Einsatzmöglichkeiten von Web 2.0 Tools im Marketing: Virales Marketing
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Young information Professionals Day 2009 Einsatzmöglichkeiten von Web 2.0 Tools im Marketing: Virales Marketing Merle Stuckmann, Düsseldorf Das soziale Netz, welches Menschen 1 Virales Marketing es Internetnutzern, das World Wide Web nicht mehr nur als reine Informations- durch Freundschafts-, Bekannt- Heutzutage begegnet uns Werbung fast quelle zu nutzen, sondern selber aktiv schafts- und Verwandtschaftsbezie- überall: Seien es Werbespots im Fernse- tätig zu werden und Inhalte zu erstel- hungen verbindet, wird inzwischen hen oder im Radio, Anzeigen in Zeitun- len, zu bearbeiten und zu kommentie- immer intensiver über das Medium gen, Zeitschriften und Magazinen oder ren (O’Reilly, 2005). Die Nutzer sind also Internet gepflegt. Das liegt nicht zu- Werbebanner im Internet; es ist nahezu nicht nur Konsumenten des Informations- letzt an den Möglichkeiten, die die unmöglich, sich der Flut von Werbung angebots, sondern wirken auch als Pro- Technologien des Web 2.0 bieten. zu entziehen. Studien belegen, dass duzenten mit (Schiele, Hähner & Becker, Diesen Umstand kann sich das virale jeder Konsument täglich zwischen 2500 2007, S. 6). Man spricht hierbei auch von Marketing zu Nutzen machen. Bei und 5000 Werbebotschaften ausgesetzt „Prosumerism“, ein Begriff, der bereits dieser Marketingstrategie wird über ist (Langner, 2009, S. 13). Da viele Kon- 1980 von Alvin Toffler verwendet wurde bei soziale Netzwerke und Mundpro- sumenten diese Unmengen an Kauf- (Toffler, 1980). paganda Aufmerksamkeit auf Mar- empfehlungen und Kaufanreizen weder Über die Jahre entstanden zahlreiche in- ken und Produkte gelenkt. Der Term wahrnehmen möchten noch das in vollem novative Web 2.0-Plattformen und Tools, „viral“ wurde aus der Medizin ent- Umfang können sowie Werbung meist die von Millionen von Internetnutzern lehnt, da die Werbebotschaft wie ein unbewusst so gut wie möglich auszu- verwendet werden. Studien zeigen, dass Virus von Mensch zu Mensch weiter- blenden versuchen, ist es für Werbeagen- inzwischen zwei Drittel aller Internetnut- getragen werden soll. Die Werbebot- turen eine immer größere Herausforde- zer weltweit regelmäßig Social Networ- schaft kann dabei auf unterschied- rung, mit Werbemaßnahmen Konsumen- king-Plattformen und Blogs benutzen lichste Weise präsentiert werden, ten zu erreichen und zu begeistern. und 10 Prozent der im Internet verbrach- etwa in der Form von Videoclips, in- Virales Marketing umgeht diese Proble- ten Zeit auf diesen Sektor entfällt (Niel- teraktiven Spielen, Software, Bildern matik, indem zu Vermarktungszwecken sen, 2009, S. 1). Nicht allein diese Tatsa- gezielt Mundpropaganda ausgelöst wird che macht besonders Social Networking- oder sogar Textnachrichten. Das Web und dabei für das beworbene Unterneh- Plattformen und Blogs interessant für die 2.0 bietet für die Verbreitung effek- men und für den Kunden eine Win-Win- Nutzung im viralen Marketing, sondern tive Anwendungen und Kanäle, die Situation geschaffen wird: Die Werbe- natürlich hauptsächlich der Kontakt und zudem noch kostengünstig sind. botschaft oder das Produkt werden vom rege Meinungsaustausch zwischen den Kunden entdeckt und für so interessant Nutzern, der hier ermöglicht wird. Use of Web 2.0 tools in marketing: Viral empfunden, dass er Anderen davon be- Marketing richten möchte und die Entdeckung wei- The social network that connects terleitet (Langner, 2009, S. 29). Die so er- 2.1 Blogs people with friends, acquaintances reichten Konsumenten nehmen die Bot- and relatives is more and more schaft wohlwollend auf, da sie sie nicht Blog ist die Abkürzung für „Weblog“, maintained via the internet. This is über triviale Kanäle wie das Fernsehen was soviel bedeutet wie Internet-Tage- partly owed to the possibilities pro- oder das Radio erreicht, sondern aus dem buch. Jeder Nutzer kann ein persönliches vided by the technologies of the Web Freundes- oder Bekanntenkreis kommt. Blog erstellen und dort eigene Beiträge Das Unternehmen profitiert davon enorm, veröffentlichen. In die Beiträge können 2.0. Viral marketing can profit from da dieser Weg erstens kostengünstig ist Hyperlinks zu anderen Seiten, Video- this, because it uses social networks und zweitens die Konsumenten die Wer- oder Sounddateien von anderen Platt- and word-of-mouth to draw atten- bung bewusst aufnehmen und ihr offen formen eingebunden werden, außerdem tion to brands and products. The begegnen (Leskovec, Adamic, Huberman, haben die meisten Blogs eine Kommen- term „viral“ is borrowed from the 2007, S.1). tar-Funktion, mit deren Hilfe Leser zu field of medicine: The advertising Das Web 2.0 bietet für diese Art des Mar- den einzelnen Beiträgen ihre Meinung message is supposed to spread from ketings hervorragend geeignete Anwen- ausdrücken können. person to person like a virus. The ad- dungen und Kanäle. Mit Hilfe von RSS lässt sich ein Blog vertising message can take on many quasi abonnieren; wird ein neuer Ein- different forms like videoclips, inter- trag veröffentlicht, erhält man eine Be- active games, software, pictures or 2 Web 2.0 Tools nachrichtigung in Form einer RSS-Datei even text messages. The Web 2.0 pro- (Groß & Hülsbusch, 2004, S.45f.). Neben vides effective and low cost applica- Der Begriff Web 2.0 gewann ab 2004 an RSS müssen auch Permalinks als Be- tions and channels for this. Popularität und wurde hauptsächlich von sonderheit von Blogs erwähnt werden. Tim O’Reilly, dem Gründer von O’Reilly Diese ermöglichen es, nicht nur auf eine Media, geprägt. Das Web 2.0 ermöglicht Seite zu verlinken, sondern direkt auf 61(2010)2, 97-101 97
Virales Marketing einen speziellen Beitrag. So lassen sich sich ganz einfach per Email weiterleiten nerell lässt sich jedoch festhalten, dass innerhalb der Blogosphäre Diskussionen oder in eigene Webseiten oder Blogs ein- die bestehenden Kommunikationsnetze führen und Verbindungen zwischen ver- betten (Cheng et al., 2007, S. 1). und die Verhaltensmuster der anvisierten schiedenen Blogs schaffen. Mit Hilfe der Besonders Video-Communities erfreuen Zielgruppe effizient genutzt werden müs- „Trackback“-Methode lässt sich sogar sich wachsender Beliebtheit, allein You- sen, um eine möglichst weite Verbrei- nachvollziehen, wer welche Einträge ver- Tube, die 2005 gestartete und inzwi- tung des Kampagnenguts zu gewährleis- linkt und wie auf diese Verlinkungen mit schen führende Plattform für Online-Vi- ten. Es sollten also Kommunikationswege Kommentaren oder weiteren Links re- deos, war 2007 für fast 10 Prozent des gewählt werden, die von den Personen, agiert wird (O’Reilly, 2005). gesamten Internet-Traffics verantwort- auf die die Werbung abzielt, ohnehin ver- lich (Cheng et al., 2007, S. 1). Die wei- wendet werden, denn je bequemer sich tere Verbreitung der auf YouTube an- das Weiterleiten einer Botschaft gestal- 2.2 Social Networking-Plattformen gebotenen Videos wird zusätzlich durch tet, desto schneller wird sie sich verbrei- die Möglichkeit gefördert, ein Video mit ten (Langner, 2009, S. 47). Social Networking-Plattformen sind wenigen Mausklicks auf seinem persön- webbasierte Angebote, die es Nutzern lichen Account bei Social Networking- Ebenfalls bei der Planung einer viralen ermöglichen, Teil eines virtuellen Freun- Plattformen wie MySpace oder Facebook Kampagne nicht zu vernachlässigen ist deskreises zu werden. Die Kernelemente oder in einem Blog-Eintrag einzubetten die Verfügbarkeit des Kampagnenguts. dieser Plattformen sind immer gleich: beziehungsweise zu verlinken. Diese ist gerade im Internet zu berück- Zum einen lassen sich persönliche Profile sichtigen, eventuelle Besucheranstürme erstellen, um die eigene Person und die auf zur Verfügung gestellte Downloads eigenen Interessen darzustellen. Über 3 Planung einer viralen Kampagne müssen problemlos bewältigt werden sein Profil kann ein Nutzer dann mit an- können (Langner, 2009, S. 47). deren Nutzern der Plattform in Kontakt Eine virale Marketingkampagne setzt treten. sich aus vier Hauptteilen zusammen, dem Kampagnengut, den Rahmenbedin- 3.3 Weiterempfehlungsanreize Es gibt inzwischen zahlreiche verschie- gungen, Weiterempfehlungsanreizen und dene Social Networking-Plattformen wie dem zielgruppenspezifischen Streuen Neben der Besonderheit des Kampag- etwa MySpace oder Facebook, die sich (Langner, 2009, S.37). nengutes an sich bieten sich noch andere in ihren Grundfunktionen ähneln, sich Möglichkeiten an, um Mundpropaganda aber jeweils durch kleine Besonderhei- auszulösen. Bei vielen viralen Kampag- ten auszeichnen. Bei Facebook ist es zum 3.1 Kampagnengut nen geschieht das in Form von Prämien, Beispiel möglich, als Institution ein Profil die die Nutzer erhalten, wenn sie ein zu erstellen. So sind etwa Universitäten Oft steht bei viralen Marketingkampag- Kampagnengut weiterempfehlen. Diese wie Harvard oder Firmen wie Starbucks nen nicht das eigentlich zu bewerbende Prämien können zum Beispiel die Form auf Facebook vertreten und andere Nut- Produkt im Mittelpunkt, sondern die vi- von Gewinnspielen oder Einkaufsgut- zer können „Fans“ dieser Profile werden rale Werbung selbst. Diese wird auch als scheinen haben und müssen auf die Ziel- (Boyd & Ellison, 2007, S. 2f.). Kampagnengut bezeichnet. Ein solches gruppe abgestimmt sein, um für diese als Kampagnengut soll im Idealfall nicht als wertvoll zu gelten (Langner, 2009, S. 49). Die Zeit, die Nutzer heutzutage auf Social Werbung wahrgenommen werden, son- Beim Anbieten von Prämien ist jedoch Networking-Plattformen verbringen, hat dern in erster Linie Aufmerksamkeit er- Vorsicht geboten: Viele Konsumenten zwischen Dezember 2007 und Dezember zeugen und das Werbeanliegen indirekt erwarten bei solchen Geschenken einen 2008 dreimal so stark zugenommen wie vermitteln. Außerdem muss es so interes- „Haken“ und verzichten aus Unsicher- die Zeit, die generell im Internet ver- sant, innovativ oder besonders sein, dass heit lieber auf die Prämie und damit auf bracht wird. Ein Großteil der Kommuni- Menschen, die damit in Kontakt kommen, ein Weiterreichen des Kampagnenguts kation im Internet läuft über diese Platt- die Botschaft weiterreichen oder weiter- (Langner, 2009, S. 52). formen, und das in allen Altersgruppen empfehlen (Langner, 2009, S. 38). (Nielsen, 2009, S. 3). Allein diese Tatsa- chen machen Social Networking-Plattfor- Um die Verbreitung von Kampagnengü- 3.4 Zielgruppenspezifisches Streuen men für klassisches und virales Marke- tern möglichst nicht zu blockieren, sind ting interessant. zwei Aspekte unabdingbar: Zum einen Bevor mit der Verbreitung eines Kampag- muss das Kampagnengut kostenlos zu- nenguts begonnen werden kann, stellen gänglich sein. Kostenpflichtige Ange- sich zwei Fragen: Welche Ziele verfolgt 2.3 File Sharing Communities bote unterdrücken impulsives Handeln die Kampagne und welche Zielgruppe und schrecken Konsumenten womöglich soll erreicht werden? Ebenfalls attraktiv für das virale Marke- von einer Weiterleitung ab. Zusätzlich Meist dient eine virale Kampagne dazu, ting sind File Sharing Communities. Sol- spielt die einfache Übertragbarkeit eine die Markenbekanntheit zu steigern, aber che Portale bieten nützliche Features, um große Rolle. Der Inhalt des Kampagnen- auch die Gewinnung von Kundeninforma- das Bereitstellen, Teilen und Nutzen von guts darf nicht zu kompliziert sein, damit tionen durch Abfrage bestimmter Daten Audio-, Video- oder Bilddateien beque- er leicht wiedergegeben werden kann, wie E-Mail-Adressen oder die Steigerung mer zu machen (Cheng, Dale & Liu, 2007, außerdem muss bei Online-Kampagnen der Verkaufszahlen eines Produkts kön- S. 1). darauf geachtet werden, dass etwa das nen Zielsetzungen sein (Langner, 2009, Neben dem breiten Angebot von Medien, Laden einer Webseite oder ein Download S. 59). Wichtig bei der Zielsetzung ist das File Sharing Communities bieten, möglichst wenig Zeit in Anspruch nimmt die klare Definition und Messbarkeit der zeichnen sie sich besonders durch den (Langner, 2009, S. 44f.). Zielaussagen, wie etwa eine bestimmte Community-Gedanken aus. Nachdem Anzahl neuer Newsletter-Abonnenten man einen Account erstellt hat, kann oder Views eines viralen Videoclips. Dies man nicht nur eigene Inhalte hinzufügen 3.2 Rahmenbedingungen ist unbedingt notwendig, um später eine und diese mit Keywords versehen, son- sinnvolle Analyse und Erfolgsmessung dern auch Beiträge anderer Nutzer kom- Die Rahmenbedingungen hängen stark der Kampagne durchführen zu können mentieren und bewerten. Inhalte lassen von der Art der viralen Kampagne ab. Ge- (Langner, 2009, S. 60). 98 61(2010)2, 97-101
Virales Marketing Ebenso klar definiert sollte die Ziel- zur Community aufbauen muss (Langner, Auch hier stehen an erster Stelle Blogs, gruppe einer viralen Kampagne sein. 2009, S. 79). die nicht nur zur Verbreitung eines Kam- Spricht das Kampagnengut die Konsu- pagnenguts beitragen können, sondern menten nicht an, werden sie es nicht ver- Da, wie bereits angesprochen, ein immer an denen sich ebenfalls ablesen lässt, breiten, empfinden sie es hingegen als größer werdender Teil der sozialen In- wie die Nutzer die virale Werbung auf- interessant, erfolgt nicht nur eine Wei- teraktion zwischen Menschen auf Social nehmen und wie sie sie einschätzen und terempfehlung, diese ist außerdem von Networking-Plattformen stattfindet, sind erleben. Da Nennungen in Blogs meist ganz alleine zielgenau, da die Konsumen- diese für erweitertes Seeding unverzicht- mit Links versehen werden, ist es recht ten selber Freunde oder Bekannte aus- bar. Möglich sind bezahlte Kooperationen simpel, diese herauszusuchen, in den suchen, denen das Kampagnengut ihrer mit den Plattformen, bei denen Werbung bereits erwähnten Logfiles finden sich Meinung nach gefallen könnte (Langner, gezielt bei „passenden“ Nutzern ge- Listen von externen Webseiten, die auf 2009, S. 61). Um die richtige Zielgruppe schaltet wird, ein günstigerer Weg führt das Kampagnengut verlinken. Da viele zu finden ist es neben der Auswertung jedoch auch hier über die Community Blogger downloadbare Kampagnengüter und Analyse von Studien über die anvi- selbst. Hierfür gibt es bei einigen Social wie zum Beispiel Videos auch direkt in sierte Zielgruppe ebenfalls ratsam, Test- Networking-Plattformen die Möglichkeit, ihre Blogs einbetten, ist es ratsam, auch läufe mit unterschiedlichen Ideen durch- kleine Anwendungen zu entwerfen, die Internet-Suchmaschinen oder spezielle zuführen (Langner, 2009, S. 62). die Nutzer in ihre Profile einbauen kön- Blog-Verzeichnisse und -Suchmaschinen nen, sogenannte Widgets. Das Kampa- wie Technorati zur weiteren Recherche Hat man Zielsetzung und Zielgruppe gnengut kann in diesem Fall zum Beispiel zu verwenden (Langner, 2009, S. 97f.). festgelegt, kann mit dem zielgruppen- ein kleines Spiel oder ein Quiz sein (Lang- spezifischen Streuen des Kampagnen- ner, 2009, S. 81). Die einfachste Methode, qualitative Ur- guts begonnen werden, auch „Seeding“ teile der Nutzer zu erhalten, sind direkte genannt. Hierbei gibt es zwei verschie- Bewertungen. So ist es zum Beispiel bei dene Varianten. Zum einen das einfache 4 Erfolgsmessung viraler Kampagnen YouTube möglich, neben dem Hinterlas- Seeding, bei dem das Kampagnengut Be- sen von Kommentaren ein Video mit Hilfe standskunden, Freunden oder Bekannten Geht man von viralen Marketingkam- einer Skala von einem bis fünf Sternen zu präsentiert wird, etwa auf der eigenen pagnen aus, die nicht über das Medium beurteilen. Auf der Social Networking- Webseite oder als Erwähnung in News- Internet laufen, ist eine Erfolgsmessung Plattform Facebook lassen sich gepostete lettern. Diese passive Art der Streuung denkbar schwierig. Mundpropaganda Links, Widgets oder angekündigte Ereig- ist leicht umzusetzen und zudem kosten- lässt sich kaum messen oder kontrollie- nisse mit einem „gefällt mir“ versehen. günstig, allerdings ist hier die Qualität ren, so lange sie nicht über Kommunikati- An solchen Bewertungen lassen sich des Kampagnenguts besonders wichtig, onskanäle läuft, die sich beobachten und zwar keine differenzierten Meinungen um den Empfehlungsprozess in Gang zu analysieren lassen. Im Internet gestaltet ablesen, jedoch kann man repräsentative bringen (Langner, 2009, S. 72). sich die Erfolgsmessung einfacher. Es Trends erkennen (Langner, 2009, S. 99f.). bieten sich zudem sowohl quantitative Die zweite Variante ist das erweiterte als auch qualitative Mittel an, um eine Seeding, bei dem das Kampagnengut so Kampagne auszuwerten. 5 Beispiel einer viralen Kampagne: schnell wie möglich verbreitet werden soll und dabei über viele verschiedene Horst Schlämmer und Volkswagen Plattformen und Kanäle, wie sie etwa das 4.1 Quantitative Methoden zur Er Web 2.0 bietet, in Umlauf gebracht wird. folgsmessung Die Werbeagentur Tribal DDB startete Da hierbei unter Umständen hohe Kosten Ende 2007 im Auftrag der Volkswagen entstehen können, ist eine genaue vor- Zur quantitativen Analyse viraler Kam- AG eine Kampagne zur Vermarktung des herige Planung unabdingbar. Die Veröf- pagnen werden die standardisierten neuen VW Golf (Nolte, 2008). Volkswa- fentlichung eines Videoclips auf YouTube Aufzeichnungen von Anfragen an einen gen war der Meinung, dass die Konsu- alleine wird so zum Beispiel nicht aus- Server ausgewertet, die sogenannten menten ihre Produkte zwar als hochwer- reichen, um eine virale Verbreitung an- Logfiles. Diese lassen mit Hilfe spezieller tig einschätzen, das aber zu Lasten der zuregen. Zwar werden auf der Plattform Software nicht nur erkennen, wie viele Preiswahrnehmung geht. Die Kampagne täglich über 200 Millionen Videoabrufe Zugriffe in Form von Seitenaufrufen oder sollte den VW Golf daher als „Auto für getätigt, jedoch auch zwischen 100.000 Downloads zustande gekommen sind, Menschen wie uns“ (Volkswagen AG, und 200.000 neue Videos hochgeladen. sondern speichern außerdem Informati- 2008, S. 29) propagieren. Weitere ange- Um aus dieser Masse heraus zu stechen, onen zum anfragenden Computer, etwa strebte Ziele waren mindestens 1 Million müssen die YouTube-Nutzer durch Dis- Betriebssystem, IP-Adresse und genaues Views des geplanten Werbevideos in den kussionen oder gute Bewertungen auf Datum und Uhrzeit des Zugriffs (Langner, ersten sechs Wochen der Kampagne und einen Clip aufmerksam werden, es ist 2009, S. 93). die Gewinnung von mindestens 15.000 also eine möglicherweise zeitintensive neuen Interessenten zu Kosten, die deut- Auseinandersetzung mit der Community lich unter dem bisherigen Volkswagen- notwendig (Langner, 2009, S. 77). 4.2 Qualitative Methoden zur Erfolgs Richtwert für Online-Kommunikation von messung 190 € pro neu gewonnenem Interessen- Wichtige Instrumente beim erweiterten ten liegen sollten (Volkswagen AG, 2008, Seeding sind Foren und Blogs. Oft ist hier Auch die qualitative Evaluation einer vi- S. 29). Angestrebte Zielgruppe waren 18- zwar nur eine kleine Zahl an Nutzern an ralen Kampagne ist von enormer Wich- bis 40-jährige mit gehobenem Bildungs- einer Diskussion beteiligt, beziehungs- tigkeit. Aussagen und Meinungen zum standard (Nolte, 2008). weise schreibt aktiv Artikel oder Kom- Kampagnengut sollten beobachtet wer- mentare, die Zahl der Leser ist hingegen den, um die Kampagne anzupassen oder Zugpferd der Kampagne war der Komi- um ein vielfaches höher. Auch hier ist der Verbesserungen für zukünftige Kampag- ker Hape Kerkeling, der in seiner Rolle als Aufwand sehr hoch, da man die passen- nen zu finden. verschrobener Reporter Horst Schlämmer den Foren oder Blogs selektieren, das Qualitätsurteile von Nutzern findet man über seine Erlebnisse beim Erwerb des Kampagnengut aktiv und sinnvoll ins Ge- im Internet dort, wo miteinander disku- Führerscheins berichten sollte. Interes- spräch bringen und eine gute Beziehung tiert und Meinungen kundgetan werden. sierte Internet-Nutzer sollten ihn dabei 61(2010)2, 97-101 99
Virales Marketing Internets ohne weitere Kosten für Volks- wagen bekannt gemacht und die ohnehin schon große Effizienz konnte noch um ein Vielfaches gesteigert werden (Volkswa- gen AG, 2008, S. 34). 6 Fazit Virales Marketing bedeutet viel mehr, als einfach nur ein Video auf YouTube hochzuladen. Richtig umgesetzt kann es für Unternehmen eine einfache, kosten- günstige und gewinnbringende Form des Marketings sein. Ausschlaggebend für die Wirkung einer Kampagne ist hauptsächlich das richtige Kampagnengut. Häufig kommt dieses in Form von Videoclips daher, jedoch bietet das Web 2.0 unzählige weitere Möglich- keiten. Letztendlich kann jedes Kampa- gnengut zum Erfolg führen, wenn es die richtigen Kriterien erfüllt: Es muss die Abbildung 1: Screenshot VW-Schlämmerblog vom 27.07.2007 (Nolte, 2008). Konsumenten der Zielgruppe dort errei- chen, wo sie sich im Internet bewegen, und innovativ, nützlich oder besonders über ein eigenes Blog und Videoclips be- zugespielt wurden. Später erfolgte ein sein. Doch auch wenn Mundpropaganda gleiten können (siehe Abbildung 1). zusätzliches Seeding auf den Videopor- nicht von alleine entsteht, kann über Tribal DDB ließ innerhalb von sieben talen YouTube, Sevenload und Clipfish zielgenaues Seeding Aufmerksamkeit er- Tagen eine Reihe von Videos produzie- sowie auf der Internetseite der Tageszei- zeugt werden. So sollte mit der richtigen ren, die im Blog nach und nach veröffent- tung Bild (Volkswagen AG, 2008, S. 32). Strategie und einem abgestimmten Kam- licht wurden und recht häufig die Marke pagnengut jede Zielgruppe erreichbar VW und das Produkt Golf einfließen lie- Der Erfolg der Kampagne war enorm. sein, denn wie Studien zeigen, verbrin- ßen. Die Figur des Horst Schlämmer er- Die gesteckten Ziele wurden bei weitem gen immer mehr Menschen aller Alters- freute sich zu diesem Zeitpunkt bereits übertroffen, zum Ende der Kampagne gruppen viel Zeit im Internet (Nielsen, durch Auftritte im TV großer Beliebtheit, waren die viralen Videoclips von 611.817 2009, S.3). Um wirklich sagen zu kön- das Blog sollte diese Fans ansprechen Usern über 7,11 Millionen Mal angesehen nen, welche Web 2.0 Tools bei welchen und über virale Verbreitung nach kurzer worden, so dass also jeder der User im Zielgruppen den größten Erfolg haben, Zeit eine eigene Fan-Community errei- Schnitt 11,5 Videoclips schaute (Volkswa- sollten bei der Planung viraler Kampag- chen (Volkswagen AG, 2008, S. 31). gen AG, 2008, S. 32). Neben hervorragen- nen genauere Analysen herangezogen den Bewertungen der Videoclips auf den werden, die das Alter der Nutzer und die Die Kampagne wurde in drei Phasen ge- Videoportalen und hohen Platzierungen Dauer und Intensität der Nutzung der gliedert. Die erste war dadurch gekenn- des Horst Schlämmer-Blogs in diversen verschiedenen Tools beleuchten. zeichnet, dass die virale Werbung für Blog-Charts gewann auch das Produkt sich stand, ohne explizit als Werbemaß- VW Golf an Popularität (Volkswagen Virales Marketing birgt auch Risiken: Ein- nahme von VW gekennzeichnet zu sein AG, 2008, S. 33). Die anvisierte Zahl von mal in Gang gesetzt kann Mundpropa (Nolte, 2008). Knapp eine Woche nach 15.000 neuen Interessenten wurde nicht ganda kaum noch gestoppt werden, dem Start der Kampagne wurde dies je- nur erreicht, sondern mit 90.000 generier- deshalb besteht die Gefahr, dass ein doch von Bloggern aufgedeckt, worauf- ten Interessenten um 500 Prozent über- Kampagnengut schlecht aufgenommen hin der Blog mit dem Disclaimer „Sponso- troffen, wobei die Akquisitionskosten wird und sich negative Reaktionen wie red by Volkswagen“ versehen wurde und pro Interessent bei nur 16,63€ lagen, ein ein Lauffeuer im Internet verbreiten. Ein so die zweite Phase begann. Trotz Kritik deutlicher Unterschied zum bisherigen solches Szenario sollte natürlich mög- vieler Blogger an dieser Art der Vermark- Richtwert von 190€ (Volkswagen AG, lichst schon im Vorfeld mit einer genauen tung blieben die Fans loyal, außerdem 2008, S. 34f.). Planung der viralen Kampagne ausge- steigerte dieser kleine „Skandal“ die Po- schlossen werden. Tritt es trotzdem ein, pularität der Kampagne noch zusätzlich Ausschlaggebend für den Erfolg waren hilft guter Kontakt und eine positive Be- (Nolte, 2008). In der letzten Phase der neben der Sympathie für Protagonist ziehung zur angesprochenen Community, Kampagne wurde VW noch präsenter Horst Schlämmer das zielgenaue See- um negativen Meinungen entgegen zu und verwies vom Blog auf eine zusätzli- ding, dass die Verbreitung der Kampagne wirken. So kann zum Beispiel in Blogs che Internetpräsenz ( www. schlaemmer- in genau der richtigen Zielgruppe ermög- der Dialog mit den Konsumenten gesucht hatgolf.de/, nicht mehr verfügbar), auf lichte und die dementsprechend großen werden, etwa um Schadensbegrenzung der weitere von Horst Schlämmer prä- Wellen, die die Kampagne durch ihre Po- zu betreiben oder Verbesserungsvor- sentierte Informationen zum neuen Golf pularität schlug: Andere Internetpräsen- schläge und Anregungen für neue Kam- zu finden waren (Volkswagen AG, 2008, zen und Medien außerhalb des Internets, pagnen zu erhalten. S. 32). wie zum Beispiel Tageszeitungen und Boulevardmagazine im TV griffen das Das Seeding der Kampagne erfolgte zu- Thema auf und berichteten über Horst nächst über sehr aktive Blogger, denen Schlämmer und Volkswagen. So wurde Hinweise auf das Horst Schlämmer-Blog die Kampagne auch über die Grenzen des 100 61(2010)2, 97-101
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