Einsatz deutscher Rüstungstechnik im Jemen - Für ein umfassendes Waffenembargo gegen die Kriegskoalition - Bonn International Center for Conversion
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\ POLICY BRIEF 2 \ 2019 Einsatz deutscher Rüstungstechnik im Jemen Für ein umfassendes Waffenembargo gegen die Kriegskoalition Marius Bales \ BICC Max M. Mutschler \ BICC Politikempfehlungen \ Ein umfassendes Waffenembargo \ „Koalition der Willigen“ für ein Waffen- In Anbetracht der eklatanten Verletzung des humanitären embargo auf EU-Ebene Völkerrechts durch die am Jemen-Krieg beteiligten Staaten Die Bundesregierung muss sich die Forderung des sind zeitlich eng befristete Exportmoratorien, wie der Europäischen Parlaments, keine Rüstungsgüter mehr derzeit noch bis zum 9. März bestehende Stopp für Rüs- an Saudi-Arabien zu liefern, zu eigen machen, diese um tungsexporte an Saudi-Arabien, nicht ausreichend. Auf- die Vereinigten Arabischen Emirate erweitern und sich grund der aktiven Beteiligung weiterer Staaten an den innerhalb der Europäischen Union aktiv dafür Luftangriffen, der Seeblockade im Roten Meer und der einsetzen. militärischen Ausstattung jemenitischer Milizen muss die Bundesregierung ein umfassendes und nicht zeitlich \Munitionslieferungen von befristetes Waffenembargo gegen alle Staaten der von Rüstungsunternehmen mit deutscher Saudi-Arabien angeführten Koalition beschließen. Beteiligung stoppen Die Bundesregierung muss auf Rheinmetall einwirken, \ Bestehende Genehmigungen damit der Konzern weitere Munitionslieferungen an die widerrufen Staaten der Kriegskoalition durch seine ausländischen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen stoppt. Ägypten, Bahrain, Kuwait, Jordanien, der Sudan und der Senegal sind entweder durch die Beteiligung an \ Internationalen Druck auf den Luftangriffen, der Seeblockade oder durch den Einsatz von Bodentruppen militärisch unmittelbar am Golfmonarchien erhöhen Die Bundesregierung muss auf diplomatischem Wege Jemen-Krieg beteiligt. Sie alle dürfen deshalb bis auf bei Saudi-Arabien und den VAE Auskunft über den Ver- Weiteres keine Rüstungsgüter mehr aus Deutschland bleib aus Deutschland gelieferter oder unter deutscher erhalten. Die Bundesregierung muss sämtliche Aus- Lizenz produzierter Kleinwaffen einfordern. Sie muss fuhrgenehmigungen, die für Rüstungsexporte an diese dabei die sichtbare Ausstattung lokaler Milizen im Jemen Staaten erteilt wurden, widerrufen. mit deutschen Waffen ansprechen und mit Nachdruck eine Erklärung dafür verlangen. \ POLICY BRIEF 2 \ 2019
FÜR EIN UMFASSENDES WAFFENEMBARGO GEGEN DIE KRIEGSKOALITION IM JEMEN \ M. BALES & MAX M. MUTSCHLER Einsatz deutscher Rüstungstechnik im Jemen: Für ein umfassendes Waffenembargo gegen die Kriegskoalition Einleitung Vielmehr muss die Bundesregierung sämtliche bereits erteilten Rüstungsexportgenehmigungen für Seit nunmehr vier Jahren kämpft eine von Saudi- alle Staaten der von Saudi-Arabien angeführten Koali- Arabien angeführte Kriegskoalition im Jemen gegen tion mit sofortiger Wirkung widerrufen, bis auf Wei- die schiitischen Huthi-Rebellen. Den Vereinten Nati- teres keine neuen Genehmigungen erteilen und sich onen zufolge sind bereits annähernd 18.000 Zivilisten nachdrücklich für ein EU-Waffenembargo gegen diese bei den Kämpfen umgekommen. Unabhängige Staaten – allen voran Saudi-Arabien und die Vereinigten Forscher des Armed Conflict Location and Event Data Arabischen Emirate (VAE) – einsetzen. Projects (ACLED) sprechen sogar von mehr als 56.000 Menschen, die im Zuge der Kampfhandlungen allein Die Kriegskoalition – Wer macht was? zwischen Januar 2016 und Oktober 2018 getötet Und mit welchen Waffen? wurden. Über drei Millionen Jemeniten sind auf der Flucht. 14 Millionen Menschen sind akut von Hunger Die sunnitisch-arabische Kriegskoalition, deren Ziel bedroht; mehr als 24 Millionen Menschen, darunter die Wiedereinführung des im Exil lebenden internati- 11 Millionen Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. onal anerkannten Präsidenten Abed Rabbo Mansur Die Vereinten Nationen sprechen im Jemen von einer Hadi ist, führt Saudi-Arabien an. Die Golfmonarchie der schlimmsten humanitären Katastrophen der Welt. beteiligt sich mit rund 100 Kampfflugzeugen an den Luftangriffen gegen Ziele im Jemen und fliegt die In ihrem Koalitionsvertrag beschlossen CDU/CSU überwiegende Anzahl der Luftangriffe. Dabei kommen und SPD im März 2018, keine Waffen mehr an Länder neben amerikanischen F-15 Eagle auch in europäischen zu exportieren, die unmittelbar am Krieg im Jemen Gemeinschaftsprojekten hergestellte Tornado und beteiligt sind. Allerdings erhielten deutsche Rüstungs- Eurofighter Typhoon Kampfflugzeuge zum Einsatz. unternehmen die Zusicherung, dass bereits geneh- Insgesamt 72 Eurofighter hatte Saudi-Arabien für rund migte Rüstungsgeschäfte davon nicht betroffen wären 8,8 Milliarden US-Dollar zwischen 2009 und 2017 aus („Vertrauensschutz“), wenn sie nachweisen konnten, Großbritannien erhalten. Diese Eurofighter Typhoon dass die jeweiligen Waffen ausschließlich im Emp- bestehen zu etwa 30 Prozent aus deutschen Zuliefe- fängerland verbleiben; sprich nicht im Jemen- Krieg rungen. Dazu zählen neben der Bordkanone von eingesetzt werden. Als Reaktion auf die Ermordung Mauser und Komponenten wie Hilfsgasturbinen oder des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi- arabi- Kraftstoffablassventile auch zahlreiche Ersatzteile, schen Konsulat in Istanbul stoppte die Bundesregie- etwa zur Instandsetzung der Flugzeugbatterien. Noch rung im November 2018 die weitere Genehmigung im vierten Quartal 2017 hat die Bundesregierung sol- von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien und che Komponentenlieferungen für die saudischen ersuchte Firmen, bestehende Genehmigungen nicht Eurofighter genehmigt. Saudi-Arabien koordiniert auch zu nutzen. Dieses temporäre Moratorium verlängerte die Einsätze der Kampfflugzeuge aller Koalitionsstaa- die Bundesregierung Mitte Januar um zwei weitere ten. Bei diesen Luftangriffen setzte die Royal Saudi Air Monate bis zum 9. März. Die Rüstungsindustrie droht Force neben präzisionsgelenkter Munition nachweis- mit Schadensersatzklagen. Frankreich und Großbri- lich auch Clustermunition und ungelenkte Bomben tannien beschweren sich über den Stopp deutscher ein und bombardierte Schulen, Krankenhäuser, Zulieferungen für gemeinsame Rüstungsprojekte. Lebensmittelfabriken sowie Wohngebiete. Vermutlich Die Bundesregierung muss entscheiden, wie mit dem setzt Saudi-Arabien im Jemen auch Aufklärungsdrohnen auslaufenden Moratorium zu verfahren ist. Dabei darf vom Typ Luna der deutschen Firma EMT ein (10 Stück es nicht nur darum gehen, ob dieses verlängert wird wurden von 2011 bis 2012 geliefert). Im Dezember 2015 oder nicht. Dies würde in Anbetracht der eklatanten soll Saudi-Arabien auch CAESAR Artilleriegeschütze Verletzung des humanitären Völkerrechts durch die eingesetzt haben, um den Jemen aus der saudischen am Jemen-Krieg beteiligten Staaten viel zu kurz greifen. Grenzstadt Najran zu bombardieren. Der französische 2\ \ POLICY BRIEF 2 \ 2019
FÜR EIN UMFASSENDES WAFFENEMBARGO GEGEN DIE KRIEGSKOALITION IM JEMEN \ M. BALES & MAX M. MUTSCHLER Rüstungskonzern Nexter hatte zwischen 2010 und auf der Seite Saudi-Arabiens kämpfen. Dabei besagt 2015 132 Stück davon an Saudi-Arabien geliefert. Aus die vertragliche Vereinbarung im Zuge der Lizenzpro- Deutschland stammen die Unimog-Fahrgestelle und duktion ausdrücklich, dass die Waffen nur für die Dieselmotoren für dieses Waffensystem. Ausstattung der saudischen Armee verwendet werden dürfen. Sogar die vom Iran unterstützten Huthi- Auch die Seeblockade im Roten Meer und dem Golf Rebellen kämpfen mittlerweile mit erbeuteten von Aden, mitverantwortlich für die schwere huma- G36-Gewehren. Auch MG4 Maschinengewehre, wie nitäre Krise, führt die Golfmonarchie an. Der Jemen sie von Heckler & Koch an Saudi-Arabien geliefert ist zu 85 Prozent auf Nahrungsmittelimporte ange- wurden, sind auf Fotos aus dem Jemen zu sehen. wiesen. Die internationale Hilfsorganisation Save the Children geht davon aus, dass insgesamt 85.000 Kinder Die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligen sich mit seit 2015 im Jemen-Konflikt an Unterernährung rund 30 bis 35 Kampfflugzeugen, darunter auch fran- gestorben sind. Auch Patrouillenboote der zur Lürssen- zösische Mirage 2000, an der Kriegskoalition und flie- Gruppe gehörenden Peene-Werft könnten an der gen nach Saudi-Arabien die überwiegende Anzahl der Seeblockade beteiligt sein: Saudi-Arabien orderte 33 Luftangriffe. Strategisch konzentrieren sie sich dabei Patrouillenboote. Die Baugenehmigung nach Kriegs- eher auf den Süden des Jemen, um die nach Unab- waffenkontrollgesetz erfolgte bereits 2015. Bisher hängigkeit strebende Separatistenbewegung genehmigte die Bundesregierung die Ausfuhr von 17 al-Hirak zu unterstützen. Diese kämpft nicht nur gegen dieser Patrouillenboote, 15 davon sind bisher ausgelie- die Huthi-Rebellen, sondern geht seit Januar 2018 fert worden; das erste im Dezember 2016. Medienbe- auch militärisch gegen die von Saudi-Arabien unter- richten zufolge waren mindestens zwei dieser Pat- stützten jemenitischen Regierungstruppen vor. Damit rouillenboote wiederholt in einem saudischen Hafen kämpfen die von der Kriegskoalition unterstützten stationiert, in dem die saudische Marine bis Ende Gruppen mittlerweile auch gegeneinander. Neben August 2018 zeitgleich einen für den Jemen bestimm- den südlichen Separatisten erhalten auch die Abu-al- ten Frachter festhielt. Im März 2018 kamen zwei der Abbas ,Giants‘ Brigade, die Shabwani Elite Forces und aus Deutschland gelieferten Boote im Hafen von die Security Belt-Miliz, denen der Hohe Kommissar Dschizan an – nahe der Grenze zum Jemen – und sen- der Vereinten Nationen für Menschenrechte in einem deten daraufhin keine Transpondersignale mehr. Bericht vom August 2018 Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen vorwirft, mili- Neben dem punktuellen Einsatz von Spezialeinheiten tärisches Training und moderne westliche Waffen- werden insbesondere lokale sunnitische Stammesmi- technologie aus den VAE. Darunter fallen Panzerfahr- lizen im Jemen – darunter auch militante Islamisten – zeuge aus den USA, bulgarische Gewehre, serbische von Saudi-Arabien bewaffnet, ausgebildet und finan- Handfeuerwaffen und das deutsche MG3 von Rhein- ziert. Die materielle Unterstützung umfasst dabei metall, das mittlerweile von verschiedenen Ländern auch Waffensysteme deutscher Bauart. 2015 warf in Lizenz produziert wird. Auch Handgranaten vom Saudi-Arabien G3-Sturmgewehre – die Bundesregierung Rüstungsunternehmen RUAG, 2003 aus der Schweiz erteilte Riad 1969 die Genehmigung zur Lizenzpro- geliefert, gaben die VAE an die salafistische Abu-al- duktion – zur Unterstützung der jemenitischen Abbas Brigade weiter. Zur Eroberung strategisch Armee und lokaler Milizen bei der Eroberung der wichtiger Städte (bspw. der Hafenstädte Aden und Stadt Aden über dem Kriegsgebiet ab. Auch das we- Hudaida) und zentraler Infrastruktur setzen die sentlich modernere G36 – hier genehmigte die Bun- Emirate im Jemen eigene Spezialeinheiten und Boden- desregierung Saudi-Arabien die Lizenzproduktion truppen ein. Dabei kommen auch schwere Waffensys- 2008 – wird mittlerweile von unterschiedlichen Grup- teme der Emirate zum Einsatz: So zeigen Videos der pen im Jemen eingesetzt. Laut Augenzeugenberichten staatlichen VAE-Nachrichtenagentur unter anderem zählen dazu auch sudanesische Soldaten, die im Jemen Leclerc-Panzer sowie gepanzerte Fahrzeuge vom Typ \ POLICY BRIEF 2 \ 2019 3\
FÜR EIN UMFASSENDES WAFFENEMBARGO GEGEN DIE KRIEGSKOALITION IM JEMEN \ M. BALES & MAX M. MUTSCHLER Oshkosh M-ATV und MRAP, die auch deutsche Kom- der Kriegskoalition auch vier F-16 Kampfflugzeuge ponenten enthalten: Die bei der Schlacht um Aden zur Verfügung. So war die ägyptische Luftwaffe Medien- 2015 eingesetzten Leclerc-Panzer – der französische berichten zufolge auch an Bombardements im Jemen Rüstungskonzern Nexter lieferte bis 1999 390 Stück beteiligt. an die VAE – sind mit deutschen MTU-883 Dieselmo- toren ausgestattet. Die im Kampf um die jemenitische Die überwiegende Anzahl der landesweit am Boden Stadt Hudaida eingesetzten amerikanischen Oshkosh kämpfenden Soldaten stellt der Sudan der Kriegsallianz M-ATV tragen eine fernbedienbare Waffenstation zur Verfügung. Die rund 8.000 Infanteristen ent- vom Typ FeWas, mit der einmal identifizierte Ziele stammen überwiegend der paramilitärischen Rapid automatisch verfolgt werden können. Diese Waffen- Support Force, denen Nichtregierungsorganisationen station, ursprünglich von der deutschen Firma Dynamit wie Amnesty International und Human Rights Nobel Defence aus Burbach-Würgendorf entwickelt, Watch systematische Menschenrechtsverletzungen wird in den VAE in Lizenz produziert. vorwerfen. Auch Kindersoldaten sollen für den Ein- satz im Jemen rekrutiert, in Saudi-Arabien ausgebildet Die Marine der VAE beteiligt sich, unter anderem und mit amerikanischen Kleinwaffen ausgestattet auch mit aus Deutschland stammenden Korvetten worden sein. Der Senegal entsandte eigenen Angaben an der Seeblockade, an der insgesamt rund 20 Kriegs- zufolge rund 2.100 Soldaten in den Jemen, um sich schiffe beteiligt sein sollen. So sollen die „Muray Jib- am Kampf gegen die Huthi-Rebellen zu beteiligen. class missile corvettes“ der emiratischen Marine – Einem Bericht der Vereinten Nationen vom Oktober Deutschland lieferte zwischen 1990 und 1991 zwei der 2015 zufolge ist auch Eritrea mit rund 400 Bodentruppen Lürssen-Korvetten vom Typ CM65 an die VAE – an der an den Kampfhandlungen beteiligt. Wie auch Dschibuti Seeblockade beteiligt sein. Auch begleitete eines der und Somalia gestattet es der Kriegskoalition die Nut- zwei, im Jahre 2006 exportierten und inzwischen zung seiner Militärstützpunkte, des Luftraums und modernisierten gebrauchten Minenjagdschiffe der der Hoheitsgewässer. Gefechtsanweisungen via Funk Frankenthal-Klasse die emiratischen Kriegsschiffe erhalten die Bodentruppen dabei von Saudi-Arabien wie die Korvetten der Baynunah-Klasse, die ebenfalls und den VAE. Teil der Seeblockade sind. Diese basieren zwar auf französischer Technologie, verfügen aber u.a. über Im Zuge des Vorwurfs der Unterstützung terroris- Bordkanonen des Typs MLG 27, die von Rheinmetall tischer Organisationen und der damit verbundenen im schwäbischen Oberndorf hergestellt werden. diplomatischen Krise im Golfkooperationsrat wurde Außerdem lieferte Deutschland das MASS-System das militärische Engagement Katars im Juni 2017 von Rheinmetall zum Schutz vor sensorgelenkten beendet. Im April 2018 kündigte auch Marokko an, die Flugkörpern und Dieselmotoren (Modell 595) der sechs an der saudisch-geführten Kriegskoalition Motoren und Turbinen Union (MTU) aus Friedrichs- beteiligten F-16 Kampfflugzeuge vor dem Hintergrund hafen für den Bau der Korvette. der zunehmenden Spannungen mit der Polisario- Bewegung in der Westsahara zurückzuziehen. Pakistan Ägypten beteiligt sich mit Schnellbooten und einer verkündete im Februar 2018, dass im Zuge der bilateralen Fregatte an der Seeblockade. Im September 2015 Sicherheitskooperation mit Riad eine unbekannte An- entsandte Ägypten 800 Bodentruppen zum Kampf zahl an Truppen nach Saudi-Arabien entsendet werde. um die Hauptstadt Sanaa in den Jemen. Ob diese Bisher sind dort bereits 1.000 pakistanische Soldaten ägyptischen Bodentruppen derzeit noch an den stationiert. Es gibt allerdings eine parlamentarische Kampfhandlungen im Jemen beteiligt sind, ist jedoch Erschließung, die die Neutralität Pakistans im Jemen- unklar. Neben dem Bahrain (15 F-16), Jordanien (6 F-16), Krieg bekräftigt. dem Sudan und Kuwait (12 F/A-18 Hornets) stellt Ägypten 4\ \ POLICY BRIEF 2 \ 2019
FÜR EIN UMFASSENDES WAFFENEMBARGO GEGEN DIE KRIEGSKOALITION IM JEMEN \ M. BALES & MAX M. MUTSCHLER Unterstützt wird die arabische Kriegskoalition mittel- bar auch von ihren westlichen Partnern. Insbesondere Tabelle 1 die USA beliefern die Kriegskoalition mit Waffensys- Genehmigte deutsche Rüstungsexporte an die Staaten temen, speziell mit präzisionsgelenkten Bomben und der arabischen Kriegskoalition im Jemen Abstandsflugkörpern. Luft- und Drohnenangriffe werden nachrichtendienstlich sowie logistisch unter- stützt. So verlängerten die USA die Einsatzzeiten der Empfängerland Genehmigung von Rüstungsexporten F-15 und F-16 Kampfflugzeuge zumindest bis November 2015 - 2018 (in Euro) 2018 durch amerikanische Tankflugzeuge. Durch die Entsendung von Militärberatern nach Saudi-Arabien Ägypten 1.141.076.525 sind die USA bei der Lokalisierung von Huthi-Raketen- Bahrain 22.540.246 stellungen im topographisch anspruchsvollen Norden Jordanien 64.976.894 des Jemen behilflich. Auch Spezialisten aus Großbritan- Katar 1.716.319.462 nien helfen den Saudis im militärischen Einsatzzen- Kuwait 201.751.411 trum in Riad bei der Auswahl von Zielen für Luftan- Marokko 29.213.479 griffe und bildeten saudische Kampfpiloten aus. Saudi-Arabien 1.470.627.873 Senegal 281.245 Welche deutschen Rüstungslieferun- Sudan 169.000 (UN-Mission) VAE 535.866.193 gen stehen noch aus? Die Bundesregierung hat an alle Staaten der Kriegsko- Rüstungsexportgenehmigungen bis einschließlich 26. Dezember 2018. Gesamtwerte für 2018 erschlossen aus Parlamentarischen Anfragen an die Bundesregierung. Die alition, mit Ausnahme des Sudan, gegen den ein Austrittszeitpunkte Katars (Juni 2017) und Marokkos (April 2018) wurden bei der Waffenembargo seitens der EU und UN besteht, Rüs- Aggregierung der Zahlen berücksichtigt. tungsexporte genehmigt. Das Gesamtvolumen der erteilten Rüstungsexportgenehmigungen liegt dabei seit 2015 bei rund 5,2 Milliarden Euro. in Wolgast geordert hat, wurden bislang erst 15 Boote ausgeliefert. Zudem blockiert Deutschland die Zulie- Unter den 2018 genehmigten Rüstungsexporten an ferung von Teilen (u.a. Antriebe und Sprengköpfe) für Saudi-Arabien im Umfang von rund 416 Millionen Luft-Luft-Raketen vom Typ Meteor für die Eurofighter Euro – Saudi-Arabien zählt damit nach Algerien, den Typhoon – zur Verärgerung Großbritanniens und USA und Australien auch 2018 zu den größten Emp- Frankreichs. fängerländern deutscher Rüstungsexporte – befinden sich Patrouillenboote, Radarsysteme zur Ortung Auch andere Staaten der Kriegskoalition, gegen die feindlicher Artillerie, Flugzeugteile und Ausrüstung seitens der Bundesregierung bislang noch kein Export- für die Luftbetankung von Flugzeugen, wie sie im stopp verhängt wurde, erwarten Waffenlieferungen Jemen eingesetzt wird. aus Deutschland. So sollen die Vereinigten Arabischen Emirate sechs BR-710 Turbinen, deren Export zwischen Allerdings wurden zum Zeitpunkt des Exportstopps 2015 und 2017 beschlossen wurde, für drei kanadische im November 2018 noch nicht alle genehmigten Rüs- Global-6000 Transportflugzeuge erhalten. Diese sollen tungsexporte auch tatsächlich ausgeführt. Geschäfte in Schweden mit einem AEW&C-System zur luftge- im Wert von etwa 1,5 Milliarden Euro sollen vom Ex- stützten Luftraumaufklärung und -überwachung portstopp betroffen sein. Darunter fallen zum Beispiel ausgestattet werden, die essentiell für die Luftkriegs- vier Aufklärungsradarsysteme für Artilleriegeschütze führung im Jemen ist. Zudem erhält die emiratische vom Typ „Cobra“. Auch von den 33 bewaffneten Pat- Marine 48 Gefechtsköpfe sowie 91 Zielsuchköpfe für rouillenbooten, die Saudi-Arabien bei der Peene-Werft die Flugabwehrsysteme ihrer Kriegsschiffe. Wie im \ POLICY BRIEF 2 \ 2019 5\
FÜR EIN UMFASSENDES WAFFENEMBARGO GEGEN DIE KRIEGSKOALITION IM JEMEN \ M. BALES & MAX M. MUTSCHLER September 2018 zudem bekannt wurde, genehmigte Verletzung des humanitären Völkerrechts durch die der Bundessicherheitsrat auch die Lieferung von 385 am Jemen-Krieg beteiligten Staaten sind zeitlich eng Panzerabwehrraketen von Dynamite Nobel Defense befristete Exportmoratorien wie der derzeit noch bis an Jordanien; Ägypten erhält sieben SLS Luftverteidi- zum 9. März bestehende Stopp für Rüstungsexporte gungssysteme des Herstellers Diehl, welche die Boden- an Saudi-Arabien nicht ausreichend. Insbesondere Luft-Flugkörper IRIS-T SL verwenden. Neben zwei aufgrund der aktiven Beteiligung weiterer Staaten an weiteren U-Booten vom Typ-209/1400, deren Ausliefe- den Luftangriffen, der Seeblockade im Roten Meer rung für 2021 geplant ist, orderte Ägypten 2017 330 und der militärischen Ausstattung jemenitischer Mi- Luft-Luft-Raketen bei Deutschland, die bisher noch lizen ist ein umfassendes Waffenembargo gegen alle nicht ausgeliefert wurden. Im Dezember 2018 geneh- Staaten der von Saudi-Arabien angeführten Koalition migte der Bundessicherheitsrat zudem die Ausfuhr nötig. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen einer Fregatte vom Typ Meko 200 nach Ägypten. Emirate, Ägypten, Bahrain, Kuwait, Jordanien, Sudan Die Werftensparte der Thyssenkrupp AG erhielt im und Senegal sind unmittelbar mit ihrem Militär am November 2018 den Zuschlag für den Bau von zwei Jemen-Krieg beteiligt. Sie alle sollten deshalb bis auf Fregatten. Der Wert des Rüstungsgeschäfts soll im Weiteres keine Rüstungsgüter mehr aus Deutschland Bereich von einer Milliarde Euro liegen. erhalten, einschließlich Komponenten. Sämtliche be- reits erteilte Ausfuhrgenehmigungen – dies betrifft Essentiell für jede Kriegführung ist die Versorgung zum Beispiel die Genehmigung für den Export weiterer mit Munition. Die Kriegskoalition setzt im Jemen Patrouillenboote an Saudi-Arabien – sollten widerru- unter anderem auch Bomben der Serie MK80 (unter- fen werden. Schadenersatzforderungen der Rüstungs- schiedliche Typen von 250 bis 2000 Pfund) sowie industrie würden anfallen, wenn es nicht gelingt, an- Artilleriemunition ein, die von einem Tochterunter- dere Abnehmer für die bereits produzierten nehmen der deutschen Firma Rheinmetall in Italien Waffensysteme zu finden. Sie wären der Preis dafür, und vom südafrikanischen Joint Venture Rheinmetall einer weiteren Eskalation des Krieges im Jemen und Denel Munitions, an dem der deutsche Rüstungskon- einer Verschlimmerung der humanitären Situation zern mit Hauptsitz in Düsseldorf Mehrheitseigner ist, entgegenzuwirken. Sie wären außerdem die Kosten hergestellt und von dort an Saudi-Arabien und die VAE einer kurzsichtigen Rüstungsexportpolitik, bei der geliefert werden. Nach Angriffen der Kriegskoalition die Bundesregierung über viele Jahre hinweg die Ri- gegen Ziele im Jemen wurden mehrfach Überreste von siken von Rüstungsexporten an autoritäre Staaten in Bomben gefunden, welche die Rheinmetall-Tochter Krisengebieten für die internationale Sicherheit, den in Italien produziert. Im März 2016 eröffnete in Al Frieden und die Menschenrechte völlig falsch einge- Kharj, 60 Kilometer südwestlich von Riad, eine Muni- schätzt hat. Eine Lehre daraus sollte es sein, die rüs- tionsfabrik zur eigenen Herstellung von Mörsermu- tungsexportpolitischen Regeln in Deutschland so nition, Artilleriemunition und Bomben der MK80- auszugestalten,dass Rüstungsexporte an solche Staaten Serie. Gebaut wurde diese ebenfalls von Rheinmetall tatsächlich nur noch in ganz wenigen, explizit be- Denel Munitions. Ähnliche schlüsselfertige Muniti- gründungspflichtigen Fällen erfolgen. Vorschläge, onsfabriken errichtete das Gemeinschaftsunterneh- wie dies konkret ausgestaltet werden könnte, legte men auch in den VAE und Ägypten. die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) jüngst wieder in ihrem Rüstungsexportbe- Schlussfolgerungen richt vor. Ohne die massive Aufrüstung insbesondere Saudi- Innerhalb der EU sollte Deutschland die Forderung Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate des Europäischen Parlaments unterstützen, keine durch westliche Militärtechnologie wäre der Krieg im Rüstungsgüter mehr an Saudi-Arabien zu liefern. Das Jemen von Seiten der sunnitisch-arabischen Kriegs- Europäische Parlament hatte dies bereits im Februar koalition nicht möglich. In Anbetracht der eklatanten 6\ \ POLICY BRIEF 2 \ 2019
FÜR EIN UMFASSENDES WAFFENEMBARGO GEGEN DIE KRIEGSKOALITION IM JEMEN \ M. BALES & MAX M. MUTSCHLER 2016 gefordert und im November 2017 erneut bekräf- Abschließend ist zu erwähnen, dass es auch jenseits tigt. Deutschland sollte sich diese Forderung zu eigen der humanitären Katastrophe im Jemen gute Gründe machen und mindestens noch auf die VAE ausweiten. für die Bundesregierung gibt, keine weiteren Rüstungs- Sicherlich dürfte es äußerst schwer werden, rüstungs- güter mehr an Saudi-Arabien, die VAE und die anderen exportfreundliche Länder wie Frankreich hierfür zu Staaten der Koalition zu liefern. Wenn die Aufrecht- gewinnen. Gerade angesichts der angestrebten Ko- erhaltung einer „regelbasierten internationalen Ord- operation zwischen Deutschland und Frankreich bei nung“ im außen- und sicherheitspolitischen Interesse der Entwicklung zukünftiger Waffensysteme und Deutschlands liegt und die Bundesregierung deshalb den in diesem Zusammenhang geäußerten Sorgen der „Vorreiter“ der Entwicklung und Durchsetzung einer französischen Regierung vor deutschen Exportrestrik- solchen Ordnung sein will – wie Außenminister Heiko tionen, erscheint dies geradezu unmöglich. Dennoch Maaß nicht müde wird zu betonen – dann ist es für - die rüstungstechnische Kooperation zwischen ihre Glaubwürdigkeit entscheidend, sich selbst an Frankreich und Deutschland ist im Interesse beider diese Regeln zu halten und ihnen zur Durchsetzung Regierungen. Deshalb muss auch von Frankreich ein zu verhelfen - obwohl und gerade auch dann, wenn Entgegenkommen im Hinblick auf Einschränkungen dies Kosten verursacht. Zu diesen Regeln zählen auch beim Rüstungsexport erwartet werden. Ein Beharren das humanitäre Völkerrecht und der internationale auf Rüstungsexporte angesichts eines laufenden Vertrag über den Waffenhandel (ATT). Die fortgesetzte Kriegs, massiver Verletzungen des humanitären Völ- Bewaffnung der Kriegskoalition befördert die Aus- kerrechts und der illegalen Weitergabe von Waffen höhlung des humanitären Völkerrechts, insbesondere stellt eine engere Rüstungskooperation mit Frank- der Prinzipien zum Schutz von Zivilisten. Der ATT – reich grundsätzlich in Frage. wie übrigens auch der Gemeinsame Standpunkt der EU zur Ausfuhr von Militärgütern und Militärtechno- Kritiker mögen einwenden, dass ein Waffenembargo logie, der für alle EU-Mitgliedstaaten rechtsverbind- bestenfalls eine langfristige Wirkung auf das Verhal- lich ist – verbietet Rüstungsexporte, wenn ein klares ten der Staaten der Kriegskoalition haben könnte. Risiko besteht, dass sie zur Verletzung des humanitä- Dem ist entgegenzuhalten, dass ein umfangreiches ren Völkerrechts eingesetzt werden. Ein solches Risiko Waffenembargo, das von möglichst vielen Staaten bei Rüstungsexporten an die Militärkoalition ist für mitgetragenen würde, durchaus auch kurzfristig die meisten Rüstungsgüter nur noch dann von der Druck ausüben kann; insbesondere dann, wenn es die Hand zu weisen, wenn man das Kriegsgeschehen im kritischen Hauptverbrauchsgüter dieses Krieges tref- Jemen ignoriert. fen würde – Ersatzteile und Munition. Da die Muniti- onsexporte von Rheinmetall über ausländische Toch- ter- bzw. Gemeinschaftsunternehmen erfolgen, WEITERFÜHRENDE LITERATUR verfügt die Bundesregierung – im Gegensatz zu den Amnesty International (2019, Februar). When arms go astray: Yemen’s deadly aus Deutschland erfolgenden Komponentenzuliefe- new threat of arms diversion to militias. London: Amnesty International rungen – derzeit nicht über die rechtliche Möglich- Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) (2019, Januar). Rüstungsexportbericht 2018 der GKKE. Berlin: GKKE. keit, durch die Verweigerung oder den Widerruf von Mutschler, M. M., & Bales, M. (2017, Oktober). Begründungspflicht statt laissez Exportgenehmigungen Einfluss zu nehmen. Sie faire – Empfehlungen an die neue Bundesregierung für eine Reform der deut- könnte allerdings, ähnlich wie im Fall der bereits schen Rüstungsexportpolitik (BICC Policy Brief No. 7/2017). Bonn: BICC. Nassauer, Otfried (2018, Dezember). Explosiv, Tödlich und Profitabel - Muniti- genehmigten, dann aber nach dem Kashoggi-Mord onsexporte in deutscher Verantwortung (BITS Research Report 01/2018). gestoppten, Ausfuhren aus Deutschland auf eine Berlin: BITS. Perlo-Freeman, S. (2018). Who is arming the Yemen war? (Reinventing Peace). „Entmutigungsstrategie“ setzen, um Rheinmetall Boston: World Peace Foundation, Tufts University. dazu zu bewegen, von weiteren Exporten an die United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2019, Staaten der Kriegskoalition abzusehen. Februar). Yemen: Humanitarian Response Plan January-December 2019. Genf/Berlin: UNOCHA. Wisotzki, S. (2018). Violating the Arms Trade Treaty. Arms Exports to Saudi Arabia and the Humanitarian Crisis in Yemen (PRIF Spotlight 1/2018). Frankfurt: PRIF. \ POLICY BRIEF 2 \ 2019 7\
bicc \ Internationales Konversionszentrum Bonn Bonn International Center for Conversion GmbH Pfarrer-Byns-Straße 1, 53121 Bonn, Germany +49 (0)228 911 96-0, Fax -22, bicc@bicc.de www.bicc.de www.facebook.com/bicc.de Wissenschaftlicher Direktor Prof. Dr. Conrad Schetter Kaufmännischer Geschäftsführer Michael Dedek AUTOREN Marius Bales \ BICC Dr. Max M. Mutschler \ Senior Researcher BICC LEKTORAT Susanne Heinke EDITORIAL DESIGN Diesseits – Kommunikationsdesign, Düsseldorf VERÖFFENTLICHUNGSDATUM 25. Februar 2019 Except where otherwise noted, this work is licensed under: cf. creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/
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