Eltern suchen heute nach Wegen

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Eltern suchen heute nach Wegen

Redaktion & Zusammenstellung Astrid Egger familylab-Seminarleiterin
Bozen

Einleitung
Eltern suchen heute nach Wegen, wie sie ihre elterliche Autorität und
Verantwortung leben und dabei die Kinder so gut wie möglich ins Leben
begleiten können. Die Erfahrung zeigt, dass Eltern heute auch oft ratlos sind. Jede
Familie kann sich heute selbst an ihren eigenen Werten orientieren. Das schafft
Freiheit und Unsicherheit. Wo liegen die Grenzen? Wie oft darf/muss ich nein
sagen? Welche Wünsche haben Priorität? Wie geht man mit Konflikten um?
Es gibt heute bahnbrechend neue Erkenntnisse, unter welchen Bedingungen
Kinder ihre Persönlichkeit gut entwickeln. Man weiß welch großen Einfluss die
familiären Beziehungen auf die Entwicklung der Kinder haben.
Der international anerkannte dänische Familientherapeut Jesper Juul arbeitet seit
über 30 Jahren mit Familien. Juul gründete das Konzept „Familylab“
(„Familienwerkstatt“), in denen Eltern sich an der Seite von ausgebildeten
Seminarleiterinnen ihre Beziehungen in der Familie anschauen. Die
Sozialpädagogin Astrid Egger wurde von Jesper Juul zur „Familylab“-
Seminarleiterin weitergebildet und schreibt unter der Rubrik „Familienwerkstatt“
in zehn Folgen für das Sonntagsblatt, darüber was zu gelingenden Eltern-Kind-
Beziehungen beiträgt.

Beziehung
Ob wir uns in einer Gemeinschaft wohl fühlen und gut entwickeln, hängt von der
Art der Beziehungen ab, die wir zueinander haben. Beziehung meint unser
Zusammenspiel, wie wir einander begegnen. Dazu gehören wie wir miteinander
reden, welche Worte wir benutzen, unser Tonfall, unsere Körpersprache und
unsere innere Haltung zueinander. Wir leiden nicht unter den „Macken“ der
anderen, sondern unter der Art unserer Begegnung.
Viel entscheidender als WAS wir Kindern vermitteln (Inhalt), ist WIE
(Zusammenspiel) wir es vermitteln. WIE wir miteinander umgehen, bestimmt die
Atmosphäre in der Familie und somit das Wohlbefinden der einzelnen
Familienmitglieder.
Begegnen wir uns mit Achtung oder Respektlosigkeit? Wird man anerkannt oder
kritisiert? Hören wir uns gegenseitig zu? Werden die Grenzen und Bedürfnisse
aller respektiert? Darf jeder seine Wünsche äußern oder ist es gefährlich sich
selbst zum Ausdruck zu bringen? Wenn Erwachsene und Kinder sich begegnen,
tragen die Erwachsenen die alleinige Verantwortung für die Qualität der
Beziehungen. Kinder sind mit dieser Verantwortung überfordert.
Die Atmosphäre in der Familie hat direkte Auswirkung auf die psychische
Entwicklung der Kinder. Auf die Entwicklung ihres Selbstwertgefühls, auf die
Entwicklung ihrer Eigenverantwortung und auf die Entwicklung eines sozialen
Verantwortungsgefühls.

Gleichwürdigkeit
Eltern stellen oft die Frage, wie sie das Selbstwertgefühl der Kinder fördern
können. Entscheidend ist, dass man Kindern gleichwürdig begegnet.
Gleichwürdig heißt, dass die Wünsche, Bedürfnisse, Grenzen und Gedanken eines
jeden Familienmitgliedes gleich wahr und ernst genommen werden. Niemand

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wird für das, was er fühlt und denkt gekränkt, kritisiert, gedemütigt oder
lächerlich gemacht. Diese wahr und ernst nehmen, erfüllt das fundamentale
menschliche Bedürfnis gesehen und gehört zu werden. Das lässt Kinder ein
gesundes Selbstwertgefühl entwickeln, denn sie fühlen sich „richtig“, so wie sie
sind. Mit jeder Kritik, jedem Sarkasmus und jeder Respektlosigkeit fühlen sich
Kinder falsch und schuldig. Gleichwürdigkeit ist eine innere Haltung, die vor
allem dadurch ausgedrückt wird, wie wir miteinander sprechen. Nur weil ich
jemanden in seinem Wunsch ernst nehme, heißt das nicht, dass ich ihn erfüllen
muss. Aber es macht einen Unterschied ob ich seinen Wunsch anerkenne und
dann nein dazu sage oder ob ich ihn dafür kritisiere, dass er einen Wunsch äußert.
„Ich will dir diese Puppe jetzt nicht kaufen“, ist eine klare Aussage, die
niemanden kränkt. „Hör auf zu quengeln mit deiner Puppe“, ist eine Antwort, die
das Kind erniedrigt. Es kommt nicht auf den Inhalt an, ob ich ja oder nein zu
etwas sage, sondern wie ich etwas sage, ob ich die Würde des Kindes respektiere.

Liebevolle Gefühle in liebevolles Verhalten verwandeln
In Familien gibt es eine sehr entscheidende Frage. Wie verwandeln wir unsere
liebevollen Gefühle in liebevolles Verhalten, dass die anderen als Liebe
empfinden können, ohne uns selbst dabei aufzugeben.
Wenn ich nach Hause komme und Liebe in mir spüre für meine Partnerin oder
meine Kinder, haben diese von meinen Gefühlen noch gar nichts. Das ist nur für
mich ein schönes Erleben. Wenn ich dann Pralinen mitbringe, als Ausdruck
meiner Liebe und nicht weiß, dass meine Frau keine Pralinen mag, dann wird sie
meine Liebe nicht so recht fühlen können. Ich muss mich also dafür interessieren
wer sie ist, was sie mag, wie sie Liebe empfindet. Genauso ist es mit Kindern.
Auch wenn wir bereits fünf Jahre mit ihnen zusammenleben, sind sie doch
individuelle Menschen, die wir nie ganz kennen werden. Schauen wir da noch hin
und fragen uns: Wer ist mein Kind? Wie fühlt es sich von mir geliebt und
wahrgenommen? Das ist ein andauernder sich verändernder Prozess. Um
jemanden zu sehen, anzuerkennen und zu respektieren, brauche ich aktives
Interesse für ihn und muss auch bereit sein von seinen Rückmeldungen zu lernen.
Zeigen Erwachsene Interesse für das Innenleben des Kindes, hilft ihm das, selbst
mehr über sich zu lernen und somit ein Gefühl für sich selbst aufzubauen. Wer
bist du? Was gefällt dir? Was fühlst du? Was meinst du dazu? Wie geht es dir in
unserer Familie?

Integrität
In Beziehungen ist es für eine gesunde Entwicklung aller Beteiligten wichtig, dass
die Integrität eines jeden gewahrt wird. Unter Integrität versteht man die Erfüllung
der Bedürfnisse und die Wahrung der Grenzen. Kinder können ihre Integrität,
also ihre Grenzen, alleine nicht wahren und ihre Bedürfnisse alleine nicht erfüllen.
Sie spüren zwar, wenn sie jemand verletzt, z.B. durch Schläge oder kränkende
Worte, aber sie können sich nicht davor schützen. Ein Säugling kann ausdrücken,
wenn er genug intensiven Kontakt hat, wenn er satt ist, wenn er Sehnsucht nach
Begegnung hat. Aber für die Achtung seiner Grenzen tragen die Erwachsenen die
Verantwortung. Die Grenzen des eigenen Kindes lernt man Schritt für Schritt
kennen, indem man seine Reaktionen im Auge behält, ernst nimmt und
respektiert. Diese Haltung haben die meisten Eltern, wenn das Kind ein Säugling
ist. Da fragen sich die Eltern andauernd, was will mein Kind ausdrücken, was hat
es jetzt wohl, was braucht es im Moment. Eltern versuchen das Verhalten des
Babys zu verstehen. Es ist sinnvoll diese Neugierde auch nach dem 18.

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Lebensmonat des Kindes beizubehalten und sich täglich zu fragen: Wer ist mein
Kind? Was will es mir mit seinem Verhalten sagen?
Indem wir das, was in Kindern vorgeht ernst nehmen - ihre Gefühle, Bedürfnisse,
Grenzen - wahren wir ihre Integrität. Wenn ein Fünfjähriger wütend wird, dann
macht es Sinn, sich nicht gleich angegriffen zu fühlen, sondern ihn zu fragen: „Ich
sehe dass du sehr wütend bist. Was macht dich so wütend? Hab ich etwas getan,
das dich verletzt hat?“
Wenn der Säugling drei Mal den Brei ausspuckt, kann ich einfühlend zum Baby
sagen: „Ah, du bist satt.“ So nehme ich seine Signale, seine Grenzen ernst und
gleichzeitig gebe ich dem Kind Worte für seine Gefühle.
Warum ist das so wichtig? Weil Kinder sich zu sich selbst so verhalten, wie sich
die Erwachsenen ihnen gegenüber verhalten. Wenn die Erwachsenen die Kinder
ernst nehmen und ihre grundlegenden Bedürfnisse erfüllen und ihre Grenzen
wahren, dann werden sich die Kinder später selbst ernst nehmen und die
Verantwortung für sich übernehmen können. Ein gesundes Selbstwertgefühl und
Eigenverantwortung sind die Folge.

Persönliche Sprache
Wie wir miteinander sprechen, beeinflusst unsere Beziehungen fundamental. Die
persönliche Sprache ist eine Sprache, die Nähe, Kontakt, Respekt und Klarheit in
Beziehungen fördert. „Ich will/ich will nicht.“ „Ich mag/ich mag nicht.“ Diese
Ausdrucksformen zeigen dem Gegenüber wer ich im Augenblick bin. Ich zeige
mich offen und gleichzeitig rede ich von mir und kränke das Kind nicht. Dabei
kann ich ruhig freundlich bleiben. „Ich will, dass du meinen Computer in Ruhe
lässt.“ „Ich will jetzt ein halbe Stunde rasten. Ich will, dass du leise bist.“ Kindern
gibt diese Ausdrucksweise Sicherheit. Sie erkennen wo die Grenzen ihrer Eltern
verlaufen und was sie wollen. An persönlichen Aussagen kann man sich gut
orientieren. Diese Aussagen können auch heftig, wütend oder frustriert sein: „Ich
will, verflixt noch mal, dass du die Musik jetzt leiser machst. Mir geht das auf die
Nerven. Ich will jetzt Ruhe haben.“ Das Wichtige ist, hier gibt es keine Kritik,
keine Drohung, keine Demütigung. Mit der persönlichen Aussage spreche ich
über mich und das macht Eindruck. Gleichzeitig gebe ich das Vorbild, dass es in
dieser Familie erlaubt ist, über sich selbst zu sprechen. Das schafft Beziehung und
Nähe. Kinder wollen immer mit ihren Eltern zusammenarbeiten und wertvoll für
sie sein. Wenn Erwachsene sich persönlich ausdrücken, können Kinder Respekt
vor deren Persönlichkeit entwickeln, anstatt Angst vor Konsequenzen und Strafen
zu haben.

Nein sagen
Es ist nicht leicht zu Menschen Nein zu sagen, die wir lieben. Auch zwischen
Erwachsenen ist das nicht immer einfach. Denn jede Liebesbeziehung, auch die zu
den Kindern, beginnt grundsätzlich mit einem bedingungslosen Ja. Bis die Kinder
18 Monate alt sind, ist es für ihre Entwicklung notwendig, dass die Eltern ihre
eigenen Bedürfnisse zurückstellen können. Dann wird es wichtig, dass Kinder
spüren, dass Eltern auch Bedürfnisse und Grenzen haben, die sie selbst ernst
nehmen und respektieren, sowie die der Kinder. Aus Angst vor Konflikten sagen
Eltern heute öfters „Ja“ zu den Wünschen der Kinder, als sie eigentlich wollen.
Das führt dazu, dass Kinder immer mehr fordern, weil sie das ständige „Ja“ zu
ihren Wünschen mit Liebe verwechseln. Das geht so lange, bis Eltern überfordert
sind. In Folge wird dann den Kindern die Schuld für ihre Forderungen gegeben,
was für diese sehr verwirrend ist. Dann heißt es: „Du immer mit deinen

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Wünschen. Es gibt auch noch andere in der Familie, die etwas möchten. Hör
endlich auf zu quengeln!“ Hier getraue ich mich nicht offen „Nein“ zu sagen und
gebe dem Kind die Schuld dafür, dass es sich etwas wünscht. Um sich in
Beziehungen gesund zu entwickeln, ist es wichtig, dass jeder seine Bedürfnisse
und Grenzen ernst nimmt, sowie die der anderen. Das „Nein“ zum anderen, ergibt
sich daraus, dass ich jetzt „Ja“ zu mir sage. Oder ich habe bestimmte Werte und
daraus ergibt sich ein „Nein“. Ein „Nein“ schadet den Kindern nicht. „Nein, ich
kaufe dir kein Eis.“ „Nein ich will jetzt nicht mit dir spielen.“ Ein „Nein ohne
schlechtes Gewissen“ zeigt dem Kind wer der Erwachsene im Moment ist.
Gleichzeitig ist es ein gutes Vorbild, dass man zu sich selbst stehen darf. Kinder
sind dann zwar vielleicht frustriert und brauchen je nach Temperament Zeit um
von ihrem Wunsch Abschied zu nehmen, aber das schadet ihnen nicht. Was
schadet sind Kritik, Beschämung und Schuldzuweisung.

Das Verhalten der Kinder macht immer Sinn
Jeder Mensch steht ein Leben lang in dem Konflikt, ob er seinen eigenen
Interessen nachgeht oder ob er sich an die Gemeinschaft anpasst. Wahre ich meine
Integrität oder kooperiere ich mit anderen. Früher glaubte man, Kinder kennen
diesen Konflikt nicht und seinen egoistisch. Heute weiß man, dass Kinder von
Geburt an soziale, einfühlende und kooperierende Menschen sind, die für ihre
Mitmenschen wertvoll sein wollen.
Bereits Säuglinge sind an Beziehungen interessiert und lernen durch Beziehungen
etwas über sich selbst, den Anderen und die Welt.
Wir wissen, dass Kinder einfühlsam sind und die Gefühle der Menschen um sie
herum seismographisch genau erfühlen und darauf reagieren. Wenn z.B. das
kleine Kind immer weint und nicht in die Krippe gehen will, wenn die Mutter
dabei ist, aber problemlos in die Krippe geht, wenn der Vater dabei ist, kann es
sein, dass das Kind die Unsicherheit, die Zweifel der Mutter spürt und ihre Sorgen
mit seinem Verhalten aufzeigt. Es bringt das ans Tageslicht, was die Mutter spürt
aber nicht zeigt.
Kinder wollen sich in Beziehungen wertvoll fühlen. Deshalb arbeiten sie immer
mit ihren Eltern zusammen, auch wenn das oft nicht leicht ersichtlich ist. Kinder
tun immer das, was für das Familiensystem das Beste ist und reagieren auch auf
unbewusste Gefühle, Werte und Verhaltensmuster der Eltern. Im oberen Beispiel
arbeitet das Kind mit der Mutter zusammen. Es lebt das aus, was die Mutter
unterdrückt. Es gibt der Mutter die Möglichkeit auf ihre eigene Gefühlssituation
hinzuschauen.
Wenn Familien unter täglichen Machtkämpfen mit den Kindern leiden, fragt man
sich: Wo liegt da der „Wille zur Zusammenarbeit“? Machtkämpfe und
Verweigerung haben vor allem eine Ursache: Einen tief greifenden
Beziehungskonflikt in der Familie, den es zu entdecken gilt.
Wenn Kinder auffällig werden in ihrem Verhalten, dann sind sie wie ein
Feueralarm. Wenn er heult, sollte man das Feuer in der Familie suchen. Kinder
wollen kooperieren, wollen nichts lieber, als Eltern erfreuen. Dazu müssen sie
einen respektvollen Umgang erleben und in ihrer Persönlichkeit und Individualität
anerkannt und geachtet werden.

Grenzen
Kinder suchen keine Grenzen, Kinder suchen Kontakt zur „wahren,
authentischen“ Persönlichkeit der Erwachsenen. Kinder brauchen niemanden, der

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ihnen Grenzen setzt und mit Konsequenzen droht. Sie brauchen aber unbedingt
Menschen um sich herum, die sich selbst abgrenzen können. Menschen, die sich
und andere in ihren Grenzen und Bedürfnissen ernst nehmen. In Beziehungen
spielt die Wahrung der eigenen Grenzen eine wichtige Rolle. Grenzen ergeben
sich aus meinen Bedürfnissen heraus. Sie ergeben sich aus dem, was ich will und
nicht will, was ich mag und nicht mag.
„Ich will nicht alle Tage Boden wischen, also will ich, dass das Haus ohne
Schuhen betreten wird.“ „Ich will heute ab 20 Uhr Zeit für mich, also will ich,
dass die Kinder im Zimmer sind.“ Wenn ich über meine Grenze spreche, dann
spare ich mir die Kränkungen des Kindes.
Kinder wollen wissen woran sie mit ihren Eltern sind und ob diese auch wirklich
meinen was sie sagen. Ist das Ja ein Ja und das Nein ein Nein? Das verschafft den
Eltern persönliche Autorität und Kinder respektieren ihre Person und nicht die
Konsequenzen.
Wenn Kinder unsere Grenzen überschreiten, fühlen wir uns oft frustriert,
überfordert, provoziert. Vielfach sind wir es gewohnt mit Kritik und
Zurechtweisungen des Kindes zu reagieren. So lasten wir die Verantwortung für
unsere Gefühle den Kindern an. Wenn wir allerdings die Eigenverantwortung für
die Wahrung unserer Grenzen übernehmen und gleichzeitig die Grenzen der
Kinder respektieren, indem wir sie nicht kränken, haben Kinder ein wunderbares
Vorbild, wie man sich in Beziehungen abgrenzt und die Verantwortung für das
eigene Wohlbefinden übernimmt.

Selbstwert und Selbstvertrauen
Der Selbstwert eines Menschen setzt sich zusammen aus dem, was er über sich
weiß und aus dem was er davon hält. Ein Kind weiß, dass es sich nicht getraut auf
den Baum zu klettern. Was es davon hält, ob es sich dafür schämt oder einfach
dazu steht, hat damit zu tun, wie gesund sein Selbstwertgefühl entwickelt ist. Es
kann enttäuscht darüber sein oder es kann sich als Versager fühlen. Im
Lebensgefühl macht es einen großen Unterschied, ob ich nur enttäuscht bin oder
ob ich mich schäme und als Versager fühle. Einen gesunden Selbstwert erkennt
man daran, dass man sich nüchtern und akzeptierend betrachten kann. Kinder
bauen durch Lob oder Kritik, „brav bist du“, „toll machst du das“, „das war aber
dumm“ kein Selbstwertgefühl auf. Lob und Kritik sind Bewertungen von Leistung
und wirken auf das Selbstvertrauen. Wenn wir Kindern dabei helfen wollen ein
gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen, brauchen sie unsere Anerkennung für das
was sie sind. Wenn das Kind glücklich auf der Rutsche steht und schreit: „Mama
schau!“, dann genügt es die Freude des Kindes wahrzunehmen und
zurückzulächeln. „Ja ich sehe dich. Sieht aus als macht es dir großen Spaß.“ Wenn
das Baby den Brei dreimal ausspuckt: „Oh, ich denke du bist jetzt satt.“ Ich
erkenne an, was für Gefühle im Kind vorgehen und leihe ihm meine Sprache
dafür. Oder: „Ich sehe, dass du traurig bist. Ich möchte gerne wissen was dich so
traurig macht. Weißt du es?“ So fühlen Kinder sich wahrgenommen und
bekommen einen Ausdruck für ihre innere Realität, die wertfrei ist. So entwickeln
sie ein Gefühl für sich selbst, ein Selbstgefühl oder Selbstwertgefühl.
So wie wir uns Kindern gegenüber verhalten, so verhalten sie sich selbst
gegenüber. Wenn wir das was in ihnen vorgeht ernst nehmen, werden sie dies
selbst einmal für sich tun können. Wenn wir zudem noch unsere Freude darüber,
dass es sie in unserem Leben gibt, ausdrücken können und genießen, erleben sie,
dass ihr SEIN einen Wert für uns hat und nicht nur ihre Leistung. Nur wer sich

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selbst kennt und ernst nimmt, kann auch für sich und sein Leben Verantwortung
übernehmen.

Partnerschaft
Ein Baby kommt zur Welt und nichts ist wie zuvor. Die Elternschaft bricht über
zwei Menschen herein und nicht die kühnsten Träume haben dem Paar verraten,
wie sehr sich das Leben ändern wird. Als Eltern wird man nicht geboren. In diese
Rolle wächst man langsam, gemeinsam mit dem Kind hinein.
Eine gute Partnerschaft ist das schützende Dach über den Kindern. Sich weiterhin
gut um sich als Liebespaar, als Frau und Mann zu kümmern, tut Kinder gut. Man
hört nicht auf Frau oder Mann zu sein, wenn man Eltern wird, auch wenn die
meisten jungen Eltern, von ihrer Elternschaft so erfüllt sind, dass das Paarleben
für einige Jahre in den Hintergrund tritt. Je besser es dem Paar geht, desto
entspannter können die Kinder sein und sich um ihr eigenes Leben kümmern.
Wenn die Erwachsenen beginnen ihre emotionalen Bedürfnisse nicht mehr
gegenseitig zu stillen, dann springen Kinder unbewusst gerne ein, was diese
überfordert. Da werden die Kinder unbewusst zum gefühlsmäßigen Ersatz für den
Partner/die Partnerin, der/die sich emotional zurückzieht. Das ist mehr als Kinder
geben können. Es ist also mehr als berechtigt, der Liebesbeziehung oberste
Priorität einzuräumen. Kinder wünschen sich immer, dass es Mami und Papi
miteinander gut geht. Das entlastet die Kinder. Gerade Männer können dabei ihren
Frauen helfen, nicht in ihrer Mutterrolle zu versinken, sondern immer wieder
aufmerksam auf ihre eigenen, individuellen Bedürfnisse als Frau und als Partnerin
hinzuspüren. Das absolut Beste, was Eltern für ihre Kinder tun können, ist somit
die gute Pflege ihrer Partnerschaft und die Pflege „ihrer Selbst“ als Individuen.
Das heißt, dass jedes Elternteil sich selbst um seine eigene Integrität (Grenzen und
Bedürfnisse) kümmert und die Verantwortung für sich selbst übernimmt.

Redaktion & Zusammenstellung Astrid Egger familylab-Seminarleiterin
Bozen

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