ENERGIEATLAS Werkbericht 1 - Zukunftskonzept Erneuerbares Wilhelmsburg Auszug - IBA Hamburg
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IBA Hamburg GmbH / Umweltbundesamt / TU Darmstadt (Hg.) ENERGIEATLAS Werkbericht 1 Zukunftskonzept Erneuerbares Wilhelmsburg Auszug März 2015
Impressum Herausgeber: IBA Hamburg GmbH Am Zollhafen 12 20539 Hamburg TEL. +49(0)40.226 227-0 FAX +49(0)40.226 227-315 www.iba-hamburg.de info@iba-hamburg.de Datum: März 2015 Projektkoordination: Jan Gerbitz, Katharina Jacob Konzeption und Gestaltung: IBA Hamburg GmbH Katharina Jacob, Karla Müller Redaktion: IBA Hamburg GmbH Katharina Jacob 2
Inhalt 4 WERKBERICHT ZUM ZUKUNFTSKONZEPT ERNEUERBARES WILHELMSBURG Uli Hellweg, Manfred Hegger, Harry Lehmann 11 AUF DEM WEG INS ERNEUERBARE WILHELMSBURG Uli Hellweg, Manfred Hegger, Harry Lehmann, Jan Gerbitz, Katharina Jacob, Simona Weisleder, Karsten Wessel 26 VISION Jan Gerbitz, Katharina Jacob, Simona Weisleder, Karsten Wessel 32 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 3
Werkbericht zum Zukunftskonzept Erneuerbares Wilhelmsburg Uli Hellweg, Manfred Hegger, Harry Lehmann Mit dem Klimaschutzkonzept Erneuerbares den modellhaften dezentralen Ansatz mit Wilhelmsburg hat die IBA Hamburg 2010 ein praktischen Bauprojekten und Kampagnen strategisches Konzept zum energetischen in einem ersten großen Schritt bis zum Jahr Umbau eines zentral in Hamburg gelegenen 2013 – dem finalen Präsentationsjahr der Stadtteils mit einer Größe von 35 Quadrat- IBA Hamburg – umzusetzen. kilometern und mehr als 55.000 Bewoh- nern vorgelegt. Das Demonstrationsgebiet Die Eckpfeiler des Klimaschutzkonzeptes der IBA Hamburg, die Hamburger Elbinseln, Erneuerbares Wilhelmsburg, das 2010 im ist ein durch die beiden Arme der Süder- Energieatlas1 veröffentlicht wurde, sind die und Norderelbe sowie den Altarm Reiher- Verbesserung der Energieeffizienz und die stieg eindeutig stadt- und sozialräumlich Nutzung lokaler energetischer Ressourcen definiertes Gebiet. Insbesondere aufgrund wie Wind, Sonne, Biomasse und Geother- der historischen Fluterfahrung von 1962 bot mie. Der Energieatlas beschränkte sich es sich hier in besonderer Weise an, mo- bewusst auf die energetische Optimierung dellhaft zu zeigen, wie und was die Städte der Gebäudesubstanz der privaten Haus- als Hauptopfer, aber auch als Hauptver- halte, des Gewerbes, des Handels und der antwortliche des Klimawandels selbst zum Dienstleistungen (GHD) – also den Kernbe- Klimaschutz beitragen können. Die ganz- reich der gebauten Umwelt in der Stadt mit heitliche Arbeitsweise einer Internationalen einem Anteil von ca. 41 Prozent des bun- Bauausstellung bot zudem die Möglichkeit, desweiten Gesamtenergieverbrauchs.2 Die Abb. 1: Das Projektgebiet der IBA Hamburg, die Elbinsel Wilhelmsburg. 4
Energiebedarfe der Industrie, des Verkehrs burg bereits heute der klimafreundlichste und des Lebensstils der Städter blieben bei Stadtteil Hamburgs bei der Versorgung der diesem Konzept außer Betracht – und soll- privaten Haushalte und der GHD-Betriebe ten einer späteren Bearbeitung vorbehalten sein. Die Voraussetzungen zur Realisierung bleiben (vgl. Beiträge Hain, Pichl/Hain, des Klimaschutzkonzeptes Erneuerbares Lehmann). Diese selbst gewählte Beschrän- Wilhelmsburg in der energiepolitischen kung reduziert einerseits den Aussagewert Landschaft Hamburgs waren besondere, der Ergebnisse, denn die im Energieatlas nicht nur wegen des „Ausnahmezustandes anvisierte nahezu CO2-neutrale Selbstver- IBA“. 20 Prozent des Hamburger Gesamt- sorgung mit Strom Ende der 2020er Jahre wärmemarktes werden mit Fernwärme und mit Wärme Ende der 2040er bedeutet aus fossilen Energiequellen versorgt3, die natürlich noch nicht die völlige Klimaneu- Hamburger Elbinseln gehören nicht dazu. tralität der Hamburger Elbinseln. Anderer- Im Zuge des Neubaus des umstrittenen seits erlaubt sie jedoch eine methodische Kohlekraftwerkes Moorburg war 2007 der Durchdringung, die auch architektonische Anschluss der Elbinsel Wilhelmsburg an und gestalterische Aspekte (vgl. Beitrag das Fernwärmenetz geplant. In Verhand- Hegger) umfasst, die beim energetischen lungen mit dem Hamburger Senat und dem Stadtumbau oft vernachlässigt werden. Energieversorger Vattenfall gelang es, den Vor allem aber boten die Möglichkeiten bereits vertraglich vereinbarten Bau des einer Internationalen Bauausstellung die Netzes aufzugeben, um so den Raum für Chance einer ersten praktischen Umset- das dezentrale Versorgungskonzept der IBA zung der Strategien und Projekte. Heute zu schaffen. stellt der Energieatlas ein international beachtetes und angewandtes methodisches Damit boten die Hamburger Elbinseln ein Instrumentarium des dezentralen ener- einzigartiges Labor des energetischen getischen Stadtumbaus dar (vgl. Beiträge Stadtumbaus, in dem viele Probleme der Kemfert, Droege, Lehmann, Hain, Gerbitz – heutigen energiepolitischen Diskussion „Smart Energy City“-Forschung). Für Ham- schon frühzeitig wie durch ein Brennglas burg ist er die Roadmap für die modellhafte fokussiert sichtbar wurden. So stellen sich energetische Erneuerung Wilhelmsburgs heute nicht nur für Hamburg die Fragen der und der Veddel in den nächsten Jahrzehn- Netzintegration und des Lastmanagements ten (vgl. Beiträge Gerbitz – „Zukünftige von zentralen und dezentralen Energieer- Wärmekonzepte für die Elbinseln“ und „Auf zeugern sowohl im Wärme- wie im Strom- dem Weg ins Erneuerbare Wilhelmsburg“). bereich (vgl. Beitrag Sandrock; Gerbitz – „Smart Energy City“-Forschung). Wurde Bis 2013 konnte die IBA die meisten der im Energieatlas 2010 noch stark vereinfacht geplanten Projekte der Roadmap 2010 der Jahresenergiebedarf der Elbinsel den umsetzen. Dadurch ließen sich 1420 in einem Jahr produzierten Energiemengen kWp Strom an Leistung auf den Elbin- gegenüberstellt, so untersuchte die Insel- seln installieren. Praktisch bedeutet dies, Stromstudie von 2013 (vgl. Beitrag Lutzen- dass 35 Prozent der Haushalte mit selbst berger) nun die dynamische Stromnachfra- produziertem Strom (bilanziell) und zwölf ge und -produktion für vier unterschiedliche Prozent der Haushalte mit Wärme von der Wetterjahre mit einer stündlichen Auflö- Insel versorgt werden (vgl. Beiträge Sauss/ sung. Die Ergebnisse sind eindeutig: Einer- Kühl und König/Diedrich/ Witowski/Wil- seits sind die Annahmen des Energieatlas ken). Damit dürfte der Stadtteil Wilhelms- korrekt und die gesteckten Ziele zur lokalen 5
Soll-Ist-Vergleich Selbstversorgung mit erneuerbaren Energien 140 120 Bauausstellung 100 Anteil [%] 80 60 40 Elektrische Selbstversorgung Plan Elektrische Selbstversorgung Ist Elektrische Selbstversorgung Prognose 20 Thermische Selbstversorgung Plan Thermische Selbstversorgung Ist Thermische Selbstversorgung Prognose 0 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Zeit [a] Abb. 2: Prognose der Entwicklung des Klimaschutzkonzeptes Erneuerbares Wilhelmsburg. Deckung des Jahresenergiebedarfs durch umbaus in einem sozial benachteiligten erneuerbare Energien erreichbar. Anderer- Stadtteil. Die IBA-Erfahrung zeigt, dass die seits führt die stark fluktuierende regene- nachhaltige Entwicklung eines urbanen rative Stromproduktion in der dynamischen Raumes am wenigsten ein technisches Pro- Betrachtung zeitabhängig sowohl zu hohen blem ist, sondern vor allem ein soziales und Stromüberschüssen als auch zu hohen De- ein politisches, danach auch ein finanzielles fiziten in der Bereitstellung. Nicht die lokale sowie ein architektonisches und stadtge- Autarkie kann daher das Ziel einer nach- stalterisches. Dies zeigt sich besonders in haltigen Energieversorgung sein, sondern der Frage der jährlichen Erneuerungsrate, Autonomie, das heißt die Ergänzung der dem entscheidenden Faktor der Energieef- lokalen Produktion durch Lastmanagement, fizienzsteigerung im Gebäudebestand. Das den Einsatz von Speichern und den Energie- Konzept Erneuerbares Wilhelmsburg geht austausch mit den übrigen Stadtquartieren in seinem Exzellenzszenario, das zu der ein- und der Region. gangs erwähnten Fast-CO2- Neutralität im Gebäudebestand führt, von einer Erneue- Zu den Lernprozessen nach fünf Jahren rungsrate von drei bis fünf Prozent aus. Die Klimaschutzkonzept Erneuerbares Wil- energetische Modernisierung der Häuser in helmsburg gehören natürlich nicht nur neue Wilhelmsburg dürfte jedoch tatsächlich heu- technische und wirtschaftliche Herausfor- te bei ca. 0,8 Prozent liegen – und damit auf derungen, sondern auch veränderte politi- Bundesdurchschnitt (vgl. Beitrag Hartwig). sche Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene (vgl. Beitrag Hain) sowie die In diesem Zusammenhang muss man auch soziale Empirie des energetischen Stadt- feststellen, dass die von der IBA 2009 ge- 6
startete „Prima Klima“-Kampagne, mit der Ein Durchbruch bei der Erneuerungsrate private Hausbesitzer für eine energetische konnte auf diese Weise jedoch nicht erzielt Modernisierung ihrer Häuser gewonnen werden. Die Ursache hierfür ist – trotz der werden sollten, mehr qualitative als quan- eher finanzschwachen Sozialstruktur auf titative Ergebnisse gezeigt hat. So konnte den Elbinseln – nicht primär in den Kosten zum Beispiel mit dem Projekt Wilhelmsbur- der Maßnahmen zu suchen, sondern vor ger Straße 76–82 auf der Veddel erstmals allem in zwei Aspekten: der Demografie in Hamburg bewiesen werden, wie man die – viele Eigenheimbesitzer befinden sich für die Hansestadt so typischen Gebäude im fortgeschrittenen Alter – und in der aus den 1920er Jahre mit ihren charakte- Tatsache, dass energetische Maßnahmen ristischen Backsteinfassaden – Hamburgs selten alleiniger Anlass für eine Investition „rote Stadt“ – nahezu auf energetischen in das eigene Haus sind. Meistens geht Neubaustandard modernisieren kann, es um weitergehende Modernisierungen ohne die historische Fassade sichtbar zu (Bäder, Grundrisse) und Instandsetzungen, verändern. In ähnlicher Weise wurden sodass das Gesamtpaket der Kosten steigt gründerzeitliche Häuser in Wilhelmsburg und die Erneuerungsrate stagniert (vgl. modernisiert. Außerdem entstand ein weit Beitrag Jacobs). Sollten die Erkenntnisse beachtetes Modellprojekt der Firma Velux, aus der „Prima Klima“-Kampagne repräsen- die mit dem LichtAktivHaus eine – nicht tativ sein, stellt sich die Frage, ob nicht die nur – energetische Vorlage für die Mo- Lieferseite – also die Produktion erneuerba- dernisierung von Siedlungshäusern aus rer Energien – gegenüber der Effizienzseite den 1930er und 1950er Jahren lieferte. – also der privat finanzierten Hausmoderni- Abb. 3: Auf der ehemaligen Mülldeponie in Georgswerder wird mit Sonne und Wind Strom für die Elbinsel produziert 7
sierung – strategisch und praktisch an Ge- erneuerbarer Energien. Ein wesentliches wicht gewinnen muss, ohne dass man sich Implementationsproblem beim Anschluss der Illusion hingeben sollte, dass dadurch bestehender Quartiere an Wärmenetze liegt auf die Steigerung von Energieeffizienz bei in den institutionellen, logistischen und Gebäuden und Betrieben zu verzichten sei rechtlichen Problemen – sei es, dass große, (vgl. Beitrag Hartwig). Zudem birgt die Stär- selbst stadteigene, Wohnungsbaugesell- kung der Lieferseite eigene Probleme: Sie schaften ihre energetischen Sanierungskon- kann mangelnde thermische Behaglichkeit zepte nicht oder nur mangelhaft mit dem in den Wohnungen ebenso wenig beseitigen Energieversorger abstimmen, sei es, dass wie den allgemein in Deutschland vorzu- Förder- und Steuerrecht den Anschluss an findenden Sanierungsüberhang, der einem neue umweltfreundliche Versorgungsnetze weiteren Verfall der Bausubstanz Vorschub erschweren oder verhindern (vgl. Beitrag leistet und am langen Ende zu erhöhten Sa- Sandrock). nierungs- oder Ersatzaufwendungen führt. Eine Stärkung der Lieferseite würde zudem Damit gewinnt dann auch die Frage an dem allgemeinen Gebot der Effizienzsteige- Bedeutung, was die richtigen Konzepte und rung zuwiderlaufen. Sie würde angesichts die notwendigen rechtlichen Rahmenbe- der mit dem Erneuerbare-Energien- Gesetz dingungen zur Versorgung von Stadtteilen (EEG) verbundenen Unsicherheiten dem und Städten mit erneuerbaren Energien Verbrauch von fossilen Energieträgern sind. Wer sind in Zukunft die maßgeblichen weiter Vorschub leisten und damit die Ziele Akteure der Energiewende? Welche Rolle der Europäischen Union wie auch der Bun- spielen dabei die Bürger und dezentrale desregierung zur CO2-Einsparung in weite lokale Konzepte? Und: „Cui bono“ – wem Ferne rücken lassen. Die großen Abhän- nützt das Ganze? Der Masterplan Klima- gigkeiten insbesondere von konventionel- schutz der Freien und Hansestadt Hamburg len Wärmelieferanten (Kohle, Erdgas und sieht die modellhafte Wei- EINFÜHRUNG Erdöl) würden prolongiert. Es ist deshalb zu 9 terführung des Klimaschutzkonzeptes hoffen, dass nationale und möglichst auch Erneuerbares Wilhelmsburg vor. Doch stellt lokale Anreizprogramme in naher Zukunft sich auch in Hamburg angesichts des durch zur Erhöhung der Sanierungsquote beitra- Volksentscheid beschlossenen Rückkaufs gen und somit die Effizienzseite stärken. In des Fernwärmenetzes die Frage, welchen Verbindung damit sind weitere Beteiligungs- Stellenwert dezentrale Versorgungsstruk- und Aktivierungsprozesse notwendig, die turen in der neuen Wärmestrategie der Klimaschutzkonzepte zu einer Angelegen- Stadt Hamburg haben werden (vgl. Beiträge heit der gesamten Bürgerschaft machen. Gabányi/Dietrich, Sandrock), zumal gegen- wärtig zentrale neue Investitionen wie zum Auch wenn bezogen auf den Energieatlas Beispiel in ein GuD-Kraftwerk in Wedel zur festgestellt werden muss, dass der Zielerrei- Debatte stehen. Noch sind keine abschlie- chungsgrad auf der Lieferseite deutlich hö- ßenden Entscheidungen gefallen; klar ist her ist als bei der Effizienzsteigerung durch aber schon jetzt, dass mit den Investitions- energetische Modernisierung des Gebäude- entscheidungen in die Kraftwerkstruktur bestandes, so muss auch hier vor übertrie- auch die Weichen für dezentrale, quartier- benem Optimismus gewarnt werden; denn bezogene Konzepte gestellt werden. Mit der diejenigen, die die ersten sind, Kritik an Vorlage der Wärmestrategie des Senates den „Dichtern und Dämmern“ zu üben, sind wurde bei Redaktionsschluss zum Ende des keineswegs immer die Pioniere beim Bezug Jahres 2014 gerechnet. 8
Abb. 4: Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Entwicklung des „Zukunftsbild Georgswerder“ Als das Zukunftskonzept Erneuerbares der Nachweis geführt, dass dezentrale Wilhelmsburg zwischen 2008 und 2010 Konzepte innerhalb kürzester Zeit einen von der IBA in enger Zusammenarbeit mit wesentlichen Beitrag zur energetischen der Forschergruppe der FH Nordhausen4 Selbstversorgung und zur CO2-Minderung und einem internationalen Beirat5 entwi- in den Städten leisten können (vgl. Beitrag ckelt wurde (vgl. Kurzzusammenfassung „Auf dem Weg ins Erneuerbare Wilhelms- des Klimaschutzkonzeptes im Anhang), burg“). schien die Welt des Erneuerbare- Energien- Gesetzes noch in Ordnung. Mittlerweile Zum anderen werden wesentliche Aufga- hat sich eine Reihe von politischen und benstellungen für die Zukunft definiert, rechtlichen Rahmenbedingungen geändert wie zum Beispiel die Frage der intelligen- – von der Limitierung des Zubaus regene- ten Verlinkung von dezentraler Wärme- rativer Energieerzeuger bis zur finanziellen und Stromproduktion sowie die Frage Belastung kleiner dezentraler Anlagen. Der dezentraler Speichertechnologien (vgl. Bei- Werkbericht zum Zukunftskonzept stellt trag Lehmann). Gleichzeitig wird aber auch daher nicht nur die bisherigen Ergebnisse deutlich, dass das Zukunftskonzept Erneu- und Wirkungen des Konzeptes Erneuerba- erbares Wilhelmsburg zwar auf einer Insel res Wilhelmsburg dar, sondern untersucht entwickelt wurde, selbst aber keine Insel in auch, welche Konsequenzen sich aus den der energiepolitischen Landschaft unserer zwischenzeitlichen Weichenstellungen Tage ist. Aus einem Experiment ist ein auf Bundes- wie auf Landesebene für die strategischer Ansatz geworden, der einen Fortschreibung der Roadmap ergeben. So maßgeblichen Beitrag zur politisch gewoll- wird zum einen eine kritische Bilanz des ten Energiewende zu leisten vermag. Von bisher Erreichten gezogen und damit auch ihm gehen auch wesentliche Impulse zur 9
weiteren Verfeinerung des Methodenreper- (vgl. Beitrag Peters), denn nur wenn die toires für kommunale bzw. regionale Klima- Verbraucher als Akteure der Energiewende schutzkonzepte und Energieentwicklungs- gewonnen werden, kann diese gelingen. pläne aus (vgl. Beiträge Lehmann, Hegger/ Auch das Klimaschutzkonzept Erneuerbares Schulze). Hochschulen und Forschungsin- Wilhelmsburg muss seine wirtschaftliche stitute in vielen Ländern der Welt haben und letztlich auch gesellschaftliche Trag- den Planungsansatz der IBA Hamburg für und Mehrheitsfähigkeit erst noch erweisen den Stadtteil Wilhelmsburg aufmerksam (vgl. Beitrag Krümmel). zur Kenntnis genommen – wie aktuell zum Beispiel die Bodensee- Alpenrhein-Region Das Klimaschutzkonzept erfordert eine (vgl. Beitrag Droege). Sie entwickeln auf sorgfältige Erfolgskontrolle der Einzelmaß- dieser Grundlage Lösungen, die in Zukunft nahmen über ein rein technisch angelegtes die Bestandsaufnahme von Bedarfen wie Monitoring hinaus, wie dies für Wilhelms- Potenzialen sowie die ortsbezogen passge- burg vorgesehen ist. Vor allem aber bedarf naue, wirtschaftlich optimierte Entwicklung dieses große Projekt weiterhin einer enga- von zukunftsfähigen Energiekonzepten gierten und fachlich kompetenten Führung, erleichtern sollen. Das Klimaschutzkonzept die sich unabhängig vom politischen Alltag Erneuerbares Wilhelmsburg ist damit eine dieser beispielgebenden Umsetzung der Blaupause im Wortsinne: noch auf hand- Energiewende widmet. werklichen Methoden beruhend und dabei in seinen Ergebnissen außerordentlich Anmerkungen zuverlässig, experimentell und dennoch 1. IBA Hamburg (Hg.): Energieatlas – Zukunfts- schon Vorbild für viele andere Anwender. konzept Erneuerbares Wilhelmsburg. Berlin 2010. Auch auf den Hamburger Elbinseln ist der 2. AG Energieverbrauch e. V: Anwendungs- Ansatz immerhin so erfolgreich, dass sich bilanzen für die Endenergiesektoren in jetzt nicht nur in Hamburg die Frage stellt, Deutschland in den Jahren 2011 und 2012 ob er zumindest auf vergleichbare Stadttei- mit Zeitreihen von 2008 bis 2012. Berlin 2013. le übertragen werden kann. Die Diskussion 3. Hamburger Senat: Drucksache 20/11237. dazu ist noch nicht abgeschlossen. Hamburg 2014. http://www.gruene-fraktion- hamburg.de/sites/gruenefraktion- hamburg. Die Umsetzung solcher Klimaschutzkonzep- de/files/dokument/11451_ska_jens_ kerstan. pdf. te benötigt einen langen Atem, in Hamburg 4. Dieter D. Genske/Thomas Jödecke/Jana wie anderswo. Die mittel- bis langfristig an- Henning- Jacob/Ariane Ruff: Energetische gelegten Maßnahmen sind in regelmäßigen Optimierung des Modellraumes IBA Ham- Abständen zu überprüfen und an veränder- burg. Hamburg 2011. 5. Mitglieder des Fachbeirates „Klima und te technische, wirtschaftliche und politische Energie“ der IBA Hamburg waren: Prof. Pe- Gegebenheiten anzupassen. Hier werden ter Droege (Hochschule Liechtenstein und insbesondere technische Weiterentwicklun- Vorsitzender des Weltrats für erneuerbare gen sowie damit verbundene Änderungen Energien, Australien) , Prof. Manfred Heg- ger (Technische Universität, Darmstadt), Dr. in den Kostenstrukturen eine große Rolle Harry Lehmann (Fachbereichsleiter am Um- spielen. Die Entwicklung und der Markt der weltbundesamt, Dessau), Prof. Irene Peters erneuerbaren Energien stehen noch in ihren (HafenCity Universität Hamburg), Matthias Anfängen und sind entsprechend dyna- Schuler (Geschäftsführer Transsolar, Stutt- gart und Dozent an der Harvard University, misch. Ebenso wird in Zukunft die Integrati- USA), Stefan Schurig (Director Climate on von Analysen zum Nutzerverhalten in die Energy, World Future Council, Hamburg). Planung einen größeren Raum einnehmen 10
Auf dem Weg ins Erneuerbare Wilhelmsburg Uli Hellweg, Manfred Hegger, Harry Lehmann, Jan Gerbitz, Katharina Jacob, Simona Weisleder, Karsten Wessel Dieser Werkbericht zum Energieatlas zeigt geförderten Wohnungsbau führen – selbst ein differenziertes Bild der Umsetzung und wenn das Wärmenetz mit erneuerbaren Weiterentwicklung des Zukunftskonzeptes Energien betrieben wird und damit den Erneuerbares Wilhelmsburg im Jahr 2014. Klimaschutzzielen dienlich ist. Zusätzlich Große Teile der Roadmap 2010 konnten erschwert das Mietrecht den Anschluss an bis heute umgesetzt werden: Der Energie- ein Wärmenetz, da durch den Wechsel der berg Georgswerder versorgt rechnerisch Wärmeversorgung keine höheren reinen 20 Prozent der Haushalte der Elbinsel mit Wärmekosten für den Mieter entstehen erneuerbarem Strom, die Wärmenetze um dürfen, wobei hierbei Investitionskosten bei den Energiebunker und in der Wilhelmsbur- Einzelanlagen nicht berücksichtigt werden. ger Mitte haben ihr Potenzial noch nicht Der Wärmepreis des Wärmenetzes steht au- ausgeschöpft, können aber in Zukunft viele ßerdem in direktem Vergleich mit der Ver- Haushalte der Elbinsel mit erneuerbarer sorgung durch „den billigsten Gaskessel“. Wärme versorgen. Alle Neubauten und Sa- Im Projekt Tiefengeothermie Wilhelmsburg nierungen, die im Rahmen der IBA auf den waren und sind es vor allem die hohen In- Elbinseln und im Harburger Binnenhafen vestitionskosten von fast 30 Millionen Euro, umgesetzt wurden, haben die gesetzlichen die die Umsetzung des Projektes verzögern: Mindestanforderungen an die Energieeffi- Ihre Wirtschaftlichkeit musste durch lang- zienz unterschritten. Andererseits lassen wierige Untersuchungen geprüft werden, sich zahlreiche damals nicht vorhersehbare deren Ergebnisse gegenwärtig bewertet Faktoren konstatieren, die einzelne Projekte werden. Zu den institutionellen Schwierig- ganz scheitern ließen und andere verzöger- keiten gehören divergierende wirtschaftli- ten. Analysiert man die Gründe für die zwei che Pläne der jeweiligen Eigentümer oder gescheiterten Projekte – das Nahwärmenetz mangelndes Interesse am energetischen Neue Hamburger Terrassen und das Urbane Stadtumbau. Bei manchen Immobilienbe- Biogasprojekt – und die zeitlichen Verzö- sitzern und zukünftigen Anschlussnehmern gerungen realisierter Projekte, so lassen herrscht eine generelle Skepsis gegenüber sich fünf Hauptfaktoren benennen: erstens der Versorgung durch ein dezentrales Netz rechtliche bzw. betriebswirtschaftliche statt einer Versorgung durch den eige- Gründe, zweitens institutionelle Hindernis- nen Kessel im eigenen Keller. Aber auch se, drittens städtebaulich-immissionsrecht- städtebauliche und immissionsrechtliche liche Probleme, viertens sozio-demogra- Gründe können Projekte verhindern oder fische Barrieren und fünftens veränderte verzögern, wie zum Beispiel im Fall des Ur- politische Rahmenbedingungen. banen Biogasprojektes, dessen nach langer Suche mühselig gefundener Standort im Bei den rechtlichen und betriebswirtschaft- Südosten Wilhelmsburgs schließlich einer lichen Hindernissen steht eine mangelnde neuen Verkehrstrasse zum Opfer fiel; ein Übereinstimmung zwischen vorhandenem alternativer Standort konnte nicht mehr ge- Miet-, Steuer- und Förderrecht im Woh- funden werden. Von besonderer Bedeutung nungsbau und der politisch gewollten sind die soziodemografischen Barrieren Absicht des energetischen Stadtumbaus im des energetischen Stadtumbaus, die sich Vordergrund. So kann die Stilllegung noch insbesondere in der (zu geringen) Erneue- nicht abgeschriebener Heizungsanlagen zu- rungsrate niederschlagen. Die IBA hat hier gunsten des Anschlusses an ein Wärmenetz die entsprechenden Erfahrungen in der zu bilanziellen Verlusten und zu Problemen „Prima-Klima“-Kampagne (gestartet 2009) der Nachberechnung der Kostenmiete im gemacht. Es zeigt sich, dass die Bereit- 11
schaft und die Befähigung zur Sanierung eine modifizierte Fortschreibung des Klima- der eigenen Immobilie an Standorten wie schutzkonzepts Erneuerbares Wilhelmsburg Wilhelmsburg verschwindend gering ist. Sa- erforderlich machen. Eine lineare Umset- nierungen erfolgen darüber hinaus oftmals zung der Roadmap, so wie sie schon in der ohne die Einbindung von Energieberatern ersten Ausgabe des Energieatlas 2010 als und Architekten und bei Einfamilienhäusern „Wagnis“ formuliert worden war, ist zum zusätzlich oft in Eigenleistung („Baumarkt- gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Sanierungen“) und damit ohne zusätzliche Insofern gibt es auch keinen gesicherten finanzielle Förderung. Auch die Einbindung Weg, die im Atlas 2010 formulierten Ziele erneuerbarer Energien wie Solarthermie ist der CO2-Neutralität in Wilhelmsburg auch trotz der eingeführten Technik mit langjäh- tatsächlich zu erreichen. Andererseits zeigt rigen Erfahrungen noch nicht ausreichend. aber gerade die Dynamik der letzten Jahre, Mögliche politische Risiken bei der Umset- einschließlich geopolitischer Veränderun- zung langfristig angelegter Klimaschutzkon- gen und Konflikte, wie sensibel und verän- zepte wie dem Erneuerbaren Wilhelmsburg derlich Energiepolitik ist. Es ergibt daher liegen in wechselnden Rahmenbedingungen aus Sicht der Herausgeber nicht nur Sinn, auf den verschiedenen nationalen und sondern ist auch dem bisher Erreichten internationalen Ebenen. So haben sich nicht und seiner Wirkung weit über Hamburg und nur EU-rechtliche Ziele verändert, sondern Deutschland hinaus geschuldet, das Klima- auch auf nationaler Ebene wurden mit dem schutzkonzept Erneuerbares Wilhelmsburg EEG 2014 und auf Hamburger Ebene mit der als Leuchtturmprojekt des energetischen in Arbeit befindlichen „Wärmestrategie für Stadtumbaus weiterzuführen. Hamburg ist Hamburg“ Rahmenbedingungen gesetzt, die mit diesem Projekt – gerade wegen seiner Abb. 5: Der Energiebunker versorgt das umliegende Quartier mit erneuerbarer Wärme 12
Roadmap Erneuerbares Wilhelmsburg 2050 Energieeffizienter Neubau Energetische Sanierung des Bestandes • Effizienzhaus55 bei Wohngebäuden bzw. EnEV2009 • Umsetzung von Kampagnen-Bestandteilen zur minus 30 Prozent Information und Motivation von Eigenheimbe- • bei Nichtwohngebäuden als Mindeststandard bei sitzern allen Ausschreibungen • Präsenz von Energieberatern vor Ort bei Veran- • und Wettbewerben, Passivhaus bzw. Effizienz- staltungen der organisierten Eigenheimbesitzer haus40 als Zielstandards und dezentrale Angebote von Einzelberatungen • Entwurfliche Integration von Photovoltaik als • Entwicklung von konkreten Mustersanierungs- Mindestanforderung bei allen Ausschreibungen und konzepten für größere Eigenheimquartiere wie Wettbewerben in Kirchdorf • Zur Beheizung und Warmwasserbereitung vorrangi- • Information und Kampagnen für CO2-neutrale ge Nutzung von Biogas und Biomasse sowie vor Ort Wärmeversorgung vor Ort verfügbaren Ressourcen wie Solarthermie, Geo- • Verbesserung der Vermittlung von und Beratung thermie, Ab- oder Umgebungsluft zum Betrieb von zu Fördermitteln für Eigenheimbesitzer und Wärmepumpen Wohnungseigentümergemeinschaften • Null- oder Plusenergiehaus als Zielstandard • Umsetzung von Projekten der Energetischen • LifeCycle-Ansatz und nachhaltige und nachwach- Stadtsanierung in Quartieren wie der Veddel, sende Baustoffe als besonderes Kriterium bei allen dem Reiherstiegviertel, Kirchdorf oder Kirch- Ausschreibungen und Wettbewerben dorf-Süd Erneuerbare Wärmenetze Erneuerbare Stromerzeugung • Weiterentwicklung der energieräumlichen Konzepte • Modellhafte Weiterentwicklung des Konzepts und bundesrechtlichen Möglichkeiten zur dezentra- zur Netzintegration und zum Lastmanagement len Wärmeerzeugung auf den Hamburger Elbinseln dezentraler Stromerzeuger auf den Hamburger unter Einbeziehung dezentraler Erzeuger (Wärme- Elbinseln verbünde) • Modellhafte Umsetzung von Konzepten wie • Weiterentwicklung und räumliche Ausweitung des Power-to Heat und Powerto-Gas Energieverbundes in der Wilhelmsburger Mitte • Information und Unterstützung zu den Möglich- • Forcierte Abstimmung der Sanierungspläne von Ein- keiten der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zelheizungsanlagen mit einem weiteren Netzausbau • Unterstützung von Betreibermodellen zur Nut- des „Energiebunkers“ im nördlichen Reiherstiegvier- zung von Photovoltaik tel • Modellhafte Umsetzung von Plusenergiehäusern • Umsetzung des Projektes Tiefengeothermie Wil- und Plusenergiesiedlungen auf den Hamburger helmsburg Elbinseln • Verankerung von Nahwärmenetzen bei den verdich- • Technische und organisatorische Ausweitung der teten Entwicklungsgebieten in Wilhelmsburg Eigenstromnutzung • Initiierung von Nahwärmenetzen in Bestandsquar- • Repowering veralteter Windkraftanlagen tieren im Rahmen der energetischen Stadtsanierung • Erweiterte Suche und Umsetzung neuer Stand- und als Erweiterung von Netzen in angrenzenden orte Entwicklungsgebieten • Qualifizierung der Nahwärmekonzepte durch den Einsatz innovativer Maßnahmen 13
ambivalenten Praxiserfahrungen – nicht nur Bauens in den Status quo ante – also in die international ein Vorreiter neuer städte- Zeit vor der IBA – aufzuhalten. Vor dem baulich-energetischer Konzepte sowohl Hintergrund der in Hamburg insgesamt zu im Stadtneu- wie im Stadtumbau, sondern verzeichnenden Bautätigkeit ist dies ein auch ein Labor für innovative praktische ehrgeiziges Unterfangen, soweit es dabei Lösungen. Diese pole position sollte weiter auch um Fördermittel geht. ausgebaut und genutzt werden – nicht zuletzt auch, um dem lange vernachlässig- ten Stadtteil Wilhelmsburg zu einem neuen Eckpunkte für die Weiterentwicklung innovativen Image als Pionierstadtteil Ham- des Klimaschutzkonzepts Erneuerba- burgs zu verhelfen. res Wilhelmsburg Vor diesem Hintergrund sind die folgen- Zur Erreichung des ambitionierten Ziels ei- den Empfehlungen für die Weiterführung ner klimaneutralen Elbinsel bis 2050 hatte des Klimaschutzkonzepts Erneuerbares sich die IBA Hamburg in ihrem Klimaschutz- Wilhelmsburg eher als Eckpunkte zu sehen, konzept Erneuerbares Wilhelmsburg im denn als Patentrezept für eine Klimaneu- Jahr 2010 vier strategische Handlungsfel- tralität von Wilhelmsburg im Jahre 2050. der vorgenommen: Dennoch steht dieses Ziel nach wie vor im Fokus der Umsetzung, denn nur so ist ein • Energieeffizienter Neubau postfossiler, nachhaltiger und lebenswer- • Energetische Sanierung des Bestandes ter Stadtteil für über 70.000 Menschen zu • Erneuerbare Wärmenetze schaffen. Damit dieses Ziel nicht nur „Visi- • Erneuerbare Stromerzeugung on“ bleibt, sondern Realität werden kann, bedarf es nicht nur einer Roadmap – also Diese strategischen Handlungsfelder haben einer Karte – sondern (um im Bild zu blei- sich in der Praxis bewährt; daher sollen in ben) eines driver, was man hier besser mit diesen Feldern Vorschläge für die Wei- „Treiber“ als mit „Fahrer“ übersetzen sollte. terentwicklung des Konzeptes gemacht Bisher war dieser Treiber die IBA Hamburg werden. GmbH, deren Aufgaben 2014 enden. Wenn das Innovationsprojekt Erneuerbares Wil- helmsburg erfolgreich fortgesetzt werden Energieeffizienter Neubau soll, wird ein neuer „Treiber“ gebraucht – im besten Fall ist das die Stadt Hamburg selbst Ein erster Schritt zur Erreichung von Klima- –, der Strategien, Projekte und Vorgehens- schutzzielen ist die Reduzierung des Ener- weisen entwickelt, voranbringt, anpasst, gieverbrauches für Raumwärme und Warm- umsetzt und überprüft. Ein solcher Akteur wasserbereitung auf ein Minimum. Der oder „Kümmerer“ ist auch notwendig, um Senat der Freien und Hansestadt Hamburg den sich in Wilhelmsburg gelegentlich ab- strebt mit dem Masterplan Klimaschutz die zeichnenden Trend zum Rückfall des Mög- Senkung des jährlichen Endenergiebedarfs liche politische Risiken bei der Umsetzung (Heizung und Warmwasser) bei Mehrfamili- langfristig angelegter Klimaschutzkonzepte enhäusern im Bestand auf durchschnittlich wie dem Erneuerbaren Wilhelmsburg liegen 40–45 kWh/m2 und bei bestehenden Einfa- in wechselnden Rahmenbedingungen auf milienhäusern auf 45–55 kWh/m2 an. Um den verschiedenen nationalen und inter- diese Ziele 2050 zu erreichen, müssen be- nationalen Ebenen. 184 energiepolitischen reits jetzt neu zu errichtende Gebäude und 14
Quartiere den Anforderungen der Zukunft diese Mindeststandards einhalten, wenn genügen und zum Ausgleich der komplexen nicht sogar übertreffen können. Die Praxis Situation im Gebäudebestand die durch- hat dabei gezeigt, dass die gelegentlich kri- schnittlichen Ziele deutlich übertreffen tisierten erhöhten Baukosten oftmals nicht – auch wenn die gegenwärtige Wohnungs- nur auf höhere Material- und Arbeitskosten baupolitik in Hamburg dies nicht per se zurückzuführen sind, sondern zumindest vorsieht, da bestehende ordnungsrechtliche zum Teil auf Mängeln in der Planung und im Wärmeschutz und Energieanforderungen Baumanagement sowie auf Fehlern durch für den Wohnungsbau auf Landesebene die Beauftragung ungeeigneter, vermeint- nicht verschärft werden sollen. Die Lösung lich preiswerterer Planer und Unternehmer könnte darin bestehen, bei der Grund- beruhen. stücksvergabe optional höhere Energieef- fizienzstandards vorzusehen. Das Klima- Effizienzhaus55 bei Wohngebäuden schutzkonzept Erneuerbares Wilhelmsburg bzw. EnEV2009 minus 30 Prozent hatte schon 2010 als Ziel den Standard des bei Nichtwohngebäuden als Mindest- Passivhauses oder vergleichbare Effizienz- standard bei allen Ausschreibungen hausstandards formuliert. Bestmögliche und Wettbewerben, Passivhaus bzw. Wärmedämmung, energiesparende Bauteile Effizienzhaus40 als Zielstandards wie Fenster, Luftdichtigkeit und Wärmebrü- ckenminimierung, eine kontrollierte Be- und Wo immer möglich und wo nicht an erneu- Entlüftung und eine effiziente Haustechnik erbare Wärmenetze angeschlossen, sollten sowie integrale Planung und Bauleitung und Neubauten erneuerbare Energien und vor Qualitätssicherung gehören heutzutage Ort verfügbare Ressourcen wie Biogas, Bio- zum Stand der Technik. Mindeststandard für masse oder Ökostrom zur Beheizung und den Status eines IBA Projektes waren seit Warmwasserbereitung nutzen. Solarther- dem Jahre 2009 aus Ermangelung passen- mie sowie Umweltwärme wie Geothermie, der Effizienzhausstandards die Kriterien Ab- oder Umgebungsluft zum Betrieb von der Energieeinsparverordnung EnEV2009 Wärmepumpen können den Verbrauch von minus 30 Prozent. Dieser Standard wird von wertvollen Rohstoffen reduzieren. Pho- der IBA aktuell als Kriterium bei Ausschrei- tovoltaik macht das eigene Gebäude zum bungen und Wettbewerben, aber auch bei Kraftwerk und trägt zur Versorgung mit der Entwicklung und Vermarktung von erneuerbarem Strom bei. Grundstücken außerhalb der bisherigen Daher hat die IBA in der Vergangenheit räumlichen Kulisse der Bauausstellung als zahlreiche unterschiedliche Konzepte für Effizienzhaus55 bei Wohngebäuden bzw. die Nutzung und Produktion von erneuerba- EnEV2009 minus 30 Prozent bei Nicht- ren Energien umgesetzt und wird die Integ- wohngebäuden weitergeführt. Mindestens ration dieser Komponenten auch zukünftig dieser Standard sollte auch bei zukünftigen durch die Berücksichtigung bei Ausschrei- Grundstücksvergaben beibehalten wer- bungen und Wettbewerben vorantreiben. den mit dem Ziel, ihn sukzessive weiter zu Perspektivisch sollte jedes Gebäude den erhöhen; bessere Standards sollten bereits Standard als Null- oder Plusenergiehaus heute positiv in die Bewertung von Aus- erreichen. schreibungen und Wettbewerben einfließen. Die Erfahrungen zeigen, dass versierte Ar- Entwurfliche Integration von Photo- chitekten, Investoren und Bauträger relativ voltaik als Mindestanforderung bei unproblematisch und nahezu kostenneutral Ausschreibungen und Wettbewerben 15
Zur Beheizung und Warmwasser- Energetische Sanierung des bereitung vorrangige Nutzung von Bestandes Biogas und Biomasse sowie vor Ort verfügbaren Ressourcen wie Für eine zielgerechte Umsetzung des Kli- Solarthermie, Geothermie, Ab- oder maschutzkonzepts Erneuerbares Wilhelms- Umgebungsluft zum Betrieb von burg ist der Bestand – wie generell beim Wärmepumpen energetischen Stadtumbau – von zentraler Bedeutung. Auf die Probleme, die Erneu- Null- oder Plusenergiehaus als Ziel- erungsrate vor dem Hintergrund der kon- standard kreten sozio-demografischen Situation in Wilhelmsburg zu erhöhen, wurde mehrfach Nicht nur der Betrieb, sondern auch die in diesem Band hingewiesen. Die energe- Produktion der Baustoffe und Bauelemente, tische Sanierung des Gebäudebestandes die Errichtung sowie Abriss und Wiederver- stellt daher weiterhin die größte Heraus- wertung oder Entsorgung tragen zur Ener- forderung dar – nicht nur in Wilhelmsburg. giebilanz eines Gebäudes bei. Besonders bei Die Situation auf den Elbinseln ist dabei energieeffizienten Bauten kann der Anteil zwar spezifisch, die Maßnahmen sind aber dieser sogenannten Grauen Energie über oftmals generell und übertragbar, sodass 50 Prozent betragen. Daher werden die eine gesamtstädtische Sicht notwendig Berücksichtigung des Life- Cycle-Ansatzes erscheint, die dann lokal umgesetzt werden und die Nutzung nachhaltiger Baustoffe muss. Um die langfristigen Klimaschutzziele immer relevanter. Die IBA Hamburg konnte zu erreichen, müssen alle Bestandsbauten das Thema Holzbau wieder in Hamburg bewertet und den jeweiligen Gegebenheiten platzieren und gute Beispiele realisieren. – wie in den Stadtraumtypen des Energiea- Die gewonnenen Erfahrungen haben zu ei- tlas modellhaft gezeigt – angepasst sowie ner Qualifizierung der Planern und Ausfüh- optimal energetisch ertüchtigt werden. renden in Hamburg und Norddeutschland Zu berücksichtigen sind dabei zahlreiche geführt. Dieser Schub soll weiterhin genutzt Faktoren von der baulichen Situation über werden. Im Rahmen der europäischen die historische Bedeutung bis zur sozio-de- Gesetzgebung müssen ab 2021 alle Neubau- mografischen Situation, zu den Eigentums- ten Niedrigstenergiegebäude (nearly Zero verhältnissen und zur Mietpreisentwicklung. Emission) sein, alle öffentlichen Neubau- Dabei sind auch die unterschiedlichen ten sogar zwei Jahre vorher. Damit kann Eigentümergruppen zu berücksichtigen, die die öffentliche Hand bzw. der öffentliche jeweils spezifisch angesprochen und moti- Investor als Vorbild und mit guten Beispie- viert werden müssen. Eine große Herausfor- len vorangehen. Eine Regelförderung für derung stellen die privaten Eigentümer von Projekte mit weitgehender CO2-Neutralität Geschosswohnungsbauten und Einfamilien- in der LifeCycle-Analyse wäre sinnvoll, nicht hausbesitzer dar. Bei diesen Gruppen beste- zuletzt, um Defizite in der Erneuerungsrate hen oftmals nur geringe finanzielle Mittel des Bestandes zu kompensieren. zur energetischen Sanierung. Außerdem sind die Möglichkeiten der Information über LifeCycle-Ansatz und nachhaltige eventuelle Maßnahmen allgemein und die und nachwachsende Baustoffe als konkrete Situation der eigenen Immobilie besonderes Kriterium bei Ausschrei- schlechter als bei größeren und organisier- bungen und Wettbewerben ten Gesellschaften. 16
Die Erfahrungen der „Prima Klima“-Kam- Wärmeversorgung sowohl finanziell als pagne lehren, dass Erfolge bei der Erneue- auch energetisch ineffizient oder zumindest rungsrate nicht kurzfristig und nicht durch schwierig umsetzbar. Für die Gebäudetypen einmalige Aktionen zu erzielen sind. Es in Wilhelmsburg, für die sich der Anschluss wird durch gelegentliche Kampagnen zwar an ein Nahwärmenetz nicht lohnt, sind durchaus eine Aufklärung und ein Bewusst- passende Konzepte für eine dezentrale CO2- sein geschaffen, für breite Ausstrahlungs- neutrale Wärmeversorgung (zum Beispiel effekte und eine konkrete Investitionsent- durch Wärmepumpen, Solarthermie oder scheidung bedarf es allerdings nicht nur Biomasse) inklusive Planungsvorgaben, För- eines langen Atems, sondern vor allem dermöglichkeiten und Kosten zu entwickeln. auch gezielter und kompetenter Beratung. Diese sollten konkret und zielgerichtet Initiativen wie die „Prima Klima“-Kampagne durch Kampagnen vor Ort vermittelt und sollten daher in Wilhelmsburg fortgeführt befördert werden. und mit konkreten Beratungsangeboten durch geeignete Energieberatern unter- Information und Kampagnen für stützt werden. CO2- neutrale Wärmeversorgung vor Ort Umsetzung von Kampagnen zur Information und Motivation von Die Umsetzung von Maßnahmen zur Sanie- Eigenheimbesitzern rung der Gebäudehülle sowie zur Einbin- dung von erneuerbaren Energien sollte Präsenz von Energieberatern vor durch verbesserte Fördermittel besonders Ort bei Veranstaltungen der orga- bei den Programmen für Eigenheimbesitzer nisierten Eigenheimbesitzer und und Wohnungseigentümergemeinschaften dezentrale Angebote von Einzelbe- unterstützt werden. ratungen Verbesserung der Vermittlung von Auch wenn jedes Gebäude als Einzelobjekt und Beratung zu Fördermitteln für zu betrachten ist, ergeben sich in vielen Eigenheimbesitzer und Wohnungsei- Siedlungsstrukturen wie den Eigenheim- gentümergemeinschaften siedlungen in Kirchdorf ähnliche Bau- und Sanierungsaufgaben. Für diese ähnlichen Gemeinsames Handeln im Quartier bietet Projekte können einfache Mustersanie- nicht nur aus technischer und gestalteri- rungskonzepte hilfreich sein, um zum einen scher Sicht, sondern auch aus finanziellen die Eigentümer niederschwellig, aber kon- Gründen Vorteile gegenüber einer Be- kret über mögliche Sanierungsmaßnahmen trachtung von einzelnen Gebäuden. Viele und deren Kosten zu informieren, aber auch Städte verfolgen daher einen sogenannten den städtebaulichen Kontext der Siedlun- Quartiersansatz für die Bewältigung der He- gen zu fördern oder zu erhalten. rausforderungen der energetischen Stadt- sanierung bzw. des Stadtumbaus. Daher Entwicklung von konkreten Muster- unterstützt auch die KfW-Bank zurzeit so- sanierungskonzepten für größere wohl die Erstellung eines Quartierskonzepts Eigenheimquartiere wie in Kirchdorf als auch die Koordinierung der Umsetzung durch einen sogenannten Quartiersmana- Die geringe Wärmedichte von Einfamilien- ger mit einem speziellen Programm. Trotz hausgebieten macht eine netzgebundene der Förderung wird dieses Instrument im 17
Moment noch wenig in Anspruch genom- Wärmeversorgung des weniger energieeffi- men. Auch in Wilhelmsburg könnten für die zienten Bestandes beitragen. Quartiere Veddel, Reiherstiegviertel, Kirch- dorf oder Kirchdorf-Süd Quartierskonzepte Weiterentwicklung der energieräum- und -manager zu einer besseren Koordinie- lichen Konzepte und bundesrechtli- rung der Maßnahmen der Einzeleigentümer chen Möglichkeiten zur dezentralen beitragen. Hierin könnte eine wesentliche Wärmeerzeugung auf den Hambur- Aufgabe des eingangs erwähnten „Ak- ger Elbinseln unter Einbeziehung teurs“ oder „Kümmerers“ liegen. Zu seinen dezentraler Erzeuger (Wärmever- Aufgaben sollte auch die Beschaffung der bünde) notwendigen Komplementärfinanzierung durch die entsprechenden Behörden und Mit dem Energieverbund als offenes Wär- Verwaltungsstellen sowie die beteiligten menetz wurde ein innovatives Konzept der Immobilienbesitzer und Energieversorger Nahwärmeversorgung realisiert. Durch die gehören. Versorgung mit einem Biogas-Blockheiz- kraftwerk konnte eine nahezu CO2-neutrale Umsetzung von Projekten der Wärmeversorgung geschaffen werden, die energetischen Stadtsanierung in auch für die Investoren attraktiv ist, da sie Quartieren wie der Veddel, dem das Erreichen hoher Effizienzstandards Reiherstiegviertel, Kirchdorf oder ohne weitere Investitionen möglich macht. Kirchdorf-Süd Gleichzeitig konnte durch die Möglichkeit der Einspeisung der Deckungsanteil durch Erneuerbare Wärmenetze Solarthermie bei einzelnen Projekten und im Gesamtsystem erhöht werden. Aller- Einige erneuerbare Energien lassen sich nur dings steht die dezentrale Einspeisung in in einer netzgebundenen Wärmeversorgung Wärmenetze organisatorisch und technisch nutzen oder sind dort deutlich effektiver als noch ganz am Anfang. Ein wirtschaftlicher in Einzelgebäuden. Beispiele hierfür sind Betrieb ist zunächst nur bei besonderer Quellen wie industrielle Abwärme, Tie- Förderung möglich. Wichtig ist hier vor fengeothermie, Blockheizkraftwerke oder allem die Weiterführung des energetischen größere Solarthermieanlagen. Zusätzlich Monitorings, um damit Schwachstellen zu ermöglicht eine Vernetzung unterschiedli- erkennen und die Effizienz des Gesamtsys- cher Erzeuger einen Austausch zwischen tems zu erhöhen. diesen und dadurch eine Erhöhung der Ausnutzung der Systeme. Daher sieht das Weiterentwicklung und räumliche Klimaschutzkonzept Erneuerbares Wil- Ausweitung des Energieverbundes helmsburg bis 2050 die Wärmeversorgung in der Wilhelmsburger Mitte aller verdichteten Gebiete durch Nahwär- menetze unterschiedlicher Ausprägung vor. Der Energiebunker im Reiherstiegviertel als Mit dem Nahwärmenetz um den Energie- Pufferspeicher zur Sammlung von verschie- bunker und mit dem Energieverbund in der denen erneuerbaren Energiequellen wie Wilhelmsburger Mitte wurden erste Projekte Solar thermie, Biogas-Kraft-Wärme-Kopp- oder erste Bauabschnitte realisiert. Auch in lung, industrieller Abwärme und (zukünftig) Zukunft sollte verstärkt das Augenmerk auf Biomasse konnte mit den Wohnungen des intelligente Wärmeverbünde gelegt werden, „Weltquartiers“ sowie einigen öffentlichen in denen hocheffiziente Neubauten zur Einrichtungen seine ersten Anschlussneh- 18
mer finden. Deren Anzahl ist bis zur maxi- Benutzungsgeboten zu sichern. Bei der malen Anschlusszahl von 3000 Einheiten Aufstellung von Bebauungsplänen und weiter auszubauen. bei städtebaulichen Verträgen sowie bei der Konzessionsvergabe ist auf eine hohe Forcierte Abstimmung der Sanie- Klimaneutralität zu achten. rungspläne von Einzelheizungsanla- gen mit einem weiteren Netzausbau Verankerung von Nahwärmenetzen des „Energiebunkers“ im nördlichen bei den verdichteten Entwicklungs- Reiherstiegviertel gebieten in Wilhelmsburg Das Projekt der Tiefengeothermie stellt Für weitere Bestandsquartiere wie die einen entscheidenden Baustein zur Um- Veddel oder Kirchdorf-Süd sollte eine setzung des Klimakonzeptes Erneuerba- Nahwärmelösung im Rahmen von Quar- res Wilhelmsburg dar und könnte einen tierskonzepten der energetischen Stadtsa- bedeutenden Beitrag zur regenerativen nierung (siehe oben) erfolgen. Besondere Wärmeversorgung der Wohnungsbauten Möglichkeiten und Potenziale ergeben sich des südlichen Reiherstiegviertels, aber auch aus städtebaulichen Entwicklungen wie in von ansässigen Gewerbebetrieben leisten. Veddel-Nord als erstem Kristallisierungs- Nach Klärung der finanziellen Rahmenbe- punkt eines neuen Netzes. dingungen sollte das Gemeinschaftsprojekt des städtischen Versorgers und eines orts- Initiierung von Nahwärmenetzen ansässigen Unternehmers realisiert werden, in Bestandsquartieren im Rahmen um so nicht nur die langfristig stabile der energetischen Stadtsanierung Energieversorgung für die angeschlossenen und als Erweiterung von Netzen in Betriebe und Haushalte zu garantieren, angrenzenden Entwicklungsgebieten sondern ein Pilotprojekt für Norddeutsch- land zu realisieren. Sollte eine Realisierung Im Rahmen der Entwicklung oder Auswei- nicht gelingen, sind zur Umsetzung des tung der Nahwärmenetze sollte laufend der Klimaschutzkonzeptes alternative Quellen Einsatz innovativer Maßnahmen wie Power- zur Wärmeversorgung in einem erheblichen to-Heat oder die urbane Gewinnung von Umfang zu erschließen. Biogas aus biogenen Reststoffen geprüft werden. Umsetzung des Projektes Tiefen- geothermie Wilhelmsburg Qualifizierung der Nahwärmekon- zepte durch den Einsatz innovativer Bei neuen Entwicklungsgebieten wie der Maßnahmen Dratelnstraße und der Nord-Süd-Achse entlang der dann ehemaligen Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße sowie in Erneuerbare Stromerzeugung Georgswerder oder am Haulander Weg sind Anschlussgebiete mit einer ausreichen- Die Roadmap 2010 zur dezentralen Strom- den Energiedichte für eine wirtschaftliche erzeugung auf den Hamburger Elbinseln Versorgung durch ein Nahwärmenetz im hat sich heute veränderten politischen und Rahmen von energetischen Gutachten rechtlichen Rahmenbedingungen zu stellen. zu bestimmen und im Bebauungsplan Das Klimaschutzkonzept Erneuerbares über Festsetzungen von Anschluss- und Wilhelmsburg basiert grundsätzlich auf 19
einer zukünftigen Stromversorgung, bei der Überkapazitäten zu nutzen, sondern kann sich zentrale Großanlagen wie Offshore- sowohl den Anteil des regenerativen Gasan- Windkraft und Onshore-Windparks und eine teils im Erdgasnetz erhöhen, als auch durch dezentrale Erzeugung mit Kraft-Wärme- die Nutzung in Anlagen mit Kraft-Wärme- Kopplung, Photovoltaik und einzelnen Wind- Kopplung rückverstromt werden, um damit kraftanlagen ergänzen. Dieser Ansatz findet Deckungslücken zu füllen. sich auch in den Analysen der Insel-Strom- studie wieder, in der die Möglichkeiten der Modellhafte Umsetzung von Kon- Netzintegration und des Lastmanagements zepten wie Power-to Heat und bei zentraler und dezentraler Versorgung Power-to-Gas untersucht werden. In einem nächsten Schritt müssen die unter den aktuellen Bei der Verbrennung in Gaskesseln nur die Bedingungen noch vorhandenen Potenzi- Wärme zu nutzen, ist nicht mehr zeitgemäß. ale für eine dezentrale Stromerzeugung Die Wärmenutzung ist möglichst flächen- konkretisiert und praktisch genutzt werden deckend mit der Gewinnung von Strom (zum Beispiel Erhöhung des Photovoltaik- durch Kraft- Wärme-Kopplung (KWK) in Anteils). Die begonnenen Arbeiten sollten Blockheizkraftwerken oder Brennstoffzellen in den nächsten Jahren unter Federführung zu kombinieren. Bei der weiteren Nutzung des „Kümmerers“-Konzepts fortgeschrie- von Gas in nicht netzversorgten Gebieten ben werden. ist daher bei ausreichend großen Gebäude- einheiten auf den Einsatz von KWK hinzu- Modellhafte Weiterentwicklung des arbeiten. Eine entsprechende Kampagne Konzepts zur Netzintegration und mit Informationen und Planungsrichtwerten zum Lastmanagement dezentraler kann dieses unterstützen. Stromerzeuger auf den Hamburger Elbinseln Information und Unterstützung zu den Möglichkeiten der Kraft-Wärme- Eine Schlüsselfunktion für den energeti- Kopplung (KWK) schen Stadtumbau wird in Zukunft die Frage der Speicherung von Überschussenergien Die Nutzung von Photovoltaik ist die ein- spielen. Die Insel-Stromstudie hat die Dring- fachste und niedrigschwelligste Form der lichkeit dieses Problems am Beispiel Wil- dezentralen Stromproduktion. Sie kann helmsburgs gezeigt. Daher werden neben durch jeden Immobilienbesitzer umgesetzt der überregionalen Vernetzung von dezent- werden, aber auch Anleger ohne eigene raler Stromproduktion in Zukunft innovative Aufstellungsmöglichkeit können sich ge- Technologien zur energetischen Nutzung meinschaftlich organisieren. Entsprechend von temporären Überkapazitäten an Bedeu- ist der Aufbau von Energiegenossenschaf- tung gewinnen. Wilhelmsburg eignet sich ten oder das Engagement von Schulverei- auf Grund der bereits gebauten Infrastruk- nen und ähnlichem weiter zu unterstützen. tur (Energiebunker, Energieberg, Energie- Darüber hinaus kann die Elektromobilität verbund Mitte) in besonderer Weise dafür, von der dezentralen Stromproduktion pro- seine Pionierposition auszubauen. Power-to fitieren und gleichzeitig Speichermöglich- Heat ist eine Option, die die Nutzung im keiten bieten und die Eigenstromnutzung Rahmen des Ausbaus der Nahwärmenetze erhöhen. ermöglicht. Darüber hinaus bietet Powerto- Gas nicht nur die Möglichkeit, elektrische 20
Unterstützung von Betreibermodel- Mit dem Repowering der Windkraftanlage len zur Nutzung von Photovoltaik auf dem Energieberg haben Wilhelmsburg und die IBA einen eigenen Beitrag zum Um die Rentabilität der eigenen Strom- Ausbau der Onshore- Windkraft geleistet. produktion zu erhöhen und gleichzeitig Weitere Potenziale des Repowerings sollten die Netzinfrastruktur zu entlasten, ist genutzt werden. Bei der Suche nach Stand- eine möglichst hohe Eigenstromnutzung orten für neue Anlagen sollte zum Beispiel anzustreben. Die eigene Stromprodukti- auch das Hafengebiet stärker genutzt on ist Bedingung für die Entwicklung von werden, wie es in den letzten Jahren auch Plusenergiehäusern und Plusenergiesied- bereits getan wurde. lungen. Entsprechend sind diese Konzepte weiterzuentwickeln und zu fördern und die Repowering veralteter Windkraftan- Pilotprojekte in den baulichen Mainstream lagen und Umsetzung neuer Stand- zu überführen. orte Modellhafte Umsetzung von Plu- Erweiterte Suche nach Standorten senergiehäusern und Plusener- für Windkraftanlagen giesiedlungen auf den Hamburger Elbinseln Technische und organisatorische Ausweitung der Eigenstromnutzung Abb. 6: In den „Nahwärmeverbund Wilhelmsburg Mitte“ können die angeschlossenen Gebäude überschüssig produzierte Wärme auch einspeisen 21
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