründet sein kann, dass die (in die- Ziel mache ich mir die Geschlechterdifferenz in der sem Fall einseitige) Dramatisierung von Geschlecht Strukturierung des schulischen Alltags zunutze? In auf Dauer kontraproduktiv wirkt. Die Mädchen stel- welchen Situationen spreche ich Kinder als „Mäd- len eine wichtige Frage: „Warum gibt es unter allen chen“ oder als „Jungen“ an? Eine organisatorische, Themen, die Sie uns anbieten, das Thema ‚Frauen’, pädagogisch nicht begründete Trennung in Jungen- aber nicht das Thema ‚Männer’? Wer sind wir, dass und Mädchengruppen trägt eher zur Verstärkung wir das Besondere brauchen, uns aber im Allgemei- von Geschlechterstereotypen bei. Dabei kann mono- nen nicht wiederfinden?’“ edukative Gruppenarbeit durchaus eine positive Wir- kung haben, wenn dem Bedürfnis der Kinder Rech- Das Beispiel zeigt, dass eine einseitige Thematisie- nung getragen wird, sich als Mädchen oder Junge zu rung des Weiblichen kontraproduktiv sein kann. Die inszenieren, d.h. auch die eigene Geschlechteriden- Mädchen erleben dies und sich als Spezialfall und tität entwickeln zu können. 11
Auf der Basis pädagogischer Verantwortung gegen- wertvolle Unterstützung bieten. Gute Beispiele sollte über den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schü- da vor allem auch die Berufsorientierungsphase in ler kann vorübergehend monoedukativer Unterricht der Schule bieten. explizit didaktisch begründet sein. Literatur- und Surftipps Eine gute Möglichkeit, den Unterricht methodisch geschlechtergerecht zu gestalten, ist der Einsatz von Jansen-Schulz, Bettina: Genderorientierte Elternarbeit Formen offenen Unterrichts, in dem selbstständiges am Beispiel der Berufsorientierung und Lebensplanung. In: Schule im Gender Mainstream, Denkanstöße – Lernen möglich wird, sowie handlungs- oder projekt- Erfahrungen – Perspektiven. Hrsg.: Ministerium für orientiertes Lernen, individualisiertes Lernen und ge- Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein- zielte Gruppenarbeit. Denn diese Unterrichtsformen Westfalen, Düsseldorf, und dem Landesinstitut für berücksichtigen die Heterogenität der Schülerinnen Schule, Soest, 2005, S. 185-189. und Schüler, sie können ihre jeweiligen Interessen www.genderundschule.de: Website der Vernetzungsstelle stärker einbringen und vielfache soziale Beziehun- für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und gen knüpfen, in denen sie eine Anerkennung ihrer Gleichstellungsbeauftragte des Landes Niedersachsen für individuellen Persönlichkeit erfahren. Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie interessierte Eltern. Anregungen zur ‚Elternarbeit‘ unter dem gleichen Stichwort. Literaturtipp Prengel, Annedore: Vielfalt durch gute Ordnung im Anfangsunterricht. Opladen 1999 9. Wie entwickeln wir an der Schule ein gender-gerechtes Gesamtkonzept? C. Die Schule als demokratische und gender-gerechte Institution Wie funktioniert die teamorientierte Entwicklung eines weiterentwickeln solchen Rahmenkonzeptes? Gibt es für schulische Projekte zur geschlechtergerechten Bildung Unter- 8. Wie werden Eltern als Väter und Mütter stützung von der Schulleitung? Wie gelingt es, Un- mit ihren vielfältigen ethnisch-kulturellen terrichtsprojekte in ein Gesamtkonzept einzubinden? und sozialen Hintergründen einbezogen? Einzelne Maßnahmen sensibilisieren und inspirieren, Gelingt es, mit Eltern einen gemeinsamen oder zu- aber sie reichen nicht aus, um eine geschlechterge- mindest gegenseitig respektierten Anspruch an eine rechte Schule und Bildung zu erreichen. Denn die geschlechtergerechte Erziehung zu erarbeiten? Wel- Entwicklung der Geschlechteridentität der Jungen che Hindernisse gilt es möglicherweise zu überwin- und Mädchen findet während der gesamten Schul- den, um gemeinsam mit den Eltern für die Chancen zeit statt. Grundschulkinder suchen etwas anderes und Rechte der Jungen und Mädchen einzustehen? als Jugendliche in Berufsfindungsphasen. Es geht nicht darum, die Schule nur noch durch eine ‚Ge- Durch die Einbindung der Eltern können die Be- schlechterbrille’ zu sehen, aber wenn das Ziel eine mühungen für eine geschlechtergerechte Schule geschlechterbewusste Schule ist, sollte die ganze bedeutend unterstützt und verstärkt werden. Eltern- Schule die Beschäftigung mit der Geschlechterthe- abende, auch „Väterabende“ oder „Mütterabende“ matik als gemeinsame und fortwährende Aufgabe oder Elternseminare bieten dafür gute Gelegenhei- akzeptieren und entsprechende Schwerpunktprojek- ten. Es ist kaum möglich, eine nachhaltig geschlech- te durchführen, um die Jungen und Mädchen opti- tergerechte Bildung zu verwirklichen, wenn das Um- mal zu fördern. Tragen alle Lehrerinnen und Lehrer feld der Kinder und Jugendlichen dies nicht zulässt. dieses Ziel mit? Wer kümmert sich darum, dass das Wenn zum Beispiel ein Schüler von der Schule dazu Thema präsent bleibt? angeregt wird, einen Haushaltspass zu erwerben, er aber von seiner Familie nicht bestärkt wird, sondern Im Interesse der Jungen und Mädchen gilt es, eine den Eindruck vermittelt bekommt, das sei ‚Mädchen- Art Geschlechtercurriculum zu entwickeln. Ein sol- kram’, dann wird diese Leistung in seinem Empfin- ches kann vielfältige Themen aufgreifen: Welche den abgewertet. Der geschlechtergerechte Ansatz Rollenbilder haben Jungen und Mädchen heute? der Schule wird unterlaufen oder neutralisiert. Wer- Welche gesellschaftlichen Entwicklungen gibt es auf den Eltern dagegen für geschlechterbewusste Pro- dem Weg zur Gleichberechtigung? Welchen Einfluss jekte gewonnen und in die Umsetzung einbezogen, haben Geschlechterfragen für die Lebens- und Be- können sie ihren Kindern wie auch den Lehrkräften rufsplanung? Projekte, in denen Jungen und Mäd- 12 Handreichung für die gender-sensible Arbeit an Bremer Schulen – Einführung | A
chen – außerhalb der Schule – neue Erfahrungen für Mädchen mit entsprechender Ausstattung? Gibt sammeln, können z.B. in außerschulischen Bildungs- es überhaupt mehr als vereinzelte männliche Lehr- einrichtungen, sozialen Projekten, berufsorientieren- kräfte, z.B. in Grundschulen? den Projekten in der Wirtschaft, in Werkstätten und in Dienstleistungsberufen ihren Platz haben. Diese Es gilt, jede Maßnahme dahingehend zu hinterfra- Erfahrungen sollten gemeinsam ausgewertet und re- gen, ob sie die Interessen von Männern und Frauen flektiert werden vor dem Hintergrund genderbewuss- berücksichtigt. Dies bedeutet Gender Mainstrea- ter Fragen und Kriterien. ming. In erster Linie zielt Gender Mainstreaming auf eine Veränderung der Geschlechterstrukturen z.B. Ein erster Schritt für die Entwicklung eines schulbe- hinsichtlich der Verteilung von Führungspositionen: zogenen Geschlechtercurriculums ist die Analyse „Ziel der Entwicklung ist die gleichberechtigte Teilha- der gegenwärtigen Situation: Werden in der Schule be von Frauen und Männern an der Gestaltung der unterschiedliche Interessen von Jungen und Mäd- Institution.“ ( Kraul/Horstkämper 1999,S.308) chen berücksichtigt? Ist diese Arbeit im Schulpro- gramm oder Schulprofil verankert? Wo sind Wider- Durch den Abbau von Geschlechterungleichheiten stände zu erwarten? In welchem Bereich und wie wird die Schulqualität und damit die Chance für könnte ein spezifisches Profil entwickelt werden? eine „Realisierung zeitgemäßer Bildung“ verbessert. Wie können Möglichkeiten implementiert werden, (Faulstich-Wieland 2006, S.261) Also ist zu fragen: die geschlechterbewusste Arbeit zu evaluieren und Inwiefern zielen die institutionellen Strukturen mei- zu verbessern? Wie und wodurch werden Schülerin- ner Schule (Schulprofil, Verwaltungsvorschriften, nen und Schüler, Eltern, Institutionen des Stadtteils Haushalt etc.) auf eine Gleichberechtigung der Ge- einbezogen? schlechter? Welche Möglichkeiten hat unsere Insti- tution, um Entscheidungs- und Gestaltungsmöglich- Literaturtipp keiten zu implementieren, die den Schülerinnen und Schülern echte Gelegenheiten geben, an demokra- Koch-Priewe, Barbara (Hrsg.): Schulprogramme tiscen und gender-orientierten Entscheidungspro- zur Mädchen und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule. Weinheim 2002 zessen zu lernen und diese als Grundlage eines gleichberechtigten gesellschaftlichen Miteinanders zu begreifen? 10. Ist meine/unsere Schule als Institution gendergerecht gestaltet? Surftipp Können Schülerinnen und Schüler in den demokrati Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und schen Strukturen der Schule gender-bewusstes Ver- Jugend: www.gendermainstreaming.net/ halten erleben und Gender-Kompetenz erwerben? Wird es problematisiert, wenn Ungleichheiten erkannt werden? Gibt es gender-bezogene Controlling instrumente, z.B. für Schulleistungen, Beteiligung bei bestimmten Kursangeboten oder Projekten, Gremi- en etc.? Die institutionellen Strukturen der Schule sind ein politischer Bezugsrahmen für die Kinder und Ju- gendlichen. Sie sollten also nicht nur von Geschlech- tergerechtigkeit hören, sondern sie auch sehen und erleben. Was heißt das? Wird eine geschlechterdif- ferenzierende Sprache benutzt? Wird von Mädchen und Jungen, von Frauen und Männern gesprochen? Wie ist die Schulleitung besetzt? Wie agiert sie? Wie verhalten sich Lehrerinnen und Lehrer? Wird Gleichberechtigung in der eigenen Klasse erlebt? Wer räumt auf? Wer wird für welches „Amt“ aus- gewählt? Wie und wofür werden Gelder vergeben? Gibt es neben der Jungenfußballgruppe auch eine 13
Sind die „Zehn Fragen an eine gender-sensible Bil- dung“ Grundlage für den Prozess einer reflexiven, gender-bewussten Schul- und Unterrichtsentwick- lung, so enthalten die anschließenden Teile der Handreichung konkrete Angebote und Anregungen für die schulische Arbeit: Teil B „Thematische Schwerpunkte“ führt Anregungen und Unterrichtsbeispiele in thematischer Sortierung auf. Teil C „Angebote außerschulischer Kooperationspart- ner“ gibt einen Überblick über Bildungspartnerinnen in Bremen, mit denen Schulen in Kooperationen können. Teil D „Anhang“ bietet eine Auswahl hilfreicher Lite- raturhinweise, medialer Angebote und Links. Unser herzlicher Dank für die geleistete Arbeit gilt dem Team am Landesinstitut für Schule, das um- fangreiches und anregendes Material für die Hand- reichung zusammengestellt und erarbeitet hat: Su- sanne Poppe-Oehlmann, Gregor Bitter und Ulrich Hütter. Unser Dank gilt Dr. Christoph Fantini, Uni- versität Bremen, der die Arbeit konzeptionell und praktisch begleitet hat und mit „Migration und Gen- der“ einen Aufsatz in eigener Autorenschaft für die Handreichung zur Verfügung stellt. Unser Dank gilt auch den Bildungspartnerinnen für ihre vielfältigenen Projekte und Kooperationsangebote und den vielen Schulen, die gute Beispiele aus der eigenen Praxis zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt gilt unser besonderer Dank der Auto- rinnengruppe Friederike Heinzel, Rabea Henze und Sabine Klomfaß, deren empfehlenswerte Studie „Eine Schule für Mädchen und Jungen. Praxishilfe mit Unterrichtsentwürfen für eine geschlechterge- rechte Bildung“, Frankfurt a.M. 2007 (Studie im Auf- trag der Max-Träger-Stiftung, Publikation der GEW) insbesondere in den „Zehn Fragen“ und in Unter- richtsbeispielen umfangreich eingeflossen ist. Die Handreichungen können und sollen um weitere Anregungen und Beispiele erweitert und aktualisiert werden. Dazu bitten wir herzlich um Ihre Mitwirkung. Im Auftrag Lars Nelson. Referent für die Sekundarstufe I bei der . Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit
B Thematische Schwerpunkte
B B | Thematische Schwerpunkte B 1 | Berufsorientierung Angebote des Landesinstitutes für Schule | Berufsorientierung und Gender – Berufswahlpass Eigentlich könnte das Thema überholt sein: Mäd- Der Berufswahlpass dient damit der Planung, Be- chen haben in der Schule häufig bessere Noten und arbeitung und Dokumentation der individuell er- Abschlüsse als die Jungen, lesen mehr und sind forderlichen Schritte der jeweiligen Schülerin, des insgesamt fleißiger. Dennoch wirkt sich dies nicht jeweiligen Schülers. Er bietet Grundlage für Lern- ausreichend auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vereinbarungen und weitere Absprachen zwischen aus. Frauen haben immer noch häufig schlechter den Jungendlichen und ihren Ansprechpartnern. Er bezahlte Jobs mit geringeren Karrierechancen. Zu- fördert die Zusammenarbeit der Beteiligten und legt kunftsbranchen wie beispielsweise technische Beru- das Schulkonzept zur Berufsorientierung offen. Die fe werden zu wenig genutzt. Berufsberatung der Agenturen für Arbeit in Bremen und Bremerhaven sind in diesen Prozess einbezo- Aber auch die Jungen finden umgekehrt noch zu gen und unterstützen die Schülerinnen und Schüler wenige Ausbildungsperspektiven in den sozialen, bei der Orientierung, Entscheidung und Realisierung pflegerischen Berufen bzw. im humanen Dienstleis- ihrer beruflichen Ziele. tungsbereich. Familienphasen und Haushaltsarbeit sind letztendlich immer noch eher Frauensache. Kontakt: Mädchen und Jungen folgen bei ihrer Berufswahl weiterhin zu sehr eingetretenen Pfaden, verpassen Dr. Margareta Brauer-Schröder dadurch Zukunftschancen, verschenken Potenziale. Landesinstitut für Schule . Lehrerinnen und Lehrer nehmen zukunftsorientiert mbrauer-schroeder@lis.bremen.de hierauf Einfluss durch schulische Maßnahmen zur Arbeits-, Berufs- und Studienorientierung. Dies ge- schieht zum einen über spezifische Projekte und Un- terrichtsangebote wie beispielweise den Girls‘ Day, der mit betrieblichen Angeboten für Mädchen und spezifischen Jungenprojekten beide Geschlechter gezielt anspricht. Darüber hinaus ist von wesentlicher Bedeutung, dass der Berufsorientierungsprozess individualisiert für jede einzelne Schülerin, jeden einzelnen Schüler verläuft. Ab Jahrgangsstufe 7 klären die Schülerin- nen und Schüler ihre Interessen und Stärken. Der Berufswahlpass bietet hierfür Arbeitshilfen, ebenso die Medienangebote der Bundesagentur für Arbeit z.B. über das Berufe-Universum (www.planet-beru- fe.de ). Auf dieser Basis klären die Schülerinnen und Schüler ihre beruflichen Interessen, erleben Praxi- serfahrungen und reflektieren diese. Im Berufswahl- pass werden die Ergebnisse dokumentiert sowie die individuell erforderlichen Schritte und die vereinbar- ten Beratungs- und Unterstützungsleistungen fest- gehalten. 16 Handreichung für die gender-sensible Arbeit an Bremer Schulen – Thematische Schwerpunkte | B
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