Entrepreneurial Finance - eine konzeptionelle
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EF WORKING PAPER SERIES Entrepreneurial Finance – eine konzeptionelle Einführung Ann-Kristin Achleitner Working Paper 01-01 Dezember 2001 Technische Universität München DtA-Stiftungslehrstuhl für Entrepreneurial Finance Arcisstr. 21 80333 München Germany http://www.ef.wi.tum.de/ ann-kristin.achleitner@wi.tum.de
Entrepreneurial Finance – eine konzeptionelle Einführung Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner1 Am 1. Oktober 2001 hat an der TU München der erste deutsche Lehrstuhl für Entrepreneurial Finance seine Tätigkeit aufgenommen. Der folgende Artikel zeigt auf, wie es in den Vereinigten Staaten zur Entwicklung dieses Lehr- und Forschungsgebiets kam und welche Fragestellungen durch Entrepreneurial Finance im weitesten Sinne abgedeckt werden. I. Etablierung der Entrepreneurship-Ausbildung in den USA In den Vereinigten Staaten besteht traditionell eine enge Verbindung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Es erstaunt daher nicht, dass es die US-amerikanischen Universitäten waren, die eine Pionierstellung bezüglich der Errichtung von Entrepreneurship-Lehrstühlen einnahmen. Der erste Aufbau, die weitere Entwicklung und die Perspektiven der Entrepreneurship-Ausbildung an den dortigen Hochschulen sind daher von großem Interesse bei der Verfolgung der Frage, wie in Deutschland eine angemessene Ausbildung im Bereich Entrepreneurship ausgestaltet sein kann. Die Initiierung der Entrepreneurship-Ausbildungswelle in den Vereinigten Staaten kann auf die Harvard Business School zurückgeführt werden, die bereits 1946 einen Lehrstuhl mit dieser Ausrichtung einführte. Viele andere US-amerikanische Hochschulen folgten. Dabei blieb die Entrepreneurship-Ausbildung nicht im Bereich der rein betriebswirtschaftlich orientierten Schulen. Auch technologieorientierte Hochschulen wie das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und die ihm angegliederte Sloan School of Management zogen nach. An dieser wird das Fach Entrepreneurship seit 1961 gelehrt; mittlerweile wird dort eine breite Ausbildung in diesem Bereich angeboten. In den Vereinigten Staaten besteht damit eine jahrzehntelange Erfahrung bei der Unterrichtung von Entrepreneurship und ein Grundverständnis, welche Inhalte und Lehrformen ein bestmögliches Ergebnis erzielen. 1 Univ.-Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner, DtA-Stiftungslehrstuhl für Entrepreneurial Finance, Technische Universität München, München. Dank gebührt Dipl.-Volksw. Christian H. Fingerle für seine Unterstützung.
Die maßgebliche Triebfeder bei der Einrichtung der Entrepreneurship-Kurse und -Lehrstühle an den US-amerikanischen Hochschulen war dabei die Nachfrage der Studenten nach einer Entrepreneurship-orientierten Ausbildung. Das US-amerikanische Bildungssystem hat hier nachfrage- und nicht angebotsseitig reagiert. Die heute existierende Entrepreneurship- Ausbildung ist daher auch nicht konzeptionell entstanden, sondern vielmehr eklektisch gewachsen und zum Teil nur vor dem jeweiligen historischen Hintergrund verständlich. Trotz der zunehmenden Verankerung der Entrepreneurship-Kurse in den Lehrplänen haben Kritiker lange bezweifelt, dass diese Thematik überhaupt unterrichtet werden könne.2 Dieser Einwand wurde sowohl von Unternehmern, als auch von Vertretern der Hochschulseite vorgebracht. Akademiker bezweifelten zudem, dass im Bereich Entrepreneurship eine ernsthafte Forschung möglich sei. Dieser Vorbehalt gegenüber dem Bereich Entrepreneurship als Lehr- und Forschungsgebiet führte zu einer eher stiefmütterlichen Behandlung desselben. Nachwuchskräfte in den Fakultäten forschten und publizierten zur Erlangung der im US- amerikanischen Raum wichtigen Tenure lieber auf anderen Gebieten mit der Folge, dass der wichtige Impetus dieser Gruppe fehlte. Eine Untersuchung der Business Week über die Ausbildung im Bereich Entrepreneurship an den führenden US-amerikanischen Business Schools aus dem Jahr 19963 stellt hier jedoch für die letzten Jahre eine drastische Veränderung fest - sie spricht treffend von der neu gefunde- nen Respektabilität der Lehre im Bereich des Entrepreneurship. So verfüge jede führende Universität mittlerweile über einen hiermit befassten Lehrstuhl. Die Untersuchung sieht den Grund für diese mittlerweile flächendeckende Beschäftigung mit Entrepreneurship an den führenden Hochschulen darin, dass sich die akademische Einschätzung des Entrepreneurship über die Jahre verändert habe. Das Ergebnis dieser Bewusstseinsänderung wird darin auf den Punkt gebracht: "The result has been a swift transformation of the subject from a scorned hinterland of the academy to one of the hottest areas in management education. Deans across the country now list entrepreneurship, along with technology and international business, among their highest priorities."4 2 o.V., Class Acts in the Ivy Covered Halls, http://www.businessweek.com/1996/51/b350643.htm, (Stand: 04.12.2001). 3 o.V. (Fn. 2). 4 o.V. (Fn. 2).
II. Inhaltliche Entwicklung der Entrepreneurship-Forschung und -Lehre Betrachtet man die Inhalte der Entrepreneurship-Forschung und -Lehre in den Vereinigten Staaten sowie deren Entwicklung über die letzten Jahrzehnte, so zeigt sich eine deutliche Verschiebung, die sich über drei Phasen hin erstreckte.5 Primär ging es um die ökonomische Rolle des Unternehmertums. Hier standen bspw. die Theorien von Cantillon und Schumpeter im Mittelpunkt. In den 1950er Jahren verschob sich das akademische Interesse dann von der ökonomischen Rolle des Unternehmertums zur Analyse der persönlichen Charakteristika von Unternehmern. Heute schließlich geht es um Entrepreneurship als betriebswirtschaftlichen Vorgang. Interessant ist, dass sich allerdings noch kein einheitlich getragenes Verständnis von Entrepreneurship herausgebildet hat. Nur wenige Schulen haben ein geschlossenes Konzept der Ausbildung im Bereich Entrepreneurship. Eine Ausnahme macht hier die Harvard Business School, die sich zu einem behaviouristischen Ansatz bekennt.6 Hiernach ist Entrepreneurship die Verfolgung von Gelegenheiten unabhängig von den gerade verfügbaren Ressourcen. Damit ist Entrepreneurship eine Art des Management und nicht eine spezifische ökonomische Funktion oder ein Charakteristikum eines Individuums. Die vier kritischen Faktoren hierbei sind die Menschen, die Gelegenheit, der Deal und die Rahmenbedingungen. Entscheidend ist dabei die Komplementarität der Faktoren, d.h. deren jeweiliger Fit. Inhaltlich decken die heutigen Curricula im Bereich des Entrepreneurship bei den meisten Universitäten drei klassische Themenbereiche ab. So setzen sie sich typischerweise in einem ersten Schritt mit der Ideengenerierung durch Kreativität und Innovation auseinander. Simu- lationen von Geschäftsmodellen unterstützen dabei den Prozess der Untersuchung einer nach- haltigen Wertgenerierung. Als nächster Schritt folgt die Erstellung eines Business Plan und der Start eines neuen Unternehmens. Im Zentrum stehen dabei das Unternehmenskonzept, die Organisationsstruktur, die Finanzplanung, die Eignerstruktur und die Kontrolle. Vermittelt werden die Inhalte von der eigentlichen Geschäftsplanung bis hin zur Gründung. Damit wird der Prozess von der Idee hin zum Unternehmen dargestellt. In einem dritten Schritt wird dann das Management eines Wachstumsunternehmen untersucht. Es werden Unterschiede und 5 Sahlman, Entrepreneurial Finance – Course Introduction, Case Study 9-288-004, Harvard Business School 1987, rev. August 6, 1997. S. 2. 6 Sahlman, (Fn. 5), S. 2ff.
Herausforderungen sowie Lösungsansätze aufgezeigt. Dabei wird verstärkt auf Wettbewerb, Strategie und Marktdurchdringung eingegangen. III. Auffächerung der Entrepreneurship-Ausbildung in den USA Mit der zunehmenden Verbreitung und der wachsenden Anerkennung des Entrepreneurship als akademische Disziplin hat sich dieses Forschungsgebiet in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren weiter aufgefächert. So umfasst die Entrepreneurship-Ausbildung zahlreiche weitere Module. Diese sind sowohl in verschiedenen Bereichen der Wirtschaftswissenschaften (z.B. Finanzierung, Management, Marketing) als auch in anderen Disziplinen, so der Psychologie, Soziologie und Geschichte, angesiedelt.7 Das Entstehen von betriebswirtschaftlich orientierten, auf Entrepreneurship ausgerichteten Kursen ist dabei auf die Besonderheiten des Faches zurückzuführen. So ist die klassische Be- triebswirtschaftslehre aufgrund ihrer starken Spezialisierung und Abstraktion sowie ihrem Fokus auf Großunternehmen zum Teil nicht übertragbar. Die einzelnen Gebiete müssen viel- mehr für die besondere Gruppe der Wachstumsunternehmen, mit denen sich das Entrepre- neurship-Fach beschäftigt, angepasst werden. Trotz der an sich breit gefächerten, aber klaren Anforderungen, die der Bereich des Entrepre- neurship an den Lehrstoff stellt, zeigt eine Analyse der Lehrangebote ein sehr uneinheitliches Bild. Man kann allerdings für den Bereich der betriebswirtschaftlichen Ausbildung im Entrepreneurship herausarbeiten, dass sich hier klare Schwerpunkte zeigen. Dies sind die Bereiche des Managements, der Finanzierung, des Marketings und des Rechts. Abb.1 zeigt für topgerankte US-amerikanische Business Schools beispielhaft auf, inwieweit hier jeweils eine derartige Spezialisierung vorzufinden ist. 7 Vgl. Lück/Böhmer, zfbf 1994, S.403-413; Lück/Jung/Böhmer, DB 1996, S.437-443.
Business School Management Finance Marketing Law Harvard Business School x x x Kellogg Graduate School of Management x x Graduate School of Business, Columbia University x x Yale School of Management x x Graduate School of Business, Stanford University x x x The Wharton School, University of Pennsylvania x x x Stern School of Business, New York University x x x x Babson College, Massachusetts x x x Fuqua School of Business, Duke University x x x Abb. 1: Schwerpunkte bei der Entrepreneurship-Ausbildung an US-amerikanischen Business Schools IV. Spezialisierung Entrepreneurship/Finance an US-Business Schools Schon die Auffächerung des Lehrangebots lässt vermuten, dass Finanzierungsaspekten im Rahmen der US-amerikanischen Entrepreneurship-Ausbildung mittlerweile eine große Bedeutung zukommt. Zwei andere Beobachtungen bestärken dies. So wurde in der angesprochenen Untersuchung der Business Week ein Ranking der zwölf besten damals tätigen Entrepreneurship-Professoren in den USA veröffentlicht.8 Hiernach weisen vier der zwölf Lehrstuhlinhaber einen „Finance Track Record“ auf. Gleichzeitig sind alle vier Professoren unter den besten sieben Lehrstühlen für Entrepreneurship erwähnt. Zudem wird die relative Bedeutung, welche die Praxis dem Bereich Finanzierung im Rahmen der Entrepreneurship-Ausbildung beimisst, deutlich, wenn man die Funding-Struktur des Entrepreneurship Center des MIT betrachtet. Dort entstammt gar die Hälfte aller Sponsoren dem Finanzbereich. Dies kann nicht nur mit der traditionell hohen Funding-Kapazität des Finanzdienstleistungssektors erklärt werden, sondern ist auch auf das hohe Interesse zurückzuführen, das einer Ausbildung in diesem Bereich für die Finanzindustrie an sich zukommt. 8 o.V., The Best Entrepreneurship Teachers, http://www.businessweek.com/1996/51/b350644.htm (Stand: 04.12.2001).
Bei aller Bedeutung der Finanzierungsausbildung auf dem Gebiet des Entrepreneurship hat sich jedoch noch kein einheitliches Kerncurriculum herausgebildet. Im Rahmen der Auffächerung desselben bieten die betrachteten Business Schools hingegen unterschiedliche Kurse zum Thema Finance an. Dabei zeigen die Vorlesungsverzeichnisse eine verwirrende Vielfalt nicht einheitlich verwendeter Begriffe. Zudem sind die Breite und Tiefe der Angebote der jeweiligen Schulen im Bereich der Finanzierung im Rahmen der Entrepreneurship- Ausbildung sehr unterschiedlich. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die Stern School of Business der New York University und die Graduate School of Business der Stanford University unter den näher analysierten Business Schools am weitesten mit einer Spezialisierung im Finance-Bereich fortgeschritten sind. Abb.2 gibt einen Überblick über die an diesen Business Schools angebotenen Kurse an der Schnittstelle Entrepreneurship/Finance. Sie sind jeweils in Abhängigkeit davon, ob sie von der Finance- oder aber Entrepreneurship-Fakultät angeboten werden, eingangs mit den Kürzeln „E“ oder „F“ versehen. Harvard Business School, Harvard University E/F: Venture Capital and Private Equity E/F: Entrepreneurial Finance E/F: International Entrepreneurial Finance Kellogg Graduate School of Business, Northwestern University F: Venture Capital F: Entrepreneurial Finance F: Case Studies in Venture Capital F: Private Equity F: Debt Financing for Entrepreneurs
Graduate School of Business, Columbia University E/F: Venture capital and the entrepreneurial company E/F: Entrepreneurial Finance E/F: Venture Capital E: The Internet Economy, Venture Capital and the Entrepreneurial Process E: The Role of Private Equity in Corporate Finance Yale School of Management, Yale University F: Private Equity Investing E: Venture Capital and Private Equity Investment Graduate School of Business, Stanford University E/F: Private Equity Investing E/F: Investment Management and Entrepreneurial Finance E/F: Financial Intermediaries and Capital Markets E: Entrepreneurship and Venture Capital E: Managing to IPO: Control Systems The Wharton School, University of Pennsylvania F: Venture Capital and Private Equity Stern School of Business, New York University E/F: Venture Capital Financing E/F: FinDotCom: Corporate Finance for the New Economy E/F: Entrepreneurial Finance E/F: New Venture Financing F: Topics in Entrepreneurial Finance F: Equity Instruments and Markets E: E-Commerce: Accounting, Control and Valuation
Babson College, Massachusetts F: Valuation F: Equity Markets F: E-Finance E: Venture Capital Sector E: Financing the Entrepreneurial Venture E: Management Buy-Outs (MBOs) and Management Buy-Ins (MBIs) E: Venture and Growth Capital: Theory and Practice Fuqua School of Business, Duke University F: Venture Capital and Private Equity E: Evaluating Entrepreneurial Opportunities Abb.2: Kursangebot an der Schnittstelle Entrepreneurship/Finance an führenden US- amerikanischen Business Schools (Auswahl, Stand: Dezember 2001) Diese Aufstellung zeigt, dass an den US-amerikanischen Business Schools der im deutschsprachigen Raum fast gänzlich unbekannte Begriff des „Entrepreneurial Finance“ verwendet wird. Dort wurde er in den 80er Jahren erstmals von Sahlman an der Harvard Business School eingeführt. Mittlerweile haben vier der aufgezeigten neun Business Schools einen Kurs mit dieser Titulierung. Analysiert man jedoch das Angebot näher, so stellt man fest, dass die Kurse an der Schnittstelle Entrepreneurship/Finance - wie schon zuvor für die Gesamtheit der Entrepreneurship-Kurse angeführt - in Abhängigkeit von den Anforderungen der Studenten und den personellen Möglichkeiten, die sich aus der bestehenden Fakultät ergaben, dem Vorgehen und Stil der dortigen Entrepreneurship-Ausbildung entsprechend eher eklektisch gewachsen sind. Dabei besteht auf den ersten Blick keine Struktur des Angebotes. Konkrete Inhalte können sich daher mit verschiedensten Titulierungen in den Lehrplänen wiederfinden.
Analysiert man die jeweiligen Lehrangebote - über die Bezeichnung der Kurse hinausgehend - tiefer und beschäftigt sich mit den Lehrinhalten und ihrer -entwicklung, so kann man einen dreistufigen Ansatz herausarbeiten. Das entscheidende Differenzierungsmerkmal ist, aus welcher Perspektive der Stoff angegangen wird. So kann unterschieden werden zwischen - der Perspektive des Unternehmers/Unternehmens, - der Perspektive des Investors/Intermediärs und - der Perspektive des Anlegers. Je nach Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven der involvierten Wirtschaftssubjekte kann der Begriff der Entrepreneurial Finance demnach im engeren und im weiteren Sinne ver- wendet werden. Es ist jedoch anzumerken, dass manche Schulen einen anderen Ansatz verfolgen. Hervorzuheben ist das MIT. Hier werden die vergleichbaren Inhalte ausgerichtet an den auf den verschiedenen Stufen tätigen Dienstleistern und Gruppen (bspw. Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer) vermittelt. Dabei wird die Investorenperspektive, als eine dieser verschiedenen Perspektiven, neben denen der Dienstleister abgearbeitet. Damit ergibt sich keine Notwendigkeit mehr, diese in Form einer dritten Perspektive zu berücksichtigen. V. Entrepreneurial Finance im engeren Sinne Im Zentrum der Disziplin Entrepreneurial Finance steht im engeren Sinne die Analyse von finanzwirtschaftlichen Problemstellungen im Bereich der Wachstumsunternehmen, d.h. die Betrachtung der Finanzierungsfragen ist auf die Perspektive des Unternehmers/Unternehmens fokussiert. Es wird untersucht, inwieweit durch finanzwirtschaftliche Maßnahmen, die sich speziell bei Wachstumsunternehmen bietenden Wertschaffungspotenziale realisiert werden können. Sahlman ergänzt zu diesem Begriff: „If „entrepreneurship“ is about relentless pursuit of opportunity without regard to the resources currently controlled and „finance“ is about cash, risk and value, then „entrepreneurial finance“ is about the pursuit of opportunities to create value”.9 9 Sahlman, (Fn. 5), S.4.
Bei den betrachteten Unternehmen erfolgt regelmäßig eine Ausrichtung auf Wachstumsunternehmen, jedoch ist dieser Begriff bisher nicht eindeutig definiert. So wurde die Finanzierung von mittelständischen Unternehmen (wie wir sie in Deutschland als Familienunternehmen kennen) oder aber von ganz kleinen Unternehmen (im Sinne des Small Business Finance) in den US-Lehrangeboten entweder gar nicht berücksichtigt oder in der Regel (wenn auch nicht immer) abgespalten und in einzelnen Fällen als Sonderkurs un- terrichtet. Ansonsten wurde im Rahmen der Wachstumsunternehmen traditionell nicht weiter nach Arten von Wachstumsunternehmen unterschieden. Der Begriff der Wachstumsunternehmen muss aber näher spezifiziert werden. Das allgemeine Verständnis, das von einem Wachstum des Umsatzes ausgeht, greift dabei zu kurz. Unser Verständnis von Wachstumsunternehmen weist dem Wachstum des Unternehmenswertes die zentrale Bedeutung zu. Daher werden als Wachstumsunternehmen nur solche Unternehmen betrachtet, die ein überproportionales Wachstum ihres Unternehmenswertes anstreben. Dies wird in der Regel nur durch ein Wachstum des Umsatzes möglich sein. In diesem Bereich deckt sich dieses Wachstumsverständnis mit dem allgemeinen Verständnis von Wachstumsunternehmen, bei welchem auch die traditionellen kleinen bzw. stagnierenden Unternehmen nicht berücksichtigt werden. Ein Umsatzwachstum impliziert zwar oftmals gleichzeitig auch ein Wertwachstum, dennoch muss diese Kausalitätsbeziehung nicht immer gelten. Im allgemeinen Verständnis sind es vor allem die neugegründeten Unternehmen, die ein überdurchschnittliches Umsatz- und damit Wertwachstum vermuten lassen. Soll aber auf ein Wertwachstum abgestellt werden, so muss die Gruppe der Wachstumsunternehmen nicht nur originäre, d.h. strukturschaffende Unternehmensgründungen umfassen, sondern auch derivative, d.h. strukturändernde Unternehmensgründungen.10 Damit werden zu den Neugründungen sowohl Um- und Ausgründungen als auch Gründungen, die sich bei der Übernahme von etablierten Unternehmen(steilen) im Zuge von Management Buyouts / Buyins ergeben, gezählt. Gerade bei Transaktionen, wie sie im Private-Equity-Bereich häufig anzutreffen sind, werden Randaktivitäten der Unternehmen abgetrennt und dabei kommt es häufig zu zunächst geringeren Umsätzen. Durch die Fokussierung auf die Kernkompetenzen des Unternehmens wird dabei angestrebt, dass der Unternehmenswert steigt. Gemeinsame 10 Nathusius, Grundlagen der Gründungsfinanzierung, 2001, S. 4.
Merkmale der betrachteten Unternehmensgründungen sind somit die unternehmerische Situation und das überdurchschnittliche Wertsteigerungspotenzial. Bei dieser Behandlung der Entrepreneurial Finance im engeren Sinne wird die Finanzierung von Wachstumsunternehmen ausschließlich aus der Perspektive des Unternehmens resp. Unternehmers betrachtet. Hier orientiert man sich am Wertschaffungszyklus (Wealth Creation Cycle) des Unternehmens. Es wird somit eine genetische Betrachtungsweise verfolgt. Dies erlaubt eine Integration von Aspekten aus den verschiedenen betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen. Der Wertschaffungszyklus kann dabei in drei Phasen unterteilt werden: die Unternehmensgründung, das wachsende Unternehmen bis hin zum Börsengang und das junge notierte Unternehmen bis zum maßgeblichen Rückzug der ursprünglichen Kapitalgeber. Je nach Phase werden sich die angewandten Instrumente und Methoden der Entrepreneurial Finance unterscheiden. Die Phase der Unternehmensgründung deckt sowohl die Vorphase der Gründung als auch die erste Finanzierungsrunde ab. Hierbei geht es vor allem um die Deckung des ersten Kapitalbedarfs sowie die eventuelle Bereitstellung von zusätzlichen Unterstützungsleistungen durch externe Kapitalgeber. Die Phase des Unternehmenswachstums deckt alle Fragen des neu gegründeten, privat gehaltenen Unternehmens bis zum Rückzug der ursprünglichen Risikokapitalgeber ab. Klassischerweise stehen hier vor allem weitere Finanzierungsrunden, Fremdkapitalaufnahme und Finanzmanagement im Vordergrund. Den Abschluss dieser Phase bildet der Gang an die organisierten Kapitalmärkte (Going Public, IPO) bzw. der Verkauf des Unternehmens (Trade Sale) an einen strategischen Investor. Hier geht es daher um das „Fitmachen“ für die Ansprüche außenstehender Kapitalgeber. Der Börsengang oder Trade Sale stellte über viele Jahre das Ende der konventionellen Entre- preneurial-Finance-Forschung dar. Mittlerweile hat sich jedoch die genetische Behandlung der Finanzierung eines Wachstumsunternehmens um die Phase als junges börsennotiertes Unternehmen erweitert. Für diese jungen börsennotierten Wachstumsunternehmen ergeben sich besondere Anforderungen und Möglichkeiten, die in der Forschung untersucht und neuerdings in den Lehrprogrammen der führenden US-amerikanischen Business Schools auch behandelt werden.
Mit dieser dritten Phase hat die Entrepreneurial Finance eindeutig die Betrachtung auf den Bereich der organisierten Kapitalmärkte erweitert. Dabei geht es nicht nur um eine Verlängerung des Horizontes. Der Kapitalmarkt ist vielmehr entscheidend für die Finanzierung auf den privaten Märkten überhaupt. So schlagen sowohl dessen Einschätzungen von der Finanzierbarkeit von Konzepten ebenso wie Bewertungsansätze in der Regel vom Kapitalmarkt auf den privaten Markt durch. Manche Venture-Capital- Finanzierungen, so allen voran die Biotechnologie, sind zudem nur dann erfolgreich durchzuführen, wenn sich an die Finanzierung durch den privaten Kapitalmarkt eine Finanzierung durch den organisierten Kapitalmarkt anschließt, da die notwendigen großen Finanzierungssummen im Regelfall privat nicht aufbringbar sind. Damit ist es eine Kernüberlegung des privaten Investors bei der anfänglichen Investitionsentscheidung, wie gut die späteren Aussichten einer Kapitalmarktfinanzierung sind - und damit, wie der Kapitalmarkt zu diesem Zeitpunkt wohl derartige Investmentmöglichkeiten beurteilen wird. Es ist trotz dieser auf den ersten Blick schon großen Bedeutung des Kapitalmarktes für die Venture-Capital-Finanzierung einsichtig, dass diese dritte Phase dennoch erst langsam in den Fokus des Interesses der Forschung rückt. So haben sich erst mit der Zeit die besonderen Anforderungen und Probleme der jungen börsennotierten Unternehmen, die ehemals privat finanzierte Wachstumsunternehmen waren, aufgezeigt. In Deutschland kann die „Entzauberung“ vieler führender Unternehmen des Neuen Marktes, welche zuvor als deutsche Vorzeige-Wachstumsunternehmen galten, vielfach auf die noch nicht erfüllten Anforderungen eines organisierten Kapitalmarktes zurückgeführt werden.11 Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass die ehemals privaten Kapitalgeber sich beim Börsengang nicht vollständig von ihrer Beteiligung trennen können und in diese neue Phase „mit hineingezogen werden“.12 So erfordern bspw. die erst in jüngerer Zeit wahrgenommenen Probleme, die beim Auslaufen der Lock-up-Periode auftreten, schon eine bessere Berücksichtigung seitens der Unternehmen. Diese wiederum müssen in der Zeit festgelegt werden, in der das Unternehmen noch privat gehalten ist. 11 Dies war seinerzeit der Anlass, erstmalig die besonderen Probleme bei der Kapitalmarktkommunikation von Wachstumsunternehmen aufzuarbeiten. Siehe hierfür die Artikel in: Achleitner/Bassen, Investor Relations am Neuen Markt, 2001 sowie Achleitner/Bassen/Pietzsch, Kapitalmarktkommunikation von Wachstumsunternehmen, 2001. 12 Beträgt der durchschnittliche Anteil der Risikokapitalgeber am Unternehmen vor dem Börsengang 40%, so beläuft sich dieser nach dem Börsengang immerhin noch auf 22%. Vgl. Franzke, Underpricing of Venture- Backed and Non Venture-Backed IPOs: Germany’s Neuer Markt, CFS Working Paper No. 2001/01, 2001, S.17.
VI. Entrepreneurial Finance im weiteren Sinne Im weiteren Sinne wird der Fokus der Entrepreneurial Finance neben der Perspektive des Unternehmens um die beiden Perspektiven der Investoren und der Anleger erweitert. Hier sollen unter Investoren vor allem die Intermediäre und unter Anleger diejenigen verstanden werden, die das Kapital den Investoren (i.d.R. Venture-Capital-Gesellschaft) zur Verfügung stellen. Damit werden alle im Rahmen des Entrepreneurship auftretenden Fragen mit Finanzbezug unter dem Begriff der Entrepreneurial Finance subsumiert. An der Harvard Business School folgt auch Kümmerle zu einem gewissen Maß diesem weiteren Verständnis der Entrepreneurial Finance. Er definiert: „International entrepreneurial finance is the study of the allocation of scarce resources by and to entrepreneurs in international settings“.13 Dabei hält er fest, dass bei den von ihm im Rahmen seines Kurses erörterten Entrepreneurial-Finance-Problemen in der Regel der Unternehmer der Protagonist sei, in manchen Fällen jedoch auch der Private-Equity-Investor, der sich im Prozess der Bewertung einer unternehmerischen Gelegenheit befindet.14 Damit wird zur Perspektive des Unternehmers auch die des Investors/Intermediärs hinzugefügt. Hier orientiert man sich am Venture-Capital-Zyklus, d.h. der Abfolge der Tätigkeiten eines Kapitalgebers. Der Venture-Capital-Zyklus beschreibt die aufeinanderfolgenden Aufgaben der Investoren/Intermediäre und basiert auf dem deutschen Verständnis von Venture Capital im weiteren Sinne, das auch den Bereich des Private Equity mit einschließt.15 Die konzeptionelle Grundlage wurde durch Prof. Josh Lerner und Prof. Paul Gompers von der Harvard Business School geschaffen.16 Die Ausbildung geht genetisch vor und richtet sich nach den drei Phasen des Venture-Capital-Zyklusses: die Aufbringung und Strukturierung von Venture-Capital-Fonds, die Investition in Wachstumsunternehmen und schließlich der Exit der Risikokapitalgeber.17 13 Kümmerle, International Entrepreneurial Finance Overview, Case Study 9-899-148, Harvard Business School 1999, rev. April 15, 1999, S. 1. 14 Kümmerle (Fn. 13), S.7. 15 Vgl. Achleitner, in: Breuer, Handbuch Finanzierung, 2002, in Druck. 16 Zu den thematischen Grundlagen auf denen die Ausbildung der Harvard Business School basiert, vgl. Gompers und Lerner, The Venture Capital Cycle, Cambridge/MA, 1999. 17 Vgl. Lerner, Venture Capital and Private Equity, Course Description, http://www.entrepreneurship.hbs.edu/VCPE.htm (Stand: 04.12.2001).
Die erste Phase der Aufbringung und Strukturierung von Venture-Capital-Fonds, befasst sich mit der Funktionsweise von Venture-Capital-Fonds und dem Prozess, wie diese strukturiert und aufgebaut werden. In der Phase der Investition in Wachstumsunternehmen wird die Interaktion zwischen Venture-Capital-Investoren und den finanzierten Entrepreneuren näher beleuchtet. Die Investition und das anschließende Management der eingegangenen Beteiligungen bilden das Kerngeschäft von Venture-Capital-Investoren. Hier finden die Fragen, die sich aus der Interaktion zwischen Unternehmen und Kapitalgeber ergeben, besondere Beachtung. Aus der Perspektive des Unternehmers gehören dazu sämtliche Fragestellungen, die sich mit der Realisierung der Mehrwertschaffung durch Beteiligungskapitalgeber im Lebenszyklus des Unternehmens befassen. Aus der Perspektive des Kapitalgebers geht es darum, wie das finanzierte Unternehmen bestmöglichst überwacht und unterstützt werden kann. In der Phase des Exits steht der Austritt der privaten Risikokapitalgeber aus dem Finanzierungsverhältnis mit dem Unternehmen im Vordergrund. Erfolgreiche Exits sind sowohl für die Realisierung einer attraktiven Rendite als auch für die zukünftige Bereitstellung von Kapital durch die Anleger notwendig. Ein grundlegendes Verständnis der institutionellen Aspekte eines Exits sind daher unabdingbar, um einen unter Renditegesichtspunkten optimalen Austritt der Risikokapitalgeber zu ermöglichen. Neben dieser Perspektive der Investoren/Intermediäre umfasst das weitere Begriffsverständnis der Entrepreneurial Finance aber auch die Perspektive der Anleger. Die stark zunehmende Anlage in Private-Equity-Fonds verdeutlichen die Bedeutung dieser Anlageform für das Asset Management. So kann in der weiten Betrachtung der Entrepreneurial Finance der Asset- Management-Zyklus den beiden bereits besprochenen Zyklen hinzugefügt werden. Angesichts der engen Verflochtenheit vieler Fragen, die nur bei einer Betrachtung aus mehreren Perspektiven abschließend beurteilbar sind, spricht vieles dafür, beim Aufbau der Lehre und Forschung im Bereich der Entrepreneurial Finance die weitere Definition des Begriffs zugrunde zu legen. Aus diesem Grund verfolgen wir bei der Konzeption einer Lehre im Bereich Entrepreneurship/Finance den in Abb.3 aufgezeigten, dreistufigen Entrepreneurial-Finance-Ansatz.
Asset-Management-Zyklus Investition des ⇒ Perspektive Anlegers in Venture Capital des Anlegers Venture-Capital-Zyklus ⇒ Perspektive des Investors/ Fundraising Investition Exit Intermediärs Wertschaffungszyklus ⇒ Perspektive Junges notiertes Gründung Wachstum des Unternehmers/ Unternehmen Unternehmens Abb. 3: Dreistufiger Entrepreneurial-Finance-Ansatz Dieser ist in keiner der untersuchten Lehrangebote in dieser Form sowohl in der gezeigten Breite als auch Tiefe dargestellt, diskutiert oder verwirklicht. Gleichwohl gibt er einen guten Überblick über eine ausgereifte Ausbildung in diesem Gebiet. Führende Schulen bewegen sich auf dieses Modell hin. Es kann insofern als eine Art theoretische „Endausbaustufe“ betrachtet werden. Dabei kann der Ansatz resp. das hierauf aufbauende Angebot durchaus um einige Sonderfragen erweitert werden. Gute Ausbildungsprogramme an US-amerikanischen Hochschulen beinhalten Kurse aus den Perspektiven der Unternehmer/Unternehmen und Investoren/Intermediäre. Manche Hochschulen haben in den letzten Jahren begonnen, ihr Angebot in Forschung und Lehre auszubauen hin auf die Integration der dritten Ebene, der Perspektive des Anlegers. Es zeigen sich in diesem Bereich allerdings erst vereinzelte theoretische Ansätze, während die ersten beiden Kerninhalte schon weit entwickelt sind. Mit der Erweiterung des Lehrangebotes entsprechen die Universitäten auch den Bedürfnissen der Absolventen, die nach Abschluss ihrer Ausbildung, wenn sie sich nicht direkt selbstständig machen, zu einem beträchtlichen Teil bei Unternehmen der Venture-Capital-Industrie oder aber bei institutionellen Anlegern im Bereich Private Equity tätig werden.
VII. Herausforderung für Deutschland Die aufgezeigte Herausbildung eines eigenständigen Gebiets des Entrepreneurial Finance in den USA erlaubt es, auch in Deutschland einen derartigen Strang in der Lehre und Forschung zu etablieren. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Inhalte auf die deutschen resp. kontinentaleuropäischen Gegebenheiten übertragen werden müssen. So führen die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Wachstumsunternehmen, u.a. in ökonomischer, kultureller und sozialer Hinsicht, zu anderen Inhalten. Dies zeigt sich an vielfältigen Fragen, die sich vom anderen Charakter der hiesigen Business Angels bis hin zur Fremdkapitalaufnahme über den Kapitalmarkt erstrecken. Schließlich ist auch zu überdenken, inwieweit das Gebiet des Entrepreneurship im Allgemeinen und des Entrepreneurial Finance im Besonderen US-amerikanisch geprägte Lehrmethoden wie den Einsatz von Case Studies verlangt. Der neu geschaffene DtA-Stiftungslehrstuhl für Entrepreneurial Finance an der Technischen Universität München sieht sich dabei dem obigen dreistufigen Ansatz verbunden, den er zumindest mittelfristig in seiner Gesamtheit abdecken will. Durch diesen Entrepreneurship- bezogenen Lehrstuhl der zweiten Generation18 soll ein weiterer Beitrag dazu geleistet werden, dass die gegründeten Unternehmen sich tatsächlich langfristig zu etablierten, nachhaltig gesunden und Arbeitsplätze schaffenden Unternehmen entwickeln können. 18 Siehe für die Entwicklung der Gründerlehrstühle der ersten Generation Klandt/Heil, FGF-Report: Gründungslehrstühle Deutschland 2001, http://www.fgf-ev.de/de/aktivitaeten/pdf/FGf-Report2001.pdf (Stand: 04.12.2001).
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