Der Schmetterling - Herzstück: Förderprojekte - Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum ...
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Der Schmetterling Ausgabe 137/138 | August 2021 Herzstück: Förderprojekte Herz lacht: 1.100 Mitglieder
Die Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V. unterstützt seit 45 Jahren die Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE), kurz das Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Der gemeinnützige Verein wurde 1975 von betroffenen Eltern krebskranker Kinder gegründet. Die Spendenmittel werden verwendet, um eine optimale Patientenversorgung zu erreichen, psychosoziale Hilfen für betroffene Familien zu leisten und das Forschungsinstitut Kinderkrebs- Zentrum Hamburg zu fördern. Unter dem Slogan KNACK DEN KREBS sensibilisiert die Fördergemeinschaft die Öffentlichkeit für das Thema Krebs bei Kindern. HERAUSGEBER DAS TITELBILD: Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V. Fotorechte: Knack den Krebs Gebäude N21 – UKE Martinistraße 52 | 20246 Hamburg SPENDENBESCHEINIGUNGEN Telefon 040 25 60 70 | Fax 040 25 60 72 erteilt die Fördergemeinschaft ohne besondere Aufforderung. buero@kinderkrebs-hamburg.de Geben Sie bitte bei der Überweisung Ihre Adresse an, SPENDENKONTEN damit die Spendenbescheinigung Sie erreicht. Haspa IBAN DE03 2005 0550 1241 1333 11 | BIC HASPDEHH DRUCK Giro-Druck + Verlag GmbH, Schenefeld Sparda-Bank Hamburg IBAN DE29 2069 0500 0005 0092 00 | BIC GENODEF1S11 ERSCHEINUNGSDATUM August 2021 REDAKTION AUFLAGE 3.800 Maren Blohm, Natalie von Borcke, Dr. Klaus Bublitz,Tina Winter NÄCHSTER REDAKTIONSSCHLUSS: 15. September 2021 Übrigens... ... wir meinen in unseren Texten stets wertfrei alle Geschlechter, eine verkürzte Sprachform hat redaktionelle Gründe. 2 | SCHMETTERLING 137/138
E DI TORIA L Sehnsucht nach Normalität Die langen Monate der Pandemie haben für uns alle neue Erfahrungen und Herausforderungen mit sich gebracht. Plötzlich gab es nur noch ein Thema. Alles drehte sich um Krankheit, Therapie, Langzeitfolgen und Todeszahlen. Der Gedanke, schwer zu erkranken, und die Sorge um Familie machte Angst. Wir ge- wöhnten uns an Masken und Abstand, soziale Kontakte mussten auf ein Minimum reduziert werden. Der Besuch von Schule und Kindergarten war für Monate nicht möglich. Hinzu kamen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und für viele die Sorge um die berufliche Zukunft. Die Auswirkungen dieser besonderen Zeit sind individuell sehr unterschiedlich. Aber für alle bringen sie Verunsicherung. Und die Sehnsucht nach dem „alten“ Leben, der Rückkehr zur Normalität. Diese Erfahrungen machen – in elementarer Weise – je- des Jahr ca. 2.000 Familien in Deutschland, deren Kinder an Krebs erkranken. Der Tag der Diagnose ändert alles. Sorgen und Ängste begleiten die Patienten und ihre Familien über die vielen Monate der Therapie. Auch hier nur noch ein Thema. Das Leben muss neu organisiert werden, um Infektionen zu vermeiden, müssen Kontakte zu Familie und Freunden stark eingeschränkt und strenge Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Keine Schule, kein Kindergarten. Und auch hier nicht selten finanzielle Sorgen in den Familien und organisatorische Herausforderungen bei der Betreuung von Geschwisterkindern. Das kollektive Durchleben einer Pandemie lässt sich in keiner Weise mit der individuellen Erfahrung einer schweren Erkrankung vergleichen. Aber ich bin mir sicher, dass die Erfah- rungen der vergangenen Monate vorstellbar und spürbar machen, was die Erkrankung eines Kindes für die Patienten und ihre Familien emotional und für die konkrete Lebenswirklichkeit be- deutet. Eine tiefe Verunsicherung und den einen großen Wunsch nach Normalität und dem Leben, wie es war. Die betroffenen Familien führen diesen Kampf um die Rückkehr der Normalität jeden Tag. Die Fördergemeinschaft bemüht sich seit vielen Jahren, sie dabei auf verschiedenen Ebenen zu unterstützen. Diese Ausgabe des „Schmetterling“ möchten wir dazu nutzen, Ihnen unsere Projekte und Förderthemen näher vorzustellen. Möglich ist dies alles nur durch Ihre Unterstützung. Bitte bleiben Sie auch weiterhin an unserer Seite. Ihre _Janet Stegner-Brummer Schatzmeisterin SCHMETTERLING 137/138 | 3
FÖ RD ERPRO JEK TE Das Herz unserer Arbeit – unsere Förderprojekte Die Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum optimale Patientenversorgung zu ermöglichen, psycho- Hamburg e.V. unterstützt seit 45 Jahren die Klinik soziale Hilfen für betroffene Familien zu leisten und für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Uni- die Forschung im Bereich der Kinderkrebserkrankungen versitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), kurz das zu fördern. In enger Abstimmung mit Klinikleitung und Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Der gemeinnützige Ver- Station entscheiden wir im Vorstand über die Förderung ein wurde 1975 von betroffenen Eltern krebskranker von Projekten“ so Stegner-Brummer und führt weiter Kinder in einer Zeit gegründet, als der erfolgreiche aus: „Dank unserer Förderer und Unterstützer helfen wir Einsatz von Chemotherapien bei Krebserkrankungen des so den Patienten des Kinderkrebs-Zentrums Hamburg Kindes zu einem erhöhten Versorgungsbedarf führte. dabei, stark zu bleiben im Kampf gegen den Krebs. Wir „Auch 45 Jahre später ist der Förderbedarf hoch, und stehen den Familien in dieser schwierigen Lebensphase wir werden unverändert gebraucht. Ohne Spendengelder bei und leisten mit unserem Forschungsinstitut einen würden ganz viele wichtige Projekte und Angebote am Beitrag, um langfristig die Heilungschancen weiter Kinderkrebs-Zentrum Hamburg gar nicht stattfinden“ zu verbessern“. Neben vielen kontinuierlichen Förder- erläutert Janet Stegner-Brummer, seit 10 Jahren als projekten schiebt die Fördergemeinschaft auch immer Schatzmeisterin im ehrenamtlichen Vorstand der För- wieder wichtige Projekte an. „Der Verein unterstützt dergemeinschaft und für die Finanzen verantwortlich. unsere Klinik durch zahlreiche Maßnahmen, die den Sie traf sich zum Gespräch mit Priv.-Doz. Dr. Beate jungen Patienten und ihren Familien die lange und Winkler, Oberärztin der Station K1b, um für diesen belastende Therapie erheblich erleichtern. Dazu gehö- Schmetterling über Bedarf und Wirkung der Projekte ren u.a. eine großzügige finanzielle Förderung unseres der Fördergemeinschaft zu sprechen. psychosozialen Teams, inklusive einer Kunst- und eines „Das Herz unserer Arbeit sind unsere Förderpro- Musiktherapeuten sowie eines Medienpädagogen und jekte. Wir verwenden die uns anvertrauten Mittel aus die Förderung des digitalen Schulprojektes Karlsson. Des Spenden, Erbschaften und Mitgliedsbeiträgen, um eine Weiteren engagiert sich die Fördergemeinschaft in der 4 | SCHMETTERLING 137/138
F ÖR DE R P R OJ E KTE direkten Interaktion mit den Familien von krebskranken Kindern durch die Organisation von Geschwistertagen und Elternabenden auf der Station. Ebenso wird durch die finanzielle Unterstützung der Fördergemeinschaft ärztliches und pflegerisches Personal zusätzlich zum „Grundbedarf“ für die direkte klinische Versorgung finanziert, hierdurch kann im Bereich der Nachsorge und der palliativen Versorgung eine deutlich intensivere Patienten- und Familien- (und nicht nur Krankheits-) zentrierte Versorgung angeboten werden“, erläutert Dr. Winkler. Die Fördergemeinschaft hat früh den Bedarf an gezielter Forschung erkannt: die Gründung des For- schungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg im Jahr 2006 verbunden mit der Finanzierung von zwei Stiftungsprofessuren und zahlreichen projektbezogenen Heilung fördert, jenseits von Klinik und Pflege. Psy- Anschubfinanzierungen unterstreicht die Forschungsori- chosoziale Hilfen sind daher unerlässlich. Die psycho- entierung des Vereins. „Gerade die Kinderkrebsforschung sozialen Dienste in der Kinderonkologie in Deutschland ist in besonderem Maße auf die Unterstützung durch sehe ich als beispielslos im Vergleich zu vielen anderen Spender angewiesen. Aufgrund geringerer Patienten- Fachgebieten in der Medizin. Nach wie vor werden zahlen stehen die Forschungsgelder im Bereich der diese in Teilen durch Fördervereine über Spendengelder kindlichen Krebserkrankungen deutlich hinter denen finanziert. Das gilt auch für das Kinderkrebs-Zentrum im Erwachsenenalter zurück. Wenn wir aber den „Krebs Hamburg“, erläutert Dr. Winkler. Für die betroffenen knacken“ und die Heilungsraten bei Kindern weiter Kinder und Eltern ist die Diagnose Krebs immer ein steigern möchten, dann geht dies nur über spezifische unfassbarer Schicksalsschlag. Angst und Hilflosigkeit Forschung. Dieser Förderbereich ist daher sehr wichtig müssen überwunden werden, und die Familie muss ler- für uns, über 50% der Spendengelder fließen mittler- nen, mit der neuen Situation umzugehen. Die Therapien weile in die Forschung“, erläutert Stegner-Brummer. stellen mit ihren akuten Nebenwirkungen eine extreme Neben Patientenversorgung und Forschung stellen Belastung dar und können Monate oder sogar Jahre die Psychosozialen Hilfen die dritte wichtige Fördersäule dauern. Oftmals kann ein Elternteil in dieser Zeit seine dar. „Die Kinder und ihre Familien brauchen nicht nur Arbeit nicht weiterführen, so dass es zu finanziellen eine optimale medizinische Versorgung, um gesund zu Engpässen kommt, die die Familie zusätzlich belasten. werden. Genauso wichtig ist auch ein Umfeld, das die „Wir unterstützen hilfsbedürftige Familien, die durch die Erkrankung ihres Kindes in finanzielle Not geraten sind und leisten schnell und unbürokratisch Hilfe. Etwa 50 Anträge werden pro Jahr von der Fördergemeinschaft bewilligt“ so Stegner-Brummer. Die Corona-Pandemie machte dieses und das ver- gangene Jahr 2020 zu einem außergewöhnlichen und belastenden Jahr. Viele Menschen können mit den Er- fahrungen der Pandemie den Alltag an Krebs erkrankter Kinder und ihrer Familien noch besser nachvollziehen, denn soziale Isolation und strenge Hygienevorschriften sind schon immer Teil ihrer Lebenswirklichkeit. „Bitte helfen Sie mit, die Situation der Kinder und ihrer Fami- lien weiter zu unterstützen und bleiben Sie an unserer Seite. Wir haben noch viel vor“, sagt Stegner-Brummer. SCHMETTERLING 137/138 | 5
unSere Te: FördEr prOjek Patientenversorgung Psychosoziale Hilfen Forschung Durch Spenden wird die Patientenversorgung am Kinderkrebs-Zentrum Hamburg verbessert. In enger Abstimmung mit der Klinikleitung entscheidet der Vorstand jeweils über die Förderung von Projekten, z.B. zusätzliche Arztstellen und Pflegepersonal, die Anschaffung von medizinischen Geräten, die Ausstattung für Spiel- und Aufenthaltsräume oder die Förderung von Innovationen. Nachsorge- Medizinische Förderung Palliative Sprechstun- Geräte Studienverbund Versorgung de TIDE 20 Fieberthermometer, die Nord-West Schon seit 2012 wird die Kinder, die an Krebs aufgrund ihrer speziellen Innovative Therapien ambulante, palliative Ver- erkranken, leiden im Ausstattung besonders für für seltene und riskante sorgung unheilbar erkrank- Erwachsenenalter häufig den stationären und am- Krebserkrankungen errei- ter Kinder im Großraum an medizinischen und bulanten Einsatz geeignet chen die Patient*innen Hamburg unterstützt. Eine psychosozialen Spätfol- sind, ein Gehwagen und durch den Aufbau von geförderte Brückenärztin gen. Mit der neuen Nach- ein Therapiesessel wurden Studienverbünden schnel- steht im Kinderkrebs- sorgesprechstunde TIDE finanziert. ler. Die Fördergemein- Zentrum Hamburg mit den unterstützt die Förder- schaft unterstützt einen betroffenen Kindern und gemeinschaft ein neues, Antrag der Klinik Angehörigen in engem intensiviertes Nachsor- zum Aufbau eines Studi- Kontakt und begleitet den geprojekt und fördert ein Optimale enverbundes Nord-West. Übergang in die ambu- Projekt zur Evaluation Behandlung lante Versorgung. Zudem dieser Sprechstunde. Für eine optimale Behand- übernahm die Förderge- lung und mehr Zeit für C19.CHILD-Studie meinschaft die Kosten für ISPNO 2022 das einzelne Kind werden Die Fördergemeinschaft eine pflegerische Palliativ- Die Klinik hat gemeinsam in enger Abstimmung mit unterstützt dieses fortbildung. mit dem DKFZ Heidelberg der Klinikleitung zusätzli- wichtige UKE-Forschungs- den Zuschlag für die che Arzt- und Pflegestel- vorhaben mit Spenden- Ausrichtung der Tagung len gefördert. geldern und Technicians- ISPNO 2022 (Interna- Support: im Rahmen der tional Symposium of C19.CHILD-Studie unter- Flurwand- Pediatric Neurooncology, sucht das UKE bei rund gestaltung der weltweit bedeutenste Jugendzimmer 6.000 Kindern und Die Gestaltung der kargen Fachkonkress zum Thema Das Jugendzimmer der Jugendlichen Häufigkeit Klinikwände im Kinder- Pädiatrische Neuroonko- Station soll 2021 ge- und Schwere einer In- krebs-Zentrum Hamburg logie) erhalten. Die För- staltet werden, um noch fektion mit dem neuar- soll nun 2021 erfolgen, dergemeinschaft gewährt besser die Bedürfnisse der tigen Corona-Virus. Auch um gut vier Jahre nach Er- eine Ausfallbürgschaft in Jugendlichen zu spiegeln Daten von pädiatrischen öffnung des Kinder-UKEs Höhe von 20.000 Euro für und eine angenehme At- Risikogruppen werden diese gestalterische Lücke die Veranstaltung. mosphäre zu schaffen. verglichen. zu schließen. 6 | SCHMETTERLING 137/138
F ÖR DE R P R OJ E K T E PAT I E N T E N V E R S OR GU NG Diagnose, Therapie und eine veränderte Le- die Familien dabei zu einem Zuhause auf Zeit. benssituation bringen krebskranke Kinder und Weitere Ärzte und Pflegepersonal schaffen ihre Familien an ihre Belastungsgrenze. Die dabei mehr Zeit für das einzelne Kind. Sorgsam Fördergemeinschaft möchte entsprechend ihrer entscheidet die Fördergemeinschaft daher über Satzung die Voraussetzungen für eine optima- die Förderung zusätzlicher Stellen und sorgt le Behandlung der Kinder und Jugendlichen für die Anschaffung notwendiger medizinischer schaffen. Die Therapie kann Wochen oder Geräte oder Ausstattungen für Spiel- und Sozi- Monate dauern und macht eine Vielzahl von alräume. Klinikaufenthalten nötig – die Station wird für SCHMETTERLING 137/138 | 7
ERFA H RUNG SBER ICHT Auf Station Am Tag der Diagnose war unser Sohn 4 ½ Jahre Herausfinden eines passenden Ansprechpartners ging, alt. Völlig kraftlos und müde wurde er ins UKE einge- Frau Reddig konnte helfen! liefert. Insbesondere die intensive Betreuung in den ersten Stunden und Tagen war für uns als Familie und Wir hatten das Glück, dass auch die erweiterte für unseren Sohn sehr wichtig. Wir als Eltern hatten Familie und Freunde häufig zu Besuch waren, so dass unendlich viele Fragen und die Angst um unseren Sohn wir in der Zeit längere Arztgespräche führen oder uns war enorm groß. Dank des außergewöhnlich guten eine Auszeit nehmen konnten. Aber gerade für Fami- Personalschlüssels auf der Station, konnte sich, wann lien, wo nur ein Elternteil permanent im Krankenhaus immer Bedarf war, eine der Krankenschwestern oder sein kann, springen z. B. Pflegekräfte zu jeder Zeit ein Ärzte um uns kümmern. Wir hatten von Tag eins an das und übernehmen die Betreuung des Patienten, um die Gefühl, sehr gut aufgehoben zu sein. Kaum war die Dia- Mutter oder den Vater zu entlasten. Schließlich gibt gnose erfolgt, haben wir als Eltern uns folgende Fragen es auch Angebote für Eltern, die sie nur wahrnehmen gestellt: „Wer kümmert sich künftig federführend um können, wenn ihr Kind parallel betreut ist. Dabei haben das kranke Kind? Wie stellen wir die Versorgung des zu unserer Zeit viele Eltern von dem Shiatsu-Angebot Geschwisterkindes sicher? Welche beruflichen Verän- geschwärmt. Die Auszeit nur für sich allein, gab ihnen derungen sind notwendig? Ergänzend zum Ärzte- und Kraft. Schwestern-Team trat fast zeitgleich der psychosoziale Dienst an unsere Seite und bot wertvolle Hilfestellung. Krankheiten, die einen vermutlich das ganze Le- Für uns war Frau Reddig aus dem Team des psychoso- ben begleiten werden, und zumindest anfänglich mit zialen Dienstes verantwortlich und hat uns immens langen Krankenhausaufenthalten verbunden sind, müs- viel Arbeit abgenommen. Ganz gleich ob es um diverse sen m. E. ganzheitlich behandelt werden. Dazu gehört Bescheinigungen, das Ausfüllen von Anträgen oder das nicht nur die professionelle medizinische Versorgung, 8 | SCHMETTERLING 137/138
E R FAH R U N GS BE R IC H T sondern auch die psychologische und physiologische und täglich wechselnden Entertainment. Wenn einem Betreuung auf Eltern- und Patientenseite. Das Ein- nach Ablenkung war, traf man hier häufig auf andere fühlungsvermögen vieler Menschen muss in solchen Kinder und deren Eltern. Situationen extrem ausgeprägt sein, und rückblickend ist es mir ein Rätsel, wie geduldig und verständnisvoll Das Angebot von Elternabenden bei netter und das gesamte Team Tag für Tag zu uns allen war. Unser Krankenhaus untypischer Atmosphäre ist z. B. für viele Sohn hatte so große Angst vor Ärzten, sodass selbst Eltern eine Möglichkeit des Austauschs, die zu unserer das Fiebermessen am Morgen schon eine Herausforde- Zeit viel und gern angenommen wurde. Vielen tat es gut rung für die jeweilige Schwester war. Mit viel Geduld, zu hören, dass sie nicht allein mit ihren Sorgen sind und positivem Zuspruch und später auch der Möglichkeit, in der Gruppe „Gleichgesinnter“ reagierten viele mit eigenständig die Temperatur zu messen, konnte er die Verständnis auf die vorliegenden Ängste und Sorgen. Angst allmählich abbauen. Dank des umfangreichen Angebots der Fördergemeinschaft kommt der ganzheit- Auch wenn die Diagnose bestehen bleibt, Ängste liche Ansatz auch wirklich zum Tragen. Manch ein Kind und Sorgen vermutlich nie ganz schwinden werden, kön- findet Ausgleich beim Malen mit der Kunsttherapeutin, nen wir rückblickend sagen, dass wir unendlich dankbar andere musizieren lieber, und für unseren Sohn war über die Förderprojekte der Fördergemeinschaft Knack der Sporttherapeut Simon das Highlight. Zum Glück den Krebs sind und sie uns die schwere Zeit immens kam Simon 2x pro Woche und hatte für jeden gesund- erleichtert haben. _eine betroffene Familie heitlichen Zustand das passende Angebot! Zu Zeiten, wo unser Sohn wirklich sehr kraftlos und teilweise für seine Verhältnisse recht antriebslos war, konnte Simon mit tollen Spielen im oder um das Bett herum für gute Laune sorgen und zu Zeiten, wo es ihm besser ging, konnten tolle Wettbewerbe auf dem Gang veranstaltet werden. Beim Tischtennis gesellten sich schnell andere Patienten hinzu, so dass es hin und wieder zu einem Doppel kam. Beim Fußballspielen auf dem Flur musste gelegentlich die schöne Dekoration dran glauben, ein- mal aber auch die Portnadel. Die Freude war einfach zu groß und der kleine Patient nicht zu bremsen, so dass der Port neu angestochen werden musste. Aber was nimmt man nicht alles in Kauf für glückliche Momente! Dieses außergewöhnliche und umfangreiche An- gebot ermöglicht, auf Faktoren, wie Alter, Charakter des Patienten, Zeitpunkt der Therapie, genaue Diag- nose und den täglich oder gar stündlich wechselnden Gesundheitszustand eines jeden Einzelnen einzugehen. Die wöchentlichen Angebote geben den Patienten eine Struktur, die insbesondere bei längeren Krankenhaus- aufenthalten wichtig ist. Auch das Angebot an multi- medialen Geräten ist außergewöhnlich und spricht eine ganze Menge Patienten an. So leihen sich kleine Kinder gern eine Toni-Box aus, ältere Patienten erweitern ihre Fähigkeit im Umgang mit dem iPad. Und dann gibt es ja noch das Spielzimmer mit einem vielfältigen Angebot SCHMETTERLING 137/138 | 9
unSere Te: FördEr prOjek Patientenversorgung Psychosoziale Hilfen Forschung Nicht nur die medizinische Behandlung ist wichtig, auch psychosoziale Hilfen sind unerlässlich und ermöglichen ein Umfeld, das die Heilung fördert, die Kin- der und ihre Eltern unterstützt und Bewältigungsstrategien für die Erkrankung schafft. Daher finanziert die Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V. seit vielen Jahren diverse Stellen im Psychosozialen Team des Kinderkrebs- Zentrums Hamburg. Ohne die zusätzliche Förderung durch Spendenmittel wären diese Angebote nur in kleinem Umfang vorhanden. Die Fördergemeinschaft un- terstützt zudem hilfsbedürftige Familien, die durch die Erkrankung ihres Kindes in finanzielle Not geraten sind. Die Krebserkrankung eines Kindes ist keine kurz- fristige Angelegenheit, so dass es zu finanziellen Engpässen kommen kann, die die Familien zusätzlich belasten. Sozialzuschüsse Musiktherapeut Kunsttherapeutin Sporttherapeut 44 Familien wurden 2020 Musizieren im Rahmen Beim Malen im kunst- Die Sport- und Bewe- mit Sozialzuschüssen der Musiktherapie therapeutischen Kontext gungstherapie ermöglicht in Höhe von insgesamt schafft angesichts entsteht eine intensive die individuelle Förderung 35.000 Euro unterstützt. beängstigender Beschäftigung mit dem der motorischen Fähig- Der Sozialfonds der Situationen Vertrauen und Bildthema, die es ermög- keiten und Fertigkeiten Deutschen Leukämie- spendet Trost. Wie auch licht, in Gedanken für der Patienten auf Station. Forschungshilfe wurde mit die weiteren Angebote eine Weile von der Krank- Zudem wurde eine Spiel- 50.000 Euro unterstützt, unterstützt sie die Kinder- heitssituation Abstand zu konsole finanziert. denn auch er vergibt Sozi- und Jugendlichen mit nehmen. alzuschüsse an Patienten Bewältigungsstrategien iPads für den aus Hamburg. für die Behandlungszeit. digitalen Unter- richt Fünf iPads für den Medienpädagoge Schulprojekt Unterricht im Kranken- Das Multimediaprojekt KARLSSON haus wurden kurzfristig auf der Station bietet Das Schulprojekt „KARLS- angeschafft, als im März die Möglichkeit, unter SON“ ermöglicht die Erzieher pandemiebedingt die fachkundiger Betreuung virtuelle Teilnahme am Aufgrund der gestiegenen Schulen geschlossen wur- durch den Medienpädago- Schulunterricht. Es wurde Patientenzahl in der neuen den. Anschließend werden gen diverse multimediale die Langzeitmiete von Kinderklinik wird seit 2019 die iPads im Rahmen des Geräte zu nutzen. In einer 8 Avataren genehmigt, auch zur Entlastung des Multimediaprojektes wei- Medienwerkstatt werden durch die die Kommunika- Pflegepersonals ein zwei- terverwendet. Auch für Fähigkeiten erweitert, tion zwischen Patient und ter Erzieher auf der Station die Kunst- und Musikthe- und es wird kreativ gear- Klassenzimmer möglich für die Betreuung der jun- rapie wurde jeweils ein beitet. ist. gen Patienten gefördert. iPad angeschafft. 10 | SCHMETTERLING 137/138
F ÖR DE R P R OJ E K T E P SY C HOS OZ I AL E H I LF E N Gutscheine und Entspannung Obstkörbe auf Station Das Pandemiejahr 2020 Ein wöchentliches war ein ungemein belas- Entspannungsangebot tendes Jahr, auch für die Shiatsu für Patienten und Mitarbeiter des Kinder- begleitende Angehörige krebs-Zentrums Hamburg. stärkt deren Ressourcen Als kleinen Dank über- in der anstrengenden Zeit reichte die Fördergemein- auf Station. schaft vor Weihnachten Einkaufsgutscheine für die Mitarbeiter des Kinderkrebs-Zentrums Auszeiten Hamburg. Als zusätzliche Die Skifreizeit „Pisten- Unterstützung gibt es flitzer“ ins Kleinwalsertal für die Mitarbeiter seit und die Segelreise ins Mai regelmäßig Obst- und Holländische Meer für Gemüsekörbe auf Station. Patienten in der Nachsor- ge sind eine großartige und wichtige Erfahrung Psychologe zur Persönlichkeitsstär- für Hirntumor- kung mit viel Zeit für patienten den Austausch über die Ziel der psychologischen Therapiezeit. Begleitung ist es, Fami- lien mit einem an Hirn- tumor erkrankten Kind durch die medizinische Sozialberatung Behandlung zu führen, In der Sozialberatung Behandlungsbelastungen erhalten die Eltern durch für Patient und Familie eine Sozialpädagogin so- zu verringern, Ressour- zialrechtliche Informati- cen der Betroffenen zu onen. Zusammen mit den fördern und ihnen bei Eltern werden realitätsge- ihrer Rückkehr in eine rechte Hilfen erarbeitet. „veränderte“ Normalität zu helfen. Geschwistertage Durch die psychosozialen Therapieangebote Elternapartment und Elternabende werden neben der medizinischen Versorgung die Damit Angehörige im Zwei Geschwistertage pro psychischen Ressourcen der Patienten gestärkt. Notfall in unmittelbarer Jahr werden in der Klinik Je nach Krankheitssituation dienen sie der Ent- Nähe zur Klinik wohnen durchgeführt und - dank spannung, der Ablenkung, dem Stressabbau, der können, übernimmt die ehrenamtlicher Unterstüt- Fördergemeinschaft jähr- zung – finden monatliche Stimmungsaufhellung, der Mobilisierung und lich die Patenschaft für Elternabende „bei Käse der Unterstützung von Motivation und Selbst- ein Elternapartment. und Wein“ auf Station wertgefühl. Besonders wichtig für die Patienten statt. ist hierbei die von der Fördergemeinschaft ge- Kryokonservie- förderte Musik- und Kunsttherapie auf Stati- rung on. Musik schafft angesichts der beängstigen- Drei Patient*Innen wurde Infomaterial den Situation Vertrauen und spendet Hoffnung die Kryokonservierung Zahlreiche Bücher und und Trost. Beim Malen im kunsttherapeutischen ihrer Samen- bzw. Eizellen Broschüren über Krebser- Kontext entsteht eine intensive Beschäftigung vor der Chemotherapie krankungen bei Kindern finanziert, um später wurden für die jungen mit dem Bildthema, die es ermöglicht, in Ge- einen Kinderwunsch zu Patienten und ihre danken für eine Weile von der Krankheitssitua- ermöglichen. Familien beschafft. tion Abstand zu nehmen. SCHMETTERLING 137/138 | 11
ERFA H RUNG SBER ICHT Dankbrief Wir möchten anderen Familien Mut machen, auch einen Sozialzu- schuss zu beantragen - so wie es diese Familie tat. „Glück” gehabt Hallo, mein Name ist Neele Sophie Kuhrmann und ich schrieb das Gedicht auf der Rückseite der letz- ten Ausgabe des „Schmetterlings“. Es entstand als spontane Idee, um meinem unendlichen Dank für die Behandlung und Zeit im Kinderkrebszentrum Hamburg auszudrücken. Hier möchte ich nun berichten, wie die För- dergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V. mir - während meiner 2-jährigen Therapie - mit ihren Das sorgte gerade in Zeiten, in denen es mir auf- Projekten persönlich geholfen hat, was mir sehr gut grund der Nebenwirkungen der Chemotherapie sehr gefiel und wovon ich am meisten profitiert habe, da sie schlecht ging, für ein ungutes Gefühl. Gerade wenn es meinen Alltag etwas schöner gestaltet haben. den Jüngeren gerade gut ging, während ich die meiste Da wäre erst einmal eine Sache, die wohl zunächst Zeit einfach nur herumlag oder schlief. Ich hatte Sor- unscheinbar oder als Selbstverständlichkeit wahrge- gen wie es den „Kleinen“ wohl bekommen würde, mich nommen wird: die Trennwände zwischen den Betten. so zu sehen. Daher war es meist sehr beruhigend für Aber tatsächlich ist es so, dass diese Wände zu meiner mich, eine dieser Trennwände „ergattern“ zu können. Zeit auf Station noch ein ziemlicher Luxus waren und Des Weiteren hat mir Frau Wallner sehr viel be- erst nach und nach angeschafft wurden. deutet. Sie war für mich weitaus mehr als „nur“ eine Ich empfand sie als sehr angenehm, denn da mei- Kunsttherapeutin. Die Verse „Am Anfang war ich mal ne Altersklasse in der Häufigkeit der Krebserkrankungen mit im Atelier, wo es mir sehr gut gefiel. Mir ging es deutlich in der Unterzahl gegenüber den Kleinkindern schlechter, Sie waren so nett, und brachten mir einfach ist, lag ich als Teenager häufig mit Kleinstkindern in alles ans Bett“ aus meinem oben erwähnten Gedicht einem Zimmer. treffen es eigentlich genau. 12 | SCHMETTERLING 137/138
E R FAH R U N GS BE R IC H T los ist und was auf der Station passiert, damit diese einen besseren, eigenen Umgang mit der auch für sie oft sehr belastenden Situation finden können. Als ich nach Abschluss der Intensivtherapie wie- der in die Schule zurückkommen durfte, war das ein Am Anfang ging ich noch persönlich ins Atelier, großer Schritt mit gemischten Gefühlen. So war ich welches eine ausgezeichnete Ausstattung hat. Man einerseits gespannt, wie meine Klassenkamerad*innen kann dort viele tolle kreative Dinge machen und ich nach den vielen Monaten auf mich reagieren würden, malte ein einfaches Bild. andererseits hatte ich Bedenken, da ich trotz über- Später als ich mich nicht mehr gut und stark standener Intensivtherapie noch immer empfindlich genug fühlte, um dahin zu gehen, konnte ich die war und es für meine Mitschüler*innen einiges zu be- Kunsttherapie, welche für mich eine sehr willkommene achten gab. So durfte mein damals noch vorhandener Abwechslung auf Station darstellte, auch in meinem Port keine Stöße abbekommen, ich nicht hinfallen und Zimmer weiternutzen. Frau Wallner „bastelte“ mir mein wegen des durch die Erhaltungstherapie geschwächten eigenes „Mini-Atelier“ direkt an mein Bett, wo ich Immunsystems keine Infekte bekommen. dann malen konnte! Zu diesem Zeitpunkt gab es gerade Um die Wiedereingliederung bestmöglich zu ge- eine Spende mit Materialien: Aquarell zum Ausmalen. stalten, wurde es uns ermöglicht, an meinem „ersten Der Vers „Das Bild hängt noch in meinem Zimmer, und Schultag“ gemeinsam mit Gunnar Neuhaus, der Klasse dort bleibt es wohl für immer“ stimmt, es hat einen meine Erlebnisse und die aktuelle Situation zu vermit- Ehrenplatz neben meinem Schreibtisch und ich plane teln. Es konnten Fragen gestellt werden, und so wurden nicht, es zu entfernen. alle möglichen Risiken abgeklärt. Wichtig ist mir zu betonen, dass Frau Wallner Wichtig ist aber auch zu sagen, dass das durch nicht nur eine besondere Bedeutung in ihrer Rolle als Spenden generierte Geld nicht „nur“ direkt am Patien- Kunsttherapeutin für mich hat, oft haben wir auch ein- ten verwendet wird. Es finanziert die ebenso wichtige fach nur ausgiebige Gespräche geführt, während meine Forschung: Ein sehr wichtiger Baustein, von dem ver- Eltern, die mir immer zur Seite standen, eine wohlver- mutlich alle Patienten des Zentrums schon profitiert diente Auszeit im Eppendorfer Park haben konnten. haben oder es in Zukunft werden. Ebenso profitierte ich von den Gesprächen mit Ich bin eine derer, die mit ihrer Diagnose „Glück“ Frau Siebeneicher vom Psychosozialen Dienst. In einer gehabt haben. Mir geht es nach erfolgreicher Chemo- solch außergewöhnlichen Situation tut es wirklich sehr therapie des Lymphoms bisher gut, und ich befinde gut, auch mal mit einer Person zu sprechen, die nicht mich nun in der Nachsorge für junge Erwachsene im wie die Familie und Freunde, selbst nicht ganz so genau Hubertus-Wald-Tumorzentrum, direkt in der Nähe des wissen, wie sie damit umgehen sollen. So konnte ich Kinderkrebs-Zentrums. mit der Erkrankung ganz gut umgehen. Der „Schmetterling“ hat mir, meinen Eltern sowie Die Diagnose Krebs ist immer etwas, was die ganze meiner Oma, immer einen guten Überblick über Aktu- Familie betrifft, auch die Geschwisterkinder. Daher elles aus dem Themenfeld gebracht. Wir sind auf die ist es aus meiner Sicht wichtig, den Geschwistern zu Großzügigkeit aller Spender*Innen angewiesen und erklären, was mit der Schwester oder dem Bruder gerade sehr dankbar dafür! _Neele Sophie Kuhrmann SCHMETTERLING 137/138 | 13
ERFA H RUNG SBER ICHT Verarbeitung des Erlebten Nachdem meine Tochter aufgrund ihrer Volljährig- sind dann in das keit – die Betreuung und Nachsorge der Kinder Onkolo- nagelneue Kin- gie verlassen sollte und zu den „Jungen Erwachsenen“ der-Krankenhaus in das Hubertus Wald Tumorzentrum - Universitäre umgezogen. Hier Cancer Center Hamburg (UCCH) wechseln musste, hat im großzügig gestalteten Neubau, waren die Betten sie zum Abschied ein langes Gedicht geschrieben. oft komplett belegt. Zwar konnte noch darauf geach- Dieses wurde auf der Rückseite der letzten Ausgabe tet werden, dass Mädchen und Jungen getrennt in des Schmetterlings veröffentlicht, als Danksagung für den Zimmern waren, aber auf unterschiedliche Alters- alle Menschen dort, die ihr geholfen haben und als gruppen Säugling, Kleinkind, Teenager, konnte keine Motivation für Eltern und Kinder, die zurzeit dort sind Rücksicht genommen werden. Dies kann manchmal und gerade Ähnliches erleben. als anregend empfunden werden, aber oft auch zu Kurz nach der Diagnose überfällt einen das Gefühl Interessenskonflikten führen. Da sich hier auch Eltern der Ohnmacht und Angst, was nun kommen wird. Psy- aller Nationalitäten treffen und somit oft der Vater chisch bewegt sich meist die ganze Familie am Rand des einen und die Mutter des anderen Bewohners in des Ertragbaren und Begreifbaren. Dann wird man mit einem Zimmer als Begleitung waren, war Rücksicht- sehr schwierigen medizinischen Aussagen zur Therapie, nahme immer ein Thema. Operationen, Heilungschancen, medizinischer medika- Sehr dankbar waren wir dann, als die ersten mentöser Versorgung für zu Hause und Vorsichts- und mobilen Trennwände angeschafft wurden und somit Verhaltensmaßnahmen konfrontiert. Dazu kommt ein zumindest ein optischer Raum der Privatsphäre ge- enormer Berg an logistisch zu bewältigenden Fragen, schaffen werden konnte. Bei einer Chemotherapie wie z.B. „Wir geht es mit der Betreuung und Begleitung kommt es oft vor, dass die Patienten sich übergeben des erkrankten Kindes und der Vereinbarung mit dem müssen, ein Toilettenstuhl unvermeidbar ist, von den Job und Betreuung von Geschwisterkindern weiter?“ vielen Blutabnahmen und Infusionen mal ganz abge- Bürokratische Dinge, wie Fahrtkostenabrechnung, sehen. Bei Übelkeit den Zimmerpartner beim Essen Erstattung von Taxifahrten zur Klinik, Schwerbehin- zu sehen und zu riechen, ist nicht leicht zu ertragen. dertenausweis, Versicherungen, Parkplatzmöglichkeit, Reize - wie Geräusche der piepsenden und leuchten- Begutachtung durch den MDK, Schule, Nachteilsaus- den Geräte, vorlesende Eltern, klingelnde Handys, gleich, Wiedereingliederung in die Schule ...müssen weinende Kinder - bleiben. geklärt werden. Manchmal braucht aber auch ein Erwachsener In dieser kritischen Situation war es damals gut eine Auszeit. Ein Spaziergang im gegenüberliegenden zu erfahren, dass es eine Frau Ritter (spätere verh. Park, bei kurzen Einkäufen von Dingen, die das Kind Siebeneicher) und Frau Bleeke gibt, die im Psycho- gerne essen mag oder Zeitschriften oder eine Pause sozialen Team mit tröstenden und vor allem ruhigen auf dem schönen großen Balkon verbringen. Erst auch Worten alles genau erklärt haben. Die sich immer wieder nur auf den harten Krankenhausstühlen und wieder persönlich oder am Telefon die Zeit genom- dann... kamen die ersten Sonnenstühle und –schirme. men haben, komplizierte Formulare auszufüllen und Das war ein kleiner Lichtblick! Und wenn der verspann- Bescheinigungen anzufertigen. Das nahm einen ersten te Körper und die Seele nach Hilfe schrien, durfte man Teil der Last. sich auch mal bei einer Shihatsu Massage verwöhnen Dass man als Elternteil immer an der Seite des lassen. Das war großartig! Kindes sein durfte, war beruhigend zu wissen. So Ich wünschte, es gäbe bald ein kleines Plätzchen gibt es die Möglichkeit, für Tage oder auch Wochen für einen Hometrainer, damit man seinen eigenen direkt neben dem Patienten im Zimmer zu schlafen, Körper pflegen und trainieren kann, denn Sport baut zu essen und auch bei der Versorgung und Pflege mit ja bekannter Weise auch Stress ab! eingebunden zu sein. Eine „win - win Situation“ für Ein großes Dankeschön an die Fördergemein- Eltern, Patienten und Ärzte und Pfleger, finde ich. schaft, die auch diese so wichtigen Dinge, wie die Wir haben noch ein paar Tage die beengende Forschung gegen Kinderkrebs finanziert! und altmodische Situation im alten UKE erlebt und _Wiebke Kuhrmann-Mohr 14 | SCHMETTERLING 137/138
E R FAH R U N GS BE R IC H T Alessias Blick auf die Welt Alessia erkrankte mit 17 Jahren an Krebs. Ihre Akuttherapie ist mittlerweile beendet. Die Zeit auf der Station hielt sie mit der Kame- ra fest. Das Fotografieren half ihr über die schwere Zeit hinweg und hilft ihr noch heute, diese Phase ihres Lebens zu verarbeiten. Wir danken Alessia, dass sie einige dieser Fotos mit uns teilt, die ihren ganz persönlichen Blick auf den Stationsalltag zeigen. Mutperlen bekommen die Patienten nach jedem Eingriff oder Untersuchungen – ob für Augentropfen, Port anpieksen, Verband wech- seln oder Bluttransfusionen. Die „Zielscheibe“ auf dem Bild ist die „Chemoperle“, daneben die Perlen für die Augentropfen. Allessias Mut- perlenkette ist mittlerweile 9 Meter lang. Einen Tag nach ihrem 18. Geburtstag wurde Alessia aus der Intensivtherapie entlassen. Sie befindet sich aktuell in der Langzeittherapie. Filmabend mit Mama in der Elternlounge – ein Stück Normalität in Zeiten des Ausnahmezu- standes. Die Lichterkette vor dem Fenster schaffte etwas Heimeligkeit in das Krankenzimmer und spendete nachts Licht, wenn bei Alessia Untersuchungen durchgeführt wurden oder sie nachts wieder mal wach lag. SCHMETTERLING 137/138 | 15
KIND ERSEITEN Sommerliches Sporträtsel Mit Hilfe der Silben sind die neun Sportfragen schnell gelöst. Schreibe sie von oben nach unten in die Kreise. Daraus ergibt sich in den eckigen Feldern das Lösungswort: Ein Sportgerät auf dem man leicht die Balance verlieren kann. ATH - AUS - BALL - CHEN - FEN - FUSS - GEN - GELN - JOG - KA - LE - NU - NIS - REI - SE - SUR - TAU - TEN - TEN - TEN - TIN - TISCH 1 Auf hohen Wellen gleiten 2 In diesem Spiel muss das Runde ins Eckige 3 Profisportlerin 4 Luft anhalten und hinunter geht's 5 Sportler mit starken Armen im kleinen Boot 6 Bei günstigen Winden kommt man schnell voran 7 Spiel auf großer Platte mit kleinem Ball 8 Laufen, am liebsten durch den Park 9 Auf dem Rücken eines Tieres in der Natur unterwegs sein :les tärt ropS gnusöfluA ;sinnethcsiT 7 ;nlegeS 6 ;netunaK 5 ;nehcuaT 4 ;nitelhtA 3 ;llabssuF 2 ;nef ruS 1 enilkcalS :t rowsgnusöL ;netiersuA 9 ;neggoJ 8 16 | SCHMETTERLING 137/138
K I N DE R S E ITE N Für Regentage ... und für alle, die gerade nicht so gut nach draußen können, gibt es hier einige Anregungen für Bewegung zu Hause. Alle Übungen sind leicht auszuführen. Es werden kaum Hilfsmittel benötigt. Weitere Anregungen und mehr Informationen dazu gibt es in der Broschüre "Auf geht's", herausgegeben vom Netzwerk ActiveOncoKids oder direkt beim Sporttherapeuten Simon Elmers. SCHMETTERLING 137/138 | 17
unSere Te: FördEr prOjek Patientenversorgung Psychosoziale Hilfen Forschung Forschung ist die stärkste Waffe um „den Krebs zu knacken“. Kindliche Tumoren unterscheiden sich von denen Erwachsener und benötigen zudem Behandlungs- konzepte, die speziell auf die jungen Patienten zugeschnitten sind. Aufgrund der geringen Fallzahlen sind die Mittel und die öffentliche Aufmerksamkeit für die Erforschung dieser Erkrankungen begrenzt. Die Kinderkrebsforschung ist also in besonderem Maße auf die Unterstützung durch Spender angewiesen. Da- her finanziert die Fördergemeinschaft Forschungsvorhaben sowie Therapiestudi- en und gründete 2006 das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Forschungsinstitut Clinician Scientist Juli-Harnack-Stipendium Übernahme der Personalkosten für Förderung eines Ausbildungspro- Drei einjährige Promotionsstipendi- zwei Stiftungsprofessuren, neun gramms am Forschungsinstitut en für Medizinstudenten in Koope- weitere Wissenschaftler und vier zusammen mit der Klinik für Päd- ration mit der PHO wurden 2020 technische Assistenten. Dem Ins- iatrische Hämato- und Onkologie vergeben. titut wurde ein Haushaltszuschuss (PHO) für junge Ärzte zum Clinician von 50.000 Euro zur Verfügung Scientist. gestellt. 18 | SCHMETTERLING 137/138
F ÖR DE R P R OJ E K T E F OR S C H U NG Spenden schieben an Forschung ist die stärkste Waffe im Kampf gegen für unsere jungen Patienten. Unsere Hoffnung: Wenn Krebs bei Kindern. 2006 gründete die Fördergemein- wir in Krebszellen und ihre Umgebung hineinzoomen schaft daher das Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zen- und ihren molekularen Bauplan verstehen, können wir trum Hamburg. Spenden, Patenschaften und privates neue Angriffspunkte für gezielte Therapien entdecken, Engagement ermöglichten innerhalb kürzester Zeit den die das Risiko für Nebenwirkungen und Spätschäden erfolgreichen Aufbau dieser Einrichtung. Wir haben verringern. Eng vernetzt mit dem Universitätsklinikum nachgefragt bei Prof. Martin Horstmann, Wissenschaft- Hamburg-Eppendorf forschen wir in drei Arbeitsgruppen licher Leiter des Instituts, warum eine gezielte Erfor- intensiv an Krebserkrankungen im Kindesalter. Unsere schung von Krebs im Kindesalter in besonderem Maße Forscher konzentrieren sich auf die häufigsten Krebser- von Spenden abhängig ist. krankungen im Kindesalter, Leukämien und Hirntumoren, und auf Innovation und Weiterentwicklung bedeuten- Wie wird die Arbeit des Forschungsinstituts der Therapieverfahren, wie z.B. präzisionsmedizinische finanziert? Ansätze, Antikörper- und zellbasierte Immuntherapie einschließlich der Stammzelltransplantation. Am Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Ham- burg erforschen wir die molekularen Grundlagen der Wie viele Kinder in Hamburg und Umgebung Krebsentstehung im Kindesalter, um eine patienten- erkranken an Krebs? Was bedeutet das für die Kinder spezifischere Diagnostik, neue gezielte Therapieansätze und ihr Umfeld? und verringerte Nebenwirkungen zu ermöglichen. Das Institut wird allein aus Spendenmitteln und eingewor- Jährlich erkranken in Deutschland etwa 2000 benen Drittmitteln betrieben. Krebs bei Kindern ist eine Kinder an Krebs - ungefähr 140 davon in Hamburg und seltene Erkrankung mit dramatischen Konsequenzen für Umgebung. Die Diagnose Krebs ist zutiefst einschnei- die betroffenen Patienten und ihre Familien. Die öf- dend und stellt den Lebensalltag auf den Kopf. Die fentliche Aufmerksamkeit und Mittel für die Erforschung Behandlung zieht sich in der Regel über viele Monate dieser Erkrankungen sind begrenzt. Die molekularbiolo- oder manchmal sogar Jahre hin. Die verschiedenen gische Forschung hat aber in den letzten Jahren rasante konventionellen, aber auch onkoimmunologischen Fortschritte gemacht. Uns stehen heute Methoden zur Therapieformen stellen eine außerordentlich starke Verfügung, von denen wir vor zehn Jahren nicht einmal Belastung für die jungen Patienten dar. Akute Nebenwir- zu träumen wagten. Die Chancen, die sich daraus für die kungen treten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf. Besorg- Verbesserung der Krebsbehandlung ergeben, müssen wir niserregend sind auch die zunehmend diagnostizierten, für unsere jungen Patienten nutzen. Zu diesem Zweck teilweise gravierenden Spätfolgen der Strahlen- und haben wir das Forschungsinstitut 2006 gegründet. Ins- Chemotherapie von Krebserkrankungen im Kindesalter. besondere der Anschub von Forschungsprojekten ist von Generell konnten dank erfolgreicher Forschung in den Spenden abhängig, da sich öffentliche Drittmittelgeber letzten Jahrzehnten große Erfolge bei der Bekämpfung meist erst bei Vorlage erfolgversprechender Ergebnisse kindlicher Krebserkrankungen erzielt werden. Heute sind engagieren. die Erkrankungen in vielen Fällen heilbar: Etwa 80 Pro- zent aller Betroffenen überleben. Das ist ein großer Er- Warum bedarf es einer spezifischen Erforschung folg, wenn man bedenkt, dass diese Kinder noch bis vor von Krebs im Kindesalter? wenigen Jahrzehnten kaum Überlebenschancen hatten. Gleichwohl sterben auch heute noch zu viele Kinder an Kindliche Tumoren unterscheiden sich von denen Krebs oder erfahren durch die Erkrankung oder unsere Erwachsener und folgen eigenen Gesetzmäßigkeiten – Behandlungsmethoden schwerwiegende Einbußen ihrer Ursachen, Häufigkeiten und Verlaufsformen unterschei- Lebensqualität. Aus diesem Grund werden wir nicht den sich grundlegend von denjenigen erwachsener Pati- lockerlassen, Forschung, Diagnostik und Therapie stetig enten. Daher ist eine gezielte Erforschung von Krebs im voranzutreiben, um in Zukunft alle Kinder mit jedweder Kindesalter notwendig. Wir suchen nach neuen Wegen Krebserkrankung zu heilen. Wir danken jedem Spender, im Bereich Diagnostik und Therapie – maßgeschneidert der uns auf diesem Weg unterstützt. SCHMETTERLING 137/138 | 19
ERFA H RUNG SBER ICHT Forschung- unsere ganze Hoffnung Wir freuten uns auf unseren bevorstehenden Urlaub in Dänemark und feierten Moritz` 2. Geburts- tag. Alles schien in Ordnung zu sein, Moritz zeigte lediglich ein paar motorische Auffälligkeiten beim wöchentlichen Kinderturnen. Er vermied es zu klet- tern, wollte nicht balancieren, und auch schaukeln mochte er nie. Er liebte es trotzdem, dort hinzuge- hen, sang und spielte gerne im Begrüßungskreis mit, erkundete die Sporthalle, spielte gern mit Bällen und len, malignen sarkomatösen Tumor“, wie es später Seilen und beobachtete mit viel Vergnügen, was die in einem Bericht hieß, in einer neunstündigen OP anderen Kinder so trieben. Unsere Beobachtungen weitestgehend entfernen, und ein großes Team aus wollten wir bei der nächsten U-Untersuchung nach Ärzten und Pflegern rettete Moritz an diesem Tag das der Urlaubszeit mit unserem Kinderarzt besprechen. Leben. Die erste Etappe war geschafft. Wir freuten uns, dass Moritz noch bei uns war, und über jede Doch dann wirkte Moritz innerhalb weniger Tage kleine Besserung seines Zustandes. Niemand konnte immer abgeschlagener und schlief auffällig viel, bis vorhersagen, was Moritz nach dieser OP noch können er schließlich anfing, sich morgens zu übergeben. Wir würde, und ob die Therapien den Tumor wirklich dachten an einen Infekt, aber unserem Kinderarzt fiel besiegen würden. sofort auf, dass Moritz` Kopf ungewöhnlich groß war, und er schickte uns noch am selben Tag ins Altonaer Somit waren wir statt nach Dänemark in das Kinderkrankenhaus. Bei der letzten U-Untersuchung UKE eingefahren. Es war ein langer heißer Sommer, hatte es keine Auffälligkeiten gegeben und durch den wir auf der Station K1b verbrachten - sie wur- Moritz` blonde Wuschelmähne war uns nicht aufge- de unser zweites Zuhause, wie für so viele andere fallen, wie viel größer sein Kopf abweichend vom Familien auch. Der unfassbar große Tumor (700ml), Normumfang für dieses Alter schon war. Wahrschein- der bei Moritz entfernt worden war, wurde gründlich lich waren wir schlichtweg „betriebsblind“. untersucht und letztendlich wurde ein primärer ALK- getriebener hochmaligner sarkomatöser Hirntumor Nach zwei Tagen im Altonaer Kinderkranken- nach WHO IV diagnostiziert. haus dann der Schock: Auf den MRT- Bildern war ein außergewöhnlich großer Hirntumor zu sehen, und Moritz kämpfte sich durch alle folgenden Be- es war, als würde uns der Boden unter den Füßen handlungen und kleineren Eingriffe, und wir bemüh- weggerissen. Es erfolgte die sofortige Verlegung in ten uns, immer nur den nächsten Schritt im Auge das Kinder-UKE, wo sich uns gleich mehrere Ärzte zu behalten. Wenn es ihm besserging, atmeten wir vorstellten. Wir standen natürlich vollkommen neben auf, auch wenn es nur für kurze Zeit war. Es folgten uns und schafften es kaum, den sachlichen Ausfüh- die Chemotherapie und lange Zeiten des Wartens rungen der Ärzte zu folgen. Moritz sollte bereits am und Hoffens. Wir versuchten, unserem kleinen tap- nächsten Morgen operiert werden, es war keine Zeit feren Kämpfer beizustehen und ihm die Zeit so er- zu verlieren, da sich sein Zustand in den letzten Ta- träglich und angenehm wie möglich zu machen. Das gen zunehmend verschlechtert hatte. Eine Schwester wunderbare Team der K1b mit unglaublich lieben fragte uns sogar, ob er überhaupt schon laufen könne, Schwestern und Pflegern, mit Gerds Musiktherapie, da er immer wackeliger auf den Beinen geworden war den Klinikclowns, Fruchtalarm und vielen weiteren und kaum selbständig stehen oder gehen konnte. Angeboten wie der Maltherapie und das tolle Spiel- Kaum vorstellbar, dass Moritz vor zwei Wochen noch zimmer erleichterten uns damals den Aufenthalt. mit uns durch den Wildpark spaziert war und fröhlich Schwer vorstellbar, dass dies alles aufgrund der Co- seinen Geburtstag gefeiert hatte! Die Neurochirurgen ronapandemie zurzeit nicht oder nur eingeschränkt konnten diesen „sehr ausgedehnten, intracraniel- angeboten werden kann! 20 | SCHMETTERLING 137/138
E R FAH R U N GS BE R IC H T schütternde Gewissheit: Moritz hatte ein Rezidiv. Wir denken, es ist für die Eltern das Schwie- Eine Behandlung in Form einer weiteren Chemo- rigste, mit ansehen zu müssen, wie das eigene Kind therapie war nicht möglich, es blieb lediglich noch um sein Überleben kämpft, und als Elternteil fühlt die Bestrahlungstherapie, welche bei der Größe des man sich in dieser hilflosen Situation gefangen. Man ursprünglichen Tumors hätte großflächig durchge- kann nur trösten, ablenken und dem Kind beistehen, führt werden müssen und somit sehr viel Zellgewebe aber abnehmen kann man seinem Kind leider nichts. zerstört hätte. Die Folgen für Moritz waren schwer abzuschätzen und ob eine Therapie in dieser Form Nach einer konventionellen Polychemotherapie, den gewünschten Erfolg gebracht hätte, war eben- einem weiteren kleineren Eingriff und einer Hoch- falls ungewiss. dosischemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation kam es im Anschluss an Doch die Ärzte sahen noch eine weitere Mög- die Hochdosis bei Moritz zu einer VOD (Lebervenen- lichkeit. Bei den diversen Untersuchungen des verschlusserkrankung) und er wurde wieder auf die ursprünglichen Tumors war ein ALK-Gen entdeckt Intensivstation verlegt. Um eine künstliche Beat- worden, das für das enorme Wachstum des Tumors mung kamen wir glücklicherweise herum, und die VOD verantwortlich gemacht wurde. Die gesamte Situation konnte u.a. mit der Gabe von Defibrotide erfolgreich bot sich für eine zielgerichtete ALK-Inhibitor-The- behandelt werden. Bereits in dieser Behandlungs- rapie an. Wir beantragten die Kostenübernahme des phase setzten die Ärzte auf relativ neu zugelassene ALK-Inhibitors Brigatinib, welches die besten Daten Medikamente. für ZNS-Gängigkeit aufwies, und unsere Krankenkasse genehmigte diese sogenannte Off-Label-Behandlung. Nach eingehender Beratung wurde die weitere Therapie (eine zweite autologe Stammzelltransplanta- Moritz nimmt dieses Medikament nun seit tion) daraufhin ausgesetzt, da die Wahrscheinlichkeit mittlerweile 1,5 Jahren und wir hoffen, dass es auf einer erneuten VOD zu groß war. Wir hofften, dass lange Sicht erfolgreich gegen eine Neubildung der die bisherigen Chemotherapien ausreichen würden, Tumorzellen eingesetzt werden kann. Moritz geht es um den Tumor zu besiegen und wurden kurz vor Weih- zurzeit sehr gut, er macht große Fortschritte und holt nachten nach Hause entlassen. Moritz erholte sich auf, was vor und während seiner Erkrankung und der gut und im darauffolgenden Jahr kamen wir regel- folgenden Therapie an Entwicklungsschritten auf der mäßig zur Nachsorge und den anstehenden Kontroll- Strecke geblieben ist, und wir genießen einfach die untersuchungen. Im März ging es Moritz schlechter; schöne gemeinsame Zeit. Er ist ein fröhlicher und er bekam einen Shunt eingesetzt, worauf sich sein unternehmungslustiger kleiner Junge. Zustand binnen kurzer Zeit besserte. Unsere ganze Hoffnung liegt auf dieser ALK-In- Leider zeichnete sich in den nächsten MRT- hibitor-Therapie, welche erst durch eine zielgerichtete Untersuchungen ab, dass der Tumor offenbar noch Forschung möglich geworden ist und zu deren Teil nicht besiegt war. Im Dezember 2019 dann die er- wir geworden sind. _Familie Bühring SCHMETTERLING 137/138 | 21
FÖ RD ERPRO JEK TE FO R SCHU N G FORSCHUNGS-UPDATE AG Horstmann: Neues zur ALL Die akute B-Vorläufer lymphoblas- ZNF423 – tische Leukämie (ALL) ist der häufigste DER UNTERSCHÄTZTE PLAYER BEI DER LEUKÄMOGENESE? Krebs im Kindesalter, bei der die Reifung Im Rahmen aktueller Forschungen beobachteten Professor bestimmter weißer Blutkörperchen – der Horstmann und sein Team die breite Prävalenz und den Einfluss B-Zellen oder B-Lymphozyten – gestört ist. von ZNF423 auf die differentielle Genregulation in verschie- Ein bedeutender Transkriptionsfaktor für denen Subtypen der primären menschlichen ALL. "Mit Hilfe die B-Zelldifferenzierung ist EBF1 (early der CRISPR-Cas9-Technologie haben wir ein zelluläres Modell B-cell factor 1), der durch eine abnormale der Pro-B-Leukämie entwickelt, das zeigt, wie ZNF423 die Expression des Zinkfingerfaktors ZNF423 Lebensfähigkeit der Zellen verringert resp. das Überleben von gehemmt werden kann. Die zugrundelie- Mäusen verlängert werden kann, wenn diese mit Zellen, denen genden molekularen Mechanismen sind bis ZNF423 fehlte, xenotransplantiert wurden“, erläutert Professor heute jedoch weitestgehend unklar. Das Horstmann. Neben der Kartierung des genomweiten Bindungs- Forscherteam von Professor Martin Horst- musters vertieften die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse zu mann beschäftigt sich seit Jahren intensiv den verschiedenen epigenetischen Markierungen der durch mit der Rolle des Zinkfingers ZNF423 auf die ZNF423 gebundenen Genomregionen und ihrer entsprechenden Pathogenese der ALL und konnte in früheren Transkriptome - auch im Hinblick auf den Einfluss von ZNF423 Arbeiten bereits eine gestörte epigeneti- auf die Transkriptionsprogramme von EBF1 und dem ebenfalls sche und transkriptionelle Regulation des von ZNF423 gebundenen SMAD1/4. Wir verstehen nun besser, Zinkfingerfaktors 423 als einen möglichen welche Genaktivitäten dieses Protein im Kontext der B-Linie Mechanismus identifizieren, der die B-Zell reguliert, welche Zielgene durch ZNF423 beeinflusst werden. Differenzierung hemmt und an der Entste- Das stärkt unsere Annahme, dass ZNF423 eine bisher unter- hung der ALL kausal beteiligt ist. schätzte Rolle bei der Leukämogenese spielt“, so Professor Martin Horstmann. Das wiederum lässt auf neue, zukünftige Therapiekonzepte bei der kindlichen Leukämie hoffen. Genome-wide interference of ZNF423 with B-lineage transcriptional circuitries in acutelymphoblastic leukemia Pablo Iglesias, Ann-Christin Puller, Marcos Seoane, Michael Spohn, Sabine Raasch, Marianne Klokow, Jürgen Müller, Lia Burkhardt, Daniela Indenbirken, Martin A. Horstmann Journal: Blood Advances, Blood Advances (2021) 5 (5): 1209–1223., DOI: https://doi.org/10.1182/bloodadvances.2020001844 22 | SCHMETTERLING 137/138
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