Einmaleins des Lebens - Veronika Fischers - Gerald Backhaus
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Kultur Veronika Fischers Einmaleins des Lebens In der DDR war sie ein Superstar. Jeder kannte Veronika Fischer und ihre Hits wie „Sommernachtsball“, „Auf der Wiese haben wir gelegen“ und „... dass ich eine Schneeflocke wär‘“. Oft wurde die im thüringischen Wölfis bei Gotha aufgewachsene blonde Sängerin liebevoll Vroni genannt. I hre Fans verehrten sie wegen ihrer un- gewöhnlich ausdrucksstarken Stimme, der genremäßig schwer zuzuordnenden ne Wahl. Damals war z. B. geplant, dass ich mit meiner Band in den Goethe-Insti- tuten rund um die Welt unsere Musik vor- Musik zwischen Rock, Pop, Chanson stelle, weil ich ja deutsche Lyrik sang. Lei- und Schlager und vor allem wegen ih- der wurde das von den DDR-Behörden rer poetischen Texte mit Tiefgang. Ih- nicht genehmigt. Ich konnte nicht ma- re vier Alben verkauften sich millio- chen, was ich mir vorgenommen hatte. nenfach. Mit dem Gang in den Westen Ich strebte eine internationale Karriere an, 1981 wurde alles aber es gab immer anders. Veroni- politische Brem- ka Fischer muss- sen in meinem Le- te sich „durch- „Brüchen ben. Brüchen be- beißen“, schreibt gegnete ich mit sie in ihrer Auto- begegnete ich mit viel viel Initiative und biographie „Das Lügenlied vom Initiative und Kraft.“ Kraft. Und im Wes- ten musste ich Glück“. Das ge- wieder ganz von lang, weil sie sich vorne anfangen. musikalisch im- mer wieder wandelte. 2016 feierte sie ihr Wie war das? 45. Bühnenjubiläum. 2017 wird nach ei- Ich konnte ja mein Publikum nicht mit- ner zehnjährigen Pause ihr neues Album nehmen. Und es war die Zeit der Neuen erscheinen. Wir trafen die 65-Jährige bei Deutschen Welle, also die Zeit des Anti- einer Melange im Café Einstein. Gesangs. Mir wurde gesagt: „Du hast erst einmal Pause, Sänger werden gerade nicht Frau Fischer, hätten Sie sich in den gebraucht.“ Insgesamt kann ich sagen, 70ern vorstellen können, mehr als vier dass sich viele meiner Träume erfüllt ha- Jahrzehnte auf der Bühne zu stehen? ben. Vielen Leuten habe ich mit meinen Nein, aber ich habe immer kontinuier- Konzerten Freude bereitet. Ein Künstler lich daran gearbeitet. „Das 1x1 der Welt“ ist ja ein Spiegelbild der Menschen. ist mein 22. Album. Wenn man liebt, was man tut, dann kann man gar nicht anders. Hatten Sie zum Beginn Ihrer Karriere ein Vorbild? Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückbli- Als Kind mochte ich Esther und Abi Ofa- cken, bereuen Sie etwas oder hätten Sie rim, Marlene Dietrich und Edith Piaf. gern etwas anders gemacht? Chansons fand ich gut. Als ich dann in Ich konnte nicht alles, was ich wollte, er- Dresden Musik studierte, ging es mehr in reichen. Ich habe in zwei politischen Sys- Richtung Soul, da fand ich Aretha Frank- temen gelebt. In der DDR hatte ich oft kei- lin aus musikalischer Sicht toll. 010 Sommer 2017 · top magazin BERLIN
Kultur Auf Ihrem neuen Album befindet sich mit „Sag mir, wo die Blumen sind“ ein Lied, das auch Marlene Dietrich sang. Stilistisch habe ich mich mit dem neu- en Album seit meiner letzten CD „Unter- wegs zu mir“ von 2007 und einem Weih- nachtsalbum verändert. Erst war ich mir gar nicht sicher, ob ich nochmal neue Musik aufnehmen soll. Wie kam‘s dann? Durch die Liebe. Mein neuer Freund – er ist 17 Jahre jünger – hat mich inspiriert. „Es geht gar nicht anders, Du musst wei- ter Musik machen“, sagte er. Danach ha- be ich begonnen, Material zu suchen, habe meine alten Autoren wieder mo- bilisiert und bekam schöne Ideen von Rainer Husel, mit dem ich schon in den 80ern zusammengearbeitet hatte. Dann rief ich Werner Karma, den Texter von Silly, an. Die Lyrikerin Gisela Steinecke konnte ich gewinnen, auch von ihr be- kam ich tolle Texte. Und dann habe ich den Komponisten Andreas Bicking an- gesprochen, mit dem ich schon mehrere CDs produziert habe, wie z. B. mein an- gejazztes Album „Dünnes Eis“. „Leider brauchen wir in Deutschland Schubladen für alles.“ Welcher musikalische Stil prägt Ihr neues Album? Ich selbst bezeichne meine Musik als Pop-Chanson. Meine Musiker, die „Das 1x1 der Welt“ live eingespielt haben, sa- gen dazu Country Rock mit deutschen Foto: Mario Wollny Texten. Leider brauchen wir in Deutsch- land Schubladen für alles. Wir haben das Album ganz nach unseren Vorstellungen gestaltet, und natürlich wollen wir damit auch die Menschen erreichen. Sommer 2017 · top magazin BERLIN 011
Kultur „Ja, es wäre nötig, dass unsere Kultur und unsere Künstler unterstützt werden.“ Wann können wir reinhören? Promo-Singles sind bereits veröffentli- cht und in den Medien zu hören. Damit war ich auch in Jan Böhmermanns Fern- sehshow am 2. Juni zu Gast. Und das Al- bum soll im August herauskommen. Am 27. August habe ich ein Konzert in Dres- den, bei dem ich schon Kostproben spie- len werde. Wann ich auf Tour gehe, werden die Freunde meiner Musik recht- zeitig aus den Medien erfahren. Foto: Mario Wollny Im Radio hört man Sie leider selten. Überhaupt hat es deutsche Musik schwer bei der Übermacht englischer Titel. Wären Sie für eine Quote wie in Frankreich, wo jedes zweite Lied auf Französisch gesungen werden muss? Deutsche Musik findet einerseits in der Das Top Jugendkultur und andererseits nur im Magazin Berlin Schlager und sonst kaum statt. Diese Verwaltungsgericht. Das wies Ihre Entwicklung finde ich nicht gut. Es gibt verlost 3 Alben Klage ab, weil „das Unrecht nicht „Das 1x1 der Sender wie Antenne Brandenburg und durch DDR-Behörden, sondern Welt“ unter alle Radio Eins, die meine Musik, die sich durch die Plattenfirma“ entstan- n Einsendern. nicht nur auf ein Genre festlegt, gern den sei. Schreiben Sie d spielen. Viele andere sperren sich total. Es gab keinen Vertrag, den ich bei azu einfach eine E-Mail an Für sie ist Deutschsprachiges automa- Amiga unterschreiben musste, : mail@tmm.de, tisch Schlager, was für mich nicht von sondern ein Diktat. Ich hatte kei- Kennwort: Ver einer großen Sensibilität zeugt, Musik ne Wahl, die Bedingungen waren onika Fischer. richtig einzuschätzen. Vielseitigkeit wird vorgegeben. Da es einen Paragrafen Einsendeschluss ist der nicht sehr geschätzt, alles wird in einen über die Rehabilitation bei „Unrecht Topf geworfen. Fachleute, die ein biss- aus DDR-Willkür“ gibt, werde ich in Be- 31.8.2017. chen was von Musik verstehen, müssten rufung gehen. das an Harmonieführungen und Wen- dungen erkennen. Viel Glück dafür. Ist ihr 1979 gebore- ner Sohn Benjamin künstlerisch in Ihre Verraten Sie uns, was Sie für Ihr blen- Also sind Sie für eine Quote für deutsch- Fußstapfen getreten? dendes Aussehen tun? sprachige Musik im Radio? Er hat alle Begabungen bekommen, ist Mein Inneres überzeugte mich davon, et- Ja, es wäre nötig, dass unsere Kultur und sehr musikalisch, kann singen, hat Kla- was für mich zu tun. Also habe ich eine unsere Künstler unterstützt werden. vier gelernt und Schlagzeug gespielt. Zeit lang nur Rohkost gegessen und er- Aber es ist nicht seine Passion und ich nähre mich seitdem vor allem vegan. Das Für Ihre Millionen verkaufter LPs wur- habe ihn nicht dazu gedrängt. Er ist im hat nicht nur dafür gesorgt, dass ich ein den Sie von Amiga, der staatlichen Plat- Webdesign mit seiner Agentur erfolg- paar Kilo abgenommen habe. Es tut mir tenfirma der DDR, nicht adäquat ent- reich. Sich in der Kunst zu bewähren, ist insgesamt sehr gut und ich habe dadurch lohnt. Um eine Entschädigung dafür nicht einfach. Man muss viel Durchhal- viel mehr Energie. zu erhalten, zogen Sie kürzlich vor das tevermögen mitbringen. von Gerald Backhaus Q 012 Sommer 2017 · top magazin BERLIN
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