Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten

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Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten
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Martin Kehl und Guntram Ebel, Halle an der Saale sowie
Andreas Kehl, Goseck

Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach
Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten
Technische Daten, Betriebserfahrungen, Planungspraxis

1. Einleitung                                        beiden vergangenen Jahrzehnten eine
                                                     verstärkte Forschungstätigkeit zur Entwick-
Die Wasserkraft gehört sowohl im euro-               lung technischer Lösungen für den Fisch-
päischen als auch im globalen Maßstab zu             schutz und Fischabstieg an Wasserkraftan-
den bedeutendsten regenerativen Energie-             lagen ein. Ein Ergebnis dieser Aktivitäten ist
quellen. Ihre Nutzung trägt einerseits zur           das Leitrechen-Bypass-System nach Ebel,
Begrenzung klimaschädlicher Emissionen               Gluch & Kehl, das im Zeitraum 1999 bis 2001
und zur Schonung fossiler Energieträger bei,         konzipiert und im Jahr 2006 an der Pilot-
verursacht aber andererseits tiefgreifende           WKA Halle-Planena (Abb. 1) erstmals prak-
Veränderungen der Gewässer und ihrer                 tisch ausgeführt wurde [1–5]. Entsprechend
Lebensgemeinschaften. Eine biologisch be-            den damals gültigen rechtlichen Vorgaben
deutsame Folge der Wasserkraftnutzung ist            wurde für den Leitrechen eine lichte Stab-
die Tötung flussabwärts wandernder Fische            weite von 20 mm gewählt. Zur Verbesserung
durch Turbinen und andere technische Ein-            der Schutzwirkung für abwandernde Aale,
richtungen. Betroffen hiervon sind vor allem         Lachse und andere Arten wurde im Jahr
diadrome, zwischen Süßwasser und Meer                2009 im Rahmen weiterführender Entwick-
wandernde Arten, wie etwa Aal oder Lachs,            lungsarbeiten ein Leitrechen mit einer lich-
da diese dem kumulativen Einfluss aller Was-         ten Stabweite von 10 mm konzipiert. Die
serkraftanlagen (WKA) in dem zu durchwan-            praktische Realisierung erfolgte an der Pilot-
dernden Gewässerabschnitt unterliegen.               WKA Öblitz bei Goseck, die im Jahr 2017
                                                     ihren Betrieb aufnahm [6–8].
Ausgehend von diesen Problemen und
neuen rechtlichen Maßgaben setzte in den             Aufgrund der zunehmenden Notwendig-

     Abb. 1: Pilot-Wasserkraftanlage Halle-Planena mit Leitrechen-Bypass-System nach Ebel, Gluch &
     Kehl	                                                                           Foto: G. Ebel
Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten
Wasserkraft & Energie 2/2021                                                                     3

keit, WKA mit Fischschutz- und Fischabstiegs-     kel schräg angeströmt. Die ingenieurbiolo-
anlagen auszustatten, sind technische und         gisch geeignete Kombination von Anström-
betriebliche Informationen zu einschlägigen       winkel und Anströmgeschwindigkeit ist von
Pilotanlagen für Betreiber und Planer von         der Schwimmfähigkeit der jeweils zu schüt-
besonderem Interesse. Ausgehend hiervon           zenden Fischarten bzw. -stadien abhängig
vermittelt der vorliegende Beitrag einen          und ergibt sich durch Anwendung der maß-
Kurzüberblick über die technischen Eigen-         gebenden Bemessungsregeln. Geeignete
schaften der Pilotanlagen Halle-Planena           Anströmbedingungen werden in vielen Fäl-
(Saale) und Öblitz (Saale) und beschreibt         len durch Anströmwinkel von 20 bis 40°
die seit der Inbetriebnahme gewonnenen            und Anströmgeschwindigkeiten von maxi-
Erfahrungen hinsichtlich der Rechenrei-           mal 0,40 bis 0,80 m/s erzielt [5, 9]. Durch die
nigung und der Rechenverluste sowie der           Einhaltung der biologischen Zielvorgaben
Weiterleitung von Treibgut und Geschiebe.         für Anströmwinkel und Anströmgeschwin-
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse werden        digkeit werden oftmals zugleich die hydrau-
praktische Empfehlungen für die Planung           lischen Voraussetzungen für die Ausbildung
von Leitrechen-Bypass-Systemen abgeleitet.        geringer Anström- und Rechenverlusthöhen
Den Ausführungen vorangestellt wird eine          erfüllt.
Kurzbeschreibung des prinzipiellen Auf-
baus und Funktionsprinzips des Leitrechen-        Die lichte Stabweite des Rechens orientiert
Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl.           sich an den Körperdimensionen der kleins­
                                                  ten Zielart und wird häufig so gewählt, dass
                                                  für diese eine turbinenbedingte Mortalitäts-
2. Aufbau und Funktionsprinzip                    rate
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dern, wird das Rechenfeld mit einer Sohl-       rung durch Absenkung vergrößert werden.
leitwand kombiniert (Abb. 2).                   Nachteilige Schwall- und Sunkeffekte sind
                                                durch eine geeignete Auslegung bzw. Steue-
                                                rung des Bypasses auszuschließen [3, 5].
2.2 Bypass
Der Leitrechen bildet eine Funktionseinheit     3. Bemessung und Gestaltung
mit einem lichtoffenen schachtartigen By-       der Pilotanlagen
pass. Dessen Eintrittsprofil befindet sich am
abstromigen Ende des Rechenfeldes und er-       3.1 WKA Halle-Planena
fasst die gesamte Höhe der Oberwassersäule.
Die Breite des Bypassschachtes beträgt in       Die als Buchtenkraftwerk konzipierte Pilot-
Abhängigkeit von den standörtlichen Bedin-      anlage Halle-Planena befindet sich am unte-
gungen meist 1,0–2,0 m und der Durchfluss       ren Mittellauf der Saale im Bundesland Sach-
meist 0,2–2,0 m³/s. Der Bypass besitzt einer-   sen-Anhalt rechtsseitig neben der Staustufe
seits die Aufgabe, den durch das Rechensys-     (Abb. 3). Die Anlage besitzt einen Ausbau-
tem horizontal abgeleiteten Individuen eine     durchfluss von 50 m³/s und eine Nennfall-
schad- und verzögerungsfreie Passage in das     höhe von 2,4 m. Zur Energiegewinnung kom-
Unterwasser zu ermöglichen. Andererseits        men zwei Kaplan-Rohrturbinen mit einer
fungiert der Bypass als Ableitungsgerinne für   Nennleistung von insgesamt 1,2 MW zum
Treibgut sowie ggf. als Entlastungsgerinne      Einsatz.
für Geschiebe und Hochwasser. Durch die         Der 27,3 m lange und 4,4 m hohe Leitrechen
Mehrzweckfunktion ergeben sich differen-        wird durch konventionelle Flachstahlprofile
zierte Anforderungen an die Bypasshydrau-       gebildet, die eine lichte Stabweite von
lik, denen durch spezielle Regelorgane ent-     20 mm aufweisen und durch Verzinkung vor
sprochen wird. Hierbei handelt es sich um       Korrosion geschützt sind. Das 1,0 m breite
eine im oberen Gerinneabschnitt angeord-        und 29 m lange Bypassgerinne ist mit einer
nete bewegliche Klappe mit vertikaler Dreh-     Wassermenge von 1,0 m³/s kontinuierlich be-
achse sowie um ein nachgeordnetes Über-         aufschlagt [5]. Einen Überblick über die Ei-
fallwehr [3, 5].                                genschaften des Standortes, der WKA und
Die vorgenannte Klappe erzeugt durch Ein-       des Leitrechen-Bypass-Systems vermittelt
engung der durchströmten Gerinnebreite          Tabelle 1.
eine Schlitzstruktur, die sich entweder über    Der Rechen, die Rechenreinigungsmaschine
die gesamte Höhe der Wassersäule erstreckt      (RRM), die Bypassklappe und der Revisions-
oder durch Teilverblendungen in verschie-       schütz für den Bypass wurden durch die Fa.
dene Öffnungen untergliedert wird. Die          Jank GmbH (Jegging, Österreich) konstruiert,
Anordnung dieser permanenten Öffnungen          hergestellt, montiert und in Betrieb genom-
erfolgt in den bevorzugten Abwanderungs-        men. Die Steuerung für die RRM und die By-
horizonten der jeweils maßgebenden Arten,       passklappe programmierte die Fa. Wassitech
wobei im Regelfall zumindest im oberflä-        Ing. Erich Wimberger (Rohrbach-Berg, Öster-
chennahen und im sohlennahen Bereich eine       reich).
Abstiegsöffnung vorgesehen wird. Im nor-
malen Betriebszustand stehen für die Fisch-
abwanderung ausschließlich der Schlitz bzw.     3.2 WKA Öblitz
die Abstiegsöffnungen zur Verfügung. Bei
Spülvorgängen bzw. Hochwasser öffnet die        Die Pilotanlage Öblitz, die sich nordöstlich
Klappe hingegen vollständig und gibt den        von Naumburg am Mittellauf der Saale im
gesamten Querschnitt des Bypassgerinnes         Bundesland Sachsen-Anhalt befindet, wurde
frei [3, 5].                                    wegen eines im Vorland angrenzenden
                                                Naturschutzgebietes nicht als Buchtenkraft-
Das nachgeordnete Überfallwehr besitzt          werk konzipiert, sondern als überströmbare,
einen schrägen Anströmboden und wird in         hochwasserneutrale Anlage in das beste-
Abhängigkeit von den standörtlichen Gege-       hende Wehr integriert (Abb. 4). Der Ausbau-
benheiten fest, teilbeweglich oder vollbe-      durchfluss des Kraftwerks beträgt 48 m³/s
weglich ausgeführt. Bei beweglichen Kon-        und die Nennfallhöhe 2,1 m. Die Anlage ist
struktionen kann die Durchflusskapazität für    mit drei Dive-Turbinen ausgestattet, die eine
Geschiebespülung und Hochwasserabfüh-           Nennleistung von jeweils 300 kW besitzen.
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  Abb. 3: Die als Buchtenkraftwerk konzipierte WKA Halle-Planena wurde rechtsseitig der Stau-
  stufe im Gewässervorland errichtet.                                         Foto: M. Kehl

  Abb. 4: Die WKA Öblitz wurde als überströmbares, hochwasserneutrales Kraftwerk in die Stau-
  stufe integriert.                                                           Foto: M. Kehl
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 Tabelle 1: Standörtliche und technische Informationen (nach [5] und [8], ergänzt)

     Parameter                              WKA Halle-Planena                          WKA Öblitz

     Hydrographische Angaben

     Staat, Bundesland                      Deutschland, Sachsen-Anhalt                Deutschland, Sachsen-Anhalt
     Gewässer                               Saale                                      Saale
     Station                                104,470 km oberhalb Mündung                151,450 km oberhalb Mündung
     Typ Staustufe                          bewegliches Segmentwehr                    festes Wehr
     Lage der WKA                           rechtsseitig neben der Staustufe           linksseitig in der Staustufe
     MQ (Bezugspegel)                       67,3 m³/s (Naumburg)                       67,3 m³/s (Naumburg)
     mittleres Gefälle                      0,3‰                                       0,4‰
     mittlere Gewässerbreite                55 m                                       55 m
     dominierendes Sohlsubstrat             Fein- und Mittelkies                       Fein- und Mittelkies
     Fischereibiol. Klassifizierung         Barbenregion (Epipotamal)                  Barbenregion (Epipotamal)

     Kenngrößen der Wasserkraftanlage

     Typ Wasserkraftanlage                  Buchtenkraftwerk                           überströmbares Kraftwerk
     Ausbaudurchfluss                       50 m³/s                                    48 m³/s
     Nennfallhöhe                           2,40 m                                     2,13 m
     Installierte Leistung                  1,2 MW                                     0,9 MW
     Turbinenkonzept                        2 x Kaplan-Rohrturbine                     3 x Dive-Turbine
     Jahr der Inbetriebnahme                2006                                       2017

     Technische Daten des Leitrechens

     Größe Rechenfeld (l x h)               27,30 m x 4,40 m                           27,63 m x 8,10 m
     Höhe Sohlleitwand                      0,30 m                                     0,60 m
     lichte Stabweite                       20 mm                                      10 mm
     Stabtiefe                              60 mm                                      60 mm und 30 mm (alternierend)
     Stabgeometrie                          Rechteckprofil                             Fischbauchprofil (Typ Einsal)
     Stabdicke (Kopfdicke)                  8 mm (–)                                   5 mm (8 mm)
     Verbauungsgrad, maximal                29%                                        44%
     Anströmwinkel, horizontal              ≥45°                                       ≥38°
     Anströmwinkel, vertikal                90°                                        90°
     Normalgeschwindigkeit                  ≤0,49 m/s                                  ≤0,29 m/s
     Rechenreinigung                        Reinigungskamm                             Reinigungskamm
     Geschieberäumschild                    nein                                       ja
     Rechenverlust                          3–4 cm                                     3–4 cm
     Rechenreinigungsfrequenz               16/Tag (maximal 96/Tag)                    16/Tag (maximal 96/Tag)

     Technische Daten des Bypasses

     Länge                                  29 m                                       18 m
     lichte Breite                          1,00 m                                     2,00 m (vor Klappe 1,50 m)
     Krümmungsradius                        keine nennenswerte Krümmung                15,7 m
     Gerinnetiefe (OK bis Sohle)            5,40 m                                     9,30 m
     Position Abstiegsöffnungen             sohlennah + oberflächennah                 sohlennah + oberflächennah
     Gesamtdurchfluss, absolut              1,00 m³/s (bei Ausbaudurchfluss)           1,56 m³/s (bei Ausbaudurchfluss)
     Gesamtdurchfluss, relativ              2,0% (bei Ausbaudurchfluss)                3,3% (bei Ausbaudurchfluss)
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Der 27,6 m lange und 8,1 m hohe Leitrechen       4. Aufbau der Rechenreinigungs-
ist aus Fischbauchprofilen vom Typ Einsal        maschinen (RRM)
aufgebaut, die im Bereich des Stabkopfes
einen lichten Abstand von 10 mm zueinan-         4.1 WKA Halle-Planena
der aufweisen. Für den oberen Teil des
Rechenfeldes (Höhe 1,5 m), der ausschließ-       An der WKA Halle-Planena besitzt die Putz-
lich bei Hochwasser (kein Turbinenbetrieb)       leiste der RRM eine Höhe von 4,40 m und ist
durchströmt ist, wurde eine lichte Stabweite     mittels Verschraubung an einem stabilen
von 40 mm gewählt. Aufgrund der zu erwar-        Rechenarm befestigt. Um eine effiziente
tenden Verformungen wurde der aus Stahl          Rechenreinigung zu ermöglichen, wurde die
gefertigte Rechen der WKA Öblitz nicht           modulartig aufgebaute Putzleiste der RRM
verzinkt, sondern mit einem kathodischen         mit Zähnen ausgestattet, die über das ge-
Korrosionsschutz kombiniert [6, 8]. Das 2,0 m    samte Rechenfeld gut in die Zahnzwischen-
breite und 18 m lange Bypassgerinne wird         räume eingreifen. Der an vertikalen Profilen
mit einer Wassermenge von 1,56 m³/s kon-         geführte Rechenarm wird während der
tinuierlich dotiert. Die Eigenschaften des       Reinigungsfahrt durch sein Eigengewicht
Standorts, der WKA und des Leitrechen-           und durch Strömungskräfte an das Rechen-
Bypass-Systems sind aus Tabelle 1 ersichtlich.   feld angedrückt und durch einen Hydraulik-
                                                 zylinder bei der Rückfahrt angehoben. Die
Die Module des Rechens wurden von der            RRM wird durch einen Hydraulikmotor mit
Fa. Bernhard Maschinenbau GmbH & Co. KG          Zahnrad und Kette angetrieben und arbeitet
(Unterammergau, Deutschland) konstruiert         mit konstanter Geschwindigkeit (Abb. 5).
und vor Ort montiert. Die Herstellung der
Module erfolgte in der Fa. Johann Heim
GmbH (Hallstadt, Deutschland). Konstruk-
tion, Herstellung, Montage und Inbetrieb-
nahme der Rechenreinigungsmaschine (RRM)
lagen in den Händen der Fa. Bernhard Ma-
schinenbau GmbH & Co. KG. Die Fa. Metall-
bau-Wasserkraft Onnen Krieger GmbH & Co.
KG (Augustusburg, Deutschland) konstru-
ierte, lieferte und montierte die Bypass-
klappe und den Revisionsschütz für den
Bypass. Die Steuerung für die RRM und die
Bypassklappe programmierte die Fa. Dive
Turbinen GmbH (Amorbach, Deutschland).

3.3 Ingenieurbiologische
Aspekte
Die ingenieurbiologische Planung der Leit-
rechen-Bypass-Systeme erfolgte durch An-
wendung spezieller Modellierungs- und
Prog­nosemethoden [2, 7] in enger itera-
tiver Abstimmung mit der technischen Anla-
genplanung [1, 6]. Anzumerken ist hierbei,
dass die einschlägigen Bemessungsregeln [5]
                                                 Abb. 5: Rechenreinigungsmaschinen der Pilot-
während der Planung beider Pilotanlagen          Wasserkraftanlagen. Oben: WKA Halle-Planena
noch in Bearbeitung waren, sodass die geo-       (Arbeitsposition, Ansicht von oberstrom), unten:
metrischen und hydraulischen Eigenschaften       WKA Öblitz (Ruheposition, Ansicht von unter-
der Leitrechen-Bypass-Systeme nicht in allen     strom).                           Fotos: G. Ebel
Aspekten dem heute verfügbaren Kenntnis-
stand entsprechen. Das gilt vor allem für die    4.2 WKA Öblitz
WKA Halle-Planena, welche bereits im Jahr
2001 geplant wurde und die insgesamt erste       An der WKA Öblitz ist die 8,1 m hohe Putz-
WKA mit Leitrechen-Bypass-System nach Ebel,      leiste der RRM zweifach mit Gummilagern
Gluch & Kehl darstellt (vgl. Kap. 1).            nach dem Prinzip eines Kfz-Scheibenwischers
Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten
8                                                                 Wasserkraft & Energie 2/2021

an einem stabilen Rechenarm befestigt. Im              nigte Treibgut dem Unterwasser zugeführt
Interesse einer effizienten Rechenreinigung            werden kann. Die Treibgutweiterleitung
wurde die modulartig aufgebaute Putzleiste             durch den Bypass funktioniert problemlos.
gleichfalls mit Zähnen ausgestattet. Diese             Eventuelle Treibgutverklausungen, die sich
greifen über das gesamte Rechenfeld pass-              sehr selten bei hohem Treibgutaufkommen
genau in die Stabzwischenräume ein. Über               (Hochwasser) am Eintrittsprofil des Bypasses
einen Hydraulikzylinder kann am Rechenarm              bilden, werden mittels Hydraulik-Ladekran
und somit auch an der Putzleiste ein ho-               (Traglast 3,5 t) entnommen (Abb. 6). Das
her Anpressdruck erreicht werden. Zur Ver-             Geschiebe wird überwiegend durch die bei
schleißminimierung der Stahl/Kunststoff-               Hochwasser angehobenen Wehrverschlüsse
Putzleiste wurde im oberen Bereich des                 in das Unterwasser transportiert.
Rechenfeldes eine justierbare, stabile An-
pressrolle installiert. Durch den eingestellten
Abstand zwischen Putzleiste und Rechenfeld             5.2 WKA Öblitz
erfolgt die Reinigung praktisch geräuschlos.
Die RRM wird durch einen Elektromotor mit              Die Betriebserfahrungen für die WKA Öblitz
Frequenzumrichter und Zahnstange ange-                 umfassen einen 3,5-jährigen Zeitraum. Grund-
trieben, wobei die Geschwindigkeit in Ab-              sätzlich ist zu beachten, dass es sich bei die-
hängigkeit von den Erfordernissen variiert             ser WKA um eine überströmbare, hochwas-
werden kann (Abb. 5).                                  serneutrale Anlage handelt, sodass die Re-
                                                       chenbühne nicht mit einer Tauchwand kom-
                                                       biniert werden konnte und das zumeist
5. Betriebserfahrungen                                 oberflächennah transportierte Treibgut in
                                                       vollem Umfang auf das Rechenfeld trifft (vgl.
5.1 WKA Halle-Planena                                  auch Kap. 6.2). Insofern liegt an dieser An-
                                                       lage der denkbar ungünstigste Fall bezüglich
Die nunmehr 14-jährigen Betriebserfahrun-
                                                       der Treibgutbelastung des Rechens vor.
gen für die WKA Planena belegen, dass
keine Probleme mit dauerhaften Rechenver-              Während der Rechenverlust an der WKA Öb-
legungen auftreten. Die Rechenverluste be-             litz im 1. Betriebsjahr (Herbst 2017 – Herbst
tragen 3–4 cm. Die Rechenreinigungsma-                 2018) etwa 2 cm betrug [8], vergrößerten
schine (RRM) arbeitet meist mit einer Fre-             sich die Verluste nach einer Betriebszeit von
quenz von etwa 16 Reinigungsfahrten/Tag.               2,5 Jahren (Frühjahr 2020) auf etwa 6 cm.
Bei hohem Laubanfall beträgt die Reini-                Folgende Ursachen wurden identifiziert:
gungsfrequenz bis zu 96 Reinigungsfahrten/
Tag. Der Reinigungszyklus wird automatisch             1. Verlegungen im Bereich der vertikalen
                                                          Stützstreben, wie an Horizontalrechen
                                                          prinzipiell zu erwarten (zur Geometrie
                                                          des Rechenfeldes vgl. Kap. 7.1)
                                                       2. Verlegungen im Bereich der Stabzwi-
                                                          schenräume an den Engstellen zwischen
                                                          den Stabköpfen
                                                       Die genannten Verlegungen betreffen den
                                                       Schwankungsbereich des Betriebswasserspie-
                                                       gels (ca. 40 m²) und wurden bei abgesenk-
                                                       tem Oberwasserspiegel (Absenkung um ca.
                                                       0,5 m) im Sommer 2020 durch den Einsatz
                                                       eines Hochdruckreinigers (125 bar) mit
Abb. 6: Am Eintrittsprofil des Bypasses der WKA        Dreckfräse und mechanischer Reinigung per
Halle-Planena installierter Hydraulik-Ladekran         Hand innerhalb eines Arbeitstages beseitigt.
                                      Foto: G. Ebel
                                                       Künftigen Rechenverlegungen im oberflä-
ausgelöst, wenn die am Rechen gemesse-                 chennahen Bereich wird seit Herbst 2020
ne Wasserspiegeldifferenz den eingestellten            durch den Einsatz von Kunststoff-Modulen
Sollwert (4–5 cm) überschreitet. Am Ende               (Abb. 7) besser vorgebeugt, die sich von den
einer jeden Reinigungsfahrt öffnet die By-             bislang verwendeten Stahl-Modulen wie
passklappe, sodass das am Rechen abgerei-              folgt unterscheiden:
Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten
Wasserkraft & Energie 2/2021                                                                9

1. Vergrößerte Zahnlänge (34,5 mm), sodass       der Folge vergrößerte sich der Rechenverlust
   nicht nur die Engstelle zwischen den Stab-    von 3 cm auf 25 cm. Nachdem der Umrichter
   köpfen, sondern auch der dahinter gele-       ausgetauscht war, konnte bereits nach einer
   gene Bereich bis fast zur vertikalen Stütz-   Reinigungsfahrt der Rechenverlust von 25
   strebe erreicht wird                          auf 4 cm verkleinert werden. Damit hatte die
                                                 RRM das Rechenfeld bei nur einer Fahrt na-
2. Vergrößerte Zahndicke (7,0 mm), sodass        hezu optimal gereinigt.
   der Bereich zwischen den Rechenstab-
   köpfen vollständiger erfasst wird             Anzumerken ist des Weiteren, dass die
                                                 Rechenverluste der WKA Öblitz trotz der
                                                 ­
Ein weiterer Vorteil der Kunststoff-Module
                                                 deutlich kleineren lichten Stabweite nicht
besteht darin, dass unerwünschte Quietsch-
                                                 größer sind als die der WKA Halle-Planena.
Geräusche durch Vermeidung von Stahl-
                                                 Ursächlich hierfür sind die verlustminimie-
zu-Stahl-Kontakten verhindert werden. Zum
                                                 rende Rechenfeldgeometrie sowie die güns­
Schutz der Kunststoffzähne vor extremer Be-
                                                 tigeren Anströmbedingungen der WKA
lastung wurden die neuen Module auf der
                                                 Öblitz (vgl. auch Tab. 1 und Kap. 7.2).
Vorder- und der Rückseite mit den ursprüng-
lich verwendeten Stahl-Modulen kombiniert,       Die Treibgutweiterleitung in das Unterwas-
deren Zähne geringfügig kleinere Abmes-          ser funktioniert auch an der WKA Öblitz pro-
sungen besitzen. Durch diese „Sandwich-          blemlos. Lediglich bei sehr hohem Treibgut-
Module“ wird eine effiziente und geräusch-       aufkommen (Hochwasser) bilden sich am
arme Rechenreinigung bei gleichzeitig ho-        Eintrittsprofil des Bypasses Treibgutverklau-
her Stabilität der Reinigungszähne gewähr-       sungen aus, die mittels Hydraulik-Ladekran
leistet.                                         (Traglast 5,0 t) beseitigt werden. Um eine
                                                 wirksame Geschiebeweiterleitung zu ermög-
                                                 lichen und Geschiebeablagerungen vor der
                                                 Sohlleitwand dauerhaft auszuschließen,
                                                 wurde die RRM der WKA Öblitz mit einem
                                                 Geschieberäumschild ausgestattet, dessen
                                                 Höhe der Höhe der Sohlleitwand entspricht.
                                                 Das zum Bypass transportierte Geschiebe
                                                 wird durch Öffnung der Bypassklappe in das
                                                 Unterwasser abgeleitet. Die Geschiebebe-
                                                 lastung an der WKA Öblitz ist relativ hoch.
                                                 Ursache hierfür ist einerseits die geringe Ge-
                                                 schiebetransportleistung des festen Stau-
                                                 wehres und andererseits die tiefe Lage der in
Abb. 7: An der RRM der WKA Öblitz eingesetzte    das Wehr integrierten WKA. Deren Zulauf-
Kunststoff-Module               Foto: G. Ebel   sohle wurde 3,0 m unterhalb der Oberwas-
                                                 sersohle angeordnet, um die in Anspruch ge-
Im Normalbetrieb beträgt der Rechenverlust       nommene Wehrbreite zu minimieren.
an der WKA Öblitz nunmehr 3 cm (bei Q ≈
30 m³/s) bis 4 cm (bei Q ≈ 50 m³/s). Die Rei-
nigungsfrequenz liegt meist bei 16 Reini-        6. Schlussfolgerungen
gungsfahrten/Tag. Bei hohem Rechengut-
anfall (Laub) erhöht sich die Reinigungsfre-
                                                 6.1 Betriebserfahrungen
quenz auf bis zu 96 Reinigungsfahrten/           Die generellen Betriebserfahrungen für die
Tag. Der Reinigungszyklus wird automatisch       Leitrechen-Bypass-Systeme nach Ebel, Gluch
ausgelöst, wenn die am Rechen gemessene          & Kehl, die an den WKA Halle-Planena und
Wasserspiegeldifferenz den eingestellten         Öblitz installiert sind, können wie folgt zu-
Sollwert (4–5 cm) überschreitet.                 sammengefasst werden:
Die Wirksamkeit des neuen Reinigungskon-         1. Geringe Rechenverluste durch horizontale
zeptes lässt sich an folgendem Beispiel prak-       Stabausrichtung
tisch veranschaulichen: Anfang November
2020 verhinderte ein Defekt am Umrichter         2. Partielle Selbstreinigung des Rechens
der RRM die Rechenreinigung in einer Phase          durch tangentialen Strömungsvektor in
mit hohem Laubanfall über mehrere Tage. In          Richtung Bypass
Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten
10                                                             Wasserkraft & Energie 2/2021

3. Minimale     Treibgutentsorgungskosten
   durch effektive Treibgutweiterleitung in
   das Unterwasser
4. Minimale Aufwendungen zur Bypassunter-
   haltung durch geringe Verlegungsanfäl-
   ligkeit des Bypasses
5. Bedarfsabhängige Bypassbeaufschlagung
   durch bewegliche Kontrollbauwerke (ge-
   ringe Beaufschlagung bei Normalbetrieb,
   hohe Beaufschlagung bei notwendiger
   Spülung oder Hochwasserentlastung)
6. Vorteilhafte Eigenschaften im Winter-
   betrieb durch erleichterten Transport von
   Eisschollen entlang der schräg exponier-
   ten Rechenfläche (Abb. 8)
7. Betrieb der Horizontalrechen ohne vorge-         Abb. 9: Leitrechen-Bypass-System nach Ebel, Gluch
   lagerten Grobrechen möglich                      & Kehl an der WKA Falkenberg (Ätran) in Schwe-
                                                    den                            Foto: M. Hebrand

                                                    6.2 Praxistauglichkeit von
                                                    10-mm-Horizontalrechen
                                                    Anhand der nunmehr 3,5-jährigen Betriebs-
                                                    erfahrungen für die WKA Öblitz ist festzu-
                                                    stellen, dass Horizontalrechen mit 10 mm
                                                    lichter Stabweite bis zu einem Durchfluss
                                                    von mindestens 50 m³/s pro Rechenfeld
                                                    selbst an überströmbaren WKA praxistaug-
                                                    lich sind (Abb. 10).
                                                    Für nicht überströmbare WKA sind noch
                                                    günstigere betriebliche Eigenschaften zu er-
                                                    warten, sofern die Rechenbühne mit einer
                                                    Tauchwand kombiniert wird, die einen er-
                                                    heblichen Teil des Treibgutes ohne Rechen-
Abb. 8: Durch die schräge Anordnung des Rechen-     kontakt dem Bypass zuleitet. Diese An-
feldes wird auch die Ableitung von Eisschollen in   ordnung ist auch im Hinblick auf Eisdruck
den Bypass unterstützt.          Foto: A. Gluch
                                                    in hochwinterlichen Phasen sowie bezüglich
                                                    des Schutzes von oberflächennah abwan-
Aufgrund der guten betrieblichen Eigen-             dernden bzw. abdriftenden Fischen von Vor-
schaften und der vorteilhaften biologischen         teil.
Wirkungen (Kap. 8) gilt das Leitrechen-Bypass-
System nach Ebel, Gluch & Kehl heute natio-         Die Höhenauslegung der Tauchwand-Unter-
nal und international als Stand der Technik         kante erfolgt standortspezifisch unter Be-
bzw. Best-Practice-Lösung für den Fischschutz       rücksichtigung der jeweiligen W-Q-Beziehung
und Fischabstieg an WKA mit Ausbaudurch-            im Oberwasser, wobei neben den genannten
flüssen ≤100 m³/s und wird an zahlreichen           betrieblichen und biologischen Zielen fol-
europäischen Standorten eingesetzt (Abb. 9).        gende Aspekte zu beachten sind:
Betriebserfahrungen für andere mit Horizon-         1. Gewährleistung einer verlustarmen Re-
talrechen ausgestattete WKA sind der Arbeit            chendurchströmung
von Meister [10] zu entnehmen, in der da-           2. Gewährleistung einer verlustarmen Tur-
rüber hinaus die hydraulischen und biolo-              binenanströmung
gischen Wirkungen derartiger Rechen auf
der Grundlage ausführlicher Laborstudien            3. Gewährleistung der biologisch erforder-
analysiert werden.                                     lichen Anströmbedingungen am Rechen
Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an zwei Pilot-Standorten
Wasserkraft & Energie 2/2021                                                                   11

Aufgrund der positiven Betriebserfahrungen         biologisch zulässige Fließgeschwindigkeit
für die WKA Öblitz beabsichtigen die Betrei-       am Rechen trotz der resultierenden Verrin-
ber, eine ähnlich gestaltete WKA mit einem         gerung der durchströmten Profilfläche fast
Ausbaudurchfluss von 50 m³/s an einem wei-         durchgängig eingehalten werden. Sofern
teren Standort zu errichten, die jedoch nicht      kritische Geschwindigkeiten bzw. Durch-
als überströmbare Anlage, sondern als Buch-        flüsse auftreten, wird die temporäre Tauch-
tenkraftwerk konzipiert ist. Im Interesse ei-      wand vorübergehend aus dem Rechenan-
ner hohen biologischen Schutzwirkung wird          strömbereich entfernt. Über die technischen
der Rechen der neuen WKA mit einer lichten         Eigenschaften der temporären Tauchwand
Stabweite
12                                                               Wasserkraft & Energie 2/2021

      Abb. 11: Durch den Einsatz strömungsgünstiger Rechenprofile können auch bei kleiner Stabweite
      geringe Rechenverluste gewährleistet werden. Links: Profile vom Typ Einsal mit 10 mm lichter
      Stabweite, rechts: Profile vom Typ Oppermann mit 10 mm lichter Stabweite      Fotos: M. Kehl

  a) Weiterleitung von Treibgut ohne Re-                 gelegenen Bereich bis fast zur vertikalen
     chenkontakt                                         Stützstrebe erreichen
  b) Erhöhung der Stabilität bei Eisdruck             6. Ausstattung der RRM mit einem Geschie-
                                                         beräumschild, das die gesamte Höhe der
  c) Erhöhung der Schutzwirkung für ober-
                                                         Sohlleitwand erfasst
     flächennah abwandernde oder abdrif-
     tende Fische                                     Bei Rohstahl-Rechen können beispielsweise
4. Einsatz einer modulartig aufgebauten               strömungsgünstige Profile vom Typ Einsal
   Putzleiste der RRM, sodass bedarfsweise            (Walzwerke      Einsal   GmbH,     Nachrodt,
   ein einfacher Austausch von Modulen                Deutschland) eingesetzt werden, die in zwei
   möglich ist                                        Größen verfügbar sind (Profilgröße 1: Stab-
                                                      dicke 4,5 mm, Kopfdicke 6,5 mm, Stabtiefe
5. Ausstattung der Module der Putzleiste              50 mm; Profilgröße 2: Stabdicke 5 mm, Kopf-
   mit zahnartigen Elementen, die so weit             dicke 8 mm, Stabtiefe 60 mm). Hierdurch er-
   als möglich in das Rechenfeld eingreifen           gibt sich bei lichter Stabweite von 10 mm
   und nicht nur die Engstelle zwischen den           ein maximaler Verbauungsgrad von 39%
   Stabköpfen, sondern auch den dahinter              (Profilgröße 1) bzw. 44% (Profilgröße 2). Zur

      Abb. 12: An der WKA Öblitz eingesetzte verlustminimierende Rechenfeldgeometrie mit alternie-
      render Anordnung von Füllstab und Tragstab (Ansicht von der Abströmseite) Zeichnung: A. Kehl
Wasserkraft & Energie 2/2021                                                                     13

weiteren Verminderung der Rechenverluste          Für Edelstahl-Rechen können beispielsweise
empfiehlt es sich, jeden zweiten Stab auf der     gebördelte Profile vom Typ Oppermann [11]
Abströmseite mittels Laser auszuklinken und       eingesetzt werden. Ein derartiger Rechen ist
hierdurch die Stabtiefe in den für die Fixie-     seit dem Jahr 2014 mit guten Erfahrungen
rung nicht relevanten Bereichen um 50% zu         an der WKA Freyburg (Unstrut, Deutschland)
verringern. Die auf diese Weise gekürzten         im Betrieb [8], die einen Ausbaudurchfluss
Stäbe besitzen die Funktion von Füllstäben,       von 26 m³/s besitzt (Abb. 13).
die aus biologischer, nicht jedoch aus sta­
tischer Sicht erforderlich sind. Sowohl die
Füllstäbe als auch die Tragstäbe werden           7.3 Bypässe
25 mm tief in die kammartige Stützstrebe          Bei der Planung von Bypässen des hier be-
eingeschoben und angeschweißt. Eine derar-        sprochenen Typs empfiehlt es sich, folgende
tige, aus Füllstab und Tragstab gebildete Re-     Sachverhalte zu berücksichtigen:
chengeometrie wurde an der WKA Öblitz
realisiert, wobei Profile der Größe 2 zur An-     1. Gestaltung der Bypassklappe als selbst-
wendung kamen. Die auf der Abströmseite              reinigendes Regelorgan, indem die Öff-
gemessene lichte Stabweite dieses Rechens            nungen für den Fischabstieg als rand-
beträgt im Bereich der Stützstrebe 13 mm             ständige Ausschnitte und nicht als Fenster
und in den übrigen Bereichen 31 mm [8]               konzipiert werden (Abb. 14)
(Abb. 12). Bei der Verwendung von Rohstahl        2. strömungsgünstige Ausrundung der un-
wird im Falle kleiner Stabweiten wegen der           ter 1. benannten Ausschnitte (r ≥100 mm)
zu erwartenden Verformungen keine Ver-               zur Verminderung von Geschwindigkeits-
zinkung empfohlen. Stattdessen sollte das            gradienten und resultierenden Vermei-
gesamte Rechenfeld mit einem kathodischen            dungsreaktionen sowie zur Minimierung
Korrosionsschutz versehen werden [8]. Wäh-           des Verletzungsrisikos
rend der Drucklegung ergab sich, dass die
o. g. Profile vom Walzwerk Einsal nicht mehr      3. Ausführung des Anströmbodens des
angeboten werden. Ähnliche Profile sind              Überfallwehres mit geringer Neigung
beispielsweise bei der Fa. KWT Hydro Anla-           (10–30°) sowie strömungsgünstige Aus-
genbau GmbH (Pforzheim, Deutschland) und             rundung der Wehrkrone (r ≥500 mm) zur
bei Fa. Montanstahl AG (Stabio, Schweiz) er-         Verminderung von Geschwindigkeitsgra-
hältlich.                                            dienten und resultierenden Vermeidungs-

   Abb. 13: An der Wasserkraftanlage Freyburg (Unstrut, Deutschland) wird der 10-mm-Leitrechen
   durch Edelstahlprofile vom Typ Oppermann gebildet.                            Foto: G. Ebel
14                                                              Wasserkraft & Energie 2/2021

   reaktionen sowie zur Minimierung des               8. Investitionskosten
   Verletzungsrisikos
                                                      Die spezifischen, auf den Ausbaudurchfluss
4. teilbewegliche oder vollbewegliche Aus-            der WKA bezogenen Kosten für das Leit­
   führung des Überfallwehres (für Stand-             rechen-Bypass-System können überschlägig
   orte, an denen der Bypass für die Geschie-         wie folgt angenommen werden:
   beweiterleitung oder Hochwasserentlas­
   tung genutzt werden soll, ist eine derar-          1. lichte Stabweite Leitrechen 20 mm, Nor-
   tige Ausführung meist zwingend)                       malgeschwindigkeit vor Leitrechen etwa
                                                         0,5 m/s: 14000 bis 18000 EUR/(m³/s)
5. Gewährleistung   durchgängig    glatter
   Oberflächen zur Minimierung des Verlet-            2. lichte Stabweite Leitrechen 10 mm, Nor-
   zungsrisikos                                          malgeschwindigkeit vor Leitrechen etwa
                                                         0,3 m/s: 18000 bis 25000 EUR/(m³/s)
6. Gewährleistung durchgängiger Spaltfrei-
   heit zur Minimierung des Verletzungsrisi-          Die genannten Beträge beinhalten neben
   kos (im Bereich der Regelorgane vorhan-            den Kosten für die Ausrüstungsobjekte
   dene Spalten sind mit Gummi- bzw.                  (Stahlwasserbau mit Antriebs- und Rege-
   Kunststoffdichtungen abzudecken)                   lungstechnik) auch die Aufwendungen für
7. Installation eines Revisionsschützes unter-        die Baugrube (Aushub sowie Spundwand
   halb des Überfallwehres, sofern dieses als         mit Rütteln, Gurtung und Rückverankerung)
   festes Bauwerk ausgeführt wird (bei Ver-           sowie den Betonbau. Weiterführende Infor-
   wendung eines teilbeweglichen oder voll-           mationen zur Kostenschätzung sind in [8]
   beweglichen Überfallwehres ist kein Revi-          dargestellt. Die genannten spezifischen Kos-
   sionsschütz erforderlich, sofern das Wehr          ten sind als vorläufige Werte aufzufassen,
   hinreichend weit aufgerichtet werden               die mit fortschreitendem Kenntnisstand zu
   kann)                                              überprüfen und ggf. anzupassen sind. Die
                                                      Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Leit­
                                                      rechen-Bypass-Systemen ist stets standortspe­
                                                      zifisch zu prüfen.
                                                      An WKA mit mehreren Turbinen kann eine
                                                      Verringerung der Kosten dadurch erreicht
                                                      werden, dass – abweichend von Abb. 3 – alle
                                                      Turbinen mit gleichem Abstand zum Leit­
                                                      rechen angeordnet werden. Eine derartiges
                                                      Konzept ist auch im Hinblick auf eine gleich-
                                                      mäßige Turbinenanströmung sowie die Auf-
                                                      findbarkeit der Fischaufstiegsanlage von
                                                      Vorteil. Deren Einstiegsbereich liegt beim
                                                      vorgenannten Konzept im spitzen Winkel
                                                      zwischen der Uferlinie und dem schräg
                                                      zur Uferlinie verlaufenden hydraulischen
                                                      Wanderhindernis, das durch die versetzt
                                                      angeordneten Turbinenausläufe gebildet
                                                      wird. Diese Anordnung wird künftig an
                                                      der in Kap. 6.2 benannten Pilotanlage re-
                                                      a­lisiert.

                                                      9. Biologische Wirksamkeit
                                                      Entsprechend einer aktuellen Überblicksar-
Abb. 14: Schachtartige Bypässe mit selbstreinigen-    beit [12] induzieren Leitrechen-Bypass-Sys­
den Regelorganen ermöglichen bei geringem Un-
terhaltungsaufwand einen dauerhaft funktions-
                                                      teme vorteilhafte verhaltensbiologische Wir-
sicheren Betrieb. Oben: Bypass im Bau (Blick zum      kungen und vermindern die turbinenbe-
Unterwasser), unten: Eintrittsbereich eines Bypas-    dingte Fischmortalität erheblich. Für die
ses mit selbstreinigender Klappe im Betrieb (Blick    durch Wasserkraftnutzung besonders ge-
zum Oberwasser).                    Fotos: G. Ebel   fährdeten diadromen Arten Aal und Lachs
Wasserkraft & Energie 2/2021                                                                         15

   Abb. 15: Für den europaweit akut gefährdeten Aal ist ein effizienter Schutz an WKA besonders
   wesentlich. Das Foto zeigt Aale, die an der WKA Rothenburg (Saale) durch ein Leitrechen-Bypass-
   System nach Ebel, Gluch & Kehl innerhalb von einer Nacht erfolgreich in das Unterwasser abge­
   leitet und hier in einer Kontrollvorrichtung nachgewiesen wurden.                 Foto: G. Ebel

wurde an den untersuchten Standorten eine           Stabweite ist eine noch höhere Wirksamkeit
Effizienz von 83–100% mit lichten Rechen-           zu erwarten, wenngleich ein vollständiger
stabweiten von 20–12 mm erzielt (Abb. 15            Schutz auch in diesen Fällen nur dann zuver-
und 16). Für Leitrechen mit geringerer lichter      lässig gewährleistet werden kann, wenn der

   Abb. 16: Untersuchungen zur biologischen Wirksamkeit von Fischschutz- und Fischabstiegssyste-
   men erfolgen oftmals mit netzartigen Fanggeräten, die in den Austrittsprofilen der Saugrohre
   (links) sowie im Austrittsprofil des Bypasses (rechts) installiert werden.     Fotos: G. Ebel
16                                                               Wasserkraft & Energie 2/2021

Rechen für die zu schützenden Tiere als phy-         kraftanlage Halle-Planena (Saale). Unterlagen zur
sisch unpassierbare Barriere wirkt und die           Planfeststellung. – Halle (Saale) (unveröffentlicht,
Fließgeschwindigkeit am Rechen deren                 2001)
Schwimmfähigkeit nicht übersteigt.                   2. Ebel, G.: Fischereibiologisches Gutachten zum
Die Ergebnisse der o. g. Arbeit lassen zugleich      Neubau der Wasserkraftanlage Halle-Planena
                                                     (Saale). Gutachten im Rahmen des Planfeststel-
den Schluss zu, dass die Einhaltung der ein-         lungsverfahrens (Teil I: Fischfauna und Fischab-
schlägigen Vorgaben für die Anordnung, Be-           stiegsanlage). – Halle (Saale) (unveröffentlicht,
messung und Gestaltung [5] eine entschei-            2001)
dende Voraussetzung für die Gewährleistung
der biologischen und betrieblichen Funkti-           3. Ebel, G., A. Gluch und M. Kehl: Einsatz des Leit-
onsfähigkeit von Leitrechen-Bypass-Systemen          rechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an
darstellt. Abweichungen sollten daher mög-           Wasserkraftanlagen – Grundlagen, Erfahrungen
                                                     und Perspektiven. – Wasserwirtschaft 105 (2015)
lichst unterbleiben bzw. auf jene Fälle be-          7/8, S. 44–50
schränkt werden, bei denen aufgrund stand-
örtlicher Zwänge keine vollständige Umset-           4. Gluch, A.: Leitrechen-Bypass-System Ebel, Gluch
zung der genannten Vorgaben erfolgen kann.           & Kehl (Praxisbeispiele WKA 0,05–2 MW). – Fach-
                                                     tagung „Fischmigration und Fischschutzmaßnah-
                                                     men“ am 16.–17. Mai 2017 in Dessau (http://forum-
                                                     fischschutz.de/sites/default/files/Gluch.pdf; Aufruf:
10. Zusammenfassung                                  3.1.2021)
Für die Pilot-WKA Halle-Planena und die              5. Ebel, G.: Fischschutz und Fischabstieg an Wasser-
Pilot-WKA Öblitz, die mit Leitrechen-Bypass-         kraftanlagen – Handbuch Rechen- und Bypasssys-
Systemen nach Ebel, Gluch & Kehl ausgestat-          teme. Ingenieurbiologische Grundlagen, Modellie-
tet sind, liegen positive Betriebserfahrungen        rung und Prognose, Bemessung und Gestaltung. –
vor. Diese betreffen sowohl die Rechenreini-         Mitteilungen aus dem Büro für Gewässerökologie
gung und die Rechenverluste als auch die             und Fischereibiologie, Band 4 (3. Auflage 2018),
Weiterleitung von Treibgut und Geschiebe in          Halle (Saale)
das Unterwasser.                                     6. Kehl, M., und A. Kehl : Technische Entwurfs- und
Die Erfahrungen für die WKA Öblitz belegen           Genehmigungsplanung zum Neubau der Wasser-
                                                     kraftanlage Öblitz (Saale). Unterlagen zur Plan-
zugleich, dass Leitrechen mit einer lichten          feststellung. – Halle (Saale) (unveröffentlicht,
Stabweite von 10 mm bis zu einem Durch-              2009)
fluss von mindestens 50 m³/s pro Rechenfeld
selbst an überströmbaren, hochwasserneu-             7. Ebel, G: Fischereibiologisches Gutachten zum
tralen Kraftwerken einsetzbar sind. Für nicht        Neubau der Wasserkraftanlage Öblitz (Saale). Gut-
überströmbare WKA können bei geeigneter              achten im Rahmen des Planfeststellungsverfah-
Gestaltung noch günstigere betriebliche Ei-          rens. – Halle (Saale), (unveröffentlicht, 2009)
genschaften erwartet werden.                         8. Ebel, G., M. Kehl und A. Gluch: Fortschritte beim
                                                     Fischschutz und Fischabstieg: Inbetriebnahme der
Im Interesse der betrieblichen und biolo­            Pilot-Wasserkraftanlagen Freyburg und Öblitz. –
gischen Funktionsfähigkeit sollten bei der           Wasserwirtschaft 108 (2018) 9, S. 54–62
Planung von Leitrechen-Bypass-Systemen die
einschlägigen Vorgaben für die Anordnung,            9. Ebel, G.: Modellierung der Schwimmfähigkeit
Bemessung und Gestaltung eingehalten wer-            europäischer Fischarten – Zielgrößen für die hy-
den. Diese wurden in vorliegender Arbeit             draulische Bemessung von Fischschutzsystemen. –
auf der Grundlage von Betriebserfahrungen            Wasserwirtschaft 104 (2014) 7/8, S. 40–47
für einschlägige Pilotanlagen um praktisch           10. Meister, J.: Fish protection and guidance at wa-
bedeutsame Aspekte ergänzt. Damit liegen             ter intakes with horizontal bar rack bypass sys-
gute Voraussetzungen für die Installation            tems. – Mitteilungen der Versuchsanstalt für Was-
von biologisch effizienten Fischschutz- und          serbau, Hydrologie und Glaziologie (258), Zürich
Fischabstiegseinrichtungen mit vorteilhaften         (ETH) (2020)
betrieblichen Eigenschaften vor.                     11. Hassinger, R.: Neuartiger Fisch schonender Re-
                                                     chen für Wasserkraftanlagen. – Dresdener Wasser-
                                                     bauliche Mitteilungen 39 (2009), S. 251–258
11. Quellenverzeichnis
                                                     12. Ebel, G.: Biologische Wirksamkeit von Leit-
1. Kehl, M., und A. Kehl: Technische Entwurfs- und   rechen-Bypass-Systemen – Aktueller Kenntnis-
Genehmigungsplanung zum Neubau der Wasser-           stand. – Wasserwirtschaft 110 (2020) 12, S. 18–27
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