Die Zukunft der wohnortnahen Schule in Bayern
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Gerhard Hüfner Die Zukunft der wohnortnahen Schule in Bayern Gefährdete Haupt- und Mittelschulen 521 396 247 91 2009 2015 2020 2030 Drei Prognosen und drei Szenarien für die Schülerzahlen und Schulstandorte in den 25 kreisfreien Städten und 71 Landkreisen
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. Bavariaring 37 80336 München Tel. 089 72100-0 Fax 089 721001-90 bllv@bllv.de www.bllv.de
Warum wir wohnortnahe Schulen brauchen ............................................................................................................................................................................................................................................................... 6 1. Der Stand des wohnortnahen Schulangebots in Bayern 9 .......................................................................................................................................................................................................... 1.1 Demografische Entwicklung der Geburten ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................11 1.2 Wanderung und Alterstruktur der Bevölkerung ..................................................................................................................................................................................................................................................................................................11 1.3 Übertrittsquoten in Gymnasien, Real- und Hauptschulen ......................................................................................................................................................................................................................................................13 1.4 Verteilung der Schüler auf die Schularten in krsfr. Städten und Landkreisen ................................................................................................................................................................15 2. Drei Prognosen: Die demografische Entwicklung der Schülerzahlen ................................................................................................................................. 17 2.1 Schülerprognose 2013 / 2015 ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................17 2.2 Schülerprognose 2018 / 2020 .......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................19 2.3 Schülerprognose 2028 / 2030 ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................19 3. Drei Szenarien: Schülerzahlen für wohnortnahe Schulen 2015, 2020 2030 ................................................................................................ 21 3.1 Szenario 1: Dreigliedrigkeit – Fortschreibung Haupt-/Mittelschule ..........................................................................................................................................................................................................21 3.2 Szenario 2: Zweigliedrigkeit – wohnortnahe Schule plus Gymnasium ..............................................................................................................................................................................................27 3.3 Szenario 3: Eingliedrigkeit – gemeinsame Schule ....................................................................................................................................................................................................................................................................................33 4. Auswirkungen der Szenarien auf die Schulstandorte .................................................................................................................................................................................................................... 37 4.1 Szenario 1: Fortschreibung der Haupt-/Mittelschulen ...................................................................................................................................................................................................................................................................39 4.2 Szenario 2: wohnortnahe Schule plus Gymnasium .................................................................................................................................................................................................................................................................................43 4.3 Szenario 3: gemeinsame Schule ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................45 4.4 Standorte und Schulstruktur – die Szenarien 2015, 2020, 2030 ..................................................................................................................................................................................................................47 Anlagen ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 50 Anlage 1: Grundlagen der Schülerprognosen ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................50 Anlage 2: Detailanalyse, dargestellt am Beispiel Landkreis Landshut .....................................................................................................................................................................................................................................53 Anlage 3: Schulen unter der Schülermindestzahl: alle krsfr. Städte und Landkreise ........................................................................................................................................................................58
WARUM WIR WOHNORTNAHE SCHULEN BRAUCHEN Ist Wohnortnähe ein Qualitätsmerkmal eines effektiven Schulsystems? Der BLLV ist der Überzeugung ja, denn wohnortnahe Schulen stellen für Kinder, Eltern, Familien und für die Kommunen ein Stück Lebensqualität dar. Ist es nicht trostlos, wenn mor- gens die Jugend eines Ortes in Bussen zehn, fünfzehn Kilometer und noch weiter transportiert werden muss? Ist es nicht ein volkswirtschaftlicher und pädagogischer Unsinn, wenn Kinder und Jugendliche im Jahr bis zu acht 40-Stundenwochen in Schul- bussen vergeuden? Ist ein Flächenstaat wie Bayern nicht arm dran, wenn er die regionale Infrastruktur vernachlässigt und immer weiter zentralisiert – sterben nun auch noch die Schulen? Ein wohnortnahes Schulnetz ist möglich Die Gefahr ist groß: Viele Gemeinden in Bayern überaltern. Wer aufmerksam durch manche Orte fährt, sieht, dass immer mehr Häuser leer stehen. Immer weniger Geschäfte und mittlere Unternehmen bleiben in den ländlichen Regionen. Es fehlt an jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihrer Region verbunden sind, weil die Eltern längst in die nächste Stadt gezogen sind, wo es ein Gymnasium oder eine Realschule gibt. Bayern geht einen Irrweg, wenn es diese Problematik aus der Landespolitik ausblendet. Das Schulsterben ist weniger demografisch bedingt als hausgemacht. Andere Flächenstaaten machen es uns längst vor: Es gibt als Alternativen wohnortnahe Regionalschulen oder auch Gemeinschaftsschulen, die attraktiv sind und mit Erfolg arbeiten. Fast alle Bundesländer (z. B. Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Thüringen, Sachsen) haben diesen Weg eingeschlagen und machen positive Erfahrungen mit einem zweigliedrigen Schulsystem. Sie alle sind Flächenstaa- ten und haben ein dichtes Netz an wohnortnahen Schulen. Hohe Akzeptanz bei Eltern, zufriedene Kommunen und ein effizienter Einsatz von Steuergeldern im Interesse besserer Bildung sind die Folge. Noch ist es möglich, einen neuen pragmatischen Kurs in der bayerischen Schulpolitik einzuschlagen. Aber die Zeit läuft. Es gibt begründete Zweifel daran, dass die Aufwertung der Hauptschule durch die zurzeit laufenden Reformen, durch Namenswechsel und Schulverbünde gelingt. Auf diese Weise können die bestehenden Schulen auf Dauer nicht erhalten werden. Manchmal hat man den Eindruck, diese Reformen sind aus der Zeit gefallen und versuchen ein Strukturmodell gegen alle aktuellen Erfahrungen durchzusetzen. Extreme demografische Entwicklungen in einigen Kreisen, lange Fahrtwege zu den verschiedenen Bildungsan- geboten in einem Schulverbund, die oft behauptete, aber nicht erreichte Gleichwertigkeit der mittleren Abschlüsse der Haupt-/ Mittelschule, Realschule und Wirtschaftschule, daraus resultierend die Unterlegenheit der Schüler in der Konkurrenz um qualifi- zierte Ausbildungsplätze und mangelnde Aufstiegschancen zu höheren Abschlüssen geben wenig Hoffnung auf eine nachhaltige Stabilisierung der Haupt-/Mittelschule als dritte Schulart im bayerischen Bildungssystem. Pragmatismus statt Ideologie Die Einführung der Mittelschule stößt auf erhebliche Umsetzungsprobleme. Die Übertrittsquoten an Gymnasien und Realschulen steigen weiter und die Schließungen von wohnortnahen Haupt- bzw. Mittelschulen sind trotz der Schulverbünde nicht aufzuhal- ten. Der BLLV hat deshalb bereits vor vier Jahren sein Konzept der Regionalen Schulentwicklung (RSE) vorgelegt. Damit werden durch die Integration bisher streng getrennter Bildungsgänge regional passgenaue Lösungen und attraktive wohnortnahe Schu- len ermöglicht. Verheerend ist die Weigerung des Kultusministeriums, Modellversuche für eine wohnortnahe Schule jenseits der starren Trennung der Schularten zuzulassen. Denn nur praktische Beispiele könnten Lösungsmöglichkeiten eröffnen. Während Schulversuche und Schulmodelle zu vielfältigen Themen genehmigt werden, verweigert das Kultusministerium gegen den Willen der örtlichen Eltern, Lehrer und Kommunalpolitiker solche zukunftsfähigen Lösungen mit wenig überzeugenden Schlagworten. Wir brauchen aber Pragmatismus und Bürgernähe statt Ideologie und Zentralismus.
Die Zweifel daran, dass mit der Mittelschule und dem Festhalten an einem Schulsystem, das die Schüler nach der Grundschule auf drei Schularten verteilt, der Rückgang der Schülerzahlen an der dritten und am wenigsten begehrten Schulart gestoppt werden kann, sind der Grund, dass die Abteilung Schul- und Bildungspolitik (ASB) im BLLV voriges Jahr diese Untersuchung angeregt hat. Sie folgt der nüchternen Logik: Je mehr Schularten, auf die Schüler nach der Grundschule verteilt werden, desto weniger Schüler bleiben für die einzelne Schulart und am wenigsten für jene Schulart, die am wenigsten geschätzt wird. Die wohnortnahe Schulversorgung, soweit sie die Hauptschule bisher noch gewährleisten konnte, ist damit akut in Gefahr. Zukunftsszenarien Unter dem Blickwinkel des Erhalts des wohnortnahen Schulangebots in der Sekundarstufe I werden die Wirkungen auf die be- stehenden Haupt-/Mittelschulen in drei Szenarien beleuchtet: • Szenario 1: Fortschreibung des dreigliedrigen Schulsystems • Szenario 2: Zusammenführung von Haupt-/Mittelschule, Realschule und Wirtschaftsschule zu einer wohnortnahen Schule neben dem Gymnasium und • Szenario 3: eine gemeinsame Schule für alle Schüler vor Ort. Die Auswirkungen werden zu drei Prognosezeitpunkten berechnet: • 2015 auf der Basis der Einschulungen in die Grundschule 2009 • 2020 auf der Basis der Geburten 2008 und • 2030 auf der Basis der regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung 2028 für die Altersgruppe der Zehnjährigen. Die Berechnungen erfolgen auf Grundlage der amtlichen Daten des Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung, das für die 25 kreisfreien Städte und 71 Landkreise in Bayern eine Reihe von Sonderauswertungen zur Verfügung stellte. Damit lassen sich auch die Einzelschulen in den Kreisen anhand der Zahl der Hauptschüler insgesamt (Jahrgangsstufe 5 bis 9/10) in der amtlichen Oktoberstatistik des Schuljahres 2009 identifizieren. Regionale Infos Neben dieser Zusammenfassung der Ergebnisse für die sieben bayerischen Bezirke liegen dem BLLV Modellrechnungen für alle Landkreise und kreisfreien Städte vor, die wir interessierten Politikern, Schulleitern und Eltern gerne übermitteln. Die Mitarbeiter des BLLV stehen zur Verfügung, wenn eine detaillierte Diskussion nötig ist. Wir danken unserem wissenschaftlichen Mitarbeiter, Dr. Gerd Hüfner, für die herausragende Arbeit und dem Landesamt für Sta- tistik für die Bereitstellung der entsprechenden Statistiken und Prognosen. Die Abteilung Schul- und Bildungspolitik des BLLV wird dieses Projekt der Sicherung der wohnortnahen Schulversorgung weiter vorantreiben. Klaus Wenzel Dr. Fritz Schäffer BLLV-Präsident Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV
Grafik1: Entwicklung der Zahl der Hauptschulen in Bayern seit 1990 Hauptschulen in Bayern 1990 bis 2010 1800 1694 1700 1647 1629 1613 1594 1600 1533 1500 1394 1400 1288 1300 1200 1147 1109 1075 1100 1063 1000 900 1990/91 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 2010/11 Quelle: KM: Schule und Bildung in Bayern, 2010; Antwort des KM 12.7.2010 auf die Anfrage von MdL Zacharias im Bayerischen Landtag 8
1. Der Stand des wohnortnahen Schulangebots in Bayern Die sog. „Bildungsexpansion“ zwischen 1970 und 1980 brachte die Schullandschaft in Bayern in Bewegung: Es wurden damals 472 Hauptschulen (minus 21 %) geschlossen, 48 Gymnasien (plus 14 %) und 35 Realschule (plus 12 %) neu gegründet. Danach blieben die Übertrittsquoten und Schulverhältnisse in Bayern relativ stabil. Die Zahl der Hauptschulen nahm ab 1980 bis 2000 nur um 6 % ab, die Zahl der Gymnasien und Realschulen nahm nur geringfügig zu. Mit der flächendeckenden Einführung der sechsstufigen Realschule im Jahr 2000 und dem Landtagsbeschluss im Jahr 2004, alle Teilhauptschulen zu schließen, änderten sich die Verhältnisse in kürzester Zeit radikal. 584 Hauptschulen (minus 35 %) mussten innerhalb von zehn Jahren schließen, darunter 97 voll ausgebaute Hauptschulen mit den Jahrgangsstufen 5 bis 9. Gleichzeitig entstanden 28 neue Realschulen und 13 neue Gymnasien. Der im Schuljahr 2010/2011 begonnene Zusammenschluss von Hauptschulen im Rahmen von Schulverbünden zu Mittelschulen stellt die Vorstufe der Zentralisierung der Haupt-/Mittelschulen in Schulzentren vergleichbar den Realschulen und Gymnasien dar. Diese politische Weichenstellung wird in den nächsten drei Jahren zu zahlreichen weiteren Schulschließungen und damit zum Ende der wohnortnahen Schule im Sekundarbereich I führen, falls keine alternativen Schulentwicklungskonzepte umgesetzt werden, wie dies in anderen Bundesländern bereits erfolgreich erfolgt. Hauptschulen waren bislang – im Gegensatz zu Realschulen und Gymnasien – wohnortnahe Schulen. Die Bedeutung wohnort- naher Schulen liegt darin, dass sie in den Gemeinden verankert sind und bei der ländlichen Bevölkerung relativ hohe Akzeptanz genießen. Wohnortnahe Schulen spielen für die örtliche Wirtschaft, die örtlichen Vereine, den örtlichen Einzelhandel und für die Attraktivität von Gemeinden für junge Familien eine zentrale Rolle. Die wohnortnahen Schulen werden durch das derzeitige Schulsterben aber massiv gefährdet. Regionale Ungleichheiten und Entwicklungsprobleme ländlicher Regionen werden durch das Fehlen eines wohnortnahen schulischen Angebotes weiter beschleunigt. Ist diese Entwicklung unausweichlich? Ist sie der Preis für ein differenziertes Schulwesen? Diese Fragen werden in vorliegender Untersuchung anhand konkreter regionaler Daten für alle Landkreise Bayerns dargestellt. Grundlage sind die Statistiken des Bayerischen Landesamtes und des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Ursache der bevorstehenden Schulschließungen ist ein starker Rückgang der Schülerzahlen an Haupt- und Mittelschulen, der übrigens in wenigen Jahren auch die Realschulen erreichen wird. Dieser Rückgang erlaubt es nicht mehr, entsprechende Un- terrichtsangebote regional vorzuhalten, ohne dass die Frage der Schulstruktur und des effizienten Ressourceneinsatzes gestellt werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es dringend erforderlich, sich damit auseinanderzusetzen, wie die weitere Entwicklung der Schülerzahlen im Haupt-/Mittelschulbereich aussehen wird. Das statistische Landesamt liefert uns folgende Zahlen: Gab es im Schuljahr 2000/01 noch 323.000 Hauptschüler, so wurden im Schuljahr 2010/11 nur mehr 220.000 Hauptschüler registriert (minus 32 %). Die amtliche Prognose sagt für das Schuljahr 2015/16 noch 172.000 (minus 47 % von 2000/01), für das Jahr 2020/21 154.000 (minus 52 % von 2000/01) und für das Schuljahr 2030/31 151.000 Hauptschüler voraus1. Bislang lag die amtliche Prognose allerdings immer signifikant höher als die tatsächlichen Zahlen, so dass damit zu rechnen ist, dass die Schülerzahl deutlich niedriger sein wird als bislang prognostiziert. Folgende Faktoren sind für den Rückgang der Schülerzahlen an den Hauptschulen in der Vergangenheit und der Zukunft ausschlaggebend: • die demografische Entwicklung • Wanderung und Alterstruktur • steigende Übertrittsquoten an Realschulen und Gymnasien 1 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (KM): Schüler- und Absolventenprognose 2010, München 2010, Tab 5, S. 23 9
Grafik 2: Geburten in Bayern 1960 bis 2009 und Geburtenprognose von 2010 bis 2028 200.000 180.000 160.000 IST–Stand Prognose 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 Quelle: KM: Schule und Bildung in Bayern 2009, S. 19 10
1.1 Demografische Entwicklung der Geburten Nach einem Maximum von 184.000 Neugeborenen im Jahr 1964 ging die Zahl der Geburten infolge des sog. Pillenknicks bis zum Jahr 1978 auf 106.000 Kindern zurück. Die Fruchtbarkeitsrate sank auf 1,35 Kinder pro Frau und blieb bis heute konstant auf diesem Niveau. In den Jahren 1985 bis 1990 stieg mit den Eltern der letzten „starken Jahrgänge“ der 60er Jahre die Zahl der Geburten auf 136.000. Seit 1993 sinkt die Geburtenzahl stetig und erreichte 2009 ein neues Minimum von 103.000 Neu- geborenen. Die Geburtenzahl wirkt sich mit zehn Jahren Verzögerung auf die Zahl der Grundschüler aus, die nach der 4. Jahrgangsstufe auf die drei nachfolgenden Schularten zu verteilen sind. Im Jahr 2007 waren dies knapp 130.000 Grundschüler, 2010 waren es nur mehr 123.000 Grundschüler und bis 2015 ist ein Rückgang auf nur mehr 103.000 Schüler zu erwarten. Danach werden sich die Geburten pro Jahr bis 2030 auf diesem Niveau stabilisieren.2 Der Schülerrückgang im Sekundarbereich I hat demnach bereits begonnen, der große Rückgang steht in den nächsten Jahren aber erst noch bevor. 1.2 Wanderung und Alterstruktur der Bevölkerung Für die Zahl der Schüler in einem Kreis ist neben der Geburtenrate der Wanderungssaldo von Bedeutung. In Bayern sind im Jahr 2009 rund 9.000 Personen mehr zugewandert als fortgezogen. Allerdings ist für diese positive Bilanz ausschließlich der Bezirk Oberbayern ausschlaggebend. Geringen Zuwachs verzeichneten noch Mittelfranken und Schwaben. In Ober- und Unterfranken überwogen die Abwanderungen deutlich.3 Von allen 71 bayerischen Landkreisen weisen in ihrer Summe nur die oberbayerischen eine positive Wanderungsbilanz aus. In den Landkreisen der anderen sechs Regierungsbezirke dominierten die Fortzüge.4 Vermehrte Fortzüge junger Personen aus strukturschwachen Gebieten führten dort zu einer verstärkten Überalterung der Bevöl- kerung und trugen zu einem negativen Saldo bei. Die höchsten Rückgänge an Kindern und Jugendlichen weist die regionalisierte Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes für 2028 für die östlichen Landkreise entlang der Grenze zu Tschechien und die nördlichen Landkreise an der Grenze zu Thüringen auf.5 Im Jahr 2009 kam es in Bayern zu einem Rückgang der gesamten Bevölkerung um 9.600 Personen (< 1 Promille). Der Rückgang der Kinder und damit der Schüler durch Abwanderung und der Rückgang der Geburtenzahl in den verschiedenen Regionen werden sich in den nächsten Jahren sehr unterschiedlich darstellen. Außer in Oberbayern wird es zu einem weiteren Rückgang der Kinder und damit der Schülerzahlen kommen. Dies wird sich besonders auf kleine Schulstandorte auswirken, unabhängig davon, ob sie Teil eines Schulverbunds oder selbstständig sind. Insbesondere kleine Grundschulen, Haupt- und Mittelschulen (in Schulverbünden) und auch zunehmend Realschulen werden von dieser Entwicklung tangiert werden. 2 ebd. 3 Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (LfStaD): Bevölkerungsstand und -bewegung in Bayern 2009 4 Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (LfStaD): Wanderung in Bayern 2009, S. 4 11 5 LfStaD: Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für Bayern bis 2028, Sonderauswertung nach Altersgruppen, München 2009
Grafik 3: Übertrittsquoten in Bayern 2000/01 bis 2009/10 Übertrittsquoten aus den Jgst. 4 und 5 in Gymnasien und Realschulen*, Verbleib in Jgst. 6 der Hauptschulen** Bayern 2000-2009 45% 42,2% 41,1% 40,8% 40,6% 40,0% 39,7% 38,6% 40% 37,8% 36,7% 36,7% 34,0% 35% 36,5% 33,0% 35,9% 34,4% 34,2% 34,6% 31,0% 34,0% 29,8% 30% 29,4% 29,3% 28,2% 28,4% 27,4% 25% 26,8% 26,0% 24,7% 24,8% 23,4% 20% 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 Gymnasium Realschule Hauptschule * Realschul-Quote bis 2003/04 inkl. Übergänge in 4-jährige Realschule ** In den Jgst. 6 und 7 verlassen nochmals 3,9 % eines Jahrgangs die Hauptschule zur Wirtschaftsschule 12
1.3 Übertrittsquoten in Gymnasien, Real- und Hauptschulen Von Mitte der 60er Jahre bis Mitte der 80er nahm die Übertrittsquote in das Gymnasium aus den Jahrgangsstufen 4 und 5 von 18,3 % auf 33,1 % deutlich zu. Ab 1987 stagnierte die Zunahme und die Quote bewegte sich bis 2003 stetig zwischen 34 % und 36 %. Seit 2003 ist wieder ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Er erreichte im Jahr 2009 40,8 % eines Jahrgangs. Aktuelle Entwicklungen deuten darauf hin, dass diese Zahlen noch steigen werden. Die Übertrittsquote in die bis 2000 4-jährige Realschule folgte dem gleichen Muster. Nach einer kontinuierlichen Steigerung in den 70er Jahren schwankte sie ab Mitte der 80er Jahre bis 2000 zwischen 21 % und 23 % eines Jahrgangs. Mit der flächen- deckende Einführung der 6-stufigen Realschule stiegen die Übertritte aus der Grundschule und Hauptschule in die Realschule rapide. Im Schuljahr 2009/10 erreichten sie bereits 29,4 % mit steigender Tendenz. Entgegen der amtlichen Bekundungen bei der Einführung der R6 ging die Zunahme der Realschüler nicht zu Lasten der Gymnasien, sondern zu Lasten der Hauptschulen und damit der wohnortnahen Schulversorgung. Entsprechend rückläufig war die Übertrittsquote in die Hauptschule: Sie fiel von 42,2 % im Jahr 2000 auf nur noch 29,4 % im Jahr 2009 mit weiter deutlich abnehmender Tendenz. Die Hauptschule lag damit im Jahr 2009 bei den Übertritten erstmals auch hinter den Übertritten in die Realschulen zurück. Die Tendenz steigender Übertrittsquoten an Realschulen und Gymnasien wurde auch zum Schuljahr 2010/11 nach der Umwandlung von zwei Drittel der Hauptschulen in Mittelschulen nicht gestoppt. Im Ge- genteil: Zum Schuljahresbeginn meldet das Kultusministerium bereits eine weitere Zunahme von 3.000 Schülern an den Gymna- sien und von 4.400 Schülern an den Realschulen. Haupt- bzw. die neuen Mittelschulen hingegen verloren 10.500 Schüler.6 Steigende Anforderungen an die Qualifikationen im Beschäftigungssystem und in der beruflichen Bildung schränken die Mög- lichkeiten beruflicher Ausbildung von Hauptschülern immer mehr ein. Der mittlere Schulabschluss und dabei besonders der Re- alschulabschluss wird Voraussetzung für immer mehr Ausbildungsberufe und für besser dotierte Arbeitsplätze. Diese Wandlung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hat inzwischen auch die ländlichen Regionen erreicht und beeinflusst im Gegensatz zu früher auch dort die meisten Eltern bei der Schullaufbahnentscheidung für ihr Kind. Verstärkt wird diese Entwicklung durch einen generellen Imageverlust der Hauptschule und der Stigmatisierung der verbleibenden Schülerklientel. Die flächendeckende Einführung der 6-stufigen Realschulen und die Einführung des 8-jährigen Gymnasiums haben zu einer deutlichen Steigerung der Schülerzahlen in Realschulen und Gymnasien geführt. Mit den zahlreichen Schulschließungen und der Ausdünnung des Standortnetzes wurde der bisherige Vorteil der Hauptschule, die größere Wohnortnähe in ländlichen Regi- onen, im Wettbewerb um die Schüler empfindlich geschwächt. Die Lockerung der Übertrittsbedingungen in die Angebotsschu- len (Elternentscheidung bei zweimal Note 4 im Probeunterricht) und die Gestaltung der Jahrgangsstufe 5 als sog. Gelenkklasse, werden die Übertrittsquoten in die Hauptschulen weiter reduzieren und nicht stabilisieren. 6 KM: Wichtige Neuerungen zum Schuljahr 2010/2011, S. 60 f. 13
Tab. 1: Schüler nach Schularten im Vergleich kreisfreie Städte und Landkreise in BY 2009/10 Schüler Bayern 25 krsfr. Städte 71 Landkreise Gesamt (Jgst. 5 - 10) 767.055 100 % 241.160 100 % 525.895 100 % davon: Haupt-/Mittelschulen 230.880 30,1 % 53.024 22,0 % 177.856 33,8 % Gymnasien 276.118 36,0 % 111.005 46,0 % 165.113 31,4 % Realschulen 235.609 30,7 % 60.686 25,2 % 174.923 33,3 % Wirtschaftsschulen 24.448 3,2 % 16.445 6,8 % 8.003 1,5 % Quelle: LfStaD: Eckdaten der amtlichen Schulstatistik im Herbst 2009; eigene Berechnungen 14
1.4 Verteilung der Schüler auf die Schularten in krsfr. Städten und Landkreisen In den 25 kreisfreien Städten und 71 Landkreisen in Bayern gestalten sich die Übertrittszahlen sehr unterschiedlich: Überdurch- schnittliche Übertrittsquoten an Gymnasien finden sich in Universitätsstädten und in Zentren mit prosperierender Industrie und wichtigen Verwaltungsstandorten. Dies strahlt auch auf die angrenzenden Landkreise aus. Unterdurchschnittliche Übertritts- quoten an Gymnasien bzw. überdurchschnittliche Übertrittsquoten in die Hauptschule finden sich in kreisfreien Städten mit massiven wirtschaftlichen Problemen und in zentrumsfernen Landkreisen. Der Stadt-Land-Unterschied wird beim Vergleich der Verteilung der Schüler auf die Schularten in kreisfreien Städten und in den Landkreisen besonders deutlich (s. Tabelle 1). Bayernweit besuchten 2009 30 % der Schüler Hauptschulen, 31 % Realschulen, 36 % Gymnasien und 3 % Wirtschaftsschulen. Unter den Stadtschülern hingegen befanden sich nur 22 % Hauptschüler und nur 25 % Realschüler, aber 46 % Gymnasiasten und 7 % Wirtschaftschüler. In den kreisfreien Städten gab es demnach mehr als doppelt so viele Gymnasiasten als Haupt- schüler. Auch Realschulen wurden nicht annähernd so häufig besucht wie Gymnasien. In den Landkreisen hingegen lautete die Verteilung 34 % Hauptschüler, 33 % Realschüler, 31 % Gymnasiasten, 2 % Wirtschaftsschüler. Dort waren die Hauptschüler noch knapp die stärkste Gruppe vor den Realschülern und Gymnasiasten. Die Wirtschaftsschüler bildeten in den Landkreisen eine kleine Minderheit. 15
Tab. 2: Nach Jahrgangsstufe 4 der Grundschule zu verteilende Schüler 2013 Schüler in Jgst. 4 2007 Einschulungen 2009 Prozentuale Veränderung Schüler in Jgst. 4 2013 Oberbayern 42.783 38.272 -10,5 % Niederbayern 13.022 10.836 -16,8 % Oberpfalz 11.851 9.308 -21,5 % Oberfranken 11.118 8.821 -20,7 % Mittelfranken 17.238 14.143 -18,0 % Unterfranken 13.958 11.004 -21,2 % Schwaben 19.729 16.464 -16,5 % Bayern 129.699 108.848 -16,1 % Quelle: LfStaD: Sonderauswertung Einschulungen 2009; eigene Berechnungen 16
2. Drei Prognosen: Die demografische Entwicklung der Schülerzahlen Gute Prognosen benötigen eine solide Datenbasis. Die notwendigen Annahmen über die zukünftigen Entwicklungen müssen transparent gemacht werden. Im Folgenden werden drei Prognosen für die bestehenden Haupt- bzw. Mittelschulen vorgestellt: • Die kurzfristige Prognose beruht auf den Einschulungen 2009. Große Veränderung innerhalb der vier Jahre bis zum Übergang in die weiterführenden Schulen müssen dabei nicht angenommen werden. • Die mittelfristige Prognose beruht auf den Geburten 2008. Diese Schüler wechseln zehn Jahre später in die weiterführenden Schulen. Durch Zu- und Abwanderung in den Kreisen und Städten können sich diese Zahlen in beschränktem Umfang verändern. • Die langfristige Prognose beruht auf der regionalisierten Bevölkerungsprognose des Landesamtes für Statistik und Datenverar- beitung. Sie schreibt bisherige Wanderungseffekte in den Kreisen und Städten fort und nimmt eine konstante Geburtenrate an. Diese 20-Jahres-Prognose birgt die größte Unsicherheit, kann aber doch eine Orientierung für zukünftige Entwicklungen geben. Weitere Einflussfaktoren auf die Zukunft der bestehenden wohnortnahen Haupt-/Mittelschulen, wie die Veränderung des Über- trittsverhaltens oder denkbare Veränderungen im Schulsystem, werden in Kapitel 3 behandelt. Die folgenden Analysen und Prognosen der Schülerzahlen an den Haupt- und Mittelschulen stützen sich nicht ausschließlich auf die Übertrittsquoten nach der Grundschule, sondern auf die Anteile der Haupt- bzw. Mittelschüler zwei Jahre später in Jahr- gangsstufe 7. In Jahrgangsstufe 5 wechseln nochmals Schüler in die Realschulen und Gymnasien und nach Jahrgangsstufe 6 in Wirtschaftsschulen. Die Jahrgangsstufen 7 und 8 sind in den Hauptschulen beim Durchgang einer Schülerkohorte am schwächsten besetzt7 (ausführlich dazu Anlage 1). Die Bestandsquote in Jahrgangsstufe 7 hat deshalb unter dem Gesichtspunkt des Erhalts der wohnortnahen Schule eine besondere Relevanz. Wird an einer Schule in Jahrgangsstufe 7 nicht mehr die Schü- lermindestzahl für eine Klassenbildung erreicht, ist dies in aller Regel auch in Jahrgangsstufe 8 der Fall und die Schule insgesamt muss als in ihrem Bestand gefährdet eingeschätzt werden. Die folgenden Analysen haben deshalb immer zwei Messzeitpunkte: den Zeitpunkt der Verteilung des Jahrgangs nach der Grundschule und zwei Jahre später, wenn diese Schüler die Jahrgangsstufe 7 erreicht haben. Grundlage und Bezugspunkt der Prognosen bilden die Grundschüler, die 2007 auf die weiterführenden Schularten verteilt wurden und der Anteil, der 2009 die Jahrgangsstufe 7 der Hauptschule besuchte (Bestandsquote). Die regionalisierten Daten des Statistischen Landesamtes zu den Einschulungen 2009, den Geburten 2008 sowie die Bevölke- rungsprognose bis 2028 erlauben ziemlich genaue Prognosen die nächsten fünf, zehn und zwanzig Jahre. 2.1 Schülerprognose 2013 / 2015 Der kurzfristigen Prognose liegen die Einschulungszahlen im Schuljahr 2009/10 in den Grundschulen zugrunde. Abgesehen von minimalen Zu- und Abgängen durch Klassenwiederholungen, Zu- oder Abwanderung treten diese Schüler am Ende des Schul- jahres 2012/13 auf die weiterführenden Schularten über und erreichen im Schuljahr 2015/16 die Jahrgangsstufe 7. Der Tabelle 2 kann für alle sieben Regierungsbezirke die Zahl der Schüler entnommen werden, die 2013 nach der Jahrgangsstufe 4 die Schule wechseln. Als Bezugsgröße sind die Übertrittszahlen aus dem Jahr 2007 angeführt. In Bayern besuchten im Jahr 2007 insgesamt 129.699 Schüler die 4. Jahrgangsstufe. Im Jahr 2013 werden es noch 108.848 Schüler sein, d. h. 16,1 % weniger. Im Bezirk Oberbayern ist die Veränderung mit einem Rückgang von 10,5 % am niedrigsten, in der Oberpfalz mit 21,5 % und in Unterfranken mit 21,2 % am höchsten. Es gibt in Bayern nur drei Städte, in denen eine Erhöhung der Schülerzahl 2013 im Vergleich zu 2007 zu erwarten ist: Stadt Erlangen (plus 1,5 %), Landshauptstadt München (plus 5,3 %) und Stadt Rosenheim (plus 6,0 %). Mehr als 30 % Schülerrück- gang sind in drei Kreisen zu erwarten: Stadt Schwabach (minus 30,8 %), Landkreis Coburg (minus 32,9 %) und Landkreis Tir- schenreuth (minus 34,1 %). In drei weiteren kreisfreien Städten und in 30 Landkreisen liegt der demografische Schülerrückgang zwischen 20 % und 30 %. 7 KM (Hrsg.): Schüler- und Absolventenprognose, München 2010, S. 23 ff. 17
Tab. 3: Nach Jahrgangsstufe 4 der Grundschule zu verteilende Schüler 2018 Schüler in Jgst. 4 2007 Geburten 2008 - Prozentuale Veränderung Schüler in Jgst. 4 2018 Oberbayern 42.783 38.370 -10,3 % Niederbayern 13.022 9.313 -28,5 % Oberpfalz 11.851 8.354 -29,5 % Oberfranken 11.118 7.832 -29,6 % Mittelfranken 17.238 13.614 -21,0 % Unterfranken 13.958 9.842 -29,5 % Schwaben 19.729 14.586 -26,1 % Bayern 129.699 101.910 -21,4 % Quelle: LfStaD: Bevölkerung nach Altersgruppen 31.12.2008; Tab. 4: Nach Jahrgangsstufe 4 der Grundschule zu verteilende Schüler 2028 Schüler in Jgst. 4 2007 Prognose Zehnjährige Prozentuale Veränderung 2028 - Jgst. 4 Oberbayern 42.783 39.040 -8,7 % Niederbayern 13.022 9.705 -25,5 % Oberpfalz 11.851 8.496 -28,3 % Oberfranken 11.118 7.548 -32,1 % Mittelfranken 17.238 13.748 -20,2 % Unterfranken 13.958 9.869 -29,3 % Schwaben 19.729 15.294 -22,5 % Bayern 129.699 103.654 -20,1 % Quelle: LfStaD: Sonderauswertung regionalisierte Bevölkerungsprognose 2028 für Altergruppen; eigene Berechnungen 18
2.2 Schülerprognose 2018 / 2020 Die mittelfristige Zehnjahresprognose basiert auf den Geburtenzahlen 2008.8 Diese Kinder werden 2014/15 eingeschult und am Ende des Schuljahres 2017/18 nach der Grundschule auf die weiterführenden Schularten verteilt. 2018 werden in Bayern aus den Grundschulen nur mehr 101.910 Schüler in die weiterführenden Schulen zu verteilen sein (minus 21,4 %)(s. Tab. 3). Der Bezirk Oberbayern hat auch bis 2018 den geringsten Schülerrückgang (minus 10,3 %), die Operpfalz, Ober- und Unterfranken den stärksten (29,5 % bzw. 29,6 %). Auf Kreisniveau findet sich der stärkste Schülerrückgang wiederum im Landkreis Tirschenreuth (minus 42,7 %). 42 der 71 bay- erischen Landkreise müssen bis 2018 mit einem Rückgang von mehr als 30 % der Schüler rechnen, darunter alle Landkreise Unterfrankens mit Ausnahme des Landkreises Würzburg (minus 26 %). Keine der kreisfreien Städte befindet sich in dieser Kate- gorie, auch nicht jene in östlicher oder nördlicher Randlage wie Amberg (minus 20,9 %), Weiden (minus 27,4 %) oder Hof (minus 28,6 %). In drei Städten nimmt die Zahl der zu verteilenden Schüler 2018 zu: Nürnberg (plus 1,6 %), Rosenheim (plus 5,4 %) und München. Die Landeshauptstadt erlebte in den vergangenen Jahren einen Babyboom: 2007 verließen 9.437 die Grundschule, 2018 werden es voraussichtlich 12.564 sein (plus 33,1 %). Diese Zahlen dokumentieren den absehbaren Bevölkerungsverlust in den ländlichen Regionen zugunsten der urbanen Zentren. Einhalt ist dem nur durch einen Landesentwicklungsplan zu gebieten, der die notwendigen Ressourcen für den Ausbau der wirtschaftlichen und schulischen Infrastruktur in den ländlichen Regionen bereitstellt. Für die schulische Entwicklung muss fest- gehalten werden, dass dieser deutliche Schülerrückgang in den nächsten sieben Jahren nicht nur die Haupt- und Mittelschulen trifft, sondern ebenso die Realschulen tangieren wird. Das Gymnasium wird aller Voraussicht nach aufgrund der gestiegenen Bildungsaspirationen der Eltern und der Liberalisierung des Übertritts die Zahlen halten können. 2.3 Schülerprognose 2028 / 2030 Das Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung legt jährlich eine regionalisierte Bevölkerungsprognose vor, die 20 Jahre in die Zukunft reicht. Auf der Basis der Bevölkerungsdaten von 2008 wurde der Stand der Bevölkerung in den bayerischen Kreisen im Jahr 2028 errechnet. In einer Sonderauswertung stellte das Landesamt eine nach Altersgruppen differenzierte Prognose zur Verfügung, der sich die Zahl der Zehnjährigen in den Städten und Landkreisen 2028 entnehmen lässt.9 Nach dieser Prognose stabilisiert sich die Schülerzahl nach 2018. In Bayern sind im Jahr 2028 103.654 Schüler nach der Grundschule zu verteilen, 26.045 weniger als 2007 (minus 20,1 %), aber 1.744 Schüler mehr als 2018 (s. Tab. 4). Nach den vor- liegenden Daten profitieren bis 2028 die drei kreisfreien Städte München, Ingolstadt, Rosenheim und der Landkreis München. In sechs bayerischen Bezirken nehmen die Schülerzahlen zwischen 2018 und 2028 wieder leicht zu, in Schwaben sogar um 3,6 %, nur in Oberfranken gehen sie um weitere 2,5 % zurück. Mit Schülerrückgängen von über 40 %, im Vergleich zu 2007, müssen die Landkreise Tirschenreuth (minus 43,5 %), Wunsiedel (minus 42,0 %) und Hof (minus 41,6 %) rechnen. In 26 Kreisen liegen die Rückgänge bei über 30 %, darunter auch zwei kreisfreie Städte: Passau (minus 30,0 %) und Hof (minus 34,8 %). In Oberbayern ist Garmisch-Partenkirchen der einzige Landkreis mit einem Rückgang über 30 %, während in Schwaben kein Kreis in diese Kategorie fällt. 8 Um jahrgangsbedingte Schwankungen in den Städten und Landkreisen auszugleichen, wurde nicht die Zahl der Geburten 2008, sondern ein Drittel der Neuge- borenen bis Zweijährigen zum Stichtag 31.12. 2008 zugrunde gelegt. Diese Zahl wurde um 5 % reduziert, für jene Schüler, die nicht eine Grundschule, sondern Förder-, Waldorfschulen oder Gesamtschulen besuchen und später nicht auf die weiterführenden Schulen verteilt werden. 9 LfStaD: Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung für Bayern bis 2028, München 2009. Sonderauswertung nach Altersgruppen. Die Prognose nimmt eine konstant bleibende Geburtenrate an und berücksichtigt sowohl die Binnenwanderung innerhalb Bayerns als auch die Außenwanderung zu und von anderen Bun- 19 desländern oder Staaten. Die Zahl der Zehnjährigen 2028 wurden wie bei der Prognose 2018 um die Förder-, Waldorf- oder Gesamtschüler, also um 5 %, reduziert.
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3. Drei Szenarien: Schülerzahlen für wohnortnahe Schulen 2015, 2020, 2030 Die oben dargestellte Entwicklung der Schülerzahlen stellt die Ausgangslage dar für drei Szenarien möglicher zukünftiger Schul- strukturen in Bayern: * Szenario 1: Das dreigliedrige Schulsystem wird unverändert fortgeführt * Szenario 2: Neben dem Gymnasium gibt es nur noch eine Schulform (Zweigliedrigkeit) * Szenario 3: Die Schüler werden bis zur 10. Jahrgangsstufe in einer Schule unterrichtet (Eingliedrigkeit) Neben den denkbaren Alternativen der Schulstruktur bleibt als wesentlicher Unsicherheitsfaktor die Entwicklung der Über- trittsquoten in die Haupt-/Mittelschulen. Gerechnet wurden für alle drei Übertrittszeitpunkte drei Varianten. Aus Platzgründen wird hier nur die jeweils mittlere Variante dargestellt: Im Szenario 1 für die kurzfristige Prognose eine Abnahme der bisherigen Übertrittsquote im jeweiligen Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt um 5 Prozent, für die mittelfristige Prognose um 10 Prozent und für die langfristige Prognose um 15 Prozent. Für Szenario 2 wird ein weiterer Zuwachs der Übertritte in das Gymnasium angenommen. Die Übertritte in die wohnortnahe Schule reduzieren sich um 2,5 Prozent, 5 Prozent und 7,5 Prozent zu den drei Prognosezeitpunkten. In einem eingliedrigen Schulsystem gibt es keine Übertritte und Übertrittsquoten. 3.1 Szenario 1: Dreigliedrigkeit - Fortschreibung Haupt-/Mittelschule Die zukünftige Entwicklung der Haupt- bzw. Mittelschulen ist neben der demografischen Entwicklung vor allem abhängig von der Entwicklung der Übertritts- bzw. Bestandsquoten in den Kreisen. Die Berechnungen zukünftiger Schülerzahlen beruhen auf Annahmen, bei der unterschiedliche Faktoren, die sich auf die Schülerströme auswirken, berücksichtigt werden müssen. Diese vorgelegten Zahlen haben hohe Plausibilität. Dennoch handelt es sich um Prognosen und nicht um feste Fakten.10 10 In der Gesamtauswertung werden für jeden Prognosezeitpunkt drei Varianten vorgestellt, um Interessierten vor Ort mit genauer Kenntnis der lokalen Entwicklun- gen des Schulwahlverhaltens und des öffentlichen und privaten Schulangebots die Möglichkeit zu alternativen Berechnungen zu geben. In dieser Broschüre ist pro 21 Prognosezeitpunkt eine Beschränkung auf eine mittlere Variante erforderlich. Sie liegt den weiteren Berechnungen der Schülerzahlen in den einzelnen Schulen und der Bestimmung ihres Fortbestandes bzw. ihrer Zügigkeit zugrunde.
Tab. 5: Entwicklung der Schülerzahlen an den Haupt-/Mittelschulen im dreigliedrigen System bis zum Jahr 2015 bei einer Veränderung der Schülerquote um 5 % Schüler in der Jahrgangsstufe 7 der Haupt-/Mittelschule 2009 2015 Differenz 2009/2015 Oberbayern 12.795 9.532 -25,5 % Niederbayern 4.774 3.431 -28,1 % Oberpfalz 4.184 2.821 -32,6 % Oberfranken 3.476 2.317 -33,3 % Mittelfranken 5.730 3.994 -30,3 % Unterfranken 4.702 3.157 -32,9 % Schwaben 7.113 5.113 -28,1 % Bayern 42.774 30.455 -28,8 % Quellen: LfStaD: Sonderauswertung: Schüler 2009 in HS Jgst. 7; Einschulungen 2009; eigene Berechnungen 22
Haupt-/Mittelschüler 2015 Gemäß der kurzfristigen Prognose können 2013 bayernweit 108.848 Schüler auf die weiterführenden Schularten verteilt wer- den. Sie erreichen 2015 die Jahrgangsstufe 7. Die Verteilungsquoten sind abhängig von der Attraktivität der jeweiligen Schulart und ändern sich im Zeitverlauf. Für 2015 werden in der ausführlichen Gesamtauswertung drei Varianten vorgestellt: • Das Übertrittsverhalten ändert sich nicht. Die Haupt-/Mittelschulquoten entsprechen denen des Jahres 2009, für Bayern insgesamt: 33,0 %. • Das Übertrittsverhalten ändert sich leicht. Die Haupt-/Mittelschulquote sinkt um 5 % auf 28 % • Das Übertrittsverhalten ändert sich stark. Die Haupt-/Mittelschulquote sinkt um 10 % auf 23 % Der Übersichtlichkeit halber wird in dieser Zusammenfassung nur die Variante mit einer leichten Veränderung des Übertritts- verhaltens wiedergegeben. Diese Variante mit 5 % weniger Haupt-/Mittelschüler pro Jahrgang im Jahr 2015 scheint ange- sichts der gegenwärtigen Tendenzen für die Mehrzahl der Kreise und Bezirke am Wahrscheinlichsten. Die Übertrittsquote in die Hauptschule aus den Jahrgangsstufen 4 und 5, die in den Jahren 2008 bis 2010 verteilt wurden, ist bereits bis zum Schuljahr 2010/2011 um weitere 3,2 % zurückgegangen. Den Berechnungen liegt die jeweils spezifische, um 5 % reduzierte Verteilungs- quote der Bezirke, Städte und Landkreise im Jahr 2009 zugrunde. In Bayern insgesamt werden 2013 wegen des demografischen Rückgangs nur noch 108.848 Schüler zu verteilen sein, 16,1 % weniger als 2007. Erreichen dann nicht mehr 33,0 % die Jahrgangsstufe 7 der Haupt- bzw. Mittelschulen, sondern wegen ver- mehrter Übertritte in Realschulen und Gymnasien nur mehr 28,0 %, so wird die Jahrgangsstufe 7 nicht mehr von 42.774 Haupt- schülern besucht sondern nur mehr von 30.455. Das sind 2015 28,8 % weniger Schüler als 2009 (s. Tab. 5). Die demografische Entwicklung und die Reduktion der jeweiligen Bestandsquoten in Jahrgangsstufe 7 um 5 % führen im Jahr 2015 in allen Kreisen und Bezirken zu einem deutlichen Rückgang der Schülerzahlen in der Jahrgangsstufe 7 der Haupt-/Mittel- schule im Vergleich zur Schülerzahl 2009. Nur in der Stadt Rosenheim bleibt der Rückgang mit minus 7,4 % einstellig, in weiteren 10 Kreisen liegt er zwischen 10 % und 20 %. In den Landkreisen Tirschenreuth, Coburg und Fürth sowie in der Stadt Schwabach liegt der Rückgang bereits bei über 40 %. 23
Tab. 6: Entwicklung der Schülerzahlen an den Haupt-/Mittelschulen im dreigliedrigen System bis zum Jahr 2020 bei einer Veränderung der Schülerquote um 10 % Schüler in der Jahrgangsstufe 7 der Haupt-/Mittelschule 2009 2020 Differenz 2009/2020 Oberbayern 12.795 7.638 -40,3 % Niederbayern 4.774 2.483 -48,0 % Oberpfalz 4.184 2.114 -49,5 % Oberfranken 3.476 1.665 -52,1 % Mittelfranken 5.730 3.164 -44,8 % Unterfranken 4.702 2.331 -50,4 % Schwaben 7.113 3.800 -46,6 % Bayern 42.774 23.418 -45,3 % Quellen: LfStaD: Sonderauswertung: Schüler 2009 in HS Jgst. 7; Geburten 2008; eigene Berechnungen Tab. 7: Entwicklung der Schülerzahlen an den Haupt-/Mittelschulen im dreigliedrigen System bis zum Jahr 2030 bei einer Veränderung der Schülerquote um 15 % Schüler in der Jahrgangsstufe 7 der Haupt-/Mittelschule 2009 2030 Differenz 2009/2030 Oberbayern 12.795 5.820 -54,5 % Niederbayern 4.774 2.102 -56,0 % Oberpfalz 4.184 1.725 -58,8 % Oberfranken 3.476 1.228 -64,7 % Mittelfranken 5.730 2.508 -56,2 % Unterfranken 4.702 1.844 -60,8 % Schwaben 7.113 3.220 -54,7 % Bayern 42.774 18.636 -56,4 % Quellen: LfStaD: Sonderauswertung: Schüler 2009 in HS Jgst. 7; Bevölkerungsprognose 2028; eigene Berechnungen 24
Haupt-/Mittelschüler 2020 Die mittelfristige 10-Jahresprognose auf der Basis der Geburtenzahlen 2008 ermöglicht Aussagen über die Schülerzahlen an Haupt- und Mittelschulen in der Jahrgangsstufe 7 für das Jahr 2020 auf Kreis- und Bezirksniveau. Es wurden auch für 2020 wieder prinzipiell drei Varianten berechnet: eine Reduzierung der Haupt-/Mittelschulquote von 2009 um 5 %, um 10 % und um 15 %. Diese drei Varianten werden in der Gesamtauswertung dieser Untersuchung ausführlich behandelt. Hier wird nur die 10 % Variante kurz dargestellt. Sie erscheint am realistischsten, da in den vergangenen Jahren der Rückgang der Übertrittsquote an die Hauptschule pro Jahr höher als 1 % lag und ein Stopp der Übertrittsdynamik auch durch die Einrichtung von Mittelschulen und Schulverbünden nicht erkennbar ist. Für Bayern insgesamt bedeutet diese Variante (demografischer Rückgang um 21,4 %, Rückgang der Übertrittsquote in die Hauptschule von 33 % auf 23 %) einen Rückgang der Zahl der Haupt-/Mittelschüler im Vergleich zum Bestand im Jahr 2009 um 45,3 %. Nur mehr 23.418 Schüler werden die Jahrgangsstufe 7 einer Haupt-/Mittelschule besuchen (s. Tab. 6). Selbst in der Stadt München werden dann trotz der Zunahme der Geburtenzahlen 16 % weniger Haupt-/Mittelschüler zu regis- trieren sein. In Niederbayern, Oberpfalz, Ober- und Unterfranken liegt der Rückgang bei rund 50 %. In 54 Landkreisen ist mit weniger als der Hälfte der Schüler zu rechnen. In den kreisfreien Städten fällt der Schülerrückgang geringer aus, mit Ausnahme von Weiden wo der Rückgang mit 49,7 % fast so stark ist. Bei dieser Variante erleidet der Landkreis München die größten Ein- bußen: Bei einem relativ geringem demografischen Rückgang von nur 8 %, aber einer weiteren Minderung der Übertrittsquote von derzeit 18 % auf dann nur noch 8 %, geht die Zahl der Hauptschüler in der Jahrgangsstufe 7 von 580 im Jahr 2009 auf 237 Schüler im Jahr 2020 zurück (minus 59,1 %). Haupt-/ Mittelschüler 2030 Nach der regionalisierten Bevölkerungsprognose 2028 des Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung nimmt die Zahl der 10-Jährigen im Vergleich zu den Geburten 2008 wieder leicht zu. Der demografische Rückgang beträgt dann 20,1 % im Ver- gleich zu 2007. Es ist aber davon auszugehen, dass die Nachfrage der Wirtschaft nach höheren Qualifikationen weiter zunimmt. Möglichst hohe Schulabschlüsse und damit vermehrte Übertritte in Realschule und Gymnasien sind wichtige Voraussetzung für die Möglichkeit einer eigenständigen Lebensgestaltung. Von den Varianten eines Rückgangs der Übertritte um 10 % oder 15 % oder 20 % der Quoten von 2009 scheint bei anhaltend steigender Nachfrage nach höheren Abschlüssen auch hier die mittlere Variante am Wahrscheinlichsten. Besuchen 2030 bayernweit nicht mehr 33 % die Haupt-/Mittelschulen, sondern nur mehr 18 %, dann sind nicht mehr 42.774 Hauptschüler in der 7. Jahrgangsstufe wie 2009 zu registrieren, sondern nur noch 18.636 (minus 56,4 %)(s. Tab. 7). In allen Be- zirken sinkt die Schülerzahl an den Haupt-/Mittelschulen auf weniger als die Hälfte der Schüler von 2009. 43 Kreise verzeichnen dabei einen Rückgang um über 60 %, darunter auch die kreisfreien Städte Passau, Weiden, Bamberg und Bayreuth. Resümee: Der Schülerrückgang und die Veränderungen des Übertritts wirken sich regional sehr unterschiedlich aus. Bereits bis zum Jahr 2015 ist mit weiteren zahlreichen Schulschließungen vor allem im ländlichen Raum zu rechnen. Spätestens in zehn Jahren stellt sich die Existenzfrage der Schulart, wenn in drei Viertel der bayerischen Landkreise weniger als die Hälfte der derzeitigen Schü- ler die Mittelschulen besuchen. Im Jahr 2030 ist die Haupt-/Mittelschule als wohnortnahes Schulangebot in den größten Teilen Bayerns nicht mehr existent. 25
Tab. 8: Übertrittsquoten 2007 und die Verteilung der Schüler auf Gymnasium und andere Schularten (Bestandsquoten) 2009 Zahl der Grundschüler Anteil Gymnasiasten Anteil wohnortnahe Schule* Jgst. 4 2006/07 Jgst. 5 2007/08 Jgst. 5 2007/08 Oberbayern 42.783 41,3 % 58,7 % Niederbayern 13.022 31,0 % 69,0 % Oberpfalz 11.851 32,7 % 67,3 % Oberfranken 11.118 37,4 % 62,6 % Mittelfranken 17.238 39,2 % 60,8 % Unterfranken 13.958 35,2 % 64,8 % Schwaben 19.729 33,3 % 66,7 % Bayern 129.699 37,1 % 62,9 % * Schüler der Realschule, Haupt-/Mittelschule und der Wirtschaftsschule (bisher Übertritt nach Jgst. 6) zusammengefasst 26
3.2 Szenario 2: Zweigliedrigkeit – wohnortnahe Schule plus Gymnasium Als Alternative zur Fortschreibung des dreigliedrigen Schulsystems wurde das Szenario eines zweigliedrigen Schulsystems entwickelt. Neben den Gymnasien existieren dabei Haupt- bzw. Mittelschulen, Realschulen und Wirtschaftsschulen in zusam- mengefasster Form. Die Zusammenführung dieser Schularten im Rahmen eines zweigliedrigen Schulsystems wurde in vielen Bundesländern bereits umgesetzt. Diese Schulart trägt in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Namen: Regionalschule in Schleswig-Holstein, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, Oberschule in Niedersachsen, Bremen und Brandenburg, Erwei- terte Realschule im Saarland, Realschule plus in Rheinland-Pfalz, Sekundarschule in Sachsen-Anhalt, Mittelschule in Sachsen, Regelschule in Thüringen, Stadtteilschule in Hamburg. Ohne sich auf eine dieser Bezeichnungen festzulegen, wird im Folgenden dieses Konzept als wohnortnahe Schule bezeichnet, da sie in kleineren wohnortnahen Einheiten organisiert werden kann. Tabelle 8 zeigt die Übertrittsquoten aus den Grundschulen in die Gymnasien am Ende des Schuljahres 2006/07.11 37,1 % der bay- erischen Schüler befanden sich im Jahr darauf in Gymnasien. 62,9 % besuchten Real- oder Hauptschulen und sind das Potential einer wohnortnahen Schule in einem zweigliedrigen Schulsystem. Im Folgenden wird mit den derart bestimmten Quoten für die wohnortnahe Schule in einem zweigliedrigen Schulsystem gerechnet, auch wenn sie bis Jahrgangsstufe 7 durch die vorzeitigen Abgänger insbesondere aus Jahrgangsstufe 6 der Gymnasien noch etwas zunimmt. 20 Kreise, häufig in kreisfreien Industrie- oder Verwaltungsstädten und ihren benachbarten Landkreisen, dem sog. Speckgürtel, verzeichneten Übertritte in Gymnasien von mehr als 40 %. Die Städte Bayreuth und Erlangen liegen bei über 50 %. Die Spitzen- werte finden sich im Landkreis Starnberg und im Landkreis München mit 55,6 % bzw. 56,5 %, während die Landeshauptstadt selbst mit 49,4 % etwas darunter liegt. Zehn Landkreise und die Städte Kempten und Schweinfurt liegen bei den Übertritten in die Gymnasien unter 30 %. Der niedrigste Wert wird mit 25,7 % im Landkreis Freyung-Grafenau erreicht. Komplementär zur Gymnasiumsquote ergibt sich das Schülerpotential für eine wohnortnahe Schule in einem zweigliedrigen Schulsystem. Je nach bisheriger Quote der Übertritte in Real- und Wirtschaftsschulen nehmen die Schüler einer wohnortnahen Schule in unterschiedlichem Ausmaß zu. Für ganz Bayern beträgt die Quote der Real- und Wirtschaftsschulen 29,9 %. In Oberbayern und Mittelfranken liegen diese Quoten im Durchschnitt unter 30 %. Hohe Quoten für die Real- und Wirtschaftsschulen sind vor allem in Landkreisen anzutreffen und schwerpunktmäßig in jenen mit niedrigeren Übertrittsquoten in die Gymnasien. Die höchsten Quoten für die Real- und Wirtschaftsschulen haben die Landkreise Straubing-Bogen (38,0 %), Neustadt a. d. Waldnaab (39,3 %) und Bayreuth (39,4 %). Entsprechend würde die wohnortnahe Schule in einem zweigliedrigen System in diesen Landkreisen mehr profitieren als in anderen Kreisen. 11 ISB: Bildungsberichterstattung 2009, München 2010, S. 79 ff. 27
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